Title: Der zerstörte Tasso: Ausgewählte Gedichte
Author: Ferdinand Bruckner
Release date: May 17, 2016 [eBook #52092]
Language: German
Credits: Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed
Proofreading Team at http://www.pgdp.net
AUSGEWÄHLTE GEDICHTE
VON
THEODOR TAGGER
LEIPZIG
KURT WOLFF VERLAG
Bücherei „Der jüngste Tag“, Bd. 62/63
Gedruckt Ende 1918 bei E. Haberland in Leipzig
OHNMACHT UND AUFRUHR | Seite |
Drei Stoßgebete | 9 |
Der Dichter | 12 |
Abraham und Lot | 15 |
Eva und Susanna | 18 |
Die Eselin | 20 |
Lilie | 21 |
Fantasia Contrappuntistica | 23 |
Preludio, Fughetta ed Fuga Esercizio | 25 |
Die Irren | 28 |
Ariadne | 32 |
Bilder und Aufraffung des Einsamen | 35 |
Der Löwenbändiger | 38 |
Das Bett | 42 |
Der zerstörte Tasso | 44 |
LANDSCHAFTEN | |
Mann am See | 51 |
Abendsonne | 52 |
Späte Landschaft | 54 |
Nacht | 55 |
Ohnmächtige Stunde, Versailles | 56 |
Landschaft | 57 |
Nasser Abend | 58 |
Mitternacht | 59 |
Mittag | 60 |
Winter | 61 |
Sommerabend | 62 |
PSALMEN DAVIDS | |
Der erste Psalm | 65 |
Der sechzehnte Psalm | 66 |
Der einhundertundzweite Psalm | 67 |
Der siebenundsechzigste Psalm | 70 |
Der fünfundvierzigste Psalm | 71 |
Der dreiunddreißigste Psalm | 72 |
Der neununddreißigste Psalm | 74 |
Der einhundertundneununddreißigste Psalm | 76 |
Der einhundertvierundvierzigste Psalm | 80 |
Der einhundertsiebenundvierzigste Psalm | 83 |
Der einhundertfünfzigste Psalm | 86 |
Ich liebe dich, Herr. Aufgerissen
über alle Maßen stehe ich
zwischen den Tagen. Ich habe keine
Hinneigung mehr, bin nur noch Schwanken,
allem zugeöffnet —, und beraubt.
Aber
es kommt einmal deine Hand
und du verschließt mich
leise, daß ich reife und mich
ausblaue in mir. O,
hebe mein Weinen auf, Herr,
laß mich erseligen
an dir, du Grünen und du Träne an den Zweigen des Frostes.
Herr, du mein Mond,
o scheine mir wieder nächtliche Erlösung.
Gieße die heißen
und dunkelen Balsame aus deinen Händen,
hebe die Lider vor den Psalmen deiner Augen.
O, wie kannst du kühlen, sänftigen und verscheinen!
O, wie kannst du, Herr, überschleiern!
Sieh, ich leide hier an den schmerzlich schreckvollen Tagen,
ach, die brennenden Tumulte der Sonne wirren mich müd
und schwindelig, daß vor meinen Augen alles
auseinandersplittert. Ich fasse nicht mehr,
was die Erscheinungen sagen,
ich höre nicht mehr die Stillen in den Stimmen,
nur mehr das Klirren, ununterbrochen
und sehne mich, Herr, ach, nach dir, o du, du Herr,
du Nacht, du Dunkelblau der Tröstungen, du Überschleierer aller Anblendungen.
Alles in mir brüllt zu dir hin,
alles reißt sich dir zu.
Ich bin nicht mehr dein Baum und dein Wild,
dein Knecht und dein Kind.
Ich bin dein Hunger, deine Müdigkeit,
der Schlag aus deinem Mund,
und der Schmerz aus deiner Hand.
O Herr, o Donner
der über meine Himmel weht,
ich will zu dir restlos mich verflüchtigen,
o Blitz du, streife mich an und verbrenne
mich in die Landschaft.
Alle Schritte führen
mich den einen Weg,
südliches Orchester des Herzens
tausend Stimmen unter einem Stab.
Ich habe keine Bilder
und keine Gesichte stelle ich
vor den Blick, ihn zu verschließen.
Ungeheuer bauen sich
meine Leben auf.
Was ich fasse
zerteilen meine Hände in die Verse
des Augenblicks,
Ding weilen
in Sänften meines Denkens.
Lang und im geduldigen Lauf
trage ich sie vorüber an den Denkmälern
vergessenen Aufwands.
Anhauchen Herzen,
steigen schlagend vor meinem Munde auf,
Verzückungen der Knie — o welche Strophen!
Lieder, menschliches Veräußern,
strenge Hände, angelehnte Blicke,
und das weibliche Verschaukeln der Schultern,
aufgestellte Seelen und die Verschlingungen des Teppichs
umrasen sanft meine segelnde Stirn.
Führen
Zypressen der Blicke
mich in einen Hain,
drehen elektrische Bahnen
auf der Straße,
und klein um mich herum,
Menschen schwimmen.
Aber ich gehe,
wie Moses,
auf den Wellen
schaukelnd über sie hin.
Winkt der Turm Verheißung der Sammlung,
und ich breite die Arme, mich zu zerstreun.
Bahnhofshallen dunkeln
kirchlich an,
Wiesen blühen auf den Asphalten,
Autos werden breite, mähende Kühe,
die Welt steht still auf einer platten Scheibe.
Gott herbstet
vor meinen Augen,
aber ich trage mich nicht
zu seinem Verwelken hin.
Ich blüte,
unbegrenzt
kommen Farben ohne zu verfallen.
Pole sammeln mit fechtenden Spitzen sich wieder,
meine Brust trägt sie beide im Schoß.
Sommernächtig verkupfern kaum angekündete Lieder,
lösen langsame Blätter von den Herzen sich los.
Blutig wandet die Seele Blick und Gedächtnis,
alles wird Einkreis, Brot und gequält.
Bleibt ein Traum, schwarzes, dünnes Vermächtnis,
plötzlich stehen und verzählt.
Landschaften wellen keinen Hügel, und die berauschten
weißen Hirsche springen nicht mehr auf und ab.
Milchstraße, äthernde Augen, ländliches Geräusch vertauschten
sich und dunkelten in den Morgen hinab.
Zinnober und Sepia wäscht der gelbe Aufgang
aus dem Gesichte der Nacht. Ich gehe, unbändig angetan,
fröstelnd und vergeblich lang
über die Wiesen der Gassen hinan.
Da der Herr Abraham aus seinem Lande rief, ihm zu folgen:
sanft mit des Gläubigen unbedunkeltem Herzen nahm Abraham sich auf und folgte.
Fünfundsiebzigjährig zog er aus Haran mit den leichten Schritten des Jünglings
bis zum berühmten Tale und nahm Mühsal und Unruh späten Aufbruchs
mit der milden Demut des Wanderers zu Gott.
Gab voll Verheißung sein Weib dem Pharao preis, um zu leben,
und war Abraham wie der Strauch Strauch ist und blüht
und nicht fertig wird, es zu sein. Dieweil Lot sich krümmte
und feilschte um die Worte des Herrn, verbrannt sein Gesicht war
und nicht schimmerte zu den blauen Wiesen trächtiger Einfalt.
Doch der Herr hat verflucht sein Geschlecht und mit der Faust
gestoßen in die dunklen Keller von Neugier und Verbrechen.
Ließ erstarren sein Weib und die Töchter schänden vom Vater,
daß in die Ewigkeit sie der Mißbrauchnis des Lebens
unzüchtiges, drohendes Beispiel sind. Straflos schreien
die Taten des Herrn, aus der Menschen Lust und Wildnis
brechen geschlossene Leiber auf, und die Hände des Richters
pressen Eiter und Blut der Verruchnis aus den klaffenden Herzen.
Doch werden einmal Abraham und Lot
freundlich aufeinandergehen und sich umarmen.
Der eine bricht dem andern langsam von dem Brot,
aus dem die Paradiese bluten für die Armen.
Der jüngste Tag errötet alle Städte
und Sodom und Gomorrha duften unter Flieder,
die Wollust kauert sanft an einem Knabenbette,
nächtige Sünder singen Morgenlieder —
der Tiger hebt die ungekrallte Tatze,
schon lächeln Mörder und Blutschänder leise,
sorglos sitzt der Dieb und kaut auf offnem Platze,
und alles Leben stummet auf in niegehörter Weise.
Strahlt deine Keuschheit Schuschan durch das geläuterte Glas erhaben
in das betörte sündenflammende Babel
leicht mit dem Geruch des jungfräulichen Knaben,
der aus dem getöteten Abel
noch heute duftend strömt. Tausend Wege schäumender Verführung miedest du
in der Stadt lauten Versündens sanft wie ein Gruß
des Herzens. Die Wasser der Wollust schiedest du
und gingst, eine himmlische Wolke mit unbeflecktem Fuß.
Dieweil Eva, deine Schwester, in die Gärten
mildesten Verscheinens eine Schlange lockte und die Äpfel giftete.
Panther, Tauben und Hyänen nährten
sich vom sanften Anblick, aber deine Schwester überließ
sich dunkelnder Versuchung kleiner Triebe, und sie stiftete
Elend, Verfolgung und Scham in der Stadt warmen Verstillens, dem Paradies.
Doch werden einmal schwesterlich umschlungen
die beiden in den Himmel fahren
und ihre Körper auferstehend runden.
Engel haben dünne Zungen
schon angehoben, und wilder Honig sprießt ihnen entgegen.
Umringt von selig aufkläffenden Hunden
und freundlich angetan mit den zahlreichen Jahren,
kommt Gott und breitet über Niederungen
die eine Hand. Schmelzen die Sünden ausgesungen
und stehen Götter, Heilige und Scharen
himmlischer Geschwister — und alle leuchten im Gesang —
um dich und sehn dich an —
liegst, Eva, du im Paradiese wieder ausgestreckt,
keusch gehen deine Schenkel auf
und deine Blöße schimmert sanft und lang.
Hat der Heiland dich verkannt, du stilles Tier,
und setzte sich auf deinen Rücken, als er einzog.
War es nicht, als wollte er noch mit größerer Zier
strahlen von dir ab, die du so arm bist?
Aber unsäglicher Glanz ging aus von dir,
kahl und voller Dürftigkeit erschienest du auf
und zogst die Blicke nach den ungereinten Hufen,
hinter deinem klaffenden und harten Lauf
sprachloser Magdschaft. Alles auf der Erde hier
färbt ab von deinem langgedrückten Rufen
und erschrickt zu sich und seiner Nüchternheit
und wird ärmlich kahl und schier,
und es grauen die Gefühle an. Auf allen Stufen
stehen Dürftige zu Gott gewandt. Deine Demut schreit
häßlich und geschlagen von der Niedertracht,
während Jesus noch in Lumpen auf dir sitzt und strahlt.
Doch mild und von den Einfalten des Herzens eingeschlossen
sind deine Blicke blind und offen vorgerichtet und es lacht
die Landschaft blitzend erst von weißen Rossen
sanft in seligem Eindummen, während sie schon fahlt.
Die heilige Gertrudis und Anton von Padua stehen angetan,
aufrechte Statuetten auf den Lüften in deinem rosenlichten Glanz.
Schimmernd umweißt dein sanftes Blühen den heiligen Franz,
dich trägt Josef auf den Bildern mit Maria, der jungfräuliche Mann.
Die keusche Schuschan hat ihren Namen schon von dir,
und sie blaut noch immer vor den Augen angesonnt.
In den Kirchen aus dem Stengel kelcht der Welten Horizont,
und es umarmen deine Linnen schmelzend Mensch und Tier.
Du arbeitest nicht und du spinnest nicht, und selbst Salomon
hat Gott nicht bekleidet wie dich und deine Blumen.
Du wächst leise scheinend in den überhellten Ruhmen
aus des Heilands rechtem Auge, sitzt beim Weltgericht er auf dem Thron.
An Ferruccio Busoni
Choral auf dem Klavier, der vergeistigten Orgel.
Sanfte Weisen des Orchesters scheinen eines Chores ausspannenden Meergesang.
Gott ist in den Welten, geistlich Lied: die Welt,
männliches Thema, von mondenen Wolken bald umspielt und himmelgezogen.
Sanft und leicht, leise und begeistert
ruht entscheidender Aufstieg
auf frauenhaften Schultern.
Hebt des Chores Inbrunst
entbürgerlichten Bach in die Reiche
volkloser, geistoffenbarter Musik.
Wunder,
das Pianoforte von erlauchter Überstimmenschaft,
überstrahlt feuernd der Orgel erstickendes Gleichmaß,
blendet in Farben, orange, purpur und ocker
kommen die Klänge, festliche Gestalten,
Prozessionen mit Fahnen, Weihrauch und marienhaftem Blau.
Arien der Madonna
in leise durchlichtetem Sopran
lagern, schweben schäferwolkenweiß über den Köpfen mit.
Aber Nerven und Zuckungen und
die Konfessionen ekstatischen Gefühls
verschmelzen, aus Tasten gehoben
zu lebendigem Zittern angespannte Saiten.
Kommt die Fuge, zweifach,
dreifach und vierfach in das Firmament der Klänge
und die Wölbungen der Kontrapunkte aufgebaut.
Majestätisch, gütig, schweigsam und erhaben dringt B, A, C, H
in die Führung vor, und es gehen
mild und im milden Duft der Milch
die vier Stimmen schwesternhaft
ineinander ein.
Noch einmal erbraust, aus dem erstickenden Gleichmaß der Pfeifen gehoben,
der lebendigen, verzückt aufgespannten Saitenleiber
unbeschreibliches Schwingen,
ehe sie selig verklingend sich in der Ruhe südlicher Sonne dehnen
und das weiße Meer der Tasten
ebbt zur klaren, sanft spiegelnden Fläche.
An Ferruccio Busoni
Zartgestrichene Monotonie
italienischer Landschaft,
und braungrauende Horizonte wandern
in gleichmäßigen Hügeln.
Langsam beschattet die Sonne
unbewegte Luft und die getragenen Züge
ferner Schalmei.
Winzer im offenen Hemd
lesen gebückt und in frommer Trägheit.
Und der jungen Mägde gedehnter Ton
geht bedürfnislos und lang.
Pianopianissimo schreiten tänzerische Quarten
Triolen abwechselnd mit Achteln
durch die einschlafende Campagna.
Hebt mit süßer Ausdruckslosigkeit des Kanons
junger Bursche dunkelen Tenor in C.
Kommen bald die Mägde weich im Mezzo
und der Alten melodischer Baß.
Führen ihre unbesorgten Stimmen
freundlich und in abendlicher Rast.
Schimmerndes Untergehn der Sonne
rötet ihre offenen Brüste an.
Nun noch knabenhaft Soprane
singen ihr die letzten Töne nach,
lassen schon die Stimmen etwas steigen
weil es dunkler wird.
Unversehens
kommen sie zu viert in den Choral,
breiten angehaltne Töne
ehrfürchtig und dankbar.
Gehn die Mägde jetzt nach Brot und Beeren
und der Mezzoalt verstummt.
Werden die Tenöre ruhiger,
wischen sich die Stirn,
und die Bässe sagen wenig,
legen noch befriedigt, ungenau
letzte, tiefe, angeruhte Töne,
und verstummen trocken.
Lachen schon in einem Walzer
ihre ländlichen Gesichter,
bläst der Hirt die Melodie
durchgehend und ohne einmal
seine Flöte aus dem Mund zu nehmen.
Steht er plötzlich allegretto elegante
im Vierviertel, bleibt das tanzgewohnte Mädchen der Gitarre
doch entschlossen auf dreiviertel.
Lautes Durcheinander
rhythmischer Vergnügung,
springt der Bursch mit seinem Mädchen
unbeirrt im festen Tritt und heiß.
Geht der Weinkrug bei den Alten
her und hin, und sie lachen rot.
Sanfter, angelehnter Hirte,
schwarz gelockt und umschattet
sind die Augen, er verläßt den Takt jetzt gänzlich,
stürzt vom höchsten F
in sprudelnden Triolen
delikat herunter,
läßt sich kurz nur fangen
und wird wieder boshaft,
und die Tänzer, schwitzend, braun und ohne Atem,
lösen ihre abendlichen Reihn.
Wenn sie langsam die Arme breiten,
mit glashart aufgezückten Mienen,
dann ist es ihnen
als würden ihre Herzen schreiten
in Prozessionen unter Baldachinen.
Die Hände weihrauchweit in dem Empfang
und jenseits aller Berge stehn die Augen.
Doch manchmal halten sie, plötzlich aufgestummt,
als würden sie das Graun
gräßlich weiß und grell
ihrer Tage schauen:
sie haben die unbegrenzte Welt in sich,
und Wärterschritte rund herum.
Doch finden sie zu der Unendlichkeit die Brücken,
wenn ihre Seele einen Festtag fastet,
da ihnen königliche Herrlichkeiten glücken.
Nur schmerzt sie etwas, daß auf ihrem Rücken
der schwere Purpurmantel großer Herren lastet.
Als wenn sie über allen Hindernissen
ein wenig müde, aber sicher ständen,
sprechen sie viel von ihren Überflüssen
und greifen ein fühlbares Besitzenwissen
in ihren aufgeweißten Händen.
Sie haben eine enge Zelle.
Ihr Geist entfliegt, weil sie ihn quälen.
Er türmt sich sichtlich groß und stürzt in das Gefälle
ihrer Gedanken, wild, breit, und da wird der helle
Osterhimmel ein wallender Mantel ihrer Seelen.
Auf Filzspuren kommt die Nacht.
Fisteldünne Stimmen, müd gemacht,
singen in den geschlossenen Zisternen
Lieder von unerhört aufgetanen Fernen.
Jetzt ziehn Legenden durch das Herz der Kranken.
Wie gekühlt von schmalen Scheiben Eis
fühlen sie die Stirn.
Es summen selige Gedanken
in dem verwundeten Gehirn.
Immer dunkler eingeträumt, kommt,
auf Filzspuren, mondangepflanzt, die Nacht.
Nun sehn sie sich, einer hinter dem andern, in ihren weißen Nachtgewändern
und barfuß schreiten
auf Seide, Düften, Seligkeiten,
die sie unter die Füße hingedacht.
Jetzt, da sie wie die Kinder schlafen,
mit offnem Munde und ganz leicht,
fühlen sie die Stunde nicht mehr, die vorüberschleicht
und die Wunden nicht mehr, die sie einstmals trafen.
So werden sie mit offnem Munde sterben,
und wie hinübergleitend, und leise
aufgestummt in das Gestern.
Schreiende Landschaft steht gefaltet
gegen den bergigen Himmel auf. Bäume blasen
Verlassenheit, und ich finde dich nicht. Täglich altet
ruhig Sonne bronzen auf dem Rasen.
Dringen zisternende Lieder schmerzlich aus mir her,
wachsen vergeblich Schiffe und verschwinden wieder,
irrvoll gelassen, übernächtig duftend geht das Meer,
Arien und Einsamkeit senken sich undurchdringlich nieder.
Immer gleichförmig schaukelt das rote Beet
von Himmel und Wasser. Ich winke, Nacht tanzt,
am fernen Firmament, dünn und heiß, steht
Theseus mit dem Rücken gegen mich und verglanzt.
Habe ich dich gerettet aus gefräßigen Händen,
aber du fliehst. Brüllen schon Gräser mich an,
die ich wachsen sehe langsam an den Wänden,
Kuh und Hirsch und die Leoparden werden Untertan
meiner Verlassenheit. Alle geben mir ihr Gefühl,
ich zerfalle langsam und die langsamen Gesänge
halten mich nicht mehr. Kommt ein dünner Kiel,
leicht und unhörbar, an den ich meine Augen hänge,
landet er leer, und ich versinke staubend
zurück in meine monotone Ausfahrt.
Alle deine Bilder und die Küsse klaubend
bleibe ich arm und verwesend aufgespart.
Theseus, o deine Schritte runden
in meinem Leib. Ich reiße deine Spuren laut
aus mir heraus, ich schlage mich
in deine Augen zurück. Dröhnt schon
mein Körper dir entgegen? Ich fahre aus,
ich segle nicht mehr mit den Augen,
und nehme Schiffe, Lanzen, Steinwerfer,
Leoparden und wilde Hunde,
aufgehetzte Hähne jage ich
in dein Gesicht und fahre aus gegen dich,
dich zu zerbeißen. Meine Fäuste, meine Arme,
mein Mund, o Theseus, werden dich langsam verschlingen.
Die Luft wühlt deinen Namen über das Wasser
und erreicht dich doch nicht —,
wie du flohst, feig und betrügerisch.
Ich werde herrisch mich vor dir errichten,
und meine Rache wird entsinnend sein,
erdrosselt lege ich dich in meine Arme wieder,
kühl, langsam und ohne Leidenschaft befriedigen
sich meine heißen und verletzten Glieder
an deinem törichten Gesicht.
Einmal kommen die letzten Wunden
aus dem Blut herauf, durch sanfte
Erdrückungen fallen wir
in die Knie:
o gib leichtes
und ungläubiges Leben uns noch einmal,
scheinen nicht alle Wege
ausgeweitet zum roten Horizont?
Bohrmaschinen und Kräne wühlen
dröhnend, qualmig und mit rußvollen Spuren
täglich unser Herz heraus.
Es blutet längst nicht mehr rauschend,
aber die Tropfen,
wie Quallen und giftig,
verlassen uns schmerzvoll.
Eine Nacht, übergossen
und eingeschnitten von unbelaubten Zweigen,
schärfen in schreckenvollen Strichen,
und wie Messer stoßen sie mich ein.
Große aufgedunsene Steine
stehen einsam am Weg,
blähen meinen Hungermagen auf
und wackeln. Aber ich sehe
die beulende Landschaft aus Pappe,
schiefe Häuserfronten erzittern leinern und wild,
und ein Mensch mit aufgehobenem Kragen, und er
allein unter Regen,
spreizt sich, ein Drache, vor mir aus.
Zäune stehen stechend um leere
Bauplätze und Geröll. Große
Löcher schwimmen auf der Erde,
trockene Häuser sehe ich fern in den Dunkelheiten
eines Schlundes stehn. Es dröhnt nächtlich auf
aus den Kulissen, und ein Stück Eiter
springt mich an — ein gelber Mensch
grinst höhnisch und schlotternd,
seine Zähne schwimmen
in einer roten Lache und wehen
hin und her. Ich fliehe
vor den Schrecknissen seiner Hände,
dieser gequälten, hungrigen und sprunglauernden Tiere,
die er an den Seiten hängen hat.
Das schien eine Mauer, an die ich stieß,
ich falle furchtbar verletzt, das Haus dröhnt
in meinem Kopfe wider, schreit die Nacht
aus meinem Mund, und die Nasenflügel
knallen auf. Sterne, schießt
mir euern Schleim ins Gesicht!
Überbricht mich, denn ich will
nicht mehr leben, aber erstickt zugleich
vor meiner Wut. Ich fahre
in euren bettüberzogenen Himmel,
ich reiße die Laken des lieben Gottes herunter,
er soll nicht schlafen, wenn ich leide,
und nicht sitzen, wenn ich komm’.
Er soll nicht scheinen, wenn ich rufe,
nicht spielen, wenn ich vergeh’ —
zittern vor dem Weltgericht, das hinter
meiner Stirn auffährt —
und wenn meine gebeulte Faust aufschlägt
soll er sich verteidigen, der Angeklagte,
der Hauptangeklagte unaussprechlicher Vergehn,
und der Einsame wird Richter sein
über ihn und seine vorgetäuschten Leben.
Er ist im roten Frack mit einem Orden und macht
gerecht Verbeugungen nach allen Seiten.
Das Publikum, gespannt und einfältig,
klatscht in die Hände. Er sieht
die lauten Galerien um sich und tausend Menschen,
die ihm nie helfen werden. Er sammelt sich und fühlt:
sein Kopf steht gut. Die Angst ist fern. Doch wären
die tausend Menschen nicht, die lebhaft
und selbst ungewollt
in diesem Zirkus auf die Dunstwand malen,
wie plötzlich er aussähe, zerfleischten ihn die Tiere,
und wäre der Direktor nicht, der alles überrechnet,
klein, hager, jüdisch und eingebildet Honorare dreht
nach dem Applaus, und wäre nicht die nächste Nummer
schon wartend hinter dem Samtvorhang voll Staub —, und er,
Timolnandi, der berühmte Löwenbändiger,
auf den Programmen fettgedruckt und zweimal
mit schwarzen, weisenden Zeigefingern ergebenst angekündigt,
und hielten jetzt nicht plötzlich der Musik
dröhnende Blechklänge wie abgeknackst in heißer Luft:
er träte einfach ein zu seinen sanften Tieren,
versteckte fast die Peitsche, gäbe jedem
langsam und klar ein Zeichen und sein Wort,
ließe sich nieder auf den Stuhl und schliefe
leicht auch und beruhigt ein.
Denn diese Welt ist gieriger als der Löwe,
und seine Wildheit weckt sie
nur immer wieder auf.
Wie wurde um den frommen Urwald seines Herzens
erst ein Gefängnis eingebaut, und diese Stäbe
lassen durch enge Streifen Luft seinen
ausschnellenden Schmerz nie sich beruhigen.
Immer wieder, wenn schon sein Auge väterlich
sich schließen will, eilen auf jener andern Seite
Gestalten, reizend; und er liegt im Käfig fest, Sand,
nasses Laub und das Strecken der ungeheueren Ebene
noch in der Nase.
Doch die Manege der Galerien wartet,
trampelt und klatscht schon anspruchsvoll,
und statt still einzutreten in den Käfig,
macht Timolnandi, man verlangt Gefahr zu zeigen,
einen Sprung und knallt. Schon kreisen
die gallonierten Diener aufgeregt mit großen Stangen
und bieten eifrig, eingelernt und ahnungslose
Hilfe jedem sichtbar auf der Galerie. Die Löwen
liegen träg herum, doch man will Wildheit in den Logen,
Verfolgung, Katzensprung und Fellgeruch,
Timolnandi weiß es, und er knallt, feixt und springt.
Die Löwin sieht ihn ernst und freundlich an,
und alle Tiere stehen auf zur Arbeit. Sie machen
den Rundgang, der sie wenig unterhält,
und geben ihre Gruppenbilder. Der große Löwe
auf dem Stuhl öffnet den Schlund mit Furchtbarkeit und wartet
gehorsam auf den grellen Pfiff,
und schließt ihn wieder. Nun hebt die Löwin
seit langem stets nach jenem Pfiff die Tatze,
schon hat der Bändiger den Kopf darunter,
die Diener bleiben sprungbereit und halten selbst
den Atem. Es kommen noch die kunstvollen Figuren,
die Pyramide, eine Löwenwendeltreppe,
nun kommt noch der verfluchte Peitschenschlag,
den jene Bestien mit dem Geld von ihm verlangen,
und Timolnandi, tief betroffen, schmerzlich
ein jedesmal,
gibt einem Löwen mit der Peitsche dieses Opfer eines Hiebs.
Der Löwe brüllt und alle andern brüllen,
wie fühlt sein Herz mit ihnen ob der Schmach
während er springt, fuchtelt und pfeift,
die Diener laufen angstvoll und entsetzt zweimal
um den Käfig, und das Programm ist aus.
Timolnandi läßt den Karren wieder schieben,
das Publikum sieht lüstern seinen unberührten Frack,
der auch für morgen abend nicht gebügelt werden braucht,
und jenes vielsagende Zirkuslächeln auf der Lippe,
das ebenso bezahlt wird wie die Schauer
gequälter unschuldiger Wildheit, die gefangen ist.
Während der Bändiger vor Logen wie vor Galerie,
als wären es ausschließlich Fürsten, sich tief verbeugt
und ehrfurchtsvoll die Arme breitet,
die Hände schaukelt, sich immer wieder streckt
und wendet und verbeugt: „Und hinten hab’ ich einen Hintern“.
Heilige Heimat,
meiner Ausgesetztheit
unbeschreibliches Gehäuse,
und nach den Umdonnerungen des Gehenden
windgestillte Zuflucht, o du
weiße Madonna der Beschützung:
Trost vor den Erschütterungen des Draußen
und seinem ungleichen, bösen Schwanken.
Trostreiche Mutter, die mich einwiegt
in Ruhe und Sammlung —,
und die sanftesten Verzückungen des Ichs,
Einkehr zu mir und Aufruf
meiner Abgeschiedenheiten schenkt.
Maßlos versplittert und angetan mit den erbärmlichsten Geschwüren der Feinde
und den Aussätzen mitmenschlicher Berührung —
wie linderst du aufgepflanzte Wunden und Angriffe gegen mein inneres Leben,
das nun auf ruhigen, strömenden Bahnen leise zurückkehrt,
und heilst mit den Wärmen,
Geborgenheiten
und Verschmelzungen des Schoßes
Willkür und Verzweiflung.
Das Blut aus deinen linnenduftenden Armen
übergeht in meine Verwirrungen,
kühlt fiebernde Pulse und den heroischen
Aufwand
vergeblichen Einsatzes. Du,
marienhaft,
senkst schwesterliche Rührung
und die verzeihenden Gefühle
demütiger Unerreichbarkeit
in die Flocken meines Herzens,
einst das zerstückelte wieder
zu den sanften, gesammelten und ergriffenen
Schlägen gläubiger Aufrichtung und des glückselig lächelnden Aufblickes zu Gott.
Das dünne Zirpen der Harfen
um mein Haupt, und leblos lösen
Akkorde von den Ohren sich,
große unwirtliche Töne.
Durch die Waldung schimmern
Tücher sanfter Rötung hin und her.
Abendliche
Szene taut hinter Blumen gelb auf, es folgen dicht
die weißen, kleinen Wolken.
Ich hebe die Hand mit gespreizten Fingern,
leise, schmerzlich löst sich Krampf
gegen die Landschaft, und die Knöchel spüre ich
gebettet
in segelnder Luft.
Himmel spannt gefasert.
Grün liegt aufgeschlagen auf den
weiten Flächen der Erde,
ein Hügel wellt gelenkig
in den Horizont hinauf.
Stürmische Sonne umsticht mich,
daß ich wirrend fliehe, schreiend
mein Herz verweißt.
Und ich gehe schon ganz auf und auseinander
in den Äther und die rinnende Bläue sprengt
meine Lunge mich aus.
Fäuste schließen mich ein,
Gewänder werfe ich ab. Ich stehe
selbstlos angedrängt und verzweifelt
wie eine zerwindete Fahne gezückt
gegen den zudunkelnden Himmel,
ich, Dichter der Leben, schreiender Gott,
vertausendfacht geboren und gelebt,
in die Stunden
der millionen Leben hineingesaugt.
Flucht, o tobsüchtige Befreiung,
aber wie sich herausbeißen
aus den geschlossenen Lippen der Sänger
und aufbrechen die Münder der Mädchen?
Nackte Zehen klatschen
über meiner Stirn. Bin ich wach, sind
die Nächte aller Frauen
mir auferlegt?
Gehen die Türen,
die Gemächer verdunkeln,
Fackeln stehen nicht mehr. Huschen
weiße Hemden und eilige Beine
an mir vorbei.
Erfaßte ich eine.
Ich zerdrückte sie tödlich an
meinem gestemmten Körper.
Meine Hände kriechen schon. Ich liege
versteckt und geduckt auf den Fließen.
Ruft der Mond euch heraus?
Aber ich zerfresse euch die Schritte,
ich zerschlage eure Knöchel klirrend.
Kommt nur, mit meinen Liedern, auf dem bereiten Mund,
an mir vorbei. Die Stunden sind wild gezählt.
Ich breche von unten
mit meinen Fäusten in euch hinein.
Dunkler Kerker, angeleuchtet
von meinen Augen. Deine Wände zerschmelzen
vor meinem Finger. Und ich gehe
über die geschlossenen Wiesen,
die hinter dir stehn.
Meine Schritte sind heilig,
die Schritte des Dichters,
und auf Wasser sinken sie nicht ein.
Ich fliehe mit den Spitzen auf den Spitzen der Gräser,
selig breiten Mücken summende Gefolgschaft aus,
aufschreien gebückte Fische,
Würmer und Schlangen, Elefanten mit roten Satteln
schweben langsam hin und her. Hunderttausend
Hirsche fliegen mit dünnen Beinen.
Der Himmel dreht sich mir wie ein Teppich entgegen,
er verblättert zu Zweigen unter meinen Füßen,
und die Fanfaren des befreiten Jerusalem
stehen als brennende Kugeln den Weg.
Der Mann steht unter dem eingedrückten Hut schon spät
in der Landschaft. Kühl und von grauenden Nebeln verwäscht
die Luft. Weißer Riese, der Berg, geht
über den See, dunkeln die Wasser, und es verlöscht
links geräuschvoll der Wald. Blauen die Sterne schon angestrengt
herunter, nasse Lichter ziehen um die Horizonte herum,
der See geht auf, biegen die Ufer, und er versenkt
immer wieder sich in den Himmel, eine große Kehle. Stumm
segeln Küsten vorbei. Rufe, sagenhaft, schlagen
an das Herz des späten Mannes, doch er bleibt herbstend, ungenau erregt,
während auf den Wassern Bäume in schattenhaften Kugeln jagen
über den Berg und den Wald, der sich immer wieder hebt und in die Kniee legt.
Grüne Berge, weitgeflächt, schaukeln in den Himmel auf,
Schluchten rote Rosen, ausgefaltet, scheinen himmelauf.
Flüsse werden gläsern dicht und brennen in der Erde,
springen weiße schlanke Hirsche durch die Luft,
schwarze Pferde, aufgenüstert seliger Gebärde,
sternen glanzvoll ein in Duft.
Schreie wiegen über Gipfel und der See voll roten Mohn
rundet sich zu einem dünnen angestrengten Ton.
Schäumende Sonnen
voller Salz geht mein Atem
abendverzückt und ciaconnen
über Wiesen und Herz. Flüsse fiebern in den Fersen,
Knie spannen sich verzückt
und aus weitgetanen Seelen glückt
tierisches Verversen.
Rasen mildgedehnte Hände
und das gezeltete Gehirn
abendsternt. Gehen die verschichteten Gelände
der Luft über das himmlische Angesicht,
verschmelzen im Blitz der blauenden Brände
Ampel und Dunkelheit, Mond und Licht.
Grünen die Büsten auf gefeuerten Balkonen,
Brust der Menschheit wehet auf,
dröhnen die wiegenden Anemonen
mitten im himmlischen Verlauf.
Die Bitterkeit der Abende fließt
sickernd durch die Landschaft auf das Feld.
Gezinkter Stern für Stern verschießt.
Stumpf und mit der Fülle Mond entseelt
ein großer Wald sich ein.
Gehäusig und verdichtet fällt
der Himmel ständig und ein Stein
auf diese unerschöpflich dunkle Nebelwelt.
Schweben langsam Himmelstücher auf
und eine Wolke schaukelt vor den Mond.
Summende Erde wiegt verschlossen auf
und über allen Gräsern tont
ein Schatten aquamarin, körperlos gefüllt.
In Schleier grau und wehend eingehüllt
frauengleichem Moll weich schreiten Terzen,
und unaufhörlich rollt um sanft gespannte Herzen
der nächtliche Verlauf.
Magischer Urwald des Himmels breitet
sich, Wolken schleichen
schwarze Panther. Grau verliert
ihr Schritt. Der Mond reitet
auf, das große Zeichen
der gekreuzten Sterne
phosphoresziert
grün und grundlos. Voller Nässe
wäscht die Ferne zusammen und schwimmt aufgeblasen,
Nacht und Regenmesse
dröhnt mit schwarzen Stimmen
an die Scheiben der Luft,
heimatlos und irrend
unter keinem Dach.
Menschen schon verglimmen
und die dunklen Spiegel rasen.
O, gehn wir den Weg bis zum Wasser,
den langen, ausgehöhlten,
die Bäume stehen kalt und grau
auf beiden Seiten in Kutten,
die Mönche des Herbstes.
Der Weg ist bilderlos und lang,
wie ein Gang
in den Klöstern.
Kein Leben schreit auf,
nicht eine Krähe wirrt und der See
glänzt bös und angefault.
Mein Herz schlägt ohne Atem,
angehalten, fröstelnd und schwer
in den Klöstern des Bluts.
Der Berg geht über den Wiesen auf
großtümlich und mit offenen Armen. Kühe
weiden ernst und voll sanfter Bückung.
Fern und in glänzender Verrückung
faltet sich mit einiger Mühe
der Himmelssturz hinauf.
Seine Fasern gelben wie alterndes Pergament
und die Wolken eilen fußlos unten vorbei,
segelnde Unbesorgtheit. Weit und leise
tönt ihre weiße Reise
zurück, Krähen stechen, mit dickem Schrei
blitzen sie ein in das Firmament.
Dumpfen die kugelnden Sternbilder nassen Abend ein
und die Luft schleiert in den hängenden Fäden des Regens
langsam und grau zu einem Weiher ein. Dünn geht ein Schein
durch die hängenden Wasser und in die Ermüdung eines Bewegens
aufglotzender Chimären, naßstechend, bettet sich Spleen.
Fernen stehen undurchsehbar um mich herum,
und welches Wissen, daß sie ohne mich weiter unter dem Himmel ziehn,
sonnig blau beschienen und freundlich, während ich stumm
einsame unter den fallenden Kuttichen, wie ein Mönch mich zwänge
durch der Regen lange, drohend dunkle kalte Klostergänge.
Über die sich verschließenden Wiesen jagen
letzte, tuschtiefe Wolken leicht,
Nacht schwebt in Sänften vorübergetragen,
Monde galeeren, Sterne verflaggen
und das Firmament glast und entweicht.
Gehen die stürmischen Himmel schon ein
in das verzückte Luftreich da oben,
sammelt sich rötlich verfließender Schein,
Wolken verweiden, Bläuen vertoben,
schaukeln die Erde in Finsternis ein.
Herrisch ziehen die Planeten auf
wachsen zu Wäldern, Schluchten und Ozean
schleifen zerstörend stromauf —
sinken die Sterne und der Mond, vertan,
spreizt ein breites Gesicht. Zartes wogendes Bewegen
schleiert und dunkelt, und das Herz seelt aufgetan
durch die Landschaften des Äthers nachtverwegen.
Opium kriecht spurig im Gedächtnis
auf, schwarzes Morphium tont die Welt,
der Landschaft weißkohlenes Vermächtnis
mittagdunkelt überhellt.
Rote Striche schießen nieder,
platzt das kugelnde Firmament,
heiß wirren die gezogenen Lider,
das kühle Zimmer verbrennt.
Maulwurf hält leise angeschienen,
Sonne knäult das Blut,
in den Hintergründen tut
Muschel des Horizonts sich auf.
Jagen über die Gipfel der Herzen Blumen
und ich verstreue mein Blut an die staubende Seele,
himmelhoch schichtet mein Fuß in den Ruhmen —
stürzet die Landschaft und bronzen zerwässert der Tag.
Steinen die Gefühle in müder Erschrockenheit unerwartet ein,
und in der Menschen sich schließenden Brust verglasen
die Weiher. Vor dem schon immermehr dünnenden Sonnenschein
steht in geschichteten Scheiben die Luft, klirrend
und gefroren und das heiße Rasen
der Herzen hält verwirrend.
Breitet das Eis sich hart und stumm
auf Bewegen, steifen die Gedanken
und verloren, plötzlich schon alt,
fahlen Gesichter und letzte herbstrote Ranken.
Tiere in Käfigen gehen unruhig um,
werden sprachlos und kalt.
Gehen über den Fluß leichte versonnte Schritte des Himmels schon
und die Wolken schatten einen blauen undurchwirkten Ton
auf die rundenden Wellen. Dunkelt der Grund grün und scheinen
schlanke blitzende Forellen vorbei, sickert ein grelles Weinen
der gehenden Sonne nach durch die Fasern der Luft,
Feldblumen schließen sich, Büsche und Sträucher schleiern in Duft.
Silbern verschießen Villen und Brunnen und der Polarstern heilt,
nachtblauender Heiland. Bäume verelfen aufrecht und hinter der weißenden Wiese
steht der Horizont getan, hebt breite Hände gleichmäßig gegen diese
verballende Abendnacht, die kühl und schäumend sich verteilt.
Der nicht wandelt mit den Gottlosen
gebenedeit, der nicht die Sünde geht
und bei den Spöttern nicht ruht
lobsingt des Herren Worte Tag und Tag.
Ist ein Baum an den eilenden Bächen
ruhig reift klar,
nie braunen die Blätter ihm,
dem alles gerät und sich versammelt
doch die Gottlosen zerstreuen.
Im Wind sind Spreu
werden nicht geduldet im Gerechten
und versinken ihre Wege vor Jehova.
Hüte mich, Herr,
denn ich bin eingezogen in Dich.
Ich bin gut
Deinen Heiligen und Herrlichen —
fahlen unnennbare
Läufer hinter erlogenem Gott.
Du aber, Herr, wirst mein Erbe,
der immer sitzt an meiner Rechten,
und meine Ehre ist fröhlich,
in den Nächten gehe ich auf,
sicher liegt mein Fleisch.
Du wirst Deinen Heiligen nicht
verwesen lassen — ist
ewig der liebliche Atem um Dich.
Nicht länger verberge Dein Antlitz, Herr,
Stunden meiner Angst — jetzt
neige Dich mir und rasch
antworte gleich, rufe ich Dich auf.
Gehen meine Tage vorüber
wie der Rausch
und es verbrennen mir
die Knochen im innern Herd.
Geschlagen wurde mein Herz
und es verdorrt
wie das Gras
und ausgebrannt ist mir Gedächtnis
und ich vergaß mein Brot.
Aber ich heule mich
aus und auseinander
und es erdrückt mein Fleisch
schon die Knochen.
Ich bin ein Pelikan in der Einöde
und die Nachteule in den Ruinen
und ich wache verlassen —
ein Sperling allein auf dem Dach.
Meine Feinde schmähen mich
und höhnen meinen Namen,
denn ich aß die Asche wie das Brot
und Weinen kam in meinen Trank
vor Deiner Ungnade und Wut,
aufhobst Du mich und schleudertest
mich weit — meine Stunden
sind wie der Schatten
wenn er verweht —,
und ich trockne ein.
Aber Du herrschest, Ewiger,
unabänderlich dauerst Du
die Zeitalter,
Du stehest auf in Mitleid,
denn es ist Zeit über Zion,
denn der Augenblick ist gekommen,
denn wir lieben diese Steine
und haben Schmerz für den Staub.
Dann werden die Völker
fürchten den Namen des Ewigen
und alle Könige der Erde
den Glanz.
Herr, wiedergebaut steht Zion
und strahlt Deinen Glanz —
Betteln die Verlassenen laut
und Du verjagst sie nicht —
melden es kommenden Geschlechtern
Dich zu loben,
Deine Erscheinung auf den
Erhöhnissen der Heiligkeit —
herabfielen Deine Augen
von den Himmeln
und du hörst das Zittern der Schuldigen
und machst los
die vor dem Tod sich neigten.
Sammeln sich alle Völker
und die Königreiche Dir zu dienen.
Er schlug ab meine Kraft unterwegs,
er kürzte meine Tage.
Herr! Nehme mich nicht heraus
aus der Mitte meiner Tage.
Deine Jahre gehen immerdar
durch die Zeitalter.
Du hast die Erde geschmolzen
wurden die Himmel
von Deinen Händen gemacht.
Sie zerfallen — Du überwährst,
sie altern wie ein Kleid — Du
wirfst sie fort und wechselst
sie wie ein Kleid.
Immer bist Du, Gott, Dir gleich
und Dein Jahr ist ohne Aufhör.
Möchte
Gott Mitleid mit uns
haben und uns benedein.
Ließe
sein Angesicht herab
er auf uns scheinen.
Gekannt wird Deine Stimme
auf Erden
und Dein Gruß
bei allen Nationen.
Alle Völker werden
Dich preisen
Lob singen alle Völker
führest sie zur Erde, Herr.
Dichter Herz lobsingt einem König —
schönster Du der Menschen
holdselige Lippen,
umgürte leicht das Schwert
und ziehe gerechten Weges.
Wendet Deine Hand Stütze
und Erhaltung den Armen.
Versende die Pfeile,
fallen Völker in die Knie
und es fällt der Feinde König.
Unverrückbar in die Tage
steht der Herr Dein Stuhl
und es steilt der Szepter,
unter Freudenöl wandelt
des Königs Kopf und
Myrrhen sind Deine Gewänder
trittst Du aus den chryselephantinen Palästen.
Gerechte erfreut Euch des Herrn
lobredet! Feiert ihn mit der Harfe
singt ihn auf den zehn Saiten der Lyra —
singt ein neues Lied, daß
Eure Stimmen zittern und die Instrumente.
Aufrecht ist das Wort des Herrn
und seine Werke sind treu,
sein Wort schuf die Himmel,
die Heere des Himmels schuf
der Atem aus seinem Munde mit
einem Mal. Er sammelt
die Meerwasser auf einen Haufen
und er spricht, so ist es geschehn
und er zerstreut die Entschlüsse der Nationen
und wendet das Schicksal der Völker,
doch die Schicksale seines Herzens dauern
durch die Zeitalter.
Herabblickt vom Himmel er
auf alle Kinder der Menschen,
keines Königs Macht errettet
vor dem Herrn,
und kein Pferd kann fliehn
vor dem Herrn:
liegt sein Auge auf die ihn fürchten
und auf die ihn erwarten,
daß er befreie die Seele vom Tod
und stütze in der Hungersnot.
Ich überwache meine Stimmen
daß ich nicht Sünde begehe
mit der Zunge, Herr.
Ein Zaun bindet
den Mund mir, solang der Böse
vor mir schwebt
und zu verführen versucht.
Ich stumme in der Stille ein,
Enthaltung des Wortes
übe ich bis zum Verschweigen des Guten —
doch mein Schmerz schwillt
immer lauter an
hitzt mein Herz in mir,
und das Klagelied
umschlingt mich leidenschaftlich:
Herr, zeige mir mein Ende
und das Ausmaß meiner Tage.
Du schufst meine Dauer
vier Finger breit — und ich
bin nichts vor Dir — ach jeder Mensch,
aufrecht und stehend
ist nichts als Vergeblichkeit
alles ist Eitelkeit.
Ach der Mensch lustwandelt
sicher doch ein farbloser Schatten
ach und vergeblich und eitel
jede Bewegung und Sammeln von Gütern
— doch wer wird sie besitzen?
Befreie mich, Herr, ich schweige, laut
geschlossen bleibt der Mund,
weil Du ihn mir schlossest,
doch wende ab die Züchtigung,
ich vergehe vor dem Schlag Deiner Hand.
Fassest Du den Menschen an den Sünden
zerfällt wie von Motten zerfressen
selbst Schönheit an ihm —
alles ist Eitelkeit und vergeblich.
Höre mich, Herr, sei
vor meinen Tränen nicht taub,
ich bin nur ein Fremder vor Dir
ein Vorübergeher wie meine Väter
o lasse mich los,
daß ich
meine Kräfte versammele
bevor ich gehe und nicht mehr bin.
Mein Lot, Herr,
warfst Du
und erkanntest mich.
Alles weißt Du
jetzt, wann ich sitze
und wann ich
mich erhebe,
und von der Ferne
enthüllst meinen Gedanken,
der Du siehst
wann ich gehe,
und wie ich mich
hinlege — alle Wege in mir
vollenden Dich.
Ach Herr, noch
ist das Wort auf meiner Zunge,
und der Gedanke endet
in Deinem Gedächtnis schon.
Du hast mich geschlossen
vorne und hinten,
und Deine Hand liegt
mir oben und unten —
o welche Weisheit
mir so unerreichbar
mir — wohin
ginge ich,
und wäre nicht
in Deinem Geist,
wohin flöhe ich
und wäre
nicht vor Deinem
Angesicht?
Steige ich in den Himmel
und Du bist da,
liege ich im Bett der Hölle
Du bist da,
trügen die Flügel
der Tagesdämmerung
mich an das Ende des Meeres:
wieder, Herr, wieder
Deine Hand
unterstünde
mich und Deine
Rechte
beschützte mich.
Wollten
mich die Nebel
überhüllen — aber
die Nacht um mich
leuchtet an,
hell scheinen und sanft
die Nebel Dir
und aufleuchtet in Strahlen
die Nacht,
in den blendenden Finsternissen.
In der Nacht des Schoßes
schufen Deine Hände
mein Bildwerk
und die Nieren.
Ich lobe herrlich Dich,
der ich gemacht wurde
auf eine wunderbare Weise.
Sind Deine Werke alle
erfremdend wunderbar,
und im Geheimnis
meine Knochen:
schufst Du
wie die Gewebe
gearbeitet sind
unbeschreiblich
in den Orten
unter der Erde.
Deine Augen sehen mich,
da noch
im Teig der Lebenden
ich unterging,
und meine Tage
hast Du eingetragen
in das Buch
und in die Reihe geordnet,
da sie nicht einmal begonnen.
O wie teuer,
Herr, sind mir Deine Gedanken,
o wie groß,
Herr, ihre Anzahl!
Lasse Du
sterben den Bösen —
gehet ihr Männer des Blutes
von mir —
ihr schwöret falsch
seinen Namen, schändet ihn
nicht Missetat?
o ihr Bösen,
wachet auf aus
den brüllenden Höhlen
der Verruchnis:
ihr verbrechet an Euch.
Herrlich der Vater
stehet ein Fels,
führet die Hände im Kampf
und in den Schlachten unsere Finger!
O Wohltat Du,
o meine hohe Zuflucht,
Befreier,
Schild meiner Rückkehr,
was ist der Mensch,
daß ihn siehst
und um ihn sorgst,
und der Sohn des Menschen
daß Du
in den Augen ihn hältst?
Und er gleichet
dem Windhauch,
sind seine Tage
wie der Schatten,
der vorübergeht.
O Herr! senke
Deine Himmel nieder
und steige herab,
rühre die Berge an
daß sie flammen!
mache blitzen und
zerstöre sie,
schütte Deine Pfeile über sie
und sie fliehen.
Erhebe, ach, Deine Hand auf,
und befreie mich
und ziehe
aus den großen Wassern
mich heraus,
und aus der Hand
des fremden Sohnes,
dessen Mund laut wagt
die Lüge
und dessen Rechte betrügt.
O Herr, ich singe Dir
ein neues Lied,
ich lobpreise Dich
auf den zehn Saiten der Leier —
Dich, ach, der Befreiung gibt
den Königen —
der errettet David,
Deinen Diener,
vor dem tödlichen Schwert.
Laß unsere Söhne
wie die wachsenden Pflanzen
sein in ihrer Jugend,
und zierlich geschnitten
Gärten in den Palästen
unsere Töchter.
Fülle
unsere Gewölbe,
und lasse die Lämmchen
vertausendfachen sich auf den Feldern,
und die Ochsen überlade
mit ihrem Fett,
und gebe, Herr
keinen Lärm und Angriff,
und keine Abbrüche
in den wohnlichen Straßen.
Lobet den Herrn,
psalmet den Herrn,
es ist gut,
es ist süß,
es ist verseligend.
Er schuf Jerusalem
und eint
die Zerstörten,
und heilt
die zersplitterten Herzen,
und überspannt
die klaffenden Plagen.
Er zählt die Zahl der Sterne,
allen ruft er
einen Namen aus.
Unser Herr
ist groß und von Macht,
und kein Ende hat
seine Klugheit:
die stützt die Elenden
und niedertritt die Bösen
unter die Erde.
Er füllt mit Unwetter
die Himmel, und bereitet
für die Erde den Regen,
und läßt auf den Bergen
ausschlagen die Körner
und nährt die Tiere
und die schreienden Kleinen des Raben.
Nicht vollendet ist
der Herr im Pferde,
und in den leichten
Männern des Wettlaufs,
aber ihn erfreuen
die ihn fürchten
und die warten: —
seine Güten kommen.
O Jerusalem, lobe
den Herrn,
der kräftigt
Deiner Tore Stangen,
und segnet
die Kinder in Dir,
und hält den Frieden in Dir,
und die Weizenmärkte
macht er sättigend.
Aussendet er die Befehle
zu Erden, und es laufen
über sie eilig seine Worte,
sinket wie Leinen
sein Schnee und Raureif
streut er wie Asche aus.
Und er schleudert in Stücken das Eis —
wer hält
vor der Kälte des Herrn?
Aber er kennt sein Wort
und alles schmilzt
bläst sein Hauch —
und die Wasser
gehen davon.
Lobet!
Lobet für die Heiligkeit!
und diese Ausweitung der Macht!
Lobet für die hohen
Tatsächlichkeiten des Herrn
ihn ohne Aufhör,
im Ruf der Drommete
in den Winden der Leier
und Harfen
und mit den
Pauken des Tanzes
und den Streichern
und flötend: lobet!
lobet!
lobet!
und mit den
tiefen, strömenden Zymbeln
und den Zymbeln,
die widerhallen
unaufhörlich
widerhallen hallen
HALLELUJA!
Anmerkungen zur Transkription
Im Original g e s p e r r t hervorgehobener Text wurde in einem anderen Schriftstil markiert.
Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher):