Title: Indianerleben
El gran Chaco (Südamerika)
Author: Erland Nordenskiöld
Release date: March 19, 2024 [eBook #73205]
Language: German
Original publication: Leipzig: Albert Bonnier
Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)
Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1912 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.
Schreibvarianten, insbesondere bei Orts- und Personennamen, wurden nicht vereinheitlicht, sofern die betreffenden Schreibweisen mehrmals im Text vorkommen. Die in der ‚Berichtigung‘ am Ende des Buches aufgeführten Begriffe wurden in der vorliegenden Ausgabe bereits berücksichtigt.
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INDIANERLEBEN
EL GRAN CHACO
(SÜDAMERIKA)
VON
ERLAND NORDENSKIÖLD
LEIPZIG 1912 / ALBERT BONNIER
EINZIGE AUTORISIERTE ÜBERSETZUNG
AUS DEM SCHWEDISCHEN
VON
CARL AUERBACH
Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig.
[S. v]
Seite
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Einleitung
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Erstes Kapitel:
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Reise nach dem Arbeitsfeld
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Der Calilegua
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Zweites Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo
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Drittes Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)
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Gemeinwesen
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Das Indianerhaus
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Viertes Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)
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Der Kampf ums Dasein
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Wie man bei den Ashluslays und Chorotis ißt
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Fünftes Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)
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Indianerkinder
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Männer und Frauen
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Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen
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Sechstes Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)
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Trinkgelage
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Das Tabakrauchen
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Medizinmänner, religiöse Vorstellungen
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Vom Matacoindianer Na-yás erzählte Sagen:
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Der Raub des Feuers
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Die Frau, die sich mit den Hunden verheiratet hat
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Die große Feuersbrunst
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Der Maisraub
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Der Sohn des Chuña
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Als die Matacos und die Christen die Welt teilten
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Der Fuchs und der Stier
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[S. vi]
Siebentes Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)
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Kunst und Industrie
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Die Indianer als Zeichner
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Achtes Kapitel:
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Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)
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Krieg und Frieden
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Handel
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Besuch in fremden Dörfern
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Das Verhältnis zu den Weißen
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Neuntes Kapitel:
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Das Land der Chané- und Chiriguanoindianer
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Zehntes Kapitel:
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Vom Lande der Chané- und Chiriguanoindianer
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Indianer als Geographen
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Der Indianer als Historiker
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Elftes Kapitel:
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Vom Lande der Chané- und Chiriguanoindianer
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Alltagsleben in den Chané- und Chiriguanohütten
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Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern
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Tabelle, welche die Arbeitsteilung zwischen Männern
und Frauen bei den Chanés und Chiriguanos ausweist
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Nahrungszweige
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Zubereitung der Speisen
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Spiele
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Das Leben der Indianerkinder
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Alltagskleidung
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Reinlichkeit
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Zwölftes Kapitel:
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Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
(Fortsetzung)
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Vom Mutterleib bis zum Grabe
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Dreizehntes Kapitel:
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Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
(Fortsetzung)
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Häßliche Worte, Homosexualität, Selbstmord,
Schamgefühl u. a.
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Vierzehntes Kapitel:
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Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
(Fortsetzung)
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Häuptlinge und Gesetze
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[S. vii]
Fünfzehntes Kapitel:
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Trinkgelage bei den Chanés und Chiriguanos
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Sechzehntes Kapitel:
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Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
(Fortsetzung)
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Kunst und Industrie
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Siebzehntes Kapitel:
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Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
(Fortsetzung)
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Sage und Religion
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1. Der Weltuntergang und der Raub des Feuers
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2. Der Weltuntergang und der Raub des Feuers
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Besuche in Aguararenta (dem Dorfe der Füchse)
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Das Mädchen, das seinem Mann nach Aguararenta
folgte
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Geister- und Tiersagen
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Die Erschaffung der Welt, wie der Fuchsgott,
Aguaratunpa, den Algarrobobaum fand, und wie er den weißen Kondor,
Ururuti, fing
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Tatutunpas und Aguaratunpas Verheiratung
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Die Entstehung der Arbeit
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Wie Aguaratunpa seinen Bruder nach dem
Himmelsgewölbe schickte
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Über den Sohn von Tatutunpa, und wie er seine
Mutter gerettet hat
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Der Mann, der sich mit der Tochter des
Donnergottes, Chiqueritunpa, verheiratet
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„Choihuihuis“ Frauenraub
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Wie Aguaratunpa Tatutunpa tötete und dann
selbst getötet wurde
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Der Mann, der Añatunpa verbrannte
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Der Mann, der Añatunpa tötete
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Wie Bisose Reichtümer aus dem Berge holte
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Der Fuchs und der Jaguar
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Als die Schildkröte „Carumbe“ den Jaguar tötete
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Die Liebessage des Kolibris
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Als die Zecke, Yatéu, mit dem Strauß, Yándu, um
die Wette lief
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Die Indianer und die Naturerscheinungen
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Achtzehntes Kapitel:
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Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
(Fortsetzung)
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Die katholischen Missionen unter den Chiriguanos
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[S. viii]
Die Furcht vor den Gummigegenden
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Frondienste für die Weißen
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Neunzehntes Kapitel:
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Die Tapieteindianer
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Zu diesen Indianern
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Kultur und Sprache der Tapieteindianer
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Tapietesagen:
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Wie die Papageien den Tapietes Mais verschaffen
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Wie die Tapietes das Schaf bekamen
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Der Raub des Feuers
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Das Entstehen der Zahnschmerzen
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Die Taubstummen der Tapietes
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Zwanzigstes Kapitel:
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Die Tsirakuaindianer
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Schlußwort
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[S. 1]
In diesem Buche beabsichtige ich, einige Indianerstämme, die ich während meiner Reise 1908–1909 näher kennen gelernt habe, zu schildern.
Ich habe das intime Leben dieser Menschen, ihre Gesellschaft, ihre Häuslichkeit, ihren Kampf ums Dasein, ihre Streitigkeiten, ihre Erziehung, ihre Moralbegriffe, ihre Religion und ihre Sagen hier zu schildern versucht.
In erster Reihe habe ich somit einen Beitrag zur Kenntnis der sozialen Verhältnisse im Gemeinwesen der Indianer liefern wollen.
Ich habe versucht, die Indianer kennen zu lernen und habe auch Sympathie für sie empfunden. Ich habe, so gut es ging, das Leben der Indianer zu leben, sie zu verstehen gesucht. Ich habe mit ihnen gefischt, getanzt, gesungen und getrunken. Ich habe zu vergessen gesucht, daß ich ausgezogen bin, um diese Menschen zu studieren, und nicht, um nur mit ihnen zu leben und mich zu amüsieren.
Ich habe diese Indianer als Mitmenschen betrachtet.
Unter vielen trockenen Tatsachen habe ich hier Menschen zeigen wollen, die der Sympathie des Lesers würdig sein dürften.
Meine Reise ist durch die Freigebigkeit meines Freundes Arvid Hernmarck zustande gekommen. Ich bin ihm deshalb zu großem Danke verpflichtet.
Mit seinem bekannten Interesse für die Schweden, die Südamerika kennen lernen wollen, hat mir Herr Generalkonsul Axel Johnson auf den bequemen Dampfern, die den immer blühenderen schwedischen Handel nach Argentinien vermitteln, freie Reise und freie Frachten gewährt.
[S. 2]
Großen Dank schulde ich Frau Rosa Hernmarck, dem früheren Ministerresident O. Gyldén, dem Legationsrat H. von Bildt und dem Apotheker H. Enell, welche teils zu meiner Ausrüstung beigetragen, teils meine Sammlungen verwaltet haben.
Bei meinen umfassenden Streifzügen in Bolivia bin ich sowohl in der Hütte des Armen wie von dem reichen Estanciero mit außerordentlicher Gastfreiheit aufgenommen worden. Bei den Indianern wie bei den Weißen habe ich mich als Hausfreund betrachtet.
Am wohlsten habe ich mich bei den Indianern gefühlt!
[S. 3]
Am 21. Februar 1908 verließ ich zusammen mit einem Schweden, W. Andersson, Schweden, um mit dem Dampfschiffe „Drottning Sofia“ nach Buenos Aires zu fahren. Auf der herrlichen Seereise konnten wir Kräfte für künftige Strapazen sammeln. Mit Salz- und Sonnenbädern härteten wir unsere Körper in dem Gedanken: Auf einer solchen Reise, wie dieser, ist die allerwichtigste Ausrüstung eine gute Gesundheit. Ist man munter und gesund, so arbeitet man gut, ist man infolge Krankheit niedergedrückt, dann geht alles schlecht. Während meiner ganzen Reise war ich auch nicht einen einzigen Tag ordentlich krank.
Auf dem Dampfer schloß ich mit einem jungen Landsmann, Carl Moberg, Bekanntschaft. Es war ein wilder Junge. Eines Tages kletterte er auf den Großmast der „Sofia“, setzte sich auf den runden Knopf der Spitze und genoß bei einer Zigarette die Aussicht. Da er den Eindruck eines kühnen und furchtlosen Menschen machte, stellte ich ihn bei der Expedition an. Und das habe ich nicht zu bereuen brauchen. Moberg erwies sich während der ganzen Reise als ein tüchtiger und zuverlässiger Kamerad. Ich habe ihn hier so schildern wollen, wie ich ihn zum ersten Male kennen gelernt habe, damit der Leser verstehe, daß er ein Mann war, der für die Indianer paßt.
Ich will hier nicht schildern, was so viele andere vorher beschrieben haben, sondern übergehe Buenos Aires und begebe mich von dort direkt nach der Zuckerfabrik Esperanza in Nordargentinien. Wo die Indianer anfangen, dort[S. 4] will ich auch meinen Reisebericht beginnen. Ich bitte nun den geneigten Leser, der besseren Orientierung wegen, diesen Platz auf der Karte aufzusuchen.
Nach den Zuckerfabriken in Nordargentinien kommen die Indianer von weit umher. Hier in den Fabriken treffen wir nicht die Wilden der Urwälder, sondern solche, die, von den Reichtümern des weißen Mannes angelockt, aus ihren Dörfern gekommen sind, um Arbeit und Verdienst zu suchen. In diesem Buche werden wir diese Menschen auch nicht hier, sondern weit hinten in den Urwäldern und Gebüschen ihrer Heimat kennen lernen.
Mit dem größten Wohlwollen wurde ich von den Brüdern Leach, den Besitzern der Fabrik Esperanza, aufgenommen. Sie haben ein echt englisches Heim mit bequemen Stühlen, Polo, Freundschaft ohne Ziererei und Zeremonien und Dienstbereitschaft ohne viele Worte.
In Esperanza hielt ich mich einen Monat auf, um meine Expedition auszurüsten. Während dieser Zeit hatte ich Gelegenheit zum Studium der Indianer, die, wie schon erwähnt, von weit her nach den Fabriken kommen, um Arbeit zu suchen. Außerdem machte ich eine Expedition nach dem nahebelegenen Berge Calilegua.[1]
Unter den Indianern in Esperanza hatte ich das Glück, einen alten Freund von meiner Reise 1901 zu treffen, den Matacoindianer „Chetsin“. Dieser, der Dolmetscher seines Stammes, sprach ausgezeichnet spanisch. Beinahe jeden Tag pflegte ich ein Stündchen in seiner Hütte zu verweilen und mit ihm von allem möglichen zu sprechen. Zuweilen erzählte er mir einige Sagen seines Stammes.
Es war ein eigentümliches Gefühl, auf einem Holzblock in der Grashütte bei einem spärlichen Feuer zu sitzen und erzählen zu hören, wie die wilden Schweine dem Gürteltier den Mais stahlen und wie das Meerschweinchen dem Jaguar[S. 5] das Feuer stahl und es den Matacoindianern gab, und einige Augenblicke später in einem bequemen Stuhle in dem englisch komfortablen Leachschen Hause zu sitzen und über Politik, Flugschiffe und Sport zu sprechen. Die Gegensätze im Leben bereiten immer Vergnügen.
Über die Wanderung der Indianer nach den Zuckerfabriken möchte ich hier einige Worte sagen.
„Bapurenda“ nennen die in Bolivia lebenden Indianer das Land Argentinien. Das bedeutet: dort gibt es Arbeit. Nach den Zuckerfabriken kommen jährlich tausende Indianer aus dem argentinischen Chaco und aus Bolivia, um Arbeit zu suchen. Man verwendet sie teils zum Roden und Graben, teils für die Ernte. Diese Wanderung nach Argentinien ist für die friedliche Eröffnung der in Südbolivia von Indianern bewohnten Wildnisse von der größten Bedeutung für die Weißen gewesen, und ist es auch heute noch. Nach „Bapurenda“ kommen die Indianer aus weiter Ferne. Man sieht dort die sauberen und aufgeweckten Chiriguano und Chané, die heimtückischen und zudringlichen Toba, die schmutzigen und unzuverlässigen Mataco, die stets heiteren und faulen Choroti. Einige Tapiete und Ashluslay[2] sind auch dort gewesen, obschon die ersteren als Toba, die letzteren als Choroti und Mataco aufgetreten sind. Eigentümlicherweise sollen auch von solchen Teilen des südbolivianischen Chaco, wo noch nie ein Weißer gewesen ist, Indianer nach Argentinien gekommen sein. Unter ihnen ist der Chiriguanohäuptling Cayuhuari bemerkenswert. Dieser Häuptling wohnt seit 1890, wo er sich gegen die Weißen empört hatte, im Chaco.
Ein sehr großer Teil der Indianer nimmt die lange Reise nach Argentinien zu Fuß vor, da nur wenige Pferde haben. Einzelne haben bis zu ihrer Ankunft über 500 km zu wandern, und das ist ein ganz hübscher Spaziergang.
Der Grund der Wanderung dieser Indianer ist die große Schwierigkeit, alle die Herrlichkeiten des Weißen, wie Messer,[S. 6] Äxte und Kleider, in ihrem eigenen Lande zu erwerben. Wenn sie bei sich zu Hause Arbeit haben, ist sie in der Regel schlecht bezahlt, und innerhalb großer Gebiete ist überhaupt keine Arbeit zu bekommen.
Mehrere Indianer haben mir gesagt, sie würden, wenn sie zu Hause Arbeit fänden, diese Wanderung nicht vornehmen. Eins ist jedoch sicher, daß diese Reisen in ein fremdes Wunderland im höchsten Grade verlockend für sie sind. Ich war gerade in einem Ashluslaydorf, als die ersten dieses Stammes, die in den Fabriken gewesen sind, wieder nach Hause kamen. Sie wurden mit Ovationen empfangen. Das ganze Dorf war ihnen entgegengegangen, und unter dem Gesang der alten Frauen wurden sie zu ihren Hütten gebracht, wo sie von ihren Kindern und Frauen bewillkommnet wurden. Sie hatten so viel Merkwürdiges mitgebracht, alte Gewehre, alte Uniformen, Zucker, Streichhölzer, Pulver, Knallerbsen, betresste Käppis, Anelin u. a. Wie viel ist nicht zu erzählen, wenn man nach Hause kommt. Es muß mindestens ebenso merkwürdig gewesen sein, als wenn ein Erdbewohner von einer Reise nach dem Monde nach Hause gekommen wäre. Wie wunderbar muß es den zu Hause Gebliebenen vorgekommen sein, von den Eisenbahnen, den Fabrikmaschinen, den elektrischen Bogenlampen, den großen Hütten und allem anderen Neuen zu hören. Auch sie werden zu der mühseligen, langen Wanderung verlockt, und immer weitere Gebiete eröffnen sich dem weißen Manne ohne Kampf, ohne Schwierigkeiten.
Infolge dieser Wanderungen nach Argentinien verbreiten sich eine große Masse Werkzeuge, Messer, Waffen u. a. über den ganzen Chaco, und die ursprüngliche Kultur der Indianer verändert sich vollständig. Viele von ihnen lernen auf diesen Reisen etwas Spanisch, denn den Indianern fällt diese Sprache leicht. Sie lernen sogar sehr bald, es grammatikalisch zu sprechen.
Nach den Zuckerfabriken kommen die Mataco und Choroti sowie teilweise auch die Toba mit Frauen, Kind und Kegel, Hunden und Hausgerät, Schmutz und Ungeziefer und bauen[S. 7] dort ihre Dörfer, ganz wie im Chaco. Die höherstehenden Chiriguano und Chané bringen nur wenig Frauen und niemals ihre kleinen Kinder mit, falls sie nicht für immer dort bleiben wollen. Die Chiriguano und Chané wohnen in Zelten oder in den den Fabrikbesitzern gehörigen Baracken.
In den Fabriken habe ich die Indianer, besonders die Mataco und Chiriguano, arbeiten sehen. Die ersteren werden als die Tüchtigsten beim Ernten des Zuckerrohres, die letzteren als die besten Gräber betrachtet. Die Mataco und verschiedene Chiriguano werden auf Akkord bezahlt. Die besten Chiriguano sind Tagelöhner und werden den weißen Arbeitern gleichgestellt. In der Regel verdienen die Chiriguano täglich 1–1½ Pesos, die Matacomänner 40 Centavos und die Matacofrauen 20 Centavos außer der Kost. Die Arbeitszeit ist für die letzteren ungefähr acht, für die ersteren zehn Stunden.
Über den Fleiß der Indianer habe ich einige Notizen machen können. Die Chiriguano arbeiten in der Regel alle Tage außer den Montagen, wo sie den Sonntagsrausch ausschlafen. In San Lorenzo, unweit Esperanza, wo ich Gelegenheit hatte, etwas statistisches Material zu sammeln, arbeiteten die Matacomänner im Durchschnitt 12½ und die Matacofrauen 11½ Tage im Monat. Das beste Resultat hatte eine Matacofrau, die von 127 möglichen Tagen 125, und ein Matacomann, der 110 gearbeitet hatte. Die Häuptlinge und Dolmetscher arbeiten am wenigsten.
Bei der Bezahlung der Indianer hat man darauf zu sehen, daß sie nicht die ganze Löhnung während der Arbeitszeit ausbezahlt erhalten, sondern noch etwas zugute haben, wenn sie heimkehren, sonst halten sie sich für betrogen.
Stirbt ein Indianer, dem die Fabrik etwas schuldig ist, so verlangen die Mataco, Choroti und Toba nichts. Trifft dies bei den Chiriguano ein, so fordert der Häuptling die Bezahlung der Schuld durch ihn an die Hinterlassenen. Der Grund hierfür ist möglicherweise der, daß die Chiriguano infolge ihrer langen Beziehung mit den Weißen die Erbschaftsverhältnisse derselben besser kennen.
[S. 8]
Leider wird für die Zivilisierung der nach den Zuckerfabriken kommenden Indianer nichts getan. Sie werden hier im allerhöchsten Grade demoralisiert. Die Männer verfallen der Trunksucht, d. h. sie lernen Branntwein trinken, im Verhältnis zu welchem alle einheimischen Getränke bedeutend unschuldiger sind. Infolge des Branntweins und der schlechten Beispiele seitens der weißen Arbeiter kommt eine große[S. 9] Anzahl Indianer durch Schlägereien in den Fabriken um. Die Indianerfrauen verkaufen sich den Weißen. Geschlechtskrankheiten herrschen unter den indianischen Arbeitern, die teilweise geradezu Bordelle besuchen, wo sie mit den weißen Frauen Bekanntschaft machen. Der Chiriguanohäuptling Maringay, der niemals in Argentinien war, und von dem ich später noch recht viel zu erzählen haben werde, fragte mich einmal: „Sage mir, ist es wahr, daß es in Argentinien Läden gibt, wo man weiße Frauen, je nach Beschaffenheit, für 2, 3, 5 Pesos bekommt?“ Maringay fand sicher, daß die Weißen merkwürdige Läden hatten.
Viele Chiriguanoindianer kommen mit ihren Familien nach[S. 10] den Zuckerfabriken und kehren niemals in ihre Heimat zurück. Das Leben dieser Indianer verläuft ebenso wie das der weißen Arbeiter. Sie leben in einer Art Konservenbüchsenkultur und stellen so gut wie gar keine ihrer alten charakteristischen Sachen her. Ein wie trauriges Leben führen sie doch, viel schlechter als in ihren Dörfern in ihrem eigenen Lande. Anstatt der feinen, bemalten Tongefäße bilden leere Konservenbüchsen, Blechteller usw. ihr Hausgerät. Manchmal sieht man auch unter ihren Habseligkeiten ein europäisches Nachtgeschirr — in dem sie das Essen verwahren.
Eine in den Fabriken in großer Ausdehnung betriebene Unsitte ist die, daß die Indianer Schießwaffen erhalten. Infolge dieser führen die Indianer, die dort gewesen sind, siegreiche Kämpfe mit denen, die nur Pfeile und Bogen besitzen. Diese Schießwaffen werden eines Tages manchem weißen Manne das Leben kosten, denn sicher werden die Indianer im Chaco noch manchen Aufruhr anstiften. Auf argentinischem Gebiete sorgt besonders der Tobahäuptling Taycolique systematisch für eine Bewaffnung seiner Leute mit Feuerwaffen. Er ist schon so weit gekommen, daß er die unmodernen Remingtongewehre kassiert und statt dessen Repetiergewehre eingeführt hat. Taycolique hat seinen Leuten das Schießen beigebracht. Eines Tages zog er mit einigen seiner Männer an einem Platze vorbei, wo einige Weiße Schießübungen abhielten. Taycolique forderte sie zu einem Wettschießen auf, und seine Tobaindianer gewannen den Preis.
Im großen ganzen wird meiner Ansicht nach das Indianererziehungsproblem am besten gelöst auf die Weise, daß man dem Indianer gutbezahlte Arbeit, wie sie sie in den Fabriken haben, gibt. Viel wäre außerdem zur Hebung der Indianer zu tun, sie müßten schreiben, lesen und rechnen lernen, und man müßte sie vor dem Branntwein und der Prostitution bewahren. In diesen Fabriken müßten industrielle Schulen errichtet werden, in welchen die Indianer ein Handwerk erlernten. Eine Arbeit, wie sie sie in gewissen Gegenden haben, mit durchaus unbefriedigender Bezahlung, erzieht sie nicht[S. 11] zu fleißigen und arbeitstüchtigen Menschen, sondern bewirkt eher das Gegenteil. Erhalten sie eine ordentliche Entschädigung und sehen sie, daß es ihnen durch Arbeit gut ergeht, daß sie leichter ihren Magen füllen, Pferde, Werkzeug und Kleider anschaffen können, dann arbeiten sie gern, und die Arbeit tut ihnen gut und erzieht sie.
Während meines Aufenthaltes in der Zuckerfabrik Esperanza unternahm ich mehrere kleine Ausflüge, darunter einen etwas längeren nach dem wunderschönen Calilegua, dessen nicht selten schneebedeckter Gipfel stolz über die Urwälder blickt, in denen Zuckerfabriken und Sägemühlen und kleine Menschlein sich abarbeiten und abäschern.
Auf mehr als schlechten kleinen Pfaden klettert der Weg diesen Berg hinauf. Er geht durch Bäche, über Gebirgskämme, durch den Urwald mit dessen schweigender, feuchtwarmer Pracht, über die Baumgrenze, nach dem einsamen, großartigen Reiche der Erdgöttin Pachamama, wo man einen weiten Blick über Täler, Hochebenen und Berge hat und sich nicht, wie unten im Tale und im Urwalde, durch Lianen und Baumstämme und zwischen dornigen Büschen hindurchzudrängen braucht.
Die Calileguaindianer sprechen alle Spanisch. Dieses ist stark mit Quichuaworten vermengt, die Namen der Heilmittel sind z. B. in der Regel auf Quichua. Man kann also annehmen, daß die ursprüngliche Sprache dieser Indianer Quichua war. Die Calileguaindianer wohnen oben auf den Bergen in kleinen viereckigen Hütten aus Stein oder getrockneten Ziegelsteinen mit Grasdächern. Auf dem First steht gewöhnlich ein Kreuz. Dasselbe schützt gegen Blitzschlag, d. h. wenn es von einem christlichen Geistlichen gesegnet ist, denn diese Gebirgsindianer sind schon seit langer Zeit Christen. Dies hindert indessen nicht, daß sie gleichzeitig an vieles andere glauben, was gar nichts mit der christlichen Religion zu tun hat. So opfern sie noch der Pachamama Branntwein[S. 12] und Coca. Gehen sie über einen Paß, so legen sie einen Stein auf den Boden, damit sie nicht auf dem Wege müde werden.
Auf dem Calilegua machte ich eine interessante Bekanntschaft, und zwar die eines sehr anständigen Medizinmannes in mittleren Jahren, der mir ganz offenherzig verschiedenes anvertraute. Gegen Knochenschmerzen soll man Fett vom Uturunco, Tapir oder Bären anwenden. Der Uturunco ist ein mystisches Tier; es soll ein Jaguar sein, der ehemals ein Mensch gewesen ist. Das Fett des Uturunco ist gelb. Von Peru bis nach Argentinien kennt man die wunderbaren heilenden Eigenschaften des Fettes dieses Tieres. Hat man an einem gewissen Platze die Erde berührt, so können Hand-, Fuß- oder Kniegelenke anschwellen. Man tut am besten, wenn man auf die geschwollene Stelle Erde von dem Platze, wo man krank geworden ist, legt. Auch Bärenzunge ist gut. Bei einem Erdbeben, wie sie auf dem Calilegua oft vorkommen, geht man am besten nach dem Begräbnisplatz, um zu beten. Hagelt es, so verbrenne man kreuzförmig gelegte Palmblätter, dann bleibt die Ernte unbeschädigt.
Da einer meiner Begleiter, ein argentinischer Gaucho, auf dem Calilegua erkrankte, bekam unser Freund Gelegenheit, seine Kunst zu versuchen. Er gab ihm ein aus Mais bereitetes Bier, in welches er glühende Kohlen legte. Der Gaucho gesundete und mußte dem großen Arzt ein erkleckliches Honorar zahlen.
Zwischen dem, was man hier auf dem Calilegua zu sehen bekommt, und dem, was man bei den Quichuas weit hinten in Peru, zwölf Breitengrade von dort, findet, herrscht eine große Ähnlichkeit. Ungeheuer gleichförmig verbreitet sich die Quichuakultur längs der Anden. Sie haben dieselbe Kleidertracht, dieselben eigentümlichen Nadeln zur Befestigung der Frauenschale, beinahe dieselbe Keramik, dasselbe Kokakauen, dieselben Arzneien, dieselben Opfer in den Gebirgspässen, dieselben Schleudern u. a. Diese große Gleichförmigkeit fällt um so mehr auf, wenn man an den Gegensatz zwischen den Bewohnern des Gebirges und des Urwaldes denkt. Nach[S. 13] einem Ritte von einigen Tagen von Cuzco, der Hauptstadt des alten Inkareiches, nach den Urwäldern ist man im Gebiete der wilden Indianer, die mit den Bewohnern des Gebirges beinahe nichts Gemeinsames haben. Hier im nördlichsten Argentinien sowie im südlichen Bolivia, ist der Gegensatz nicht ganz so scharf, aber dennoch groß genug. Die Stämme, von denen ich hier sprechen will, die auf den letzten Ausläufern der Anden nach der Ebene zu oder in derselben wohnen, haben mit den Quichua und deren Nachkommen wenig Gemeinsames. Reiten wir vom Calilegua in Argentinien über das Gebirge direkt nach Cuzco, so treffen wir nur zwei Indianersprachen an, das Quichua und das Aymara. Folgen wir den Urwaldwegen und den Flüssen, so lernen wir wenigstens einige zwanzig Sprachen kennen, bis wir über Santa Cruz de la Sierra, über den Rio Mamoré und den Rio Madre de Dios nach der alten Hauptstadt der Inka kommen.
Vom Calilegua nach den Fabriken zurückgekehrt, beendigte ich meine Ausrüstungsarbeiten, und am 5. Mai saßen wir im Sattel, um nordwärts, nach dem Rio Pilcomayo, zu ziehen. Einige Tage darauf gingen wir über den Rio Bermejo und setzten unseren Weg längs der letzten Ausläufer der Anden fort. Das jetzt von uns durchzogene Gebiet war teils von Weißen, teils von den in vollständigem Abhängigkeitsverhältnis von jenen stehenden Mataco-Vejos bewohnt. Alles, was ich von ihnen sammeln konnte, kaufte ich an; des Abends saß ich bei den Alten, die mir dies und jenes erzählten. Diese Mataco haben eine Sage von einem großen, die ganze Welt verheerenden Feuer. Ein Vogel „Miya“ hatte ihnen von einer wilden Katze „Noté“ die Maissamen geraubt, ein kleiner schwarzer und roter Vogel „Sipúp“ hat die Kürbissamen geraubt. Das Meerschweinchen „No-ték“ hat das Feuer von einem bösen Geist, „Tacuash“, der es verborgen hatte und den Matacos nichts davon abgeben wollte, geraubt.
Die Mataco-Vejos sind von der mächtigen Chiriguanokultur, über die ich weiterhin ausführlicher sprechen werde, stark beeinflußt. Sie sind außer den Chiriguanos und Chanés[S. 14] die einzigen Indianer im Chaco, die ihre Toten zuweilen in Tongefäßen begraben.
Dem Toten bauen sie in der Tiefe des Waldes ein besonderes Haus mit Feuerstätte und Bett. Er wird auf das Bett gelegt oder manchmal in ein Tongefäß hineingestopft. Ich selbst habe niemals ein derartiges Grabhaus gesehen, die Indianer haben es mir aber so beschrieben. Als ich danach fragte, erklärten sie mir, augenblicklich gäbe es keins, das nicht vollständig zerstört sei. Sie wollten mir ihre Gräber vielleicht nicht zeigen. Auf meiner Reise 1902 zog ich auch durch das Gebiet der Vejos und grub damals ein Vejograb aus. Vielleicht war dieses nicht typisch. Unter einer Wildschweinhaut lag der Tote in die Erde eingegraben mit seiner Wasserkalebasse. Von Hütte und Bett war keine Spur vorhanden. Die Kalebasse war leer. Das Wasser habe der Tote ausgetrunken, sagten die Indianer.
Nicht selten arbeiteten die Mataco-Vejos als Diener der am Rio Itiyuro wohnenden Chanés. Daß ein Chané dagegen bei einem Mataco dienen sollte, wäre undenkbar. Einen solchen Klassenunterschied zwischen den Stämmen werden wir hier wiederholt zu erwähnen Gelegenheit haben.
Am 18. Mai waren wir in Yacuiba, einem großen Dorfe an der Grenze zwischen Bolivia und Argentinien. Jetzt ist es ein ganz anständiger Platz, während es früher ein gefährlicher Zufluchtsort für Verbrecher war, die aus Furcht vor der argentinischen Polizei hierher geflohen waren.
Yacuiba war während eines großen Teiles der Reise ein wichtiger Stützpunkt für mich. Ein liebenswürdiger Franzose, C. Holzer, hat mir dort große Dienste geleistet, indem er mir bei vielen schweren Transporten von Ausrüstungen und Sammlungen behilflich war.
Mein erster Ausflug von Yacuiba galt den Chanéindianern am Rio Itiyuro. Diesen werde ich in einem anderen Zusammenhange schildern. Mein zweiter war nach dem Rio Pilcomayo und den an diesem eigentümlichen Flusse wohnenden Indianern.
Hier begann der ernste Teil meiner Reise.
[1] Ortsnamen, Eigennamen, spanische und indianische Wörter sind in der Regel der spanischen Aussprache gemäß geschrieben.
[2] Ashluslay: englisches sh.
[S. 15]
Als ich frühzeitig im Jahre 1902 vom Rio Pilcomayo heimkehrte, glaubte ich kaum, daß ich jemals wieder dorthin kommen würde. Die widrigen täglichen Staubstürme machten den Aufenthalt unerträglich. Anfang Juni 1908 ritt ich gleichwohl wieder durch den großen Wald zwischen Yacuiba und Crevaux nach dem Rio Pilcomayo. Man vergißt so leicht die Schwierigkeiten einer Reise. Nach einiger Zeit gedenkt man ausschließlich der angenehmen Stunden. Nach einer Höflichkeitsvisite bei den Matacoindianern ging ich bei Crevaux über den Rio Pilcomayo und reiste durch ein von den Toba bewohntes Gebiet zu den Chorotiindianern, die etwa 50 km unterhalb Crevaux viele Dörfer besitzen. Hier verweilte ich vor allem in dem Dörfchen des Chorotihäuptlings „Waldhuhn“. Dort amüsierte ich mich prächtig; beinahe nackt, nur in Federschmuck und Brille gekleidet, tanzte ich des Nachts mit den Indianern und Indianerinnen an den weißschimmernden Sandufern des Rio Pilcomayo. Fühlten wir uns vom Tanze erhitzt, so tummelten wir uns in dem brausenden Wasser des Flusses. Wir jagten, sangen, spielten, fischten, wir rauchten abwechselnd aus derselben Pfeife und langweilten uns niemals. Einige Besuche machte ich 60–70 km weiter unterhalb des Flusses bei den Ashluslayindianern, die, durch meine Vorräte von Messern, Nadeln, Tabak und prächtigen Tüchern angelockt, mich einluden, sie im Herzen ihres Landes zu besuchen.
Erst ein Jahr später, im Oktober 1909, als meine Wege mich wieder von Yacuiba nach dem Rio Pilcomayo führten,[S. 16] konnte ich ihre Einladung annehmen. Es erscheint mir als das Geeignetste, diese beiden Reisen nach dem Rio Pilcomayo im Zusammenhang zu schildern.
Mit fünf Mann verließ ich am 27. Oktober 1909 den bolivianischen Militärposten bei Guachalla, 100 Kilometer von Crevaux, und folgte dem nordöstlichen Ufer des Rio Pilcomayo. Ein Mestize, Flores, begleitete mich als Dolmetscher. Er sprach ausgezeichnet Choroti und verstand auch etwas Ashluslay. Jahrelang hatte er unter den Indianern gelebt und hatte dort auch eine größere Anzahl Frauen. Von den Weißen am Rio Pilcomayo ist wohl keiner so imstande gewesen, das Indianerleben kennen zu lernen, wie dieser Mann. Er kennt ihre Sitten und Gebräuche, er weiß, wie man sich bei einem Indianerfest zu benehmen hat, er kann ihre Lieder singen, er tanzt wie ein Indianer. Viele Chorotifrauen haben sich dem Weißen hingegeben. Flores ist der einzige Weiße, der mit einer solchen Frau ein Kind hat, und die Chorotiindianer betrachten ihn auch vollständig als zur Familie gehörig. Er ist ihr Freund und Ratgeber und hat manches Mal die Unterhandlungen zwischen Indianern und Kolonisten geleitet. Einen vortrefflicheren Dolmetscher konnte ich kaum erhalten.
Unser erstes Nachtlager nach Guachalla hatten wir in einem Ashluslaydorf. Als ich in das Dorf ritt, waren alle Indianer betrunken. Unter Jubelrufen führten sie meinen Maulesel zum Festplatz. „Elle is.“ „Der kleine Papagei ist gut“, riefen die Indianer. „Ashluslay is! is! is! Toba häes! häes!“ „Ashluslay sind gut, Toba schlecht!“ johlte „der kleine Papagei“, indem er Tabakblätter um sich streute. Man hob mich vom Maulesel, umarmte mich und berauschte mich mit Algarrobobier. Es war wild, aber interessant. In dieser Nacht schlief ich vor meinem Bett, während drei Indianer, in meine Decken eingehüllt, schnarchten. Wir kamen gut überein, aber der Kommunismus ist anstrengend.
Trotz Freude, Freundschaft, Rausch und Geschenken konnte der Dolmetscher die Indianer nicht dazu bringen, uns auf ihren Wegen, die direkt nach dem nördlichen Chaco[S. 17] gehen, in das Herz ihres Landes zu führen. Alle Versprechungen waren vergessen. Dort gibt es keine Menschen, dort gibt es kein Wasser auf drei Tagemärschen, sagte einer, auf zwei, sagte ein anderer, gar keins, sagte ein dritter. Daß Wassermangel herrschte, war möglicherweise wahr, denn wir befanden uns am Ende der Trockenzeit. Ich beschloß deshalb, zu warten, und erst nach den ersten Regentagen, die bald kommen mußten, einen Versuch zu machen, in das unbekannte Land nördlich vom Pilcomayo einzudringen.
Wir gingen deshalb längs des Rio Pilcomayo weiter und folgten immer dem nördlichen, d. h. dem bolivianischen Ufer, wo ich mich leicht orientieren konnte. Zuerst kamen wir durch das Land der Mataco-Guisnays. Man hatte mir erzählt, daß einer dieser auf der argentinischen Seite des Flusses wohnenden Indianer den Skalp eines Ashluslayindianers besitze. Der Dolmetscher und Moberg wurden, mit allerlei Tauschwaren beladen, vorausgesandt. Ich ging nicht selbst mit, weil ich wußte, daß ich, wo es sich um einen so interessanten ethnographischen Gegenstand handelte, nicht gleichgültig und uninteressiert genug auftreten könne. Als sie in das Dorf kamen, war dort ein großes Fest, und die Matacos waren betrunken und johlten. Mitten im Dorfe hing auf einer spiralförmig abgerindeten Stange der mit roten Taschentüchern und anderen Schmuckgegenständen behängte Skalp. Moberg und der Dolmetscher taten, als sähen sie nichts. Dem ersteren wurde Algarrobobier angeboten, dem letzteren zuerst nichts, weil er für einen Chorotifreund, also Matacofeind, gehalten wurde. Nachdem sie eine Weile gesessen und geplaudert hatten, tat der Dolmetscher, als wenn er erst jetzt zufällig den Skalp gesehen hätte und fragte: „Was ist das dort für ein Waschlappen?“ Der Besitzer begann nun seine Taten zu rühmen, und der Skalp wurde heruntergenommen und besichtigt. Sie erzählten ihm, daß seine Heldentaten nun weit und breit unter den weißen Männern bekannt werden würden, was ihm natürlich schmeichelte. Nach vielem Hin und Her tauschten sie denselben[S. 18] ein. Erst sollten jedoch die alten Frauen singen und mit ihnen tanzen.
Wie Friederici[3] nachgewiesen hat, ist das Gebiet in Südamerika, aus dem Skalpe bekannt sind, kein sehr bedeutendes. Außer dem Chaco ist es nur ein kleines Gebiet in Guyana. Kopfjäger sind dagegen ein großer Teil der Indianer Südamerikas. Dies war der erste Skalp aus Südamerika, der in eine Sammlung gekommen ist.
Nachdem wir mehrere große Matacodörfer, ein Ashluslaydorf und einen bolivianischen Militärposten passiert hatten, kamen wir nach einem großen, unbebauten, infolge Streifzüge der Toba-Pilagaindianer unsicheren Gebiet. Diese Tobas zeichnen sich unter anderem dadurch aus, daß sie gleich den Chorotis und Ashluslays große Holzklötze in den durchbohrten Ohrläppchen tragen. Was man auf einem Marsche durch ein von feindlich gesinnten Indianern bewohntes Gebiet am meisten zu fürchten hat, ist, daß einem während der Nacht die Reittiere gestohlen werden. Ungefähr 250 km unterhalb Guachalla kamen wir nach dem äußersten, erst einige Monate vor Antritt meines Ausflugs angelegten Militärposten der bolivianischen Regierung.
Dicht bei und einige Meilen von dem Militärposten lagen große, von Ashlulayindianern bewohnte Dörfer. Wir besuchten den Häuptling Toné in seinem Dorfe. Dieses hat, wenn alle Indianer versammelt sind, etwa 1000 Einwohner. Mitten auf dem großen, offenen Platze des Dorfes schlugen wir unser Lager auf und machten es uns richtig gemütlich. Wir waren zu einer Zeit gekommen, wo die Algarrobofrucht reif war, und Algarrobobier wurde auf dem Festplatz in großen Quantitäten getrunken. Interessant war es, das indianische Leben zu sehen, das zu studieren ich hier reichlich Gelegenheit hatte und späterhin schildern werde. Mehrmals bin ich bei von den Weißen unabhängig lebenden Indianern gewesen,[S. 19] aber niemals bei einem so großen und mächtigen Stamme.
Die Ashluslayindianer lagen im Krieg mit den Tobas, und der Krieg verlief sehr ungünstig für sie. Auf alle Weise suchten sie mich zu verlocken, für sie Partei zu ergreifen und mit meinen Feuerwaffen eine gute Hilfstruppe zu bilden. Sie spiegelten mir in beredten Worten vor, wie wir die Männer skalpieren, Frauen und Kinder zu Gefangenen machen und eine Menge Pferde stehlen wollten. Das letzte war ihrer Ansicht nach die beste Lockspeise für den weißen Mann. Ich versprach ihnen, falls sie während unseres Aufenthaltes überfallen würden, bei der Verteidigung ihrer Dörfer behilflich zu sein, auf einen Angriff wollte ich mich aber nicht einlassen. Immer eifriger pochten sie auf eine Allianz, wozu sie von dem Dolmetscher hinter meinem Rücken ermuntert wurden. Zuletzt blieb mir nichts anderes übrig, als entweder den Indianern auf ihrem Anfallskriege zu folgen oder mich davonzumachen. Einen Augenblick war ich zweifelhaft. Ich wußte, daß ich, falls ich die Ashluslays zum Siege führte,[S. 20] Herr dieses Landes sei, fürchtete aber doch die Konsequenzen. Es handelte sich hier darum, sich an die Spitze eines Einfalls in argentinisches Gebiet zu stellen, und es wäre schön gewesen, wenn das bekannt geworden wäre. Aus weiter Ferne kamen mehrere Häuptlinge, unter anderem der alte Mayentén, ein stattlicher Mann, von einigen seiner besten Krieger umgeben, um mich zu überreden.
Ich begab mich zu dem bolivianischen Militärposten und suchte den Kommandanten zu einem Eingreifen zu bewegen. Vergebens versuchte ich ihm zu erklären, daß er, wenn er nicht den Ashluslays gegen die Tobas helfe, eines schönen Tages, oder richtiger Nachts, mit allen seinen Soldaten niedergemetzelt werden würde, daß er aber, wenn er ihnen beistehe, sich und seinem Lande den inneren, noch unerforschten Teil des nördlichen Chaco eröffne. Er dürfe nicht vergessen, daß es bis zum nächsten Orte, wo Weiße seien, 150 km sei, und daß die Anzahl derer, die ihm helfen könnten, nur gering sei. Er trug jedoch Bedenken, einen in einem fremden Lande wohnenden Stamm anzugreifen, obschon dieser Stamm unaufhörlich Raubzüge auf bolivianischem Gebiet vornahm. Ich beschloß deshalb zurückzukehren.
Nach langen Unterhandlungen und sicherlich vielen Lügen gelang es meinem Dolmetscher, die Indianer zu bewegen, uns einen Wegweiser zu geben, der uns auf unbekannten Pfaden durch das Innere des nördlichen Chaco führen sollte.
Die Gegend um das Dorf Tonés besteht aus offenen Ebenen, Sümpfen und parkähnlichen Wäldern aus Algarrobo. Dieselbe wird stark von Jaguaren heimgesucht, die sogar die Reittiere verfolgen. Mehrere Pferde und Maulesel der Soldaten waren zerrissen, trotzdem der Militärposten, wie erwähnt, nur einige Monate alt war.
Wenige Meilen oberhalb des Dorfes Tonés bildet der Pilcomayo einen Wasserfall. Das ist der merkwürdigste Fall, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Nicht ein Felsblock, nicht der geringste Stein hindert das Wasser, sondern es braust zwischen harten Tonbänken dahin. Nicht weit unterhalb[S. 21] dieses Falles löst sich der Rio Pilcomayo in gewaltige Sümpfe, die sog. „Esteros del Padre Patiño“ auf, wo unerhörte Schilfmassen das Weiterkommen jedes Fahrzeugs verhindern. Infolge dieser Sümpfe ist der Fluß, der sonst für den Verkehr so wichtig sein könnte, unfahrbar. Im Rio Pilcomayo gibt es unerhörte Massen Fische, und Tausende Indianer entnehmen dem Flusse einen großen Teil des Jahres ihre wichtigste Nahrung. In den Sümpfen finden sich eigentümliche Lungenfische „Lepidosiren“.
Der Rio Pilcomayo ist ein merkwürdiger Fluß. Wenn er die Berge verläßt, führt er Steine und Kies mit sich, nach dem Inneren des Chaco bringt er aber nur Schlamm. Während der Trockenzeit trägt der Wind diesen Schlamm weit umher, und die Tage, wo die Staubmassen über den Chaco wehen, sind höchst unangenehme. Der Rio Pilcomayo hat, nachdem er die Berge verlassen hat, bis ins Herz des Chaco hinein keinen einzigen Nebenfluß. Er hat oft seinen Lauf verändert und sich neue Wege gebrochen. Entfernt man sich etwas vom Flusse, so trifft man mit Wasser angefüllte Reste alter Flußbetten, Muschelbänke und große, verräterische Erdhöhlen an. Am oberen Pilcomayo verlieren die Kolonisten in diesen Höhlen, die bis zu 10 m tief und zuweilen mit einer dünnen, zerbrechlichen Decke bekleidet sind, jährlich viele Tiere. Diese Höhlen dürften in der Weise gebildet sein, daß die gewaltigen Massen Hölzer, die der Fluß mit sich geführt und aufgehäuft hat, von den Schlammassen bedeckt werden und dann, wenn der Fluß sich einen neuen Lauf gesucht hat, vermodern. In den Trockenzeiten wüten in den Wäldern und Gebüschen des Chaco gewaltige Feuersbrünste. In der Regel zünden die Indianer das Gras und die Büsche an, um die leckeren Erdratten, die zu den Delikatessen ihrer Speisekarte gehören, besser finden zu können. In einer Chorotisage ist von diesen Erdhöhlen und Waldbränden die Rede.
Vor langer Zeit wurde alles von einem großen Feuer verheert, das alle Chorotis, außer zwei, einem Mann und einer Frau, die sich in eine Erdhöhle retteten, tötete. Als alles[S. 22] vorüber und das Feuer gelöscht war, gruben sie sich heraus. Sie hatten kein Feuer. Der schwarze Geier hatte einen Feuerbrand nach seinem Nest gebracht, dieses war in Brand geraten, das Feuer hatte sich längs des Baumes verbreitet und kohlte noch unter dem Stumpfe. Der Geier schenkte nun dem Choroti von diesem Feuer, und seitdem haben diese Feuer. Von diesem Manne und dieser Frau stammen alle Chorotis her.[4]
Die Wälder des Chaco sind reich an wilden, eßbaren Früchten. Es gibt ganze Wälder von Algarrobo[5] und Tusca,[6] ganze Sträucher von Chañar.[7] Die Schlingpflanze, welche die Tasifrucht trägt, ist sehr gemein. In wasserarmen Gegenden erhalten die Indianer Wasser aus einer Wurzel, die von Weißen und Chiriguanos Sipoy genannt wird.
Das Tierleben ist nicht sehr reich. Von größerem Wild sieht man meistens Rehböcke und Strauße. Der Jaguar ist, wie erwähnt, häufiger. Den Spuren nach zu urteilen, sind Tapire und Wildschweine nicht ungewöhnlich. Füchse sieht man ebenfalls zahlreich. Die Gürteltiere sind gemein. Der aus dem Chaco bekannte windhundähnliche Hund[8] ist selten. Das Vogelleben ist besonders im Walde arm. Die Flußufer und Sümpfe sind von einigen Storch- und Entenarten belebt. Eidechsen, auch die großen Iguanaeidechsen, huschen an warmen Sonnentagen überall umher. Meilenweise sind die Ebenen mit den für die Reiter so lästigen Löchern der Erdratten übersät.
Die wilden Tiere im Chaco sind für den mit Feuerwaffen Bewaffneten nicht sehr gefährlich. Der Jaguar ist der Schrecken der Indianer. Kurz bevor ich einmal nach einem Matacolager[S. 23] kam, hatte ein Jaguar einen Indianer von einem Feuer, an dem er mit einigen zwanzig Kameraden lag und schlief, fortgeschleppt und getötet. Giftige Schlangen, auch Klapperschlangen, kommen vor, man sieht sie aber selten. In den Seen darf man nicht baden, und auch in den Flüssen kann dies gefährlich sein. Am Rio Pilcomayo gibt es kaum einen Indianer, der nicht zahlreiche Narben von Palometafischen[9] hat.[10] Mit ihren messerscharfen Zähnen schneiden sie aus dem Körper desjenigen, der so unvorsichtig ist, da zu baden, wo sie sind, große Fleischstücke heraus. Einmal wollte Moberg über den Pilcomayo schwimmen. Es war gegen Ende der Trockenzeit, und das Wasser strömte in einer schmalen, tiefen Rinne dahin. Ganz mit Blut bedeckt stieg er aus dem Flusse. Kleine Siluroidfische hatten ihn in Massen überfallen und ihm mit ihren scharfen, lanzettförmigen Flossen zahlreiche tiefe Wunden zugefügt. Um sich vor dem Biß der Palometafische zu schützen, wenden die Ashluslay, wenn sie in Sümpfen waten, aus Caraguatáschnüren[11] dicht geknüpfte Strümpfe an.
Schön ist es im Chaco nicht. Der Wald entzückt nicht das Auge durch üppiges Grün, die Palmenwälder und Schilfbüsche ermüden durch ihre Einförmigkeit, die Seen sind klein und gering an Zahl. Der Rio Pilcomayo hat hier keine Nebenflüsse. Keine Anhöhe, kein Berg, von wo man eine Aussicht über das Land hat. Im Innern des Chaco gibt es keinen Stein, ja kaum ein Kieselkörnchen. Überall besteht der Boden aus Staub und Schlamm.
Die Regenzeit beginnt im November oder Dezember und endet im April oder Mai. Macht man eine Reise in diese Gegenden und will nur dem Pilcomayo folgen, so ist die Trockenzeit die beste Reisezeit. Zur Vornahme von Ausflügen[S. 24] in den wasserarmen nördlichen Chaco soll man den Anfang der Regenzeit wählen.
Der Chaco ist gesund. Während meines Aufenthaltes am Rio Pilcomayo waren weder ich noch meine Begleiter krank, und die weißen Kolonisten scheinen sich alle einer guten Gesundheit zu erfreuen. Möglicherweise sind die schrecklichen Staubstürme für Schwachbrüstige auf die Dauer ungesund.
Wir nahmen nun von unseren Freunden im Dorfe Tonés Abschied und versprachen ihnen, wiederzukommen. Wer weiß, wann dies geschehen wird? Vielleicht tanze ich noch einmal mit im Reigen auf dem großen Platz, vielleicht erheitert mich noch einmal das Algarrobobier, vielleicht johle ich noch einmal auf den Festen dieser meiner Ashluslayfreunde. Am besten wäre es vielleicht, wenn ich nicht zurückkehre. Warte ich noch einige Zeit, so hat sich wahrscheinlich auch hier viel verändert und verschlechtert und der Besuch bereitet nur eine große Enttäuschung.
Wir verließen mit unserm Wegweiser den Pilcomayo und begaben uns nach dem nördlichen Chaco. Ich hatte erwartet, wenig bebaute Gegenden zu finden, sah aber bald meinen Irrtum ein. Gebahnte Wege führten nach allen Richtungen. Der Wegweiser übergab uns schon nach zwei Tagen, wir hatten aber das Glück, andere Reisegesellschaft zu finden. Zwei Ashluslayindianer, denen die Tobas ihre Frauen geraubt und die Kinder gefangen fortgeführt hatten, waren auf dem Wege zu den Mataco-Guisnay, um mit ihnen als Zwischenhändlern betreffs der Auslösung ihrer Kinder aus der Gefangenschaft zu verhandeln. Wir reisten gemeinsam.
Als wir nach den Dörfern kamen, wurden wir mit Tränen und Wehgeschrei empfangen. Auf diese Weise zeigten die Weiber unsern neuen Freunden ihre Teilnahme an deren Kummer.[12] Überall wurden wir gut aufgenommen und[S. 25] durften in den stürmischen, regnerischen Nächten den spärlichen Raum in den Hütten teilen und uns an den Lagerfeuern erwärmen. Zuweilen wurden wir auch zu den einfachen und unappetitlichen Mahlzeiten eingeladen. Alles ging gut und wir waren auf diesen unbekannten, niedrigen Indianerpfaden, wo man sich in der Regel dicht an den Hals des Reittieres drücken muß, um nicht von den Zweigen gestreift zu werden, einen Grad nach dem Chaco zu geritten. Man hatte mir gesagt, die Gegenden seien aus Mangel an Wasser unbebaut. Dies war keineswegs richtig, obschon es zuweilen weit zwischen den Tränken war. In der Regel ist das gefundene Wasser braun und stinkend.
Alles ging, wie gesagt, gut, bis wir zu einem Häuptling namens Chilán kamen. Als wir durch den dichten Wald, der nach einem Dorfe führte, ritten, raschelte es überall in den Büschen. Chilán hatte seine Krieger auspostiert, um uns, falls wir schlechte Absichten hätten, einen warmen Empfang zu bereiten. Ruhig ritten wir durch den gefährlichen Wald gerade in das Dorf Chiláns. Mit bösen Blicken und unter einigen weniger freundlichen Worten an unsere Reisekameraden empfing uns der Alte. Als Freundschaftsgabe überreichte ich ihm ein Messer, worauf er halb zögernd den Streitkolben, den er in der Hand hatte, weglegte.
Chilán muß unseren Wegweisern bestimmte Weisungen gegeben haben, denn nach dem Besuch bei ihm begannen diese uns in der Richtung nach dem Rio Pilcomayo zu führen und nicht, wie wir gewünscht und sie uns infolge unseres Versprechens von Geschenken gelobt hatten, nach Norden. Da wir die Tränken nicht kannten, fanden wir uns nicht ohne ihre Hilfe zurecht. Wir waren schon nahe an dem Flusse, als wir eines Abends in ein Ashluslaylager kamen. Müde, wie ich war, legte ich mich gleich schlafen. Moberg fand es eigentümlich, daß beinahe nur Männer im Lager waren, ließ aber seinen Verdacht nicht verlauten und kroch ruhig unter das Moskitonetz. Ungefähr gegen zwei Uhr erwachte der Dolmetscher durch ein Signal, das jemand im[S. 26] Walde gab. Einer der Männer im Lager erhob sich leise, ging fort und kam nach einiger Zeit mit einer Schar bewaffneter Leute wieder. Der Dolmetscher lauschte und hörte, wie die Neuangekommenen fragten, warum die Ashluslay uns nicht töteten. In diesem Falle bekämen sie die Karabiner und könnten die Tobas mit Erfolg bekämpfen. Wären wir getötet, würden die Weißen niemals erfahren, was im Innern ihres Landes sei. Sie sagten auch, sie wünschten den Skalp des blonden Mannes, d. h. Mobergs, für ihre Feste. Meine Wegweiser wollten sich indessen an dem Überfall nicht beteiligen. Diese Weißen sind unsere Freunde, sagten sie.
Der Dolmetscher, der meine beiden anderen Begleiter, zwei bolivianische Soldaten, geweckt hatte, redete nun die Neuangekommenen an. Diese machten sich nun eilig davon. Vergebens bat er sie, bis zum Morgen zu bleiben. An der Sprache hatte er jedoch gehört, daß es Matacoindianer waren. Diese von der Zivilisation halbverdorbenen Indianer wollten also einen Mord begehen, an dem „die Wilden“ sich nicht beteiligen wollten.
Vielleicht haben wir es Onásh, so heißt der Mann, der gegen den Überfall sprach, zu verdanken, daß wir nicht das Schicksal Crevaux’, Ibaretas und Boggianis teilten.
Am folgenden Tage waren wir wieder im Lande der Mataco-Guisnay. Wir hatten keinen Bissen zu essen und der Regen goß in Strömen. Wir waren also hungrig und froren. Zelte hatten wir schon lange nicht mehr mit, da wir sie zum Schutz unserer Sammlungen hatten zurücklassen müssen. Wir ritten in ein Dorf und wurden höchst unfreundlich empfangen. Wir bekamen nicht das geringste, und man weigerte sich bestimmt, uns während der Nacht in den Hütten Schutz gegen den Regen zu gewähren. Obschon sich in der Gegend, in der wir jetzt waren, keine Weißen befanden, suchen alle diese Matacoindianer bei den Weißen Arbeit und kennen den „Segen“ der Zivilisation.
Als wir dann des Nachts hungrig und frierend an einem Feuer saßen, das infolge des Gußregens nicht kräftig brennen[S. 27] konnte, dachten und sagten wir böse Sachen über den Einfluß der Weißen auf die Wilden des Urwaldes und verglichen die Ungastlichkeit der Matacos mit der Freundlichkeit, die wir tief in den Wäldern bei den Indianern genossen hatten, die nie vorher von Weißen besucht worden sind.
Nach zwei Tagen waren wir wieder bei einem bolivianischen Militärposten. Ich war der einzige, der beritten ankam. Die Pferde der anderen waren ermüdet oder unterwegs gestürzt.
Die Indianer, besonders die Ashluslays und Chorotis, die ich auf diesen Streifzügen im Chaco kennen gelernt habe, will ich hier in den folgenden Kapiteln zu schildern suchen. Da ihre Kultur ziemlich gleichartig ist, glaube ich, sie zusammen behandeln zu können.
Nicht viele Verfasser haben bisher die Sitten und Gebräuche der Chorotis und Ashluslays geschildert. Beiträge zur Kenntnis der letzteren sind von Herrmann[13] geliefert worden, der sie, gleich den Tobas, Sotegaraik nennt. Eric von Rosen[14] hat ausgezeichnete Photographien von den letzteren veröffentlicht.
Der vortreffliche deutsch-argentinische Anthropologe R. Lehmann-Nitsche[15] hat auf den Zuckerfabriken von Esperanza wichtige Studien über die physische Anthropologie der Chorotis und anderer Chacostämme gemacht. Er hat den richtigen Platz für derartige Forschungen gewählt. Die Fabrik liegt, wie erwähnt, an der Eisenbahn, man kann also allerlei Instrumente mit der größten Leichtigkeit dorthin schaffen. An Ort und Stelle befinden sich ausgezeichnete Dunkelkammern zur Entwicklung der Platten usw. Die[S. 28] sich für die physische Anthropologie der Chacostämme Interessierenden verweise ich auf die Arbeit dieses Verfassers.
Da die den Chacostämmen angehörenden Guaycuru-, Mataco- und Maskoi-Gruppen in vielen Beziehungen eine den Choroti und Ashluslay ähnliche Kultur haben, so ist die Literatur, die hier des Vergleichs wegen von Interesse ist, eine sehr große.
In dieser Arbeit ist indessen nicht der richtige Platz zu solchen vergleichenden Forschungen. Hier will ich vor allem ein Bild des Lebens unter den Indianern geben, wie ich es aufgefaßt habe, und überlasse solche Forschungen Sonderaufsätzen in Fachzeitschriften.
Der einzige ältere Verfasser, der die Chorotis erwähnt, ist Pedro Lozano. Er nennt jedoch nur den Namen. Sehr möglich ist es ja, daß sowohl die Chorotis wie die Ashluslays den älteren Verfassern bekannt waren, aber unter anderen Namen als die, die wir kennen.
Die Ashluslays nennen sich selbst so. Die Chorotis nennen sie Ashli, die Matacos Sówua oder Sówuash, die Tapietes sagen Etéhua, die Tobas Sotegaraik. Die Weißen sagen in der Regel Tapiete und verwechseln sie mit einem hier unten näher geschilderten Stamm. Die Chorotis nennen sich selbst Yóshuahá, welcher Name natürlich angewendet werden sollte. Sie kennen jedoch jetzt alle ihren Chiriguana-Namen Choroti, den die Weißen in Chorote verspanischt haben. Die Matacos nennen die Chorotis Mánuk oder Má-niuk.
Sprachlich gehören die Ashluslays und Chorotis mehr zusammen mit den Matacos. Ich bringe hier einen kurzen Auszug aus dem bei ihnen gesammelten Wörterverzeichnis, damit der Leser etwas von ihrer Sprache sieht.
Choroti
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Ashluslay
|
|
Auge
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táte
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tósse (ss mit Zischlaut)
|
Zahn
|
(n)kiente
|
seuté
|
[S. 29]
Bart
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(n)pótsi
|
posé
|
Ohr
|
(n)kioté
|
(dein) akféi, (mein) ikféi
|
Zunge
|
pálnat
|
cháclitj
|
Nase
|
natóve
|
anās, inās
|
Sonne
|
kíle
|
fincóclay
|
Mond
|
huéla
|
huéla
|
Stern
|
catés
|
catīs
|
Feuer
|
húat (éti)
|
itósh
|
Wasser
|
inyat
|
ināt
|
Erde
|
áshnate
|
cotjāt
|
Gut
|
és
|
is
|
Schlecht
|
häes
|
|
Weit
|
tóshhue
|
tójke
|
Nahe
|
hätóshhue
|
cháshle
|
Fisch
|
siúsh
|
sájetj
|
Hund
|
aléna
|
núu
|
Hündin
|
alénaséshni
|
núuasésna
|
Salz
|
chuhóne
|
sifóni
|
Tabak
|
shushú
|
finóc
|
Mais
|
péāta
|
láutsitj
|
Mutter
|
téte, máma
|
mimé
|
Tochter
|
yóse
|
yósi
|
Haus
|
huéte
|
huéte
|
Er, du
|
náca, téla
|
|
Ich
|
yá (m)
|
|
Nein
|
hä
|
am
|
Gibt’s nicht
|
náhipa
|
ámpa
|
Ja (Antwort)
|
häe, téy
|
létj, hé
|
Weib
|
aséshnia
|
asésna
|
Gattin
|
tsémbla
|
chácfä
|
Morgen
|
káshlomata
|
slúmasi
|
Weg
|
náyi
|
náiss
|
Tabakpfeife
|
kiti
|
finkoshi
|
Rio Pilcomayo
|
téuk, tehuóc
|
téhuoc
|
[S. 30]
Für Gegenstände, die diese Indianer von den Weißen erhalten oder die Weißen haben anwenden sehen, bilden sie eigene Worte und lernen gewöhnlich nicht die spanischen Namen, z. B.:
Choroti
Bleistift = bésnike.
Brille = ukíne.
Revolver = sēta.
Notizbuch = ésenik.
Stiefel = sāti.
Uhr (für die Sonne) = kílekíe.
Die Aussprache der Chorotisprache schien mir nicht besonders schwer, die Ashluslay sprechen aber verschiedene Worte so, daß man, um sie nachzuahmen, eine gewisse Zungenakrobatik anwenden muß. Besonders schwer wiederzugeben sind einige Kehl- und Zischlaute.
Zahlwörter. Ashluslay.
1 = huéshla.
2 = näpú.
3 = pú-shana.
4 = it-chat-cúch (schwieriger Halslaut).
5 = hué-shla-no-étj.
6 = hué-shla-yāma.
7 = näpú-
8 = púshana-
9 = it-chat-cúch-yāma.
10 = yāma képäa.
Ich teile auch hier einige gewöhnliche Ausdrücke aus der Chorotisprache mit.
Ich will nicht = hähua.
Dieses ist mein Vater = náca sínia.
Ich will = sikéyi.
Willst du? = makéyi.
Er will = náca kéyi. Auch náca símehe.
Ich bin hier = yámpo.
[S. 31]
Er ist hier = nácapo.
Wir sind hier = póyata.
Er will nicht = náca hä símehe.
Ich habe gesehen = íwuin.
Ich habe nicht gesehen = häwuin.
Hast du gesehen = máhuenea.
Warten = hatéma.
Viele Frauen = aséshnialo.
Weicher Mais = peáta-hä-tóc.
Harter Mais = peáta-tóc.
Mit Bart = pótsipu.
Gehen wir = ná.
Ich gehe = yápe.
Gehst du = malápe.
Wirst du gehen = maáki.
Ich bin gegangen = hihóyi.
Ich bin nicht gegangen = hähóyi.
Ich gehe nicht = häeyic.
Er ist gegangen = nácaya.
[3] G. Friederici: Skalpieren und ähnliche Kriegsgebräuche in Südamerika. Braunschweig 1906.
[4] Ehrenreich (30–31) nimmt ebenfalls an, daß große Pampasbrände zur Entstehung solcher „Sintbrandmythen“ beigetragen haben. „Die Mythen und Legenden der südamerikanischen Urvölker“. Berlin 1905. Suppl. Zeitschr. für Ethn. Eine dieser ähnliche Sage ist von den Arowaken in Guyana und von Yuracáre bekannt.
[5] Prosopis alba.
[6] Acacia aroma.
[7] Gourliea decortitans.
[8] Canis jubatus.
[9] Eric v. Rosen hat eine ausgezeichnete Photographie eines Chorotis mit einer Narbe von einem solchen Fisch veröffentlicht. The Chorotes Indians in the Bolivian Chaco. Stockholm 1904. Bild VI.
[10] Serrosalmo sp.
[11] Caraguatá = Bromelia Serra.
[12] Dieser Brauch scheint mir eine gewisse Ähnlichkeit mit den von älteren Verfassern beschriebenen Begrüßungszeremonien zu haben. Vgl. Friederici: Der Tränengruß der Indianer. Globus Bd. LXXXIX. Nr. 2.
[13] Herrmann: Die ethnographischen Ergebnisse der deutschen Pilcomayo-Expedition. Zeitschr. für Ethn. 1908.
[14] Eric von Rosen: The Chorotes Indians in the Bolivian Chaco. Stockholm 1904.
[15] R. Lehmann-Nitsche: Estudios Antropológicos sobre los Chiriguanos, Chorotes, Matacos y Tobas. Anales del Museo de la Plata. Tomo I. Buenos Aires 1908.
[S. 32]
Wir sind alle Brüder, sagte einmal ein Chorotiindianer zu mir. Im großen gesehen bilden auch die Chorotis und Ashluslays zwei Familien. Sie wohnen in einer bedeutenden Anzahl Dörfer von wechselnder Größe verteilt. Es gibt dort Dörfer mit ganz wenig Familien und Dörfer, wie das des Ashluslayhäuptlings Mayentén, das etwa 1000 Bewohner hatte. Die Dörfer, oder richtiger die Stellen, wo die Dörfer angelegt sind, haben Namen. So hieß ein Chorotidorf vuátsina = Erdratte, ein anderes hópla = Grasblume, ein drittes tónoclel = alte Pfütze, ein viertes asnatelémi = weiße Erde usw.
Die Chorotis und Ashluslays sind nicht vollständig seßhaft. Sie ziehen beständig, wenn auch nicht weit. Als ich z. B. 1909 dieses Land besuchte, fand ich sehr wenige Dörfer an demselben Platze wie 1908. Sie ziehen des Fischfangs, der Algarrobo, ihrer Äcker wegen usw. Während der Trockenzeit ziehen viele Indianer nach dem Rio Pilcomayo, um dort zu fischen. In der Regenzeit ziehen sie sich in das Innere des Landes zurück, wo sie in der Regel ihre Äcker haben. Das ganze Menschenmaterial im Gemeinwesen der Chorotis und Ashluslays ist sehr beweglich. Zuweilen teilen sich die Familien, zuweilen vereinigen sie sich zu großen Gruppen. Die Individuen, besonders die Jugend, ziehen beständig von einem Dorf zum andern. Die Choroti- und Ashluslaydörfer, die ich gesehen habe, lagen teils im Walde, teils auf der Ebene. Einige Chorotidörfer lagen während der Trockenzeit[S. 33] unten am Pilcomayofluß an dem niedrigen, jährlich überschwemmten Ufer. In keinem Chorotidorf waren die Hütten nach einem bestimmten Plane geordnet. In mehreren Ashluslaydörfern waren sie dagegen um eine Art Marktplatz gruppiert, auf welchem die Männer unter Ausschluß der Frauen einen gemeinsamen Sammlungsplatz hatten, der entweder ganz einfach im Schatten eines großen Baumes lag oder durch ein zu diesem Zweck gebautes Sonnendach geschützt war.
Es ist höchst interessant zu sehen, daß wir hier eine sehr primitive Form des von vielen Indianerstämmen bekannten „Männerhauses“ finden, in welchem die Männer sich versammeln, zu welchem die Frauen aber keinen Zutritt haben.
Der Platz für die Dörfer war offenbar überall so gewählt, daß man Fische, wilde Früchte, oder, zur Erntezeit, seine Äcker in der Nähe hatte. Im Innern des nördlichen Chaco ist man bei den Dorfanlagen an die wenigen Tränken gebunden, deshalb sind auch die dortigen Indianer viel seßhafter, als die am Rio Pilcomayo. Dort sind auch die Hütten viel besser gebaut, als an diesem Flusse.
Zwischen den Dörfern führen eine Masse Wege, die sich in der Nähe des Dorfes netzförmig auflösen. Aus diesem Grunde ist es oft schwer, den Pfaden der Indianer zu folgen.
Weder die Chorotis noch die Ashluslays haben einen für den ganzen Stamm gemeinsamen Häuptling. Die meisten Dörfer haben ihre Häuptlinge, aber diese sind unabhängig voneinander. Bei den Ashluslays habe ich Häuptlinge gesehen, die über mehrere Dörfer herrschen. Die Häuptlinge haben je nach ihren persönlichen Eigenschaften Einfluß. Sie sowie ihre Frauen arbeiten genau ebenso wie die anderen Indianer. Sie haben keine Diener; solche sind bei diesen Indianern unbekannt. Der Häuptling hat keinen Ehrenplatz bei den Trinkgelagen, seine Hütte nimmt keinen besonders auserwählten Platz im Dorfe ein.
[S. 34]
Er ist ein Familienvater, den man respektiert, der aber nicht regiert.
Im Krieg nimmt er vielleicht eine leitende Stellung ein, die anderen gehorchen ihm aber nur soweit, wie es ihnen paßt. Kommt ein weißer Mann nach einem Indianerdorf, so wird er von dem Häuptling empfangen, und die Sitte erfordert es, daß er ein Geschenk erhält. Dies scheint mir indessen eine spätere Erfindung der Weißen selbst zu sein. Der Weiße hat zur Unterhandlung im Dorfe eine bestimmte Person nötig gehabt und hat sich darum der Häuptlingsinstitution bedient und sie weiter entwickelt.
Die Häuptlingswürde scheint in der Regel vom Vater auf den Sohn zu gehen. Ist der Sohn beim Tode seines Vaters minderjährig, d. h. nach indianischen Begriffen kein älterer, verheirateter Mann, wird sie interimistisch von einem älteren Verwandten ausgeübt. Sehr oft, besonders nach Kriegen, wo die Männer ihre Tüchtigkeit zeigen können, entstehen neue Häuptlinge.
Unter den Ashluslayhäuptlingen, die ich kennen gelernt habe, sind bemerkenswert Toné, Mayentén, Mocpuké, Aslú, Mentisa und Chilán; unter den Chorotis Attamo aus einer Ashluslayfamilie, Kara-Kara, Éstehua und Tula. Die meisten von ihnen waren Greise, die offenbar in der Hauptsache über Kinder, Enkel, Geschwister und deren Kinder regierten.
Eine große Macht im Dorfe besitzt, wo ein solcher vorhanden ist, der Dolmetscher. Er spricht Spanisch und unterhandelt mit den Weißen. Bei den Chorotis befanden sich mehrere Spanisch sprechende Individuen, bei den Ashluslays keiner.
Einen bedeutenden Einfluß hat auch der Medizinmann. Man bietet ihm viel Essen an, behandelt ihn somit gut. Niemals habe ich gehört, daß ein Medizinmann gleichzeitig Häuptling war.
In den Choroti- und Ashluslaydörfern herrscht kein Klassenunterschied, noch gibt es Reiche oder Arme. Ist der Magen voll, so ist man reich, ist der Magen leer, so ist man[S. 35] arm. Wir sind alle Brüder, dies ist der Grundgedanke im Gesellschaftsbau dieser Menschen. Sie leben in einem beinahe vollständigen Kommunismus. Schenkt man einem Choroti- oder Ashluslayindianer zwei Hemden, so verschenkt er sicher das eine, und vielleicht alle beide. Bekommt ein Indianer Brot, so teilt er es in kleine Stücke, damit es für alle reicht. Ich vergesse niemals einen kleinen Ashluslayknaben, dem ich Zucker gab. Er biß ein Stückchen ab und aß es anscheinend mit Wohlgefallen auf, dann sog er ein bißchen an dem Rest und nahm ihn aus dem Munde, damit die Mutter und die Geschwister auch kosten sollten. Bekommt ein Choroti- oder Ashluslayindianer einen Rock, so trägt er ihn vielleicht einen Tag, am folgenden Tage hat ihn ein anderer usw. Niemals raucht einer dieser Indianer seine Pfeife allein. Sie soll von Mund zu Mund gehen. Oftmals hat mir ein Indianer die Pfeife aus dem Mund genommen, einige Züge getan und sie mir dann wieder zurückgegeben, denn so will es die Sitte dort. Ein Mann, der viele Fische gefangen hat, teilt mit dem, der weniger Glück gehabt hat.
Es wäre indessen ein großer Irrtum, wenn man glaubte, daß in dem Indianerstaat nicht jedes Individuum das besitzt, was es arbeitet und anwendet. Niemals würde es einem Indianer einfallen, den Besitz eines anderen auszutauschen. Ein Mann würde niemals etwas, was seiner Frau oder seinem kleinen Kinde gehört, weggeben, ohne sie zu fragen. Jede Sache hat ihren Besitzer, da der Besitzer aber mildtätig ist und alle aus seinem Stamme als Brüder betrachtet, so teilt er freigebig mit den anderen. Die Tiere haben Besitzmarken. So sind die Schafe, um den Besitzer zu kennzeichnen, an den Ohren auf verschiedene Weise geschoren. Wird jedoch ein Schaf geschlachtet, so wird das Fleisch an alle verteilt. Bei den Ashluslays haben die gewebten Mäntel Zeichen, die den Besitzer angeben. Einige solche Besitzmarken sind hier abgebildet (Abb. 4). Da sie eine Art Namenszeichnung sind, sind sie höchst interessant. Möglicherweise haben indessen die Indianer die Idee hierzu von den Zeichen, mit welchen[S. 36] die Weißen ihr Vieh stempeln, erhalten. Zahlreiche, von den Weißen gestohlene Pferde mit solchen Zeichen habe ich nämlich bei den Ashluslays gesehen.
Die Mäntel sind, wie erwähnt, gezeichnet, trotzdem will derjenige, der einen großen guten Mantel besitzt, nicht allein unter demselben schlafen. In den Ashluslaydörfern pflegten ein paar Indianer oft des Nachts in meinem Bett zu schlafen, offenbar in dem Gedanken: „Du Weißer hast so große Decken, daß sie für mehrere als dich reichen.“
Diese meine Indianerfreunde hätten sehen sollen, wie es bei uns zu Hause zugeht, wie der eine in einem prachtvollen Bett schläft und der andere friert. Die Weißen sind ja auch nicht Brüder. — Gütergemeinschaft herrscht bei diesen Indianern nicht, aber zufolge der großen Mildtätigkeit versucht keiner, sich auf Kosten des anderen einen Vorteil zu verschaffen, sondern teilt freigebig mit allen, was er hat. An dem einen Tage schenkt er, an dem anderen nimmt er Geschenke entgegen.
Das Land hat keinen Besitzer, die Äcker gehören dem, der sie bebaut. Land ist genug vorhanden, und es ist Raum da für alle. Sollte die Bevölkerung so groß werden, daß Mangel an anbaubarem Land eintritt, so würde es wohl auch mit dem gemeinsamen Besitzrecht aus sein.
Man sollte meinen, daß in einem Gemeinwesen, wie dem dieser Indianer, eine gewisse Gesetzlosigkeit herrscht. Diebstahl ist unbekannt, d. h. Diebstahl von den eigenen Mitgliedern des Stammes, denn es herrscht dort ein so großes Gemeingefühl, daß niemand zu stehlen braucht. Ich glaube auch nicht, daß die Indianer sich gegenseitig belügen. Dem[S. 37] Weißen lügt man etwas vor, man sagt ihm ganz einfach, was man für nützlich für den Stamm hält. Man betrügt ihn, wenn es paßt, man sagt ihm die Wahrheit, wenn es nicht schaden kann. Ertappt man einen Indianer auf einer Unwahrheit, so betrachtet er es ungefähr so, wie ein Weißer die Entdeckung eines Aprilscherzes. Er lacht und findet es[S. 38] amüsant. Wird man ärgerlich, so hält er den Betreffenden offenbar für dumm.
Der Mord beschränkt sich auf den Kinder- und Elternmord, dies ist aber vom indianischen Standpunkt kein Verbrechen. Das klingt ja schrecklich. Die Indianerin betrachtet es als ihr Recht, die Leibesfrucht abzutreiben und ihr Neugeborenes zu töten, wenn sie will. Sie glaubt offenbar ein Recht an dem Leben zu haben, das sie gegeben. Die Abtreibung der Leibesfrucht geschieht durch mechanische Behandlung in weit vorgeschrittenem Stadium[16] und kommt somit, wenigstens bei den Chorotis, immer in den Fällen vor, wo unverheiratete Frauen schwanger werden. Die neugeborenen Kinder werden getötet, wenn die Mutter von dem Vater verlassen wird, und immer, wenn sie mißgestaltet sind. Ich kenne mehrere solche Kindesmörderinnen, die liebe und gutherzige Mädchen sind. Ein solches ist z. B. Ashlisi, ein Mädchen, das einige lustige Zeichnungen, von denen zwei weiterhin wiedergegeben sind, für mich gemacht hat. Unserer Ansicht nach sollte ein solches Verbrechen eine Frau verrohen. Das ist ein vollständiger Irrtum, denn das Verbrechen verroht erst, wenn es Verachtung seitens der Umgebung verursacht.
Wenn ein Indianer seine alte blinde Mutter oder seinen verkrüppelten Vater tötet, so befreit er sie selbst von einem Leben, das ihnen eine Last ist, und sich selbst von einer Extramühe im Kampfe ums Dasein. Daß sie dieselben zuweilen lebend verbrennen, wie mein Dolmetscher Flores es einmal bei einer alten Frau seitens der Chorotis gesehen hat, erscheint uns natürlich grausam. Möglicherweise haben sie indessen die Alten im Verdacht der Hexerei gehabt. Die sittliche Freiheit ist, wie ich hier unten schildern werde, sehr groß. Untreue und Eifersucht werden durch Schlägereien zwischen den Frauen geordnet. Ein grobes Verbrechen[S. 39] ist auch das Verhexen. Leider weiß ich nicht, wie es bestraft wird.
Im Verhältnis zu anderen besser organisierten Stämmen sind solche Gemeinwesen, wie es die Choroti- und Ashluslayindianer bilden, äußerst schwach. Die beste Gelegenheit, dies zu beobachten, hatte ich während meines Aufenthaltes bei den letzteren. Diese waren, wie erwähnt, in einen Krieg mit den Tobas verwickelt, welche unter Leitung des energischen Häuptlings Taycolique mehrere Überfälle in deren Gebiet machten. Infolge der Machtlosigkeit der Häuptlinge und der geringen Eintracht vermochten sie nicht, sich zu einer gemeinsamen Verteidigung gegen den Feind zu organisieren. Die verschiedenen Dörfer vereinigten sich nicht, sondern jedes tat, was es für gut hielt. Das anarchistische Gemeinwesen hat keine Abwehrkraft. Erwartete man einen Tobaanfall, so eilten viele Männer von verschiedenen Seiten herbei, um den Kampf aufzunehmen, da es aber an jeder Organisation fehlte, fanden sich immer nur ein Teil der Krieger ein. Die meisten blieben, um ihre eigene Person besorgt, aus.
Es fehlte ein Mann, der zu befehlen und sich Gehorsam zu schaffen verstand.
Sowohl bei den Chorotis wie bei den Ashluslays finden wir die von Photographien und Reiseschilderungen bekannte runde oder ovale Chacohütte. Sie ist, je nach der Jahreszeit, mehr oder weniger sorgfältig gebaut und etwa zwei bis vier Meter im Durchschnitt. Zum Schutz gegen die kalten, südlichen Winterwinde sind die in der Ebene liegenden Hütten besser gebaut als die im Walde. Oft sind mehrere Hütten so zusammengebaut, daß sie aus mehreren Räumen mit mindestens einem für jede Familie bestehen. Die Hütten sind aus Zweigen verfertigt, die in die Erde gesteckt, in der Mitte zusammengebogen und mit Gras bedeckt sind. Ein Bindematerial fehlt vollständig. Keine Hütte ist mit Erde oder Lehm bedeckt.[S. 40] Der Eingang, der, falls die Hütte in der Ebene liegt, aus einem kleinen schiefen Gang besteht (Abb. 2), ist nicht nach einer gewissen Himmelsrichtung, sondern meistens nach dem Dorfe zu gerichtet. Viele Hütten haben mehrere Eingänge. Einige sind so schlecht gebaut, daß man ungefähr überall hineinkommen kann. Bei den Ashluslays habe ich über drei Meter hohe wohlgebaute Hütten gesehen. Gewöhnlich ist die Hütte jedoch inwendig nicht ganz zwei Meter und der Eingang ungefähr ein Meter hoch.
Bei diesen Indianern findet sich auch ein viereckiger Hüttentypus, und zwar die Kochhütten (Abb. 6). Diese haben platte, mit Gras bedeckte Dächer und dienen zum Kochen und Wohnen am Tage und in warmen Nächten. Auf ihren Dächern pflegt man Fische zu trocknen. In einigen Ashluslaydörfern sah ich mehrere solche unregelmäßig zusammengebaute Kochhütten mitten auf dem offenen Platze des Dorfes. Diese Gebäude, die hier eine ungewöhnliche Größe haben, werden während der Trinkfeste als Sonnenzelte angewendet.
Die Frauen suchen das Material zum Hausbau zusammen und bauen auch die Hütten.
Es ist wirklich merkwürdig, daß Volksstämme, die z. B. in der Webetechnik so weit wie diese Indianer gekommen sind, die Ackerbau und Viehzucht haben, sich mit so elenden Hütten begnügen. In regnerischen Nächten habe ich in ihnen Schutz gesucht und genau gesehen, wie die Indianer dort leben. Gießt es ordentlich, so regnet es überall hinein und Menschen und Sachen werden naß. In diesen kleinen Hütten, wo oft mehrere Familien zusammenwohnen, ist der Raum[S. 41] sehr beschränkt, und wenn in einer solchen Regennacht alle zu Hause sind, kann nicht jeder ausgestreckt liegen. Ich selbst habe geringe Bequemlichkeitsbedürfnisse, ich bin aber doch kein Freund davon, daß eine Person quer über meinen Beinen liegt oder daß ein mit Läusen behafteter Kopf auf meinem Kopfkissen Platz zu bekommen sucht.
Das Bett dieser Indianer ist während ihres ganzen Lebens ein Fell, oder bei den Ashluslays zuweilen eine Schilfmatte als Matratze, ein Holzklotz als Kopfkissen und, wenn es kalt ist, ein Fell- oder Schafwollmantel als Decke.
Ist es warm, so liegen sowohl Männer als Frauen vollständig nackt, und man sieht manches, was wir zivilisierten Menschen für unanständig halten. In der Regel liegen mehrere unter derselben Decke, und zwar nicht allein Männer, Frauen und Kinder, sondern auch mehrere Männer. Diese Sitte ist bei den Indianern so eingewurzelt, daß nur solche Decken unter meinen Tauschwaren gebilligt wurden, die zu einem zweischläfrigen Bett reichten.
Außer für die Menschen soll in jeder Hütte auch für eine Menge Hunde, Katzen, junge Strauße usw. Platz sein. Sie gehören zur Familie.
Ist es kalt und regnerisch, so ist die Feuerstätte in der Hütte, sonst kocht man in der Regel am liebsten außerhalb des Hauses. Das Feuer wird stets in Brand erhalten. Macht man eine kleine Reise, so nimmt man Feuer (einen Feuerbrand) mit. Nur auf längeren Wanderungen benutzt man das bekannte Feuerzeug, hölzerne Reibstäbchen.[17] Man bohrt in einem Stab von etwas weicherem Holz mit einer stärkeren Holzart so lange, bis durch die Reibung glühender Holzstaub entsteht. Dieses Feuerzeug ist jetzt im Verschwinden und wird durch Feuerstein, Stahl und Zunder (hier Caraguatábast) sowie durch Streichhölzer, leider nicht schwedischen, sondern italienischen Fabrikats, ersetzt.
Jeder Indianer besitzt nicht mehr, als die ganze Familie[S. 42] forttragen kann. Das meiste davon hängt in den Hütten unter dem Dache oder ist in die Wände hineingestochen. Hängebretter oder Klammern sieht man hier nicht. Jedes Individuum bewahrt seine Habseligkeiten allein, meistens in großen Taschen aus Caraguatá oder Fell, auf. Meine Lieblingsbeschäftigung war, in diesen Beuteln herumzuwühlen. In ihnen befinden sich wild durcheinander Geräte, Schmucksachen, Heilmittel, Samen, Schmutz und Insekten.
Jedes Individuum hat, wie gesagt, seine eigenen Beutel. Eine Frau verwahrt ihre Sachen getrennt von denen ihres Mannes. Ein Kind hat ebenfalls sein kleines Beutelchen.
Die für die Saat aufgehobenen Samen werden in mit Wachs verklebten Töpfen aufbewahrt. Am Dache hängen oft Tabak und getrocknete Früchte. In besonderen Schuppen werden größere Mengen dieser Konserven verwahrt.
Die Dörfer werden durch bissige, aber feige Hunde bewacht, die anschlagen, wenn ein Fremder sich dem Dorfe nähert. Sie teilen die Abneigung des Indianers gegen den weißen Mann.
Besucht man eine Chorotihütte, so wird einem in der Regel ein Holzklotz zum Sitzen angeboten. Bei den Ashluslays erhält man dagegen ein Fell oder eine Schilfmatte.
Die Arbeit beginnt in diesen Indianerdörfern in den allerfrühesten Morgenstunden. Die Frauen beginnen mit ihrer Wirtschaft, gehen aus, um Früchte zu sammeln oder nehmen sich eine andere Arbeit vor, die Männer schneiden ihre Werkzeuge, gehen auf die Jagd oder schlafen ganz einfach. Erst wenn es warm ist, begeben sie sich zum Fischfang. Ist es sehr kalt, so bleibt man am liebsten in der warmen Hütte, bis die Sonne richtig aufgegangen ist. Am Vormittag sind die meisten Indianer und Indianerinnen aus, um Nahrungsmittel für die Küche zu sammeln. Gegen Mittag kommt man mit dem Gesammelten oder Gefischten nach Hause. Hat man Glück gehabt, kommen z. B. die Fischer mit reicher Beute nach Hause, so herrscht in den Dörfern Freude. Die Kinder versammeln sich am Tage auf den Spielplätzen und vergnügen[S. 43] sich nach Herzenslust oder begleiten die Eltern zu ihrer Arbeit. Gegen Abend versammelt man sich wieder um das schöne, wärmende Lagerfeuer, die Tagesereignisse werden erzählt, die Pläne für den nächsten Tag entworfen. Am meisten spricht man vom Essen. Am Abend begibt sich die Jugend nach den Tanzplätzen. Während der Nacht ist es in diesen Choroti- und Ashluslaydörfern beinahe niemals richtig still. Dort wird gesungen, in Freude und Leid, dort wird gekocht, dort wird geschwatzt, dort hat die Jugend Rendezvous und dort wird gekichert und gelacht.
Diese Indianer schlafen des Nachts keine sieben bis acht Stunden ununterbrochen. Sie schlafen ein paar Stunden, essen und plaudern ein Weilchen, schlafen wieder, essen noch einmal usw. In der Regel schlafen sie viel mehr am Tage als wir. Der weiße Mann, der in einem solchen Indianerdorf lebt, lernt bald das System, zu schlafen, wenn es ihm am besten paßt.
Im Indianerhause ist der Raum beschränkt, aber es herrscht dort große Eintracht. Niemals hört man jemand schimpfen, niemals versucht der eine, sich auf Kosten des anderen Vorteile zu verschaffen. Schlagen zwei Weiße ein Lager auf, und es ist nur ein guter Liegeplatz da, so zanken sie sich, wer den Platz haben soll. Liegt ein Haufe Indianer in einer engen Hütte, so teilen sie mit Gleichmut den knappen Raum. Sie sind ja alle Brüder und Schwestern. Diese „Wilden“ verstehen, daß man sich selbst in Kleinigkeiten nicht auf Kosten des anderen bereichern darf.
[16] Nach Corrado, S. 539, treiben auch die den Chorotis nahestehenden Matacos die Leibesfrucht durch mechanische Behandlung, Schläge auf den Bauch, ab. El Colegio Franciscano de Tarija. Quaracchi 1884.
[17] Vergl. v. Rosen l. c. Taf. XIII.
[S. 44]
Die Lebensbedingungen, unter denen die Indianer am Rio Pilcomayo leben, sind, wenn wir von den Chiriguanos absehen, im großen ganzen für alle dortwohnenden Stämme dieselben. Einige Unterschiede sind indessen vorhanden.
Die Chorotis und Ashluslays leben vom Fischfang, Sammeln[S. 45] wilder Früchte und Honig, Ackerbau sowie von der Jagd und der Viehzucht.
Aus der folgenden Tabelle sehen wir, welches die Hauptnahrung der ersteren in den verschiedenen Monaten des Jahres ist.
Januar
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Landwirtschaftliche Erzeugnisse.
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Februar
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März
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April
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Mai
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Fische.
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Juni
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Früchte der Tusca und Tasi.
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Juli
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August, September: getrocknete, konservierte Früchte,
Ratten.
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Oktober: Früchte des Chañar
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Gelegenheits-
fischerei. |
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November
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Früchte der Algarrobo
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Früchte der
Mistol[18] |
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Dezember
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Feldfrüchte.
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[S. 46]
Im Mai, Juni und November leben die Chorotis im Überfluß. Da schwellen die Magen an. Im August und September ist die Zeit der Not.
Die Ashluslays beginnen schon im November zu ernten. Sie leiden wahrscheinlich seltener Mangel als die Chorotis.
Alle Pilcomayoindianer sind eifrige Jäger, und nur die weitab vom Flusse wohnenden Indianer beteiligen sich nicht am Fischfang. Die Fischgeräte bestehen bei den Chorotis ausschließlich aus Netzen. Die Ashluslays wenden auch eine Art Körbe an. Von Netzen haben sie zwei verschiedene Typen, die wir hier beide angewendet sehen.
Das bei den meisten südamerikanischen Indianern so gewöhnliche Schießen der Fische mit Pfeil und Bogen habe ich bei den Chorotis und Ashluslays niemals gesehen.[19] Angelfischerei ist, wo sie nicht von den Weißen eingeführt ist, unbekannt.
Die Ausrüstung der Fischer besteht außer den Netzen aus einer Keule, mit welcher die Fische getötet werden, und einer Holznadel (Abb. 9) mit einer Schnur, auf welche die Fische aufgezogen werden. Die Nadel wird durch die Augen der Fische gezogen und die Schnur mit den gefangenen Fischen so um den Leib gebunden, daß sie hinten wie ein Schwanz herabhängen.
Eine Fischfahrt mit den Indianern gehört zu den größten Vergnügungen, die man am Rio Pilcomayo zu bieten hat. Sobald die Sonne zu wärmen beginnt, wandern die Indianer, Männer und Knaben, mit ihren Netzen nach dem Flusse. Die[S. 47] Frauen bleiben zu Hause oder suchen wilde Früchte. Die alten Männer tragen in der Regel die Sperrnetze, die jungen die Tauchnetze. Ist man zu dem Flusse, wo man fischen will, gekommen, so werden Mäntel, Schmucksachen und Caraguatátaschen abgelegt. Man fischt nackt oder nur mit einem Ledergürtel bekleidet.
Eine Anzahl Indianer bildet mit ihren Sperrnetzen eine Kette über den Fluß (Abb. 8). Die übrigen Indianer treiben die Fische dann nach dieser Kette, während sie selbst mit ihren Tauchnetzen fischen (Abb. 3).
Bei der Fischerei geht es lebhaft zu, denn das ist keine Arbeit, sondern ein Vergnügen. Dort taucht einer mit dem Netz, um nach einem Augenblick mit einem großen Fisch an die Oberfläche zu kommen; er schlägt ihn mit der Keule tot und bindet ihn dann mit der Holznadel um den Leib fest. Hier sieht man ein paar Füße verschwinden, dort sieht man mehrere, die unter Schreien und Lachen in einer Bucht des Flusses mit stillstehendem Wasser, in welchem die Fische sich sammeln, umeinander tauchen.
Auf diesen Fischfahrten hat man so recht Gelegenheit, zu sehen, wie schön diese Indianer gewachsen sind. Man sieht keinen, der korpulent ist, keinen, der einen übertrieben großen Magen hat. Alle sind wohlgebaut.
Hat der Fischfang müde gemacht, so läßt man sich am Ufer nieder, ruht aus und ißt einen Teil des Fanges auf. Den Rest trägt man zu Frau und Kindern ins Dorf. Fängt man nur wenig Fische, so besitzt man soviel Ehrgefühl, daß man nicht selbst alles aufißt.
[S. 48]
Die Chorotis und Ashluslays fischen ohne Kanoes. Sie haben keine Fahrzeuge. Schwimmend und tauchend wie die Ottern verfolgen sie ihre Beute.
Nach dem italienischen Forschungsreisenden Boggiani[20] haben dagegen die den Ashluslays und Chorotis kulturell nahestehenden Lenguas im paraguayischen Chaco viele Kanoes. Gleich den Chorotis und Ashluslays haben weder die Tobas noch die Matacos oder Chiriguanos am oberen Pilcomayo Boote. Mutmaßlich haben aber die Chorotis und Ashluslays früher Kanoes gehabt. Dafür spricht die stark paddelähnliche Form ihrer Spaten (Abb. 10). Diese sind vielleicht früher als Paddelblätter wie als Spaten angewendet worden.
Herrscht Mangel an Fischen, so sperren die Indianer den Fluß. Eine solche Sperre ist hier abgebildet (Abb. 11). Auf dem Gestell, auf welchem ein alter Choroti mit seinem Netz sitzt, pflegen die Indianer Feuer zu haben, um sich zu wärmen und um Fische zu braten. Damit das Holzgestell nicht brennt, wird es durch Schlamm vom Feuer isoliert.
Eine andere unter diesen Indianern unbekannte, sonst aber von vielen Indianerstämmen bekannte Fischereimethode ist die Vergiftung des Wassers durch gewisse Pflanzen. Dagegen pflegt man große Quaste einer feinblätterigen Schlingpflanze, von den Chorotis „Nécac“ genannt, ins Wasser zu werfen, die von den Fischen gefressen werden und um die sie sich sammeln. Gewöhnlich setzt man in der trockenen Zeit Laubbüschel im Flusse auf, unter denen die Fische Schatten suchen und leicht mit dem Netz gefangen werden können. Aller eben von mir erwähnter Fischfang wird ausschließlich von den Männern betrieben.
Bei den Ashluslays fischen die Frauen mit Körben. Mit diesen in der Hand schleichen sie den im Schlamme der Sümpfe lebenden langsamen Panzersiluroiden nach und stülpen sie schnell über die Fische. Haben sie einen Fisch[S. 49] gefangen, so holen sie ihn mit der Hand durch die obere Öffnung des Korbes heraus.
Von der größten Bedeutung für die Chacoindianer ist das Einsammeln von wilden Früchten. Der Chaco ist, wie schon erwähnt, außerordentlich reich an solchen, und einige, wie der Tusca, Chañar und Algarrobo, kommen in so großer Menge vor, daß sie tausende Menschen ernähren können.
Jeden Morgen sieht man die Frauen in den Dörfern aufs Feld und in den Wald gehen, um alles Eßbare zu sammeln. Sie haben gewaltige Caraguatátaschen, in denen sie Früchte und Wurzeln sammeln, sowie Stöcke zum Ausgraben von[S. 50] Wurzeln und lange Haken zum Herunterholen von hoch in den Bäumen sitzenden Früchten mit. Den Mann sieht man höchst selten Früchte sammeln. Er tut dies nur, um der Frau ein wenig zu helfen. Außer Früchten werden verschiedene Blätter, Wurzeln, Wurzelstöcke der Caraguatá usw. gegessen. Zum Herausgraben dieser letzteren bedient man sich eigentümlicher Stöcke und Holzsägen.
Die wilden Früchte gehören keinem. Ein Indianer unternimmt jedoch keine Streifzüge in das Gebiet eines fremden Stammes, um Früchte zu sammeln.
Staunenerregend ist es, wie genau diese Indianer alle Pflanzen der Wälder und Felder kennen. Ein weißer Mann, der längere Zeit bei den Tobas als Gefangener lebte, hat mir erzählt, daß einmal schreckliche Not herrschte. Man versuchte da, alle möglichen und unmöglichen Zweige, Wurzeln und Blätter zu kochen, um darunter etwas zum Essen Taugliches zu finden.
[S. 51]
Sicherlich ist der Mensch in solchen Zeiten der Not auf den Gedanken gekommen, sich durch Kochen und Auspressen des Saftes eine so giftige Pflanze wie die Mandioca nutzbar zu machen. Herrmann[21] berichtet, wie die Ashluslays es verstehen, eine von den Chiriguanos „Ihuahuasu“ genannte giftige Frucht durch Kochen eßbar zu machen.
Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die Botaniker keine der wichtigsten Kulturpflanzen dem Menschen gegeben haben. Alle waren schon von den Naturvölkern gekannt.
Die Ashluslays wie die Chorotis haben viele, wenn auch nicht große Pflanzungen und leben mehrere Monate jährlich von den Erzeugnissen dieser. Man kann gleichwohl mehrere Choroti- und Ashluslaydörfer besuchen, ohne eine einzige Pflanzung zu sehen, da diese weder in der Nähe der Dörfer noch der Flüsse liegen.[22]
Die Pflanzungen sind mangelhaft oder gar nicht umzäunt. Sie sind oft, aber nicht immer, schlecht gejätet. Bei den Ashluslays habe ich gut gejätete Pflanzungen mit Mandioca gesehen.
Besonders charakteristisch für den Feldbau dieser Völker ist, daß sie niemals zusammenhängende Strecken bebauen, sondern einen Fleck hier, einen Fleck da, je nachdem sie ein passendes, leicht zu rodendes Stück finden.
Folgende Pflanzen werden von den Ashluslays und Chorotis angebaut:
Mais (in zahlreichen Varietäten).
Mandioca.
Zapallo (Cucurbita Pepo, Linn.).
Wassermelonen.
Tabak.
[S. 52]
Baumwolle (nur Ashluslays).
Bohnen (in verschiedenen Varietäten).
Kalebaßfrucht.
Süße Kartoffeln (nur Chorotis).
Die Chorotis und Ashluslays wenden zum Jäten ihrer Pflanzungen Spaten (Abb. 10) aus hartem Holze an. Diese Spaten haben, wie erwähnt, eine eigentümlich paddelähnliche Form. Sie bestehen in der Regel aus einem Stück. Bisweilen ist das Blatt an den Stiel gebunden. Die Männer reinigen die Pflanzungen, beide Geschlechter säen und ernten gemeinsam. Die Feldfrüchte werden aber stets von den Frauen und Kindern nach Hause gebracht, falls sie nicht auf dem Pferde oder Eselsrücken dorthin getragen werden. Die Saatzeit nimmt nach dem Erscheinen der Plejaden ihren Anfang. Die Jahreszeit wird auch nach der Reife der Algarrobofrucht und anderer wilder Früchte berechnet. Kleinere Perioden werden nach dem Mond bestimmt.
Die wichtigste der hier angebauten Pflanzen ist der Mais. Von den bemerkenswertesten hier anbaubaren Kulturpflanzen sind die Bananen unbekannt.
Das umsichtigere schwächere Geschlecht bewahrt die Samen bis zur Neusaat auf. In Zeiten der Not kann es mit ganz großen Schwierigkeiten verbunden sein, die Aussaat vor den hungrigen Mägen zu verbergen.
Die Jagd spielt bei den am Flusse wohnenden Indianern eine unbedeutende Rolle. Die vom Rio Pilcomayo entfernt wohnenden Ashluslays sind dagegen eifrige Jäger, was man aus dem Reichtum an Fellen und Knochen wilder Tiere in den Hütten erkennen kann.
Die zur Jagd angewendeten Waffen sind vor allem Pfeil und Bogen. Was würde wohl ein Indianer aus dem nordöstlichen Bolivia, z. B. ein Yuracáre oder Gúarayú sagen, wenn er die Pfeile und Bogen der Chacoindianer sähe, wenn er sehen würde, wie schlecht sie gearbeitet sind, und daß in der Regel die Steuerfedern fehlen. Er würde sie sicher auslachen. Falls er sie zu einem Preisschießen aufforderte, würde er natürlich sofort über die Chorotis siegen. Er würde sich aber[S. 53] wundern, mit welcher Fertigkeit und Sicherheit die Ashluslays mit diesen häßlichen Pfeilen schießen. Auch im Chaco gibt es Pfeile mit stumpfer Spitze zum Vogelschießen. Diese Spitzen sind nicht, wie einige Verfasser behaupten, rund, damit die Vögel getötet werden, ohne die Federn blutig zu machen, da sie hier niemals für Vögel, deren Federn man anwenden will, benutzt werden. Die Pfeile haben nur deshalb klumpige, stumpfe Spitzen, damit sie nicht in den Zweigen der Bäume sitzen bleiben und somit verloren gehen. Schießt man einen Vogel mit einem spitzen Pfeil, so geht er leicht in einen Zweig und bleibt hängen, und es kann schwer und mühselig sein, ihn herunterzubekommen. Der Indianer sucht nämlich immer, wenn er kann, die Pfeile wiederzufinden, die ihr Ziel verfehlt haben.
Bei der Wildschweinjagd werden die Schweine durch die Hunde gestellt und dann durch Keulen getötet. Die Ashluslays wenden zur Vogeljagd gewöhnlich Tonkugelbogen an. Bei den Chorotis habe ich sie nur als Kinderspielzeug gesehen. Auch Schleudern haben diese Indianer. Ich habe jedoch niemals ihre Anwendung auf der Jagd gesehen.
Die Chacoindianer sind nicht so eifrige Jäger, wie die meisten mir von Nordost-Bolivia bekannten Indianer. Moberg hat sich wenigstens oftmals über das mangelnde Interesse der Chorotis für die Jagd geärgert, da es ihm sehr schwer fiel, Gesellschaft zu finden, wenn er jagen wollte.
Ein richtiger Jäger schmückt sich niemals mit fremden Federn. Trägt ein Indianer, der ein wirklicher Jäger ist, Zähne oder leuchtende Federn, so stolziert er mit seinen eigenen Jagdtrophäen. Ein Choroti schmückt sich ebensogern mit einer gefundenen Feder oder mit den Federn eines Vogels, den ein anderer erlegt hat. Hatten wir beispielsweise einen Storch geschossen, so teilten die Indianer die Federn unter sich, so daß jeder ein paar bekam.
Verschiedene Amulette werden von den Ashluslays auf der Jagd angewendet. Hat man in der stets unentbehrlichen Caraguatátasche den Kopf einer Schildkröte, so kann man die[S. 54] Rehböcke anschleichen, ohne daß sie davonspringen. Bei der Straußenjagd ist es gut, Hautstücke von der Brust von Straußen, die man getötet hat, mitzunehmen. Sehr gewöhnlich ist es, an geeigneten Stellen, wie Tränken, Plätze wo die Strauße weiden usw., Jagdhütten zu bauen. Man versteht auch die Anwendung von Schlingen.
Die Männer sammeln Honig und Wachs. Den letzteren wenden die Indianer für ihre Pfeile, zu Pfropfen, in Tongefäßen, zu allerlei Reparaturen usw. an.
Um beim Finden der Bienennester besseres Glück zu haben, stechen sich die Ashluslays mit einem hölzernen Pfriemen über die Augen, bis das Blut fließt. Das Aderlassen ist übrigens sehr gewöhnlich. In der Tasche eines jeden Choroti- und Ashluslayindianers befinden sich eine ganze Menge knöcherner Pfrieme, mit denen er sich sticht, wenn er müde ist. Viele Indianer und auch Indianerinnen sind an Armen und Beinen ganz mit Krusten bedeckt, so viel haben sie sich gestochen. Nach einer anstrengenden Fisch- oder Jagdtour u. dgl. sieht man nicht selten Indianer, die sich wütend in Arme und Beine stechen, so daß das Blut strömt.
Die Leiden eines angeschossenen Tieres versteht ein Indianer nicht zu würdigen. Niemand gibt ihm den Gnadenstoß, soweit dies nicht nötig ist, damit es nicht entspringt.
Wir Weißen brauchen uns darum nicht über die grausamen Indianer zu überheben, wir lassen mißgebildete Kinder leben und sich quälen, wir essen ruhig im Überfluß, während die Mitmenschen in unserem eigenen Staat hungern. Das tun dagegen diese Indianer niemals.
Von Insekten wenden die Chorotis und Ashluslays nur eine große Käferlarve, die sie rösten, als Nahrung an. Erst wenn Not am Mann ist, ißt man wohl alle möglichen Würmer. Sie kennen alle die kleinen Tiere ausgezeichnet und haben für alle Namen. Als ich 1902 den Chaco als Zoologe besuchte, pflegten die Chorotis für mich zu sammeln. Zeigte ich ihnen an dem einen Tage ein Insekt, von dem ich mehrere Exemplare wünschte, so kamen sie sicher am folgenden Tage mit[S. 55] einer großen Menge von diesen wieder. Sie kannten jedes kleine Tierchen sowie jede Pflanze und wußten, wo sie dieselben zu suchen hatten.
Die Viehzucht ist ebenfalls ein für diese Indianer wichtiger Nahrungszweig. Die Chorotis haben recht viele Schafe und Ziegen sowie eine geringe Anzahl Pferde. Viel reicher an Vieh als jene sind die Ashluslays. In einem ihrer Dörfer, dem Dorfe des Häuptlings Toné, das damals ca. 400 Einwohner hatte, zählte ich etwa 200 Kühe, etwa 200 Pferde, Maulesel und Esel, davon viele Stuten und Füllen, sowie über 500 Schafe und Ziegen. Außer diesen Haustieren gibt es Hühner und Katzen und eine unzählige Menge Hunde. Im Dorfe Tonés befanden sich sicher ein paar hundert Hunde. Diese Indianer töten die jungen Hunde nicht, sondern lassen sie sich frei vermehren. Alle diese oft ausgehungerten Hunde[S. 56] sind deshalb eine wirkliche Plage im Dorfe. Sie werden jedoch gut behandelt und nicht geschlagen, obschon die Nahrung nicht für so viele Münder reicht. Ich sah einmal eine Chorotifrau, die an der einen Brust ihr Kind, an der anderen einen Hund säugte. Stirbt ein Hund, so wird er gleich den Pferden der Indianer ordentlich begraben, und ein Pferd mit dem Holzspaten vergraben, ist sicher ein tüchtiges Stück Arbeit. Die Weißen in Bolivia werfen dagegen ihre toten Hunde und Pferde auf den Müllhaufen und lassen, als Dank für die erwiesene Pflichttreue, die Geier ihnen den letzten Dienst erweisen.
Zum Tierbestand in einem Choroti- oder Ashluslaydorf gehört beinahe mit Sicherheit eine Anzahl wilder Tiere. Diese sind aller Lieblinge. Man sieht Störche, Nutrias, Wildschweine, Strauße, Füchse usw. In der Regel sind sie Spielkameraden der Kinder. Diesen bereitet, wie unseren Kindern, das Binden der Strauße, Tränken der Pferde, Füttern der Kühe usw. eine große Freude.
Einmal bot ich in einem Ashluslaydorf ein prächtiges Tuch für eine Henne. Ein kleines, süßes, etwa 10jähriges Mädchen tauschte sich mit Freuden das Tuch ein. Als sie sah, daß die Henne geschlachtet wurde, was sie sicher nicht erwartet hatte, begannen die Tränen über ihre Wangen zu rollen, und plötzlich sprang sie davon, um ihren Freund zu beweinen. Das Tier war ihre Gesellschaft und sicher nicht zum Essen bestimmt.
Die Indianer im Chaco haben seit langer Zeit dieselben Haustiere wie der weiße Mann. Verschiedene Stämme stehen von alters her mit den Weißen in Berührung. Andere, tiefer im Chaco wohnende haben dann durch den Handel zwischen den Stämmen diese Tiere erhalten. Von besonderer Bedeutung sind hier natürlich die Schafe, aus deren Wolle die Indianerinnen Mäntel weben.
Im Innern des Chaco, vom Rio Pilcomayo gerechnet, ist das Land sehr wasserarm, und während der Trockenzeit haben die Indianer häufig kaum Wasser. Sie graben deshalb[S. 57] Brunnen. Solche habe ich bei den Ashluslays bis zu einer Tiefe von 4 m gesehen.[23] Die Forderungen eines Indianers an die Beschaffenheit des Wassers sind sehr gering. So habe ich die Ashluslays aus Sümpfen mit braungrünem, stinkendem Wasser trinken sehen, ohne daß es ihnen irgendwie schlecht zu bekommen schien. Wahrscheinlich gibt es in den abgelegenen Gegenden, wo die Ashluslays wohnen, weder Typhoid- noch Dysenteriebakterien.
[S. 58]
Ich selbst bin fest überzeugt, daß ich, falls ich z. B. in Schweden all den Schmutz getrunken hätte, den ich im Chaco genossen habe, jetzt nicht mehr unter den Lebenden wäre.
Wäre ich zu einem Ashluslay- oder Chorotimittag eingeladen und könnte selbst die Speisekarte wählen, so würde ich sicher über Kohlen gebratene und auf grünen Blättern servierte Fische begehren. Hätte ich sie selbst etwas salzen dürfen, denn Salz wenden die Ashluslays und Chorotis selten an, so wären sie ganz einfach lecker. Niemand kann so wie ein Indianer Fische rösten. Von den Fischen würde ich dann so viel essen, daß ich nichts anderes zu berühren brauchte, denn schreckliche Sachen können serviert werden. Es gibt Dinge, die selbst der fanatischste Ethnograph nicht zu verzehren vermag. Die Ingredienzien selbst brauchen nicht so schlecht zu sein, der Schmutz bei der Zubereitung ist aber unerhört. Därme werden z. B. niemals vor dem Kochen gewaschen, sondern ganz einfach entleert. Bisweilen muß jedoch der Darminhalt als Gemüse zum Fleisch dienen. So werden die Erdratten mit Eingeweide und Exkrementen verzehrt. Sie werden ganz ins Feuer gelegt, wo sie durch die Hitze anschwellen. Dann werden Löcher in den Magen gestochen, damit die Luft, nur die Luft herauskommt. Auch Eidechsen werden mit Eingeweide und allem gegessen. Frösche, Füchse und in der Regel, aber nicht immer, Geier werden als nicht eßbar betrachtet. Verschiedene Früchte, z. B. Algarrobo, werden gewöhnlich in folgender Weise gegessen: die Frucht wird zerklopft und in einer großen Kalebasse mit Wasser gemengt. Um diese setzen sich mehrere Personen, immer vom gleichen Geschlecht, denn Männer und Frauen essen nicht zusammen. Jeder nimmt sich mit den Fingern ein ordentliches Stück, saugt daran und spuckt es dann wieder in das gemeinschaftliche Gefäß. Daß es unangenehm sein könnte, den Speichel eines anderen in den Mund zu bekommen,[S. 59] ist den Indianern vollständig unbegreiflich. Will man eine längere Zeit bei den Ashluslays und Chorotis hausen und ihr Leben zu leben versuchen, muß man sich über „Vorurteile“, die man in dieser Beziehung haben kann, hinwegsetzen, und man wird wirklich bald unbegreiflich verhärtet.
Die Ashluslayindianer essen Honig mit Bürsten aus Caraguatástämmen, die sie in den Honig tauchen, ablecken, wieder eintauchen, dem Nachbar reichen usw. Wie wenn wir mit Rasierpinseln äßen — denn so sehen diese Werkzeuge aus (Abb. 15).
Bestimmte Mahlzeiten habe ich bei den Chorotis und Ashluslays nicht beobachten können. Ist genügend Nahrung vorhanden, so essen diese Indianer auch des Nachts.
Als Reisezehrung auf den Wanderungen werden getrocknete Fische, Maiskuchen, Klöße aus gekochter Chañarfrucht und solche von Algarrobomehl angewendet. Die letzteren sind wirklich gut. Wie sie zubereitet werden, ist mir unbekannt, denn da ich sie auf meinen Streifzügen mit den Ashluslayindianern stets zu essen pflegte, beschloß ich, dieses Geheimnis, aus Furcht, daß ich, nachdem ich es kennen gelernt habe, auf die guten Klöße verzichten würde, niemals zu erforschen.
Die umsichtigen Frauen bereiten, wenn Überfluß an Speisen vorhanden ist, Konserven. Früchte werden in großen Massen getrocknet. Zuweilen ziehen sie in Begleitung der Männer nach abgelegenen fruchtreichen Gegenden, und lassen sich dort eine Zeitlang unter eifriger Arbeit nieder. Wenn man eine solche „Konservenfabrik“ sieht, muß man unwillkürlich an die Ähnlichkeit mit dem Einmachen unserer nordischen Frauen zur Herbstzeit denken. Überall liegen Haufen von rohen, gekochten, gebratenen und getrockneten Früchten.
[S. 60]
Von großem Interesse sind die von den Ashluslays zum Rösten angewendeten Öfen. Ein solcher Ofen ist hierneben beschrieben und abgebildet (Abb. 16). Er ist von demselben Typ, wie der von den Tsirákuaindianern im Nordchaco angewendete. Nachdem die Früchte geröstet sind, werden sie getrocknet und können dann monatelang aufbewahrt werden. Die Indianerfrau ist ein umsichtiges Hausmütterchen.
Dies verwundert vielleicht den Leser, der möglicherweise die Naturvölker hat beschreiben hören, als lebten sie nur für den Tag und dächten niemals an die Zeiten der Not.
Das Essen kochen die Indianerinnen in einfachen irdenen Töpfen. Man ißt in der Regel aus Schalen von Kalebassen und mit den Fingern oder mit einem Löffel aus einer Muschel oder Kalebasse. Da die Frauen sich nicht immer eiserne Messer verschaffen können, benutzen sie noch hölzerne Messer (Abb. 17), mit denen sie die Fische abschuppen und ausnehmen.
Mörtel aus hartem Holz mit Keulen aus demselben Material sind allgemein. Die Ashluslays wenden auch Mörtel[S. 61] einer ganz anderen, höchst merkwürdigen Art an. Sie bestehen aus inwendig mit in der Sonne getrocknetem Lehm bekleideten Erdgruben. Natürlich werden die in diesen Mörteln zerquetschten Früchte etwas erdig, aber etwas mehr oder weniger Schmutz macht in der indianischen Küche nicht viel.
Körbe sind bei diesen Indianern unbekannt, ebenso wirkliche Seiher. Will die Indianerin z. B. Algarrobomasse durchseihen (Abb. 14), so wendet sie ganz einfach ein Stück einer Caraguatátasche an. Der Grund, warum die Chacoindianer keine Körbe anwenden, kann kaum darin liegen, daß solche ihnen vollständig unbekannt sind, denn sie kennen direkt oder indirekt die Chiriguanos, die solche haben. Das geeignete Material dazu, d. h. Palmblätter, ist auch reichlich vorhanden. Im großen ganzen ersetzen jedoch die Caraguatátaschen vollständig alle Körbe, außerdem sind sie haltbarer und lassen sich bequemer auf den Wanderungen mitnehmen und in den Hütten aufbewahren. Die Körbe sind also für diese Indianer vollständig unnötig und sogar ungeeignet.
[S. 62]
Ist Überfluß an Trinkwaren, d. h. Bier aus Algarrobo, Chañar oder Mais, vorhanden, so essen die Männer nicht sehr viel, denn das Bier, das sie trinken, ist stark sättigend und nährend. Das Bier ist in solchen Zeiten für sie Speise und Trank. Oft läßt das Trinken ihnen auch keine Zeit zum Fischen und Jagen.
Die Indianer kämpfen sicher zuweilen einen harten Kampf, um die Forderungen des Magens befriedigen zu können. Ist der Magen voll, so ist der Indianer froh und übermütig, da tummeln sich die Kinder in ausgelassener Freude, da tanzt die Jugend jeden Abend und hat Rendezvous in den Büschen, da sitzen die Alten und trinken Bier in gewaltigen Kalebassen und rauchen und spucken und prahlen mit ihren Taten und amüsieren sich königlich. Ist der Magen leer, dann ist es still auf den Spielplätzen, dann ist kein Tanz, kein Rendezvous, kein Bier und keine Prahlerei.
Als ich 1908 die Chorotidörfer besuchte, waren die Magen von fetten Fischen ausgespannt. Herrliche Fische! Da war Tanz und Fest.
Ein Jahr später kam ich wieder. Ach, wie mager doch alles war, bis die Chañar- und Algarrobofrüchte reif wurden. Dann war wieder Freude in den Dörfern.
Gibt es gebratene Fische und Fischfett oder große Kalebassen mit Algarrobobier, dann lebt sich’s gut für einen Indianer am Rio Pilcomayo.
[18] Zizyphus Mistol, Griseb.
[19] Bei den Chorotis ist es später allgemein von Moberg wahrgenommen worden.
[20] Boggiani: Compendio de Etnografia Paraguaya, S. 172. Asunción 1900.
[21] Herrmann, l. c. S. 128.
[22] Nach Boggiani haben auch die Lenguas ihre Äcker weit vom Flusse. Compendio, S. 165.
[23] Die den Ashluslays und Chorotis nahestehenden Lenguas graben nach Hawtrey sehr tiefe Brunnen. „The wells were on rising ground in a sandy soil, about 15 or 20 feet deep, with a hole at the top only 2 feet by 2 feet 6 inches in diameter, and so made that a man could go down by foot holes on either side (as I myself went down to see how it was made), and a bucket and rope were used.“ Seymour H. C. Hawtrey. The Lengua Indians of the Paraguayan Chaco. J. A. Inst. Vol. XXXI. London 1901. Seite 289.
[S. 63]
Hat das Choroti- oder Ashluslaykind das Glück, von einer verheirateten Frau geboren zu werden und nicht allzu schnell hinter einem Brüderchen oder Schwesterchen zu kommen, so darf es am Leben bleiben. Lange bekommen die Kinder die Brust. Oft habe ich vom Springen durstige Choroti- und Ashluslaykinder gesehen, die stehend von ihrer sitzenden Mutter gestillt wurden.
Die kleinen Kinder sind die Freude aller, besonders die Alten haben sie lieb. Sie werden niemals gezüchtigt, hören niemals harte Worte. Während sie klein sind, tyrannisieren sie Eltern und Großeltern. Werden sie älter und verständiger, so sind sie infolge dieser Erziehung freundlich und aufmerksam.
Wenn es nötig ist, können auch die Indianermütter bestimmt sein. Einmal sah ich einen Chorotiknaben, der einen Sandfloh im Fuße hatte. Unbekümmert um das Geschrei des Knaben zog die Mutter das gefährliche Insekt mit einer knöchernen Nadel heraus, während zwei Frauen den Knaben festhielten.
Ein ausgezeichnetes Verhältnis herrscht zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen den Geschwistern. Wie oftmals ist es mir nicht passiert, daß einer meiner Freunde unter den jungen Indianern mich zu einer alten Frau geführt und mit dem einfachen Worte Mama um ein Geschenk für sie ersucht hat.
[S. 64]
Oft sieht man blinde und krüppelige Alte in den Dörfern, die von ihren Kindern unterhalten werden. Wird das Dorf durch einen Feind bedroht, so werden zuerst von allen diese Alten in Sicherheit gebracht, damit sie nicht, wenn die anderen zu fliehen gezwungen sind, in die Hände der Feinde fallen.
Werden diese Alten eine allzu große Last, so geschieht es gleichwohl zuweilen, wie ich schon erzählt habe, daß man sie tötet.
Das Indianerkind lernt das Leben im Spiel. Wenn die Mutter mit ihrem Töchterchen im Arme Wasser holt, so trägt das Mädchen einen winzig kleinen, dem der Mama ganz gleichen Krug. Füllt die Mutter ihren großen Wasserkrug,[S. 65] so füllt sie auch den ihres kleinen Töchterchens. Das Mädchen wächst und der Krug wächst. Sie begleitet ihre Mutter bald zu Fuß und trägt gleich ihr einen eigenen Krug auf dem Kopfe. Spinnt die Mutter, so spinnt auch ihr Kind auf einer Spielzeugspindel. Der kleine Junge spielt mit seinem Netz im Dorfe. Er fängt Laub, er fängt Tonscherben. Oft sind die Großväter die Lehrer. Ist er größer, so erhält er von dem Großvater ein größeres Netz und begleitet ihn auf den Fischfang. Anfänglich fängt er nicht viel. Er und das Netz wachsen, und der Knabe, der Laub und Tonscherben gefischt hat, fängt große Siluroiden, Palometas und vieles andere. Auf dieselbe Weise lernen die Kinder alles, was sie zu wissen[S. 66] nötig haben. Spielend lernt das Indianerkind den Ernst des Lebens.
Besonders die Indianerknaben verleben dann ihre Tage unter heiteren Spielen. Vielmals habe ich mit ihnen gespielt, und wir, und nicht zum wenigsten ich, haben uns dabei sehr gut amüsiert.
Wir versuchten, den Indianerknaben unsere Spiele beizubringen. Die Mädchen spielten beinahe niemals mit uns. Moberg war Zirkusdirektor, und sie lernten von ihm Purzelbäume schießen, Bockspringen, mit Stangen balancieren und anderes Nützliche. Eine Kunst konnte Moberg, die stürmischen Jubel erweckte. Er konnte Rad schlagen. Diese Nummer des Programms wurde von allen, jung und alt, gern gesehen, obschon niemand es nachmachen konnte. Mit roten Taschentüchern als Preise veranstalteten wir Wettrennen. Hieran beteiligten sich auch die Mädchen, sie liefen aber immer allein und mischten sich nicht unter die Knaben.
Unser gutes Verhältnis zu den Indianern hatte sicher zu einem großen Teile seinen Grund darin, daß wir immer mit den Kindern spielten. Das gefiel den Indianerpapas und Indianermamas, und auf diese Weise bekamen sie Vertrauen zu uns.
Schlägereien und harte Worte kommen unter den spielenden Kindern fast niemals vor. Ein einziges Mal habe ich einen Indianerknaben einen anderen schlagen sehen. Das war in einem Ashluslaydorf. Daß dies etwas Ungewöhnliches war, wurde mir aus der Aufregung, die darüber im Dorfe entstand, klar. Ein paar Stunden lang ergingen sich die respektiven Eltern und Verwandten der Kinder in Schmähungen. Besonders die älteren Damen spien Feuer und Galle. Beim Spiel kommen niemals Streitigkeiten vor, z. B. ob der Ball wirklich ins Tor gekommen ist, ob einer gemogelt hat oder dgl. Hier haben unsere weißen Kinder viel von ihren dunkelbraunen Freunden zu lernen.
Die großen Kinder behandeln die kleinen niemals schlecht. Sie laufen wohl hinter ihnen her und werfen sie hin, aber sie[S. 67] schlagen sie niemals. Kleinlichkeit, Eigendünkel und Bosheit findet man niemals unter den Indianerkindern.
Knaben und Mädchen spielen schon als ganz kleine Kinder getrennt. Für Knaben und Mädchen gemeinsame Spiele habe ich nie gesehen. Sie haben auch verschiedenes Spielzeug. Nur der Tanz führt sie zusammen. Auf der Tanzbahn erscheinen Knaben und Mädchen viel früher als bei uns, da der Tanz innig mit dem Geschlechtsleben zusammenhängt.
Nicht alle Kinder gleichen Geschlechts spielen zusammen, sondern sie teilen sich, wie unsere Kinder, in Altersklassen. Bei den Knaben kann man drei solche beobachten. Zwei- bis vierjährige Knaben beteiligen sich nicht an den großen gemeinschaftlichen Spielen. Die Vier- bis ungefähr Siebenjährigen bilden eine zweite, die Sieben- bis Zwölfjährigen eine dritte[S. 68] Gruppe. Die über zwölf Jahre alten Knaben halten sich gewöhnlich zu den Herren, nehmen an den großen Ballspielen teil und interessieren sich schon lebhaft für Tanz und Mädchen.
Dicht bei oder in einem Ashluslay- und Chorotidorf ist immer ein offener, gebahnter Platz, wo man spielt und tanzt. Herrlich eignen sich zum Spielen besonders die großen Sandufer des Pilcomayoflusses. Dort tummeln sich die Kinder im Sande.
Das erste Spielzeug des Indianerkindes ist, wie bei unseren Kindern, die Klapper. Von Früchten, Knochen, Blechstücken u. a. machen die Indianermütter ihnen kleine Klappern. In dieser Zeit spielen sie mit ihren Müttern, die mit ihnen plaudern und scherzen.
Die Indianerkinder lernen, wie ich schon gesagt habe, spielend den Ernst des Lebens kennen. Sie werden durch das Spiel erzogen. Wie unsere Kinder die Großen nachäffen, so machen die Indianerkinder ihnen ebenfalls alles nach.
Als die Ashluslayindianer mit den Tobas kriegten, spielten auch die Knaben in den Ashluslaydörfern Krieg. Die Knaben teilten sich in zwei Abteilungen. Die eine stellte die Ashluslays, die andere die Tobas vor. Die Waffen bestanden aus Rohr, mit denen man Fruchtkerne aufeinander knackte. Die Kämpfe wurden unter Geschrei und Geheul geführt. Wurde einer gefangen genommen, so wurde er skalpiert. Während einer den Gefangenen hielt, tat ein anderer, als skalpiere er ihn.
Sicher haben die Indianerkinder am Pilcomayo manchmal auch Indianer und Weiße gespielt. Bei den Kampfspielen der[S. 69] wilden Indianer geht es aber keineswegs wild zu. Roheit und Bosheit, die bei den Kindern des weißen Mannes so gewöhnlich sind, sind unter diesen Kindern, deren Väter wirkliche Skalpjäger sind, vollständig ausgeschlossen.
Eines Tages hatte ich in einem Ashluslaydorf ein Wettschießen mit Pfeil und Bogen angeordnet. Am folgenden Tage veranstalteten die Knaben desselben Dorfes ebenfalls ein Scheibenschießen mit ihren Spielzeugflinten. Diese Flinten, von denen eine hier abgebildet ist (Abb. 23), sind unter den Chacokindern sowohl am Rio Pilcomayo wie am Rio Parapiti gewöhnlich.
Wenigstens den kleinen Knaben und Mädchen machen die Eltern und andere ältere Verwandte ihr Spielzeug. Der Großvater strickt das Spielzeugnetz des Knaben, lehrt ihn aber auch selbst stricken. Eine der weiblichen ältesten Verwandten formt die Puppen, mit denen die Mädchen spielen. Mutter spielen ist hier ebenso gewöhnlich, wie bei unseren Mädchen. Die von den Indianerkindern im Chaco angewendeten Puppen sind außerordentlich lustig. Weiterhin werden wir sie abgebildet und beschrieben finden.
Das Lieblingsspielzeug der Knaben ist die von den Pampasindianern bekannte Boleadora. Mit der Boleadora spielen mehrere Knaben zusammen. Sie stellen sich in einer Reihe auf. Wenn einer seine Boleadora wirft, versuchen die anderen, sie mit ihren zu fangen. Dieses Spielzeug ist sicher ein Überbleibsel aus einer Zeit, wo die Boleadora von den Ashluslays und Chorotis als Waffe angewendet wurde; vielleicht ist es[S. 70] eine Erinnerung von einer Zeit, wo sie auf den Pampas lebten, denn die Boleadora ist eine Waffe, die nur für die Ebene paßt. In einer weiter unten wiedergegebenen Matacosage handelt es sich um einen Kampf zwischen verschiedenen Vögeln, wo die Chuñas[24] mit Boleadoras gekämpft hatten. Die Matacos selbst wenden die Boleadora jetzt nicht als Spielzeug an. Ein anderes Spielzeug, vielleicht auch eine Erinnerung aus früheren Zeiten, sind die Stelzen, die ich die Ashluslays habe anwenden sehen.
Die kleinen Kinder rollen oft Reifen aus Weide. Zuweilen habe ich sie mit Stäbchen spielen sehen, die sie auf folgende Weise werfen. Sie stellen sich, jeder mit einem Stäbchen in der Hand, in einer Reihe auf. Einer wirft plötzlich eins seiner Stäbchen. Die anderen suchen dasselbe in demselben Augenblick zu treffen, wo es zur Erde fällt. Selten sieht man das Schwirrholz als Spielzeug. Wie bekannt, verursacht es, wenn es schnell durch die Luft geschwungen wird, einen brummenden Laut.[25]
Ein gewöhnlicher Zeitvertreib für Knaben, Mädchen und Erwachsene ist das Knüpfen von Fadenfiguren, ähnlich denen, wie sie auch die europäischen Kinder zu machen pflegen (Abb. 25).
Die Mädchen spielen oft Tanz- und Laufspiele. Ich habe z. B. bei den Ashluslaymädchen gesehen, wie sie sich breitbeinig dicht hintereinander in einer Reihe aufstellen. Die letzte kriecht auf allen Vieren zwischen den Beinen der anderen hindurch. Nach ihr kommt das nächste Mädchen usw. Ein anderes Spiel, das ich ebenfalls bei den Ashluslaymädchen gesehen habe, ist, mit gebogenen Knien hüpfen. Die Mädchen hocken in einem Ring auf der Erde und hüpfen, den Takt eines eintönigen Liedes auf den nackten Schenkeln schlagend, umher.
[S. 71]
Gewöhnlich ist das Ballspielen der Knaben. Noch mehr sind die Ballspiele aber ein Vergnügen der Jünglinge und Männer. Ja, es kommt sogar zuweilen vor, daß ein alter Mann, der sich seinen Jugendsinn bewahrt hat, am Spiele teilnimmt. Meistens spielt man mit seinen eigenen Dorfkameraden, bisweilen aber auch mit dem Nachbardorfe, und hier gilt es sowohl Wertsachen als auch die Ehre.
Die Chorotis wie die Ashluslays kennen nur eine Art Ballspiel. Es wird mit Hakenstöcken, ähnlich unseren Hockeystöcken, und gewöhnlich mit Bällen aus Holz gespielt. Man teilt sich in zwei Parteien, die ihr Tor verteidigen. Diese liegen bei größeren Spielen hundert bis zweihundert Meter voneinander. Wer zuerst seinen Ball in das Tor des Gegners hereinbringt, hat gewonnen. Die Alten und die Kinder sind zuweilen Torwächter.
In gewöhnlichen Fällen spielt man Ball um nichts, nur um Vergnügen zu haben. Die jungen Herren, die die eifrigsten[S. 72] Spieler sind, vertreiben auf diese Weise die langen Tage, während sie auf den Tanz und die Liebe am Abend warten.
Preise kommen nur bei den Wettkämpfen zwischen mehreren Dörfern vor. Als ich ein Ballspiel veranstaltete, bestanden die Preise aus Tabak.
Streitereien während der Spiele kommen niemals vor, und gleichwohl schlägt man einander mit den Keulen zuweilen ordentlich auf die Unterschenkel. Niemand wird deshalb böse. Bei den Matacos habe ich gesehen, daß man, um die Schenkel gegen Stockschläge zu schützen, Schienen aus Schilfrohr anwendet.
Die Chacoindianer spielen auch Hasard.
Die Spielmarken sind vier Holzstäbchen (Abb. 27) oder Stücke Schilfrohr, von denen die eine Seite stets konvex und die andere eben oder konkav ist. Am Spiele nehmen vier, sechs oder acht Personen teil. Markör ist ein Unbeteiligter.
Das Hasardspiel ist ein im Chaco stark ausgebreiteter[S. 73] Brauch. Wie unsere Sportsleute und Spieler viel englische Ausdrücke anwenden, so wenden auch die Indianer zuweilen internationale, von anderen Stämmen geliehene Worte an.
Was kann man gewinnen, wenn man mit den Indianern spielt? Wenn man Glück hat, ein Paar alte Hosen, ein altes Hemd oder irgend etwas, was die Indianer von den Weißen erhalten haben. Wo der Einfluß der Weißen unbedeutend ist, spielt man um Halsketten aus Schneckenschalen.
Ich habe mit den Indianern häufig gespielt und stets verloren, weil die Gegner so schrecklich mogeln. Sagt man etwas über die Mogelei, so lachen sie. Würde man zornig werden, würden sie einen wahrscheinlich für dumm halten. Hier heißt es nur verlieren und lernen.
Nicht selten spielen die Chorotis und Ashluslays so, daß sie mit einem Haufen Stäbchen markieren. Schlägt man vier, darf man vier Stäbchen nehmen usw.
Spaß macht es, zu sehen wie die Indianer nachrechnen, wer die meisten Stäbchen erhalten hat. Jeder teilt seine Stäbchen in Haufen von je zwei. Der eine nimmt nun einen Haufen fort, der andere einen entsprechenden usw., bis nur noch einer Stäbchen hat. Diese Subtraktionsmethode ist natürlich sehr primitiv.
Fragt man einen Choroti oder Ashluslay nach einem Zahlwort, so kann er es nur bis drei mit Sicherheit sagen. Es gibt zwar Worte für die höheren Zahlen, wenigstens bis zehn, er kennt sie aber nicht alle. Der Indianer zeigt mit den Fingern die Zahl, die er angeben will. Die Zehen werden nur zu Hilfe genommen, wenn er viele sagen will.
Ist die Kinderzeit des Indianers zu Ende, dann beginnt[S. 74] das zweite Kapitel in seinem Leben. Dies ist dem Geschlechtsleben gewidmet.
Nach dem Spiel kommt die freie Liebe.
Das Geschlechtsleben hat schon für das Indianerkind von sechs, sieben Jahren keine Geheimnisse mehr. Es hat dann schon alles gesehen. Ein geschlechtlicher Verkehr nicht mannbarer Kinder soll gleichwohl nicht vorkommen, auch werden die Mädchen vor ihrer ersten Menstruation von den Müttern gehütet.
Bei den Ashluslays wird diese mit Tanz gefeiert. Um das Mädchen, das mit bedecktem Gesicht dasteht, tanzen die älteren Frauen mit Stöcken in der Hand, an die Klappern aus Tierklauen gebunden sind, während die Männer mit Kalebassen voll harter Körner den Takt dazu schlagen. Bei den Chorotis kenne ich einen solchen Brauch nicht.
Während der folgenden Menstruationen nehmen die Frauen ungeniert am Tanze teil und werden in keiner Weise als unrein betrachtet.
Die von allen Choroti- und Ashluslaymännern, manchen Chorotifrauen, aber keinen Ashluslayfrauen getragenen Ohrenklötze haben mit dem Eintritt der Mannbarkeit nichts zu tun. Die Ashluslays durchbohren die Ohren der Kinder, wenn diese drei bis vier Jahre, die Chorotis wenn sie sieben bis zehn Jahre alt sind. In demselben Alter werden auch die Ohren der Mädchen durchbohrt.
Der Vater sticht mit einem Kaktusdorn seinen Kindern Ohrlöcher ein.
Wenn die Kinder fünf bis sieben Jahre alt sind, werden sie tätowiert. Bei den Chorotis sind die Männer in der Regel, die Frauen stets tätowiert, bei den Ashluslays nur die Frauen. Ich habe einige Tätowierungen wiedergegeben und gezeigt, wie man nach und nach tätowiert, indem man bei den Chorotis mit dem Stirnzeichen, bei den Ashluslays mit den Strichen auf dem Kinn beginnt. In der Chorotitätowierung kommt[S. 77] in der Ornamentik eine gewisse Variation vor, bei den Ashluslays ist die Tätowierung ein typisches, konstantes Stammzeichen, in dem nur die Anzahl der Striche auf dem Kinn schwanken kann.
Beinahe immer nimmt eine ältere Frau die Tätowierung vor.
[S. 78]
Von der hierneben vorgestellten Alten habe ich ein Stirnzeichen auf meinen Arm tätowieren lassen. Dies geschah in folgender Weise. In der flachen Hand bereitete die Alte aus Kohle und Speichel schwarze Farbe. Mit dieser malte sie dann mit einem Stäbchen eine Figur auf meinen Arm und stach dann mit einigen Kaktusstacheln kräftig in diesen. Nachdem es fertig war, spuckte sie auf die Wunde und rieb den Speichel mit der Faust in mein Blut.
Moberg ist auch auf Chorotiart tätowiert. Ich glaube, er hat eine Musterkarte aller möglichen Tätowierungsfiguren, mit denen die jüngsten und schönsten Indianermädchen ihn geschmückt haben, auf seinem Körper.
Nach der ersten Menstruation haben die Mädchen ihre vollständige Freiheit, die sie auch eiligst benutzen.
Die Jugend trifft sich auf der Tanzbahn.
In den größeren Dörfern ist sowohl bei den Chorotis wie bei den Ashluslays jeden regenfreien Abend Ball, d. h. wenn der Magen nicht leer ist. Dieser Tanz bildet das ganze Leben der Jugend, um ihn dreht sich all ihr Interesse. Für ihn malen und schmücken sie sich.
Mehrere Stunden vor dem Ball beginnen die jungen Herren mit ihrer Toilette. Mit äußerster Sorgfalt kämmen sie sich zuerst das Haar und ordnen dann die Stirn- und Ohrenlocken. Die Augenbrauen und Augenhaare werden ausgerissen, ebenso jedes Härchen, das sich auf Kinn oder Oberlippe herauswagen sollte. Ebenso wird das Haar unter den Armen und um die Geschlechtsteile entfernt.
Hierauf wird das Gesicht bemalt. Früher mußte man bei dieser wichtigen Arbeit die Hilfe anderer in Anspruch nehmen. Nachdem der weiße Mann den Spiegel eingeführt hat, kann man sich selbst malen und sich über die Wirkung jedes roten, gelben oder schwarzen Striches freuen. Diese ausgezeichnete Erfindung ermöglicht es den jungen Indianern, stundenlang in andächtiger Bewunderung ihrer eigenen Schönheit dasitzen zu können. Die rote Farbe erhält man aus den durch Tausch von den Chiriguanos erhaltenen Samen[S. 79] eines Busches, Bixa orellana. Die gelbe Farbe, die selten zur Anwendung kommt, wird durch Kauen einer Wurzel bereitet. Die schwarze besteht ganz einfach aus Ruß und Speichel.
Es ist nichts Ungewöhnliches, daß man die Ornamente mit Stempeln ins Gesicht drückt (Abb. 32). Diese sind als eine primitive Form der bei den Yuracáreindianern und besonders bei den Stämmen in Nord-Südamerika gewöhnlichen Stempel zur Vervielfältigung der oft sehr schönen Ornamente[S. 80] zu betrachten. Den allereinfachsten Stempel, den ich gesehen habe, beobachtete ich bei einer Tsirakuafrau, über welche ich weiter unten zu berichten Gelegenheit haben werde. Sie berußte zuerst die ganze Innenfläche der Hand und zeichnete dann ein Ornament in den Ruß. Durch Drücken der Hand gegen die Backen bemalte sie sich mit dem Negativ des aufgezeichneten Ornaments. Nachdem man sich fertig gemalt hat, ordnet man die Halsketten aus Schneckenschalen und den Federschmuck. Man prüft die Wirkung der auf verschiedene Weise gedrehten Halsketten, man freut sich über den flatternden Federschmuck, man putzt die Ohrenklötze.
Falls es nicht kalt ist, hat der junge Choroti oder Ashluslay so viel Verstand, daß er sich auf dem Balle nicht mit den von den Weißen direkt oder indirekt erhaltenen alten Hemden oder Hosen, welche den Chaco zu überschwemmen drohen, bekleidet. Hauptsächlich die älteren Männer fangen an, die europäische Kleidung oder richtiger Teile derselben zu tragen, denn selten ist ein Choroti und noch weniger ein Ashluslay so reich, daß er einen vollständigen Anzug besitzt. Hat er einen Rock, so hat er wahrscheinlich keine Hosen, oder umgekehrt.
Die von den Männern angewendete Tracht ist ein Ledergürtel und ein auf alle mögliche Weise drapierter Mantel aus Schafwolle (s. die Bilder). An den Füßen tragen sie zuweilen Ledersandalen. Bisweilen haben sie einen Riemen über die Brust gespannt. Um die Stirn haben die Männer allerlei Bänder, und manchmal, wenn sie richtig fein sein wollen, eine mit Schneckenmuscheln besetzte Haube. Andere Schmuckgegenstände bestehen aus Zähnen, Stroh, Haaren, Glasperlen, Fischschuppen usw.
[S. 81]
Der junge Indianer versucht auf den Bällen so elegant, so originell gemalt und geschmückt wie möglich aufzutreten. Jeden Tag malt er sich auf andere Weise und ordnet seine Schmucksachen verschieden. Er hält sich jedoch immer innerhalb der von der Mode gesteckten Grenzen, und eine neue Mode unter diese Menschen zu lancieren, ist keineswegs ein leichtes. Eine von mir erfundene Gesichtsbemalung wurde z. B. niemals anerkannt. Ein Glasperlentypus, der ihnen fremd war, erregte ihr Mißfallen. Sobald man einen der leitenden Elegants bewogen hatte, eine Sache modern zu machen, wollten bald alle sie haben. Ein paarmal ist es sowohl mir als Moberg gelungen, auf den Bällen neue Moden zu lancieren. Besonders Moberg trat auf diesen gewöhnlich wie ein Indianer gemalt, gekleidet und geschmückt auf und wetteiferte um die Gunst der braunhäutigen Indianerinnen. Ein Haupt höher als die anderen tanzte er mit den Chorotis an den Sandufern des Pilcomayo und mit den Ashluslays auf den offenen Plätzen in ihren Dörfern. Nicht so selten sah man eine geschmeidige Indianerin hinter dem stattlichen, blonden Schweden tanzen, ihre Hände auf seinen nackten Rücken legend.
Im Gegensatz zu den Negern staffieren sich diese Indianer niemals in allen möglichen, oder richtiger unmöglichen bunten Farbenzusammensetzungen aus. Sie haben ja gute Gelegenheit hierzu, wenn die Weißen mit bunten Tüchern als Tauschwaren zu ihnen kommen. Die Indianer und Indianerinnen[S. 82] haben in der Regel Geschmack. Infolge der zu vielen Berührung mit der Zivilisation verschwindet dieser aber. Niemand putzt sich auch in so schreienden Farben, wie zivilisierte Indianerinnen und Mestizenfrauen. Die Choroti- und Ashluslayindianer lieben gleichwohl bunte Farben; am beliebtesten ist Rot. Legt man bei einem Tauschhandel Bänder in verschiedenen Farben vor, so finden zuerst die roten Absatz. Rote Taschentücher sind gesucht. Schwarz lieben sie in der Regel auch. Gewisse Sachen, wie z. B. die Knöpfe für Halsketten, werden weiß gewünscht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Schneckenhalsperlen, die sie anwenden, dieselbe Farbe haben.
In meinem Notizbuch hatte ich die verschiedenen Grundfarben und mehrere Schattierungen aufgezeichnet, um zu sehen, wie viele Farben sie unterscheiden könnten.
Die Chorotis nannten Rot, Rosa, Braun und Hellviolett „Chaté“, Gelb und Gelbbraun „máhahi“, Blau und Grün „La-sá-se“, Schwarz, Dunkelviolett und Dunkelgrau „Cho-hua-hí-ni“, Weiß und Hellgrau „La-ma-hí-ni“.
Die Ashluslays nannten Rosa und Rot „Yúk“, Gelb und Weiß „Kóshiash“, Schwarz „Ya-cút“, Blau = Schwarz, Grün zuweilen = Schwarz und zuweilen = Gelb, Violett = Schwarz, Braun bald = Schwarz, bald = Rot. Die Chorotis haben also für fünf Farben Namen, die Ashluslays nur für drei. Dasselbe Individuum ist oft betreffs des Namens einer Farbe zweifelhaft. Er nennt einen Namen, sieht noch einmal hin, bereut es und sagt einen anderen. Aus den beigefügten Photographien sehen wir einige der zahlreichen verschiedenen Schmucksachen, welche die Choroti- und Ashluslaymänner tragen. Zuweilen sieht man sie sich auch mit Blumen schmücken. Die Ashluslays binden das Haar oft vorn zu einer Quaste mitten auf der Stirn zusammen (Abb. 34). Die Chorotis drehen manchmal das recht lange Haar mit einem Band zu einem Zopf im Nacken zusammen. Die Federn, welche die Chorotis und Ashluslays im Stirnband tragen, pflegen mit einer oder mehreren Kerben als Ornament versehen zu sein.
[S. 83]
Wenn die Herren älter, solide, verheiratete Männer werden, so schmücken sie sich nicht mehr für die Bälle, sondern nur zum Kriege. Diese älteren Herren vernachlässigen ihre Toilette oft sehr stark und sind sehr unsauber.
Die Tracht der Frauen besteht aus einem Schurzfell um die Hüften. Dasselbe wird schon im Alter von drei bis vier Jahren angelegt. Die jüngeren unverheirateten Chorotimädchen tragen jetzt viel den von den Weißen eingeführten Tipoy, ein Kleidungsstück, das ursprünglich von den Chiriguanos[S. 84] kommt. Derselbe verdeckt den Oberkörper vor den lüsternen Blicken der Christen. Ein Indianermädchen, das nur ein Schurzfell um die Hüften trägt, gibt sich in der Regel den Weißen nicht hin. Diejenigen dagegen, welche die „anständige Kleidung“ tragen, sind alle Prostituierte. Mit Ausnahme der Chorotimädchen, die Weiße zu Freunden haben, tragen die Mädchen hier sehr wenig Schmucksachen. Irgend eine einfache Halskette, ein aus Blättern geflochtenes Stirnband, ein Armband aus Rehbockfell, einige Ringe aus Eidechsenhaut, das ist alles. Die Frauen tragen niemals Federn. Dagegen sind sie, wie schon bemerkt, mehr tätowiert als die Männer und nicht selten bemalt.
Das Schurzfell, das die Chorotifrauen um die Hüften tragen, ist aus hausgewebtem Wollstoff. Die Ashluslayfrauen tragen ein ähnliches Schurzfell aus Rehbockleder. Diese letzteren haben nicht selten aus Nutria oder Schaffellen zusammengenähte warme Mäntel von dem Typ, wie wir ihn nur von den Indianern Patagoniens und des Feuerlandes her kennen.
Sowohl die Choroti- wie die Ashluslayfrauen entfernen die Haare unter den Armen und an den Geschlechtsteilen.
Man muß zugeben, daß die Indianer mit ihren Schmucksachen sehr vorsichtig umgehen. Die Federn werden in Futteralen aus Rohr bewahrt, die Schmucksachen werden oft auf neue Schnüre gezogen. Sie stopfen die Löcher ihrer Kleider. Es gibt ältere Frauen, deren Schurzfell beinahe nur aus gestopften Löchern besteht. Lohnt es sich nicht mehr, die Löcher zu stopfen, so begnügt man sich damit, sie zu besetzen. Sie sind auch um ihre Kleider besorgt und wenden, wenn sie, was selten der Fall ist, Kleider zum Wechseln haben, bei der Arbeit die schlechtesten Lumpen an. Die Ashluslays habe ich niemals ihre Kleider waschen sehen, die Chorotis nur, wenn sie es von den Weißen gelernt haben.
Baden des Badens wegen geschieht nur, wenn es sehr heiß ist. Der Fischfang zwingt indessen die Männer, viel im Wasser zu sein. Die Kinder spielen ebenfalls oft im Wasser[S. 85] und bleiben auf diese Weise rein. Die jüngsten Kinder werden von den Müttern gewaschen, wenn sie zum Flusse gehen.
Juckt es, so reicht man das Tier einem Verwandten oder Bekannten, der es aufißt. Moberg und ich hatten, wenn wir in den Indianerhütten verkehrten, auch zuweilen Läuse. Unsere Indianerfreunde waren doch stets, wenn es nötig war, so liebenswürdig, sie zu essen.
Die Chorotimädchen schmieren ihren Körper oft mit Fischfett ein, was ihnen einen unangenehmen Geruch verleiht. Sie selbst sind sicher anderer Ansicht. Sie finden, daß wir Weißen einen Kuhgeruch an uns haben.
Die Eleganz der Männer erreichen die Indianermädchen niemals. Sie können sich jedenfalls freuen, daß die „Herren der Schöpfung“, wohl in erster Reihe ihretwegen, mehrere Stunden täglich auf ihre Toilette anwenden.
Um den Tanz dreht sich, wie erwähnt, das ganze Interesse der jungen Männer und der jungen Mädchen. Geht die Sonne unter, so fängt er an.
Die Männer tanzen im Kreise oder in einer Reihe und singen den Takt, z. B. Táe-a-sa-lé, Táe-a-sa-lé.
Je nach dem Takt wird langsam oder schnell getanzt. Musik ist auf diesen Bällen unbekannt. Die hierbei gesungenen Lieder sind unübersetzliche Kehrreime, die oft international sind, d. h. von mehreren Stämmen angewendet werden.
[S. 86]
Hinter den Männern tanzen die Mädchen.
Bei den Chorotiindianern ergreift das Mädchen die Initiative zu den Liebesabenteuern. Sie führt den jungen Herrn, den sie zum Liebhaber für die Nacht wünscht, ganz einfach fort vom Balle.
Stattlich nehmen sich die Tänze aus, wenn der Mond oder ein Feuer aus Pampasgras die Körper beleuchtet. Bis zu hundert Männer habe ich in demselben Ringe tanzen sehen. Zuweilen tanzten sie ganz langsam, zuweilen in schwindelnder Fahrt, so daß der Staub hochwirbelte, und alles, was man sah, ein Wirrwarr von Körpern und flatternden Straußenfedern war.
Gesang und Gelächter ertönte auf der Tanzbahn.
Die älteren Mädchen tanzten hinter ihren Liebhabern, die jüngsten schlichen hier und da heran, um einen Augenblick hinter einem wohlgebildeten männlichen Körper zu tanzen und gleich darauf, lüstern aber ängstlich, hinter Büschen und Sträuchern zu verschwinden. Beinahe stets war die Anzahl der Männer größer als die der Frauen, und glücklich der Mann, der geraubt und verführt wurde.
Musik ist, wie gesagt, bei diesen Bällen unbekannt. Beinahe jeder tanzende Indianer trägt zwar eine Pfeife (Abb. 36), man pfeift aber nicht den Takt zum Tanz. Bei diesen Indianern findet man auch nur wenige Musikinstrumente. Von Saiteninstrumenten kommt nur der Musikbogen von dem von den Araukaniern her bekannten Typ vor.[26] Die Flöten sind sehr schlecht und vielleicht geradezu Imitationen von den Chiriguanos. Die besonders von den Chiriguanos bekannte Pfeife, auf welcher man wie auf einen Schlüssel pfeift, habe ich bei den Ashluslays nur als eine Seltenheit gesehen. Von Trommeln kennt man nur die primitive Tongefäßtrommel (Abb. 57). Diese besteht aus einem gewöhnlichen irdenen, halb mit Wasser gefüllten Topf, über den ein Fell gespannt ist. Als[S. 87] Trommelstock wird ein Holzstab, und zwar immer nur einer angewendet.
Auch mitten am Tage kann es einem warmblütigen Chorotimädchen einfallen, als Verführerin aufzutreten. Aus meinem Lager zog einmal ein solches Mädchen, unbekümmert um allen Scherz und alle Anzüglichkeiten, mit einem glückstrahlenden Ashluslay in den Wald. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß die Mädchen in den Chorotidörfern sich etwas abseits vom Dorfe eine besondere Hütte bauen, wo sie Herrenbesuche entgegennehmen.
Die Männer scheinen sich wenig um das Aussehen der Mädchen zu kümmern. Um ihren Geschmack zu erfahren, habe ich sie oft gefragt, welches Mädchen sie für die hübscheste hielten. Mit dem gewöhnlichen Takt der Indianer antworteten sie immer ausweichend. Die Männer kommen niemals um Frauen in Schlägerei. Dagegen herrscht bei den Frauen die Eifersucht. Mit Boxhandschuhen aus Tapirhaut (Abb. 37) oder einem anderen harten Material und schlimmstenfalls mit Pfriemen aus Knochen kämpfen sie um den begehrten Mann. Es scheint mir, als ob die Indianerfrauen sich mehr durch die Schönheit des Gesichts als des Körpers angezogen fühlten.[S. 88] Unter den Chorotimännern beobachtete ich besonders zwei, welche die Günstlinge der Frauen zu sein schienen. Nach meinen Begriffen sahen sie sehr gut aus. Diese Herren hatten stets an den Händen und im Gesicht Kratzwunden. Das sind Erinnerungen an zärtliche Neckereien. Ein Choroti- oder Ashluslaymädchen küßt niemals den Geliebten, sie kratzt ihn und speit ihm ins Gesicht. Die Chorotifrau sucht sich nach ihrer ersten Menstruation einen Mann aus, der einige Monate lang ihr Liebhaber ist, dann wechselt sie und lebt einige Jahre in Freuden. Schließlich wählt sie ihren Begleiter fürs ganze Leben und wird eine treue und sehr arbeitsame Frau.
Bei den Ashluslays sind die Verhältnisse ebenso frei wie bei den Chorotis, nur, wie mir scheint, etwas primitiver. Nach dem Tanze gehen Mädchen und junge Männer getrennt nach Hause. Die ersteren legen sich vor die Hütten, wo sie der Reihe nach von den letzteren besucht werden. Das sog. Schamgefühl scheint wenig entwickelt zu sein, mehrere Paare liegen zusammen, und Zuschauer sind nicht ungewöhnlich. Auch diese Mädchen werden, nachdem die Periode der freien Liebe zu Ende ist, gute und tüchtige Hausfrauen.
Die Choroti- wie auch wahrscheinlich die Ashluslaymädchen haben keine Kinder vor der Ehe. Dies wird, wie schon erwähnt, durch Abtreibung der Leibesfrucht und Kindesmord geordnet.
Der Leser des Obenstehenden meint wahrscheinlich, daß die „Moral“ unter meinen Pilcomayofreunden nicht hoch stehe. Ich will jedoch darauf hinweisen, daß die Chorotis und Ashluslays, trotz der vollständig freien Liebe in der Jugend, gesunde und kräftige Menschen sind, und daß diese Mädchen, die alle von Blume zu Blume geflogen sind, wenn sie einen eigenen Hausstand gründen, gesunde, wohlgestaltete Kinder bekommen. Durch die von den Weißen eingeführten Geschlechtskrankheiten degenerieren diese Stämme indessen und gehen unter. Die freie Liebe ist für diese Menschen etwas ganz Natürliches; daß in diesem sog. unmoralischen[S. 89] Leben etwas Unrechtes liegt, ist den Indianern und Indianerinnen vollständig unbekannt. Wir dürfen nicht glauben, daß diese Mädchen, die jede oder jede zweite Nacht ihren Liebhaber wechseln, irgendwie schlechter sind, als wenn sie unberührt wären. Sie sind gut und arbeitsam und werden, wie gesagt, tüchtige Hausfrauen und gute Mütter. Das Leben, das sie führen, ist für sie wie für ihre Eltern und anderen Verwandten etwas ganz Natürliches.
Die Chorotifrau wählt sich ihren Begleiter fürs Leben aus. Wie sie bei den Liebesabenteuern die Verführerin ist, so ergreift sie auch zu der festen Verbindung, in welcher sie Kinder zu bekommen gedenkt, die Initiative. Wie es in dieser Beziehung bei den Ashluslays ist, ist mir unbekannt.
In der Regel nimmt die Chorotifrau ihren Mann aus einem anderen Dorfe, doch kommen auch Ehen zwischen Individuen desselben Dorfes vor. Ehen zwischen Chorotis und Ashluslays sind in dem Grenzgebiet zwischen den beiden Stämmen, gleichwie auch zwischen Mataco-Notén und Chorotis und Mataco-Guisnays und Ashluslays nicht ungewöhnlich. In der Ehe zwischen Ashluslays und Chorotis folgen die Mädchen der Tätowierung der Frauen, die Knaben der der Männer.
Der Chorotimann zieht, wenn er sich verheiratet hat, nach dem Dorfe seiner Frau und wohnt dort wenigstens einige Zeit.
[S. 90]
Vielweiberei scheint sowohl bei den Chorotis wie bei den Ashluslays unbekannt zu sein. Geschwister- und Cousinehe ist verboten. Die Frau ist in der Regel einige Jahre jünger als der Mann. Nur einmal hörte ich von einer aufgelösten Ehe. Es war die meines Chorotifreundes Nyato, dessen Frau sich kurz vorher mit einem anderen Manne nach den Zuckerfabriken in Argentinien begeben hatte. Nyato war sehr melancholisch, aber doch schon wieder verheiratet.
Verschiedene Reiseschilderer[27] malen die Stellung der verheirateten Frau bei den Indianern als sehr beklagenswert aus. Dies rührt sicher in den meisten Fällen von einer oberflächlichen Beobachtung her. Man hat den nur seine Waffen tragenden Mann in Begleitung seiner mit dem ganzen Mobiliar beladenen Frau lange Wanderungen machen sehen und ist über die ungerechte Behandlung der Frau empört. Dies ist jedoch ganz natürlich und gerecht. Der Mann trägt die Waffen und keine andere Last, um bereit zu sein, die Seinigen zu verteidigen und zu jagen, wenn sich Gelegenheit bietet. Richtig ist, daß die Choroti- und Ashluslayfrauen hart arbeiten müssen, sie werden aber nicht schlecht behandelt. Die Männer helfen ihnen in vielem. Viele der von den Frauen angewendeten Werkzeuge werden von den Männern verfertigt. Ihnen gehören alle Geräte, Kleider usw., die sie anwenden, und die Männer respektieren ihr Besitzrecht. Macht der Mann ein Tauschgeschäft, wird die Frau oft um Rat gefragt.
Ich war einmal mit einem Chorotiindianer übereingekommen, mir gegen ein Waldmesser einen Matacoskalp, den er besaß, einzutauschen. Das Geschäft war schon geregelt, da kam seine Frau hinzu. Sie verbot den Tausch ganz einfach. Schließlich bot ich für den Skalp ein Pferd, aber es half nichts. Die Alte war eigensinnig, und der Mann stand unter „der Sandale“.[S. 91] Man sollte wirklich meinen, daß der Mann über eine Kriegstrophäe, die er selbst erworben, auch zu verfügen habe.
Die Frau repräsentiert das arbeitende Element im Stamme, sie ist aber keine Sklavin. Vollkommen freiwillig arbeitet sie fleißig für den Unterhalt ihrer Familie.
An den großen Trinkgelagen, die ich späterhin besprechen werde, nehmen sowohl Chiriguanofrauen als -männer teil. Die letzteren nehmen jedoch den Ehrenplatz ein. Die Choroti- und Ashluslaymänner vertrinken alles allein. Bei allen diesen Indianern essen Frauen und Männer nicht gemeinsam. Man hat auch an das zu denken, was wir betreffend des Geschlechtslebens der verschiedenen Stämme kennen gelernt haben. Die Chorotifrau wählt sich ihren Begleiter durchs Leben, bei den Chiriguanos ergreift der Mann die Initiative. Die Chorotifrau wählt sich einen Mann, um für und mit ihm zu arbeiten, während die Chiriguanofrau gemeinsam mit dem Manne für das Haus arbeitet. Verheiratet sich ein Chorotimädchen, so ist sie schon etwas verblüht. Der Chiriguanoindianer nimmt ein unberührtes Mädchen zur Frau. Für die Chorotifrau beginnt mit der Heirat die dritte Periode ihres Lebens, die Arbeitsperiode, die Chiriguanofrau hat, wenn sie sich verheiratet, noch ihre Jugend und kann ihrem Mann noch gefallen. Wir sehen somit, daß die Stellung der Frau eine bessere ist, wenn die Männer werben, als wenn sie es selbst tut.
Die verheirateten Frauen nehmen niemals am Tanz teil, die verheirateten Männer höchst selten. Wenn die letzteren tanzen, tun sie es in fremden Dörfern und vielleicht, ohne daß die Frau etwas davon weiß. Die verheiratete Frau betrügt ihren Mann in der Regel nicht, auf die Treue des Mannes kann sie sich jedoch nicht allzusehr verlassen. Hat er eine Geliebte, und bekommt die Frau sie in ihre Hände, dann entsteht eine Schlägerei, und oft eine blutige.
Die Indianerfrau gebiert leicht und geht schnell, oft schon nach einem Tage, wieder an ihre Arbeit. Eine ältere Frau übernimmt die Rolle der Hebamme. Bei den Chorotis kommt,[S. 92] wie bei vielen anderen Indianerstämmen, der Brauch vor, daß der Vater des Kindes im Wochenbett liegt und Diät hält.
Die Chorotis haben in der Regel nur zwei bis vier Kinder, die Ashluslays scheinen etwas mehr zu haben. Zwillinge habe ich niemals bei den Indianern gesehen. Keine dieser Indianerfrauen schafft sich ein neues Kind, bevor das vorhergehende herumlaufen kann und ihr nicht allzusehr zur Last fällt. Für diese Indianer, die umfassende Wanderungen vornehmen, ist es nicht ratsam, daß jede Frau mehr als ein Kind hat, das beständig getragen werden muß. Das Zwei- bis Dreikindersystem ist deshalb hier ein gesunder und natürlicher Brauch.
Die Kinder bekommen in der Regel erst Namen, wenn sie alt genug sind, um darauf zu hören. Einige Chorotinamen habe ich aufgezeichnet, z. B. für Männer Yóselianéc (Fuchstöter), Hótenic (Mataco), Éstiáhua (Charata, ein Hühnervogel), und für Frauen Häku (nicht süß), Kósoki (mit Ausschlag), Aséshnialo (viele Frauen).
Die Frau repräsentiert hier, wie ich gesagt habe, das fleißigste Element des Gemeinwesens. Auf ihr Los kommt vor allem das meiste der Arbeit innerhalb des Dorfes. Die Frau führt bei diesen Indianern beinahe alle die Arbeit aus, die Kunstfertigkeit und Geduld erfordert. Sie bindet die stilvollen Taschen aus Caraguatáfasern (Abb. 48), webt (Abb. 52) und macht Tongefäße (Abb. 54), alles das, was Handfertigkeit erheischt. Nur in der Holzarbeit zeigt der Mann Proben seiner Arbeitstauglichkeit. Der Mann hat hier die Industrie übernommen, zu welcher die schneidenden Werkzeuge, welche er früher von den auf der Jagd und beim Fischfang von ihm getöteten Tieren erhielt, erforderlich sind, und er ist auch im Besitze der oft wenigen eisernen Messer, die im Stamme vorhanden sind und die er von den Weißen erhalten hat. In abgelegenen Dörfern im Chaco leben die Frauen noch oft im „Holzalter“ und wenden Werkzeuge aus hartem Holze an, während die Männer Messer aus Eisen haben.
Die Wetzsteine, die man im inneren Chaco im Besitze der Indianer findet, sind alle von weit her und sind sicher[S. 93] durch Handel zwischen den Stämmen nach dem Chaco gekommen. In früheren Zeiten waren die Steine sicher kostbar und die Steingeräte selten. Vielleicht haben sie niemals Steinwerkzeuge gehabt. Ich habe in keinem Dorfe eine Steinaxt gesehen und niemals gehört, daß bei den Chorotis oder Ashluslays solche gefunden worden sind. Harte Hölzer und Knochen, aus denen Werkzeuge gemacht werden können, gibt es dagegen in reicher Fülle. Noch sieht man auch, wie schon erwähnt, besonders bei den Ashluslays viele solche primitive Werkzeuge und Geräte im Gebrauch (Abb. 17). Die Holzgeräte sind beinahe alle aus Palosanto[28][29], einem sehr harten, schweren und wohlriechenden Holze. Um diese Geräte herzustellen, sucht man an den Stellen, wo der Wald niedergebrannt ist und viel getrocknetes Holz auf der Erde liegt, Stücke von geeigneter Form und Größe aus. Nach der Angabe eines alten Ashluslayhäuptlings, Mentisa, wurden die Holzgeräte früher mit Holz, Muschelschalen und Feuer bearbeitet. Steingeräte kannte er nicht. Die Mörtel brennen die Ashluslays noch aus. Außer primitiven Gerätschaften aus Holz sieht man auch solche aus Zähnen, Knochen und Muschelschalen.
Der Mangel an Steinen ist bei den Ashluslays so groß, daß man sie ihre von den Weißen erhaltenen Messer sehr oft an den Blättern der Holzspaten schleifen sieht. Deshalb ist auch die eine Seite der Spaten gewöhnlich vollständig glattpoliert.
In diesem primitiven Gemeinwesen ist die Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern äußerst streng durchgeführt. Es[S. 94] kann niemals die Rede davon sein, daß ein Mann z. B. ein Tongefäß formt oder eine Frau einen Spaten schnitzt. Das wäre ganz einfach unerhört. Jedes Geschlecht stellt indessen nicht alles her, was es anwendet. So sind die Mäntel und Taschen der Männer von den Frauen gearbeitet, während die Holzwerkzeuge, die die Frauen benutzen, von den Männern geschnitzt werden.
Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen.
Männer
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Frauen
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Fischfang
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+
|
+[30]
|
Jagd
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+
|
|
Einsammeln von Honig
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+
|
?
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Netzstricken
|
+
|
|
Mattenbinden
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+[31]
|
|
Federarbeit
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+
|
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Landbau (Jäten des Ackers)
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+
|
+
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Säen
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+
|
+
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Ernten
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+
|
+
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Kochen
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+[32]
|
+
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Holztragen
|
+
|
|
Bereitung berauschender Getränke
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+[33]
|
+
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Keramik
|
+
|
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Holzarbeiten
|
+
|
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Herstellung von Taschen aus Caraguatá
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+
|
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Lederarbeiten
|
+
|
+
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Waffenanfertigung
|
+
|
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Schneiden von Kalebassen
|
+
|
|
Hausbau
|
+
|
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Weben, Bänderflechten
|
+
|
|
Einsammeln wilder Früchte
|
+
|
|
Viehzucht
|
+
|
|
Nähen
|
+
|
+
|
Die Ashluslay- und Chorotistämme sind sozial insofern gleichgestellt, als ein Chorotimädchen ein Liebesverhältnis mit einem Ashluslaymann, und eine Ashluslayfrau ein solches mit einem Chorotimann haben kann. Anders verhält es sich z. B. zwischen Chorotis und Chiriguanos. Chiriguanoindianer haben sehr häufig zufällige Verbindungen mit Chorotimädchen, wenn sie sich auf einem gemeinsamen Arbeitsplatz[S. 95] treffen; daß eine Chiriguanoindianerin sich einem Chorotiindianer hingäbe, ist dagegen undenkbar. Die Chiriguanos sehen auf die anderen Chacostämme herab, und diese bewundern ihrerseits die Chiriguanos.
Wie bei mehreren anderen Volksstämmen, wo die freie Liebe blüht, hat sich diese Institution bei den Chorotis und anderen Chacostämmen zur Prostitution entwickelt, wenn der Stamm mit den Weißen in Berührung kam. So schicken die in dieser Beziehung den Chorotis moralisch gleichstehenden Tobas Gruppen junger Mädchen unter Leitung einer älteren Frau nach Argentinien. Die Matacos sagten offen, am besten verdienten in den Fabriken die jungen Mädchen. Die Chorotimädchen verkauften sich an die Weißen für ca. 50 Centavos oder vier Ellen Zeug. Die bolivianischen Soldaten bekamen sie für ein Stück Brot. Die jüngsten Mädchen hielten sich in der Regel ausschließlich an die jungen Indianer und mischten sich wenig mit den Weißen. Die verheirateten Frauen hatten niemals Verbindungen mit den Weißen. Bei den Ashluslays hat das Verderben 1909 noch wenig Eingang gefunden.
Von älteren unverheirateten Mädchen habe ich bei den Chacoindianern nie reden hören. Dagegen wurde mir bei den Chorotis als große Merkwürdigkeit ein Mann gezeigt, der niemals eine Frau gehabt hatte.
[24] Dicholophus Burmeisteri.
[25] Das Schwirrholz besteht aus einer ovalen Holzscheibe, an die man eine Schnur gebunden hat.
[26] Lehmann-Nitsche. Patagonische Gesänge und Musikbogen. Anthrop. Bd. III. 1908. Siehe auch weiterhin in diesem Buche.
[27] Eine richtige Auffassung der Stellung der Frau im indianischen Gemeinwesen hat Koch-Grünberg in seiner ausgezeichneten Schilderung des Indianerlebens am Rio Negro gegeben. Zwei Jahre unter den Indianern. Berlin 1909.
[28] Bulnesia Sarmienti.
[29] Infolge der Armut an Steingeräten wäre das archäologische Studium eines Volkes, das auf seinen Begräbnisplätzen nicht mehr hinterlassen hat, als die Chacovölker, eine sehr undankbare Aufgabe. Wenige Tonscherben, Schneckenschalen und knöcherne Pfriemen sind alles, was man finden könnte. Sie legen sehr wenig Beigaben in die Gräber. Die Völker, die auf demselben Standpunkt wie die Chacovölker gestanden und unter ähnlichen Verhältnissen gelebt haben, können wir niemals durch archäologische Forschungen näher kennen zu lernen hoffen.
[30] Mit Körben bei den Ashluslays.
[31] Nur bei den Ashluslays.
[32] Rösten der Nahrung.
[33] Nur Gären.
[S. 96]
Man könnte beinahe sagen, daß das Leben für den Choroti- und Ashluslayindianer aus drei Perioden besteht. Die erste ist dem Spiele, die zweite der Liebe und die dritte dem Trinken geweiht. Der Mann hat ja auch einige Zeit der Versorgung seiner Familie zu widmen, aber am meisten interessieren ihn, wenn er älter ist, die Trinkgelage. Die Frauen bereiten die berauschenden Getränke zu und verwenden darauf einen außerordentlichen Fleiß. Den ganzen Tag streifen sie umher, um die Früchte, aus denen jene bereitet werden, zu sammeln, zu mahlen, zu kochen usw., und gleichwohl sind sie von den Festen vollständig ausgeschlossen. Das einzige, womit der Mann sich befaßt, ist die Gärung. Diese ist der Gegenstand einer geradezu religiösen Sorgfalt.
Die geistigen Getränke werden aus Tusca, Algarrobo, Chañar, Wassermelone und Mais bereitet. Alle diese, mit Ausnahme solcher aus Wassermelonen, habe ich gekostet. Sie sind, außer dem aus der Algarrobo bereiteten, der infolge des großen Zuckergehalts der Frucht außerordentlich alkoholreich ist, ziemlich unschuldig. Im November und Dezember, wo die Algarrobofrucht reif ist, finden auch in den Choroti- und Ashluslaydörfern wilde Zechgelage, tägliche Orgien statt, an denen der arme Ethnograph, falls er mit den Indianern auf gutem Fuß zu stehen wünscht, teilzunehmen gezwungen ist.
Das Tuscabier wird so zubereitet, daß man die Frucht mahlt, Wasser hinzusetzt und das Ganze dann in einer[S. 97] schmutzigen Haut oder in großen Kalebassen gären läßt. Eines Nachts war ich mit dabei, als in einem Chorotidorf das Tuscabier gegoren wurde. Dies begann damit, daß zwei Männer im Männerhaus, den Rücken einander zugewendet, um das Feuer herumsaßen und sangen und den Takt mit den Kalebaßklappern angaben. Etwas später setzte man sich um die Haut, in welcher man das Bier zu gären begann. Ein Mann und ein Jüngling sangen, von einer Klapper akkompagniert, das Gesicht dem Monde zugekehrt. Hier und da johlten und klapperten andere Männer. Hierauf wurde die Tongefäßtrommel herbeigeholt und auf einen Strohring[S. 98] gestellt. Mit eintönigen Schlägen begleitete man den Gesang. Mitten in der Nacht wurde er unterbrochen und man lief nach dem Fluß und fischte mit ganz gutem Erfolg. Die Fische wurden geröstet und verzehrt. Nachdem das Nachtmahl gehalten war, begann wieder der Gesang und wurde mit einer Trommel und vier Klappern fortgesetzt. Die Gesänge kamen mir wie bloße Refrains vor: Höö, höö, höö, höö, la e la, höö, la e la ... höö, höö, la e la. Man sang erst leise, dann plötzlich ansteigend und wieder abfallend. Mehrere johlten unisono. Ruhte die eine Gruppe, so begann eine andere. Des Morgens wurde wieder gefischt und zum Frühstück das mit so großer Sorgfalt zubereitete Tuscabier getrunken, das, nachdem es durch eine schmutzige Tasche geseiht worden war, in Kalebaßschalen gereicht wurde. Die Choroti glauben durch Singen die Gärung zu beschleunigen.
Das Tuscabier hat einen säuerlichen, erfrischenden Geschmack, aber einen ekelhaften Geruch.
Die Chañarfrüchte kocht man und läßt sodann die ganze Suppe gären.
Die Algarrobofrüchte werden gemahlen und in Wasser gewärmt, worauf man sie, wie die vorhergehenden, in großen schmutzigen Kalebassen oder in gewaltigen Holzmulden aus Flaschenbaumholz[34] gären läßt. Die Ashluslays habe ich die Hefe in der Weise bereiten sehen, daß sie einen Teil des gemahlenen Algarrobo kauen und dann zu dem übrigen hinspeien. Das Chañarbier hat einen süßsäuerlichen, etwas ekligen Geschmack, das Algarrobobier ist gut. Es hat einen süßen, etwas zusammenziehenden Geschmack. Hat es zu lange gegoren, so ist es stark berauschend. Wie das Maisbier zubereitet wird, habe ich nicht gesehen. Es ist bei einer Menge Indianerstämme in Südamerika gut bekannt. Es hat einen erfrischenden, angenehmen Geschmack.
Bei den Ashluslays habe ich an verschiedenen großen, bei den Chorotis an einigen kleineren Trinkgelagen teilgenommen.[S. 99] Es war interessant, hat aber einige Selbstüberwindung gekostet. In den Dörfern befindet sich gewöhnlich ein den Trinkgelagen geweihter Platz. Um die Mittagszeit versammeln sich dort die Männer, jeder kommt mit seiner Sitzmatte und seiner zwei bis drei Liter haltenden Kalebaßschale. Die Frauen schaffen gewaltige Kalebassen mit Bier herbei. Dies wird zuweilen in ein großes Tongefäß (Abb. 40) gefüllt, aus dem es dann dargereicht wird. Bei einem Fest bei dem alten Aslú wurde das Algarrobobier in einem echt europäischen Nachtgeschirr von wohlbekannter Form herumgereicht. Die Alten fischen mit den Händen den Staub aus dem Bier, das sie dann zwischen den schmutzigen Fingern durchseihen.
Der Gast wird, besonders wenn er das Unglück hat, beliebt zu sein, sehr gut behandelt. Er erhält eine Sitzmatte und eine zwei bis drei Liter enthaltende Kalebasse. Setzt er sich, winken ihm alle mit der Hand zu, und er muß das gleiche tun. Das ist ein Gruß. Dann heißt es trinken, denn hier gilt es auszutrinken, sonst ist man unhöflich. Ist es einem gelungen, seinen Liter herunterzubekommen, ohne sich zu übergeben, dann beginnt wieder das Winken. Die in der Nähe sitzenden Alten wischen einem nun, der eine nach dem anderen, immer mit ihren schmutzigen Fingern den Mund. Das ist der Gipfel der Freundlichkeit. Muß man nach allem diesem einmal austreten, dann darf man keinesfalls vergessen, seinen Nachbarn mit der Hand zuzuwinken und „paa“ zu sagen, denn sonst ist man ungezogen. Das schlimmste ist, daß man zurückkommen und aushalten muß, bis das Fest aus ist, bis die Wirte betrunken sind und heulen, Reden halten, in die Bowle spucken und sonst ihr Vergnügen haben.[S. 100] Ohne die Pfeifenspitze abzuwischen, muß man ruhig mit alten, schmutzigen, geifernden Greisen abwechselnd rauchen.
Als die Alten richtig in Stimmung gekommen waren, haben sie mir das Gesicht mit Ruß und Speichel schwarz bemalt. Meine Augenbrauen und Augenhaare wollten sie ausreißen, sie verspotteten mich wegen meines langen, häßlichen Bartes, in meine Ohren wollten sie Löcher bohren.
Bei diesen Trinkgelagen, wo alle betrunken sind, habe ich niemals ein hartes Wort sagen hören, niemals bemerkt, daß die geringste Zänkerei entstanden ist. Ist der Indianer von seinem selbstgebrauten Bier betrunken, so ist er nicht angenehm, er wird aber niemals unverschämt, er gehört zu dem Typ Betrunkener, die alle umarmen wollen, deren Freundlichkeit unangenehm übertrieben ist. Er wird mutig und prahlt mit seinen Kriegertaten. Feldzugspläne werden besprochen, die vergessen sind, wenn der Rausch vorüber ist. Er singt und ist heiter.
Will man das Herz dieser Indianer gewinnen, so muß man versuchen, ihr Leben zu leben, alles zu essen und zu trinken, was einem angeboten wird, mit ihnen zu tanzen und zu singen, sich ins Gesicht speien zu lassen und so wie sie gekleidet zu gehen.
Man muß auch, ebenso wie wenn man unter weißen Menschen ist, taktvoll und rücksichtsvoll auftreten, wie die Indianer selbst. So manches Mal habe ich Beispiele von dem taktvollen Auftreten der Indianer gesehen. Nach einem großen Fischzug, den einige Ashluslays und Chorotis gemeinschaftlich vorgenommen hatten, kam ich mit einigen Chorotis vorbei. Ich tauschte mir bei den Indianern zwei Arten Fische ein, eine dritte bekamen meine Begleiter als Geschenk. Ich ließ meine Freunde durch den Dolmetscher fragen, welche Art Fische die beste sei, dieser wollte aber, offenbar um den Geber nicht zu verletzen, der einen weniger guten Fisch geschenkt hatte, meine Frage nicht beantworten.
Der Branntwein ist bei den Ashluslays noch unbekannt, und auch die Chorotis haben selten Gelegenheit, solchen zu[S. 101] trinken. Das kommt aber wohl noch, dafür sorgen schon allmählich die Weißen. Auf der argentinischen Seite des Rio Pilcomayo gibt es schon genug Feuerwasser und ein auserlesenes Gesindel Weiße. Die Bolivianer, die den Rio Pilcomayo hinuntergedrungen sind, sind dagegen in der Regel anständige Menschen.
Man sagt ja, keine Mauer sei so hoch, daß nicht ein goldbeladener Esel hinüberkomme. Mit einem mit Tabak beladenen Esel kommt man im Chaco beinahe überall durch, auch in Gegenden, wo das Gold als wertlos betrachtet wird. Teilt man in den Dörfern etwas Tabak aus, wird man gut aufgenommen und kann Essen und alles, was man braucht, eintauschen. Ein großer Tabakvorrat ist das Akkreditiv, das jeder, der unter den Indianern des Chacos reisen will, mithaben muß. Die Indianer sind in so hohem Grade passionierte Raucher, daß ein alter, verdorbener weißer Tabakraucher darüber in Staunen geraten muß. So boten mir die Mataco-Guisnay am Rio Pilcomayo für ein bißchen Tabak ihre Messer, ihre unentbehrlichen Messer an. In jedem Indianerdorf im Chaco, in das ich gekommen bin, habe ich auch[S. 102] reichlich Tabak ausgeteilt und damit einen sicheren Grund zur Freundschaft gelegt.
Es ist merkwürdig, daß die Indianer so eifrig hinter dem Tabak her sind, da sie doch selbst solchen bauen. Man braucht indessen ihren Tabak nur zu versuchen, um zu verstehen, daß sie lieber den des weißen Mannes rauchen, denn ihr eigener ist geschmacklos und schlecht. Sie verstehen offenbar nicht, ihn aufzubewahren, sondern lassen ihn vermodern, so daß er wie Kompost aussieht. Die Chacoindianer wollen starken Tabak. Sie sind alle Pfeifenraucher, und man sieht im Chaco einen großen Reichtum an Pfeifentypen.
Die Frauen rauchen in der Regel nicht. Eine Ausnahme bilden jedoch die Chorotimädchen, die viel mit Weißen gelebt haben. Schenkt man einer Frau Tabak, so gibt sie das Erhaltene ihrem Manne. Die Knaben sind, wenn sie über Tabak kommen, große Raucher. Oft sieht man Knaben von vier bis fünf Jahren mit Wohlbehagen qualmen.
Die Indianer rauchen, wie schon erwähnt, immer abwechselnd, d. h. die Pfeife geht von Mund zu Mund. Jeder tut ein paar kräftige Züge und dann geht die Pfeife weiter zum nächsten Mann. Manchmal ist es mir passiert, daß ein Indianer mir die Pfeife oder Zigarette aus dem Mund genommen, einige Züge getan und sie mir dann wieder in den Mund gesteckt hat. Man gewöhnt sich so sehr an diese Sitte, daß man sich förmlich geniert, so geizig zu sein, allein zu rauchen. In der Regel reichte ich meine Pfeife nach ein paar Zügen einem Indianer, um sie dann, wenn sie die Reihe entlang gegangen war, ausgeraucht zurückzubekommen. Die Chorotis im Chaco mischen den Tabak oft mit Spänen einer außerordentlich wohlriechenden Rinde, was dem Rauch einen sehr pikanten Geschmack gibt. Diese Rinde erhalten sie von den bei Caiza, nahe den letzten Ausläufern der Anden gegen den Chaco, wohnenden Chorotis.
Besonders liegt es den Indianern am Herzen, daß bei den Trinkgelagen genügend Tabak vorhanden ist. Dieser ist[S. 103] ebenso notwendig, wie Zigarren zum Punsch und Kaffee für viele Schweden. Wandert man mit diesen Indianern, so muß man sich auch darein finden, daß jede zweite Stunde Halt gemacht und eine Pfeife geraucht wird. Dies ist so wichtig, daß man es nicht im Gehen tun kann, sondern sitzend, in allerschönster Ruhe, soll man den herrlichen Rauch genießen.
Jedem, der im Chaco reist, will ich deshalb den Rat geben, so viel Tabak mitzunehmen, wie man es für Geschenke und Tauschwaren erforderlich hält — und dann noch einmal soviel — dann reist man je nach den Verhältnissen ebensogut wie derjenige, der in der zivilisierten Welt mit einer mit Gold gespickten Börse reist.
Nach den großen Trinkgelagen werden die Indianer nicht selten krank. Irgendeiner hat eins seiner eigenen Haare oder Exkremente in das gelegt, was er getrunken hat. Er ist verhext worden. Die Medizinmänner werden herbeigerufen, um die Verhexung zu lösen. Will man nicht verhext werden, dann hat man, wenn man in einem fremden Dorfe ist, vor allem darauf zu achten, daß niemand sieht, wo man seine Bedürfnisse verrichtet. Man setzt sich sonst dem aus, daß man etwas davon zu essen bekommt, und das soll nicht gut sein.
Mehrmals habe ich die Medizinmänner in den Dörfern bei der Ausübung ihres Berufs gesehen. Eines Tages, als ich bei den Chorotis war, fühlte ich mich etwas unwohl und ließ einen dieser Herren nach meinem Lager rufen. Ich gab vor, im unteren Teil der Brust einen heftigen Schmerz zu verspüren, und fragte ihn, ob er mich heilen wolle. Er versprach mir am Abend zu kommen. In der Dunkelstunde fand er sich zusammen mit einem Kollegen ein. Sie verlangten allein mit mir gelassen zu werden. Moberg und Andersson wurden hinausgewiesen und Posten wurden aufgestellt, damit kein Unbefugter in die Hütte komme.
Zuerst mußte ich mich nackend ausziehen und hinlegen. Dann strichen sie mir über Brust, Seiten und Magen und[S. 104] hierauf bespuckten sie mich. Danach begannen sie mich anzupusten und später legten sie sich nieder und saugten kräftig an meiner Brust, besonders an der Stelle, wo ich mich über Schmerzen beklagt hatte. Nachdem sie ein Weilchen gesaugt hatten, wandten sie sich ab und taten, als übergäben sie sich. Das Erbrochene zeigten sie mir nicht, als sie es aber zwischen den Fingern zermahlten, sah es aus, als ob sie Würmer zerdrückten. Das Ganze dauerte wohl eine Stunde, und als ich mich wieder ankleiden durfte, hatte ich überall Saugflecken. Die werten Herren unterhielten während der ganzen Heilung ein lebhaftes Gespräch, das ich nicht verstand. Aus der Mimik konnte ich jedoch verstehen, daß es sich um eine Konsultation (Beschwörung) handelte. Als Honorar erhielt der eine Arzt ein Hemd und der andere ein Paar enganschließende Unterhosen.
Früh am folgenden Tage versammelte sich um mein Lager eine Menge schmutziger alter Männer, die sich nach meinem Wohlbefinden erkundigten. Es war offenbar die ganze medizinische Fakultät der Chorotis. Ich erklärte mich vollständig geheilt, und meine Chorotiärzte lächelten selbstgefällig und zufrieden, ganz so, wie es manche ihrer zivilisierten Kollegen in ähnlicher Lage ebenfalls getan hätten.
Einmal erkrankte der Sohn eines alten, einflußreichen Chorotihäuptlings vom Ashluslaystamm, und es wurden nicht weniger als sieben Medizinmänner gerufen. Es waren offenbar bedeutende Männer aus beiden Stämmen, von denen einige von weither gekommen waren. Der Fall wurde als schwierig betrachtet. Wahrscheinlich war es Kolik. Ein Schaf wurde geschlachtet, und den werten Herren wurden große Haufen Essen vorgesetzt. Die Höflichkeit erfordert augenscheinlich, daß die Medizinmänner während der ganzen Zeit, wo sie ihren Beruf nicht ausüben, essen sollen. Mehreremal ging ich hinein und setzte mich zu ihnen, teilte Tabak aus und konnte somit sehen, wie sie den Mann heilten. Wenn sie nicht aßen, so saugten sie und spuckten und bliesen ihn an. Zuweilen saugten sie alle auf einmal, zeigten etwas mit einer wichtigen[S. 105] Miene, gingen dann abseits und vergruben es. Ich benutzte die Gelegenheit und bat sie mir zu zeigen, was es sei, und der Arzt — der Zauberer — reichte mir einige Haare.
Als dieser Indianer geheilt wurde, saßen sowohl Kinder wie Frauen um die Medizinmänner, und diesem bewundernden Publikum zeigten die werten Herren, was sie aus dem Körper des Kranken herauszusaugen vermocht hatten.
Für den Kranken hatte man einen Krankenstuhl gemacht, den wir hier auf der Zeichnung sehen (Abb. 44). Er bestand aus drei in den Boden gestoßenen und mit Querriegeln verbundenen Stangen. Man kann ruhig sagen, daß er einfach war. In diesem Stuhl oder richtiger gegen diese Stütze saß der Kranke, um sich auszuruhen.
Auch Neugeborene habe ich durch Aussaugen heilen sehen. Auch Weiße lassen Medizinmänner kommen, und diese erzählten, wie sie jene geheilt hätten, nachdem alle möglichen Arzneien, die sie für teures Geld gekauft hatten, nichts geholfen hätten. Ich meine auch, die ärztliche Kunst der indianischen Medizinmänner kann ebenso gut sein, wie elektrisches Öl, Williams Pillen, das wundertätige Salz und andere von den Weißen hier massenweise verkaufte amerikanische Humbugarzneien.
In diesem Zusammenhang will ich auch erzählen, wie ich bei den den Chorotis und Ashluslays kulturell nahestehenden Matacoindianern eine kranke Frau habe heilen sehen.
Eines Nachts besuchte ich einige Matacoindianer, die ihr Lager vor der Zuckerfabrik Esperanza in Argentinien aufgeschlagen[S. 106] hatten, wohin sie gekommen waren, um Arbeit zu suchen. Sie hatten mir versprochen, bei einem ihrer Tänze zugegen sein zu dürfen. Das Tanzlokal war der offene Platz zwischen den Hütten. Die Beleuchtung war eine von mir mitgebrachte kleine Laterne. Die Trachten waren von den Weißen gekaufte Kleider sowie Glocken und Klappern. In den Händen hatten die sechs Tänzer Stöcke. Eigentümlicherweise hatten einige von ihnen ein Tuch über das Gesicht (entsprechend Tanzmasken?). Erst standen alle außer einem still. Dieser tanzte umher, indem er Laute wie ä, ä, ä, jä, jä, jä, lä, lä ... ausstieß. Dann liefen drei von ihnen im Gänsemarsch im Kreise herum und dann unter Geheul in mehreren Schlangenwindungen. Hierauf kam eine kranke Frau hinzu, und sie umtanzten dieselbe heulend und mit gebogenen Knien, indem sie mit den Füßen auf- und niederstampften. Von der Frau entnahm einer von ihnen sechs angekohlte schwarze Stäbchen, von denen er eins aus dem Rücken und eins aus dem Unterrock hervorholte. Diese warf er dann ein Stückchen von sich auf den Boden, wo ich sie mir holte. Der Dolmetscher sagte mir, diese, die die Ursache ihrer Krankheit seien, hätten sie aus ihrem Körper herausgeholt. Hierauf wurde der Tanz eine längere Zeit in derselben Weise fortgesetzt.
Die Matacos verhexen, wie der bolivianische Gouverneur, Dr. L. Trigo, mir erzählt hat, auf folgende Weise: Sie sammeln von dem Feinde, den sie verhexen wollen, Exkremente, Urin, Speichel, Haare, Nägel. Alles dies stopfen sie einem Frosch ins Maul und nähen dann Maul, Nasenlöcher, Ohren und andere Öffnungen des Frosches sorgfältig zusammen. Darauf hängen sie ihn in der Nähe einer Feuerstätte auf, wo er anschwillt und stirbt. Dasselbe widrige Schicksal trifft den, der verhext werden soll, unter ähnlichen Qualen stirbt er. Die Verhexung kann nur von einem Medizinmann gelöst werden, der größere Kraft hat, als derjenige, der verhext hat.
Auch wenn ein Hund stirbt, so glauben die Indianer, daß er verhext worden ist. Ein weißer Mann hatte einige[S. 107] Matacohunde mit Strychnin vergiftet, und als nun die Matacos den einen Hund nach dem anderen plötzlich krank werden und sterben sahen, fürchteten sie diesen Weißen, der, wie sie glaubten, ihre Hunde verhext hatte, sehr.
Die Chorotis und Ashluslays sowie auch die hier oben genannten Matacos wenden auch eine große Anzahl Pflanzen als Heilmittel an. Diese werden nicht von den Medizinmännern verordnet, sondern sind allen Mitgliedern des Stammes bekannt.
Den lateinischen Namen dieser Pflanzen kenne ich nicht. Ich gebe hier einige mit ihrem Namen auf Choroti wieder:
toshsala — wird gekocht und der Kopf damit gebadet, wenn man krank ist;
lákiole — wird gekocht; es werden bösartige Geschwüre damit gewaschen;
lácosoki — wird wie das vorige angewandt;
lashhuätis — wird gekocht und bei Magenschmerzen getrunken;
lahuóle — wird getrocknet und in einen hohlen, schmerzenden Zahn gelegt;
lésini cósoki — wird gemahlen und geweicht und dann in ein schmerzendes Ohr gestopft.
Wird jemand von einer Schlange gebissen, lassen die Matacos die Menstruation in die Wunde träufeln. Das Mittel soll auch von den Weißen in Argentinien angewendet werden. Die Chorotis wenden die Asche gewisser Pflanzen für bösartige Geschwüre, Schanker u. dgl. an. Merkwürdigerweise scheinen sie den Schanker heilen zu können, denn sie bekommen selten Bubonen.
Von dem englischen Arzt Dr. Paterson, an der im Anfang dieses Buches erwähnten Zuckerfabrik, bekamen die Indianer das Zeugnis, daß sie, im Gegensatz zu den argentinischen Mestizen, sehr geduldig sind, wenn es gilt Schmerzen zu ertragen.
Ich selbst habe auch einige Male während meines Aufenthaltes unter den Indianern im ärztlichen Gewerbe gepfuscht,[S. 108] hörte aber bald wieder damit auf. Es ist unmöglich einen Indianer zu bewegen, sich eine längere Zeit zu pflegen. Es soll gleich wieder gut sein, sonst taugt das Heilmittel nichts. Morphium, Kokain und Opium sind die einzigen Mittel, die ihren Beifall haben. Diejenigen, die in den Zuckerfabriken die Vakzinierung gegen Pocken kennen gelernt haben, wollen auf dem Arm gern die drei wundertätigen Male haben.
Ich habe niemals einen Choroti oder Ashluslay sterben sehen, habe aber (1902) einige der ersteren ausgegraben. Dies ist mit Genehmigung der Verwandten geschehen. Durch ein kleines Geschenk an jeden Verwandten läßt sich dies leicht ordnen. Eigentümlicherweise kam es bei den den Chorotis nahestehenden Matacos ein paarmal vor, daß die Verwandten beim Ausgraben zugegen waren. Sie fanden die Sache ganz natürlich und zeigten gar keine Furcht.
Beigaben traf ich nur sehr wenige. Das einzige, was der Tote mitbekommen hatte, war eine Tasche mit einem Pfriemen, einem Löffel oder sonst einer Kleinigkeit sowie vereinzelt eine Schale, die Wasser enthalten hatte.
Von dem, was diese Indianer über das Schicksal der Menschen nach dem Tode glauben, weiß ich nicht viel. Die Geister gehen eine Zeitlang in den Häusern und Wäldern umher. Die Matacos meinten, ihre Toten seien nicht gefährlich. Dagegen wollen die Toten der Christen die Nachtwandrer gern erschrecken. Sie wandern somit auch in Feld und Wald umher. Die Matacos nennen die Geister „aut“. Sie sagen, sie verschwänden allmählich. Die Chorotis nennen sie „amoxi“. Ein Mataco hat auf meinen Wunsch einen solchen Geist gezeichnet, welches Porträt ich hier wiedergebe. Die Punkte um seinen Körper bedeuten die Kleider (Abb. 45).
Stirbt der Mann oder ein anderer naher Verwandter, so schneiden sich die Ashluslay- und Chorotiweiber mit den scharfen Zähnen des Palometafisches die Haare ab und verbrennen sie. Für seine eigene oder eine andere Frau begeht[S. 109] der Mann nicht die gleiche Aufopferung. Wenn man in einem Choroti- oder Ashluslaydorf wohnt, so hört man besonders des Morgens beinahe immer lautes Klagen und Singen. Auf diese Weise werden die Toten beweint. Wir sind alle Brüder und Schwestern, sagen die Indianer. Wir trauern gemeinsam. Eine richtige Mutter trauert tief über ihr totes Kind, ob sie nun in einem feinen Hause in Europa oder in einer kleinen grasbedeckten Hütte am Ufer des Pilcomayo sitzt, und ebenso betrauern die Kinder eine Mutter, die für sie gearbeitet und gestrebt hat. Bei den Ashluslays und Chorotis wird mit der Trauer viel Spektakel gemacht, ich bin aber fest überzeugt davon, daß bei ihnen auch viel wirkliches Gefühl vorhanden ist. Berufstrauerweiber kommen bei diesen Indianern nicht vor.
Über die religiösen Vorstellungen der Chorotis und Ashluslays habe ich nur sehr wenig erfahren können. Sie glauben, wie schon erwähnt, an ein Leben im Jenseits. Ein großer, allmächtiger Gott ist ihnen etwas Fremdes, gleichwohl scheint aber dieser Begriff sich Eingang zu verschaffen. Diese Indianer hören auf den Arbeitsfeldern von der Religion, von der die katholischen Missionare reden, und teilen dann das Gehörte anderen mit. Auf diese Weise verbreiten sich auch außerhalb des direkten Wirksamkeitsfeldes der Missionare dunkle Vorstellungen über das Christentum. Die Menge übernatürlicher, mächtiger Wesen in den Sagen der Chanes und Chiriguanos, mit denen wir späterhin Bekanntschaft machen werden, finden wir in den Erzählungen dieser Indianer nicht. Alles was erwähnt wird, sind einige mystische Tiere. So wohnt in einem See unweit Guachalla am Rio Pilcomayo ein kleines, von den Chorotis „kiáliki“ genanntes Wesen, das wie ein Mensch aussieht, aber vollständig schwarz ist. Nähern sich ältere Personen dem See, so tut es ihnen nichts. Kinder raubt es dagegen. Vielleicht ist es der „schwarze Mann“ der Indianer.
[S. 110]
Eine andere Chorotierzählung lautet folgendermaßen: „In einem See lebte eine Schlange, die war dick wie zwischen zwei ausgestreckten Armen. Diese verschluckte einen Choroti, dieser tötete aber die Schlange, indem er ihr das Herz durchbohrte, und grub sich heraus. Von der Hitze im Magen der Schlange war er ganz rot und haarlos geworden. Als er nach Hause kam, kannte ihn seine Frau nicht wieder. Er erzählte ihr da, wie er von der Schlange verschluckt worden sei.“
Ein mystisches Tier frißt am Mond, wenn Mondfinsternis ist. Diese nennen die Chorotis „sóoli“, die Ashluslays „sutlásh“. Ein Meteor bedeutet einen Todesfall.
Im vorhergehenden habe ich eine Chorotisage von dem Weltbrand und dem Raub des Feuers wiedergegeben. Dies ist die einzige Kulturmythe, die ich von diesen Indianern habe.
Wie schon erwähnt, habe ich dagegen von den den Chorotis kulturell nahestehenden Matacos einige Sagen oder Kulturmythen gesammelt, die ich hier wiedergeben will. Sie sind von dem Matacoindianer Na-yás vom Rio Bermejo erzählt und von Chetsin, von demselben Stamme, übersetzt.
Wie erzählt wird, hat der Jaguar das Feuer bewacht, bevor die Matacos es erhielten. Es wird erzählt, daß man fischen ging. Alle Matacos waren fischen gegangen und ein Meerschweinchen besuchte, wie erzählt wird, die Jaguare und brachte ihnen einen Fisch mit. Es wird erzählt, daß es zum Feuer hingehen wollte. Es wird erzählt, daß der Jaguar das Feuer bewachte und ihm keinen Feuerbrand abgeben wollte. Es wird erzählt, daß das Meerschweinchen heimlich[S. 111] etwas von dem Feuer mitgenommen hatte. Der Jaguar fragte es, was es mitnehme. Es sagte, es habe nichts. Es wird erzählt, daß es sich fortbegab. Als die Fischer kamen, hatte das Meerschweinchen ein großes Feuer angemacht und die Fische in einem Augenblick gebraten. Als die Fischer weggingen, hatte das Gras angefangen zu brennen. Es wird erzählt, daß die Jaguare angesprungen kamen, als sie das Feuer sahen, und daß sie Wasser zum Löschen desselben mitgebracht hatten. Als die Fischer wiederkamen, machten sie von den Feuerbränden, die sie mitgenommen hatten, Feuer an. Nachher waren sie wieder gegangen, und seitdem ist das Feuer nicht erloschen. Jetzt fehlt keinem Mataco das Feuer.
Eine Frau hatte einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn verheiratete sich mit der Tochter[36] und die Frau verheiratete sich mit den Hunden und verschwand. Mit den Hunden hatte sie fünf Kinder. Diese rodeten den Wald und säeten Kürbis. Als die Tochter im Walde war, kam sie zu der Rodung und wollte Kürbisse gegen Schmucksachen eintauschen. Sie antworteten, sie wären von demselben Stamme und wollten nicht Kürbisse gegen Schmucksachen tauschen, sondern sie schenkten ihr Kürbisse (Zapallo).
Vor langer Zeit brannte alles, der ganze Chaco brannte. Die Mataco retteten sich unter dem hohen Schilf am Flußufer. Dort blieben sie sehr lange. Als sie herauskamen, war alles verbrannt. Dort war kein Quebracho, kein Algarrobo,[S. 112] kein einziger Baumstamm. Sie glaubten zuerst nicht, daß es dasselbe Land sei, als aber dieselben Pflanzen zu wachsen begannen, wie an den Plätzen, wo es gebrannt hatte, verstanden sie, daß es dasselbe Land war.
Das Kugelgürteltier[37] bewachte die Maissamen. Ein Wildschwein war in die Äcker der Kugelgürteltiere gedrungen und stahl, da diese dem Wildschwein keinen Mais geben wollten, den Mais und die Kugelgürteltiere töteten das Wildschwein.
Die Kara-kara[39] und die Chuña hatten mit den schwarzen Geiern und den Flamingos gekämpft. Die Kara-kara-Vögel hatten mit Pfeilen, die Chuña mit Boleadoras, die schwarzen Geier und Flamingos mit Pfeilen gekämpft. Die schwarzen Geier und die Flamingos waren besiegt worden. Die schwarzen Geier waren ohne Haut am Kopf und die Flamingos ohne Haut an den Beinen entkommen. Kein Kara-kara oder Chuña war verwundet worden.
Ein Chuña hatte sich verheiraten wollen, die Frauen wollten ihn aber nicht, weil er so schmale, schwarze Beine hatte. Es wird erzählt, daß er einen Haufen Sperma auf dem Boden zurückgelassen hat.
Die Frauen der Chuña waren Früchte suchen gegangen und hatten das Sperma gefunden. Eine hatte es aufgegessen und wollte den anderen nichts davon abgeben. Es wird erzählt, daß sie nach drei Tagen schwanger war und nach weiteren drei Tagen ein Kind geboren hatte, aber noch wußte niemand, wer die Frau schwanger gemacht hatte. Nach zwei Tagen war der Knabe groß und niemand wußte,[S. 113] wer sein Vater war. Es wird erzählt, daß viele herbeikamen, um den Knaben zu sehen. Es wird erzählt, daß er weder von den Kara-kara-Vögeln noch von einem anderen Spielzeugbogen und Pfeile annehmen wollte. Sie versuchten, ihm Pfeile und Spielzeugbogen zu geben, er nahm sie aber nicht. Der Chuña war gekommen, um ihm Pfeile und Spielzeugbogen zu geben, und er nahm sie. Sie wußten nun, wer sein Vater war.
Vor langer, langer Zeit gab es keine Christen, sondern alle, die Vorväter der Matacoindianer wie der Christen, lebten in einem Hause. In diesem war alles. Dort gab es Äxte und Werkzeug und Pferde und Vieh und schöne Kleider für die Frauen. Die Vorväter der Christen nahmen die Äxte, das Werkzeug, die Pferde, das Vieh und die schönen Kleider für die Frauen und gingen weg und ließen für die Matacos nur Tonkrüge, Hunde und andere schlechte Sachen zurück. Deshalb haben die Christen jetzt Äxte, Werkzeug, Pferde, Vieh, schöne Kleider für die Frauen und die Matacos sind arm und haben nur Tonkrüge, Caraguatátaschen und Hunde.
Diese moderne Sage hat hier eine große Verbreitung. Ich kenne sie z. B. auch vom Rio Parapiti, wo sie mir in etwas verschiedener Form von den Chanes erzählt wurde.
Es wird erzählt, der Fuchs habe den Stier eingeholt. Es wird erzählt, daß er Feuer vor den Stier getragen hat. Es wird erzählt, daß er gesagt hat, er wolle dem Stier die Steine abschneiden. Wiederum hatte er Feuer angemacht und den Stier verfolgt, indem er sagte, daß er dem Stier die Steine abschneiden wolle. Der Stier war zuletzt ermüdet, aber er hat ihm nichts abgeschnitten. Es wird gesagt, daß er gesagt hat: Warum soll ich ihn verfolgen, ich will ihm nichts abschneiden, und ließ die Füchse ärgerlich zurück. Die Füchse[S. 114] haben geweint, da sie hungrig waren. Sie gingen dann und suchten Tusca und Algarrobo.
Diese Sage ist beinahe unbegreiflich. Mit Steine abschneiden meint man wohl töten. Die Sage dürfte ganz modern sein.
Ehrenreich hat nachgewiesen, wie Sagen mit fremden Elementen aus Nordamerika nach Südamerika eingewandert sind. Boas und Bogoras haben früher den Zusammenhang zwischen den nordamerikanischen und den nordasiatischen Sagen dargetan.
Von den hier von den Matacos angeführten Sagen ist besonders eine, die von diesem Gesichtspunkte aus von Interesse ist. Es ist die von dem Sohn des Chuña. Die eigentümliche Zeugung sowie die Art der Erforschung der Vaterschaft stimmt besonders mit der Osttupi-Variation[40] dieser Sage überein. Auch dort wurde der als Vater betrachtet, von dem der Knabe Pfeil und Bogen annahm.
Ehrenreich[41] hat gezeigt, wie diese Sage, besonders die peruanische Variation, auf ganz merkwürdige Weise mit einer von Bastian aus Siam aufgezeichneten Sage übereinstimmt.
Möglicherweise zeigt uns das Vorkommen der Sage bei den Matacos den Weg, den sie von Peru zu den Osttupis in Brasilien gewandert ist. Wie sie von Siam nach Peru gekommen ist, ist eine Frage, die Ehrenreich offen läßt. Es ist wohl eine für künftige Ethnologen hart zu knackende Nuß.
Sollte mich etwas Besonderes nach dem Rio Pilcomayo zurücklocken, so wäre es das Studium der religiösen Vorstellungen dieser Indianer. Es gibt viel, was sie mir nicht haben mitteilen wollen. Was ist beispielsweise der oben von mir beschriebene mystische Gesang bei der Zubereitung des Tuscabieres anders als eine religiöse Zeremonie. Des Nachts hörte ich zuweilen in den Hütten Gesang zum Takte der[S. 115] Klappern. Als ich hineinging, wurde alles still. In aller Freundschaft hatte man mir die Tür gewiesen. Warum setzten sie auf die elende Tontrommel, ein mit Wasser zur Hälfte angefülltes Tongefäß, über welches ein Fell gespannt ist, einen so großen Wert, wenn sie nicht heilig wäre? Die Matacos wollten die Trommel nicht hergeben, denn dann stirbt einer. Wie von Rosen, ist es auch mir gelungen, von den Chorotis eine solche Trommel zu erhalten, von den Matacos ist es unmöglich. Es scheint mir, als ob bei den verschlossenen Matacoindianern[42] das Religiöse eine größere Rolle spielt, als bei den heiteren, sorglosen Chorotiindianern. Will man die Religion dieser Indianer studieren, so muß man sehr lange bei ihnen verweilen und alle Gedanken an eine Expedition zur Heimführung großer Sammlungen aufgeben. Weiterhin in diesem Buche werde ich die religiösen Begriffe eines anderen höherstehenden Indianerstammes, die ich zu verstehen glaube, schildern. Wie interessant wäre es gewesen, Vergleiche mit den niedrigerstehenden anstellen zu können.
[34] Chorisia.
[35] Alle Überschriften der Sagen sind von mir erfunden, um den Inhalt ungefähr wiederzugeben.
[36] Eigentümlicherweise werden in den Indianersagen, wie wir finden werden, nicht selten Geschwisterehen erwähnt, obschon solche nie bei den Indianern vorkommen. Wir werden weiterhin mit einigen ähnlichen Fällen Bekanntschaft machen. Es ist kaum denkbar, daß diese Sagen so weit zurückgehen, daß sie aus einer Zeit stammen, wo die Geschwisterehe erlaubt war.
[37] Tolypeutes conurus.
[38] Dicholophus Burmeisteri.
[39] Polyporus vulgaris.
[40] Ehrenreich, Die Mythen usw. S. 62.
[41] Ehrenreich, Die Mythen usw. S. 94.
[42] Pelleschi gibt uns einen ganz guten Einblick in die religiösen Vorstellungen einiger Matacoindianer. Eight months in the Gran Chaco. London 1886.
[S. 116]
Es gibt ein kleines Wort, das die Chorotiindianer stets anwenden, nämlich és. Die Ashluslays sagen ìs. Es bedeutet gut, gesund, wohl und hübsch. Wenn wir die Industrie und primitive Kunst dieser Menschen beurteilen, so dürfen wir auch die Bedeutung dieses Wortes nicht unterschätzen. Er, oder richtiger sie, denn in der Regel ist es die Frau, die etwas Kunstfertigkeit besitzt, will, daß das von ihr Hergestellte és ist. Sie ist stolz, wenn es richtig és ist. Sie lacht vor Vergnügen, wenn sogar ein weißer Mann eins ihrer Erzeugnisse für és findet. Die Ideen zu einem Ornament erhält sie auf verschiedene Weise. Die Technik der Tongefäßerzeugung hat ihr die Idee gegeben, die Rollen, aus denen sie das Tongefäß aufgebaut hat, auf einem Teil desselben als Ornament stehen zu lassen (Abb. 46). Sie schmückt das Gefäß, indem sie die Fingereindrücke, die sie in dem weichen Ton gesehen hat, zu regelmäßigen macht. Durch Variation der Anzahl Fäden gelingt es ihr, an den von ihr aus Caraguatábast hergestellten Taschen — eine Industrie, in der sie es sehr weit gebracht hat — immer verwickeltere Ornamente anzubringen. Sie macht die Taschen immer mehr és. Fremde Ornamente an Gegenständen, die durch den Handel mit anderen Stämmen zu ihrem Stamm gekommen sind, geben ihr neue Ideen. Was ich hiermit sagen will, ist das, daß wir die Freude, die auch Naturvölker an der Herstellung[S. 117] oder dem Besitz schöner, ornamentierter Sachen haben, nicht unterschätzen dürfen.
Wenn die kleinen Kinder spielen, muß die Phantasie oft die Einzelheiten einer Spielsache ausfüllen. Ein Holzklotz kann eine Lokomotive, ein anderer ein Lastwagen sein. Was nicht in der Wirklichkeit vorhanden ist, findet sich in der Erinnerung der mehr detaillierten Lokomotiven und Wagen, die das Kind gesehen hat. Auf dieselbe Weise kann ein solcher Hutpilz, wie er Abb. 47, Fig. 3 abgebildet ist, einen Maulesel darstellen. Die Phantasie des Naturkindes füllt das Fehlende aus. Betrachten wir die nebenanstehenden Figuren, so sehen wir, wie das eine Detail nach dem anderen fortgefallen ist, bis das vierfüßige Tier einbeinig und für den Uneingeweihten unerkennbar dasteht. Diese eigentümlichen Tiere habe ich von Chorotimamas bekommen, die sie für ihre Kleinen modelliert hatten.
1
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= Maulesel.
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2
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= ”
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3
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= ”
|
4
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= Frau.
|
5
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= ” A = Kopf; B =
Stirntätowierung; C = Nasentätowierung; D = Tätowierung der Wangen; E =
Auge; F = Kinntätowierung; G = Frauenbrust.
|
6
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= Gesichtstätowierung. Chorotifrau, Rio Pilcomayo.
|
7
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= Frau. A = Haare; B = Tätowierung der Wangen; C =
Frauenbrust; D = Auge; G = Haare; E = Kinntätowierung; F = Stirntätowierung.
|
8
|
a = Mann. A = Stirntätowierung; B = Tätowierung
unter den Augen; C = Kopf mit Haaren.
|
8
|
b = Tätowierung der vorigen Figur. A =
Stirntätowierung; B und C Tätowierungen unter den Augen.
|
9
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= Gesichtstätowierung. Chorotimann. Rio Pilcomayo.
|
10
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= Mann. A = Stirntätowierung; B = Nasentätowierung;
C = Kopf.
|
11
|
= Frau mit einem kleinen Kind. A = Rudimente der
Tätowierung.
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12
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= Frau, die ein kleines Mädchen auf Chorotiweise trägt.
|
13
|
= Frau. A = Tätowierung der Wange; B =
Stirntätowierung; C = Haar.
|
14
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= Dieselbe Figur wie 13, von der Seite gesehen. A =
Tätowierung der Wangen; C = Haar.
|
15
|
= Frau. A = Kopf; B = Tätowierung der Wangen; C =
Nasentätowierung; D = Augen.
|
16
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= Frau. A = Nasentätowierung; B = Rudimente der
Tätowierung der Wangen.
|
17
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= Frau. A = Rudimente der Tätowierung.
|
18
|
= Frau. A = Rudimente der Tätowierung; B = Augen.
|
Hier sind auch einige Puppen von den Chorotis abgebildet, zu deren Verständnis ebenfalls eine Erklärung notwendig ist. Die Form ist bis zur Äußerlichkeit vereinfacht worden, während man sie gleichzeitig mit einem erklärenden Detail versehen hat. Sie haben weder Arme und Beine, noch rudimentäre Köpfe, aber eine genau ausgeführte Tätowierung, welche allerdings im Gesicht und nicht, wie hier bei den Puppen, auf dem ganzen Körper sitzen soll. Dies bedeutet jedoch nicht viel. Das Wichtigste ist, daß[S. 119] sie überhaupt mitgekommen ist. Es ist ganz dasselbe, als wenn die Bororóindianer K. v. d. Steinens[43] den Schnurrbart auf die Stirn zeichneten. Er sollte in der Beschreibung, die der Naturmensch mit seiner Zeichnung von diesem weißen Mann gab, mit dabei sein. Nicht an allen Puppen hat man die Tätowierung ordentlich ausgeführt, auch sie wird allmählich bis zu einem bloßen Ornament vereinfacht.
Die Chorotiindianer haben eine Industrie, in der sie sehr bedeutend sind. Dies ist die Herstellung von Taschen und Hemden aus Blattfasern der Caraguatá. (Taf. 16.) Wer in den Trockenwäldern des Chaco gewandert ist, erinnert sich sicher[S. 120] sein Leben lang der Caraguatápflanze, mit ihren krummen Stacheln, erinnert sich, wie schwer es gewesen ist, auf Boden vorwärts zu kommen, der mit dieser so nützlichen und so unangenehmen Pflanze dicht bewachsen war, erinnert sich, wie er sich die Kleider und die eigene Haut zerrissen hat.
Die Frauen sammeln die Caraguatáfasern. Wie diese Arbeit bei den Ashluslays ausgeführt wird, will ich hier schildern. Die besten Fasern erhält man von einer kleinen Varietät. Zuerst wird die Pflanze mit einem Grabestock (Abb. 49) ausgegraben. Dann werden Stamm und Blätter mit einer Holzsäge (Abb. 50) in der Weise abgesägt, daß die Säge zwischen die große Zehe und die nächste Zehe gestellt und der Stamm der Pflanze gegen die Säge gerieben wird. Diese Arbeit wird im Walde vorgenommen. Die Blätter werden dann nach Hause getragen und die Fasern mit einer Muschelschale (Abb. 51) oder einem hölzernen Messer (Abb. 17) abgeschabt. Nachdem diese Fasern gebündelt und getrocknet sind, werden Fäden gesponnen. Hierbei wird kein anderes Werkzeug als die Hände angewendet. Man dreht die Fäden an den mit Asche eingeriebenen Schenkeln. Die gezwirnten Fäden werden in großen Bündeln gesammelt und dann zu verschiedenen Zwecken angewendet.[S. 121] Ein Teil der Fäden wird mit Tusca heller braun und mit Algarrobillo[44] dunkler braun gefärbt.
Außer aus Caraguatá flechten die Chorotis und Ashluslays Seile aus Menschenhaaren. Das Material liefern ausschließlich die Frauen.
Die Ashluslay- und auch die Chorotifrauen sind geschickte Weberinnen. Gleichwohl verstehen es nur die ersteren, hübsche Ornamente zu weben (Abb. 53).
Das Material, aus welchem die Frauen weben, ist stets Schafwolle. Früher haben sie wahrscheinlich Caraguatá oder Baumwolle benutzt. Die letztere Pflanze wird noch jetzt von[S. 122] den Ashluslays gebaut. Anderenfalls müßte die Webkunst hier erst eingeführt worden sein, nachdem diese Indianer die Schafe von den Weißen erhalten haben.
Die Frauen sind recht geschickte Töpfer. Die Tongefäße werden nach der bei den Indianern gewöhnlichen Methode durch Aufbauen von Tonrollen (Abb. 54) hergestellt.
Der Ton wird zuerst mit zerstoßenen, gebrannten Tonscherben vermischt, damit die Gefäße beim Brennen nicht bersten. Zum Glätten der Gefäße wird eine Muschelschale, eine Frucht oder ein Holzgerät angewendet (Abb. 56). Die Chorotis haben keine bemalten Tongefäße. Solche sieht man dagegen bei den Ashluslays (Abb. 59). Die „Farbe“ besteht aus einem grünlichschwarzen Harz von einem „palo santo“ genannten Baum, das gewärmt und auf das Gefäß gestrichen wird, nachdem dasselbe ganz fertig ist. Bekommt ein Tongefäß einen Riß, so verklebt man ihn mit Harz. Es wird dann wieder wasserdicht, kann aber nicht mehr als Kochgefäß dienen. Sehr wahrscheinlich ist die Ausbesserung das Primitiv gewesen, und man ist erst davon auf die Idee gekommen, die Gefäße zu bemalen. Von den Tongefäßen sind[S. 123] die Wasserkrüge (Abb. 13 u. 58) außerordentlich charakteristisch für die Chacoindianer. Bei den Ashluslays findet man die eigentümlichste Keramik (Abb. 59).
Arbeiten in Fell werden sowohl von Männern als Frauen ausgeführt, die Zubereitung des Fells liegt aber ausschließlich in den Händen der Männer. Das Gerben ist hier unbekannt. Dagegen versteht man es, das Fell durch Kreuz- und Querschnitte auf der Unterseite zu erweichen. Man macht auch das Fell durch Ziehen über einen gespaltenen Stock biegsam.
Die Ashluslays wenden viel mehr Felle an als die Chorotis.
[S. 124]
Im Herzen des Chaco sehen wir, wie schon erwähnt, bei den Ashluslays, den Toba-Pilagas und Mataco-Guisnays zahlreich die von Patagonien und dem Feuerland, aber nicht von dem übrigen Südamerika bekannten Pelzmäntel. Im Chaco werden sie nur von den Frauen angewendet, während die Männer die leichteren gewebten Mäntel tragen. Wir können uns leicht denken, daß die Chacoindianer, sowohl Männer wie Frauen, alle früher, gleich den ihnen in kultureller Beziehung nahestehenden Patagoniern, Pelzmäntel angewendet haben. Als sie von den Weißen das Schaf erhielten, begannen sie Mäntel und Schurzfelle aus Wolle zu weben. Diese wurden[S. 125] zuerst nur von den Männern getragen, bis sie bei den Chorotis und anderen die Pelzmäntel vollständig verdrängten, während sie von den Ashluslays noch von den Frauen angewendet werden.
Wie gewöhnlich bei diesen Indianern, begnügen sich die Frauen mit dem Älteren und Schlechteren. Sie repräsentieren das konservative Element im Gemeinwesen. Wie wir weißen Männer nicht ungern sehen, daß unsere Frauen schick gekleidet sind, so lieben es die Indianer, ihre Männer mit schön ornamentierten Mänteln auszustaffieren, obschon ihnen dies viele Arbeit kostet.
Korbarbeiten sind, wie erwähnt, vollständig unbekannt. Die Ashluslayfrauen knüpfen Sitzmatten aus einem auf Spanisch totora genannten Schilf.
Die hauptsächlichste Industrie der Männer ist die Holzschnitzerei. Sie fertigen Pfeifen zum Rauchen, Pfeifen, Stempel, die im vorhergehenden erwähnten Werkzeuge usw. an. Sie schnitzen auch die Kalebassen zu und ornamentieren sie. Diese werden zur Aufbewahrung von Bier, als Eßschalen, als Schachteln zur Verwahrung von kleineren Gegenständen usw. angewendet. Recht oft sind sie mit liniierten, eingeritzten oder eingebrannten, schlecht gearbeiteten Ornamenten versehen, obschon die Indianer behaupteten, sie seien és (schön), hätten aber keine Bedeutung.
Bei den Mataco-Vejos habe ich indessen Erklärungen über ähnliche Figuren bekommen, die beweisen, daß sie keineswegs so bedeutungslos sind (Abb. 62). Vielleicht sind sie dies niemals. Die Indianer bessern eine Kalebasse, die gesprungen[S. 126] ist, stets mit sehr großer Sorgfalt wieder aus. Sie nähen sie mit Caraguatáfasern zu und dichten sie dann mit Wachs. Auf wenig Dinge legten die Chorotis und Ashluslays so viel Wert, wie auf richtig große Kalebassen (Abb. 39). Niemals waren die Indianer und ich so verschiedener Ansicht über den Wert von Gegenständen, mit denen wir ein Tauschgeschäft machen wollten, als wenn es diese galt. Eine große Kalebasse wurde als von viel größerem Wert betrachtet als ein Tongefäß von entsprechender Größe. Ganz allgemein sind die Kalebaßschachteln von dem auf Abb. 61 abgebildeten Typ. Die Deckel dazu sollen ausgeschnitten werden, wenn die Früchte noch an den Pflanzen hängen und nicht ganz vollreif sind.
Die Federarbeiten bieten bei diesen Indianern keine Proben einer entwickelten Kunstfertigkeit. Die Federn, welche die Chorotis und Ashluslays im Stirnband tragen, sind[S. 127] oft hakenförmig ausgeschnitten (Abb. 68). Diese Haken scheinen nur als Ornament zu dienen. Sie selbst erklären nur, sie seien schön.
Von den Chorotis, Ashluslays und Matacos habe ich verschiedene Zeichnungen gesammelt, die diese in meinem Notizbuch ausgeführt haben. Es sind dieselben beschreibenden Zeichnungen, die wir durch Karl v. d. Steinen, Koch-Grünberg u. a. von den Indianern Südamerikas kennen gelernt haben.
Ganz gewöhnlich war es, unter den Chorotis und Ashluslays solche zu finden, die gar nicht zeichnen konnten, sondern auf dem Stadium des „Kritzelns“ standen, d. h. auf demselben Standpunkt, wie unsere zwei- bis dreijährigen Kinder[S. 128] (Abb. 63). Sahen sie dann andere zeichnen, so imitierten sie und zeichneten dann besser.
Die Kinder zeichneten zuweilen besser als die Älteren. So habe ich mehrere verhältnismäßig gute Zeichnungen von einem zirka siebenjährigen Ashluslayknaben (Abb. 65).
Da die Indianer sich außerordentlich leicht von den Zeichnungen, die man selbst gemacht hat, beeinflussen lassen, darf man in einem Dorfe, wo man solche zu sammeln beabsichtigt, nicht selbst zeichnen. Ich pflegte beispielsweise in meinem Notizbuch schnell Gesichter zu zeichnen, in welche ich Tätowierungen und Gesichtsbemalungen einführte. Vergleichen wir die beiden Zeichnungen Abb. 64 A u. B, so ist die erste 1908 ausgeführt, ohne daß die Zeichnerin, ein Chorotimädchen, Ashlisi, von diesen meinen Zeichnungen beeinflußt worden ist, während sie bei 64 B, gezeichnet 1909, mich schon imitiert.
Zu den allerprimitivsten Zeichnungen pflegten die Indianer höchst eigentümliche Erklärungen zu geben. Keiner meiner Leser wird, nehme ich an, verstehen, daß die Abb. 63 wiedergegebene Zeichnung eine Mais erntende Frau darstellen soll. Unsere kleinen Kinder sehen auch oft in ihren Zeichnungen vieles, was wir Älteren nicht Phantasie genug haben, zu begreifen.
Die Abb. 65 abgebildete Frau zeigt uns die kindliche Unschuld der Indianer.
[43] K. v. d. Steinen, Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin 1894.
[44] Acacia moniliformis.
[S. 129]
Als ich die Chorotis und Ashluslays im Jahre 1908 besuchte, herrschte zwischen diesen beiden und den Matacos ein sehr gespanntes Verhältnis. Die Chorotis und Tobas waren ebenfalls keine Freunde. In welchem Verhältnis die Ashluslays zu den Tobas standen, weiß ich nicht, da ich die Gegenden, wo diese Stämme aneinandergrenzen, in diesem Jahre nicht besuchte.
1909 war die äußere politische Lage verändert. Die Chorotis und Ashluslays hatten mit den Matacos Frieden geschlossen. Dagegen lebten die Ashluslays mit den Tobas in erbitterter Fehde.
Die Ursache der Kriege zwischen diesen Stämmen ist gewöhnlich der Fischfang und die Plünderungssucht. Ein Stamm sperrt den Fluß ab, so daß die Fische nicht zu den Fischplätzen des anderen hinaufkommen können. Dieser[S. 130] versucht die Sperre zu zerstören, einer der Stämme verwundet oder tötet einen von der Gegenpartei, und der Krieg ist in vollem Gange.
Beide Stämme ziehen sich so weit zurück, daß zwischen ihnen eine unbewohnte Zone entsteht. Geordnete Schlachten scheinen selten geschlagen zu werden und in der Regel ist die Zahl der Getöteten eine sehr geringe.
Ein weißer Mann hat mir über eine Schlacht zwischen den Chorotis und Matacos folgende Schilderung gemacht, die sehr charakteristisch, wenn auch etwas übertrieben ist.
In der Nähe seiner Ansiedelung hatten zwei bedeutende Gruppen sich einen ganzen Tag bekämpft. Eine Menge Schüsse waren abgefeuert worden, denn einige der Indianer hatten Feuerwaffen. Des Abends kam ein Choroti fliehend an seinem Hause vorbei:
„Wie ist es gegangen?“ wurde er gefragt.
„Schlecht“, war die Antwort.
„Wie viele sind denn getötet worden?“
„Keiner.“
[S. 131]
„Dann habt ihr wohl viele Verwundete gehabt?“
„Keine“, war die Antwort.
Man hatte sich offenbar zuerst außerhalb der Schußweite bekämpft. Als die Matacos dann mit großer Tapferkeit etwas näher gingen, waren die Chorotis davongelaufen.
Alle Kämpfe verlaufen indessen keineswegs so unblutig.
In dem Kampf zwischen den Ashluslays und den Tobas, die ich am Anfang des Buches erwähnt habe, wurden zehn Ashluslays und ein Toba getötet. Dieser letztere war ein zur Rekognoszierung vorausgesandter Späher. Zur Erforschung der feindlichen Stellung wurden nämlich zahlreiche Späher angewendet.
Die besten Krieger sollen die älteren Männer und die Greise sein. Die Jugend hält sich gern zurück. In geeigneter Entfernung von den Dörfern sind Aussichtsposten gebaut. Auf den Kreuzwegen geben auf gewisse Art gelegte Zweige u. dgl. dem Freunde an, welchen Weg er einschlagen soll.
Eine wichtige Neuigkeit wird durch Eilboten von Dorf zu Dorf verbreitet. Mehrere Tage, bevor ich zu dem äußersten bolivianischen Militärposten am Rio Pilcomayo kam, gingen die Indianer zu dem Chef desselben und sagten zu ihm:[S. 132] „Elle (der kleine Papagei) kommt.“ Sie berichteten ihm auch, wie viel Mann der kleine Papagei mithatte, und sonst noch alles mögliche, was er nicht verstand, da er keinen Dolmetscher hatte und nicht wußte, daß ich, d. h. der Papagei, kommen würde.
Sowohl die Chorotis und Ashluslays wie auch die Tobas und Matacos skalpieren ihre getöteten Feinde. Der Skalp eines Tobapilage, den ich nach vielen Unterhandlungen von einem Ashluslay eingetauscht habe, ist hier abgebildet (Abb. 70). Diese Skalpe hängen bei schönem Wetter, an Lanzen angebunden, zu Ehren des Siegers vor den Hütten. Bei Trinkgelagen spielen sie eine große Rolle. Dorfschaften, die nicht so glücklich sind, daß einer der Ihren einen Skalp genommen hat, leihen einen solchen von einem Nachbardorf für ihre Feste.
Wenn die Indianer zum Kampfe ausziehen, stellen sie zuerst ein ordentliches Trinkgelage an, bemalen sich kohlschwarz und schmücken sich mit Federschmuck, Magenpanzer aus dickem Fell, Jacken und Mützen aus Jaguarhaut usw.
[S. 133]
Die Ashluslays führen richtige Kriegsspiele, richtige Feldmanöver auf, wo man sich übt oder richtiger amüsiert. Diejenigen, die den Feind vorstellen, bekommen immer Prügel. Die Häuptlinge sind, wie schon gesagt, im Kriege Befehlshaber. Eine Disziplin ist nicht vorhanden.
Die Waffen im Kampfe sind Pfeil und Bogen sowie Streitkolben. Durch Umwicklung des linken Handgelenks schützt[S. 134] man sich gegen die Bogensehnen (Taf. 4). Einige der Ashluslays, die beritten sind, wenden Lanzen an. Die Matacos benutzen bisweilen Brandpfeile, mit denen sie die Dörfer der Feinde in Brand setzen.
Der bitterste Feind der Ashluslays ist der Tobahäuptling Taycolique, der, wie ich vorher erzählt habe, seine Leute systematisch mit Feuerwaffen bewaffnet. Ich fragte einmal Dr. L. Trigo, der fünf Jahre lang Gouverneur im bolivianischen Chaco war und als solcher viel mit den Indianern zu tun gehabt hat, ob er unter ihnen eine bedeutende, leitende Persönlichkeit, einen „großen Mann“, angetroffen habe. Er antwortete, der einzige sei Taycolique.
Unter den Indianern geht das Gerücht, daß dieser Häuptling eine allgemeine indianische Empörung gegen die Weißen anzustiften versucht habe. Er hat mit dem Chiriguanohäuptling Mandepora und dem Chanéhäuptling Vocapoy geheime Konferenzen gehabt. Dies geschah 1909 unter dem[S. 135] Einfluß des Gerüchts, daß zwischen Bolivia und Argentinien ein Krieg im Anzug sei.
Ein Friede zwischen den Stämmen wird in der Weise geschlossen, daß an die Angehörigen der im Kampfe Gefallenen Schafe, Pferde und andere Gaben ausgeteilt werden. Beide Stämme, auch die Sieger, bezahlen einander Blutschuld. Der Friede wird somit eigentlich zwischen den Individuen und nicht zwischen den Stämmen geschlossen. Haben alle Individuen der Stämme ihre gegenseitigen Streitigkeiten beglichen, so hört der Krieg auf. Mein Dolmetscher Manuel Flores, von dem ich vorher gesprochen habe, hat auf diese Weise 1908 die Blutschuldauszahlungen zwischen den Matacos und den Chorotis geordnet, worauf sie in Frieden, wenn auch in einem bewaffneten Frieden, lebten. Ihre gefangenen Kinder versuchten die Ashluslays mitten im Kriege von den Tobas gegen Pferde zurückzukaufen. Einige Mataco-Guisnays, die unter den Tobas lebten und eine eigentümliche neutrale Stellung zu beobachten schienen, dienten als Zwischenhändler.
[S. 136]
Verschiedene der Kriege im Chaco sind sicher auch Ausrottungskriege, die nicht eher aufhören, als bis der eine[S. 137] Stamm unterjocht wird oder auswandert. Ein solcher Krieg ist sicher der zwischen den Tapiete- (Yanaygua) und den Tsirakuaindianern, über den ich am Schlusse dieses Buches zu sprechen Gelegenheit haben werde.
Infolge der Kriege verändern sich die Verbreitungsgebiete der Stämme. Auf diese Weise läßt es sich erklären, daß Campos[45] die Stämme 1883 an ganz anderen Stellen fand, als wo sie 1908 und 1909 wohnten. Wird der Krieg zwischen den Tobas und den Ashluslays fortgesetzt, so drängen die ersteren die letzteren wahrscheinlich ganz vom Flusse fort. Die Eroberung der bolivianischen Seite des Rio Pilcomayo ist auch für die Tobas außerordentlich wichtig, da die Argentinier sie immer mehr zur Unterwerfung zu zwingen suchen.
Kämpfe um den Fluß und den Fischfang haben hier wohl zu allen Zeiten geherrscht. Die stärkeren Stämme haben sich der Nahrungsquelle Rio Pilcomayo bemächtigt und die schwächeren nach noch unerforschten Gegenden des nördlichen Chaco gedrängt, wo wir wahrscheinlich Reste von Stämmen finden können, deren Namen uns nicht einmal bekannt ist.
Auch eine friedliche Verbindung herrscht zwischen den Stämmen. So habe ich am Rio Parapiti von den dort Yanaygua genannten Tapieteindianern runde, durchbohrte, kleine Scheiben Muschelschalen eingetauscht. Diese erhalten sie von den Ashluslays, die sie wieder von einem mir unbekannten Stamm, von den Ashluslays Manslé (möglicherweise = Lengua) genannt, bekommen, der unweit des Rio Paraguay wohnt und reiche Vorräte von Eisen, besonders Töpfe und Wagenachsen, zu besitzen scheint. Die Manslé sollen durch den nördlichen Chaco bis zum Chorotigebiet auf Wegen gehen, die nicht dem Rio Pilcomayo folgen. Sie haben Eisen und Schneckenschalen mit, die sie gegen Tiere und Mäntel[S. 138] aus Pelz und Wolle eintauschen. Man sieht Chorotis, die bis zu zehn bis zwanzig Meter lange Halsketten aus diesen kleinen Schneckenschalen haben (s. Abb. 33).
Nimmt man übrigens eine Sammlung von Gegenständen z. B. bei den Chorotis vor, so darf man keineswegs glauben, daß alles, was man erhält, an Ort und Stelle angefertigt ist. Mit Geräten, Geweben, Taschen aus Caraguatá usw. wird ein bedeutender Tauschhandel zwischen den Stämmen betrieben. Von den Chiriguanos erhalten die Chorotis die rote Farbe, Uruku. Für ein kleines Stück davon bezahlen die Chorotis einen warmen und großen Mantel aus Wolle. Von den Chorotis erwerben dann die Ashluslays diese beliebte Farbe.
Auch im Paraguayer Chaco ist Uruku eine Handelsware. Nach Boggiani[46] erhalten die Chamacocoindianer die kostbare Farbe von den Caduveis. Domenico del Campana[47] erwähnt, daß die Chiriguanos Uruku zum Verkauf nach Gegenden, wo dieser Busch nicht wächst, herstellen.
In Eric von Rosens schöner Sammlung von den Chorotis, die in der Nähe von Caiza, nicht weit von dem letzten Gebirgskamm der Anden nach dem Chaco, wohnten, befindet sich ein ornamentiertes Gewebe, das durch Handel von den weit davon wohnenden Ashluslays erhalten sein muß.
Das Eisen ist im Chaco seit langem eine wichtige Handelsware. Sowohl die Ashluslays wie die Chorotis haben dasselbe ihrer eigenen Angabe nach erst von Osten, d. h. von Paraguay, erhalten. Der Stamm, der wohl am längsten am Rio Pilcomayo gewohnt hat, ohne das Eisen zu kennen, war der der Chorotis, obschon sie jetzt viel mehr Werkzeuge aus diesem Material besitzen, als die Ashluslays.
Ich habe einmal einen Handelsreisenden in Eisen gesehen. Es war ein Choroti, der mit allerlei Schrot, Nägeln u. dgl. auf dem Wege nach dem Innern des Ashluslaygebietes begriffen[S. 139] war. Seinem wenig wertvollen Lager nach zu urteilen, muß die Nachfrage nach der Ware eine sehr große sein.
Von sehr großer Bedeutung ist der Handel mit getrockneten Fischen. Die Chorotis wie auch die Matacos, Tobas und Tapietes bringen solche Fische zu den Chanéindianern am Rio Itiyuro und zu den Chiriguanos, und die Chiriguanos bringen wieder Mais zu den Stämmen am Rio Pilcomayo, wo sie ihre Fischeinkäufe machen. Man mißt den Mais in großen Tongefäßen, „Yambuy“, und in Kalebassen. Die Maße sind natürlich ungefähre.
Meine Tauschwaren wurden durch den Handel der Indianer untereinander weit umher verbreitet. In einem Chorotidorf hatte ich mehrere bunte Hemden in den Tausch gegeben. Als ich einige Tage später den Fluß weiter herunter kam, waren meine grelleuchtenden Hemden das erste, was ich in den Dörfern sah. Sie hatten schon den Eigentümer gewechselt. In den Ashluslaydörfern war es nichts Ungewöhnliches, daß ein Indianer hunderte große Nähnadeln durch[S. 140] Tausch an sich brachte, und höchstwahrscheinlich werden sie von diesen Grossisten in Nähnadeln als Tauschwaren für im Inneren des Chaco wohnende Indianer angewendet.
Ein anderer Handel ist der mit Pferden, Schafen usw. Zuweilen sind diese Pferde gestohlen, und hat ein solches gestohlenes Pferd mehrere Male den Besitzer gewechselt, so haben die Weißen große Schwierigkeit, es zurückzubekommen. Die Indianer verstehen das Unrechte, zu stehlen, aber nicht das, gestohlene Waren zu kaufen.
Dieser Handel zwischen den Stämmen ist natürlich für die Vermittlung von allerlei Kultureinflüssen von großer Bedeutung. Für den Ethnographen ist er sehr zum Ärger, da er den umbildenden Einfluß der Weißen auf Indianer, die in keiner direkten Verbindung mit irgend welchen Fremden gestanden haben, vermittelt.
Von Interesse ist es zu beobachten, wie die Indianer beim Tauschhandel ihre Habseligkeiten taxieren. Am teuersten sind z. B. bei den Chorotis die Halsketten, die Mäntel, die sehr großen Caraguatátaschen, die Netze, Kalebassen und die Urukufarbe. Die Chorotis und die Ashluslays haben die ganz natürliche Auffassung, daß das, was ihnen die meiste Arbeit macht, durch die gesuchtesten Tauschwaren, wie Zeuge, Messer u. dgl., ersetzt werden muß. Für die Halsketten bezahlen sie selbst Schafe, und diese schätzen sie sehr hoch. Daß sie den wirklichen Wert der ihnen angebotenen Tauschwaren nicht kennen, ist natürlich. Hatte ich irgend welche Gegenstände nach Ansicht der Indianer zu hoch bezahlt, so verbreitete sich sofort das Gerücht davon und mir wurden überall solche angeboten. Eine Herabsetzung des Preises für einen Gegenstand, weil der Vorrat groß war, war für die Indianer unbegreiflich und deshalb schwer. Beinahe unmöglich war es, gewisse Gegenstände einzutauschen, die sie für unentbehrlich hielten. Sehr große Caraguatátaschen gaben sie deshalb, falls sie nicht mehrere Exemplare davon hatten, nicht her, weil sie dieselben notwendig zum Einsammeln wilder Früchte gebrauchten.
[S. 141]
Außer im El Gran Chaco, hat man in Bolivia nicht häufig Gelegenheit, den Handel zwischen den Stämmen zu studieren. In den übrigen Teilen von Ostbolivia gibt es zwar noch äußerst primitive Indianer, diese sind aber beinahe überall nach den unzugänglichsten Wäldern hingedrängt und die verschiedenen Stämme wohnen isoliert voneinander.
Leben zwei Stämme auf freundschaftlichem Fuße miteinander, so besucht sich die Jugend oft und tanzt auf den Tanzbahnen der anderen. Manche Nacht bin ich auf einem Tanzplatz gewesen, wo sich sowohl die Choroti- als die Ashluslayjugend zu versammeln pflegte. Niemals hörte ich einen Zank zwischen der Jugend der verschiedenen Stämme, noch weniger war ich Zeuge irgend einer Schlägerei. Die Mädchen der verschiedenen Stämme sollen sich jedoch zuweilen gründlich prügeln.
Kommt ein Indianer nach einem fremden Dorf, so erfordert es die Höflichkeit, daß er die ganze Nacht über zum Takt einer Kalebaßklapper singt. Bei solcher Gelegenheit wurde folgendes Chorotilied gesungen:
anám, anám, ta ayén skíales, átashlé ayén sikiáles, lám sis, hähuin néo húäsis, ta lám sis yám, po hayéne sítyusis, sis, hälea húäsis, nä lámes.
Das bedeutet ungefähr: Ich bin gekommen, ich bin gekommen, um meine Brüder zu sehen. Ich bin von weither gekommen, um meine Kinder zu sehen. Nun geht es ihnen gut. Sie werden nicht die Feinde sehen. Jetzt geht es ihnen gut, zusammen mit mir. Ich bin gekommen, um meine Brüder zu sehen. Die Feinde werden sie nicht töten. Jetzt geht es ihnen gut.
Mein Dolmetscher, der die Sitten und Gebräuche der Indianer kannte, sang auch die ganze erste Nacht, die wir im Dorf des Ashluslayhäuptlings Toné waren, diesen Gesang. Auf solche Aufmerksamkeit von den Weißen legen die Indianer Wert. Das halten sie für gute Lebensart.
[S. 142]
Alle längs des Rio Pilcomayo lebenden Chorotis stehen seit einigen Jahren mit den ihr ganzes Gebiet bewohnenden Weißen in lebhafter Berührung. Einige Meilen vom Fluß entfernt leben sie jedoch vollständig unabhängig, und die Gegenden, die sie dort bewohnen, sind unerforscht. Die Ashluslays wurden erst 1883 von Campos entdeckt und dann von Trigo 1906 sowie später von Herrmann besucht. Innerhalb ihres eigentlichen Gebietes am Flusse liegt jetzt ein bolivianischer Militärposten. Als der erste Weiße habe ich einen Teil ihres Hinterlandes besucht, das nach allen Wegen, die ich auf meinem Ausfluge sah (s. die Karte), und aus den Auskünften, die ich von den Indianern erhalten habe, sehr umfangreich sein muß.
In Bolivia habe ich die Indianer niemals von den Weißen so gut behandelt gesehen, als am Rio Pilcomayo. Das ist das Verdienst einer Person, und zwar des Dr. L. Trigo, eines Mannes, der es verstanden hat, sich die Sympathien der Indianer wie der Indianerinnen zu erwerben, der sie immer als Freunde und Kameraden behandelt hat, der nicht als hoher Gouverneur, sondern als ein warmherziger und feingebildeter, verstehender Mensch aufgetreten ist.
Dr. Trigo hat sie manchmal bestraft, denn wenn der weiße Mann in das Gebiet der Indianer eindringt, muß es zu Konflikten kommen, noch öfter hat er sie aber, trotz der energischen Aufforderungen der weißen Kolonisten zu einer exemplarischen Bestrafung, unbestraft gelassen.
Trigo hat mit Tabak, Decken, bunten Zeugen u. dgl. ein großes Gebiet im Chaco erobert. Pulver und Blei hat er nur im äußersten Notfall angewendet.
Kommt ein Fremder in ein Indianerdorf, so dauert es einige Zeit, bis die Indianer ihren wirklichen Charakter zeigen. Im Anfang erscheinen sie verschlossener, als sie es in Wirklichkeit sind. Sind Neugier und Argwohn vorüber, so sind die Indianer wieder sie selbst. Im Dorfe ertönt[S. 143] den ganzen Tag über heiterer Scherz, man spielt, tanzt und vergnügt sich.
Manchmal können die Indianer in ihren Freudenausbrüchen ganz ausgelassen und wild sein. So erinnere ich mich einer Nacht im Dorfe des Chorotihäuptlings Waldhuhn. Bemalt und nackt, mit Federn und Halsketten geschmückt, tanzte ich mit meinen Freunden, während der zweitälteste Sohn des Häuptlings die Rolle des „Elle“ in Stanleyhelm, Brille und Mantel spielte und überall Tabak verteilte. Die Indianer krümmten sich vor Lachen. Wir amüsierten uns diese Nacht und viele andere ebenfalls.
Die Indianer sind sehr leicht beleidigt, handelt es sich aber um Kleinigkeiten, so verschwindet der Unwille schnell. Schwer zu beurteilen ist, ob sie in Ernstfällen nachtragend sind, aber ich glaube es beinahe. Sie sind sehr eingebildet. Eine kleine Schmeichelei nehmen sie in der Regel gut, eine Bemerkung sehr übel auf. Als ich z. B. zu einem Chorotimädchen einmal sagte, das Ausreißen der Augenhaare habe sie sehr häßlich gemacht, war sie mir sehr böse. Eine Höflichkeit über einen kleidsamen Federschmuck oder derartiges nehmen die Chorotis sehr wohl auf. Eine gute Art, die Chorotimädchen zu ärgern, ist, wenn man ihnen erzählt, wie viele hübsche Mädchen man bei den Ashluslays sieht.
Den Versprechungen der Indianer kann man wenig trauen. Den einen Tag versprechen sie z. B. auf einer Exkursion mitzufolgen, am anderen brechen sie das Übereinkommen ungeniert.
In der Regel schienen mir besonders die Chorotis sehr undankbar. So hatte ich z. B. einmal einen Choroti mehrere Tage zu Gaste in meinem Lager und bewirtete ihn reichlich. Kurz darauf kam ich zu Besuch in sein Dorf. Der Indianer war auf dem Fischfang. Als er mit Fischen beladen nach Hause kam, glaubte ich, er würde mir einen Fisch schenken, ich täuschte mich aber gewaltig. Ich bekam nichts. Statt dessen forderte er Tabak und einen Hut von mir.
Ähnliches habe ich mehrmals erlebt und ich wurde zuweilen[S. 144] dadurch verstimmt. Dies war dumm von mir. Ich hätte verstehen müssen, daß ein Mann, der ein paar mit Zeugen, Messern, Nadeln, Glasperlen usw. beladene Maulesel besitzt, vom Gesichtspunkt der Indianer aus so kolossal reich ist, daß er von den armen Indianern keine Gaben fordern darf.
Unter sich sind sie ja so freigebig, daß sie verschenken, was sie selbst gebrauchen könnten. Wie oft kam es vor, daß ein hungriger Indianer, dem ich einen Teller Essen angeboten hatte, diesen mit allen teilte und selbst nichts bekam. Die von den Weißen unberührten Ashluslays waren viel gastfreier als die Chorotis und schenkten mir beständig Fische, Mais, Algarrobo u. a.
Wenn wir in ein niemals von Weißen besuchtes Ashluslaydorf kamen, forderten die Indianer keine Geschenke. Anders ist es leider in den Dörfern, in denen die Indianer in die Fabriken in Argentinien zu gehen pflegen. Sie halten es ganz einfach für selbstverständlich, daß man ihnen wenigstens Tabak gibt. Es scheint mir beinahe, als betrachten die Indianer in gewissen Gegenden die Tabakverteilung als eine Steuer, die der durchziehende Weiße zu entrichten verpflichtet ist.
Von den Weißen werden die Indianer der Unehrlichkeit beschuldigt. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß sie Vieh stehlen und daß die Ashluslays sich vor einigen Jahren durch Diebstahl achtzig Pferde zugelegt haben, daß sie einen Teil des Maises, den die Kolonisten säen, ernten usw.
Meine Erfahrung ist jedoch die, daß die Indianer recht ehrlich sind. Von seinen Freunden stiehlt man nämlich nicht. Es geschah wohl zuweilen, daß jemand z. B. meine Hosen, meinen Stanleyhelm oder meine Stiefel ohne Erlaubnis lieh, dies geschah aber nur, um ein Weilchen damit herumzustolzieren, nicht um zu stehlen.
Sicher beschuldigen die Weißen die Indianer auch solcher Diebstähle, die sie unter sich begehen. So war ich einmal in einem kleinen Kolonistenhof am Rio Pilcomayo. Der[S. 145] Besitzer war krank geworden und verreist. Zufällig sah ich, wie die weißen Diener in seine Vorratskammer gingen und Zucker, Konserven und Zeug stahlen. Ein junger Chorotiindianer wurde aufgefordert, den Raub zu teilen. Mit einem verächtlichen Lächeln verließ er sie.
Als der Diebstahl entdeckt wurde, hatte natürlich das verdammte indianische Pack oder richtiger „esos indios c—s“ seine Hand dabei gehabt.
Daß die Indianer zuweilen eine Kuh stehlen und schlachten, wenn der Magen leer ist, ist nicht zu verwundern. Das würde unter ähnlichen Umständen ein Weißer auch tun.
Die Weißen nehmen den Indianern das Land stückweise[S. 146] ab, zwingen sie weit ab vom Flusse, wo kein Vieh in der Nähe ist, zu bauen, ohne den Indianern Arbeit zu geben. Wenn die Indianer ihr Land an die Weißen verlieren, so ist es recht und billig, daß diese ihnen so viel Arbeit geben, daß sie genügend für Essen, Werkzeuge, Kleider usw. verdienen können, denn einmal in Berührung mit der Zivilisation der Weißen, bekommen die Indianer neue Ansprüche an das Leben.
Zu meiner Ehrlichkeit hatten die Indianer ein sehr großes Vertrauen. So pflegten, als ich einige Tage mich bei dem Militärposten in Guachalla aufhielt, die Ashluslays, und darunter viele, die ich kaum kannte, ihre Habe mir in Verwahrung zu geben. Dieses Vertrauen teilte ich nur mit dem Dolmetscher Manuel Flores und mit Dr. Trigo.
Trotz ihrer Fehler sind mir die Choroti- und Ashluslayindianer sehr sympathisch. Ihre Unzuverlässigkeit, Undankbarkeit und Lügenhaftigkeit schreibe ich zum großen Teil den Weißen zu, denn diese häßlichen Seiten scheinen nur meistens bei der Berührung mit den Eindringlingen hervorzutreten.
Solche generellen Urteile, wie ich sie hier über den Charakter einer großen Menge Menschen fälle, sind natürlich immer etwas schwebend. Es gilt hier, wie bei den zivilisierten Menschen, daß die Individuen so verschieden sind. Der eine ist still und verschlossen, der andere geht lachend durchs Leben. Der eine ist äußerst eitel, dem anderen liegt nichts daran, sich geltend zu machen. Am liebsten möchte ich jedes Individuum, das ich näher kennen gelernt habe, besonders schildern, in der Regel war ich aber allzu kurze Zeit mit ihnen zusammen, um mich auf die Individualpsychologie einzulassen.
Außerordentlich glücklich wäre es, wenn Dr. Trigos kluge Indianerpolitik im Chaco fortgesetzt würde. Die Indianer brauchen keine Schutzgesetze, sondern warmherzige und energische Männer, die die Gerechtigkeit mit Klugheit und Geduld, vor allem Geduld, handhaben.
[S. 147]
Zuletzt ein paar Mutmaßungen. Dr. Trigo schätzt die Zahl der Chorotis auf etwa 4000. Ich glaube nicht, daß diese Zahl stark übertrieben ist, wenn man berechnet, daß zahlreiche Chorotis im Innern des nördlichen Chaco leben.
Wie viel Ashluslays gibt es? Moberg und der Verfasser sind in einundzwanzig Dörfern gewesen, von denen mehrere sehr volkreich waren. Berechnen wir, daß jedes Dorf durchschnittlich 200 Einwohner hat, so erhalten wir 4200 Indianer. Wahrscheinlich gibt es mindestens ebenso viele Dörfer, die wir nicht besucht haben. Ein ganzer Teil soll sich im Innern des Chaco befinden. Es würde mich deshalb nicht wundern, wenn der Ashluslaystamm nahezu 10000 Individuen zählte. Das ist natürlich nur eine Annahme. Aus der Karte sieht man jedoch, daß dieser Stamm eine große Verbreitung hat.
Ich verlasse nun die Chorotis und Ashluslays. In den Fachzeitschriften werde ich auf ihre Kunst und Industrie, die ich hier nur flüchtig berührt habe, zurückkommen.
In meinen Schilderungen ist nicht viel von der Poesie des letzten Mohikaners, ich beschreibe hier nicht die Helden der Indianerbücher, sondern ganz einfach gewöhnliche Menschen. Die Jüngsten lieben das Spiel, die Jungen die Liebe, die Alten Essen, Trinken und Tabak. Sie kämpfen, wie andere, ihren Kampf ums Dasein, und dieser Kampf ist sicher oft hart. Besser als wir verstehen sie es, zusammenzuhalten, einander zu helfen. Deshalb liebe ich sie — und ich wäre froh, wenn auch der Leser etwas Sympathie für sie bekommen hätte.
[45] Campos, Expedition Boliviana de 1883. Buenos Aires-La Plata 1888.
[46] Boggiani, Compendió de Etnografia Paraguaya moderna. Revista del Inst. Paraguayo. 1900.
[47] Domenico del Campana: Notizie intorno ai Ciriguani. Arch. per L’Anthr. e la Etn. Firenze 1902. S. 61.
[S. 148]
Wie ich ein Bild des Lebens der Choroti- und Ashluslayindianer zu geben versucht habe, will ich auch die Chané- und Chiriguanoindianer und meine verschiedenen Besuche bei ihnen zu schildern versuchen. Diese Indianer stehen bedeutend höher als die „Wilden“ des Chaco. Sie leben zum allergrößten Teil in Abhängigkeit von den Weißen, und ihre alte eigenartige Kultur verschwindet immer mehr.
Die Chiriguanos sind auch jetzt zu einem ganz bedeutenden Teil Christen. Seit über 300 Jahren haben zuerst die Jesuiten und dann die Franziskaner sie mit wechselndem Erfolg zu dem alleinseligmachenden christlichen Glauben zu bekehren versucht. Bei den Chiriguanos befinden sich auch jetzt noch mehrere Missionsstationen, bei den Chanés dagegen keine.
In den Chanés und Chiriguanos lernen wir Menschen mit einer höheren Kultur kennen, Menschen, die von den Indianern, von denen wir in den vorigen Kapiteln gelesen haben, vollständig verschieden sind. Vergleiche zwischen den beiden Kulturtypen, die wir im Chaco antreffen, sind natürlich von Interesse.
Was den Leser vielleicht am meisten wundert, ist der Umstand, daß beide primitive Kulturen nebeneinander bestehen können und sicher jahrhundertelang bestanden haben, ohne ineinander zu verschmelzen, ja ohne voneinander zu lernen, und dies, obschon hier keine natürlichen Grenzen vorhanden sind.
Im Mai 1908 besuchte ich, wie gesagt, den Chanéhäuptling Vocapoy am Rio Itiyuro in Argentinien nahe der bolivianischen[S. 149] Grenze. Dies ist einer der Flüsse, der vergebens den Wildnissen des Chaco zu entrinnen sucht. Er entspringt den äußersten, urwaldbestandenen Quellen der Anden und verschwindet in den Trockenwäldern des Chaco.
Vocapoy lag im Streit mit den Weißen, die sein Land usurpiert hatten und seine Auffassung, daß sie nur seine Pächter seien, nicht gelten lassen wollten. Er bat mich um Rat, wie er die Weißen dazu bewegen könne, das Recht der Indianer an dem Land anzuerkennen. Ich riet ihm, sich an den großen Häuptling der Weißen, den Präsident der Republik, zu wenden, und nahm Stellung als Feldmesser der Indianer an. Ich streifte mit den Indianern durch ihr Gebiet und zeichnete eine kleine Skizze, die Vocapoy mit zum Präsidenten nehmen sollte. Die Indianer hießen meine Skizze nicht gut, sondern zeichneten selbst eine Karte von dem Lande.
[S. 150]
Leider weiß ich nicht, ob Vocapoy die lange Reise nach dem Dorfe des großen Häuptlings vorgenommen hat, ich erwarb mir aber durch die Feldmessung das Vertrauen der Indianer.
Als ich Ende Juli 1908 die Chorotis und Ashluslays verließ, begab ich mich über Yacuiba nach San Francisco am[S. 151] Rio Pilcomayo. San Francisco war eine Missionsstation, die die Franziskaner unter den Chiriguanos gehabt hatten, die aber jetzt eingezogen ist. Nicht weit davon wohnen die Tapieteindianer, bei denen ich im August 1908 eine Woche zubrachte.
In Tihuïpa eröffnete ich einige Tage lang ein richtiges[S. 152] kleines Materialwarengeschäft. Indianer und Indianerinnen, besonders die letzteren, drängten sich um den Ladentisch. Es war ein eigentümlicher Laden. Kam eine Indianerin mit Geld dorthin, um zu kaufen, wurde sie vom Ladendiener höflich abgewiesen, kam sie dagegen mit einem hübschen alten Tongefäß, so wurde sie die glückliche Besitzerin von Korallen, feuerroten Bändern, Ohrringen mit wirklichen „Diamanten“, Ringen mit „Saphiren“ oder von anderem Wackeren, womit sie dann beim nächsten Trinkgelage prahlen konnte.
In diesen Missionsstationen befinden sich immer zwei Dörfer, eins für die Heiden, eins für die Christen. Ich für meine Person fühlte mich immer in dem ersteren am wohlsten, und dies nicht allein deswegen, weil dort mehr hübsche, alte Gegenstände zu sammeln waren, sondern auch, weil man dort in seinem Benehmen freundlicher, taktvoller und feiner war. Die Missionskinder waren zudringlich und frech.
Bei Machareti ist eine große Talmulde, in welcher ein kleiner Bach fließt, der nach einem heftigen tropischen Regen wahrscheinlich zu einem brausenden Fluß anschwillt und sich in den Wildnissen des Chaco verliert. Ganz nahe der Mission verläßt er die hübsch zerschnittenen Berge, wo überall in den Rissen der Klippen kleine Petroleumquellen hervorsickern. Er fließt dann durch eine Hügellandschaft, die allmählich in das gewaltige Flachgebiet des Chaco übergeht. Die Vegetation in diesen Gegenden ist keine sehr üppige. Der Wald, wenn solcher vorhanden ist, ist dünn, niedrig, strauchig und einförmig. Die Felder scheinen reiche Ernten zu geben, die Dürre selten zu groß zu sein. Oft werden diese Gegenden von gewaltigen Heuschreckenschwärmen verheert. Wie große, rotbraune Wolken habe ich diese schädlichen Tiere die Wälder bedecken gesehen.
Von Machareti gingen wir über Itatiqui, einem ganz interessanten Chiriguanodorf in einer wasserarmen Gegend, nach dem Rio Parapiti.
Dieser kommt von Pomabamba und Sauzes, von den[S. 153] Gebirgen der Quichuaindianer. Wenn er diese verläßt, ist er in der Regenzeit ein brausender, seine Ufer überschwemmender Strom. In der Trockenzeit führt er wenig Wasser. Auch der Rio Parapiti endet im Chaco. Während der Regenzeit verliert er sich in den Morästen, in der Trockenzeit verschwindet er in dem feinen Sand. Wenn der Rio Parapiti auf den Karten als südlichster Nebenfluß des Amazonenstromes stolziert, so ist dies also nur eine leere Prahlerei von ihm. Die Wälder längs des Rio Parapiti bestehen meistens aus Büschen und niedrigen, feinblättrigen Bäumen, Caraguatá und Kakteen.
In der Trockenzeit häuft der Wind große Dünen längs der Ufer des Flusses auf. Nachdem er die Berge verlassen hat, erhält er keinen Nebenarm. Der Rio Parapiti ist sehr breit, aber niemals tief. Während der trockensten Zeit ist sein Bett in eine Sandwüste verwandelt, wo der Wind mit dem feinen Flußsand spielt. Stürmt es, so wird der Sand über den Flußboden gepeitscht. Will man an einem solchen Tag herüber, so macht man sich vielleicht die Füße nicht naß, muß aber seine Augen hüten.
Der Rio Parapiti ist fischreich, die Fische sind aber winzig klein. Die Ufer sind recht fruchtbar, da sie aber während der Regenzeit überschwemmt werden, gehen die Ernten leicht verloren. In der Trockenzeit wird oft alles durch die brennende Dürre verzehrt. Auch die Heuschrecken hausieren in diesen Gegenden und hinterlassen in ihren eigenen unappetitlichen Körpern einen schlechten Ersatz für das, was sie zerstört haben.
Am Rio Parapiti wohnen ganz hoch oben am Gebirge die Quichuaindianer, dann kommen die Chiriguanos, hierauf nahe dem Flusse die Tapietes, auch Yanayguas genannt, danach die Chanés und zuletzt in den unbekannten Wildnissen die Tsirakuaindianer.
Mein erster Besuch am Rio Parapiti galt dem Padre Carmelo, der dort eine kleine Missionsstation unter den Chiriguanos hatte. Diesen Mönch habe ich sehr lieb gewonnen,[S. 154] er hatte eine so vertraueneinflößende Freundlichkeit. Er gehört zu den Missionaren, die hier erforderlich sind, Menschen, die sich für andere aufopfern wollen und können, die allen eine gleich große Freundschaft erweisen.
Ich setzte nun längs des Rio Parapiti nach Isiporenda, am Nordufer des Flusses, fort. Gegenüber Isiporenda wohnen die Tapietes. Einen Besuch, den ich bei ihnen machte, will ich später schildern.
Bei Isiporenda traf ich den ersten Chané oder, wie sie hier genannt werden, Tapuy. Ich besuchte dann den größten Teil ihrer Dörfer. Besonders machte ich mit einigen ihrer Sagenerzähler Bekanntschaft, von denen Batirayu, der Neffe des letzten großen Häuptlings Aringuis, mein guter Freund wurde.
Vom unteren Rio Parapiti begab ich mich über Charagua, einem beinahe ausschließlich von Weißen bewohnten Dorf, nach dem Caipipendital, wo ich mich bei dem Chiriguanohäuptling Taruiri aufhielt.
Man kann sich wundern, daß ein Mensch in diesem wälderlosen Tale, wo man nur ein salziges, schmutziges Wasser findet, wohnen will, im Caipipendital braucht man aber kein Wasser zu trinken, denn dort gibt der Mais herrliche Ernten und dort herrscht niemals Mangel an Maisbier. Die Bewohner des Caipipenditals sind reich, und herrscht in anderen Gegenden Not, so kommen die Indianer von weither zu diesen Stammverwandten, um ihre Kostbarkeiten gegen Mais einzutauschen.
Es ist auch für Sammler ein herrliches Tal. Silberne Schmucksachen, silberne Schalen, fein geschnitzte Musikinstrumente und viele andere Seltenheiten fanden wir in diesem Paradies des Ethnographen. Steinäxte, Ruinen, Grabfelder von verschiedenen Völkern beweisen, daß das Caipipendital lange von den Indianern hoch geschätzt war.
Tief hat das Wasser sich in dieses Tal eingeschnitten. In der Regenzeit regnet es wohl auch dort.
Von Caipipendi kehrte ich über die Berge durch ein seiner[S. 155] heißen Quellen und seiner Schönheit wegen berühmtes Tal nach Charagua zurück, um dann längs der Anden in der Richtung nach Santa Cruz de la Sierra fortzusetzen.
Es war im Oktober 1908. Nicht ganz ein Jahr später, im Juli 1909, besuchte ich, nach umfassenden Flußfahrten weit hinten an der Grenze Brasiliens, den Chaco wieder. In einem anderen Buche werde ich diese Fahrten auf großen, schiffbaren Flüssen und durch Urwälder, deren üppiges Grün überwältigt, schildern.
Von Santa Cruz de la Sierra kam ich, wie gesagt, im Juli 1909 nach dem Chaco zurück. Ich reiste nun zuerst über den Rio Grande nach dem Rio Parapiti, um vor allem meinen Freund Batirayu zu besuchen.
Der Rio Grande ist der südlichste Nebenfluß des Amazonenstromes. Er kommt von den höchsten Bergen der Anden und fließt bei Sucre vorüber, welche Stadt lange der Stadt La Paz den Rang als Hauptstadt Bolivias streitig gemacht hat. Wenn er aus dem Gebirge tritt, ist er ein brausender, mächtiger Fluß. Weiter unten hat er einen höchst unbeständigen, sehr wenig bekannten Lauf. Nördlich von Santa Cruz de la Sierra nimmt der Rio Grande den Rio Piray auf und vereinigt sich schließlich mit dem Rio Mamoré. Einige Chiriguanos wohnen an diesem Fluß, auch wilde Tsirakuas und Sirionos streifen in den Urwäldern an demselben umher.
Zwischen dem Rio Grande und dem Rio Parapiti ist ein höchst wasserarmes, zum großen Teil mit vollständig undurchdringlichem Gestrüpp und niedrigem Buschwald voller Caraguatá und Kakteen bedecktes Gebiet. Diese einförmige, düstere Vegetation wird hier und da durch Hügel und Grasebenen unterbrochen.
Außer den wilden Tsirakuaindianern, die diese Dickichte unsicher machen, findet man hier eine andere Merkwürdigkeit, nämlich den Guanako (auchenia). Es ist ganz sonderbar, ein Tier wie den Guanako, den man sich nur im Zusammenhang mit den kalten Hochebenen der Anden oder den oft[S. 156] unter Frost leidenden Pampas von Patagonien denken kann, in diesen oft von der Dürre verbrannten Gebüschen zu finden. Es wäre interessant, bestimmen zu können, ob dieser Guanako des tropischen Urwaldes wirklich derselbe ist, den man von kälteren Gegenden her kennt. Intelligente Weiße, mit denen ich hierüber gesprochen habe und die beide gesehen haben, halten sie gleichwohl für dieselbe Art.
Nach dem Rio Parapiti zurückgekommen, suchte ich Batirayu auf, mit dem ich schon 1908 intim bekannt wurde und der auch ein ausgezeichnetes Spanisch spricht.
Keinem Indianer, den ich kennen gelernt habe, bin ich so nahe gekommen, wie Batirayu. Er verstand, daß ich die alten Erinnerungszeichen aus Interesse für seinen Stamm sammele. Batirayu tat sein bestes, mir die religiösen Begriffe seines Stammes zu erklären. Des Abends saßen wir bei einer Zigarette in seiner Stube, und er erzählte von alten Zeiten, Zauberern, Häuptlingen und Geistern. Zuweilen kam ein alter Häuptling Bóyra dazu, und von ihm hörte ich viele hübsche Chanésagen. Bis spät in die Nacht hinein saßen wir und plauderten bei einem flackernden Licht, das ich mithatte, um Aufzeichnungen zu machen.
Man irrt sich sehr, wenn man glaubt, daß die Gespräche mit diesen Männern nur ein interessantes Studium waren. Ich fühlte mich wohl bei diesen feinen, taktvollen, ja, warum nicht, gebildeten Menschen. Es war eine reine Erquickung, wenn man von den oft platten, inhaltlosen Weißen kam. Batirayu ist aber auch ein ungewöhnlicher Mann, der Stoff zu einem großen Mann, der zur Untätigkeit verurteilt ist.
Batirayu ist ein Chané. Diese Indianer sprechen jetzt dieselbe Sprache wie die Chiriguanos, und zwar Guarani. Die meisten ihrer Sitten und Gebräuche stimmen auch mit denen der Chiriguanos überein, von denen sie wahrscheinlich unterworfen worden sind. Ihrem Ursprung nach sind sie indessen Arowaken und somit die am südlichsten Wohnenden dieser Gruppe, die in Südamerika und auf den Antillen eine große Verbreitung hatte und noch hat.
[S. 157]
Wenn ich die Chanés und die Chiriguanos hier zusammen schildere, so geschieht dies, weil ihre materielle Kultur so gleichartig ist. Gleichwohl habe ich angegeben, bei welchem Stamm ich diese oder jene Beobachtung gemacht habe; dies gilt besonders für das religiöse Gebiet, auf welchem die Chanés, wenigstens am Rio Parapiti, viele alte Vorstellungen beibehalten haben, die den Chiriguanos unbekannt sind.
Batirayu erzählte mir, einige von den Chanés wüßten noch einige Worte der alten Sprache des Stammes. Besonders bei den Trinkgelagen, wenn sie betrunken sind, pflegten sie sich damit wichtig zu machen, daß sie unter sich die alte Chanésprache, die sonst den Charakter einer Geheimsprache hat, sprechen.
In Begleitung Batirayus begab ich mich nach dem Dorfe „Huirapembe“, wo die Indianer zu finden sein sollten, die am besten Chané konnten. Es war nicht leicht, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Eigentlich waren es nur die Jüngsten, die am allerwenigsten wußten, die mir etwas mitteilen wollten.[48] Eine alte Frau, die ausgezeichnet Chané können sollte, sagte, erst im Totenreiche wolle sie mich unterrichten. Da die Indianer an diesem glücklichen Platze nicht von den Weißen, auch nicht von den Ethnographen belästigt werden, war das Versprechen der Alten nicht sehr freundlich.
Bei einer Menge Ausdrücke, die Schimpfwörter sind, wenden die Chanés ihre alte Sprache an, z. B. karitimisóyti, das sie mit Sohn einer H—e übersetzen. Eine Einladung zum Koitus nennen sie pocóne. Auch Lieder finden sich in ihrer[S. 158] alten Sprache, z. B. siparakinánoyé, siparakinánoyé, siparakinánoyé, tonéya, tonéya, tonéya, wofür sie keine Übersetzung wußten.
Vom Rio Parapiti aus besuchte ich wieder den Chiriguanohäuptling Taruiri im Caipipendital, wo ich so viel alte Schmucksachen und andere Kostbarkeiten wie möglich zu kaufen suchte. Außer Taruiri besuchte ich auch einen anderen Häuptling, Yumbay, einen alten Ehrenmann, der mich immer zu umarmen und dabei zu sagen pflegte: „Ich bin Yumbay.“ „Ja, der große, mächtige Yumbay“, fiel ich ein, worüber der heruntergekommene arme Kerl sich sehr geschmeichelt fühlte.
Vom Caipipendital ging ich über Pipi zur Mission bei Ivu. Diese liegt in einer trockenen, einsamen, wasserarmen Gegend, nahe einigen mächtigen Bergen, und das Leben muß da fürchterlich sein. Als die Blattern in der Gegend stark grassierten, wußte Vater Bernardino den Einzug der Krankheit in die Mission mit Erfolg durch Vakzinierung aller am Platze wohnenden Indianer zu verhindern. Vater Bernardino ist ein wirklich uneigennütziger Mensch, ein wirklicher Missionar. Infolge der Vakzinierung starb in Ivu niemand an den Blattern, während die unheimliche Krankheit unter den Weißen, einige Meilen von der Station, fürchterlich wütete. Es geschah ihnen beinahe recht. War einer an den Blattern gestorben, so wurde der Leichnam auf einen mit Papierblumen und einem Kruzifix geschmückten Tisch gelegt. Um diesen herum betranken sich die anderen Schweine und[S. 159] tranken so lange obligos,[49] bis sie auf den Tisch zu liegen kamen. Allein im Dorfe Cuevo starben in kurzer Zeit von zweihundert Personen sechzig. Ich habe die 140 besucht. Sie waren so lustig wie immer. Branntwein und Bier wurde in Massen verzehrt.
Dem Vater Bernardino wurde niemals die Ehre an diesem Werke zuteil, sondern den Medizinmännern, welche die Krankheit verhext hatten, so daß sie nicht nach Ivu kommen sollte. Auch die weißen Kolonisten ließen zuweilen die Medizinmänner kommen, um die Krankheit zu vertreiben. Auch sie glaubten nicht an die Vakzin.
Mit Ivu als Ausgangspunkt machte ich eine Exkursion nach dem Igüembetal, um den Chiriguanohäuptling Maringay zu besuchen. Es war ein hübscher Ritt auf hohe Bergkämme hinauf und in tiefe Täler hinab, durch eine oft großartige, farbenreiche Landschaft. Diese Täler sind waldarm. Nur in einer gut geschützten Schlucht, in welcher ein Bach hervorsickert, ist die Vegetation üppig.
Mit dem alten Maringay wurde ich bald sehr gut befreundet. Der Alte war konservativ, hielt fest an alten Sitten und meinte, die Indianer sollten mit den Weißen auf gutem Fuße leben, ihre alten Sitten und Gebräuche aber unverändert bewahren. Sein Dorf war außerordentlich interessant und sehr reich an alten, hübschen Sachen. Die Keramik,[S. 160] die ich dort antraf, gehört zu dem Allerbesten, was ich bei diesen Indianern gesehen habe. (Abb. 77 und 78.)
Von Maringay kehrte ich über die Missionsstation Santa Rosa nach Ivu zurück. Die erstere hat eine wunderbare Lage. Gleich einer alten Burg ist sie auf einem engen Hügel gebaut. Unterhalb liegen in langen Reihen die von niedrigem Wald mit Mimosazeen, Kakteen, kleinen Algorrobos und anderen feinblättrigen Bäumen umgebenen graubraunen Chiriguanohütten. Dieser Wald ist selten so dicht, daß man nicht leicht ohne Waldmesser herauskommen kann. Als ich in Santa Rosa war, herrschte Trockenzeit und alles war verbrannt. Der Regen zaubert aber wohl auch hier das Grün aus dem trockenen Boden. Manchmal bleibt aber der Regen so lange aus, daß die Indianer keinen Mais bekommen, und das bedeutet — Hunger.
Von Santa Rosa sieht man weit hinaus über die Berge und über die große Ebene Boyuovis, über das Land, welches das Vaterland der Chiriguanos war, wo sie bei Curuyuqui ihren letzten Kampf mit den Christen gekämpft haben, die sich das Recht anmaßen, alle schwächeren Völker zu bestehlen.
Nach dem Ausflug bei Maringay verließ ich das Land der Chiriguanos und Chanés und machte meinen, in diesem Buche schon geschilderten zweiten Besuch bei den Chorotis und Ashluslays.
Das von den Chiriguano- und Chanéindianern bebaute Gebiet ist wirklich sehr ausgedehnt. Es hat eine wechselnde Natur, von üppigen Urwäldern bis zu äußerst wasserarmen, vegetationsarmen Tälern und Ebenen. Es ist teilweise sehr bergig, aber die Chiriguanos und die Chanés sind keine Gebirgsvölker. Sie halten sich unten in den Tälern auf und klettern nicht, wie die Quichuaindianer, auf Gipfel und Hochebenen hinauf.
Das Tierleben in diesen Gegenden ist arm, ja sehr arm. Ein Jägervolk könnte dort niemals wohnen. Hier und da ein Rehbock, ein Wildschwein, einige Strauße, das ist alles, was man an Großwild sieht. Auch das Vogelleben ist arm.[S. 161] Die Zahl der Seen ist sehr gering, und ihre Größe nicht bedeutender, als daß wir sie in Europa Pfützen nennen würden. Am Rio Parapiti sieht man die ihrer kostbaren Federn wegen berühmten weißen Reiher[50] ziemlich zahlreich. Von den Waldvögeln liefert nur das Huhn „pavas“[51] einen Beitrag zum Essen. Zuweilen sieht man einen großschnabeligen „Tukan“.[52] Fette, mit Mais gemästete Tauben leben oft in Massen in den Feldern der Indianer. Im Rio Pilcomayo herrscht ein großer Fischreichtum, in den kleinen Flüssen sind die Fische klein und schlecht. Die Indianer, die diese Gegenden bewohnen, müssen Ackerbauer sein, und Maisbauer sind sie im allerhöchsten Grad. Mais ist für sie Essen, Trinken, Freude, alles!
Abenteuer habe ich von diesen Indianern nicht zu berichten. Jedermann kann unbehelligt unter ihnen reisen. Der größte Kummer des Ethnographen ist, daß er nicht alles Interessante und Alte, was er dort sieht, sammeln kann. Man kann nicht alles nach Hause mitnehmen.
Noch lebt in den Wildnissen des Chaco ein Chiriguanohäuptling Cayuhuari, in dessen Dorf kein weißer Mann gewesen ist. Es soll an einem großen See liegen. Dort weiden große Herden von Pferden und Kühen, und die Maisscheunen sind immer voll. Dort sind die Indianer reich, denn dort gibt es keine Weißen. So erzählt man wenigstens.
Cayuhuari, der seit der Empörung 1890 im Chaco lebt, hat eine weiße geraubte Frau als Schwiegertochter. Man sagt, er habe zusammen mit den Tobas die Zuckerfabriken in Nordargentinien besucht. Er hatte seine Schwiegertochter mit. Die Besitzer der Fabrik erboten sich, sie von den Indianern zu retten. „Ich will sie nicht verlassen,“ sagte sie. „Bei ihnen habe ich meine Kinder.“ Diese Antwort ehrt sie.
Die Sitten und Gebräuche der Chiriguanoindianer sind von mehreren Verfassern,[53] meistens Missionaren, geschildert[S. 162] worden, so daß wir mehr von ihnen wissen, als von den Chorotis und den Ashluslays.
Ein Teil von dem, was ich über diese Indianer berichtet habe, ist nicht neu, wenn auch in neuer Beleuchtung gesehen. Verschiedenes, besonders was das Religiöse betrifft, unterscheidet sich gleichwohl von den Schilderungen der verschiedenen Missionare. Was ich hierin gesammelt habe, ist von den Chanés, und die Missionare kennen die Chiriguanos am besten.
Was mich in verschiedenen Schilderungen der Missionare von den Indianern unsympathisch berührt, das ist, daß sie danach zu streben scheinen, ihre Fehler in allzu dunklen Farben auszumalen, damit ihre eigene „zivilisatorische Arbeit“ so bedeutend wie möglich wirken soll. Die Missionare scheinen mir die Religion der Indianer nicht objektiv schildern zu können.
Wenn ich gelesen habe, wie die Missionare ihre eigene Eroberung des Landes der Chiriguanoindianer beschreiben, so hat es mir nicht gefallen, nur von dem Mut der ersteren und der Grausamkeit der letzteren zu hören. Ich leugne es nicht, die Missionare waren tapfer, mehr bewundere ich aber die Freiheitsliebe und den Mut der Chiriguanoindianer. Ist es den Mönchen zu schwer geworden, so sind ihnen beinahe immer Soldaten zu Hilfe gekommen. Die Indianer haben sich den Missionaren nicht nur infolge der „Religion der Liebe“, sondern infolge Kugel und Blei unterworfen. Der Weg zur alleinseligmachenden Kirche ist nicht selten mit Blut getränkt worden.
Chané.
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Chiriguano.
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Mojo.
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Wasser
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úne
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y
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une
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Mais
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sopóro
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ahuáti
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seponi
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Feuer
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yucu
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táta
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yucu
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Hund
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tamúco
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yaúmba
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tamucu
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Chicha (gutes)
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liqui
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cángui
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itico
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Ratte
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cóvo
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angúya
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cozo
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[49] Trinkt jemand obligo mit einem, so muß dieser austrinken.
[50] Ardea.
[51] Penelope.
[52] Rhamphastus.
[53] Die allermeiste Literatur finden wir von Domenico del Campana angeführt: Notizie etc. l. c.
[S. 163]
Gibt es auf dem südamerikanischen Kontinent einen einzigen bewohnbaren Platz, der nicht von den Indianern entdeckt ist?
Diese Frage wage ich mit „Nein“ zu beantworten. Auf den höchsten Gipfeln der Anden finden wir Indianer, in den trockenen Buschwäldern des nördlichen Chaco gibt es Indianer, in den tiefen Urwäldern von Ost-Bolivia streifen Indianer umher, die ungastfreundlichen Inseln um das Feuerland werden von Indianern bewohnt, in den Pampas in Argentinien haben früher viele Indianer gelebt.
Welch kolossale Zeit haben diese Menschen nicht gebraucht, um jeden Bach, jede Pfütze, jede Klippe, jedes Wäldchen auf dem südamerikanischen Kontinent zu entdecken. Vierhundert Jahre lang hat der weiße Mann mit allen seinen Hilfsmitteln Südamerika zu erforschen gesucht, und doch ist noch viel mehr unerforscht, als man gewöhnlich glaubt. Er kennt im inneren Südamerika alle die größeren Flüsse und Verkehrsstraßen, ungeheuer sind aber noch die Gebiete, die niemals der Fuß eines Weißen betreten hat. Die Indianer kennen jeden Winkel, oder haben ihn wenigstens gekannt.
Die Zeit, die zur Entdeckung dieses Kontinents und zur Anpassung an das wechselnde Klima, die wechselnde Pflanzen- und Tierwelt vergangen ist, ist sicher eine sehr, sehr[S. 164] lange gewesen. Das beweisen auch die hunderte Indianersprachen, die von Südamerika her bekannt sind.
Das Gebiet, das jeder Indianer in der Regel kennt, ist kein großes, er kennt es aber genau. Ich habe, wie ich hier schon erwähnt habe, mit den Ashluslayindianern eine Wanderung von etwa 250 km in den Wäldern vorgenommen. Dies geschah in ihrem eigenen Land, und das kannten sie vollständig. Einzelne Individuen kennen infolge des Handelsverkehrs etwas von dem Lande der befreundeten Nachbarstämme.
Ich habe stets die Indianer gefragt, von welchen Stämmen sie gehört haben, und habe sie gebeten, diese aufzuzählen. Dies taten sie gern, solche Stämme aber, von denen sie glaubten, daß ich sie nicht kenne, erwähnten sie ganz einfach nicht. Sie wollen die Kenntnis des weißen Mannes vom Lande nicht unnötig erweitern. Dies ist der Grund, warum es oft so schwer ist, unter den Indianern einen Wegweiser zu finden. Wer den weißen Mann in ein diesem unbekanntes Dorf führt, ist ein elender, des Todes werter Verräter. Die Chorotis sagen immer, im Innern ihres Landes, vom Rio Pilcomayo an gerechnet, wo noch niemals ein Weißer gewesen ist, gebe es keine Menschen. Die Ashluslayindianer waren sehr erstaunt, als ich ihnen das charakteristische Besitztum der Tsirakuaindianer beschrieb und ihnen von den Yanayguas erzählte. Daß der weiße Mann diese Stämme kennt, war ihnen vollständig unverständlich.
Sehr umfassend sind die Kenntnisse der Indianer von dem Kontinent, den sie bewohnen, nicht. Kein Indianer südlich von Santa Cruz de la Sierra kennt z. B. die nördlich von dieser Stadt wohnenden. Der Rio Paraguay ist den Chanéindianern eigentümlicherweise bekannt. Die dortigen Stämme kannten sie nicht. Dort wohnt, sagten sie, ein großer Häuptling. Sie fragten mich, ob ich von diesem Häuptling ausgesandt sei, um alle Gegenstände aus alten Zeiten zu sammeln, damit sie nicht verloren gingen. Diesen großen Häuptling in Paraguay meinte ein alter Sagenerzähler, als er eine Abschiedsrede für[S. 165] mich hielt, die folgendermaßen begann: „Nun kannst du deinem großen Häuptling sagen, daß du uns und unsere Armut gesehen hast ...“
Das Orientierungsvermögen der Indianer ist viel besprochen. Der Indianer besitzt sicher eine sehr ausgebildete Beobachtungsgabe, sein Orientierungsvermögen ist aber nicht so bedeutend. Ich bin mit den Guarayúindianern im östlichen Bolivia etwa 250 km in tiefen, großen Wäldern, die sie nicht kannten, und in denen wir uns oft mit dem Waldmesser Schritt für Schritt einen Weg bahnen mußten, gewandert. Sie führten mich, wenn die Sonne von Wolken bedeckt war, oft irre, was ich an meinem Kompaß sah. Für einen weißen Mann, der aus dem Stadtleben direkt in die Wildnis versetzt wird, ist die Vertrautheit des Indianers mit der Natur merkwürdig. Ist man erst selbst an dieses Leben gewöhnt, so sieht man die Sache mit anderen Augen an.
[S. 166]
Die Entfernung von einem Platz zu einem anderen wird von allen Indianern dadurch angegeben, daß sie zeigen, wie weit die Sonne gehen muß, ehe man ankommt. Ist es weit, so sagt der Indianer, wie viele Nachtlager man bis dahin aufschlagen muß. Lange und kurze Wege sind ja auch bei uns in verschiedenen Gegenden verschiedene Begriffe. Was wir in der Stadt weit nennen, wird auf dem Lande oft kurz genannt. Für den Indianer sind Wege, die dem weißen Mann kurz erscheinen, in der Regel lang. Es fehlt den Indianern des Urwaldes die Marschfertigkeit, die wir bei den Gebirgsindianern finden.
Jedem Hügel, jeder Ebene, jeder Talschlucht hat der Indianer einen Namen gegeben. Die Chanés sagen, vor langer Zeit, als alle Völker an den Ufern des Parapitiflusses fischten, kam ein großer Geist (Añatunpa) zu Pferde und gab den verschiedenen Stellen Namen. Dieser Fluß soll Parapiti (wo getötet wird) heißen, diese Stelle Amboró usw., sagte Añatunpa. Von den Namen von Chanédörfern seien erwähnt: Húirayúasa (Vögel treffen sich), Aguaráti (weißer Fuchs), Aguarátimi (weißes Füchslein), Yóvi (grünes Wasser), Ouivarénda (wo es Chuchio gibt),[54] usw. Die letztgenannte Pflanze, deren Blütenstengel von vielen Indianerstämmen in Südamerika als Pfeilschaft angewendet wird, ist jetzt durch die Rinderherden am Rio Parapiti ausgerottet. Die Chané, die ihre Pfeile früher aus Chuchio machten, bauen jetzt eine Art Schilf an, das sie, gleich den anderen Chacoindianern, als Pfeilschaft anwenden. Andere Orte sind nach Häuptlingen benannt, wie Tamachindi, Tamané und Corópa. Ein Dorf nennen sie Yahuanau. Früher war dort ein Sumpf, an dessen Ufern sich kleine schwarze Geschöpfe (Yahuanau) zu sonnen pflegten. Viele Chanéortsnamen sind unübersetzbar, von einem weiß ich, daß er unanständig ist. Einige indianische Ortsnamen sind sicher sehr alt, denn sie beziehen sich auf Pflanzen, Seen oder Sümpfe, die nicht mehr existieren. Im[S. 167] Caipipendital am Parapiti ist ein Dorf namens Tapiirenda. Das Tal ist jetzt ausschließlich von Chiriguanos bewohnt und keiner von ihnen erinnert sich, daß dort, wie der Ortsname angibt, Tapii (Chanés) gewohnt haben.
Die Ortsnamen der höherstehenden Indianer werden von den Weißen, auch wenn sie die Herren im Lande geworden sind, beibehalten. So haben beinahe alle von ihnen im Chiriguanogebiet bewohnten Plätze Guaraninamen, wie Charagua (Name der vom Wasser eigentümlich ausgeschnittenen Klippen), Carandaiti (wo Palmen wachsen). Die Ortsnamen der niedrigeren Stämme werden dagegen von den Weißen nicht bewahrt. So kennt kein Weißer die Mataco- oder Chorotinamen der verschiedenen Plätze am Rio Pilcomayo. Die Ansiedlungen der Weißen werden nach Heiligen, bolivianischen Staatsmännern und Forschungsreisenden benannt. Wird ein Stamm, wie z. B. die Chorotis, ausgerottet, so bleibt von dessen Sprache nichts in den Ortsnamen zurück. Dies dürfen Ortsnamenforscher nicht übersehen.
Durch die Verbindung mit den Weißen erweitern sich die geographischen Kenntnisse der Indianer bedeutend. Sie gehen immer weitere Wege, um Arbeit zu suchen, und sehen Länder, von denen sie früher keine Ahnung gehabt haben.
Falls wir die Geschichte der Chorotis und Ashluslays schreiben wollten, könnten wir in der Zeit nicht weit zurückgreifen. Erst in den letzten Jahrzehnten sehen wir sie in der Literatur näher erwähnt. Die Chiriguanos kennen wir dagegen schon von ihren Kämpfen mit dem großen Herrscher Inca Yupanqui, aus der Zeit vor der Entdeckung Amerikas her. Über seine Versuche, das Land zu erobern, berichtet Garcilasso de la Vega.[55] Seine Beschreibung der Chiriguanos als einer äußerst niedrig stehenden, menschenfressenden Rasse[S. 168] ist sicher seiner eigenen Phantasie entsprungen. In den Gebirgstälern hat sich die Tradition von diesen Kämpfen noch bewahrt.
In der spanischen Zeit ist das Gebiet der Chiriguanos trotz der jahrhundertelangen tapferen Verteidigung Schritt für Schritt erobert worden. Erst noch 1890 unternahm ein Teil von ihnen einen letzten Empörungsversuch, wurde aber, wie erwähnt, in der Schlacht bei Curuyuqui, auf der Ebene von Boyuovis, besiegt. Etwa fünftausend Indianer hatten sich dort gesammelt und kämpften einen ganzen Tag mit den Weißen den ungleichen Kampf gegen die Feuerwaffen. Der Kampf hatte des Morgens begonnen, und des Abends, als es dunkel wurde, war er noch nicht beendigt. Die Lage begann für die Weißen höchst unangenehm zu werden, da ihre Munition beinahe zu Ende war. Der moralische Mut der Indianer war jedoch leider gebrochen. Sie verließen in der Stille der Nacht ihre Verschanzungen.
Ein sehr wichtiges Kapitel in der Geschichte dieser Indianer ist auch die lange und beharrliche Arbeit der Missionare, das Land der Indianer auf verhältnismäßig friedliche Weise zu erobern. Diese wird in der Literatur ausführlich behandelt.
Hier will ich jedoch nicht von der Geschichte dieser Indianer, wie wir sie durch die Literatur kennen, sprechen, sondern von dem Indianer als Historiker.
Spricht man mit den Indianern, so wissen sie von ihrer eigenen Geschichte nicht viel, ihre Tradition geht nicht weit zurück. Die Chanés am Rio Parapiti erzählten mir, sie hätten erst am oberen Rio Parapiti gewohnt,[56] seien aber von einem großen Häuptling von dort vertrieben worden. Einige blieben, wo sie jetzt wohnen, andere begaben sich durch den Chaco nach dem Rio Paraguay, welcher Fluß, wie gesagt, den[S. 169] Indianern nicht unbekannt ist. Am Rio Paraguay finden sich auch Arowaken.
Die Chiriguanos wohnten zuerst am unteren Rio Parapiti und wurden von den Chanés von dort vertrieben. Dies ist möglicherweise „offizielle Geschichte“, denn wahrscheinlicher haben wohl die Chiriguanos die Chanés aus den fruchtbaren Tälern des oberen Rio Parapiti gejagt.
Batirayu hat mir alles erzählt, was er über die Geschichte der Chanéindianer am Rio Parapiti wußte. Der letzte große[S. 170] Häuptling war Batirayus Onkel, Aringui. Dieser führte viele Indianer seines Stammes zur Arbeit nach Argentinien. Sein Vorgänger war Yámbáe. Vor ihm hatte Ochoápi die Häuptlingswürde bekleidet. Zu seiner Zeit begannen die Weißen ins Land zu dringen. Dieser Häuptling wird als ein bedeutender Mann geschildert, der die Sitten und Gebräuche der Weißen unter seinen Indianern einzuführen suchte. Bekannt ist Ochoápi wegen seiner umfassenden Reisen und seiner Verfolgung der Zauberer. Er soll in Buenos Aires gewesen sein. Vor ihm hatte Chótchori die Häuptlingswürde. Zu seiner Zeit waren die Weißen noch nicht bis zum unteren Rio Parapiti gekommen. Hier ist die Tradition zu Ende. Die hier erwähnten Häuptlinge waren aus demselben Geschlecht, die Regierung geht aber nicht vom Vater auf den Sohn über.
Von den Chanés am Rio Itiyuro könnte ich ein wenig Geschichte erzählen, will aber nicht durch zu viele Namen ermüden. Auch dort geht die Tradition nicht weit zurück, drei Generationen, das ist alles.
In den Sagen dieser Indianer, von denen ich weiterhin mehrere wiedergegeben habe, erfahren wir nichts über die Geschichte dieser Völker. Keine geschichtlichen Ereignisse scheinen dort zu Sagen umgebildet zu sein. Sie haben ganz andere Motive.
Es ist wirklich ganz eigentümlich, daß bei diesen Indianerstämmen ihre Geschichte, der Name ihrer Häuptlinge in Vergessenheit geraten ist, während die Sagen sicher, wenn auch in veränderter Form, jahrhundertelang von Generation zu Generation bewahrt worden sind. Für das hohe Alter der Sagen spricht vor allem ihre große geographische Verbreitung.
Die Gestalten der Sagen und deren Erlebnisse regen die Phantasie an, werden behalten und weitererzählt. Die geschichtlichen Persönlichkeiten und Ereignisse vergißt man.
Sucht man in den Chané- und Chiriguanohäusern, so findet man viele Sachen bewahrt, die jetzt außer Gebrauch sind,[S. 171] die sie aber als Erinnerung an frühere Zeiten ehren und oft nicht hergeben wollen. So sieht man hübsche, runde Pfeifen, „huiramimbi“ (Abb. 80), die sicher von Generation zu Generation gegangen sind. Sie wurden früher bei Kriegszügen angewendet. Der alte Maringay hatte alles mögliche aus alter Zeit aufgehoben. Es bereitete mir ein großes Vergnügen, in den Verwahrungsstellen des Alten herumzuwühlen. Ich wollte gern etwas von ihm kaufen, es genierte mich aber, ihm Geld für seine Erinnerungen zu bieten.
In die Wände gestochen fand ich einst Bündel hübscher, ganz verräucherter alter Pfeilspitzen. „Würdest du mir sie nicht verkaufen wollen?“ fragte ich meinen alten Freund zögernd. „Du sollst drei geschenkt bekommen“, sagte Maringay. Nach dieser Abweisung ließ ich ihn seine lieben Sachen behalten.
Einmal ritt ich von Vocapoys Dorf, um einen alten Chané aufzusuchen, der eine hübsche alte Tracht hatte. Nach einigem Zögern zeigte er sie mir. Er hatte sie sorgfältig in anderes Zeug eingewickelt. Wie ein enthusiastischer Museumsbeamter ein altes Kleinod hervorholt, so wickelte er sie sorgfältig auf. Man sah förmlich, wie lieb sie ihm war. Obgleich ich ihm einen sehr hohen Preis bot, wollte er sie nicht verkaufen.
Daß diese Indianer die alten Erinnerungszeichen lieben, beweist, daß sie eine gewisse Kultur haben. Dies gilt jedoch nur für die Alten, die Jungen sind nicht mehr so, die verkaufen alles, ohne zu zögern. Was kümmern sie sich um eine abgenutzte, alte Festtracht, wenn sie ein rotes, flatterndes Halstuch und Hosen mit Rock dagegen bekommen können! Der Siegeszug der Hosen über die Welt hat auch diese Täler und Ebenen erreicht.
Die Chiriguanos und Chanés führen jetzt nicht mehr richtigen Krieg mit anderen Indianerstämmen. Bisweilen machen die Chanés am Rio Parapiti jedoch gelegentlich Streifzüge gegen die Tsirakuaindianer. Die Ashluslays behaupteten auch, wie mir mein Dolmetscher erzählt hat, daß[S. 172] der Tobahäuptling Taycolique bei seinem Einfall in ihr Gebiet 1909 verschiedene Chiriguanos bei sich hatte.
Batirayu erzählte, die Chanés hätten früher die Köpfe der getöteten Feinde heimgebracht und sie bei Festen auf den Plätzen der Dörfer aufgestellt.
[54] Arundo saccharoides.
[55] Garcilasso de la Vega: The Royal Commentaries of the Incas. Vol. I–II. Hakluyt Society. London 1869 u. 1871.
[56] Dies wird durch Viedma bestätigt: Descripcion geografica y estadistica de la Provincia de Santa Cruz de la Sierra. Coleccion Pedro de Angelis. Buenos Aires 1836. Tom. III. S. 180–181.
[S. 173]
In der Regel habe ich mich in den Hütten der Chanés und Chiriguanos sehr wohl gefühlt. Das Leben in diesen Dörfern ist ganz gleichartig. Schildert man ein Dorf, so hat man sie beinahe alle geschildert.
Wie alle übrigen Indianer, die ich südlich von Santa Cruz de la Sierra in Bolivia besucht habe, leben diese Indianer in Dörfern. Einige dieser Dörfer sind recht groß und werden von einigen hundert Personen bewohnt. Oft liegen viele Dörfer nahe aneinander. Die Hütten liegen in der Regel um einen Markt, auf dem zuweilen Flaschenbäume gepflanzt sind, die in der Regenzeit Schutz verleihen. Die Märkte dienen als Spiel- und Versammlungsplätze. Die Hütten sind, im Gegensatz zu den runden Choroti- und Ashluslayhütten, viereckig, und ihre nach dem Dorf zu gerichtete Tür ist am Giebel angebracht. Sie sind aus Rohr oder Holzlatten und mit Dächern aus Gras. Nicht selten sind sie mit Erde verputzt.
Unter dem Einfluß der Weißen verändern aber die Chanés und Chiriguanos allmählich ihre Hütten, und viele Indianer bauen schon mit ihnen identische Hütten.
Keine Hütte hat hier ihre ursprüngliche indianische Form. Die echten Chiriguanohütten (die ursprünglichen Chanéhütten kennt man nicht) waren sehr groß; in demselben Hause wohnten bis zu 100 Personen und das ganze[S. 174] Dorf bestand nur aus einigen großen Hütten.[57] Diese entsprechen offenbar den aus Brasilien bekannten großen Familienhäusern, die ich in Bolivia nur bei den Chacobos, einem Panostamm aus Lago Rojo-Aguado, gesehen habe.
Schon zu Viedmas[58] Zeit, Ende des 18. Jahrhunderts, scheinen sie jedoch den ursprünglichen Haustyp aufgegeben und kleinere Hütten gebaut zu haben.
In vielen Dörfern gehören zu jeder Hütte eine oder mehrere Maisscheunen (Abb. 84 a), in denen Mais, Kürbisse usw. aufbewahrt[S. 175] werden. Diese Scheunen sind auf Pfählen gebaut und vielleicht eine Erinnerung aus der Zeit, wo die Chiriguanos und Chanés in sumpfigen Gegenden wohnten. Zu jeder Scheune gehört in der Regel eine Leiter (Abb. 84 b). Manchmal sind die Scheunen mit den Wohnhäusern zu einem Hause zusammengebaut. Solche Hütten habe ich in der Nähe von Machareti und bei Yatavéri unweit Ivu gesehen. Nicht so selten stehen die Scheunen auf den Feldern weit ab von den Wohnhäusern.
Es ist in diesen Dörfern fein und rein. Hütten und Markt werden täglich gefegt und der Müll verbrannt.
Der Raum in den Hütten ist nicht zu gering bemessen.[S. 176] In der Regel wohnt in jedem Hause nur eine Familie, die manchmal, außer den übrigen Familiengliedern, aus den Männern der Töchter besteht, welche während der Verlobung und im Anfang der Ehe bei der Schwiegermutter wohnen. Vor der Hütte ist die große Feuerstätte (Abb. 83), wo das Maisbier, und zuweilen auch das Essen, gekocht wird. In der Hütte ist ebenfalls eine Feuerstätte, wo man kocht und die man aufsucht, um sich bei kalten Nächten und Tagen zu wärmen.
Manche Nacht habe ich in diesen Hütten geschlafen. Sie sind in der Regel frei von Ungeziefer, was man nicht von den Wohnstätten aller anderen Indianer und von den Häusern der Weißen sagen kann. Die Lagerstätte besteht entweder aus einem Bett aus einer Art Bambusrohr, oder man liegt[S. 177] auf dem Fußboden auf einer Schilfmatte oder einem Fell. Hängematten sieht man ebenfalls in den Hütten, sie sind aber nicht allgemein. Im tropischen Südamerika hat die Hängematte ihr Heimatland, sie verschwindet aber nach Süden zu und auf den Bergen, denn dort ist es zu kalt, um sie anzuwenden.
Am Dache der Hütte hängen auf Haken und Gestellen Kleider und Eßwaren, Medizin und anderes. Hier verwahren auch die Männer ihre Pfeile und Bogen, ihre Trommeln u. dgl. In Lianenschlingen pflegen Maiskolben zu hängen.
In einer Chané- oder Chiriguanohütte ist es, besonders des Abends, wenn alle an das schöne, wärmende Feuer kriechen, wenn der Mund geht, die Alten Sagen erzählen, die Mütter ihre Kleinen zu Bett bringen, die jungen Paare abseits sitzen und kosen, sehr gemütlich.
[S. 178]
Hier und da sieht man eine in Holz geschnitzte Sitzbank (Abb. 85) von einer besonders von den brasilianischen Indianern her bekannten Form.
An den Wänden der Hütte entlang stehen immer eine Menge Tongefäße von allen Dimensionen. Manche davon sind so groß, daß ein Mann hineinkriechen könnte. Dort[S. 179] sind Töpfe, dort sind Röstschalen, dort sind feinbemalte Gefäße, die bei den Festen hervorgeholt werden, und dort ist der Schatztopf, in welchem die Hausfrau alle Kostbarkeiten und Andenken der Familie verwahrt. In ihm liegen, falls das Haus „vermögend“ ist, Kleider, Schmucksachen, Schalen aus Silber und Halsketten aus Türkis und Crysocol und vieles andere.
Sehr früh ist es still in den Dörfern. Es wird nicht, wie in einem Choroti- oder Ashluslaydorf, die ganze Nacht geschwatzt. Die jungen Herren und die unverheirateten jungen Mädchen laufen nicht herum, um beieinander zu liegen. Die sittlichen Chané- und Chiriguanomädchen werden von ihren Müttern bewacht, gehen nicht auf Abenteuer aus und nehmen keine Herrenbesuche an. Es kommen keine Nachtmahlzeiten, wie bei den Chorotis und Ashluslays, vor. Man schläft nämlich in diesen Dörfern des Nachts, d. h. wenn man nicht mit dem Maisbrauen für ein Fest beschäftigt ist.
Sehr früh des Morgens wird man in beinahe allen Dörfern durch Klagelieder geweckt. Immer ist dort einer, der einen Angehörigen verloren hat und ihn laut beweint. Ist jemand im Dorfe gestorben, so ist es für einen, der gern lange schläft, unheimlich im Dorfe.
[S. 180]
In der allerfrühesten Morgenstunde stehen die Frauen auf, etwas später die Männer, und die Tagesarbeit beginnt. Das erste, was die Frauen tun, ist, daß sie Wasser holen und ein Bad, ein richtig erfrischendes Bad nehmen.
Die Wasserkrüge tragen sie auf verschiedene Weise. Am Rio Itiyuro tragen die Chanéfrauen sie auf der Schulter, am Rio Parapiti in einem Tragnetz (Abb. 87). Der letztere Brauch ist auch bei den Chiriguanos am gewöhnlichsten. Auf dem Kopfe tragen nur diejenigen Frauen Krüge, die mit den Weißen leben und ihre Sitten und Gebräuche angenommen haben.
Wie bei den Choroti- und Ashluslayindianern, hat in der Regel auch hier, wie wir aus der untenstehenden Tabelle ersehen, jedes Geschlecht seine bestimmte Arbeit.
Tabelle, welche die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen bei den Chanés und Chiriguanos ausweist.
Männer
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Frauen
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Fischfang
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+
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+[59]
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Jagd
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+
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Pflanzen, Roden
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+
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Säen
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+
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+
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Ernten
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+
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+
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Kochen
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+
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Holztragen
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+
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+[61]
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Wassertragen
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+
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Zubereitung berauschender Getränke
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+
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Sammeln wilder Früchte und Wurzeln
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+
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Keramik
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+
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Holzarbeiten
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+
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Netzstricken
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+
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Seilflechten
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+
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Mattenflechten
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+
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Hängemattenbinden
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+
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Lederarbeiten
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+
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Waffenherstellung
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+
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[S. 181]
Verzierung von Kalebassen
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+
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Hausbau
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+[62]
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Weben
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+[63]
|
+
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Fädenspinnen
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+
|
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Bandflechten
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+
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Viehzucht
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+
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+
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Nähen
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+
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+
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Korbarbeiten
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+
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Tagewerke für die Weißen
|
+
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+[64]
|
Vergleicht man diese Tabelle mit der auf Seite 94, so findet man, daß das schwere Holztragen und der Hausbau bei den höher stehenden Chanés und Chiriguanos beinahe von den Frauen auf die Männer übergegangen ist. Eigentümlicherweise sind gewisse Industrien, z. B. die Tongefäßherstellung, bei beinahe jedem primitiven Indianerstamm Frauenarbeit. Auf dieselbe Weise werden die Kalebassen überall von den Männern geschmückt, wie sie auch alle Holzarbeiten ausführen. Daß hier auch die Frauen fischen, kommt daher, weil verschiedene dieser Indianer an wasserarmen Flüssen leben, in denen nur kleine Fische leben, bei deren Fang der Mut und die Kraft der Fischer auf keine Probe gestellt wird.
Der Fischfang und die Jagd spielen für den Chané und Chiriguano keine bedeutende Rolle. Sie sind, wie ich schon vorher erwähnt habe, Ackerbauer, vor allem Maisbauer. Diese Indianer leben so ausschließlich von Mais, daß alle andere Nahrung für sie eine untergeordnete Rolle spielt. Eine Ausnahme machen die am Rio Parapiti wohnenden Indianer, die mehr süße Kartoffeln als Mais bauen, die in ihrem Land eine ausgezeichnete Ernte geben.
[S. 182]
Folgende Pflanzen werden von den Chanés und Chiriguanos angebaut:
Süße Kartoffeln.
Mais.
Zapallo (Cucurbita pepo Lin.).
Kalebaßfrüchte.
Bohnen in verschiedenen Variationen.
Baumwolle.
Uruku.
Tabak.
Tuna (z. B. bei Yatavéri). Opuntia.
Hirse.
Mandioca (selten).
Schilfrohr zu Pfeilschäften (am Rio Parapiti).
In den Pflanzungen dieser Indianer habe ich weder gewöhnliche Kartoffeln noch Bananen gesehen. Die süßen Kartoffeln sind, nach Batirayus Angaben, in später Zeit von den Weißen eingeführt. Der Tabakbau ist unbedeutend. Die Chanés und Chiriguanos sind keine großen Raucher. Sie rauchen meist Zigaretten in Maisblättern, selten Pfeife (Abb. 88). Bei ihnen braucht man seine Pfeife nicht seinem Nachbar zum Weiterrauchen zu geben.
Es ist eigentümlich, wie verschieden bei den Indianerstämmen der Tabakverbrauch ist. Die Aymaras und Quichuas, die Koka kauen, rauchen sehr selten. Sie finden keinen Geschmack daran. Ebensowenig rauchten die Chacobos und Atsahuacas, zwei Stämme, die ich auf meinen Reisen kennen lernte. Als ich einem Chacobo eine Zigarette anbot, machte er nur ein paar Züge, behielt den Rauch einige Augenblicke im Munde und warf dann die Zigarette fort. Die Chacobos bauen indessen Tabak, wenden ihn aber ausschließlich als Heilmittel an. Ist einem Chacobo ein „boro“, eine Fliegenlarve, „Dermatomya“, unter die Haut gekommen, so bedeckt er die Eintrittsstelle der Fliegenlarve mit Tabakpulver und kann nach einigen Stunden die tote Larve herausquetschen. Die Chorotis und Ashluslays sind leidenschaftliche Raucher.[S. 183] Bei ihnen ist das Rauchen einer der höchsten Lebensgenüsse. Diese Gegensätze sind ganz sonderbar.
Die Chiriguanos und die Chanés haben ausgedehnte Anpflanzungen, die, im Gegensatz zu den Rodungen der Chorotis und Ashluslays in der Wildnis, gut gepflegt sind. Ehemals hat man Spaten aus hartem Holz mit schönen Stielen angewendet (Abb. 89), diese sind aber jetzt außer Gebrauch gekommen und vollständig durch eiserne Spaten verdrängt worden. Die Felder liegen nicht selten weit von den Dörfern, wie z. B. im Caipipendital. Dies hängt damit zusammen, daß nicht überall das ganze Jahr Wasser in der Nähe der Pflanzungen vorhanden ist.
Die gewonnenen Früchte werden, wie schon erwähnt, in auf Pfählen gebauten Scheunen (Abb. 84) verwahrt, um sie wenigstens etwas vor Ratten, Feuchtigkeit usw. zu schützen. Diese Scheunen sieht man, außer bei den Chanés am Rio Pilcomayo, überall.
Die Felder sind mit gestrüppförmig gebauten Zäunen eingezäunt, deren Übersteigung oft Schwierigkeiten macht. Eine Düngung der Felder kommt nicht vor. Dagegen läßt man einen ausgenutzten Acker brach liegen.
Die Zeit des Säens wird nach der Stellung des Siebengestirns, „ychu“, bestimmt. Geht dieses sehr früh am Morgen über den Horizont, so ist Saatzeit. Wenn die Regenzeit beginnt, muß alles gesät sein.
Die Männer roden und säen. Bei der Ernte helfen alle mit, Männer, Frauen und Kinder. Bei den Chanés im Itiyurotal säeten die Männer den Mais, d. h. sie besorgten die größeren Pflanzungen, während die Frauen Gärtner waren und Kürbisse, Bohnen usw. pflanzten.
Die Chanés und die Chiriguanos sind keine großen Jäger. Vielleicht hat man früher mehr gejagt. Ihre Jagdwaffen bestehen aus Pfeil und Bogen. Zur Wildschweinjagd werden Keulen angewendet, zur Straußenjagd wurden früher die Boleadora, „churima“ benutzt. Schlingen und Vogelnetze kommen auch vor. Früher trugen die Jäger eine offenbar[S. 184] den Spaniern nachgeahmte, nach europäischem Schnitt zugeschnittene Tracht aus Leder.[65] Diese durfte nicht im Hause hängen. Früher durfte auch bei den Chanés am Rio Parapiti kein Fleisch im Hause gekocht werden, sondern dies mußte ein Stückchen davon geschehen. Die Knaben sind natürlich eifrige Jäger kleiner Vögel. Sie benutzen manchmal, wie auch die Männer, Tonkugelbogen.
Man hat eigens für die Wildschweinjagd abgerichtete Jagdhunde. In einem Chanédorf am Rio Itiyuro sah ich, wie man allen Hunden ein rotes Kreuz auf den Kopf malte, damit sie nicht von einem in der Nähe grassierenden tollen Hunde gebissen würden. Es war wirklich spaßhaft zu sehen, wie diese heidnischen Chanés ihre Hunde mit dem Kreuzzeichen gegen die Tollwut schützten.
Batirayu erzählte mir, die Chanémänner dürften, wenn sie auf die Jagd gingen, in der Nacht vorher nicht bei ihren Frauen schlafen.
Der Fischfang wird in den verschiedenen Flüssen ungleich betrieben.
Im Rio Itiyuro fischen beinahe ausschließlich Frauen und Kinder. Dort gibt es auch nur kleine Fische. Ich sah dort drei Fischereimethoden. Angelfischerei, Fischfang mit Kalebasse und Fischerei durch Aufdämmen von Teichen. Die Angelhaken bestehen aus gebogenen Nadeln, die man von den Weißen bekommen hat. Flöße und Senkblei kommen nicht vor.
Der Fischfang mit Kalebasse geschieht folgendermaßen. In den Boden des Flusses werden mehrere Laubbüschel gesteckt, die Schatten geben, und vor jeden von diesen wird eine Kalebasse (Abb. 90) mit saurem, gemahlenem Mais (Abfälle vom Bierbrauen) gestellt. Die Fische sammeln sich in den Kalebassen, die von den Frauen von Zeit zu Zeit herausgenommen werden. Diese schleichen sich an die Kalebasse heran, legen schnell die Hand auf die Mündung, heben[S. 185] sie hoch und entleeren dann den Inhalt in Gruben am Flußufer.
Eine andere, in dem erwähnten Flusse oft angewendete Art des Fischens ist das Aufdämmen länglicher Teiche im Sande, in denen die Fische sich sammeln. Die Fische werden nach Entleerung des Wassers aus den Teichen gefangen. Zuweilen läßt man den Teich in einer mit einem Ketscher verschlossenen Rinne enden, aus der die Fische nicht heraus können.
Aller Fischfang, den ich am Rio Itiyuro gesehen habe, geschah während der Trockenzeit an sonnenheißen Tagen.
Im oberen Rio Pilcomayo fischen die Chiriguanos mit von den Weißen erhaltenen Angelhaken, mit den Tauchnetzen der Chorotis ähnlichen, obschon kleineren Netzen und durch Schießen der Fische mit Pfeil und Bogen. Die zum Fischfang angewendeten Pfeile haben zwei oder mehrere Spitzen.
Im Rio Parapiti sah ich Chanés und Chiriguanos mit einem Netz von dem hier abgebildeten Typ (Abb. 91) fischen. Beim Fischschießen wenden die dortigen Chiriguanos Pfeile mit vielen feinen Spitzen an.
In diesen zuletzt genannten Flüssen fischen die Männer immer im tieferen Wasser mit Netz und mit Pfeil und Bogen, während die Frauen sich damit begnügen, kleine Fische in den Verdämmungen zu fangen, wenn der Fluß halbtrocken ist.
Nicht so selten nehmen die Indianer lange Reisen vor, um zu fischen. So pflegen die Chanés zuweilen während der[S. 186] Trockenzeit die Sümpfe, „Madrejones“, in denen der Rio Parapiti sich verliert, zu besuchen.
Es ist merkwürdig, daß Völker, die so viel fischen, so wenige Fischereigeräte kennen. In meiner Schilderung der Chorotis und Ashluslays haben wir mit dieser Armut schon Bekanntschaft gemacht.
Moberg und der Verfasser wollten einmal am Rio Pilcomayo den Indianern etwas von unseren Erfahrungen im Fischfang zum besten geben und fabrizierten nun eine Reuse, über die wir nicht wenig stolz waren. Wir setzten sie in der vollen Überzeugung aus, daß sie am Morgen voller Fische sei. Holz und Abfälle aller Art war alles, was wir fingen, und ich kann nicht leugnen, daß die Indianer uns ein wenig auslachten.
Der Grund der Armut dieser Indianer an Fischereigeräten ist nicht der Mangel an Ideen, sondern ein anderer. Es passen ganz einfach wenige Fischereimethoden für diese Gewässer. Ein Netz des Nachts aussetzen, geht nicht an, denn wenn ein Palometafisch in das Netz gerät, schneidet er dasselbe mit seinen messerscharfen Zähnen sofort entzwei. Angelfischerei treiben, wo es solche Fische gibt, ist auch nicht verlockend, denn sie beißen die Angeln ebenso leicht, wie die Angelschnüre, ab, wenn sie nicht aus sehr gutem Material sind. In diesen tropischen Gewässern modern auch die Fischgeräte schneller, als bei uns, man darf sie also nicht eine ganze Nacht über im Wasser lassen.
Die Chiriguanos und Chanés haben keine Fahrzeuge. Sie sind dagegen außerordentliche Water, und hier während der Regenzeit in den Flüssen waten, ist gerade keine Kleinigkeit. Hat man jedoch einen dieser Indianer als Beistand, so kommt man, wenn es überhaupt möglich ist, doch hinüber.
Als eine Eigentümlichkeit kann ich erwähnen, daß ich während meiner ganzen Reise niemals einen eingeborenen Weißen oder Mestizen habe fischen sehen. In Bolivia ist es nicht fein, frische Fische zu essen. Am Rio Pilcomayo[S. 187] aßen die Offiziere der Militärposten beinahe niemals die leckeren, frischen, lachsähnlichen Fische aus dem Flusse, sondern zogen Büchsenlachs aus Alaska vor. Da dieser, wenn er nach Bolivia kommt, sehr alt ist, schmeckt er schrecklich. Die Angelfischerei ist auch die einzige Fischereimethode, welche die Indianer von den Weißen gelernt haben.
Von Haustieren haben die Chiriguanos und Chanés nur die Hunde nicht von den Weißen bekommen. Diese Hunde scheinen mir jetzt stark mit fremdem Blut vermischt zu sein. Sie haben immer Namen, z. B. tirupotchi (altes Kleid), chapikáyu (gelbe Augenbrauen). In der Regel haben die Chiriguanos und Chanés weniger Pferde, Kühe, Esel, Schafe und Ziegen, als die Chorotis und Ashluslays. Hühner und Schweine haben sie dagegen mehr. Zuweilen sieht man Enten, Perlhühner und Truthähne. In gewissen Gegenden, wie z. B. im Caipipendital, wo die Indianer reich sind, haben sie gleichwohl viel Vieh. Was sie besitzen, suchen ihnen die Weißen leider auf alle Weise abzuschwindeln. So ist es nichts Ungewöhnliches, daß ein weißer Mann oder eine weiße Frau mit einigen Fäßchen Branntwein in ein Dorf kommt und dasselbe mit einem Paar der besten Kühe der Indianer verläßt. Die Weißen werden reicher, die Indianer ärmer.
Die Menagerie gezähmter Waldtiere, die man in den Dörfern der primitiveren Indianer sieht, findet man bei[S. 188] diesen Indianern nicht. Ein Papagei, der etwas Guarani spricht, ist jedoch in den Hütten nichts Ungewöhnliches.
Den Schmutz, den wir bei der Zubereitung der Speisen und im Essen bei den Chorotis und Ashluslays treffen, findet man bei den Chanés und Chiriguanos nicht. Die Speisen sind dagegen schrecklich einförmig. Sie bestehen aus Mais in allen möglichen Formen, gekochtem Mais, geröstetem Mais, in Asche gebackenem Maisbrot, Maismehlbrei und[S. 189] gedämpftem Maismehl. Das letztere wird in einem hier abgebildeten Apparat (Abb. 92) zubereitet.
Fleisch wird mit Mais als Suppe gekocht oder geröstet. Bevor es in den Topf gelegt wird, wird es sauber gewaschen. Die Fische werden in Klammern oder in Maisblättern über dem Feuer geröstet. Die kleinen Fische, die ich auf diese Weise zubereiten gesehen habe, werden erst beim Essen ausgenommen. Hat man viele Fische, so werden sie für den künftigen Bedarf getrocknet.
Besonders in Zeiten der Not werden auch verschiedene wilde Gewächse gegessen. Zum Essen wird Salz angewendet, das jetzt von den Weißen gekauft wird. Früher holte man es aus den Bergsalzgruben am San Luis auf dem Wege von der Stadt Tarija nach dem Chaco, oder bereitete Salz aus salzhaltiger Erde, „yukiu“. Die mit Salz gemengte Erde wurde in eine Schale mit Wasser gelegt, sank zu Boden, und das Salzwasser wurde angewendet.
Frauen und Männer essen getrennt. Zu Hause geht es gewöhnlich so zu, daß die Männer zuerst essen und dann die Frauen und Kinder. Die Indianer wollen beim Essen Ruhe haben. Es ist deshalb höchst ungezogen, sie während dieser wichtigen Beschäftigung anzusprechen.
[S. 190]
Sie essen, soweit ich es gesehen habe, nicht aus einer gemeinschaftlichen Schüssel, sondern jeder ißt aus seiner Schale. Nach den Mahlzeiten spülen sie den Mund und waschen sich die Hände, indem sie das Spülwasser über die Finger spucken.
Es schien mir, als würden hier wirkliche Mahlzeiten abgehalten, von denen die erste des Morgens, die zweite mitten am Tage und die dritte bei Sonnenuntergang eingenommen wurde.
Hat man in einem Hause Überfluß an Speisen, so ladet man auch die Nachbarhäuser ein. Ein besuchender Indianer wird sehr gastfrei aufgenommen. Er braucht nicht fortzugehen, ohne Maisbier oder Essen erhalten zu haben. In den Chanédörfern am Rio Parapiti setzten mir die Indianer, wenn ich zu ihnen zu Besuch kam, immer eine Schüssel mit süßen Kartoffeln vor.
Die Chanés essen keine Esel, Maulesel, Pferde, Hunde, Füchse, Geier oder Affen. Dagegen werden Puma und Jaguar für eßbar gehalten.
Wenn die Frauen in den Dörfern nicht zu kochen, zu brauen oder ihre Kleinen zu warten haben, sind sie doch immer fleißig. Wenigstens die älteren unter ihnen sieht man beinahe niemals ohne Beschäftigung. Sie spinnen, machen Tongefäße, weben. Ich habe diese Frauen schätzen gelernt, ich habe ihre liebevolle Fürsorge für die Kinder, ihren Fleiß, ihre Pflege des Heims, ihre Geschicklichkeit und ihren Geschmack bewundert.
Manchmal sieht man die Männer spielen. Das gewöhnlichste Spiel ist jetzt taba, das mit dem Sprungbein einer Kuh gespielt wird und das diese Indianer in den Zuckerfabriken gelernt haben. Auch Würfelspiele sind dort nicht ungewöhnlich. Die Regeln für diese scheinen ihre eigenen, oder vielmehr den Weißen nachgeahmte zu sein.
„Daro“, wie die Chiriguanos das Würfelspiel nach dem Spanischen nennen, wird von zwei Personen mit von ihnen[S. 191] selbst verfertigten Würfeln gespielt. In Tihuïpa habe ich folgende Regeln für dieses Spiel (Abb. 93) aufgezeichnet.
Alle übrigen Kombinationen sind = 0. Wer zuerst zehn Striche hat, gewinnt. Die Striche werden auf dem Fußboden markiert.
Von eigenen Hazardspielen haben sie zwei. Das eine ist dasselbe, wie wir es S. 73 von den Chorotis und Ashluslays kennen gelernt haben. Die Chiriguanos nennen dieses Spiel „chúcaráy“, die Chanés „chunquánti“.[66]
Das andere den Chiriguanos und Chanés bekannte Spiel habe ich bei keinen anderen Indianern gesehen. Sie nennen es tsúcareta und spielen es mit einem Haufen Stäbchen, die auf der einen Seite konvex, auf der anderen eben oder konkav sind (Abb. 95).
Zuerst wird ein Stäbchen (Máma) so ausgelegt, daß es auf den hinzeigt, der werfen soll (Abb. 96). Nehmen wir an, daß es so gelegt ist, daß die konvexe Seite nach oben gerichtet ist. Fallen zwei oder mehr Stäbchen kreuzweise übereinander, und zwar mit der konvexen Seite nach oben und ohne oben von einem Stäbchen mit der ebenen Seite nach oben berührt zu werden, so fallen sie dem Werfenden zu. Wäre das Máma so gelegt worden, daß die ebene Seite nach oben gelegt worden wäre, so hätten nur die gezählt, die mit der ebenen Seite nach oben ein Kreuz gebildet haben.
Man schlägt abwechselnd und jeder legt das Máma beliebig aus. Wer die meisten Stäbchen bekommen hat, hat gewonnen.
Hat man nur noch vier Stäbchen, so wird kein Máma mehr ausgelegt, sondern man kommt überein, ob die konvexen oder ebenen (konkaven) gelten sollen.
[S. 192]
Bisweilen sieht man die Frauen ein Kegelspiel, von den Chiriguanos in Tihuïpa „itarapóa“, von den Chanés am Rio Parapiti „tocoróre“ genannt, spielen.
In Tihuïpa spielte man auf folgende Weise. Man stellte zwei Reihen Maiskörner, je zwei aufeinander, als Kegel in einem Abstand von vier bis fünf Fuß auf. Zwei spielten abwechselnd, indem sie die Maiskegel des anderen mit einer steinernen Kugel abzuschlagen versuchten. Wer zuerst alle Maiskegel des anderen abgeschlagen hatte, hatte gewonnen.
Am Rio Pilcomayo spielte man mit drei Kegeln auf jeder Seite. Der Abstand zwischen den Kegeln des Gegners war drei Ellen. Jeder Kegel bestand aus einem entsamten Maiskolben und der Abstand zwischen ihnen sollte eine Handspanne[67] sein. Die angewandten Bälle sind aus gebranntem Ton und hohl, mit kleinen, rasselnden Kugeln im Innern (Abb. 99).
[S. 193]
Wenn man vom Leben in den Dörfern spricht, darf man auch die Kinder nicht vergessen. Die Kinder spielen, helfen aber auch den Großen. Sie werden wie die Choroti- und Ashluslaykinder erzogen. In heiterer Freiheit verbringen sie ihr Leben, ohne Prügel und harte Worte.
Die Chiriguano- und Chanékinder haben mehrere Spiele und Spielsachen, welche man die Kinder der Weißen in Bolivia niemals anwenden sieht und die mir alle echt indianisch zu sein scheinen.
Die Indianerkinder spielen vor allem die Spiele, die ich schon von den Älteren erwähnt habe. Von den Spielen der Chorotis und Ashluslays kennen sie das hockeyähnliche Ballspiel, das die Chiriguanos „táca“ nennen. Bei den Chanés habe ich es nicht spielen sehen. Als Tore pflegen sie Gruben anzuwenden, und zuweilen schlagen sie die Bälle mit Raketts. Das ist hier ein Knabenspiel. Ein außerordentlich hübsches und schweres Spiel ist „tóki“, das ich von den Knaben der Chanés am Rio Parapiti habe spielen sehen. Es wird von zwei, vier, sechs oder mehr Personen in zwei Abteilungen gespielt. Die Bälle aus massivem Gummi werden von einem der Spielenden erst in die Luft geworfen und dann mit dem Kopf nach der gegnerischen Seite geworfen, wo er mit dem Kopf wieder zurückgestoßen werden soll. Das Berühren des Balles mit der Hand ist verboten. Die Partei, die, je nach Übereinkommen, fünf- oder zehnmal den Ball verfehlt, hat verloren.
Das Tókispiel wird in einer der Sagen der Chanéindianer erwähnt. In dieser Sage sehen wir, wie schwer es den Chanés früher gefallen ist, den Gummi für die Bälle zu[S. 194] erhalten, der, da es im Chaco keinen Gummi gibt, von weit her geholt werden mußte.
Jetzt erhalten sie die Gummibälle von Santa Cruz de la Sierra. Ich habe das „Tóki“ nur von Knaben spielen sehen. Früher wurde es nicht allein von den Männern, sondern auch von den Göttern gespielt. Es ist besonders von den Chiquitosindianern bekannt.[68]
Auch d’Orbigny[69] erwähnt dieses hübsche Spiel von den Chiquitos. Am Rio Guaporé habe ich Chiquitano sprechende[S. 195] Gummiarbeiter das Spiel spielen sehen, die es außerordentlich gut verstanden, den Ball mit dem Kopf weiterzustoßen. Auch niedrige, den Boden beinahe erreichende Bälle fingen sie, auf dem Magen liegend, in gleicher Weise auf.
Spiele mit Gummibällen scheinen den Spaniern erst sehr spät bekannt geworden zu sein. Dies geht aus dem Erstaunen hervor, mit dem Gumilla[70] sie erwähnt. Merkwürdig, sagt er, sind die Bälle und die Art, wie mit ihnen gespielt wird. Der Ball ist groß und aus einem Holzsaft, Caucho genannt, gearbeitet, der bei einem leichten Stoß so hoch springt, wie ein Mann lang ist.
Gumilla erzählt, daß die Indianer am Orinoco mit der[S. 196] rechten Schulter spielten. Traf der Ball einen anderen Körperteil, so verlor der Spielende einen Point. Er bewunderte ihr Spiel, da sie den Ball zehn-, zwölfmal und noch öfter warfen, ohne den Boden zu berühren.
Ein anderes nettes Spiel ist „sóuki“, das die Chanéknaben am Rio Parapiti spielten (Abb. 102). Es wird von zwei Knaben mit Maiskolbenpfeilen gespielt. Erst wirft der eine Knabe seinen Pfeil auf den Boden, dann der andere, der ihm so nahe wie möglich zu kommen sucht. Kommt er eine Handspanne oder noch näher an den Pfeil des Gegners, so gewinnt er einen Point, d. h. bekommt einen Strich. Wer zuerst sechs Points hat, wenn der andere keinen hat, hat gewonnen. Jeder spielt mit bis zu drei Pfeilen. Die Points zählen so, daß nur das gilt, was der eine mehr als der andere hat.
[S. 197]
„Huirahuahua“ ist ein Spiel (Abb. 103), das nur von den jüngeren Chanéknaben am Rio Parapiti gespielt wird. Es wird von zwei Knaben mit je einem Stäbchen gespielt. Der eine wirft sein Stäbchen so, daß die Spitze auf den Boden schlägt und so weit wie möglich aufspringt. Nachher wirft der zweite. Wer am weitesten geworfen hat, bekommt einen Strich auf dem Boden. Wer zuerst acht Striche hat, wenn der andere auf Null steht, hat gewonnen.
Das „Parama“-Spiel habe ich von den Chiriguanos im Caipipendital spielen sehen. Es wird von zweien gespielt. Ein Knopf oder dergleichen wird als Tor auf einen Stein gelegt, worauf man mit runden Steinchen aus Tonscherben wirft. Der Knopf soll heruntergeschlagen werden, und wer demselben am nächsten kommt, hat einen Strich gewonnen. Das Spiel wird so lange fortgesetzt, bis der eine, je nach Übereinkommen, fünf oder mehr Striche hat.
Die Chané- und Chiriguanokinder haben auch mehrere Spielsachen, die hier abgebildet sind (Abb. 104–105). Von diesen ist „mou-mou“ (Abb. 104) eigentümlich. Mit ihm wird,[S. 198] wenn die Fäden erst gezwirnt und dann gespannt werden, ein summender Ton hervorgebracht.
Nun habe ich meine Leser wohl ordentlich mit indianischen Spielen und Spielsachen gelangweilt. Vielleicht habe ich mich bei diesem in Südamerika so wenig studierten Gegenstande, der mich auf meiner Reise lebhaft interessiert hat, zu lange aufgehalten. Wie bei den Chorotis und Ashluslays, habe ich gern mit den Knaben gespielt. Dies ist auch eine Art und Weise, den Indianern näher zu kommen, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Wie die Choroti- und Ashluslaykinder, langweilen sich die Kinder der Chanés und Chiriguanos selten, wie diese sind es artige und gute Kinder. Auf den Spielplätzen in den Dörfern geht es in der Regel sehr munter zu. Dies gilt für die Heiden. Die Kinder, die in die Hände der Mönche geraten sind, sehen düster und verschlossen aus, sie haben schon etwas von dem zu kosten bekommen, was die Kinder des weißen Mannes lernen, Erziehung und beginnende Zivilisation. „Du sollst ...“ „Du sollst nicht ...“
Die Spiele und Spielzeuge sind vom anthropo-geographischen Gesichtspunkte aus von großem Interesse. Eine Mehrzahl von ihnen finden wir nicht außerhalb des Chaco und der angrenzenden Gegenden in Südamerika. Dagegen finden wir sie in Nordamerika. Infolgedessen habe ich den Schluß[S. 200] gezogen,[71] daß die Spiele und Spielsachen Überbleibsel aus einer Zeit sind, in der der kulturelle Austausch zwischen Nord- und Südamerika größer als jetzt war, oder richtiger, daß Spuren eines von Norden ausgehenden Kulturstromes bis nach Argentinien hinunter gegangen sind. Eine merkwürdige Ähnlichkeit herrscht auch zwischen den Typen von Tabakspfeifen, die man im südlichen Südamerika und in Nordamerika trifft. Die Dreifußkeramik, die ich bei meinen Ausgrabungen im östlichen Bolivia, in Mojos, gefunden habe, deutet auch auf Einflüsse von Norden.
A =
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„mou-mou“. ⅙. Chané. Rio Parapiti.
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B =
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brummender Kreisel. ²⁄₉. Chiriguano. Caipipendi.
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C, C1 =
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Reifen mit Peitsche. Chané. Rio Itiyuro.
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D =
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Musikbogen. ¼. Chané. Rio Parapiti.
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In den Dörfern, wo der Einfluß der Weißen nicht die alten Trachten verdrängt hat, tragen die Chané- und Chiriguanofrauen ein sackförmiges Kleidungsstück, „tiru“ (Abb. 106). Dieses kann, wie aus den Photographien ersichtlich, auf verschiedene Weise getragen werden. Früher scheint der Tiru nicht die jetzige Form gehabt zu haben. Viedma[72] sagt, die[S. 201] Chiriguanofrauen hatten nur ein Stück Zeug um die Hüften. Sicher hat sich die Tracht unter dem Einfluß der „moralischen“ Christen so entwickelt, daß sie „anständiger“ geworden ist.
Von einheimischen Schmucksachen sieht man Halsketten aus Türkis- und Chrysocolperlen und aus schwarzen Körnern.
Nach eigenen Angaben finden die Indianer die Steinperlen in der Erde, wo alte Wohnplätze und Gräber sind. Die Mestizen im Tarijatal, die in ihren Feldern eine große Menge dieser Perlen finden, verkaufen sie den Chiriguanos[S. 202] und Chanés zu hohen Preisen. Früher wurde eine Halskette aus diesen Perlen mit einem Pferd bezahlt.
Das Haar tragen die Chané- und Chiriguanofrauen halblang, mitten auf der Stirn gescheitelt und manchmal im Nacken oder auf dem Kopf mit einem Band zusammengebunden.
Die Männer tragen jetzt alle die europäische Tracht. Bei der Arbeit sieht man sie jedoch nicht selten nur in einem die Geschlechtsteile schützenden Stück Zeug. Bei den Chanés am Rio Parapiti waren Mäntel gleich denen, die wir von den Chorotis und Ashluslays kennen gelernt haben, sehr gewöhnlich. Die älteren Männer, sowie auch die jüngeren in den Chiriguanodörfern am oberen Rio Pilcomayo, tragen das Haar lang, um den Kopf gewunden und von einem in der Regel roten oder blauen Band zusammengehalten. Nach vorn ist das Haar abgeschnitten, sie haben also Stirnlocken[S. 203] und eine Locke vor jedem Ohr. Es greift jedoch immer mehr die Sitte um sich, das Haar kurz zu schneiden, um ebenso fein zu sein, wie die Weißen. An den Füßen tragen sie, wenn sie auf steinigem oder dornigem Boden wandern, wie die Frauen, Sandalen.
Diese Indianer malen sich alltags nicht oft. Zuweilen sieht man eine Frau, die sich das Gesicht rot gemalt hat. Die Weißen behaupten, es bedeute, sie sei heiratslustig, oder, wenn sie verheiratet ist, lüstern. Ich wage jedoch nicht zu sagen, daß dies wahr ist. Einen roten Strich hier und da ins Gesicht malen sich die Frauen auch alltags, oder sie kleben ganz einfach eine Blume an jede Wange. Die Männer bemalen auch manchmal das Gesicht und den Körper rot. Als große Seltenheit habe ich ein paar Chiriguanofrauen gesehen, die auf dem Arm tätowiert waren (Abb. 108). Im Caipipendital haben die Chiriguanofrauen die abscheuliche Sitte, ihre sonst weißen und gesunden Zähne zu schwärzen. Viedma erzählt, daß die Chiriguanomänner ihre Zähne blau zu malen pflegten.
Die Chanés und Chiriguanos sind sehr reinlich. Sie beginnen, wie schon erwähnt, den Morgen mit einem Bad, und baden dann oft mehrmals im Laufe des Tages. Diese Reinlichkeit ist bei Stämmen, die oft in Gegenden wohnen, wo, wie z. B. im Chipipendital, großer Wassermangel herrscht, merkwürdig. In der Trockenzeit können sie dort niemals ein Bad nehmen, wenigstens die Frauen waschen aber ihren Körper jeden Morgen gründlich ab.
[S. 204]
Der Gegensatz, der sich hier in dem Reinlichkeitseifer der verschiedenen Stämme zeigt, läßt sich, meiner Ansicht nach, durch ihre Wanderungen erklären. Die Chorotis, Ashluslays und Matacos, welche sich noch teilweise in Pelzmäntel kleiden, scheinen mir, wie die Feuerländer und Patagonier, aus den kalten Pampas im Süden, wo ein Waschen höchst unangenehm war, nach dem Chaco eingewandert zu sein, während die Chiriguanos und Chanés vom Norden, aus den feuchtwarmen Urwäldern, von den großen Flüssen kommen, wo das Baden immer schön und erfrischend war. Nun, wo sie unter denselben klimatischen Verhältnissen leben, haben die ersteren ihren Schmutz, die letzteren ihre Reinlichkeit bewahrt.
Im Thurn[73] berichtet, daß die Indianer in Guayana sofort nach dem Essen baden, ohne daß ihnen dies schlecht bekommt. Dasselbe habe ich hier oft beobachtet.
Den Kopf schampunieren die Chiriguanos und verschiedene Chanés mit den Samen von „nyantéra“, die sie mahlen. Zu demselben Zweck benutzen die Chanés am Rio Parapiti die Rinde des Mistol, „yúag“. Auch die Nägel, und nicht[S. 205] zum wenigsten die Zehennägel, werden sauber gepflegt. Zum Kämmen wenden sie in Holz geschnittene oder aus Rohrstäbchen zusammengebundene Kämme an.
Ihre Bedürfnisse verrichten die Chanés und Chiriguanos niemals ganz nahe den Hütten. Besondere Abtritte habe ich aber niemals bei irgend welchen Indianern, und auch nicht bei vielen Weißen in Bolivia, gesehen.
Die Chanés und Chiriguanos gehen mit ihren Kleidern sehr sorgfältig um. Sie halten sie rein und flicken sie, wenn es nötig ist. Jedes Geschlecht wäscht und flickt seine Sachen selbst. Der Mann näht hier vollkommen ebenso gut wie die Frau.
Ich habe hier von dem Alltagsleben bei diesen Indianern gesprochen. Nun will ich die wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben, in ihrem Gemeinwesen, ihre Feste, ihre Industrie usw. schildern, um zuletzt zu ihren Sagen und ihrer Religion überzugehen.
[57] Annua de la Compañia de Jesus. — Tucuman y Perú — 1596. Relaciones geográficas de Indias. Madrid 1885. Tomo II. S. CIV.
[58] Viedma: l. c.
[59] Die Frauen fischen in der Regel in seichtem, die Männer in tiefem Wasser.
[60] Nehmen manchmal an der Zubereitung der Jagdbeute teil.
[61] Bei den Chanés am Rio Parapiti.
[62] Am Rio Parapiti sammelten die Chanéfrauen das Material zu dem Dache, d. h. langes Gras.
[63] Nur bei Maringay.
[64] Unbedeutend, eigentlich nur am Rio Parapiti.
[65] Schon Viedma erwähnt diese Tracht, S. 181.
[66] Vgl. Erland Nordenskiöld: Zeitschr. f. Ethn., 1910, H. 3 u. 4.
[67] Längster Abstand zwischen Daumen und kleinem Finger.
[68] Erbauliche und angenehme Geschichten. Wien 1729. S. 55.
[69] d’Orbigny: Voyage. Partie historique. Tome 2, S. 594–595.
[70] Gumilla: El Orinoco Ilustrado. Madrid 1745. S. 190.
[71] S. auch Erland Nordenskiöld: Zeitschr. f. Ethnologie, 1910. H. 3 u. 4.
[72] Viedma, l. c. S. 181.
[73] Im Thurn: Among the indians of Guiana. London 1883.
[S. 206]
Streng arbeiten die Chané- und Chiriguanofrauen auch während der Schwangerschaft, bis sie gebären sollen. Im Dorfe Vocapoys war eine schwangere Frau, der ich eine von mir geschossene Taube schenkte. Vocapoy erklärte mir da ganz erregt, eine schwangere Frau dürfe keine Tauben essen. Kommt ein Chané- oder Chiriguanokind zur Welt, verursacht es seiner Mutter sicherlich nicht viel Schmerzen. Diese Frauen sind gesund und gebären leicht, wie alle Indianerfrauen, die eine gesunde Lebensweise führen und niemals eng anliegende Kleider getragen haben. Sie liegen auch nicht im Wochenbett, das muß statt dessen der Papa des Kleinen. Auch hier treffen wir diesen eigentümlichen Brauch, die „Couvade“, die von so vielen Indianerstämmen her bekannt ist. Mehrere Tage soll der Mann liegen und Diät halten. Bei den Chanés am Rio Parapiti darf er die ersten Tage nur gekochten Mais und Maissuppe, später auch süße Kartoffeln essen. Mehrere Tage lang darf er kein Fleisch essen. Ißt er z. B. das Fleisch einer Ziege, so stirbt er, meckernd wie diese. Der Chiriguanoindianer Taco erzählte mir, er habe seinen dicken Magen deswegen bekommen, weil er diesen wichtigen Brauch nicht innegehalten habe. „Fünf Tage hätte ich liegen und Diät halten sollen“, sagte er.
Die Sitte der Couvade hat, wie bekannt, in Südamerika eine sehr große Ausdehnung. Bei den Stämmen, die ich kennen gelernt habe, kommt sie sicher, außer bei den Chiriguanos[S. 207] und Chanés, bei den Chorotis, Gúarayús und Chacobos vor. K. v. d. Steinen,[74] der diesen Brauch ausführlich vom Rio Xingu schildert, sagt, er sei wahrscheinlich für alle brasilianischen Stämme bekannt. Dagegen scheint der Brauch der Couvade von den Quichuas und Aymaras, d. h. von der Gebirgskultur in Bolivia und Peru, unbekannt zu sein. Dies ist einer der vielen Gegensätze, die zwischen den Indianern des Gebirges und des Urwaldes bestehen.
Die Gúarayúindianer in Nordost-Bolivia sagten mir, wenn ein Mann gleich nach der Entbindung seiner Frau auf die Jagd geht und z. B. einen Papagei schießt, so kann er sein Kind töten. In den ersten Tagen des Lebens folgt nämlich die Seele des Kindes dem Vater.
Sehr selten werden bei den Chanés und Chiriguanos außereheliche Kinder geboren. Ich glaube, vielleicht irre ich mich, daß die Frauen dieser Indianer keusch sind, bevor sie heiraten. Am Rio Itiyuro befand sich unter etwa 500 Chanés nur ein von einer unverheirateten Frau geborenes Kind. Mißgestaltete Kinder werden sehr selten geboren. So gibt es, nach dem, was ich gesehen und Batirayu angegeben, im ganzen Parapitital unter 1500–2000 Chanés keinen Blindgeborenen, keinen Schielenden, keinen Idioten und nur einen mit mißgestalteten Extremitäten und vier Taubstumme. Stark stammelnde Indianer habe ich nicht beobachtet.
Ich weiß nicht, ob die mißgestalteten Kinder auch bei diesen Indianern gleich getötet werden, aber wahrscheinlich ist dies der Fall. Ich weiß auch nicht, ob Abtreibung der Leibesfrucht vorkommt. Sicher ist aber, daß diese gesunden Frauen selten Kinder gebären, die nicht wohlgestaltet sind. Im Parapitital fand sich gleichwohl, wie erwähnt, ein Knabe mit mißgestalteten Extremitäten. Das eine Hüftbein war zu kurz und der eine Arm auch verkrüppelt. Dieser Knabe wurde von allen mit außerordentlichem Wohlwollen behandelt,[S. 208] und man drückte laut seinen Beifall aus, als ich ihm einige kleine Geschenke gab.
Wenn das Kind zu gehen anfängt, erhält es einen Namen. Diesen gibt nicht der Vater oder die Mutter, sondern seine Großeltern. Bei den Chanés am Rio Parapiti habe ich einige Namen aufgezeichnet. Ist es ein Knabe, so wird er z. B. yatéurembi (Lippe der Zecke), huásucaca (Guanako), tátunambi (Gürteltierohr), yánducúpe (Straußrücken), vacainyáca (Kuhkopf), aguárachivi (Fuchsharn), derésa paravéte (deine armen Augen) genannt; ist es ein Mädchen, z. B. árasaypoti (Guayavablüte).[75] Ein großer Teil der Namen ist unübersetzbar. Zu diesem Namen kommt nicht selten ein Spottname. So wurde z. B. der Chanéhäuptling Boyra (Boy-Schlange) yúruhuasu genannt, was Großmaul bedeutet. Der alte Boyra war auch ein Schwätzer, der für alles, was ein wenig unanständig war, eine große Schwäche hatte.
Ungewöhnlich lange stillen die Mütter, und es dauert in der Regel mehrere Jahre, bis sie wieder ein Kind bekommen. Vielleicht vertreibt sie auch ein wenig, wie die Chorotifrau, die Leibesfrucht, damit die Familie nicht allzu sehr belästigt wird.
In der Missionsstation in Ivu suchte ich über die Anzahl überlebender Kinder in 127 Chiriguanoehen eine Statistik aufzustellen und fand da, daß in 10 Ehen kein, in 27 ein, in 35 zwei, in 29 drei, in 13 vier, in 9 fünf und in 4 sechs Kinder waren. Diese Zahlen sind jedoch ganz unsicher. Sie zeigen jedoch, daß man hier, wie bei vielen anderen Indianerstämmen, eine Art Zweikindersystem hat.
Corrado[76] behauptet mit Bestimmtheit, daß unter den Chiriguanos Kindermord vorkommt. Das tut man in verzweifelten Fällen auch bei uns, das von Corrado angeführte Beispiel hat daher nichts zu bedeuten. Die Frage ist: kommt[S. 209] Kindermord und Abtreibung der Leibesfrucht als eine vom Stamme angenommene Institution, wie bei den Chorotis, vor?
Die Chané- und Chiriguanokinder werden auch, wie erwähnt, in Freiheit erzogen. Unter Spielen verleben sie die Kinderjahre. Allmählich beginnt das Kind den Eltern bei Kleinigkeiten, z. B. beim Wasser- und Holztragen, Fesseln[S. 210] der Haustiere, Fischen usw. zu helfen. Die Mädchen lernen von den Müttern das Spinnen, Weben, Anfertigen von Tongefäßen, Brauen des Maisbiers usw. Sie lernen alles durch Imitation. Die Knaben verfolgen die kleinen Vögel um das Dorf und lernen auf diese Weise den Waffengebrauch. Die Kinder begleiten die Eltern zum Fischen und Ackern. Der Knabe begleitet den Vater auf die Jagd und fühlt sich ordentlich stolz und tüchtig, wenn er mit der „gemeinsamen“ Jagdbeute nach Hause gehen darf. Die Kinder sehen und lernen. Es macht ihnen Spaß, Vater und Mutter zu helfen.
Wie verschieden ist nicht die Kindererziehung in den Missionen, die auf Spionage und Angeberei basiert ist.
Mutterlose Kinder werden von den Verwandten aufgenommen. Nicht selten sieht man auch hier ältere Tanten die Kinder anderer liebkosen.
Wenn das Mädchen ihre erste Menstruation bekommt, wird sie in einen Verschlag in der Hütte, eine Art Schrank, gesetzt. Ihr Haar wird kurz geschnitten, und sie darf erst wieder heraus, wenn es halblang gewachsen ist. In Begleitung der Mutter darf sie ausgehen und das Notwendigste tun, z. B. baden usw. Zwischen der ersten und zweiten Menstruation muß sie Diät halten. Sie darf gekochten Mais und Mehl essen. Diese Sitte nennen die Chanés „yimundia“.
In einem Chanédorf, Aguaráti, sah ich ein Mädchen, das in einem solchen Schrank saß. Sie spann. Ich guckte in den Schrank, was wohl unrecht von mir war, denn am nächsten Tage waren Mädchen und Schrank verschwunden.
P. Chomé[77] erwähnt schon diesen Brauch von den Chiriguanos. Er sagt, die Indianer glauben, eine Schlange habe das Mädchen gestochen.
Wenn das Mädchen aus dieser Gefangenschaft kommt, ist sie heiratsfähig.
[S. 211]
Wenn der Chanéknabe etwa 10–12 Jahr alt ist, wird seine Unterlippe von einem hierin besonders erfahrenen Mann durchbohrt. In das Loch wird ein Stückchen Holz gesteckt. Der Knabe muß einen Tag liegen. Sein Großvater kommt und reißt tiefe Wunden in seinen Körper, damit er mutig im Kampf und ein tüchtiger Jäger werde. Des Morgens, wenn es noch richtig kalt ist, führt er ihn baden, damit er ein richtiger Mann werde.
Einen Tag lang darf der Vater nichts verzehren, damit der Knabe nicht geschwätzig wird. Dies zeigt, daß die Indianer keine Schwätzer lieben.
Wenn der Knabe älter wird, erhält er statt des kleinen Hölzchens ein größeres, und ist er ein Mann geworden, so kann er mit einem großen Pflock, „Tembeta“, in der Unterlippe herumstolzieren (Abb. 79). Diese soll aus Holz sein, in welches Türkisen- und Chrysocolstücke eingesetzt sind. Bei den Chanés und den meisten Chiriguanos haben jetzt nur die Alten die Tembeta. Beim Chiriguanohäuptling Maringay, der noch alte Sitten ehrt, wird allen Knaben die Unterlippe durchbohrt. Maringay gehört zu den Alten, die verächtlich sagen: Der „ava“, der Mann, der keine Tembeta trägt, sieht wie eine „cuña“ (Frau) aus. Männern das Schimpfwort Frau zurufen, heißt auf Chiriguanoweise beschimpfen. Diese, die „ava“ sind, sagen von den Chanés, die kleine Tembetas haben, „cuñareta“ (Weiber).
Jetzt werden die meisten Tembetas von den Weißen in den Gebirgsgegenden aus Zinn und Glasstücken angefertigt. Unter denen, die solche gemacht haben, ist der Italiener Pablo Piotti. Seine Werke sind sogar in europäische Museen gekommen, ohne jemals in einem Indianerkinn gesessen zu haben. Früher hatten die Chiriguanos auch Tembetas aus durchsichtigem Harz.[78]
Will der Chané- oder Chiriguanoknabe heiraten, so schickt er den Eltern des Mädchens allerlei Jagdbeute. Vocapoy[S. 212] erzählte mir, daß er vor ihre Häuser Holz legt. Wird das Holz angewendet, so bedeutet es Einwilligung, findet er das Holz unberührt, so ist er abgewiesen. Hat er mit dem Holz Glück gehabt, so hält er bei der Mutter des Mädchens um sie an. Diese antwortet dann, sie könne nicht wissen, ob er ein guter Mann wird, der seiner Frau Essen schaffen kann. Um dies zu zeigen, muß er bei der künftigen Schwiegermutter ungefähr ein Jahr lang dienen. Die Ehe ist somit hier eine Art Kauf.
Auf dieselbe Weise, wie die Chané- und Chiriguanomänner heutigentags werben, taten sie es vor zweihundert Jahren.[79]
In der Nacht vor der Hochzeit schläft der junge Mann bei seinem Mädchen. Die Hochzeit wird mit einem Trinkgelage ohne andere Zeremonien als vieles Maisbiertrinken gefeiert. Die Jungverheirateten erhalten Glückwünsche. In der Regel wohnen die Jungen noch einige Zeit in dem Hause der Schwiegermutter.
Die Ehen scheinen mir in der Regel glücklich zu sein. In dem Dorfe des Chanéhäuptlings Vocapoy hatte ich Gelegenheit, mehrere jungverheiratete Paare zu sehen. Das Glück des Honigmonats erschien mir ungeheuchelt, und die jungen Frauen arbeiteten strebsam für ihre Männer. Bei den Indianern, wie bei anderen Völkern, gibt es indessen Frauen ungleichen Charakters. Es gab solche, die den ganzen Tag für ihr Heim arbeiteten, und solche, die nur dazu da zu sein schienen, um sich zu amüsieren.
Geschwisterehen sind verboten, Cousins und Cousinen dürfen sich dagegen heiraten (wenigstens bei den Chanés).
Dies ist dagegen, wie erwähnt, weder bei den Chorotis noch bei den Matacos gestattet.
Unter den Chanés und Chiriguanos gibt es solche, die mehrere Frauen haben. Dies gilt jedoch nicht für die Jungen, sondern für die Älteren, besonders für die Häuptlinge. Vocapoy hatte vier Frauen, die in verschiedenen Dörfern wohnten.[S. 213] Taco soll sieben haben, Maringay hat zwei, die zusammen wohnen. Der alte Mandepora (Abb. 111) soll auch eine größere Anzahl haben. Diese älteren hohen Herrn lassen oft ihre Frauen sitzen und schaffen sich neue, junge und hübsche an.
Außer in diesen Fällen scheint der Altersunterschied zwischen den Gatten in der Regel nicht mehr als ein paar Jahre zu betragen.
[S. 214]
Spricht man mit den Missionaren über die sittlichen Verhältnisse unter den Indianern, besonders unter den Chiriguanos, so malen sie dieselben in schwarzen Farben. Der sittliche Wandel der christlichen Indianer ist, fürchte ich, auch recht schlecht, aber in den Tälern, wo der weiße Mann die Indianer nicht verdorben hat, habe ich niemals eine allgemeine Liebe, wie bei den Chorotis, vorkommen sehen. Typisch für alte Sitten ist Maringays Dorf, und dort herrscht eine so strenge Sittlichkeit, wie ich sie nirgends sonst gesehen habe. In diesen rein heidnischen Dörfern kam es niemals vor, daß den Mitgliedern der Expedition ein Mädchen angeboten wurde, was dagegen in den Missionsstationen vorkam.
Folgendes Urteil gibt der Jesuit Pater Ignace Chomé in einem Briefe von 1735,[80] von einer Zeit, da sie von der Zivilisation der Weißen noch vollständig unberührt waren, ab, ein Urteil, das ich hier wortgetreu wiedergeben will:
„Ce qui m’a fort surpris, c’est que dans la licence où ils vivent, je n’ai jamais remarqué qu’il échappât à aucun homme la moindre action indécente à l’egard des femmes, et jamais je n’ai oui sortir de leur bouche aucune parole tant soit peu déshonnête.“
Die Ehen der Chiriguanos schildert dieser Jesuitenpater indessen als sehr locker.
Mit der Ehe beginnt für diese Indianer das Leben im Ernst. Es besteht aus Arbeit und Maisbiertrinken. Die Arbeit habe ich schon ein wenig beschrieben, ihre Trinkgelage werde ich weiterhin schildern.
Das Leben des Indianers und der Indianerin schwindet schneller als das der Weißen. Das Alter eines Indianers ist, wenn man keine bestimmte Zahl hat, an die man sich halten kann, sehr schwer bestimmbar. Maringay erzählte mir, er sei der Älteste seines Stammes, es lebe kein Altersgenosse von ihm mehr. Die Weißen sagten, Maringay sei über 100 Jahr alt. Dies ist jedoch übertrieben. Als jungverheirateter,[S. 215] 16–20jähriger Jüngling, besuchte Maringay den Präsidenten Belzu in Sucre. Dieser regierte zwischen 1848–1855, der hundertjährige Maringay ist also offenbar nicht älter, als ungefähr 80 Jahre. Ein 80jähriger Indianer ist also der Älteste seines Stammes. Bei den Indianern sieht man beinahe immer, daß derjenige, der erwachsene Enkelkinder hat, sehr gebrechlich und greisenhaft ist und am Rande des Grabes steht. Die Indianer und Indianerinnen entwickeln sich schnell, altern aber auch schnell. Mit 50 Jahren ist der Indianer ein Greis, mit 70 ein sog. Hundertjähriger. Im Thurn[81] meint ebenfalls, daß die Indianer nicht alt werden.[S. 216] Er glaubt, daß sie selten ein höheres Alter als 40–50 Jahre erreichen.
Maringays Haare waren leicht ergraut. Es gibt beinahe weißgelbhaarige Indianer und Indianerinnen, aber sie sind selten (Abb. 112). Einen kahlköpfigen Indianer habe ich niemals gesehen. Wenn sie älter sind, ist das Gesicht stark gefurcht. Nicht selten werden sie im Alter blind, aber weniger oft taub.
Bei den Chorotis und Ashluslays ist der Anblick der Alten oft abschreckend, sie sind schmutzig, abgemergelt und triefäugig. Dies ist bei den Chanés und Chiriguanos nicht der Fall. Diese Indianer verstehen es, in Schönheit zu altern, und auch die Alten halten sich rein und fein.
Erkrankt der Chané- oder Chiriguanoindianer schwer, so läßt man, wie bei anderen Indianern, den Medizinmann kommen.
Die Chiriguanos und Chanés unterscheiden zwischen zwei Arten von Medizinmännern, die sie „ipáye“ oder „ipáyepótchi“ nennen. Die ersteren sind gut und heben die Verhexungen, die letzteren können die Verhexung heben und verhexen.
Im Scherz fragte ich einmal einen Chiriguano, ob Vater Bernardino in Ivu ein „ipáye“ oder ein „ipáyepótchi“ sei. Artig antwortete der Indianer, ein „ipáye“. Die Stellung des Missionars unter den Indianern ist die des Medizinmannes, er übernimmt ihre Macht und ihren Einfluß.
Im vorhergehenden habe ich erzählt, daß die Weißen in der Gegend von Ivu einen indianischen Medizinmann zum Vertreiben der Pocken kommen ließen. Es kommt auch vor, daß sie glauben, von den Indianern verhext zu sein. Ein Kolonist, Gutierrez, hatte einen Indianer durchgepeitscht. Dieser verhexte ihn so, daß er krank wurde. Es klang in seinem Magen wie das Quaken eines Frosches.
Durch Räuchern suchen die Medizinmänner den Verhexer ausfindig zu machen. Wie es dabei zugeht, habe ich nicht gesehen. Der Verhexer wird, wenn er oder sie entdeckt wird, getötet.
[S. 217]
Hier unten werde ich über die Verbindung der Medizinmänner mit den großen Geistern sprechen.
Im Auftreten und in der Methode der Medizinmänner scheint bei den Chorotis und Ashluslays und bei den Chanés und Chiriguanos kein Unterschied zu herrschen. Es ist dasselbe Aussaugen fremder, durch Verhexen in den Körper gelangter Gegenstände. Bei den letzteren sind die Medizinmänner geheimnisvoller, als bei den ersteren. Vielleicht hat die Berührung mit den Weißen bewirkt, daß sie selbst an ihrer Kunst zu zweifeln beginnen.
Ein Unterschied herrscht indessen in den gewöhnlichen Heilmitteln. Die erstgenannten Indianerstämme entnehmen ihre Heilmittel in der Regel dem Pflanzenreich. Man kocht Dekokte von gewissen Gewächsen. Die Chanés und Chiriguanos wenden dagegen, außer gewissen Pflanzen, animale Heilmittel an. So benutzen die Chanés am Rio Itiyuro das Fett vom Reiher für Geschwülste, das Wildschweinfett für das Fieber, das Jaguarfett für Knochenschmerzen und Tukanschnäbel für Frauenblutungen. Die Chanés am Rio Parapiti wendeten das Fett des Straußes gegen Brustschmerzen, der Iguanaeidechse gegen Conjunctivitis, des Huhnes gegen alles, das Maisbier gegen Erkältung an. Das Fett habe ich ausschließlich für den äußeren Gebrauch anwenden sehen.
Merkwürdig ist der Chanéindianer als Aseptiker. Ich habe mehrmals gesehen, wie sie Wunden nach einer höchst modernen Methode behandeln, nämlich mit gekochtem Wasser. Das ist etwas anderes, als wenn die Weißen Schweineexkremente und frischen Urin vom Menschen mit Salz zu demselben Zwecke anwenden. Die Ursache, daß diese Indianer eine so moderne Methode kennen, ist sicher ihre große Reinlichkeit. Sie sind daran gewöhnt, sich beständig zu waschen. Daß sie auf die Idee gekommen sind, das Wasser zu kochen, kommt wahrscheinlich daher, daß sie makroskopische Tiere in demselben haben töten wollen. Zum Verbinden von Wunden wenden die Chanés zuweilen frische Blätter an.
Sollte trotz der Anstrengungen des Medizinmannes die[S. 218] Verhexung nicht gehoben werden können und der Chané- oder Chiriguanoindianer sterben, so wird er oder sie in einem großen Tongefäß unter der Hütte begraben. Bevor der Sterbende richtig tot ist oder gleich nach dem Tode, wird er so zusammengefaltet, daß die Knie unter das Kinn kommen, und die Arme werden kreuzweise über die Brust gelegt. Am Rio Parapiti hat jahrelang ein Chanéindianer gelebt, der auf diese Weise zusammengefaltet worden war, der aber, bevor er in die Graburne gestopft worden war, von einem weißen Manne gerettet wurde. Der Tote wird angekleidet, mit einer Wasserkalebasse im Knie, in das Gefäß gesetzt. Das Wasser soll der Tote mithaben, wenn er auf den Bergen umhergeht, sagte mir der Chanéhäuptling Vocapoy. Das Gefäß wird in der Hütte vergraben und als Deckel ein anderes Gefäß darübergestülpt.
Bei Tatarenda in der Nähe von Yacuiba verbrennt man, wie ich gehört habe, nach dem Begräbnis die Hütte. Dies ist jedoch nicht das Gewöhnliche. Dagegen pflegt man die Hütte einige Zeit nach dem Begräbnis zu verlassen, um später wieder hinzuziehen. So geschah es z. B. in einem Chanédorf am Rio Itiyuro, in welcher ich kurz nach dem Begräbnisse war.
Die großen Maisbiergefäße (Abb. 113) werden als Sarg angewendet. Herrscht Mangel an Gefäßen, so begräbt man oft auf andere Weise. In einem Chanédorf, Copéri, am Rio Parapiti, begrub man kurz vor meiner Ankunft ein Kind in einer Haut unter der Hütte.
Auf den Gräbern ihrer toten Verwandten verleben diese Indianer ihr Leben, und oft ist es so voll in der Hütte, daß ein Nachbegräbnis in alten Töpfen notwendig wird.
„Der Christ schleppt seine Toten weit von seinem Hause fort. Wir Indianer, die eine größere Liebe für sie hegen, bewahren sie in unseren Häusern.“ So ungefähr sprach Vocapoy einmal zu mir, als das Gespräch auf diese eigentümliche Begräbnisart kam.
Wird ein Chiriguano von einem Jaguar getötet, so wird[S. 219] er mit dem Kopf nach unten begraben, damit er nicht als ein solches Tier umgeht. Diese Vorstellung vom Jaguar, der ein Mensch war, ist besonders unter den Quichuas verbreitet, wo dieses merkwürdige Tier, wie schon erwähnt, Uturunco genannt wird (vgl. S. 12). Heult der Fuchs des Nachts nahe dem Dorfe, so stirbt jemand.
Stirbt der Mann, so soll die Frau das Haar kurz schneiden.[S. 220] Hat sie ihn sehr geliebt, tut sie es zweimal. Erst wenn das Haar wieder lang gewachsen ist, darf sie eine neue Ehe eingehen. Stirbt ihr Vater oder ihre Mutter, so schneidet sie das Haar kurz, stirbt ihr Kind, ihr Bruder oder Schwager, so schneidet sie es halblang. Unter langen Haaren versteht man, daß sie bis zur Schulter reichen. Meine Frage, ob auch die Männer bei Trauer ihr Haar schneiden, wurde mit einem Gelächter beantwortet. Sie begnügen sich damit, eins der allerlängsten zu verkürzen. Die Männer dürfen sich erst ungefähr ein Jahr nach dem Tode der Frau wiederverheiraten.
Hat die Frau Trauer, so trägt sie keinen Schmuck. Als ich bei Maringay war, hatte seine Schwiegertochter ihr kleines Kind verloren. Während alle anderen Frauen im Dorfe zahlreiche Halsketten trugen, hatte sie keinen einzigen Schmuckgegenstand. Sie nahm auch an keinem Feste teil.
Die Indianer, welche die Missionare taufen, sehen es nicht immer gern, daß sie ihre Toten auf dem Kirchhof begraben müssen. Sie wollen wenigstens, daß die Toten Wasser mit ins Grab bekommen.
Man befreit sich nicht so leicht von alten, ererbten Vorstellungen, um sie gegen neue einzutauschen.
[74] Karl v. d. Steinen: Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens. Berlin 1894.
[75] Psidium guayava.
[76] Corrado: El Colegio Franciscano De Tarija y sus misiones. Quaracchi 1884. S. 526–527.
[77] P. Chomé, S. 320. Derselbe Pater spricht auch von dem Brauche der Couvade bei diesen Indianern, S. 321. Lettres édifiantes. T. XXIV.
[78] P. Chomé: Lettres édifiantes. T. XXIV, S. 317.
[79] P. Chomé, l. c. S. 319.
[80] Chomé, l. c. S. 318.
[81] Im Thurn l. c. S. 190.
[S. 221]
In der Sprache der Weißen gibt es, wie bekannt, eine Anzahl Worte, die man in anständiger Gesellschaft nicht anwenden darf. Gewisse Körperteile dürfen Personen desselben Geschlechts nur mit lateinischen Namen nennen, während Personen verschiedenen Geschlechts in der Regel gar nicht miteinander darüber sprechen. Ein Wort kann für häßlich gelten, während ein anderes Wort für denselben Gegenstand beliebig angewendet werden kann. Der Grund, warum ein Wort verboten ist, ist sicher oft schwer zu ermitteln.
K. v. d. Steinen[82] und Koch-Grünberg[83] haben darauf hingewiesen, daß auch die Weiber unter den Indianern am Xingu und Rio Negro von den Geschlechtsteilen ganz offen, als von etwas Natürlichem reden. Ebenso ist es bei den Indianern, die ich kennen gelernt habe. Als ich nach Worten fragte, welche die allerintimsten Dinge berührten, gaben auch die Weiber, ja die jungen Mädchen, auf die allernatürlichste Weise Auskunft darüber.
Es gibt indessen Worte, die verboten sind. Solche Worte sind bei den Chorotis „ametché“, das ein Schimpfwort ist, „ictivähi“, das homosexuellen Geschlechtsverkehr bezeichnet, „huéle“, das Onanie bedeutet, und „tévi“ bei den Chanés[S. 222] und Chiriguanos, das dieselbe Bedeutung wie ictivähi hat. Das Unnatürliche im Geschlechtsleben ist auch hier so schändlich, daß es sich nicht paßt, darüber zu sprechen.
Es gibt auch Indianer, die niemals über solche Gegenstände sprechen wollen. So beschaffen war z. B. ein Chiriguano, den ich auf meinem ersten Ausflug den Rio Parapiti herunter mithatte. Er stellte sich sogar so, als hätte er niemals von etwas Derartigem reden hören. Als ich ihn über die Homosexualität bei seinen Landsleuten befragte, stellte er sich dumm und sagte ungefähr: „Pflegen das die Weißen zu tun?“
Unter den Indianern gibt es gleichwohl, wie auch bei uns, solche, denen es Spaß macht, obszöne Geschichten zu erzählen. Ein solcher war der alte Chané Bóyra, er, der den Schimpfnamen yúruhuasu, Großmaul, hatte. Je schlimmere Sachen er erzählte, um so mehr amüsierte sich der alte Bóyra. Zuweilen erzählte er so, daß sogar mein Freund Batirayu, der zu dolmetschen pflegte, sich richtig genierte. Der alte Chiriguano Yambási war auch einer, der alle möglichen Unanständigkeiten zu erzählen wußte.
Bóyra erzählte, wie der Fuchsgott, Aguaratunpa, und die Iguanaeidechse, Téyuhuasu, in einem homosexuellen Verhältnis zueinander standen. Bóyras Erzählung war so außerordentlich realistisch, daß ich sie hier unmöglich wiedergeben kann. Er erzählte auch, wie der Fuchs sich mit einem Waldhuhn[84] „Kése-Kése“ verheiratete, das auch ein Mann war.
Aguara (der Fuchs) kam einmal zur Hütte des Waldhuhns.
„Wie geht es dir, Bruder?“ sagte der Fuchs.
„Gut, komm, setz’ dich, Bruder“, sagte das Waldhuhn.
Der Fuchs setzte sich. Das Waldhuhn hatte viele Erdratten „angúyatúto“ aufgehängt, die es getötet hatte.
„Willst du Erdratten essen?“ sagte das Waldhuhn.
„Ja“, sagt der Fuchs und aß eine. Er verlangte dann noch eine und noch eine usw.
[S. 223]
Schließlich bat er darum, zwei für seine Kinder mitnehmen zu dürfen. Das Waldhuhn gab sie ihm. Der Fuchs, der keine Kinder hatte, fraß auch diese auf.
„Hast du eine Frau?“ sagte der Fuchs.
„Nein, ich wohne hier mit meiner Schwester,“ sagte das Waldhuhn.
Der Fuchs ging hierauf fort. Als er zu einer Pflanze „supua“ gekommen war, hing er seinen Penis auf, nahm eine Frucht herunter und setzte sie an die Stelle, wo der Penis gesessen hatte. Die Supua sieht nämlich wie eine Vulva aus. Der Fuchs nahm dann die Tembeta heraus und verstopfte das Loch. Er kam dann an ein Haus, wo einige Frauen wohnten.
„Wollt Ihr Tiru (Frauentracht), Halskette und Haarband mit mir gegen ein Pferd tauschen?“ sagte der Fuchs.
„Wo hast du dein Pferd?“ sagten die Frauen.
„Mit dem komme ich morgen“, sagte der Fuchs. Er bekam nun Tiru, Halskette und Haarband, legte alles dies an und begab sich auf einem anderen Wege nach dem Hause des Waldhuhns. Als er dorthin kam, war niemand zu Hause. Er legte sich da in die Hängematte. Nach einer Weile kam das Waldhuhn nach Hause.
„Woher kommst du?“ sagte das Waldhuhn.
„Von meinem Vater“, antwortete der Fuchs. Der Fuchs kochte nun zwei Erdratten und aß sie auf. Dann kochte er noch zwei und aß auch diese auf. Hierauf kochte er noch zwei und aß sie auf.
Am Abend fragte der Fuchs die Schwester des Waldhuhns: „Wo willst du liegen?“ „Hier“, sagte sie.
„Dann lege ich mich neben dich“, sagte der Fuchs. Ein bißchen davon legte sich das Waldhuhn. Als die Schwester eingeschlafen war, streckte der Fuchs die Hand aus und faßte das Waldhuhn an. Dieses kam und legte sich neben den Fuchs.
„Bist du verheiratet?“ sagte das Waldhuhn.
[S. 224]
„Nein, meine Mama hat mich nicht verheiraten wollen“, antwortete der Fuchs ...[85]
Der Fuchs schlief nun zwei Nächte bei dem Waldhuhn und wurde schwanger. Nach einiger Zeit gebar der Fuchs.
Eines Tages kamen einige Vögel dort vorbei. „Gib mir Bogen und Pfeil, ich will schießen“, sagte der Fuchs. „Du kannst wohl nicht schießen, du bist ja kein Mann“, sagte das Waldhuhn.
„Ich bin ein Mann“, sagte der Fuchs, nahm Pfeil und Bogen und ging fort. Als er zur „Supua“ kam, nahm er seinen Penis herunter und setzte ihn sich wieder an.
Man erzählte mir von einem Chanéindianer von Yacundai am Rio Parapiti, der sich in fremden Dörfern als Schmarotzer herumzutreiben pflegte. Die Indianer wurden zuletzt seiner über, und als er einmal vollständig betrunken war, schändeten ihn einige Chiriguanoindianer im Caipipendital. Er begab sich nach diesem Schimpf nach dem unteren Rio Parapiti. Als die Kenntnis von dem, was ihm in Caipipendi passiert war, dorthin gedrungen war, hängte er sich in Verzweiflung über diese Schande.
Eigentümlicherweise wird es unter diesen Indianern nicht als eine Schande betrachtet, in einem homosexuellen Verhältnis der Aktive zu sein, der Passive wird aber tief verachtet. Er wird als ein Weib betrachtet. Dies ist der Grund, warum ein Teil rücksichtslose Weiße unverbesserliche Indianer mit — einem Klistier bestrafen. Ein so gekränkter Indianer verschwindet für immer. Man nimmt an, daß er Selbstmord begeht. Mittels „tévi“ bestraft ein Indianer seine ungetreue Frau und verläßt sie dann. Chanéknaben habe ich „tévi“ spielen sehen.
Nach Westermarck[86] ist die Homosexualität sehr verbreitet unter den Indianern Amerikas. Die Auffassung, daß dies eine Schändlichkeit ist, ist keineswegs überall so ausgeprägt, wie bei den hier erwähnten Indianern.
[S. 225]
Über Onanie habe ich bei den Chanés und Chiriguanos nichts gehört. Sie soll dagegen bei den Chorotis von den Männern, die beim Tanz von den Frauen übergangen werden, betrieben werden.
Perversitäten im Verhältnis zwischen Männern und Frauen, die im alten Peru gewöhnlich waren, scheinen hier nicht vorzukommen. Primitive Säugetierstellung beim Koitus soll bei den Chacostämmen gewöhnlich sein.
Mataco gab mir eine Wurzel, die sie als Aphrodisiakum anwendeten.
Das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren ist in den Sagen der Indianer so intim verflochten, daß man nicht immer bestimmen kann, ob sie das eine oder das andere meinen. Die Sagen, welche die Liebesverhältnisse zwischen Menschen und Tieren schildern, sind keine Schilderungen von Bestialität, die bei diesen Indianern unbekannt zu sein scheint.
Das Schamgefühl ist bei diesen Völkern sehr verschieden entwickelt. Es scheint mir sehr stark von der Kleidertracht abzuhängen. Keiner dieser Indianer oder Indianerinnen, von denen ich hier erzähle, betrachtet es, soweit sie nicht vollständig verdorben oder zivilisiert sind, als unpassend, den Oberkörper zu zeigen. Die Chiriguano- und Chanéfrauen sind viel verschämter als die Chorotis und Ashluslays, wenn sie die Geschlechtsteile zeigen. Die letzteren wollten sich höchst ungern vollständig entkleiden, um photographiert zu werden. Den ersteren wagte ich so etwas nicht einmal vorzuschlagen.
Saß man des Abends am Feuer in der Hütte und war mit der Familie bekannt, so schienen sie gleichwohl ganz ungeniert zu sein. Die Choroti- und Ashluslaymänner sind sehr schamlos. Die Männer unter den Chanés und Chiriguanos dagegen weniger. Es ist sehr gewöhnlich, daß die Chiriguano- und Chanéfrauen, in einer Gesellschaft konversierend, stehend Wasser lassen und den Urin das Bein herunterlaufen lassen, was ja als weniger sauber gelten darf. Die Männer gehen dagegen immer abseits, um dieses Bedürfnis zu verrichten.
[S. 226]
Der Geschlechtsakt geht, wie erwähnt, bei den Ashluslays oft in Gegenwart von Zuschauern vor sich. Bei den Chorotitänzen mußte man sich in der Dunkelheit vorsehen, nicht über die liebenden Paare zu stolpern. Dergleichen sieht man niemals bei den Chiriguanos oder Chanés. Da viele in derselben[S. 227] Hütte liegen, sieht man gleichwohl auch bei ihnen vieles, was man immer sieht, wenn man Schlafgäste hat. Dies nicht zum wenigsten ist der Grund, daß das Geschlechtsleben selbst für die kleinen Kinder keine Geheimnisse hat.
Offenbar steigert das Zusammenleben mit den Weißen das Schamgefühl. Die Indianerinnen genieren sich sogar, die Brust zu zeigen. Die Moral sinkt in dem Maße, wie das Schamgefühl steigt.
Dies sollten alle diejenigen bedenken, die für nackte Heidenkinder Kleider nähen.
Viele meiner Leser finden vielleicht, daß dieses Kapitel nicht in meinem Buche hätte enthalten sein sollen. Es scheint mir gleichwohl richtig, etwas über die Abweichungen auf dem geschlechtlichen Gebiete zu sprechen. Es trägt zum Verständnis der Menschen, die ich hier schildere, bei. Natürlich habe ich hier nicht über all den Realismus, der bei den Gesprächen am Lagerfeuer manchmal zutage trat, sprechen können.[87]
Die natürliche Seite des Geschlechtslebens fassen die Indianer so ganz verschieden von dem, wie wir es in der Regel sehen, auf. All die Verderbnis, die in der zivilisierten Gesellschaft ist, treffen wir bei diesen Menschen nicht, verschiedenes findet sich aber schon hier. Was besonders die Homosexualität betrifft, so zeigen, wie bekannt, die Verhältnisse bei den Naturvölkern, daß die Ursache des Übels viel tiefer, als in unserer Hyperzivilisation liegt.
[82] K. v. d. Steinen: l. c. S. 25.
[83] Koch-Grünberg: l. c. Bd. I S. 133.
[84] Penelope.
[85] Als allzu realistisch ausgelassen.
[86] Westermarck: Ursprung und Entwickelung der Moralbegriffe. Bd. II. Leipzig 1909.
[87] Wenn unsere täglichen Zeitungen, die wohl für die Öffentlichkeit bestimmt sind, über alles mögliche schreiben, so braucht man ja in einer Reiseschilderung nicht allzu prüde zu sein.
[S. 228]
Die Häuptlinge bei den Chanés und Chiriguanos haben eine ganz andere Stellung als bei den Ashluslays und Chorotis. Sie haben eine bedeutende Macht. Unter den Häuptlingen finden sich die großen Häuptlinge, die über mehrere Dörfer herrschen, und die Dorfhäuptlinge, die nur über ein Dorf oder einen Teil eines solchen gebieten. Von großen Häuptlingen, die ich kennen gelernt habe, sind bemerkenswert die alte Vuáyruyi, die Häuptling über die Chanédörfer am Rio Itiyuro ist, Taruiri, der über den größeren Teil des Caipipenditales herrscht, Mandepora (Abb. 111), der früher eine bedeutende Macht in und um Machareti hatte, und Maringay im Iguembetal.
Jetzt haben die Häuptlinge keine anderen Zeichen ihrer Würde, als silberbeschlagene Stöcke. Nach Corrado trugen sie früher einen großen Haarbüschel auf dem Kopfe, „yattira“, sowie grüne Steine, die an den Ohren hingen. Bei den Festen und Tänzen hatten sie das Recht, die „yandugua“, eine mit einem Bündel Straußenfedern geschmückte Stange, und „iguirape“, einen mit eigentümlichen Figuren geschnitzten Stab, anzuwenden. Von diesen habe ich nur eine Yandugua erwerben können. Die übrigen habe ich nicht einmal gesehen.
Die Häuptlingswürde scheint in der Regel erblich zu sein. Doch sind Tüchtigkeit und die Kunst, seine Worte wohl zu setzen, erforderlich.
[S. 229]
Vocapoy hat mir seinen Stammbaum mitgeteilt, den ich hier wiedergebe, da er sehr lehrreich ist, und ich zu glauben wage, daß es den Leser interessieren kann, einen indianischen Stammbaum zu studieren.
Vocapoys Stammbaum.
Wir finden somit, daß der eigentliche Häuptling am Rio Itiyuro eine Frau ist. Ich habe die alte Vuáyruyi besucht. Sie empfing mich, in ihrer Hängematte liegend, mit großer Würde. Da die Frau alt und schwach ist, regiert Vocapoy und sucht, so gut wie er kann, die Seinen gegen die Weißen zu schützen, die ihr Land vollständig in Beschlag genommen haben. Ich fragte Vocapoy, warum Vuáyruyi, als Frau Häuptling geworden ist. „Ihr Vater Hinu Parawa hat sie sprechen gelehrt“, sagte Vocapoy. Es wird somit von diesen Indianern, um regieren zu können, als höchst wichtig betrachtet, die Sprache in seiner Gewalt zu haben. Diese Menschen können die Klugheit höher schätzen, als die Stärke. Niemand wird Häuptling, wenn er nicht ein älterer Mann ist. Der Mann der Vuáyruyi war nicht Häuptling, sondern nur „Prinzgemahl“. Die Dorfhäuptlinge gehören ebenfalls dem Geschlechte Hinu Paravas an.
Taruiri ist auch nicht der richtige Häuptling, sondern vertritt einen jüngeren Verwandten, der infolge seiner beständigen[S. 230] Betrunkenheit als untauglich betrachtet wird. Taruiri herrscht im Caipipendital, wo sein Gebiet noch frei ist, von den Weißen aber wohl bald usurpiert werden wird. In Ivu ist ein Chiriguanohäuptling, der auch Medizinmann ist. Dies ist das einzige Beispiel von Theokratie, das ich kennen gelernt habe.
Die Häuptlingsfamilien bilden unter den Chiriguanos und Chanés eine Art Aristokratie. Mehrmals habe ich Indianer sich mit ihren feinen Familienverbindungen großtun hören. Ein Chiriguano, der mich eine längere Zeit als Dolmetscher begleitete, war eifrigst bemüht, mir einzuprägen, daß er mit den bekanntesten Oberhäuptlingen verwandt war.
Wie der Verfasser dieses Buches als Sohn von Adolf Nordenskiöld vorgestellt zu werden pflegt, so pflegten die Indianer in ähnlicher Weise die Söhne ihrer „großen Männer“ vorzustellen.
Ich bin sogar hinter ein bißchen Betrügerei mit dem Stammbaum gekommen. Ein Chané behauptete, direkt von dem großen Hinu Parava herzustammen, was aber nicht wahr sein soll.
Will man bei diesen Indianern hübsche Sachen aus alten Zeiten finden, so hat man sie zuerst bei den Häuptlingsfamilien zu suchen. Sie bewahren die alten Kleinodien.
Immer mehr beginnen die weißen Behörden die Häuptlinge zu ernennen. Man kann also in einer Gegend einen von den Weißen gestützten Häuptling und einen legitimen finden.
Die Häuptlinge haben eine große Macht, und man gehorcht ihnen, im Gegensatz zu dem, was bei den Chorotis und Ashluslays der Fall war, soweit ich gesehen habe, immer. Sie besitzen den Boden (wenigstens in gewissen Gegenden), aber nicht für eigene Rechnung, sondern für den Stamm. Braucht man in einem Chané- oder Chiriguanodorf Träger, so erhält man sie von dem Häuptling, und kein Indianer weigert sich, die Befehle des Häuptlings auszuführen.
Obschon der Häuptling einen so großen Einfluß hat,[S. 231] arbeitet er doch in derselben Weise, wie die übrigen Indianer. Vocapoy z. B. trug selbst das schwere Holz zum Maisbierkochen nach Hause, und seine Frau mußte kochen und fegen, wie die anderen Frauen. Dem Beispiele der Weißen folgend, haben jedoch jetzt einige der zivilisiertesten und reichsten Indianer, wie Taco, Diener aus ihrem eigenen Stamme, aber dies ist nicht das Ursprüngliche. Dagegen ist es, wie ich an anderer Stelle schon erwähnt habe, nichts Ungewöhnliches, daß die Mataco-Vejos und die Tapiete für die Chiriguanos und Chanés arbeiten.
Als wir im Dorfe Vocapoys von der Jagd heimkehrten und mit dem Häuptling unsere Beute teilten, nahm seine Frau alles an, ging aber dann in den Häusern herum und gab den Nachbarn alles, was sie erhalten hatte.
Man kann hier nicht von reich und arm in demselben Dorfe sprechen, obschon auch der Anfang zu einem Adelsstand vorhanden ist. Dagegen gibt es arme und reiche Dörfer. Einzelne verhältnismäßig reiche Indianer gibt es, diese leben aber, wie Taco, wie die Weißen.
Der Häuptling ist Richter und war früher Heerführer.
Vocapoy sagte mir, Totschlag werde in der Weise bestraft, daß der Totschläger dazu verurteilt wird, bis zu einem halben Jahre für die Familie des Getöteten zu arbeiten. Ein Dieb bekommt bis zu fünfzig Rutenschläge und wird, um nicht getötet zu werden, nach einem anderen Dorf geschickt. Nach Vocapoy ist es die Hauptaufgabe des Häuptlings, Blutrache zu verhindern, indem man die Verbrecher fortschickt, damit sie nicht gemordet werden. Vater-, Mutter- und Kindesmord sind, seiner Behauptung nach, in seiner Gegend unbekannt.
Nach Batirayu, dessen Angaben zuverlässiger als die Vocapoys[S. 232] sind, beschäftigt sich der Oberhäuptling der Chanés am Rio Parapiti mit keinen anderen Verbrechen, als mit Mord, Verführung einer anderen Frau und Verhexung. Mord mit vergiftetem Chicha, „bád-dyási“, kam früher bei den Chanés vor. Mörder und Verhexer wurden verbrannt. Der Verführer einer Frau wurde aller seiner Habe beraubt. Im übrigen wurden Diebstahl und andere Verbrechen durch Duell geschlichtet. Hatte jemand gestohlen, so riefen der Gekränkte und der Dieb ihre Verwandten herbei, und man kämpfte auf dem offenen Platz im Dorfe.
Die Behörden der Weißen greifen jetzt immer mehr in die Rechtsverhältnisse der Indianer ein.
Im Krieg mit anderen Stämmen führte der Häuptling den Befehl, wie sie es auch bei den Empörungen der Indianer gegen die Weißen getan haben.
Nach Vocapoy besitzt der Häuptling den Boden für den Stamm. Batirayu sagte, das Recht an dem Grundbesitz werde so geordnet, daß jeder anbaut, was er will. Schon bebauter Boden hat seinen Besitzer, wenn er auch jahrelang brachgelegen hat. So wird auch Brachland vererbt.
Die Erbschaften werden im übrigen dadurch bedeutend eingeschränkt, daß der Tote einen Teil seiner Kostbarkeiten mit in das Grab nimmt.
Wie bei den Ashluslays und Chorotis, ist auch hier das Besitzrecht gut ausgebildet, und die Frauen besitzen auch das, was sie anwenden und herstellen. Wie bei den genannten Stämmen, ist auch hier die Mildtätigkeit sehr groß, wenn sie auch dank unserer „Zivilisation“ und der Mission weniger ausgeprägt ist.
Das Chiriguanogemeinwesen — das ursprüngliche Chanégemeinwesen kennen wir nicht — hat eine viel festere Organisation gehabt als das Gemeinwesen bei den Chorotis und Ashluslays. Die Chiriguanos waren ein Eroberungsvolk, das wahrscheinlich die Chanés unterjocht und mutig und erfolgreich gegen die Inkas gekämpft sowie lange der Invasion der Weißen Widerstand geleistet hat. Hätte es statt der[S. 233] vielen Häuptlinge nur einen einzigen gegeben, so hätte die Eroberung des Chiriguanolandes ganz sicher das Leben doppelt so vieler Weißen gekostet, als jetzt. Leider haben in den Kämpfen der Weißen gegen die Indianer beinahe stets einige Häuptlinge auf der Seite der Feinde gegen ihren eigenen Stamm gekämpft. Bei dem letzten, durch den Kampf bei Curuyuqui entschiedenen Aufruhr hatten die Weißen eine Hilfstruppe von ein paar tausend Indianern, mit denen sie zusammen deren Stammfreunde bekämpften.
Wie sich alles im Leben der Indianer verändert, wenn die Weißen ihr Land erobert haben, so verwandeln sich auch die sozialen Verhältnisse. Wenn Vocapoy, Maringay, Mandepora und einige andere in den Tongefäßen unter den Hütten liegen, dann ist das Ende herbeigekommen, dann haben die Indianer keine anderen Gesetze als die der Weißen, keine anderen Behörden, als deren Vögte. Die Chanés am Rio Parapiti haben, wie erwähnt, keinen Oberhäuptling mehr. Batirayu ist diese Würde angeboten worden, er will aber nicht der Knecht der Weißen sein, dazu ist er zu stolz. „Es ist nicht wie in alten Zeiten“, sagte Batirayu zu dem wunderlichen Weißen, der das Vertrauen und das Verständnis der Indianer suchte.
[S. 234]
Erzählt ein Chané oder Chiriguano eine Sage, so beginnt er sie oft so: „Vor langer Zeit war einmal ein großes Trinkgelage.“ Berichtet er von etwas, was passiert ist, von der Krankheit eines Verwandten oder dergleichen, so sagt er: „Es war vor oder nach dem Fest.“ Bei diesen Festen hört und sieht man auch das meiste, was von der alten Kultur dieser Indianer übriggeblieben ist. Da kommen die schönsten Tongefäße zum Vorschein, da sieht man Trachten aus früheren Zeiten, da werden die Steinschmucksachen aus den Schatztöpfen hervorgeholt.
Eine Hausmutter bei uns ist stolz, wenn sie ihren Gästen schöne Tischtücher und schönes Porzellan zeigen kann. So denken auch die Chané- und Chiriguanofrauen. Beim Feste will jede Frau, daß das Maisbier in ihrem Hause in schöneren Tongefäßen als denen der Nachbarinnen aufgetragen und in Kalebassen serviert wird, die eleganter geschmückt sind, als bei einem anderen.
Deshalb beschäftigen die Frauen sich vor jedem Feste mit der Herstellung von Tongefäßen und die Männer mit der Verzierung der Kalebassen. In den Chané- und Chiriguanodörfern sieht man auch prächtige Sammlungen von Tongefäßen. Besonders einige Frauen verstehen es, diese mit ausgezeichneter Geschicklichkeit und Eleganz zu malen. Man sieht beinahe niemals drei Krüge, die sich vollständig gleichen. Jede sucht bei dem Feste mit etwas Originellem aufzutreten, etwas Neues und Hübsches zu malen. Was die lineare Ornamentik[S. 235] betrifft, so versteht man es, die alten Ornamente zu variieren, man versteht es aber nicht, oder will sich nicht von ihnen frei machen und neue Bahnen brechen. Die Indianerin ist in ihrer Kunst konservativ und vermag sich nur, wenn sie ihre Motive direkt aus der Natur nimmt und Tiere malt, von den Vorbildern aus der Zeit der Mutter oder[S. 236] Großmutter freizumachen. Keineswegs alle Frauen in den Dörfern sind Künstlerinnen. Es gibt solche, denen die Natur die Gabe der Kunst verliehen hat, und richtige Pfuscher. Wer kann Tongefäße so malen, wie die eine Frau des Chiriguanohäuptlings Maringay? Sie sind weitberühmt in den Tälern, und jeder versucht, ihre Werke durch Tausch zu erwerben. Nicht zum wenigsten ich habe ihre sichere und geschmackvolle Kunst bewundert. Die Frau des Chanéhäuptlings Vocapoy (Taf. 19) ist auch kein Stümper.
Wo die Indianer reich sind, d. h. große Maisernten haben, da ist die Keramik schön. Wo man arm und der Kampf ums Dasein hart ist, da hat man nicht viel Zeit zu künstlerischer Arbeit. Wenn die Kunst im Indianerheim gedeihen soll, muß Freude und Munterkeit herrschen.
Die jüngere Generation wird, fürchte ich, deutsches Porzellan und Emailgefäße vorziehen, und damit wird auch die Chiriguano- und Chanékunst zu dem vielen Schönen und Feinen gehören, das vor der brutalen Zivilisation des weißen Mannes verschwindet. In vielen Dörfern muß man schon in den Winkeln der Hütten herumkramen, wenn man mit sicherer Hand und natürlichem Geschmack gemalte Gefäße finden will. Das Schlimmste ist jedoch, daß die Weißen Gefallen an den Tongefäßen der Indianer zu finden beginnen. Dadurch entsteht Massenherstellung. Für die Weißen ist alles gut genug, da braucht es weder schön noch gut gearbeitet zu sein. Sie wünschen nicht das Geschmackvolle und Einfache, sondern das Grelle und Merkwürdige, „curiosidades“, wie der Kreole sagt. Vor diesem Merkwürdigen müssen sich unsere Museen hüten, denn das gibt eine unrichtige Vorstellung von dem rein Indianischen.
Die Frauen brauen das Bier zum Feste. Dieses soll aus Mais (am liebsten gelbem oder weißem) sein, und nur die armen Chanés am Rio Parapiti müssen sich oft mit Bier aus süßen Kartoffeln begnügen. Ist Algarrobo vorhanden, so wird auch aus dieser Frucht Bier gebraut. „Es ist gut und berauscht so schön“, sagen die Indianer.
[S. 237]
Ist die Maisernte reich, so herrscht Freude in den Dörfern, dann ist Speise und Trank in jeder Hütte. Mißrät die Maisernte, dann ist keine Freude, die Magen sind leer und auf dem Festplatz ist es still. Sind die Scheunen voll Mais, dann ist der Indianer stolz und kümmert sich nicht um Weiße, Unterdrückung und Sorgen. Ist die Scheune leer, dann ist er untergeben und düster.
Nachdem die Frauen den Mais aus den Scheunen geholt und die Männer Holz und die Frauen Wasser herbeigeschleppt haben, beginnt das Brauen. Erst wird der Mais in großen Mörsern gestoßen. Nacht und Tag hört man, wie die fleißigen Frauen stoßen. Der gestoßene Mais wird gesiebt und dann in gewaltigen Tongefäßen mit Wasser gemischt und gekocht. Hierauf wird ein Teil herausgenommen, gekaut und ordentlich mit Speichel vermengt. Dies wird dann zu dem übrigen geschüttet und muß, nachdem es geseiht ist, in großen offenen Gefäßen bei schwacher Wärme gären. Mit großen Holzspaten (Abb. 118 a) oder mit geschafteten Schulterblättern (Abb. 118 b) rührt man in den Töpfen um. Es ist der Stolz jeder Frau, gutes Bier, „cangui“, und viel Bier zu brauen. Sie sind auch[S. 238] rastlos fleißig. Den ganzen Tag sieht man sie arbeiten, und auch des Nachts beschäftigen sie sich mit Kochen und Mahlen. Keine Familie darf sich der Zubereitung von Cangui entziehen.
Daß Speichel angewendet wird, erscheint vielleicht unsauber. Anfangs dachte ich dies auch, bald war ich aber so verhärtet, daß mir auf Indianerweise mit Speichelhefe zubereitetes Cangui besser schmeckte, als das von den Weißen auf zivilisiertere Weise gebraute.
Kenner, nicht allein Indianer, sollen derselben Ansicht sein wie ich. Wichtig ist jedoch, daß das Cangui kalt getrunken wird, lauwarm ist es ekelhaft. Wenn es lange gestanden hat, ist es etwas berauschend, jedoch nicht so stark wie das Algarrobobier.
Beim Canguitrinken geht es sehr zeremoniell zu. Vorn sitzen auf Bänken und Schemeln (Abb. 85) die Männer, und hinter ihnen, auf dem Boden, die Frauen. Die älteren Damen bekommen die besten Plätze. Die Wirtin bringt das Cangui in ihren feinsten Tongefäßen, „yambuy“, herein und stellt diese vor ihre Gäste (Abb. 77 u. 78). Wem ein Gefäß mit Cangui hingestellt wird, der muß servieren. Das gilt auch für die Häuptlinge. Sogar ich habe auf Indianergesellschaften serviert. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß die Männer die Frauen bedienen und umgekehrt. Man füllt das Cangui in verzierte Kalebassen, die man der Reihe nach umherreicht. Jeder muß austrinken. Wer sich weigert, ist unhöflich und ungebildet. Sich selbst einzuschenken, ist nicht passend. Will man gegen den Servierenden höflich sein, so trinkt man erst seine Schale aus, füllt sie dann selbst und bietet sie jenem an. Trinkt man alles, wozu man eingeladen wird, dann ist man der Freund der Indianer. Weigert man sich, dann fassen die Indianer Mißtrauen zu einem. Ein alter Chané sagte auch einmal zu mir: „Du bist ein netter Christ, schon am Morgen trinkst du Maisbier mit uns.“ Wenn Moberg mit Beute beladen von der Jagd heimkehrte, drängten sich die jungen und hübschen Frauen um den glücklichen Jäger und bewillkommneten ihn mit einer Kalebasse Maisbier.[S. 239] Was waren die Mühseligkeiten der Jagd gegen die des Trinkens, denn die Frau, deren Schale er unberührt ließ, vergaß niemals den Schimpf. Wenn man Feinde hat, kann das Canguitrinken gefährlich sein, denn wer weiß, ob nicht jemand etwas von den eigenen Exkrementen oder Haaren in das Bier gelegt hat, so daß man verhext wird und stirbt. Dergleichen geschieht in diesen Dörfern.
Bei den Festen kommen oft Züge von Indianerhumor zum Vorschein. Ein Scherz ist z. B. zu tun, als ob man Cangui in einer umgestülpten Kalebasse herumreicht, ein anderer, einen zu bitten, auf einem unförmlichen Rohr Flöte zu blasen.
Tanzmasken werden von den Chiriguanos und Chanés jetzt nur während des Karnevals, dem großen Zechfest der Christen, getragen. Diejenigen, die ich gesehen habe, hatten die Form von menschlichen Gesichtern (Abb. 119).
Sehr verschiedene Ansichten herrschen unter den Indianern, ob die Masken hier ursprünglich indianisch sind oder nicht. Vocapoy sagte, die Idee zu ihnen sei ursprünglich von den Weißen gekommen. Batirayu behauptete dagegen, als Knabe am Rio Parapiti bei den Chanés von den jetzigen verschiedene Masken gesehen zu haben, die bei ihren großen Festen benutzt wurden. Seiner Ansicht nach haben die Chanés Masken angewendet, bevor die Weißen ins Land gekommen sind.[S. 240] Man hatte damals auch Klappern aus Früchten um die Beine und Federschmuck aus Papageifedern auf dem Kopfe.
Die Chiriguanos und Chanés zerstören immer die Masken nach dem Karneval. Sie werden entweder verbrannt oder in den Fluß geworfen. Die Chanés nennen die Masken „añañya“.
Eigentümlich ist es, eine wie große Rolle der Karneval jetzt als Fest bei den Indianern spielt. Dies kommt sicher daher, daß die Weißen da Massen von Branntwein verteilten und daß die Indianer, die bei diesen arbeiten, dann einige Tage frei bekamen.
Zu den Festen kommen die Gäste oft aus weiter Ferne. Sie treten dort in ihren feinsten Kleidern und Schmucksachen, neu bemalt und fein gekämmt, auf. Die meisten alten Trachten und Schmucksachen sind jedoch schon verschwunden. Frauen in hausgewebten Kleidern mit Halsketten aus Chrysocol und Türkis sieht man jedoch noch. Das silberne Diadem und die silbernen Nadeln, die zur Festtracht gehören, habe ich indessen niemals im Gebrauch gesehen. Die blauen Trachten der Männer (Abb. 81) mit silbernem Brustschmuck sieht man oftmals in den Hütten bei den Alten verwahrt, zu den Festen werden sie aber nicht angewendet. Bei den Chanés im Itiyurotal habe ich die Indianer bei einem Canguifest tanzen sehen. Um einen „Yambuy“ mit Cangui standen einige der alten Männer zu zweien, ein eintöniges Lied singend und den Takt mit den Füßen schlagend. Die Frauen gingen langsam im Takt des Liedes außerhalb des Kreises der Männer auf und nieder.
Bei den Chanés und Chiriguanos verdrängt die Tracht des weißen Mannes alles Alte und Hübsche, und von meinen vielen alten Häuptlingsfreunden unter diesen Indianern verachtet nur allein Maringay die Lumpen der Weißen.
Der Branntwein dringt immer mehr bei diesen Indianern ein, und die zeremoniellen, gutmütigen Maisbierfeste verwandeln sich in rohe Trinkgelage.
Ich vergesse nie eine Nacht im Dorfe Vocapoys. Die[S. 241] Männer waren zu den Christen gegangen, um Branntwein zu trinken. Als sie zurück kamen, fielen harte Worte und die Messer kamen hervor. Der Branntwein hätte blutige Opfer gefordert, wenn die mutigen Frauen sich nicht mit Feuerbränden vom Maisbierkochen zwischen die streitenden Männer geworfen und sie, nachdem sie sie getrennt hatten, unter beruhigenden Schmeichelworten nach Hause gebracht hätten.
[S. 242]
Die Chiriguanos und Chanés sind Stämme, deren Kunstindustrie sehr hoch steht. Besucht man eine der Hütten der weißen Ansiedler in diesen Gegenden, so wird man nicht viele Erzeugnisse einheimischer Industrie, nicht viel von eigener Kultur sehen. Ich weiß rein gar nichts, was diese Menschen können, was mit der Keramik und Webetechnik der Indianer konkurrieren kann. Sicher ist, je mehr die Indianer „zivilisiert“ werden, um so weniger leisten sie kunstindustriell. Von den Weißen lernen sie nicht viel mehr, als Branntwein bereiten und trinken. Die indianische Kunstindustrie verschwindet hier allmählich, je mehr die Indianer mit den Weißen in Berührung kommen, sie wird aber nicht umgebildet. Sie verbleibt zum großen Teil rein indianisch bis zu ihrem schließlichen Untergang. Eine Industrie ist indessen jetzt in den Händen der Weißen, und zwar die Metallindustrie. Die silbernen Schmucksachen, welche z. B. die Chiriguanos und Chanés anwenden, werden von den Schmieden in den Dörfern der Gebirgsgegenden gearbeitet. Die halbweiße oder quichuaindianische Bevölkerung, die wir in den Gebirgen westlich vom Lande der Chiriguano- und Chanéindianer antreffen, ist recht kunstfertig. Besonders die Webetechnik steht dort hoch. Vom Westen haben die Chiriguanos und Chanés sicher viel gelernt.
So finden wir die für die Chiriguanos charakteristische Serérepfeife (Abb. 120) in Sammlungen von der Küste Perus[88];[S. 243] die Nadel zur Befestigung der Frauenkleider (Abb. 130) ist in ihrer Form typisch peruanisch, ebenso der silberne Haarauszieher, von dem ich indessen kein Exemplar habe. Die Festtracht des Mannes (Abb. 81) scheint mir ebenfalls peruanischen Schnitt zu haben. Möglicherweise hat sich jedoch der Einfluß von Peru unter den Chiriguanos erst nach der Eroberung der Hochebene durch die Spanier geltend gemacht.
Boman[89] hat nachgewiesen, daß die Chiriguanos, oder richtiger der Gúaranistamm, zu welchem diese Indianer gehören, sich früher viel weiter südwärts ausgedehnt haben als jetzt. Er hat dort die für sie so eigentümlichen Graburnen angetroffen.
Die materielle Kultur der Chanéindianer unterscheidet sich nicht sehr von der Kultur der Chiriguanos im allgemeinen. Die Chanés, die mehr abgesondert am Rio Parapiti wohnen, haben dagegen eine vollkommen selbständige Keramik, die wir bei den Chiriguanos nicht wiederfinden. Vergleichen wir im übrigen die Industrieerzeugnisse der Chanés und der Chiriguanos, so finden wir keine größeren Unterschiede, als wir sie in den verschiedenen Chiriguanodörfern auch finden.
Sammelt man z. B. Tongefäße im Iguembetal und im Caipipendital, welche beide Täler von Chiriguanos bewohnt werden, so wird man unwillkürlich finden, daß die Keramik, obschon in Ornamentik und Form stark verwandt, doch[S. 244] auch lokal variiert. Über die individuellen Variationen habe ich schon gesprochen (S. 235).
Von den verschiedenen Industrien steht bei den Chiriguanos und Chanés besonders die Keramik hoch (s. die Abb.). Sie sind auch geschickte Weber und Verzierer von Kalebassen. Korbflechten kommt vor, jedoch meist im nördlichen Teil ihres Gebietes. Federarbeiten werden jetzt nicht mehr angefertigt. Von Caraguatábast werden nur Seile und Fischnetze, und am Rio Parapiti Hängematten und Tragnetze gemacht. Die für die Chacostämme so charakteristischen Taschen aus diesem Material werden niemals von den Chiriguanos und Chanés angefertigt, aber zuweilen durch Handel zwischen den Stämmen erworben.
Bei den Chanés am Rio Itiyuro habe ich die Topfherstellung verfolgt. Der Ton wird gemahlen und mit zerstoßenen, gebrannten Krugscherben gemischt, damit das Gefäß nicht beim Brennen entzweigeht. Die Tongefäße werden auf gewöhnliche Indianerweise aus Rollen aufgebaut. Zum Glätten werden eine Muschelschale oder ein Maiskolben ohne Samen sowie ein schmales Bambusstäbchen angewendet. Der Maiskolben macht parallele, feine Ritzen.[90] Das Bambusstäbchen wird auch bei der Herstellung zum Abmessen benutzt, um richtige Verhältnisse zu bekommen.[S. 245] Hiernach wird das Gefäß einen Tag im Schatten getrocknet, bevor es gebrannt wird. In der Regel hat man nur ein oder ein paar Gefäße gleichzeitig in Arbeit.
Die gröberen Gefäße sowie alle Kochgefäße werden nur mit Fingereindrücken und aufgelegten Tonschleifen ornamentiert. Die feineren Gefäße werden später bemalt (s. Taf. 19).[S. 246] Mit einem Pinsel aus Agutihaaren[91] werden die Ornamente in Weiß, Dunkelbraun und Schwarz bemalt. Die weiße Farbe ist eine Erdart (Kaolin), die anderen werden aus Schiefer und Sandstein zubereitet. Man malt freihändig und komponiert die Ornamente aus dem Gedächtnis und nicht nach Modellen. Holz, Maiskolben und Kuhexkremente werden um das Gefäß gehäuft. Das Brennmaterial wird angezündet und muß eine Viertelstunde oder, wenn das Gefäß groß ist, noch länger mit kräftigem Feuer brennen (Abb. 122).
Falls das Gefäß gemalt ist, wird es mit Harz, „taraviruti“, das von einer Mimosoidee gesammelt ist, und mit Harz von palo santo (s. S. 93) gefirnißt. Das erstere gibt einen gelblichen Glanz, das letztere sieht wie grünschwarze Glasur aus.
Fertigt man einen Topf an, so tauft man ihn, bevor er erkaltet ist, damit das Wasser in demselben schnell kocht.
In Maringays Dorf malte man einzelne Gefäße mit einer Mischung von Uruku oder einer anderen Farbe und einem Pflanzenfett. Wie dies letztere bereitet wird, habe ich nicht sehen können.
Die Chiriguano- und Chanéfrauen sind geschickte Weberinnen. Das Material für die indianischen Gewebe ist in der Regel Baumwolle und manchmal auch Schafwolle.
Da durch die Weißen große Massen Zeug eingeführt werden, verschwinden die einheimischen Gewebe immer mehr. So sah ich bei den Chanés im Itiyurotal keine Webstühle und einheimische Gewebe waren sehr selten.
In der Regel sind alle Gewebe dieser Indianer ohne Ornamente oder diese sind sehr einfach. Die Mädchen in den Missionen lernen von den Mönchen allerlei Blumen, wie Rosen, Veilchen usw. sticken. Dies machen sie ausgezeichnet. Merkwürdigerweise hören die Indianerinnen nach dem Verlassen der Nähschule auf, diese Ornamente anzuwenden. Es wäre richtiger, wenn die Missionare die Indianerkinder[S. 247] Ornamente lehrten, die sich deren Phantasieleben anschließen. Die Resultate ihrer Arbeit würden dann ganz andere sein.
Einige Chanéfrauen haben vor ein paar Generationen von einer Quichuafrau Ornamente weben gelernt, die man noch jetzt auf verschiedenen Chanégeweben sieht. Es waren stilisierte Tiere und Menschen. Die Pflanzenornamentik macht wenig Eindruck auf die Indianerinnen. Tier- und Menschenfiguren regen ihre Phantasie an und sie lehren sie ihren Kindern.
Die Chiriguano- und Chanémänner sind tüchtig im Verzieren von Kalebassen (Abb. 126), schnitzen hübsche Pfeifen (Abb. 120) und verstehen das Ledergerben, was sie wohl von den Weißen gelernt haben.
Von plastischen Darstellungen von Tieren und Menschenfiguren sieht man bei diesen Indianern nicht viel. Die Tongefäße[S. 248] haben manchmal Tierformen. Die Chanéfrauen am Rio Parapiti formten klumpige kleine Puppen aus Wachs für die Kinder (Abb. 105). Einige der Tongefäße sind mit Tierfiguren bemalt. Ein Gefäß vom Rio Itiyuro, das ich durch Tausch erworben habe, ist mit Baumfiguren geschmückt. Vereinzelt sieht man Tongefäße in Form von Früchten.
Menschen und Tiere darstellende Zeichnungen habe ich an den Wänden in einigen Chanéhütten und an einigen Chiriguanokalebassen aus dem Caipipendital gesehen.
Von Korbarbeiten sind die Siebe bei den Weißen so beliebt, daß sie durch den Handel weit über das Chiriguano- und Chanégebiet hinaus verbreitet werden. Im übrigen arbeiten die Chanés und Chiriguanos wenig Körbe. Massen von Korbarbeiten finden wir bei den Indianern erst, wo die paarblättrigen Palmen beginnen, und das ist bei Santa Cruz de la Sierra.
Wenn wir eine Sammlung von den Chiriguanos und Chanés anlegen, dürfen wir nicht vergessen, daß sie durch den Handel zwischen den Stämmen viele Sachen von den Matacos, Tobas, Chorotis und Tapietes erhalten haben, sonst bekommen wir eine unrichtige Vorstellung von dem großen Unterschied[S. 249] zwischen der materiellen Kultur der hier genannten Chacostämme und der Chiriguanos und Chanés.
Wenn wir die materielle Kultur der Chorotis und Chanés mit der hier ebenfalls beschriebenen der Chorotis und Ashluslays vergleichen, müssen wir u. a. an folgendes denken. Die Chiriguanos und Chanés machen Korbarbeiten — die Chorotis und Ashluslays niemals. Die ersteren verstehen es, die Tongefäße vor dem Brennen zu bemalen, was den letzteren unbekannt ist. Die Chiriguanos und Chanés arbeiten niemals Taschen aus Caraguatá usw. Vergleichen wir im übrigen sämtliche Arbeitserzeugnisse der Chanés und Chiriguanos mit denen der Chorotis und Ashluslays, so finden wir, daß die allermeisten vollständig verschieden sind. Die Herstellung gewisser Sachen, wie der Serére- (Abb. 120) und Huiramimbipfeifen (Abb. 36 und 80) haben die Chacoindianer wahrscheinlich von den Chiriguanos gelernt, dies ist aber verhältnismäßig unbedeutend.
Wir sehen hier, wie zwei Kulturen hunderte Jahre lang nebeneinander existieren können, ohne zu verschmelzen.
Folgen wir dem Rio Pilcomayo nach den Gebirgen herunter, so treffen wir zuerst die Quichuakultur, dann kommen die Chiriguanos und Chanés und hierauf die chaquensische Kultur, die ganz gleichartig die Matacos, Tobas, Chorotis, Ashluslays sowie die Lenguas und andere Stämme im Chaco Paraguay umfaßt. Diese drei Kulturen sind vollständig verschieden.
[88] Serére kommen noch bei den Lenguas, Ashluslays, Chiriguanos, Chanés, Churápas und Yuracáres vor.
[89] Boman: Antiquités de la Région Andine. Tome 1–2. Paris 1908.
[90] Aus ähnlichen Ritzen an Tongefäßen, die man bei archäologischen Ausgrabungen findet, kann man sehen, daß die Hersteller der Tongefäße Mais gehabt haben. Dies habe ich z. B. an Tongefäßen von Ojo de Agua in Quebrada del Toro in Nordargentinien gesehen.
[91] Dasyprocta.
[S. 250]
Es war einmal ein alter Indianer, der des Abends am Feuer in der Hütte zu sitzen und von alten Tagen, von Tieren, Menschen und Geistern zu erzählen pflegte. Lauschend sammelte sich die Jugend um ihn. Der Alte erzählte und erzählte. Mit Mund, Augen, Händen und Füßen erzählte er.
Einer der Jungen nach dem anderen verließ gleichwohl bald den Kreis der Lauschenden und legte sich schlafen. Zuletzt saß der Alte allein am erlöschenden Feuer und erzählte sich selbst von den Abenteuern des Fuchsgottes und des Gürteltiergottes.
Dieser Alte steht vor mir als der Vertreter alter Traditionen, einer Kultur, die verschwindet. Die Jungen hören ein Weilchen zu, bald wird es ihnen aber zu viel. Sie haben neue Interessen. Sie haben angefangen, mit in dem großen Tanz zu tanzen, den die Christen Zivilisation nennen, wo meistens um das goldene Kalb getanzt wird.
Ich habe auch als Lauscher dort gesessen und mir die Sagen erklären lassen. Ich glaube, die Alten hatten mich gern, weil ich ein so großes Interesse für ihre alten Erinnerungen gezeigt habe. Wenn ich sie nun wiedergebe, hoffe ich, daß der Leser mit mir und meinen alten Freunden Nachsicht haben wird, mit mir, weil ich nicht so gut zu erzählen vermag wie die Alten, und mit den Alten, weil sie alles lieben, was ein wenig frivol ist.
[S. 251]
Die Sagen geben uns einen Einblick in die Vorstellungen des Indianers vom Leben im Jenseits und von den Geistern. Teils durch sie und teils durch die Erklärungen, welche mir die Indianer gegeben haben, können wir ihre Religion verstehen. Wir werden hier von dem Weltuntergang und dem Raub des Feuers, vom Besuch im Totenreich und vor allem von den Abenteuern der Geister hören, wir werden davon hören, wie sie einander und die Menschen betrogen, hören von ihren Kämpfen und Lastern.
Morallehre ist in diesen Sagen sehr wenig enthalten. Die in demselben Handelnden sind oft „tunpa“, d. h. sie besitzen übermenschliche Kräfte, das ist alles.
Infolge der Berührung mit den Weißen sind die Sagen nicht frei von fremden Elementen. Die meisten sind jedoch rein indianisch.
Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu vom Rio Parapiti.
Es war einmal in alten Tagen ein sehr armer Mann, der in den Wäldern umherirrte und keinen festen Wohnsitz hatte. Wenn er in die Dörfer kam, jagte man ihn fort und hetzte die Hunde auf ihn. Als der Mann sah, daß man ihn in keinem Dorfe wohnen lassen wollte, machte er sich eine Hütte, „tocay“.[92] Dort kamen allerlei schöne Vögel zur Hütte, und die meisten wurden bald so zahm, daß er sie fangen konnte. Der Mann dachte: „Gehe ich mit diesen prächtigen Vögeln in ein Dorf, so nimmt man mich vielleicht auf.“ Er nahm nun die Vögel und ging in die Dörfer. Alle fanden die Vögel schön, nirgends wollte man ihn aber wohnen lassen. Der Mann ging nach seiner Hütte zurück. Eines Tages kam Añatunpa[93] in Gestalt eines schönen Vogels zu ihm. Was ist das für ein merkwürdiger Vogel, dachte der Mann. Añatunpa[S. 252] sagte, er sei gekommen, um ihm zu helfen, und gab ihm ein Paar Flügel.
„Wenn du in ein Dorf kommst, sollst du die Flügel bewegen und dann donnert es,“ sagte Añatunpa. „Wollen sie dich trotzdem nicht wohnen lassen, so erhebe die Flügel.“
Der Mann ging in ein Dorf, wo ein großes Trinkgelage stattfand. Man wollte ihn nicht aufnehmen. Er bewegte die Flügel und es donnerte. Man glaubte, die Medizinmänner seien es, die donnerten, und kümmerte sich nicht um ihn. Wieder bewegte er die Flügel und es donnerte. Man glaubte immer noch, es seien die Medizinmänner, die donnerten, und kümmerte sich nicht um ihn. Als er endlich sah, daß man ihn nicht wohnen lassen wollte, sondern ihn fortjagte, erhob er die Flügel, die er verborgen hatte. Da kam ein Sturm, der riß alle fort, außer zwei Knaben und einem Mädchen.
Diese, die nun allein waren, wollten kochen, aber sie hatten kein Feuer. Sie hatten Kürbis und Mais, konnten sie aber nicht rösten. Da kam ein alter Mann, die Sonne, mit einem Feuerbrand zu ihnen. Er röstete einen Kürbis und aß ihn, als er aber fort ging, nahm er das Feuer wieder mit. Er wollte ihnen nichts davon abgeben. Als der Alte das nächste Mal kam, beschlossen sie, ihm das Feuer zu stehlen. Als er an dem mitgebrachten Feuerbrand einen Kürbis röstete, schlug einer der Knaben mit einem Knüttel darauf, so daß die Glut umhersprühte. Der Alte sammelte sie schnell auf. Einen ganz kleinen Funken fanden sie gleichwohl unter einem halben Kürbis, der auf der Erde gelegen hatte. Sie machten nun Feuer an. Huapi (der Webervogel?) sagte zu ihnen, sie sollten das Feuer gut aufbewahren, so daß es niemals ausgehe. Er sagte ihnen auch, sie sollten, wenn das Feuer erlösche, mit dem „Tatay“[94] Feuer reiben.
Der jüngere Bruder nahm nun seine Schwester zur Frau. Der ältere hatte keine Frau. Sie legten einen Kürbis in eine kleine Hängematte und wiegten sie. Der Kürbis wuchs zu[S. 253] einem Mädchen, das bald zu einer Frau emporwuchs. Diese nahm der ältere Bruder zur Frau. Von diesen beiden Paaren stammen alle Chanés.
Erzählt von dem Chanéhäuptling Vocapoy.
Ein Jüngling hatte sich in den Wald begeben und in einer Lache das Bild eines schönen Mädchens gesehen, dem er folgte. Er blieb eine lange Zeit bei ihr, einen Monat, und seine Mutter glaubte schon, er sei tot, und schnitt sich die Haare ab. Sie glaubte, er wäre von einer Schlange gebissen worden oder dergleichen. Eines Tages kam der Sohn jedoch nach Hause und erzählte, daß er ein hübsches Mädchen gefunden, mit dem er sich verheiratet habe. Die Mutter sagte ihm da, er solle sie holen, und braute eine Masse Maisbier, um ihre Ankunft zu feiern.
Der Jüngling kam mit seiner Frau, und sie war hübsch und wohlgekleidet. Während des Festes verwandelte sie sich und wurde sehr häßlich. Hierüber machte die Schwägerin eine Bemerkung, und sie wurde böse und verließ sie und ging dahin zurück, woher sie gekommen war, indem sie erklärte, sie werde sich rächen. Sie sagte jedoch, man solle erst einen Knaben und ein Mädchen in ein großes Tongefäß setzen. Ein Bruder und eine Schwester wurden zusammen mit den Samen von Mais, Kürbis und Bohnen in ein Tongefäß gesetzt und der Krug gut zugedeckt. Als dies geschehen war, begann es fürchterlich zu regnen, und Häuser und alles wurde mit Wasser bedeckt. Der Krug floß jedoch oben. Alle Menschen und Tiere ertranken in dem steigenden Wasser. Lange floß das Tongefäß umher und der Knabe und das Mädchen begannen schon groß zu werden. Das Wasser sank dann, als sie aber aussteigen wollten, war der Boden noch sumpfig, und sie mußten warten, bis er getrocknet war.
Als sie aus dem Tongefäß kamen, säeten sie von den mitgehabten Samen Mais, Kürbis und Bohnen. Diese reiften in einem halben Monat. Sie hatten kein Feuer. In einiger[S. 254] Entfernung sahen sie Feuer. Es war „Tosté“,[95] ein Watvogel, der an den Flußufern schreit, der Feuer hatte. Als sie sich dem Feuer näherten, verschwand es jedoch weiterhin.
Der Frosch versprach, ihnen Feuer zu rauben. Er hüpfte zu Tostés Lagerfeuer und setzte sich, vor Kälte bebend, daran, um sich zu wärmen. Von Zeit zu Zeit scharrte er die Glut näher zu sich hin, gleichsam um sich besser zu wärmen, und als niemand es sah, stopfte er einen kleinen Feuerbrand in den Mund und hüpfte davon.
Zu dem Knaben und dem Mädchen hingekommen, machte er Feuer an, und seitdem haben die Chanéindianer Feuer. Die Schwester und der Bruder, die nun groß geworden waren, verheirateten sich, und sie wurde schwanger. Sie bauten sich eine Hütte. Das Mädchen bekam Kinder. Als diese Kinder groß waren, verheirateten sie sich miteinander. Von ihren Kindern stammen alle Chanés. Von den Kindern des ältesten Knaben stammen die Häuptlinge her.
Es kann ja eigentümlich erscheinen, daß ich zwei ganz verschiedene Sagen gefunden habe, die denselben Stoff bei demselben Volk behandeln. Dies ist dadurch zu erklären, daß die Chanés ein zersprengter Stamm sind, der keine eigene, selbständige Kultur mehr hat.
Die erstgenannte Version ist wahrscheinlich ihre eigene, während sie die andere von den Chiriguanos geliehen haben. Domenico del Campana[96] erwähnt, daß diese letzteren eine Flußsage haben, in welcher zwei Kinder auf ähnliche Weise in einem Tongefäß gerettet werden.
Die Chorotis und die Matacos berichten, daß die Welt durch Feuer, die Chanés am Rio Parapiti, daß sie durch Sturm und die Chiriguanos und Chanés am Rio Itiyuro, daß sie durch Wasser untergegangen sei.
Die erstgenannten leben auch in Gegenden, wo große[S. 255] Pampasbrände gewesen sind, am Rio Parapiti herrschen oft schwere Stürme und die Chiriguanos sind wahrscheinlich aus Gegenden gekommen, wo große Überschwemmungen gewöhnlich sind.
Daß diese Weltuntergangsagen innig mit der Natur des Landes, in dem sie entstanden sind, zusammenhängen, ist, wie Ehrenreich[97], Im Thurn[98] u. a. gezeigt haben, sicher. Ehrenreich sagt, eine solche anthropomorphe Auffassung der Sonne, wie hier in der ersten Sage, sei in Südamerika selten.
Batirayu erzählte mir folgendes über den Glauben der Chanéindianer vom Leben im Jenseits und dem Totenreiche. Aguararenta (aguara = Fuchs, tenta = Dorf) ist ein Dorf, wo die Toten, aña, wohnen. Es liegt im Osten. Des Nachts sind die Toten dort in Menschengestalt, am Tage gehen sie als Füchse, Ratten und andere Tiere umher oder gehen in einen Baumstamm. Jede Nacht sind in Aguararenta große Trinkgelage. Alle Chanés, Kinder, Frauen und Männer, kommen dorthin. Auch Verhexer (ipáyepótchi) und Mörder kommen nach dem genannten Dorf. Niemand wird im Totenreich der Chanés bestraft.
Auch Lebende haben Aguararenta besucht und erzählt, was sie dort gesehen haben. Ein paar solche Erzählungen will ich hier wiedergeben. Sie geben uns einen guten Einblick in die Vorstellungen der Indianer vom Jenseits.
Erzählt von einem Chanéindianer in Aguarati (weißer Fuchs) am Rio Parapiti.
Ein Mädchen wollte sich mit einem Mann verheiraten, aber er starb. Sie hatte ihn sehr gern gehabt. Am Morgen,[S. 256] am Tage nach seinem Tode, während es noch finster war, stand sie vor dem Hause ihrer Eltern und stieß in den Mörser. Da kam jemand und erfaßte den Mörserstab.
„Wer bist du?“ fragte sie.
„Ich bin es,“ sagte er. Es war ihr toter Mann. „Willst du mitkommen?“
„Ja“, sagte sie, da sie ihn sehr liebte.
Er begab sich nun fort in der Richtung, wo die Sonne aufgeht. Sein Gesicht war verhüllt, damit niemand es sähe. Sie ging hinter ihm her. Sie gingen durch den Wald, sie gingen über die Pampas und wieder durch den Wald. Am Tage schlief er und des Nachts war er wach.
Als der Vater seine Tochter vermißte, ging er, um sie zu suchen. Er folgte ihren Spuren. Vor diesen ging eine Fuchsspur. „Aña hat meine Tochter genommen“, sagte der Vater. Zuletzt fand er sie tot am Wege. Er machte sie jedoch wieder lebendig und brachte sie nach Hause. Als sie über die Pampas gingen, sahen sie einen Fuchs umherstreifen. Am folgenden Tage starb sie. Der Vater weinte. Da kam der weiße Kondor „Ururuti“ und sagte, er solle nicht klagen. Ururuti nahm ihn auf den Rücken und flog mit ihm nach Aguararenta.
In Aguararenta schlief man am Tage und war wach des Nachts. Als der Vater dorthin kam, trank man Maisbier. Ururuti brachte ihn nach dem Hause seines Schwiegersohnes. Er redete seine Tochter an, sie antwortete ihm aber nicht. Sie sah nicht wie ein Mensch aus. Wieder redete er sie an, er bekam aber keine Antwort. Er ging nun zu Ururuti, der ihn nach Hause brachte. Weder er noch seine Frau beweinten die tote Tochter.
Am folgenden Tage starb der Vater.
Version 2. Erzählt von Batirayu. Es war eine Frau, deren Mann gestorben war. In der Nacht kam er zu ihr in der Gestalt eines Mannes und schlief bei ihr. Er bat sie, mit ihm nach seinem Dorfe Aguararenta zu kommen. Sie folgte ihm. Als sie unweit des Dorfes kamen, hörten sie Gesang[S. 257] und Tanz. Sie ging mit ihrem Mann nach dem Marktplatz, wo ein großes Trinkgelage stattfand. Sie sah dort viele Tote, die sie kannte. Die Toten hatten jedoch Angst vor ihr und hielten sich fern von ihr. Sie blieb dort, bis es Morgen wurde. Da verschwanden alle Hütten, und sie befand sich auf einer Ebene voller Fuchsspuren. Ihr Mann verwandelte sich in eine Ratte (angúya). Sie blieb dort den ganzen Tag, auf dem Stamm einer Algarrobo sitzend. Als es finster wurde, kamen die Menschen wieder und es fand dort ein großes Trinkgelage statt. Am Morgen sagten die Toten: „chéahata húirasécuera (ich gehe als Baumstamm), chéahata augúyara (ich gehe als Ratte), chéahata kárakárara (ich gehe als Geier), chéahata águarára (ich gehe als Fuchs), chéahata ándirára (ich gehe als Fledermaus)“ usw. Sie kehrte nach Hause zurück. Ihr Mann sagte, er werde kommen, um sie zu holen. Nach drei Tagen war sie tot. Sie war ihrem Mann nach Aguararenta gefolgt.
Der Chiriguanohäuptling Maringay erzählte mir von einem Mann, der am Wege eingeschlafen war. In der Nacht kam seine tote Frau zu ihm, und er schlief bei ihr. Als er erwachte, war sie verschwunden. Er nahm das im Schlaf Erlebte als Wirklichkeit an. Bei den Chanés und Chiriguanos ist der Glaube an ein jenseitiges Leben, wie bei anderen Indianern, auf Träume gegründet. Sie treffen im Traume einen Toten, sie besuchen im Traume das Totenreich. Es ist indessen unrichtig zu sagen, daß die Indianer an ein Leben im Jenseits glauben. Er weiß, daß es ein solches gibt, denn Lebende haben die Toten gesehen, haben mit ihnen der Liebe gepflogen, haben Maisbier mit ihnen getrunken, haben sie sich in Füchse, Ratten, Baumstämme usw. verwandeln sehen.
„Die Toten sind aña“, sagte Batirayu. Unter diesen gibt es mehrere, die Tunpa (am besten mit groß zu übersetzen) sind und übermenschliche Kräfte besitzen.
Der Größte unter den Añatunpas ist Yamándutunpa.[S. 258] Andere der Großen sind Mariutunpa und Tipaytunpa. Chiquéritunpa, der in einigen der hier wiedergegebenen Sagen auftritt, ist der, der den Donner hervorbringt. Chiquéritunpa heult des Nachts, wenn es Krieg gibt. Diese Añatunpa greifen in das Leben der Menschen ein, besonders die Zauberer stehen mit ihnen in Verbindung. So erzählte Batirayu, daß die Añatunpa des Nachts zu Tsuhuandico, einem großen, jetzt verstorbenen Zauberer, kamen und mit ihm Maisbier tranken. Sie sagten ihm, wenn es regnet, wenn jemand krank wird, ob eine Mißernte eintritt usw. Batirayu berichtete auch, daß Angúya, ein Verwandter des Aringui, der letzte große Häuptling, den Añatunpa Tabak anzubieten pflegte, wenn sie bei Tsuhuandico waren. Die Añatunpas tranken nur ganz wenig Maisbier. Wenn sie kamen, sah man sie nicht, man hörte aber gleichsam das Klingen von Sporen.
Diese Zauberer haben eine ungeheuere Macht, sie können verhexen, denn Krankheit und Tod haben ihren Grund in Verhexung. Unter den Chanés ist Tambápui der größte Zauberer. Er ist der Enkel des Tsuhuandico und Sohn des Yapandáy, der ebenfalls ein großer „ipáye“ war.
In den Sagen treten Yamándutunpa, Mariutunpa und Tipaytunpa niemals auf. Dort spielen Aguaratunpa (der Fuchsgott) und Tatutunpa (der Gürteltiergott) die größte Rolle. Aguaratunpa hat Tembeta (s. S. 211). Sie haben menschliche Leidenschaften, und besonders die Geschichte des Fuchsgottes ist eine Schilderung von allerlei Kniffen und Verbrechen. Der Gürteltiergott ist etwas besser und steht auch höher.
Vocapoy erzählte mir, er habe einen alten Mann gekannt, der in den Bergen einen Tunpa gesehen habe. Er war eine Handbreit groß und wohlgekleidet. Das Wasser rann von seinem Körper.
Batirayu glaubte steif und fest an die Existenz der Añas und Añatunpas, an ihre Verbindung mit den Zauberern und an deren Macht. Daß Aguararenta existiert, davon war er fest überzeugt. Der Wahrheitstreue der Sagen von den Abenteuern[S. 259] und Erlebnissen der Aguaratunpas und Tatutunpas, die ich hier unten wiedergeben will, stand er skeptisch gegenüber.
In der Religion dieser Indianer existiert somit zuerst ein Kern von Wahrheit, an den sie glauben. Hierzu kommen die Abenteuer und Taten, die sie am Lagerfeuer von den Geistern erzählen und die wenigstens die Intelligenteren, die Denkenden unter ihnen, selbst als Sagen auffassen.
Diese Sagen will ich hier unten wiedergeben.
Der Begriff eines großen, allmächtigen Gottes ist den Chanés fremd. Jetzt wissen sie indessen alle direkt oder indirekt etwas vom Christentum, wodurch die Vorstellung an einen großen Gott einzudringen beginnt. Vocapoy, der kein Christ war, erzählte mir einmal, die Chanés glaubten an einen großen Gott, Tunpa.
Batirayu sagte, er glaube nicht an einen Gott, wie ihn die Christen beschreiben. Er wunderte sich, daß die Christen die Armen bedrückten und so viele Schlechtigkeiten begingen, da sie doch lehrten, daß die Sünder mit der Hölle bestraft werden. „Wie kann man wissen, wie es im Himmel aussieht, da niemand, der dort gewesen, zur Erde zurückgekommen ist“, sagte Batirayu.
„Und so sagen sie, daß wir Flügel bekommen sollen“, sagte er und lachte höhnisch.
Den Missionaren nach glauben die Chanés an ein höchstes Wesen,[99] Tunpahétte-vae, den wirklichen Gott. Der Name klingt schon verdächtig. Ich stehe der Annahme, daß dieser ursprünglich ist, sehr skeptisch gegenüber. Als ich mit den Missionaren über die Religion der Indianer sprach, erstaunte ich über ihre Unwissenheit. Sie verachten die Vorstellungen der Indianer und halten es nicht der Mühe wert, sie näher kennen zu lernen. Es gelingt ihnen niemals, sich von der katholischen Vorstellung zu befreien, daß die Indianer, die, wie wir, von Adam und Eva herstammen und zu denen San[S. 260] Thomas gepredigt hat, nichts von ihrem „ursprünglichen Glauben“ wissen.
Zwei der Tunpas, die hier in den Sagen auftreten, haben Tiernamen, Aguaratunpa (Fuchsgott) und Tatutunpa (Gürteltiergott). In den Sagen finden wir einen intimen Zusammenhang zwischen Menschen und Tieren.
Batirayu sagte: „Alle Tiere sind Menschen gewesen.“
Erzählt von zwei Chanéindianern am Rio Parapiti.
Es wird erzählt, daß im Anfang ein Tunpa war. Er machte die Erde mit dem Himmel und alle Sterne, die Sonne und den Mond. Es wird erzählt, daß diese Erde nichts trug, daß sie ganz kahl war. Tunpa setzte da allerlei Früchte hinein, um die Armen zu speisen, wie die Caraguatá und die Mangára. Es wird erzählt, daß dort eine Algarrobo war, die Mutter aller Bäume. An diesem Baum waren allerlei Früchte. Dieser Baum hat sich in der ganzen Welt vermehrt. Hierauf kam Tunpa, nahm den Mutterbaum mit und ließ die Sprößlinge hier. Es wird erzählt, daß Tunpa die Voreltern von uns und auch die Voreltern der Weißen geschaffen hat. Den Avas[100] und Chanés gab Tunpa einen Holzspaten und einen langen geschnitzten Stock, „carúmpa“ genannt, Pfeil und Bogen, ein Schaf, eine Ziege, ein Huhn und einen Hund, damit sie alle diese Tiere vermehren und damit sie sich mit diesen Werkzeugen ernähren. Den Weißen gab er Gewehre, ein Pferd, eine Stute und eine Kuh und alle möglichen Werkzeuge aus Eisen, damit sie mit diesen arbeiten.[101]
Es wird erzählt, daß die kleine Viscacha,[102] „Tacumbocumba“,[S. 261] diese Bäume, die vom Mutterbaum zurückblieben, beaufsichtige. Sie hatte diese Bäume sehr gut beaufsichtigt, keinen einzigen Samen hatte sie fortführen lassen. Sie hatte die Blüten gekostet, sie aber bitter gefunden, bis sie Frucht gaben. Als sie reif waren, säete sie die Samen. Als diese wieder gereift waren, säete sie diese wieder. Im folgenden Jahre hatten sie alle reife Frucht gegeben.
Aguaratunpa war zum Hause der Tacumbocumba gekommen. Diese war eine alte Frau. Sie bot Aguaratunpa von diesen Früchten, die sie bewacht hatte, und er fand sie sehr gut. Er fragte, wie sie heißen. Sie erwiderte, diese Früchte heißen „mä“.
Als sie ihm die Früchte anbot, setzte sie sich neben Aguaratunpa, damit er kein einziges Samenkorn mitnehme. Aguaratunpa verbarg in einem hohlen Zahne eines der kleinsten Samenkörner. Als er zu essen aufgehört hatte, reichte ihm die Alte Wasser zum Mundausspülen, damit kein einziges Samenkorn zurückbleibe. Mit dem Finger untersuchte sie Aguaratunpas Mund, konnte aber kein einziges Korn finden. Wieder fragte Aguaratunpa die Frau, wie der Baum heiße, und nahm Abschied. Den Namen des Baumes nennend, setzte er seinen Weg fort. Nicht weit davon fiel Aguaratunpa, vergaß den Namen des Baumes und kehrte zu der Alten zurück, um zu fragen. Darauf setzte er seinen Weg fort. Wieder fiel er, wieder vergaß er den Namen, und wieder kam er zu der Alten zurück, um zu fragen. Da sagte sie: „Du hast etwas Samen mitgenommen, und so untersuchte sie noch einmal seinen Mund, konnte aber nichts finden. Hierauf ging Aguaratunpa weiter, bis er zu einer offenen Ebene kam. Dort säete er den Algarrobosamen, den er mithatte. Dann zog er weit umher. Nach einigen Jahren kam er zurück und fand schon eine große Algarrobopflanze vor. Wieder zog er weit umher. Als er zurückkam, blühte die Algarrobo. Er nahm eine Blüte und kaute sie. Sie war bitter. Wieder zog Aguaratunpa in die Welt hinaus. Als er zu seiner Algarrobo zurückkam, fand er sie voll reifer Früchte. Er nahm eine[S. 262] auf, die auf die Erde gefallen war, und kostete sie. Sie war süß und gut. Er suchte nun nach jemand, der den Baum für ihn bewachen wollte. Er fragte zuerst einen Käfer, „Nyákira“, dieser wollte aber nicht. Dann fragte er „Húiran“, einen kleinen schwarzen Vogel, der wollte aber auch nicht. Nun fragte er einen anderen Käfer, „Tikitikiru“,[103] und dieser versprach ihm, den Baum zu bewachen. Kommt jemand, der von deiner Algarrobo Früchte stehlen will, so will ich singen: „Tikitikiru, tikitikiru, ko mä séramátata, tiki, tiki“, sagte er. Aguaratunpa war nicht weit gegangen, da hörte er: „Tikitikiru, tikitikiru, ko mä séramátata, tiki, tiki.“ Aguaratunpa eilte zurück. „Hier sind (Tuáta) der Floh, (Yatéu) die Zecke und (Isáu) die Blattschneideameise gewesen und die haben Früchte von deiner Algarrobo gestohlen“, sagte Tikitikiru. Die Zecke hatte ein großes Tragnetz mitgehabt, um die Früchte zu tragen, und die Blattschneideameise war auf den Baum geklettert, um sie abzubeißen. Aguaratunpa eilte ihnen nach. Zuerst erreichte er die Ameise. Er trat auf ihre Mitte. Darum sind alle Ameisen so schmal um den Leib. Dann nahm er die Zecke auf und trat mitten auf sie, so daß sie ganz platt wurde. Zuletzt bekam er den Floh und trat auf ihn, glitt aber aus, so daß er ihn seitwärts drückte. Darum sind alle Flöhe klein und zusammengedrückt. Tikitikiru überließ nun Aguaratunpa die Algarrobo, damit er sie selbst bewache. Er spannte seine Hängematte auf und legte sich zur Ruhe. An einem Zweig sah er noch eine Frucht, die die Diebe zurückgelassen hatten. Aguaratunpa rief nun den Wind herbei, und der schüttelte den Zweig, an welchem die Algarrobofrucht saß, so daß sie herunterfiel. Die Frucht fiel Aguaratunpa mitten ins Auge. Der Fuchsgott war nun tot.
Bald kamen alle Geier, um von Aguaratunpa zu essen. Sie schickten den Kolibri „Chinu“, um ihren großen Häuptling, den weißen Kondor, „Ururuti“, zu holen, damit dieser von Aguaratunpa esse.
[S. 263]
„Hütet euch, er ist nicht tot, er stellt sich nur tot, um unsern großen Häuptling zu fangen,“ sagte einer der Geier, „Kara-kara“.
„Gewiß ist er tot“, sagte die Fliege „Mbéru“ und kroch unter dem Schwanz des Fuchsgottes hinein und aus einem Nasenloch heraus, durch das andere hinein und so unter dem Schwanz wieder heraus.
„Er ist nicht tot“, sagte Kara-kara.
„Er ist tot“, sagte die Fliege und legte Eier in Aguaratunpas Augen, so daß sie voller Würmer waren. Als der weiße Kondor kam, näherte er sich Aguaratunpa, um zu essen.
„Hüte dich, er ist nicht tot“, sagte der Geier.
„Er ist tot“, sagte die Fliege und kroch wieder unter Aguaratunpas Schwanz hinein und durch das eine Nasenloch heraus, durch das andere hinein und dann unter dem Schwanze wieder heraus.
Der weiße Kondor begann nun von Aguaratunpa zu essen. Dieser fuhr nun auf, nahm ihn gefangen und band ihn mit einer Kette von Silber.
„Eine Herde Pferde will ich dir geben, wenn du mir die Freiheit schenkst“, sagte der weiße Kondor.
„Ich habe so viele Pferde, daß ich nicht mehr brauche“, sagte Aguaratunpa.
„Ich will dir große Felder geben, wenn du mir die Freiheit schenkst“, sagte der weiße Kondor.
„Ich habe so viele Felder, daß ich nicht mehr brauche“, sagte Aguaratunpa.
„Ich will dir meine beiden Töchter zu Frauen geben und ein Haus, in dem du wohnen kannst, wenn du mir die Freiheit schenkst“, sagte der weiße Kondor.
„Ich brauche deine Töchter nicht, denn ich habe in allen Dörfern Frauen“, sagte Aguaratunpa.
„Ich will ein ganzes Haus mit silbernen Schalen, ‚cagua‘, füllen und es dir geben, wenn du mir die Freiheit schenkst“, sagte der weiße Kondor.
[S. 264]
„Ich habe so viel Silber, wie ich brauche,“ sagte Aguaratunpa, „und ich habe dich gefangen, um dich zu töten. Kannst du mir aber den weißen Gummiball, ‚toki‘, schenken, damit ich damit spielen kann, so will ich dir die Freiheit schenken“, sagte Aguaratunpa.
An eine lange silberne Kette gebunden, flog Ururuti, um den weißen Gummiball zu holen. Als Aguaratunpa ihn bekam, schenkte er dem weißen Kondor die Freiheit. Der Strauß, „Yándu“, und die Fledermaus, „Andira“, spielten Ball. Der eine warf den Ball, fing ihn mit dem Kopf auf und stieß ihn dem anderen zu, der ihn wieder mit dem Kopfe auffing und zurückstieß (vgl. S. 193). Als der Ball durch die Luft flog, fing der weiße Kondor ihn auf und verschwand. Aguaratunpa schickte nun einen Vogel, „Tavatan“, um den schwarzen Gummiball zu holen, und das ganze Dorf spielte. Mit dem Strauß spielte Aguaratunpa. Mitten im Spiel tauschte er den Ball gegen einen Stein aus und warf ihn. Der Strauß fing ihn mit dem Kopf und fiel tot nieder. Als er wieder lebendig wurde, hatte er einen plattgedrückten Kopf, wie jetzt alle Strauße. Mit dem schwarzen Gummiball verschwand die Fledermaus.
Nun ist die Geschichte aus.
Sage, erzählt von dem Chanéindianer Agilera am Rio Parapiti.
Es wird erzählt, dort war einmal ein großer Häuptling, Chiquéri, und dort waren auch Tatutunpa und Aguaratunpa. Sie lebten alle weit, weit fort von hier. Am weitesten wohnte der große Häuptling. Dieser hatte Tatutunpa kommen lassen, um ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Tatutunpa kannte viele Künste und Aguaratunpa kannte auch viele Künste.
[S. 265]
Tatutunpa machte sich auf den Weg. Er ging ganz langsam und wartete an vielen Stellen. Wo er Feuer anmachte, wuchs hohes Gras. Zwei bis drei Tage, nachdem Tatutunpa sein Haus verlassen hatte, kam Aguaratunpa und fragte, wohin Tatutunpa gegangen sei. Man sagte ihm, Tatutunpa sei zu dem großen Häuptling gegangen. Aguaratunpa folgte ihm nun und traf ihn nicht weit davon. Bevor sie ankamen, fanden sie eine Pflanze namens „ihuahuasu“[104] am Wege. Aguaratunpa sagte zu Tatutunpa, er solle die Früchte abpflücken, damit sie sie essen könnten. Er ging in den Wald unter die Pflanze. Bevor noch Tatutunpa eine der Früchte hatte berühren können, schüttelte Aguaratunpa die Pflanze, so daß alle Früchte auf Tatutunpa fielen. Dieser, der jung und hübsch war, wurde nun einäugig und alt. Nun war Aguaratunpa der jüngere und schönere von beiden. Sie setzten nun ihren Weg zu dem großen Häuptling fort. Tatutunpa hatte eine Halskette, die Aguaratunpa ihm, bevor sie ankamen, abgelockt hatte.
Der große Häuptling glaubte, Tatutunpa, der alt und häßlich war, sei Aguaratunpa und dieser Tatutunpa. Er gab dem ersteren seine schönste Tochter zur Frau und dem letzteren gab er eine seiner allerhäßlichsten, die auch einäugig, wie er, war.
Aguaratunpa begann zu arbeiten, um den Acker zu roden und zu säen. Während er arbeitete, band er sein langes Haar auf. Als er von der Arbeit kam, war er ganz schmutzig. Tatutunpa tat nichts. Er lag den ganzen Tag neben seiner Frau und flötete auf einer runden Holzpfeife (Abb. 80). Als seine Schwiegermutter sah, daß er nicht arbeitete, sagte sie: „Dieser Mann denkt gar nicht an seine Familie.“
Da er dies hörte und wußte, daß Aguaratunpa schon viel gearbeitet hatte, fragte er seine Frau, ob ihr Vater keinen alten Acker habe, den er bebauen könne. Die Schwiegermutter sagte da zu ihrer Tochter: „Warum fragt jener Mann[S. 266] nach einem Acker, er, der so faul ist. Besser wäre es, wenn Aguaratunpa, der arbeitet, danach fragte.“
Tatutunpa ging mit seinem Stock und seiner Frau nach dem alten Acker des Häuptlings. Er ging auf den großen, wüsten Acker, grub ein wenig Erde auf, hob einen Erdklumpen auf und warf ihn in die Luft. Der Erdklumpen fiel zur Erde und zerbröckelte in viele Stücke. „Diese Erde ist nichts wert“, sagte er und fragte seine Frau, ob nicht irgendwo eine große Ebene sei, die er bebauen könnte. Sie sagte, es gäbe eine große Ebene. Sie begaben sich dorthin und gingen mitten auf die Ebene. Tatutunpa grub ein wenig Erde auf, warf wieder einen Erdklumpen in die Luft, dieser ging aber nicht entzwei, sondern fiel ganz nieder. Er sagte zu seiner Frau, diese Erde lasse sich sehr gut bearbeiten. Sie gingen nach Hause.
Am anderen Morgen begab sich der alte Tatutunpa mit seinem Spaten nach der Ebene, wo er ein wenig gegraben hatte, und steckte ihn in den Boden. In ganz kurzer Zeit wurde die ganze große Ebene ganz allein von dem Spaten gereinigt. Tatutunpa rief nun den Wind herbei, der mit großer Stärke kam und alles schlechte Zeug wegblies. Nur das Allerfeinste war stehen geblieben. Hierauf rief er den Wirbelwind, der den Acker ganz frei fegte. Tatutunpa bat die Papageien um Samen, sie kamen aber mit untauglichen Samenkörnern, die alle entzwei waren. Als er sah, daß diese Samen nichts taugten, bat er die Enten und Tauben und die ganz kleinen Tauben, sie möchten mit allerlei Samen kommen, und diese taten es auch. Sie säeten sogar selbst. Als die Saat beendet war, begab sich Tatutunpa auf dem Wege, der nach seinem Hause führte, heim. Er war noch nicht weit gekommen, da drehte er sich um, um nach seinem Acker zu sehen. Er sah, daß die Pflanzen schon zu keimen begannen. Wieder ging er ein Stück und wendete sich wieder um, um nach seinem Acker zu sehen. Die Pflanzen waren schon groß. Wieder ging er weiter und drehte sich wieder um. Da fand er seinen Acker schon in Blüte. In der Nähe seines Hauses[S. 267] wandte sich Tatutunpa wieder um, um nach seinem Acker zu sehen, und fand, daß alles, was er gesäet hatte, schon reife Früchte trug.
Bei Aguaratunpa, der so fleißig gearbeitet hatte, war noch nichts reif oder in Blüte.
Am folgenden Tage sagte Tatutunpa zu seiner Frau: „Wir wollen gehen, um nach unserem Acker zu sehen. Sie gingen nach dem Acker und die Frau sah, daß alle Früchte reif waren. Tatutunpa gebot ihr, ein Feuer anzumachen, um Mais und alle anderen Früchte zu rösten. Er sagte ihr, sie solle einen Maiskolben, zwei Bohnen und einen Kürbis ausgraben, aber nicht mehr. Nicht einmal dies vermochten sie aufzuessen.
Danach gingen sie nach Hause und sagten zu der Alten, sie solle mit ihnen kommen und alles abernten, was sie zu essen wünsche. Die Alte glaubte ihnen nicht, sondern glaubte, sie hätten gestohlen. Sie konnte nicht glauben, daß sie etwas zu ernten hätten, da sie nicht gearbeitet hatten. „Ich gehe lieber zu meiner anderen Tochter, die fleißig gearbeitet hat“, sagte die Alte.
Aguaratunpa begab sich nun zu Tatutunpas Acker und stahl Kürbisse, die er nach seiner Anpflanzung brachte. Mit Stäbchen und Dornen befestigte er die Kürbisse an den halbgewachsenen Kürbisstengeln. In der Dämmerung kehrte er heim und sagte zu seiner Frau, sie solle ihre Mutter bitten, in seinem Acker Kürbisse zu ernten. Die Tochter ging zu ihrer Mutter und sagte: „Wir wollen nach dem Acker gehen, um Kürbisse zu holen.“ Vergnügt machte die Alte sich auf den Weg, denn sie hatte gesehen, daß sie viel gearbeitet hatten, und sie glaubte ihrer Tochter. Sie gingen, fanden aber nicht mehr Kürbisse, als wie sie in einer Getreideschwinge einernten konnten.
Am folgenden Tage bat wieder Tatutunpas Frau ihre Mutter, mit aufs Feld zu kommen. Die Alte glaubte ihr gar nicht, als aber der Alte, ihr Mann, sah, daß sie so hartnäckig waren, befahl er ihr, zu gehen. Ärgerlich machte sich die Alte[S. 268] auf den Weg. Tatutunpa ging vor ihr, auf seiner Pfeife flötend. Als sie auf den Acker kamen, sah die Alte, daß er voll von allerlei Früchten, Mais, Kürbissen, Bohnen und Kalebassen war. Die Alte wurde richtig vergnügt, sie konnte ihre Freude kaum mäßigen.
Als sie nach dem Ackerrain kam, sah sie eine gewaltige Kalebasse und sagte zu ihrer Tochter, diese wünsche sie für sich. Während sie plauderten, fiel die Kalebasse auf die Alte, diese fiel hin und konnte sich infolge der schweren Kalebasse, die sie drückte, kaum bewegen. Die Tochter kam ihr zu Hilfe und versuchte die Kalebasse zu heben, sie vermochte es aber nicht. Sie rief ihrem Manne zu, er solle kommen und ihr helfen. Dieser blieb jedoch eine lange Weile fort, und erst als die Alte dem Tode nahe war, kam er, hob die Kalebasse auf und setzte sie wieder an ihrem alten Platze fest. Die halbtote Alte hob er auf.
Als sie sich nach einem Weilchen erholt hatte, sahen sie sich weiter den Acker an. Die Alte wollte einen Maiskolben abbrechen. Tatutunpa sagte ihr, sie solle seinen Acker schonen und nur den Kolben abbrechen. Sie erntete nun zwei Maiskolben und zwei von allen anderen Früchten, ohne etwas zu zerstören. Alles, was sie abgeerntet hatte, setzte sofort wieder reife Früchte an. Mit den Früchten beladen, ging sie nach Hause. Sie erzählte ihrem Manne, daß Tatutunpa schon einen großen Acker habe. „Das ist somit der Tatutunpa, den wir haben kommen lassen“, sagte der Alte. „Aguaratunpa hat uns betrogen.“
Am folgenden Tag sagte Tatutunpa zu seiner Frau: „Wir wollen nach unserem Acker gehen.“ Sie gingen dorthin. Er grub nun ein Loch, in welchem er ein Feuer machte. Als das Loch richtig warm, richtig rot war, nahm er eine sehr große Kalebasse und kroch in dieselbe hinein. Er bat seine Frau, die Kalebasse zuzustopfen, in die warme Grube zu legen und die Kalebasse, wenn er pfeife, umzudrehen, damit er hinaus könne. Die Frau tat so, wie er gesagt hatte. Als er pfiff, drehte sie die Kalebasse um und Tatutunpa kam[S. 269] heraus, schön und jung, mit allen seinen alten Schmucksachen geschmückt.
Nach einem Weilchen wärmte Tatutunpa die Grube wieder und seine Frau kroch in die Kalebasse. Er bedeckte diese und warf sie in die Grube. Als sie pfiff, drehte er die Kalebasse um. Jung und schön kam sie aus derselben.
Sie kehrten nach Hause zurück und nahmen ein Quebrachostäbchen mit, um damit Feuer anzumachen. Als sie nach Hause kamen, war die Alte mit dem Brauen von Maisbier beschäftigt.
„In dieser Nacht wird es sehr kalt und deshalb habe ich dieses Stäbchen mitgenommen, damit wir etwas haben, woran wir uns wärmen können“, sagte Tatutunpa. Aguaratunpa hatte viel „Tartago“-Holz mit nach Hause genommen, es reichte aber nicht die ganze Nacht. Mitten in der Nacht war das Holz zu Ende. Er ging zur Feuerstätte seiner Schwiegermutter, die beim Maisbierkochen war. Als die Alte sah, daß ein Fuchs sich zu ihrem Feuer schlich, steckte sie ein Stück Holz in Aguaratunpas Hinteren. Mit dem Holz im Hinteren sprang er davon, für immer in einen Fuchs verwandelt.
Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu.
Tatutunpa hatte einen Zauberspaten. Stellte man ihn des Abends in den Acker, so war der Acker am Morgen fertig gegraben. Aguaratunpa kam eines Tages in Gesellschaft seiner beiden Brüder zu Tatutunpa. „Wir wollen um deinen Spaten spielen“, sagte er. „Wenn es blitzt, wollen wir in den Blitz sehen, und derjenige, der nicht blinzelt, gewinnt den Spaten.“ Darauf ging Tatutunpa ein.
Aguaratunpa lieh sich nun die Augen der Heuschrecke „Tu-ku“, die keine Augenlider hat, Tatutunpa und Aguaratunpa setzten sich und stierten nach dem Himmel. Als es blitzte, blinzelte Tatutunpa, aber nicht Aguaratunpa, der die Augen der Heuschrecke hatte. Er hatte den Spaten gewonnen. Als er ging, nahm er gleichwohl nicht den Spaten,[S. 270] der selbst grub, mit, sondern einen gewöhnlichen hölzernen Spaten.
„Nehme ich den Spaten mit dem hohlen Stiel, so können auch die Faulen Mais bauen, mit dem hier aber muß man arbeiten, um Mais für seine Familie zu schaffen“, sagte Aguaratunpa zu seinen Brüdern.
Der Heuschrecke gab Aguaratunpa die geliehenen Augen zurück.
Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu.
Aguaratunpa lebte mit seinem Bruder zusammen. In einem Korb hatte er zwei kleine Papageien. Eines Tages flogen sie nach einem Acker, wo sie Mais aßen. Als sie nach Hause kamen, hatte der eine Maismehl um den Schnabel: „Woher hast du das?“ fragte Aguaratunpa. „Von einem Acker weit hinten, wo die Sonne untergeht“, sagten die Papageien.
Am folgenden Tag schickte Aguaratunpa die Papageien fort. Wohin sie flogen, dahin folgte er ihnen. Als er hinkam, brach er Mais ab. Da kam der Besitzer des Ackers und sah, daß jemand Mais gestohlen hatte. Aguaratunpa verbarg sich, der Besitzer fand ihn aber, da er sich, als er den Mais abbrechen wollte, in Hände und Füße geschnitten und überall Blutspuren hinterlassen hatte.
Der Besitzer sagte zu Aguaratunpa: „Warum hast du mir Mais gestohlen, hättest du mich darum gebeten, hätte ich ihn dir gegeben.“ Er brach viele Maiskolben ab und belud Aguaratunpa damit, der sie nach Hause brachte. Er legte sie neben die Tür.
Als er am folgenden Morgen erwachte, hatte der kleine Haufen sich in einen großen verwandelt, der bis an das Dach reichte.
Aguaratunpas Bruder fragte ihn, woher er den Mais habe. „Es ist weit weg,“ sagte Aguaratunpa. „Es gibt keinen Weg, und du kannst nicht hinfinden.“
[S. 271]
Der Bruder machte sich aber doch auf den Weg und kam an den Acker, wo er „anday“[105] fand, von dem er aß. Dieser war vergiftet, und er starb. Tot fand Aguaratunpa ihn. Er sagte, er wolle ihn wieder lebendig machen. Aguaratunpa nahm eine Pflanze, „ihuahuasu“. Mit dieser schlug er ihn. Er sprang über ihn, erst gerade über den Körper, dann vom Kopf bis zum Schwanz.
Der Bruder wurde wieder lebendig und sagte: „Ich habe lange geschlafen.“ — „Du hast nicht geschlafen, du bist tot gewesen“, sagte Aguaratunpa. Dieser schickte den Bruder zum Himmel.[106] Wenn es donnert, dann geht der Bruder Aguaratunpas spazieren.
Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási am Rio Grande.
In einem Hause war ein Mädchen Inómu, das niemals einen Mann gehabt hatte. Vor dem Hause war ein großes Trinkgelage. Dort waren Aguaratunpa, Tatutunpa und Dyori. Die Eltern des Mädchens nahmen sie mit und setzten sie da auf den Boden, wo man mit Maisbiertrinken beschäftigt war. Aguaratunpa fand, daß Inómu sehr hübsch sei. Das fand auch Tatutunpa. „Ich werde das Mädchen schwanger machen“, sagte er und begann zu graben. Aguaratunpa stellte sich davor. Tatutunpa grub sich in die Erde und unter dem Mädchen hinauf.[107] Als Tatutunpa geendet hatte, kroch er wieder heraus und erzählte Aguaratunpa, was er getan.
„Ich will auch versuchen“, sagte Aguaratunpa und kroch in den Gang hinein. Er war nicht weit gekommen, da blieb er stecken. Tatutunpa packte ihn am Schwanz und zog ihn heraus.
[S. 272]
Als das Mädchen nach Hause kam, rief ein Vogel „Araqua“, daß sie schwanger sei. Am folgenden Tage wurde sie groß. Sie war hochschwanger. Ihre Mutter war erbittert. Sie sagte, sie wolle weit fort zum Vater gehen und gebären. Inómu ging zur Höhle Tatutunpas und warf das Kind hinein, ohne ihm Milch zu geben. Das Kind schrie täglich, und die Mutter sah nach ihm, wenn sie aber kam, kroch es in die Höhle. Eines Tages kam „Yahuéte“, der Jaguar mit zwei Köpfen, von denen der eine trocken war, riß ihr die Augen aus und führte sie lebend fort.
Der Großvater ging nun aus, um den kleinen Tatutunpa zu fangen, indem er ein Netz vor die Höhle legte, in welchem dieser sich fing. Er führte ihn nach Hause. Dort wuchs er schnell und begann groß zu werden. Er wurde mit Honig großgezogen. Eine Tages verlangte der kleine Tatutunpa Pfeil und Bogen. Der Großvater machte ihm einen Pfeil mit einer stumpfen Spitze aus Wachs. Mit dem ging er aus und jagte. Wenn er den Stamm traf, fielen alle Tauben tot herunter. Es war eine große Masse. Als Tatutunpa nach Hause kam, fragte der Großvater, wie er so viele Tauben habe töten können, und da erzählte er, wie es zugegangen war. Auf dieselbe Weise tötete er viele Vögel. Eines Tages sah er fünf Araquavögel auf einem Baum. Tatutunpa schoß nach dem Baum, aber nur vier fielen herunter. Der fünfte sagte: „Du tätest besser, deine Mutter zu suchen, als Vögel zu schießen.“
Als Tatutunpa nach Hause kam, bat er den Großvater, ihm eine Keule aus „Huirapucu“[108] zu schaffen. Er schlug mit ihr gegen einen dicken Baumstamm, mußte aber zweimal schlagen, um den Stamm abzubekommen. Tatutunpa sagte da zu dem Großvater, sie tauge nichts, und verlangte eine Keule aus „Urundey“.[109] Er schlug mit ihr gegen einen dicken Baumstamm und schlug den Stamm mit einem Schlage ab. „Diese ist gut“, sagte Tatutunpa.
[S. 273]
In Begleitung Dyoris machte sich Tatutunpa auf den Weg. Auf dem Wege tötete er einen Tapir. Dyori[110] teilte ihn in vier Teile und fraß ihn auf. Sogar das Blut leckte er vom Boden auf.
Tatutunpa fand die Mutter blind im Walde. Sie bat ihn, die Jaguare zu töten, die sie gefangen hielten. „Sie kommen zur Tränke, um zu trinken“, sagte sie.
Tatutunpa machte sich einen kleinen Schuppen, in welchem er sich verborgen hielt. Dyori versteckte sich hinter ihm. Zuerst kam „Embaracaya“[111] mit ihrer Beute. Mit einem Schlage zertrümmerte Tatutunpa ihren Kopf und warf sie und ihre Beute Dyori hin, der alles auffraß. Auf dieselbe Weise tötete er „Yahuapinta“[112] und die anderen Katzentiere. Er warf sie Dyori hin, der sie alle auffraß. Zuletzt kam Yahuéte, der zwei Köpfe hatte. Er bat Inómu um Wasser. Yahuéte trug einen Tapir, den er getötet hatte. Inómu wies ihn zur Tränke.
„Nein, gib mir hier Wasser, es hält sich jemand an der Quelle verborgen“, sagte Yahuéte.
„Nein, es ist niemand da, und wie soll ich, die ich blind bin, Wasser holen können, ich falle ja“, sagte Inómu.
Yahuéte ging zur Tränke. Als er dorthin kam, schlug Tatutunpa mit der Keule, um ihn zu töten, traf aber nur den trocknen Kopf und Yahuéte sprang davon. Tatutunpa folgte ihm. Als Yahuéte sich verfolgt sah, verbarg er sich unter dem „tiru“ (S. 200 erwähnte Frauentracht) des Mondes.
„Wo ist Yahuéte?“ fragte Tatutunpa.
„Das weiß ich nicht“, antwortete die Frau (d. h. der Mond). Das war die erste Lüge.
„Er ist unter deiner ‚tiru‘ verborgen“, sagte Tatutunpa und ging weiter.
Der Mond rief ihm da nach. „Yahuéte frißt mich auf.“
[S. 274]
Tatutunpa ging zurück, um ihm zu helfen. Er sagte da, es sei nicht wahr. Tatutunpa ging wieder weiter. Er rief nun wieder: „Yahuéte frißt mich auf.“ Als Tatutunpa zurückkam, sagte er, es sei unwahr. Tatutunpa ging wieder weiter. Wieder rief der Mond, Yahuéte wolle ihn auffressen. Tatutunpa kehrte aber nicht mehr zurück. Nun war Yahuéte wirklich im Begriff, ihn zu fressen.
Als Tatutunpa zu seiner Mutter zurückkehrte, sagte er, er werde dafür sorgen, daß sie wieder sehen könne. Aus Taubenschmutz und Ton machte er Augen und setzte sie in ihre leeren Augenhöhlen. Inómu rieb sich die Augen, öffnete sie und konnte wieder sehen. Tatutunpa führte nun seine Mutter nach Hause.
Batirayu hat mir dieselbe Sage mit einer langen Einleitung erzählt, die in Yambásis Erzählung fehlt. Diese Einleitung will ich hier wiedergeben.
Es war einmal ein großes Trinkgelage. Dort waren viele Vögel versammelt. Der Häuptling befahl Aguaratunpa, ein Mädchen Inómu, die in einem Nachbardorfe war, zu holen, damit sie auch mit ihnen trinke. Aguaratunpa ging. Als er ins Haus des Mädchens kam, traf er ihren Vater.
„Guten Tag, Onkel“, sagte Aguaratunpa.
„Setze dich“, sagte der Vater.
„Nein, ich bin gekommen, um meine Nichte zu holen,“ sagte Aguaratunpa. Er fragte nun, ob das Mädchen mit ihm gehen wolle, was es bejahte. Das Mädchen machte sich fein, nahm seine Halskette um, zog seinen besten „tiru“ an und folgte Aguaratunpa.
Als sie eine Strecke Weges gegangen waren, sagte das Mädchen: „Warum soll ich mit dir gehen, der du so häßlich bist“, und so kehrte sie um. Als Aguaratunpa ankam, fragte der Häuptling ihn, wie es gegangen sei. Er erzählte nun, daß das Mädchen umgekehrt sei.
„Urapua“ (der schwarze Aasgeier) erbot sich, das Mädchen zu holen. Urapua machte sich auf den Weg. Als er ins Haus des Mädchens kam, sagte er:
[S. 275]
„Guten Tag, Onkel.“
„Nimm Platz“, sagte der Vater.
„Nein, ich bin gekommen, um meine Nichte zu holen, sie soll mir helfen Maisbier zu trinken“, sagte Urapua. Er fragte das Mädchen, ob es mitgehen wolle. Sie erklärte sich einverstanden und machte sich in Ordnung. Als sie halbwegs gekommen waren, sagte das Mädchen: „Warum soll ich mit dir gehen, der du so häßlich bist.“ Sie kehrte nach Hause zurück.
Als Urapua ankam, fragte der Häuptling, wie es ihm ergangen sei. Er erzählte, das Mädchen sei umgekehrt.
„Tiu“ erbot sich zu gehen. Als er in das Haus des Mädchens kam, sagte er:
„Guten Tag, Onkel.“
„Nimm Platz“, sagte der Vater.
„Nein, ich bin gekommen, um meine Nichte zu holen, sie soll mir helfen Maisbier zu trinken“, sagte Tiu. Er fragte das Mädchen, ob es mitgehen wolle. Als sie ein gutes Stück Weges gekommen waren, sagte das Mädchen: „Warum soll ich mit dir gehen, der du so häßlich bist“, und so ging sie wieder nach Hause.
Da erbot sich „Choe“ zu gehen. Als er ankam, ging er direkt zum Mädchen und fragte sie, ob sie mit ihm kommen und ihm helfen wolle, Maisbier zu trinken. Das Mädchen gab ihm eine Kalebaßschale Maisbier und war bereit, ihm zu folgen. Sie gingen. Als sie ganz nahe dem Dorfe waren, wo ein großes Trinkgelage war, sagte das Mädchen, es wolle nicht mit ihm gehen, er habe so schwarze Beine, und kehrte um.
Als er ankam, fragte der Häuptling, wie es ihm ergangen sei. Er erzählte, daß das Mädchen umgekehrt sei. Alle die anderen Vögel versuchten, aber mit keinem wollte das Mädchen gehen. Zuletzt ging „Churincui“.
„Paß auf,“ sagte der Häuptling, „er bekommt bestimmt das Mädchen mit sich.“ Churincui ging direkt zu dem Mädchen und fragte es, ob es mit ihm gehen und ihm helfen[S. 276] wolle, Maisbier zu trinken. Das Mädchen war bereit und folgte ihm bis dahin und setzte sich zu den anderen Frauen.
Aguaratunpa ging erbost umher.
Der Häuptling fragte, ob jemand singen könne. Aguaratunpa kleidete sich in seinen „tirucumbai“ (Abb. 81) und machte sich zum Singen bereit, er konnte aber nicht mehr als „púhuaté, púhuaté“. Urapua kam nun hervor und wollte singen, er konnte aber nur „hú, hú“ sagen.
Da bat der Häuptling „Húiratucúhua“ zu singen und dieser sang:
„Huaté púhuatékos rárásé mánura lúhuaya chúshico ti, ti, ti, ti ...“
Dort war ein Mann, der mit seinem Bruder und allen den anderen Vögeln verfeindet war, der nicht am Trinkgelage teilnahm, sondern umherging und jagte.
Auf einem Baum saßen viele Papageien. Unter diesen war ein weißer Papagei. „Den will ich fangen“, sagte er und versuchte es, ihn mit einer Schlinge an einer Rute zu fangen, aber es gelang ihm nicht. Er zielte nun mit dem Bogen nach dem Papagei. Dieser fing zu sprechen an und sagte: „Warum willst du mich töten?“
Der Papagei lehrte ihn nun, wie er singen solle, und sagte ihm, wenn er mitten unter die käme, die trinken, solle er den Arm über den Kopf hochstrecken.
Er ging nun um diejenigen, die tranken, herum und sang. Dann ging er mitten unter sie und streckte den Arm hoch. Als er dies tat, wurden diejenigen, die standen, in Vögel, und die, die saßen, in Steine verwandelt, außer Inómu, Tatutunpa, Aguaratunpa und Teyuhuasu.
Tatutunpa, Aguaratunpa und Teyuhuasu saßen nicht mit den anderen zusammen, sondern standen in der Nähe. Tatutunpa sagte zu Aguaratunpa:
„Du sollst sehen, ich mache das Mädchen schwanger.[113][S. 277] Wenn sie den Körper dreht, ist es geschehen.“ Er grub nun ein Loch in der Erde unter dem Mädchen ...
Die Fortsetzung von Batirayus Erzählung ist mit der Yambásis beinahe identisch.
In ihren Grundzügen scheint mir diese Sage echt indianisch zu sein. Es sind jedoch Elemente darin, die von den Weißen geliehen zu sein scheinen, nämlich die Geschichte von den Lügen des Mondes. Diese kommt in Batirayus Version der Sage nicht vor. Sie erinnert mich auch sehr an den Knaben, der um Hilfe zu rufen pflegte, ohne daß eine Gefahr vorhanden war. Als schließlich die Wölfe dabei waren, ihn aufzufressen, kümmerte sich keiner um ihn — eine Sage, die in Europa bekannt ist und die ich in Schweden als Kind gehört habe.
Ein Teil dieser Sage erinnert stark an eine von d’Orbigny[114] von den Yuracáreindianern wiedergegebene Sage. Dem Tatutunpa entspricht dort „Tiri“, der, um seine Mutter zu rächen, alle Katzentiere, außer dem Jaguar mit den vier Augen, der seine Zuflucht zum Monde nimmt, tötet. Früher standen die Chiriguanos und Chanés sicher in Verbindung mit den Yuracáreindianern. Als die Weißen das Land um Santa Cruz de la Sierra eroberten, zogen die Chiriguanos nach Süden und die Yuracáres nach Norden. Auf meiner letzten Reise habe ich auch die Yuracáreindianer besucht, die ich später in einem anderen Buche schildern werde.
Erzählt vom Chanéhäuptling Bóyra.
Es waren einmal in alten Zeiten drei arme Männer, die keine Verwandten hatten. Sie waren sehr hungrig. Zwei von ihnen gingen, um etwas zum Essen zu suchen. Erst kamen sie in einen großen Wald, durch den ein Pfad ging.[S. 278] Nach drei Tagen kamen sie auf eine große Ebene. Mitten in der Ebene war ein Haus. Sie gingen um das Haus herum, fanden aber keinen Eingang. Schließlich kam aber eine Frau heraus, es war Chiquéritunpas Schwester. Sie bat sie, hineinzukommen. „Wir sind schmutzig“, sagten sie und wollten nicht hineingehen. Sie brachte dem einen Maisbier. Er trank vier Kalebaßschalen Maisbier aus. Sie brachte dem anderen Maisbier. Auch er trank vier Kalebaßschalen Maisbier aus. „Geht nun und badet euch,“ sagte sie, „und wascht euch den Kopf.“ Sie gab ihnen die Wurzel der „yúag“.[115]
Als sie gebadet und sich gewaschen hatten, kamen sie wieder. Sie gab ihnen Uruku, um sich zu bemalen. „Geht nun und ruht aus. Nachher sollt ihr Holz holen,“ sagte sie und gab ihnen eine Axt. Sie suchten überall in der Ebene, fanden aber kein Holz. „Habt ihr kein Holz gefunden?“ fragte die Frau.
„Nein“, sagten sie.
„Saht ihr dort keinen alten Mann? Er hat Holz. Gebt ihm einen Hieb mit der Axt“, sagte die Frau.
Sie gingen wieder auf die Ebene, um Holz zu suchen. Dort fanden sie den Alten, sie schämten sich aber, ihm einen Hieb mit der Axt zu geben, und kehrten zur Frau zurück.
„Habt ihr den Alten getroffen?“ sagte sie.
„Ja,“ antworteten sie, „aber wir schämten uns, ihn zu töten.“
„Haut den Alten, er ist Holz!“ sagte die Frau.
Sie gingen wieder auf die Ebene und fanden ihn. Sie gaben ihm einen Axthieb, und er verwandelte sich in Holz, das sie zur Stube trugen. Die Frau kochte. Dann spann sie Fäden.
„Warum seid ihr hierhergekommen?“ sagte sie.
„Wir suchten uns eine Mutter. Wir waren drei, aber einen haben wir zurückgelassen“, sagten sie.
„Warum habt ihr ihn nicht mitgenommen?“ sagte die Frau.
[S. 279]
Sie ließ die Männer baden. Sie badeten und die Frau badete auch. Sie sahen, daß sie ein hübsches Weib war.
„Hier sollt ihr eine Hütte und eine Falle machen und Tauben fangen! Wenn die Tauben kommen, werden sie sich in Frauen verwandeln. Wenn diese baden, sollt ihr ihre Kleider nehmen und laufen!“ sagte die Frau. Eine Masse Tauben kamen und setzten sich auf die Bäume um den Sumpf. Unter ihnen war ihr großer Häuptling. Die Tauben flogen ans Ufer und verwandelten sich in Frauen und nahmen ihre Kleider (tiru) ab. Die Männer schlichen sich heran, jeder von ihnen nahm drei Kleider und lief davon. Die Frauen liefen ihnen nach. Der eine warf zwei Kleider fort und kam mit einem Kleid und einer der Frauen ins Haus. Der andere lief mit allen drei Kleidern. Die Frauen holten ihn ein und prügelten ihn ordentlich. Derjenige, der mit einem Kleid gekommen war, kam mit seiner Frau ins Haus.
„Legt euch schlafen!“ sagte die Schwester Chiquéritunpas.
Der Mann legte sich mit seiner Frau, die die Tochter Chiquéritunpas war, schlafen. Sie schliefen den ganzen Tag zusammen und am Abend gebar sie. Am folgenden Tag kam Chiquéritunpa. Er wollte seine Tochter schlagen. Er schickte nach einem Pferd, einem Esel und einer Stute, um seine Tochter und seinen Schwiegersohn nach Hause zu bringen. Nachdem sie gegessen hatten, ritten sie fort.
Der Mann, der von den Frauen geprügelt worden war, weinte. „Weine nicht so sehr“, sagte die Schwester Chiquéritunpas. Als sie ein Stückchen geritten waren, trafen sie einen Christen, der arbeitete.
„Was für Arbeit hast du vor?“ fragte der Mann. „Ich[S. 280] will Mandioka und Mais säen. Hier will ich wohnen und hierhin will ich ein Weib bringen“, sagte der Christ.
Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen. „Was für Arbeit hast du vor?“ fragte der Mann. Übel gelaunt antwortete der Christ: „Hier will ich Hügel mit dornigen Büschen säen.“
Sie setzten ihre Reise fort und trafen einen anderen Christen, der mit dem Fällen von Bäumen beschäftigt war. „Was für Arbeit hast du vor?“ fragte der Mann. „Ich haue Stangen zur Einzäunung für die Tiere, denn hier will ich Vieh haben. Alles nehme ich hierher, Kleider werde ich mir schaffen“, sagte der Christ.
Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen. „Was für Arbeit hast du vor?“ fragte der Mann. Übel gelaunt antwortete der Christ: „Ich arbeite, um Steine zu ernten.“
Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen, der tischlerte. „Was machst du hier?“ fragten sie. „Ich will mir ein Haus bauen, wo ich Kleider und alles mögliche andere haben will“, antwortete der Christ.
Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen. „Woran arbeitest du?“ fragte der Mann. Übel gelaunt erwiderte der Christ: „Hier will ich Chuchio[116] säen, damit niemand passieren kann.“
Als sie nahe dem Hause des Chiquéritunpa waren, sagte dessen Tochter zu ihrem Mann: „Erst werde ich mit dem Knaben absteigen, der schon gehen kann. Hierauf sollst du absteigen, und wenn du dich auf die Bank setzt, sollst du dich nicht wundern, wenn sie sich bewegt. Bewegt sich das Haus, sollst du dich nicht wundern. Du sollst nicht meine Mutter grüßen und auch nicht meinen Bruder. Nur den Vater sollst du grüßen.“
Als sie ankamen, stieg sie zuerst ab und trat ein. Ihr folgte der Knabe, der schon gehen konnte. Zuletzt stieg der[S. 281] Mann vom Pferde. Als er vom Pferde stieg, verwandelte es sich in einen Haufen Knochen. Er ging hinein und setzte sich auf einen Schemel. Derselbe bewegte sich, denn er war eine große Schlange. Er tat, als merke er nichts. Auch das Haus bewegte sich, er tat aber, als kümmere er sich nicht darum. Zuerst kam seine Schwiegermutter und grüßte ihn, er beantwortete aber den Gruß nicht. Darauf kam sein Schwager und grüßte, aber er beantwortete auch dessen Gruß nicht. Der Schwager schlug ihm vor, sie sollten spielen, er antwortete ihm aber nicht.
„Heute Nacht sollst du nicht bei mir schlafen. Ich schlafe in einer Hängematte, mein Sohn in einer und du in einer dritten,“ sagte Chiquéritunpas Schwester zu ihrem Mann. „Morgen sollst du mit meinem Bruder spielen“, sagte sie. Sie legten sich nun schlafen.
Am folgenden Tage rief der Hahn früh: „Jesus Christus, Jesus Christus!“ Als der erste Christ, der ihnen begegnet war, nach seinem Acker kam, fand er ihn voll von Mais und Mandioka und außerdem eine Hütte und ein hübsches Weib. Der zweite Christ, der geantwortet hatte, er wolle Hügel mit dornigen Büschen säen, fand seinen Acker in solche verwandelt. Der dritte Christ fand seine Umzäunung für die Tiere schon fertig und voll von schönem Vieh. Derjenige, der geantwortet hatte, er wolle Steine säen, fand seinen Acker voller Steine. Derjenige, der getischlert hatte, um sich ein Haus zu bauen, fand es schon fertig und voller Kleider. Derjenige, der übellaunig geantwortet hatte, er wolle Chuchio säen, fand den Acker in dichtes Gestrüpp verwandelt, durch das niemand konnte.
Chiquéritunpas Sohn schlug seinem Schwager ein Spiel vor.
„Was für ein Spiel?“ sagte er. „Wir wollen das Haus[S. 282] wegrücken“, sagte Chiquéritunpas Sohn und versetzte es mit einem Arm. Mit seiner ganzen Stärke rückte der Mann das Haus weg. „Nun wollen wir das Pferd wieder lebendig machen“, sagte Chiquéritunpas Sohn und hob die Beine des Pferdes, auf welchem der Mann gekommen war, hoch. Es verwandelte sich in ein sehr fettes Pferd mit feuersprühendem Mund. Auch dies machte der Mann nach.
Am folgenden Tag schlug der Mann seinem Schwager, Chiquéritunpas Sohn, ein Spiel vor. „Was wollen wir spielen?“ sagte er. „Wir wollen die Sonne herunternehmen“, sagte der Mann. Mit einer langen Rute aus Chuchio nahm er die Sonne herunter. Es wurde nun so warm, daß sowohl Chiquéritunpa wie sein Sohn davonliefen. Am folgenden Tag wurde der Mann Häuptling.
Derjenige, der von den Mädchen Prügel bekommen hatte, denen er ihre Kleider geraubt hatte, blieb bei der Schwester Chiquéritunpas. Eines Tages sagte sie zu ihm, er solle nach einem großen See gehen. Dort solle er tauchen und eine Handvoll Sand heraufholen. Diesen Sand solle er in das Haus legen. Er ging nun zum See, tauchte und holte eine Handvoll Sand herauf, den er ins Haus legte. Am folgenden Tage sagte die Schwester von Chiquéritunpa: „Sieh nun nach, was aus dem Sande geworden ist!“ An Stelle des Sandes fand er ein hübsches Weib. „Dies soll deine Frau sein“, sagte Chiquéritunpas Schwester.
Am Tage pflegte er mit ihr am See zu baden. Dort spielte er mit ihr, liebkoste sie und im Bade bespritzten sie sich mit Wasser.
„Bade nicht mit ihr so viel am See. Denke daran, daß sie nur aus Sand gemacht ist“, sagte Chiquéritunpas Schwester.
Er hörte nicht auf sie, sondern spielte und koste mit ihr unten am Seeufer. Eines Tages, als er mit ihr spielte, wurde sie immer schmaler, bis sie sich zuletzt in einen Haufen Sand verwandelte. Weinend ging der Mann zur Schwester Chiquéritunpas. Hayma opama! (Und mehr war es nicht).
Diese Sage ist, wie wir sehen, nicht frei von europäischen[S. 283] Elementen. In ihren Hauptzügen ist sie jedoch rein indianisch. Keine der von mir hier mitgeteilten Sagen scheint mir so phantasiereich, wie diese.
Erzählt vom Chanéhäuptling Bóyra.
Es war einmal in alten Zeiten ein großes Trinkgelage. Dort waren Aguaratunpa, Tatutunpa, Teyuhuasu, Inómu,[117] Choihuihui[118] und viele andere. Aguaratunpa war gegangen, um Inómu zu holen. Sie blieb vier Tage und trank mit ihnen. Zuletzt kam ihre Mutter, die sehr ärgerlich war, daß sie so lange fortgeblieben war. Sie verwandelte alle, die dort waren, in Vögel und nahm Inómu mit nach Hause. Nur Aguaratunpa, Tatutunpa und Choihuihui waren dort geblieben. Tatutunpa ging nach Hause. Aguaratunpa, der keine feste Wohnstätte hatte, streifte umher und betrog die Menschen. Choihuihui machte sich auch auf den Weg. Er kam nach einem Hause. Dort wohnte eine verheiratete Frau mit ihrer Tochter. Er grüßte sie. Sie bot ihm Maisbier und er trank. Darauf nahm er Abschied und ging. Er blieb jedoch, in einen Choihuihui verwandelt, ganz in der Nähe, um zu spionieren. Nach einem Weilchen kam der Mann der Frau nach Hause. Dieser nahm sie mit und sie gingen nach dem Felde, sie um zu ernten, er um zu graben. Als sie dorthin gekommen waren, machten sie Feuer an. Er ging, um zu graben, sie blieb beim Feuer mit der kleinen Tochter und röstete Mais. Choihuihui war ihnen nachgegangen. Er blieb in der Nähe. Nach einem Weilchen ging die Frau abseits, um ihre Notdurft zu verrichten. Als sie in den Wald kam, umschlang Choihuihui sie. In einen Vogel verwandelt, flog er mit ihr davon.
Da die Mutter nicht zurückkam, begann das Mädchen zu weinen. Als der Vater dies hörte, ging er dorthin. Er[S. 284] rief seine Frau, aber niemand hörte. Er suchte sie und fand ihre und Choihuihuis Spur. Vergebens versuchte er ihnen zu folgen. Nachdem er lange gesucht hatte, suchte er die Brüder seiner Frau auf, damit sie ihm suchen hälfen. Sie suchten, fanden aber niemand. Die Brüder glaubten, der Mann habe seine Frau aus Eifersucht getötet. Als sie an einem großen Baum vorüber kamen, sahen sie im Gipfel das Nest eines „Tuyuyu“.[119] Die Brüder sagten zu dem Manne, er solle die Vögel fangen, um sein Kind zu trösten. Da der Baum einen hohen, geraden Stamm hatte, machten sie eine Leiter und der Mann kletterte hinauf. Als er bis zum Gipfel des Baumes gekommen war, nahmen die Brüder die Leiter weg, damit der Mann nicht herunter könne. „Dort sollst du sitzen bleiben und verhungern, weil du deine Frau getötet hast“, sagten sie. Der Mann begann zu weinen. Zuletzt schlief er, an den Stamm gelehnt, ein.
Als er erwachte, saß er in einer Hütte. Neben ihm saßen zwei hübsche Frauen. Sie fragten ihn, wie er dorthin gekommen sei. Er erzählte nun, daß ein Mann in sein Haus gekommen sei usw. (hier wird die ganze Sage wiederholt).
Die Frauen begannen zu lachen. „Avayurupiagua hat deine Frau fortgeführt“, sagten sie.
Er fragte sie, wer ihr Vater sei. „Er ist nach Itica[120] gegangen, um Fische[121] zu holen“, sagten sie.
Die Jüngste sagte, er solle bei ihr schlafen, was er tat. Auch die Älteste wollte bei ihm schlafen. „Wird deine Mutter nicht ärgerlich, wenn ich es tue?“ sagte er. „Nein, du sollst bei uns schlafen, denn hierher kommt niemals ein Mann“, sagten sie. Er schlief somit bei beiden Frauen.
Nach einigen Tagen kam der Vater der Mädchen nach Hause. Er brachte zwei große Bürden getrockneter Fische[S. 285] mit. Der Vater fragte, wie er hierher gekommen sei. Er erzählte usw. (hier wird die ganze Sage wiederholt).
Der Vater sagte, er sei ihm nicht böse, weil er bei seinen beiden Töchtern geschlafen habe, und versprach ihm seine Hilfe, um die Frau zurückzubekommen. Sie ist am Itica bei Avayurupiagua,“ sagte er. „Dort ist ein großes Trinkgelage und wir wollen hin. Du sollst mit mir kommen und tun, was ich sage. Erst sollst du alle grüßen, und zuletzt sollst du deine Frau grüßen. Sie wird dich nicht erkennen. Wenn sie dich grüßt und dir Maisbier anbietet, so schlingst du deine Arme um sie und ich schlage dich auf den Steiß“, sagte er. Sie begaben sich nun nach Itica. Als sie dorthin kamen, grüßte der Vater zuerst alle. Zuletzt grüßte der Mann seine Frau. Sie bot ihm eine Kalebasse Maisbier. Er umschlang sie und der Alte klopfte ihn auf den Steiß. In einen Tuyuyu verwandelt, flog er mit seiner Frau davon. Als Avayurupiagua dies sah, stürzte er ärgerlich in sein Haus, um Bogen und Pfeile zu holen. Er schoß einen Pfeil nach dem anderen ab, konnte sie aber nicht treffen.
Diese Sage scheint mir vollständig rein von fremden Elementen zu sein. Mit der hier erwähnten Leiter meint man einen langen Stock, in den man Trittstufen gehauen hat. Solche wenden besonders die Chiriguanos sowie die Chanés am Itiyuro stets für die Maisscheunen an, die auf Pfählen gebaut sind (s. Abb. 84 b).
Erzählt von dem Chanéhäuptling Batirayu.
Es waren einmal in alter Zeit zwei verrückte Mädchen. Nicht weit davon wohnte Tatutunpa. Sie hörten ihn so schön auf seinem „huiramimbi“ (s. Abb. 80 a) pfeifen. Die eine sagte zu der anderen: „Wir wollen hingehen und sehen, wer so schön spielt.“ Sie gingen zu Tatutunpa, der in seiner Hängematte lag. Tatutunpa nahm das jüngste der Mädchen zur Frau.
[S. 286]
Aguaratunpa hatte erfahren, daß die Mädchen sich zu Tatutunpa begeben hatten. Er ging hin, verbarg sich in dem Acker, wo Tatutunpa arbeitete und tötete ihn mit einem Knüppel. Hierauf zog er vorsichtig die Kopfhaut ab und bekleidete sich damit. Auf diese Weise dem Tatutunpa gleichend, ging er zu dessen Hütte.
„Sieh, dort kommt dein Mann“, sagte die ältere Schwester. Sie stellte Essen auf den Tisch. Da Tatutunpa sehr wenig zu essen pflegte, nur ein paar Bohnen und eine kleine Schale Maisbier, trug sie nicht mehr auf. Als Aguaratunpa kam, aß er alles auf und verlangte noch mehr. Als er dies gegessen hatte, verlangte er noch mehr. Das Mädchen fragte sich, ob dies wirklich ihr Mann sein könne, der so viel aß, es konnte ja aber kein anderer sein.
Am Abend bat Aguaratunpa seine Frau, sie möchte ihn lausen. Sie setzte sich und suchte Läuse auf dem Kopfe Aguaratunpas. Während sie suchte, schlief Aguaratunpa ein. Sie sah da, daß die Haut auf seinem Kopf zusammengenäht war, und verstand, daß er ihren Mann getötet und abgehäutet hatte. Sie erzählte dies ihrer Schwester, und sie töteten Aguaratunpa mit einen Knüppel.
Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási am Rio Grande.
Wenn die Menschen Honig sammelten, suchte Añatunpa[122] sie auf und fraß sie auf.
Es war einmal ein Mann, der Honig sammelte. Da kam Añatunpa und fragte ihn, was er tue. „Ich sammle Honig“, sagte der Mann. „Fahre damit fort“, sagte Añatunpa. Als der Mann genug gesammelt hatte, tötete er ihn und warf ihn Dyóri hin, der ihn auffraß und sogar das Blut aufleckte. Auf diese Weise tötete Añatunpa viele Menschen.
Ein Mann war ausgegangen, um Honig zu sammeln. Der[S. 287] Tukan[123] sagte zu ihm: „Wenn Añatunpa kommt, so bitte ihn, dich nach seinem Hause zu tragen und dich dort zu töten.“
Während der Mann Honig sammelte, kam Añatunpa. „Was willst du?“ fragte der Mann.
„Ich will dich auffressen“, sagte Añatunpa.
„Tue das nicht hier, sondern trag mich nach deinem Hause und friß mich dort auf“, sagte der Mann. Añatunpa nahm nun den Mann auf den Nacken und trug ihn zu sich.
„Brich Zweige ab und mache auf dem Nacken Añatunpas Feuer an“, sagte der Tukan. Als Añatunpa durch das dichte Gestrüpp ging, brach der Mann Zweige und Äste ab und machte auf dem Nacken Añatunpas vorsichtig Feuer an.
„Wenn du an einen niedrigen Zweig kommst, so klammere dich fest!“ sagte der Tukan zum Manne. Das tat dieser. Bald merkte Añatunpa, daß es ihm im Nacken brenne und begann zu laufen. Das Feuer nahm zu. Seine Haare fingen Feuer und bald verbrannte Añatunpa vollständig und starb.
Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási am Rio Grande.
Añatunpa fraß alle Menschen auf, die er erwischen konnte. Da kam ein Mann, der zu Añatunpas Höhle Holz trug. „Komm, wir wollen spielen!“ sagte Añatunpa.
[S. 288]
„Was für ein Spiel?“ sagte der Mann.
„Du sollst mir mit einer Axt einen Hieb vor die Stirn versetzen, und wenn ich nicht sterbe, schlage ich dich“, sagte Añatunpa.
Añatunpa stellte sich gerade auf, reichte dem Mann die Stirn und dieser schlug ihn mitten auf dieselbe. Da Añatunpas Stirn hart wie Eisen war, tat ihm dies nichts. Añatunpa gab nun dem Mann einen Schlag vor die Stirn, tötete ihn und warf ihn Dyóri zu, der ihn auffraß.
Ein anderes Mal kam ein anderer Mann zu Añatunpas Höhle. Añatunpa schlug ihm dasselbe Spiel vor. Eine Fliege „Mbéru“ rief ihm da zu, er solle ihn nicht auf die Stirn, sondern in den Nacken hauen. Als Añatunpa sich mit geschlossenen Augen aufstellte, um den Hieb zu erhalten, ging der Mann hinter ihn, hieb ihn in den Nacken und Añatunpa fiel tot nieder. Dyóri fragte ihn, wie er habe Añatunpa töten können. Der Mann erzählte ihm, was Mbéru gesagt hatte.
„Sehr gut“, sagte Dyóri.
Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu.
Ein Chané, Bisose, wollte in einem tiefen Pfuhl angeln. Erst angelte er viele kleine Fische. Plötzlich angelte er einen so großen Fisch, daß er ihn nicht heraufzuziehen vermochte. Er ging erst um den Pfuhl herum, weil er Angst hatte, hineinzugehen. Schließlich stieg er vorsichtig ins Wasser, indem er der Angelschnur mit der Hand folgte. Als er in tiefes Wasser gekommen war, fühlte er, daß ihn jemand ums Bein faßte und in die Tiefe zog. Es war die große Schlange „Boyhuasu“. Diese führte Bisose im Gebirge umher und nach los Campos del guanaco. Schließlich führte sie ihn durch einen engen Paß in den Berg hinein. Dort gab sie ihm blaue Steine und Silber. Bisose belud sich damit. Als er aus dem Paß herauswollte, war er so eng, daß[S. 289] er nur wenig mitnehmen konnte. Deshalb sind diese Steine und Silbersachen so selten. Boyhuasu führte ihn dann zum Pfuhl zurück. Er kam an derselben Stelle heraus, wo er ins Wasser gestiegen war.
In dieser Sage werden unter den Kostbarkeiten, die Bisose aus der Tiefe holte, blaue Steine erwähnt. Durchbohrte Türkise und Chrysocol schätzen diese Indianer auch als Halskettenperlen hoch.
Erzählt von dem Chanéhäuptling Bóyra.
Der Fuchs traf den Jaguar in seinem Acker. Dieser war mit Säen beschäftigt.
„Willst du, daß ich dir helfen soll, Onkel?“ sagte der Fuchs.
„Ja, Neffe. Ich will mir die Grabestöcke holen“, sagte der Jaguar.
„Das will ich“, sagte der Fuchs und ging zur Hütte des Jaguars.
Als er dorthin gekommen war, sagte er zur Frau des Jaguars: „Ich schäme mich, dir mein Anliegen zu sagen.“
„Wieso?“ sagte sie.
„Ja,“ sagte der Fuchs, „der Jaguar hat mich hierher geschickt, damit ich bei dir und deinen beiden Töchtern schlafe.“ Das glaubte die Frau des Jaguars nicht.
„Ja, es ist wahr,“ sagte der Fuchs. „Du sollst hören, was er sagt,“ und nun rief er: „Soll ich sie alle nehmen?“
„Alle“, rief der Jaguar als Antwort.
Der Fuchs schlief nun zuerst bei der Frau des Jaguars und dann bei der ältesten Tochter und dann bei der jüngeren. Sie war noch Jungfer, und er tat ihr weh.[124] Darauf ging der Fuchs weg. Er lief im Grase, damit die Spuren nicht sichtbar wären. Er sprang auf einen langen Holzstamm. Zuletzt[S. 290] kam er an einen Pfuhl. Er tauchte unter und kam an der anderen Seite wieder herauf. Er lief, was er laufen konnte, bis er zu einem Baum mit dornigem Stamm kam. Er kroch an demselben hinauf und legte sich schlafen. „Hier will ich liegen und von der Frau und den Töchtern des Jaguars träumen, bei denen ich geschlafen habe“, sagte der Fuchs. Er legte sich hin und schlief ein.
Als der Jaguar merkte, daß der Fuchs nicht mit den Grabehölzern kam, dachte er: „Ich will doch nachsehen, was aus dem Fuchs geworden ist. Der Fuchs ist doch ein Schwindler.“
Als der Jaguar nach seinem Hause kam, sagte seine Frau zu ihm: „Wie kannst du so grausam sein und den Fuchs herschicken, daß er bei uns schlafe?“
Ergrimmt machte sich der Jaguar auf den Weg, um den Fuchs zu suchen. Er folgte seinen Spuren und kam zu dem Pfuhl, wo die Spuren des Fuchses ein Ende nahmen. Überall suchte er ihn. Schließlich verstand er, daß der Fuchs in den Pfuhl getaucht war. Der Jaguar tauchte nun auch nieder und fand die Spuren des Fuchses auf der anderen Seite. Er folgte ihnen und kam zu dem Baume. Überall um den Baum suchte er die Fortsetzung der Spuren, fand sie aber nicht. Da sah er auf und sah den Fuchs, der schlief. Er kletterte hinauf, brach vorsichtig einen Zweig ab und kitzelte den Fuchs in den Nasenlöchern. Dieser nieste, wischte sich die Nase und sagte: „Können die Moskitos mich nicht in Ruhe lassen, wo ich gerade von der Frau und den Töchtern des Jaguars träume, bei denen ich geschlafen habe!“
[S. 291]
Nun kitzelte ihn der Jaguar etwas kräftiger, und der Fuchs erwachte. Der Jaguar machte sich bereit, ihn zu packen.
Der Fuchs kroch zusammen, und da der Jaguar zögerte, ihn zu fassen, sprang er mit einem Satz zur Erde und begann zu laufen, alles was er laufen konnte. Der Jaguar verfolgte ihn. Schließlich ermattete der Fuchs jedoch, und der Jaguar fing ihn und verschluckte ihn. Der Fuchs wurde im Magen des Jaguars wieder lebendig. Dieser brach ihn aus. Der Jaguar fraß den Fuchs wieder auf, dieser wurde aber wieder in seinem Magen lebendig und wieder ausgeworfen. Wiederum fraß der Jaguar den Fuchs auf, der wieder lebendig wurde usw.
Diese Sage hat eine weite Verbreitung. In etwas verschiedener Form habe ich sie in Carmen in Mojos erzählen hören.
Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási.
Es war einmal ein großes Trinkgelage. Dort waren Aguaratunpa, Carumbe und „Taturapua“ (das Kugelgürteltier). Der kleine Sohn der Schildkröte weinte. Da man ihn fragte, warum er weine, sagte er, er wolle die Krallen des Jaguars haben, um damit zu spielen. Die Frau der Schildkröte sagte zu ihrem Manne, er solle die Krallen des Jaguars holen, damit der Kleine damit spielen könne.
Die Schildkröte machte sich auf den Weg und kam zu einem Stamm „samuo“ mit großen, scharfen Dornen. Dort blieb sie stehen und wartete auf den Jaguar. In der Entfernung hörte sie sein Brüllen. Der Jaguar kam, immer brüllend, näher und fand die Schildkröte am Fuße des Baumes.
„Was tust du hier?“ sagte der Jaguar.
„Ich spiele“, sagte die Schildkröte.
„Wie geht das zu?“ sagte der Jaguar.
„Ich klettere auf den Samuo hinauf und dann rolle ich herunter“, sagte die Schildkröte.
„Laß mich sehen“, sagte der Jaguar, der Lust hatte, die Schildkröte aufzufressen.
[S. 292]
Diese kletterte am Stamme bis zum Gipfel hinauf und rollte herab, ohne sich zu beschädigen. Dies machte dem Jaguar Spaß, und die Schildkröte mußte wieder hinaufklettern. Wieder rollte sie herunter, ohne sich zu beschädigen. Der Jaguar wollte es auch versuchen. Er kletterte hinauf und rollte herunter, riß sich aber an den Dornen alle seine Eingeweide auf und starb.
Die Schildkröte nahm die Krallen des Jaguars als Spielzeug für ihren kleinen Sohn mit nach Hause.
Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási.
Es waren zwei Mädchen, die Chinu (Kolibri) die Flöte spielen hörten. Er spielte so schön, daß eins der Mädchen sagte: „Ihn will ich zum Manne haben.“ Sie suchte den Kolibri auf und schlief bei ihm.
„Wir wollen in mein Haus gehen“, sagte der Kolibri. Als sie dorthin kamen, war es so klein, daß das Mädchen keinen Platz fand. Sie ging deshalb in ihr Dorf zurück.
Am Abend kam der Kolibri vor das Dorf und spielte Flöte, um sie zu locken. Das Mädchen lauschte und sagte: „Der Kolibri ist’s, der spielt.“ Sie ging aber nicht mehr zu ihm. Jeden Abend kam der Kolibri vor das Dorf und spielte seine schönsten Weisen, das Mädchen wollte aber nicht mit ihm gehen, der eine so kleine Hütte hatte.
Die Zecke und der Strauß wollten einen Wettlauf veranstalten, um zu sehen, wer am besten laufen konnte. Als sie zu laufen begannen, hüpfte die Zecke auf den Strauß und biß sich in den Augenwinkeln fest.
Als der Strauß eine Strecke gelaufen war, schielte er nach der Seite, um zu sehen, ob die Zecke auch mit war. Da sie in dem Augenwinkel war, sah er sie an seiner Seite.
[S. 293]
Der Strauß beeilte sich. Als er ein Stückchen gelaufen war, schielte er wieder zur Seite und sah, daß die Zecke noch an seiner Seite war.
Der Strauß lief aus Leibeskräften. Als er dem Ziele ganz nahe war, hüpfte die Zecke von dem Augenwinkel und kam als erster an.
Die Zecke hatte den Wettlauf gewonnen.
Diese kleinen Tiersagen haben eine ungeheuere Verbreitung. So finden wir die Sage von der Schildkröte und dem Jaguar beinahe unverändert in Santarem an dem Zusammenfluß des Rio Tapajo in den Amazonenstrom.[125]
Auch ähnliche Wettlaufsagen sind von der Küste Brasiliens bekannt.[125] Diese letzteren finden sich, wie bekannt, auch bei uns.
Man hat, wie schon erwähnt, nachgewiesen,[126] daß gewisse Sagen von Nordamerika und Asien bis nach Südamerika heruntergewandert sind. Da hier indessen nicht der rechte Platz zu vergleichenden Studien über die von mir gesammelten Sagen ist, habe ich mich damit begnügt, nur das Material vorzulegen.
Wie wir gesehen haben, lernen wir aus den Sagen einen Teil der religiösen Vorstellungen der Indianer verstehen. Sie sind auch aus dem Gesichtspunkt interessant, daß in ihnen eine ganze Menge kleiner Züge aus dem Leben der Indianer wiedergegeben werden. Sie geben uns einen Einblick in ihre Phantasiewelt.
Nur der Inhalt der von mir gesammelten Sagen, nicht die Form, ist als Forschungsmaterial verwendbar. Ich hoffe, daß besonders die eingeborenen südamerikanischen Ethnographen die von mir gemachten Sammlungen fortsetzen und die Sagen auch in den Originalsprachen aufzeichnen werden. Um dies zu können, ist jedoch eine vollständige[S. 294] Beherrschung derselben notwendig. Die beste Methode wäre, die Indianer diese Sagen in einen Phonographen sprechen zu lassen.
In einer der Chanésagen wird erzählt, wie Yahuéte, der zweiköpfige Jaguar, im Begriffe war, den Mond aufzufressen. Maringay nannte Yahuéte „Yahuaróhui“. Sonnen- und Mondfinsternisse erklären diese Indianer so, daß Sonne und Mond von Yahuéte angegriffen werden. Die Chorotis sprechen, wie schon erwähnt, auch von einem Raubtier, das die Sonne und den Mond anfällt.
Wandert man in einer sternklaren Nacht mit einem Indianer durch Wald und Flur, so ist der Sternhimmel sein Kompaß und seine Uhr. Er deutet auf den Orion oder auf ein anderes Sternbild hin und zeigt, wieviel es sich weiter bewegt hat, bis man ankommt.
Er gibt nicht vielen Sternbildern Namen, er kennt sie aber alle. Den dem südlichsten Kreuz am nächsten liegenden Teil der Milchstraße nennen die Chanés „yándurape“, d. h. Straußweg, das südliche Kreuz nebst einigen nahegelegenen Sternen ist „yánduinyaka“, der Kopf des Straußes, die beiden größten Sterne im Zentaur sind „yánduipoy“, Halskette des Straußes, die Venus heißt „coemilla“, Morgen, Orion mit dem Dolche „húirayúasa (Vögel begegnen sich). Ein anderes Sternbild ist „huázupucu“, Rehbockhorn, ein anderes „borévi“ Tapir. Die Plejaden nennen sie „ychu“, die Bedeutung des Namens wissen sie aber nicht, und dies ist das wichtigste Sternbild von allen.
Sitzt man mit den Indianern in der Hütte, so können sie den Platz der wichtigsten Sternbilder am Himmel bezeichnen, ohne sie zu sehen. Sie kennen ihre Lage zu allen Jahreszeiten.
Der Sternhimmel ist nicht nur die Uhr und der Kompaß der Indianer. Er ist auch ihr Kalender. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei hier, wie bei anderen Indianern, die Plejaden. Wenn sie zuerst in der Morgendämmerung am[S. 295] Horizonte sichtbar werden, so ist die geeignete Zeit für die Maissaat gekommen. Daß gerade dieses relativ unbedeutende Sternbild eine so große Rolle in der Astronomie der Indianer spielt, hat zu phantastischen Spekulationen über babylonischen Einfluß Anlaß gegeben.
Fragt man einen Indianer nach der Größe der Sterne und ihren Abstand von uns, so stehen sie unschlüssig da und antworten am liebsten gar nicht. Sie verstehen gleichwohl, daß sie weit entfernt sein müssen.
In den Sagen spielen die Sterne keine große Rolle. Der Chiriguanohäuptling Maringay erzählte jedoch, es war einmal ein Bruder, der mit seinem Schwesterchen spielte. Sie suchten sich zu haschen, sangen und sprangen. Nun sitzen sie als zwei Sterne am Himmelsgewölbe.
Zwei Sternhaufen im Süden des südlichen Himmelsgewölbes sind die Asche eines alten Mannes und einer alten Frau, sagte einmal ein Chiriguano zu mir. Es war eines Abends im August.
Die Sonne ist in der Sage ein Mann und der Mond eine Frau. Einem alten Mann, der Sonne, stahlen die Chanékinder das Feuer, und unter dem Tiru der Mondfrau verbarg sich der zweiköpfige Yahuéte, als er von dem Sohn des Gürteltiergottes verfolgt wurde.
Die Ab- und Zunahme des Mondes hing nach Maringays Erklärung davon ab, daß ein größeres oder kleineres Stück desselben in das Himmelsgewölbe gesteckt wird.
Die Sonne geht über dem Wasser auf und leuchtet uns dann am Tage. Am Abend steigt sie wieder ins Wasser, und des Abends leuchtet sie den anderen Menschen jenseits der Erde. So dachte sich Maringay den Lauf der Sonne. Ich glaube jedoch, daß er dies von den Weißen gelernt hat.
Wenn ein Meteor, „baeréndi“, niederfällt, bedeutet es den Tod eines Häuptlings. Über eine Sternschnuppe sagten die Chanés am Rio Parapiti: „Er geht, um bei seinem Mädchen zu schlafen.“ Maringay war in seiner Erklärung realistischer. „Der Stern läßt etwas fallen“, sagte der Alte.
[S. 296]
Wenn es donnert, geht Chiquéritunpa um. Die Medizinmänner, „ipáye“, können Regen machen. Wenn die Schwalben „máchurupimpi“, niedrig fliegen, regnet es, sagen die Indianer. Ein anderer Vogel, „chóncho“, verkündet Regen. Reist man, so soll man nicht einen Krug ins Wasser stecken, sondern das Wasser mit einer Kalebasse schöpfen, sonst regnet es. In einer mir von den Chanés am Rio Itiyuro erzählten Weltuntergangssage geht die Welt durch Wasser unter. Die Chanés am Rio Parapiti erzählten mir, wie die Welt durch einen Sturm untergegangen sei. Der Wind spielt sonst in den Sagen eine unbedeutende Rolle. Setzt man einen erwärmten Krug in rinnendes Wasser, so kommt Sturm, sagen die Chanés am Rio Parapiti. Der Regenbogen, „yii“, ist eine Schlange.
[92] Tocay ist eine Hütte, in welcher der Jäger verborgen liegt, um von dort Vögel mit Schlinge oder Pfeil zu fangen.
[94] Feuerzeug aus Holzstäbchen.
[95] Ein anderer Chané erzählte mir, daß der Frosch das Feuer vom schwarzen Geier gestohlen habe.
[96] Domenico del Campana: l. c. S. 22.
[97] Ehrenreich: l. c. S. 30–31.
[98] Im Thurn: Among the Indians of Guyana. London 1883, l. c. S. 375.
[99] Vgl. Domenico del Campana: l. c. S. 39.
[100] Ava = Chiriguano.
[101] Dies ist sicher ein moderner Zusatz zur Sage. Dasselbe finden wir in einer hier wiedergegebenen Matacosage.
[102] Lagostomus.
[103] Wahrscheinlich eine Carambycide.
[105] Kürbis einer wohlschmeckenden Art.
[106] Ara = Himmelsgewölbe, Weltraum.
[107] Gemildert.
[108] Huirapucu ist ein weiches Holz (Salix Humboldtiana).
[109] „Urundey“ ist rotes Quebracho oder nahestehend.
[110] Dyori wird immer als der Unersättliche geschildert. Er entspricht dem Móconomóco in den Sagen von Mojos.
[111] Eine große Wildkatze.
[112] Puma (Felix concolor).
[113] Gemildert.
[114] d’Orbigny. Voyage dans l’Amérique Méridionale. T. 3, I. Paris 1834, S. 212.
[115] = Mistol.
[117] Inómus Geschichte ist im Vorhergehenden erzählt.
[118] Ein Vogel.
[119] Wahrscheinlich Flamingo.
[120] Rio Pilcomayo.
[121] S. 139 wird der bedeutende Handel mit getrockneten Fischen, der zwischen den Stämmen betrieben wird, geschildert.
[122] Hier wird nicht gesagt, welcher Añatunpa gemeint ist.
[123] Rhamphastus.
[124] Gemildert.
[125] Vgl. Fredr. Hartt: Tortoise Myths. Rio de Janeiro 1875.
[126] Ehrenreich: l. c.
[S. 297]
Allmählich müssen alle Indianer unter den Einfluß der Weißen kommen. Das ist unvermeidlich. Mit jedem Tage vermindern sich die Gebiete, in denen sie noch unabhängig leben. Sobald ihre Gebiete erobert sind, werden sie auf die eine oder andere Weise gezwungen, für die Weißen zu arbeiten und kommen in vollständige Abhängigkeit von ihnen. In der Regel werden sie auch schlecht behandelt, ausgesogen und moralisch verdorben.
Es ist deshalb ein Glück im Unglück, daß es aufopfernde Menschen gegeben hat und gibt, die etwas getan haben und tun wollen, um den Indianern zu helfen. Diese Menschen sind die Missionare. Es läßt sich nicht leugnen, daß diese eine bedeutende zivilisatorische Arbeit unter ihnen versucht und auch vorgenommen haben. Enthusiasmus und Wille zur Aufopferung sind erforderlich, um Missionar zu werden. Seines Vergnügens wegen kann kein Mensch sein ganzes Leben in Gegenden leben, wo die Einsamkeit auf die Dauer schrecklich sein muß und wo das Leben keine Zerstreuungen oder Genüsse gewährt.
Für den Missionar ist die religiöse Bekehrungsarbeit die Hauptsache. Er will die Seelen aus der Hölle „tatahuasurenda“[127] erretten. Glücklicherweise sind die katholischen Missionare klug genug, auch ein wenig an dieses Leben zu[S. 298] denken und eine Verbesserung der materiellen Daseinsbedingungen der Indianer zu erstreben.
Der Indianer, der ein unabhängiges Leben liebt, aber mit in den Zivilisationstanz hineingezwungen wird, will kein Missionskind werden, wählt dieses aber als das geringere Übel. In der Mission steht er unter Vormunden, aber nicht unter Unterdrückern.
Als mein Freund, der Chanéindianer Batirayu, von dem ich hier mehrmals gesprochen habe, mich fragte, ob es nicht das beste sei, die Missionare zu bitten, zu den Chanés am Rio Parapiti zu kommen, dachte er sie sich als Retter von der Bedrückung der weißen Herren.
Als ich den Chiriguanohäuptling Maringay fragte, ob er nicht wolle, daß die Missionare nach seinem Dorfe kämen, wurde der Alte ganz aufgebracht und sagte mürrisch: „Ich habe wohl nichts Böses getan.“
Die größte Bedeutung der Missionare liegt darin, daß sie die Indianer von der Bedrückung und den Lastern der Weißen zu schützen suchen. Mit Freude habe ich gesehen, wie die Missionare den Branntwein, den verdammten Branntwein, in den Missionsstationen verbieten.
Ich glaube dennoch nicht an die Zukunft der Missionen. Sie scheinen mir zum Verschwinden verurteilt zu sein. In demselben Maße, wie die Indianer von den übrigen Weißen besser behandelt werden und für ihre Arbeit eine ordentliche Entschädigung erhalten, werden sie die Missionen verlassen und sich der Bevormundung der Franziskanermönche entziehen.
Immer aber werden die Missionare die Ehre haben, daß sie die Indianer wenigstens etwas vor den anderen Christen zu schützen versucht haben. Ehre haben sie auch mit den Studien, die sie über Sprache, Sitten und Gebräuche der Indianer gemacht haben, eingelegt.
In einem vorhergehenden Kapitel habe ich über die Wanderung der Indianer nach Argentinien gesprochen. Im nördlichsten[S. 299] Gebiet der Chiriguanoindianer findet noch eine andere Auswanderung statt. Sie unterscheidet sich von der ersteren u. a. dadurch, daß sie nicht freiwillig ist. Es handelt sich um die Gummigegenden im nordöstlichen Bolivia. Jeder Indianer, der nach den argentinischen Zuckerfabriken geht, weiß, daß er, wenn kein Unglück eintrifft, wieder zurückkommt. Keiner hält ihn mit Gewalt zurück. Von den Gummigegenden kommt dagegen niemals einer wieder.
Ist es wahr, sagen sie, daß dort ein Riese ist, der Menschen frißt? Ist es wahr, daß die Menschen zu Gummi gemahlen[S. 300] werden? Ist es wahr, daß das Fleisch, das in Blechbüchsen kommt, von Menschen ist? Dies sind Fragen, welche die Indianer an mich gerichtet haben.
Auf eine schamlose Weise sind die Chiriguanoindianer, besonders vom Caipipendital, nach den Gummigegenden im nördlichen Bolivia gelockt worden, wo sie als Arbeiter verkauft worden sind. Unter Bewachung bewaffneter Leute sind sie über Quatro-Ojos den Rio Mamoré heruntergebracht worden.
Über das Verhältnis der Indianer zu der Gummiindustrie habe ich jedoch bessere Gelegenheit in dem Buche zu sprechen, in welchem ich über die Studien, welche ich in den Gummigegenden selbst und unter den Indianern, die in der Nähe derselben liegen, berichten werde.[128] Ich gehe deshalb hier nicht näher auf diese Frage ein.
Die Chiriguanos und Chanés, die in ihrem eigenen Land bei der zugezogenen weißen Rasse als Diener arbeiten, sind außerordentlich schlecht bezahlt. Dies gilt besonders für abgelegene Gegenden, wo die infolge der Konkurrenz höheren Arbeitspreise in den argentinischen Zuckerfabriken nicht auf die Löhne haben zurückwirken können. Den Chanés am Rio Parapiti wird z. B. selten mehr als 20 Centavos (nicht ganz 35 Pf.) pro Tag nebst Kost bezahlt. Die Frauen verdienen ungefähr halb soviel. Der Verdienst wird den Indianern teils in Branntwein und Zucker, teils in Zeug und Werkzeug ausbezahlt. Das Zeug ist so schlecht, daß ein Hemd aus einem solchen Stoff nicht viel länger reicht, als die Zeit, die zum Verdienen desselben gebraucht wird. Infolge dieses Systems fangen auch die Chanés und Chiriguanos an, wie ihre Stammfreunde in den Gummigegenden im nordöstlichen Bolivia, der Schuldsklaverei zu verfallen.
[S. 301]
Zu hoffen ist, daß die vom Ingenieur Herrmann in Gang gesetzten großen Anlagen in San Franzisko am Rio Pilcomayo die indianischen Lohnverhältnisse im allgemeinen verbessern werden. Bezahlt er besser als andere, so kommen alle Indianer zu ihm, und die übrigen Arbeitgeber müssen die Löhne erhöhen.
Die Chiriguanos und Chanés sind somit auf dem besten Wege, in den alles andere als glücklichen Kampf zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hineinzugeraten.
Die bolivianische Regierung sollte dafür sorgen, daß die Felder der Indianer ins Grundbuch eingetragen werden, damit die Weißen sich nicht ihrer bemächtigen können. Die Regierung müßte auch die Bedingung aufstellen, daß kein Indianer sein Land verkaufen darf. Auf diese Weise würde die Regierung den Indianern das Besitzrecht am Lande, aber nicht das Eigentumsrecht an demselben zusichern.
[S. 302]
Die Unsicherheit und die gedrückten Lohnverhältnisse, unter denen diese Indianer leben, tragen natürlich zur Auswanderung nach Argentinien und vor allem dazu bei, daß viele Indianer das Land nicht nur als Saisonarbeiter, sondern für immer verlassen.
Will die bolivianische Regierung etwas für die Indianer tun, so muß sie in erster Reihe ein Mittel gegen das schlimmste Übel, und zwar den Alkoholismus, zu finden suchen. Zwischen Maisbier- und Branntweintrinken ist nämlich ein ungeheurer Unterschied.
Ein Indianer, der sich in einheimischen Getränken betrunken hat, ist niemals so auf Streit und Schlägerei erpicht, wie derjenige, der von der Höllensuppe der Weißen gekostet hat. Außer daß der Branntwein die Moral und Gesundheit der Indianer schädigt, ruiniert er sie vollständig. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie ein Indianer für ein Fäßchen Branntwein seine beste Kuh hergeben kann.
Die Brennerei für den eigenen Bedarf ist in Bolivia noch gestattet. Sie müßte verboten werden, ebenso, daß jeder an beliebiger Stelle Alkohol verkaufen darf.
Ganz unvernünftig ist das bolivianische Militärgesetz, das die Indianer zwingt, Militärdienst zu verrichten. Dasselbe kommt zwar sehr selten zur Anwendung, wenn es aber geschieht, und wenn die Behörde einen Jüngling zum Militärdienst abholt, ist er selbst und alle anderen Indianer in der Gegend mit ihm außer sich vor Schreck. Man kann nicht verlangen, daß die Indianer an der Verteidigung des Vaterlandes teilnehmen, bevor sie dieselben Rechte wie andere Bürger haben und wissen, welches ihr Vaterland ist.
Es ist unrecht, zu verlangen, daß sie helfen sollen, Bolivia zu verteidigen, die Weißen zu verteidigen, die ihnen, ihren Begriffen nach, ihr Land gestohlen haben. Auch die Chiriguanos und Chanés lieben ihr Land, aber dieses Vaterland sind nur die Täler und Wälder, in denen ihre Väter gerodet und ihre Mütter Tongefäße für die Feste gemalt haben.
Während der Entwicklungsperiode, die Bolivia jetzt durchmacht,[S. 303] ist es wichtig, sich die indianische Arbeitskraft auch hier im Lande der Chané- und Chiriguanoindianer zunutze zu machen.
Trotz ihrer eigenartigen Kultur setze ich keine großen Hoffnungen auf die Zukunft der Chiriguano- und Chanéindianer. Sie werden indessen als ein wichtiges Element der Mestizenrasse einverleibt werden, die in Zukunft allein über die Trockenwälder des Parapititales und die letzten Ausläufer der Anden nach El Gran Chaco herrschen wird.
Allmählich vergessen sie wohl ihre Sagen von Tatutunpa und Aguaratunpa und den anderen Göttern.
Die Nachkommen Maringays, Vocapoys und der anderen werden dann vielleicht studieren, was über ihre Vorväter in diesem Buche geschrieben ist, das in einem Lande gedruckt ist, wo der Mais nicht reift und die Palmen nur unter Glas wachsen. Sie werden vielleicht nach Norden fliegen, um die Schmucksachen zu sehen, mit denen die Alten bekleidet waren, und die schöngemalten Trinkgefäße, in welchen ihre Stammütter das Maisbier zu den Festen gereicht haben.
[127] Tatahuasurenda = wo das große Feuer ist. Guaraniwort, von den Missionaren erfunden.
[128] Ist unter dem Titel „Indianer och hvita i nordöstra Bolivia“, Stockholm 1911, auf Schwedisch erschienen.
[S. 304]
Hier habe ich zwei verschiedene indianische Kulturen geschildert, teils eine, die wir bei den noch ursprünglichen Chorotis und Ashluslays kennen gelernt haben, teils eine, die wir am Fuße der Anden bei den halbzivilisierten Chanés und Chiriguanos angetroffen haben. Die Indianer, über die ich hier berichten will, sind dadurch bemerkenswert, daß sie die materielle Kultur der ersteren und die Sprache der letzteren (Guarani) haben.
Ende Juli 1908 verweilte ich über eine Woche bei dem Tapietehäuptling Yaré am Rio Pilcomayo, und im August desselben Jahres besuchte ich ihre wilden, unzuverlässigen Stammfreunde am Rio Parapiti, welche dort Yanayguas genannt werden.
Dieser letztere Besuch war recht abenteuerlich.
Mit Isiporenda am Rio Parapiti als Ausgangspunkt, hatte ich mit einem Chiriguanoindianer als Dolmetscher ein kleines Yanayguadorf besucht, aus dem die Indianer zu kommen pflegten, um bei den Chanés und manchmal auch bei den Weißen Arbeit zu suchen. Dort hörte ich von einem großen Yanayguadorf, das verborgen im Walde liegen sollte. Ein Yanaygua wurde zu diesen Indianern mit einer Einladung geschickt, mich zu besuchen. Am folgenden Tage kam er mit der Antwort. Sie lautete: „Haben die weißen Männer uns etwas zu sagen, so mögen sie zu uns kommen.“ Sie selbst wollten nicht zu dem weißen Mann kommen, der sie[S. 305] möglicherweise fangen und nach den Gummigegenden verkaufen wollte.
Ich entschloß mich sofort für die Visite. Meine schwedischen Begleiter waren natürlich sofort zu dem Abenteuer bereit, und der Dolmetscher, der die Segnungen der Zivilisation durch die Mission kennen gelernt hatte, wurde durch eine Geldsumme mutig gemacht. Mit einem Yanaygua als Wegweiser machten wir uns auf. Über die blendend weißen Sandfelder des ausgetrockneten Rio Parapiti und auf Indianerpfaden reitend, die uns über große Dünen und durch trockene Gebüsche und Wälder führten, kamen wir nach dem Dorf.
Es lag auf einem Hügel in einem Kesseltal. Der Platz war gut gewählt, da das Dorf schwerlich von den Feinden der Yanayguaindianer, den Tsirakuaindianern, überfallen werden konnte, ohne daß die Einwohner Zeit hatten, sich auf die Verteidigung vorzubereiten. Als wir uns dem Dorfe näherten, tauchten überall bewaffnete Leute, wie aus dem Boden hervorgezaubert, auf. Seine Gäste mit Waffen in der Hand empfangen, hielt ich für etwas unhöflich, ich entschuldige aber das Mißtrauen dieser Indianer gegen die Weißen. Vor einigen Jahren waren andere Weiße, wie ich, mit Geschenken gekommen und hatten mehrere Männer in einen Hinterhalt gelockt. Diese wurden gebunden nach Santa Cruz de la Sierra gebracht, um nach den Gummigegenden verkauft zu werden, aber schließlich durch die Vermittlung einiger humaner Leute freigelassen.
Ohne auf die Waffen zu blicken und tuend, als würden wir auf die liebenswürdigste Weise empfangen, ritten wir mitten in das Dorf hinein und fragten nach dem Häuptling. Ein Herr in mittleren Jahren, mit einem Schurkengesicht und einem Streitkolben in der Hand, kam zu uns hin und erhielt sofort ein Waldmesser zum Geschenk. Andere Geschenke wurden ausgeteilt, und das Ganze schien sich auf die freundschaftlichste Weise zu entwickeln. Man bot uns Holzklötze zum Sitzen an, und ich packte bunte Halstücher, Messer, rote und grüne Bänder, Nähnadeln, Mundharmonikas[S. 306] und vieles andere aus den Satteltaschen aus und begann einen lebhaften Tauschhandel.
An einem der Lagerfeuer saß eine einsame, verschüchterte Frau. Sie war eine Kriegsgefangene von dem letzten Kriege der Yanayguas mit den Tsirakuas.
Diese letzteren hatten eine Yanayguafrau und deren Kind getötet, welchen Mord die Yanayguas bei der ersten Gelegenheit zu rächen beschlossen. Eines Tages befanden sie sich auf einer Wanderung in der Wildnis, um wilde Früchte zu suchen, als sie Spuren von Menschen sahen. Infolge der eigentümlichen Abdrücke der großen viereckigen Sandalen (Abb. 138) verstanden sie, daß die Spuren von den Tsirakuaindianern herrührten. Sie folgten ihnen und kamen in deren Dörfer. Die Tsirakuas wurden sie jedoch gewahr und konnten fliehen. Die Yanayguas folgten den Spuren und spürten am Abend ihr Lager auf. Sie zogen sich jedoch zurück und fielen sie in der allerfrühesten Morgendämmerung an. Der Überfall kam dem Feinde unvermutet, und er suchte seine Rettung in wilder Flucht. Ein Tsirakuamann wurde getötet und zwei verwundet. Zwei Frauen und sechs Kinder, sowie alles, was sie von der Habe der Indianer mitschleppen konnten, wurden die Beute der Sieger.
Mit Ausnahme der Gefangenen übernahm ich die Kriegsbeute. Es war eine bemerkenswerte Sammlung von Grabkeulen, Wurfkeulen, primitiven Werkzeugen, Mänteln aus Bast usw. Eine der gefangenen Frauen (Abb. 134) verkauften die Yanayguas für vierzehn (14) Pesos in schlechtem Branntwein, ungereinigtem Zucker und Sirup an die Weißen.
Diese arme Frau hat mir in einer Sprache, von der ich nicht die Worte, aber doch beinahe alles verstand, ihre Leiden erzählt. Sie erzählte von ihren Kindern, die nun mutterlos in der Wildnis waren. Sie lehrte mich auch etwas von ihrer Sprache.
Mit der Sammlung beladen, verließen wir die Yanayguas mit dem gegenseitigen Versprechen, uns wieder zu treffen. Ich glaubte, die Freundschaft sei fest gegründet. Am Abend[S. 307] desselben Tages, an dem wir bei ihnen waren, zündeten die Yanayguas gleichwohl ihr Dorf an und zogen sich in die Wildnisse des Chacos zurück, da sie von vielleicht dem einzigen Indianerfreund, den sie unter den Weißen kennen gelernt hatten, Verrat fürchteten.
Ein Jahr darauf besuchte ich, wie erwähnt, wieder den Rio Parapiti. Von dem ganzen Yanayguastamm war keine[S. 308] Spur vorhanden. Sie waren nach Gegenden verschwunden, in die der Weiße niemals dringt, aus Furcht, vor Durst umzukommen, da er die wenigen Wasserstellen nicht kennt.
Die Tsirakuafrau traf ich dagegen bei dem Priester in Charagua, einem Dorfe der Weißen, wohin sie nebst einem kleinen beinahe einjährigen Knaben, den sie während der Gefangenschaft geboren hatte, verkauft worden war. Wir waren richtig gute Freunde, die häßliche Alte und ich. Ich kam zu ihr mit Zucker und Kuchen, und sie zeigte mir mit Stolz und Freude ihren kleinen Jungen, ihren Trost in der Einsamkeit unter den Weißen.
So zog ich weiter.
Der letzte, der sie sah, war Moberg. Eines Tages, als er auf der Dorfstraße ging, traf er eine in Lumpen gehüllte, verzweifelte, verweinte Frau, die ihn am Arm packte und von Haus zu Haus zog, damit er ihr helfe, ihren kleinen Knaben zu finden. Die „Wildin“ aus den Urwäldern des Chacos verstand instinktmäßig, daß dieser blonde Mann mehr Herz hatte, als die anderen Weißen.
Den Knaben hatte der Priester verschenkt oder verkauft, diese arme Frau von allem, dem einzigen, was sie in der Welt besaß, trennend.
Da sie ihr Kind nicht fand, entfloh sie in die Wälder. Ich hoffe, wage es aber nicht zu glauben, daß es ihr gelungen ist, die Ihrigen zu finden, und nicht von den Todfeinden ihres Stammes, den Yanayguaindianern, wieder eingefangen worden ist.
Der Besuch beim Tapietehäuptling Yaré in Yuquirenda am Rio Pilcomayo, verlief dagegen ganz friedlich. Wir wurden richtig gute Freunde, ja so gute Freunde, daß Yaré, nachdem ich das Dorf verlassen hatte, über 100 km ging, um mich zu treffen und mir die Übergriffe der Weißen zu berichten. Yaré bildete sich nämlich ein, ich sei ein mächtiger Mann unter den Weißen.
Was konnte ich für ihn tun? Ich schrieb einen Brief an den Gouverneur im Chaco, Dr. L. Trigo, der den Indianern[S. 309] helfen wollte und auch konnte. Der Brief kam niemals an.
Als ich in Yarés Dorf war, kam eines Tages ein alter, schwacher Tapiete und seine blinde Frau, beide gehegt und gepflegt von einer keineswegs schönen oder jungen Tochter, aus dem Innern des Chacos. Der Greis war krank und die Frauen waren um ihn beschäftigt.
Man holte auch den weißen Mann, der auch den Ärzten ins Handwerk zu pfuschen pflegte, aber schwere Fälle nicht liebte. Wenn ein gebrechlicher Greis am Rande des Grabes steht, ist für einen Arzt nicht viel zu tun, und noch weniger für einen Mann, der von der Heilkunde nichts versteht. Trotz meiner und der Frauen Anstrengung starb der Alte.
Grenzenlos war die Trauer der Frauen, und auch die Männer weinten. Klageschreie ertönten im ganzen Dorfe. „Mein Freund ist tot, mein Freund ist tot“, schrie und sang die blinde Frau. Ihre Trauer, wenn auch affektiert maßlos in ihren wilden Ausbrüchen, machte auf mich den Eindruck der Echtheit.
Die Frauen kleideten den Alten ein. Er wurde in seine besten Lumpen gehüllt und erhielt Sandalen an die Füße. Die Knie wurden ihm bis ans Kinn hinaufgezogen, die Arme kreuzweise über die Brust gelegt und der Kopf abwärts gebogen. So zusammengebogen, wurde er in ein großes Tragnetz gesteckt, das fest um seinen Körper gezogen wurde.
Nun sollte der Alte begraben werden. Seine Frau und Tochter wollten ihn in der Hütte begraben, Yaré sagte aber, er solle in den Wald getragen werden. Weinend versuchte die blinde Witwe ihrem Manne mit den Händen eine Grube in der Hütte zu graben, der Häuptling war aber unbeweglich. Er und noch ein Mann hängten das Bündel mit dem Mann an eine lange Stange, die sie zwischen sich trugen, um ihn in den Wald zu bringen. Außer diesen beiden bestand der Leichenzug nur aus der Tochter, die ihre blinde Mutter nach dem Grabe des Alten führte.
Erst wollte ich mitgehen, dann aber zauderte ich. Der[S. 310] Mensch in mir gewann die Oberhand über den neugierigen Forscher. Ich fühlte, daß ich diese Frauen nicht in ihrer Trauer stören dürfe, daß ich nicht das Recht hatte, mit dem Photographieapparat angelaufen zu kommen.
Von Yaré hörte ich später, daß der Alte mit einer Kalebasse Wasser im Schoß in eine runde Grube gelegt worden war. Kein Grabzeichen zeigt, wo er liegt.
Sobald der Alte gestorben war, schnitten Tochter und Frau die Haare ab und verbrannten sie zum Zeichen ihrer Trauer.
Nach dem Tode des Alten herrschte Trübseligkeit im Tapietedorf. Beständig, besonders des Morgens, hörte man die laute Klage der Frauen, an der auch die Männer teilnahmen.
Wir können sicher sein, daß es auch unter diesen Menschen Männer und Frauen gibt, die Hand in Hand durchs Leben gewandert sind, die sich geliebt haben.
Dies war das einzige Mal, daß ich einen Indianer habe sterben sehen.
Die Tapietes sprechen dieselbe Sprache wie die Chiriguanos, nämlich Guarani. Im vorhergehenden habe ich berichtet, wie auch die Chanés, obschon anderen Ursprungs als die Chiriguanos, deren Sprache angenommen haben.
Ein Chiriguano, der lange bei den Tapietes gewesen ist, behauptete mit Bestimmtheit, daß sie unter sich eine andere Sprache sprechen, die er nicht verstand. Diese Spuren habe ich auf mehrfache Weise zu verfolgen gesucht. Der Tapietehäuptling Yaré beteuerte jedoch, daß dies nicht wahr sei.
Am Rio Parapiti suchte ich in Batirayus Gesellschaft einen Chané, Batcha, auf, der ungefähr ein Jahr mit den Tapietes gelebt hat. Er sagte ebenfalls, er habe sie niemals eine eigene Sprache sprechen hören. Was die Weißen für eine Geheimsprache hielten, sei Choroti, das einige von ihnen sprechen könnten. In der Zeit, die ich bei den Tapietes verlebt[S. 311] habe, habe ich sie nie etwas anderes als Guarani sprechen hören.
Wir kennen somit von ihnen keine andere Sprache, als diese.
Kulturell gehören die Tapietes eher zu den Matacos, Chorotis und Tobas, als zu den Chiriguanos. Dies ist besonders für die wilden Tapietes (Yanayguas) der Fall.
Die Tapietes scheinen mir deshalb ein zur Mataco-Chorotigruppe gehöriger Stamm zu sein, der die Chiriguanosprache angenommen hat, obschon sie ihre eigene Kultur bewahrt haben.
Das Land der Tapietes ist ein gewaltiges Gebiet, das sich vom Rio Pilcomayo bis zum Rio Parapiti und tief in den großen, unbekannten nördlichen Chaco hinein erstreckt. Es ist ein Land, das zeitweise so trocken ist, daß die dort Lebenden kein anderes Wasser haben, als das, das sie aus der Wurzel des „sipoy“ bekommen können. Den Weißen ist es deshalb nicht gelungen, das Land der Tapietes zu erforschen. Diese haben das Glück, ein Gebiet zu besitzen, das den Eroberer nicht hat locken können. Die Schwierigkeit, Nahrung zu finden, und das Eisen der Weißen hat sie jedoch aus ihren Wildnissen herausgelockt und zur Abhängigkeit geführt.
Zuweilen sind sie auch gekommen, um bei den Chiriguanos und Chanés zu dienen. Der Hunger hat sie getrieben. Es ist somit nichts Ungewöhnliches, daß die Tapietes mit Kindern, Hab und Gut, Hunden und Schmutz angewandert kommen und sich in der Nähe eines Chiriguano- oder Chanédorfes niederlassen. Sie müssen dort alle mögliche Arbeit verrichten und werden in Mais bezahlt. Diese Art des Wanderns ist ganz verschieden von der der Chiriguanos und Chanés, stimmt aber mit den Sitten und Gebräuchen der Matacos, Chorotis und Tobas überein.
In dem indianischen Gemeinwesen gibt es keine Diener, habe ich gesagt. Der Häuptling arbeitet ebenso wie die anderen des Stammes. Wir sehen jedoch hier wieder, daß[S. 312] Indianer des einen Stammes bei Indianern eines anderen Stammes dienen können. Die verschiedene Entwicklungsart der Stämme ist hier der Grund eines sehr scharfen Klassenunterschiedes. Daß ein Chiriguano einem Tapiete dienen könnte, wäre unsinnig, lächerlich, ebenso unmöglich, als wenn ein Chiriguanomädchen die Geliebte eines schmutzigen Choroti sein würde. Dies hindert jedoch nicht, daß, wie ich gesagt habe, ein Chiriguano sich mit einem hübschen Chorotimädchen amüsiert. Zur Frau nimmt er sie nicht, das wäre allzu idiotisch.
Innerhalb der Stämme herrscht somit kein Klassenunterschied, zwischen den einzelnen Stämmen kann er dagegen äußerst scharf sein.
Die Kultur der Tapietes kann ich hier nicht schildern. Das wäre ungefähr eine Wiederholung des über die Chorotis und Ashluslays Gesagten.[129] Von den Chiriguanos haben ihre Männer den Gebrauch des Lippenknopfes, der Tembeta, angenommen. Ihre Weiber sind beinahe wie die Chorotis tätowiert.
Bevor ich diese Indianer verlasse, will ich jedoch einige ihrer Sagen sowie einige Zeichen ihrer Taubstummensprache wiedergeben.
Es war einmal eine Frau, die hatte „huirakuio“ gegessen. Es wird erzählt, daß sie zwei kleine Klöße aufgespart hatte. Am nächsten Tage, als sie essen wollte und hinging, um sie zu holen, hatten sie sich in kleine Papageien verwandelt. Nach zwei Tagen hatten diese Flügel. Nach fünf Tagen konnten sie fliegen und waren gegangen, um Nahrung zu suchen. Sie hatten Mais gefunden und vier Körner geholt, die sie ihrer Frau gaben. Sie sagten, sie solle dieselben säen. Am folgenden Tage waren sie wieder gegangen, um von[S. 313] diesem Mais zu fressen und waren mit schmutzigem Schnabel zurückgekehrt. Am folgenden Tage hatten sie von dem Mais gegessen, den die Alte gesäet hatte. Sie kamen und sagten zu ihrer Frau, sie solle den Mais holen. Sie waren mit vier Maiskolben zurückgekehrt und hatten jedem von der Familie einen gegeben. Darauf waren sie einen Augenblick ausgegangen und wieder hineingekommen. Es war dort viel Mais, ein ganzer Haufe.
Seitdem haben die Tapietes Mais.
Es war einmal eine alte Tapietefrau, die hatte zwei ganz kleine junge Hunde. Alles hatte sie gegessen. Sie hatte nichts. Sie hatte einen Poncho aus Gras.
Es wird erzählt, Tunpa sei zur Alten gekommen und habe gesagt: „Ich will deine jungen Hunde mitnehmen, und ich komme zurück.“
Nach drei Tagen kam er mit den Hunden, die trächtig waren, zurück. Er sagte zur Frau, sie solle zehn Stöcke in eine Reihe stellen und die Hunde anbinden. In der Nacht verwandelten sich diese in zehn Schafe, die an die Stöcke gebunden waren. Tunpa sagte, sie solle Ponchos machen, und die Alte machte eine Spindel.
Es wird auch erzählt, daß Tunpa gegangen sei, um für die Frau Gesellschaft zu suchen. Er kam mit einem Mädchen und einem Knaben. Als diese groß waren, verheirateten sie sich. Die Frau gebar einen Knaben und danach ein Mädchen. Diese verheirateten sich wieder und bekamen Kinder, die sich wieder miteinander verheirateten.
Von diesen stammen alle Tapietes.
Der schwarze Geier hatte Feuer, das er durch den Blitz vom Himmel (ára) bekommen hatte. Die Tapietes hatten kein Feuer. Ein kleiner Vogel, „cáca“, stahl ihnen Feuer, es erlosch aber. Sie hatten kein Feuer, um das Fleisch des[S. 314] Wildschweines, des Rehbocks und anderer Tiere zu braten. Sie froren sehr.
Der Frosch empfand Mitleid mit ihnen. Er ging zu dem Feuer des schwarzen Geiers und setzte sich dorthin. Als der schwarze Geier sich gerade wärmte, nahm der Frosch zwei Funken und verbarg sie im Munde. Darauf hüpfte er davon und machte dann den Tapietes ein Feuer an. Seit dieser Zeit haben die Tapietes Feuer.
Das Feuer des schwarzen Geiers erlosch. Der Frosch hatte alles gestohlen. Die Hände über den Kopf setzte sich der schwarze Geier hin und weinte. Alle Vögel sammelten sich nun, um zu verhindern, daß jemand dem schwarzen Geier Feuer gab.
Die Alten hatten Zähne aus Silber. Wenn sie aßen, verschluckten sie Knochen, Fleisch und alles. Sie gaben ihren Hunden nichts zu fressen. Dies machte, daß Tunpa Mitleid mit den Hunden empfand. Er gab deshalb den Menschen Samen von Zapallo (Kürbis). Sie aßen Kürbisse und ihre Zähne verwandelten sich in Knochen.
Von dieser Zeit an bekamen die Hunde Essen und die Menschen Zahnschmerzen.
Diese Sagen von den Tapietes sind Kulturmythen. Wir erfahren hier, wie diese Indianer das Feuer, ihre zwei wichtigsten Kulturpflanzen, den Mais und den Kürbis, sowie ihr nunmehr unentbehrliches Haustier, das Schaf, erhalten haben.
Die letztere Sage ist natürlich ganz modern, da die Tapietes die Schafe erst durch die Weißen erhalten haben. Es erscheint mir nicht unmöglich, daß mehrere der Kulturmythen viel moderner sein können, als man im allgemeinen glaubt. Denken wir uns z. B., daß ein Stamm keinen Mais gehabt hat, weil sie Mißernte gehabt hatten und vielleicht aus Hunger gezwungen gewesen waren, aufzuessen, was sie zur nächsten Saat aufbewahrt hatten. Sie müssen da versuchen, neue[S. 315] Saat zu bekommen und werden vielleicht gezwungen, sie einem anderen feindlichen Stamm zu stehlen. Dieses wahrscheinlich gefährliche Abenteuer gibt Veranlassung zu einer Kulturmythe, in welcher, wie immer in der Phantasie der Indianer, die Tiere eine große Rolle spielen.
Wenn ein Indianer erzählt, so verdeutlicht er die Rede mit Händen und Füßen. Maße und fast immer Zahlen werden durch Zeichen ausgedrückt. Soll er z. B. acht sagen, so tut er dies, indem er acht Finger zeigt. Er hat keine Worte, die Maße bezeichnen, er mißt das Maß mit der Hand oder mit dem Arm. Erzählt er von Tieren, so schildert er die Bewegungen des Tieres äußerst lebhaft durch Gebärden. Er ahmt sie mit der scharfen Beobachtungsgabe des Naturmenschen nach.
Oftmals ist es mir, wenn ich keinen Dolmetscher hatte, mit wenigen Worten und zahlreichen Zeichen, gelungen, mit meinen Freunden, den Indianern, eine recht lebhafte Unterhaltung zu führen.
Unter den Indianern gibt es jedoch, wie bei uns, Personen, die, da sie taub geboren sind, sich nur durch Zeichen verständigen können. Vollständig Taubstumme habe ich bei zwei Stämmen, den Tapietes am Rio Pilcomayo und den Yuracáre am Rio Chimoré, kennen gelernt. Unter den zivilisierten Indianern habe ich ebenfalls einige Taubstumme getroffen.
Bei den Tapietes lernte ich einen taubstummen Greis kennen, der intelligent war und gut behandelt wurde. Alle verstanden die Zeichensprache, die er sprach. Unter den Yuracáres sah ich drei taubstumme Frauen, eine Mutter mit ihren beiden Töchtern. Bei dem letzteren Stamme sollen mehrere Taubstumme vorkommen.
Sämtliche Tapietes konnten mit dem Tauben sprechen. Die für Mitteilungen an ihn angewendete Zeichensprache,[S. 316] benutzen auch diejenigen, die normales Sprechvermögen haben, unter sich, wenn sie sich in der Entfernung stillschweigend etwas mitteilen wollen.
Im Vergleich zu den der ärmeren Klasse angehörenden taubstummen Weißen in Ostbolivia scheinen mir ihre indianischen Unglücksbrüder entwickelter und, infolge des[S. 317] Interesses und der Freundlichkeit, die ihnen von der Umgebung gezeigt wurde, glücklicher.
Bei den Tapietes (Yanaygua) am Rio Parapiti war ein Knabe, der vom Rio Pilcomayo war. Ich fragte ihn, ob er Yaré kenne, er tat aber, als kenne er ihn nicht. Da machte ich ihm Zeichen, wie ich sie von dem Taubstummen im Dorfe Yarés gelernt hatte. Der Junge begann zu lachen und wurde ganz mitteilsam. Das mußte ein komischer Weißer sein, der die Zeichensprache wie ein Tapiete konnte.
Die meisten Zeichen der Taubstummen sind rein beschreibend. Einige sind gleichwohl konventionell und von Außenstehenden schwer zu verstehen. Die Lehrer des Taubstummen sind seine Umgebung, seine Mutter, sein Vater, seine Spielkameraden.
Hier unten sind einige von mir bei den Tapietes gesammelte Taubstummenzeichen wiedergegeben.
Pferd — man streicht sich mit der rechten Hand, dem Daumen und dem Zeigefinger von der Oberlippe über die Mundwinkel und macht den Mund auf (Abb. 135 A).
Katze — man zieht sich am Schnurrbart (die Tapietes haben in der Regel einen kleinen Schnurrbart), d. h. den Schnurrhaaren, und macht eine krallenförmige Bewegung mit der Hand in Katzenhöhe über dem Fußboden.
Jaguar — man streckt beide Hände krallenförmig nach vorn und zieht sie geschwind zurück (Abb. 135 B).
Puma — man macht wie im Vorhergegangenen und streicht sich außerdem mit der rechten flachen Hand hin und her über den Mund.
Fisch — die rechte Hand macht eine den schwimmenden Fisch imitierende Bewegung (Abb. 135 C).
Feuer — man führt den Zeigefinger an den Mund und bläst (Abb. 135 D).
Sonne — man macht dieselbe Bewegung wie bei Feuer und zeigt nach oben.
Mond — man macht eine schmatzende Bewegung mit dem Mund und zeigt nach dem Himmelsgewölbe.
[S. 318]
Stern — man macht mit Daumen und Zeigefinger ein Loch (Abb. 135 E) und zeigt kreuz und quer am Himmelsgewölbe.
Wasser — man streicht sich mit der flachen Hand über das Gesicht und macht eine trinkende Bewegung.
Gut, schön — man streicht die rechte flache Hand über die linke flache Hand (Abb. 135 F).
Schlecht — man schlägt mit der rechten Faust auf die linke flache Hand (Abb. 135 G). Die Bewegung wird in gleicher Höhe mit dem Gesicht gemacht.
Kalebaßschale — man bildet mit den Händen eine Kalebaßschale.
Tragtasche — die Hände werden über den Kopf erhoben und über die Seiten des Kopfes gestrichen (Abb. 135 H).
[S. 319]
Krug — man bildet mit der Hand eine Krugmündung über dem Boden (Krughöhe) und macht dann eine trinkende Bewegung.
Poncho — man streicht sich mit beiden Händen über die Schultern am Körper herunter.
Weg — man streckt die Arme und Hände gerade aus und führt sie parallel aufwärts.
Weit — man streckt den Arm aus und knipst schnell mit Daumen und Zeigefinger (Abb. 136 I).
Nahe — man zeigt mit dem Zeigefinger nach vorn und unten.
[S. 320]
Er ist gegangen — man streckt den Zeigefinger aufwärts und führt den Arm weg und nach oben (Abb. 136 J).
Komm her — man hält die Hand ganz offen und führt den gekrümmten Arm zu sich hin (Abb. 136 K).
Fischnetz — man bildet mit beiden Armen das ovale Netz (Abb. 137 L).
Mais — man macht dieselbe Bewegung, als ob man den Mais abgriest (Abb. 137 M).
Auge — man zeigt auf das Auge. Auf dieselbe Weise werden alle anderen Körperteile ausgedrückt.
Freund — man klopft sich auf die Brust und zeigt auf den Freund hin.
Mataco — man schlägt mit dem rechten Zeigefinger in die linke flache Hand (Abb. 137 N). Die Ursache, warum die Matacos auf diese Weise bezeichnet werden, ist die, daß die Tongefäßtrommel für sie so außerordentlich charakteristisch ist. Der Zeigefinger ist der Trommelstock und die Hand die Trommel.
Choroti — man zeigt auf die Ohrläppchen. In diesen tragen die Chorotis, wie erwähnt, Holzklötze.
Weißer Mann — man formt mit den Händen einen Hut und einen Bart.
Tanzen — man führt die Arme kreuzweise vor den unteren Teil des Magens.
Tod — man wendet die flache Hand schnell nach oben.
Frau — man zeigt auf die Brust, alle Finger auf die Brust stellend (Abb. 137 O).
Missionar — man macht mit der Hand eine Tonsur auf dem Kopf.
Mutter — man klopft sich auf die Brust und macht dabei dieselbe Bewegung, als wenn man eine Frau bezeichnet.
Caraguatá — man dreht die eine Hand über die andere (Abb. 137 P).
Algarrobo — man legt die Hand auf den Mund und saugt (Abb. 137 R).
[S. 321]
Messer — man führt die Hände vorwärts (Abb. 137 S) und sticht nach dem Gürtel.
Tunpa (großer Geist) — man hält die Arme in die Seiten und zittert.
Hübsches Mädchen — man macht das Zeichen für Frau und für hübsch.
Seele, Geist (aña) — man öffnet den Mund und macht eine speiende Bewegung nach vorn.
Wenn ich die Quichuaindianer auf dem Calileguaberge, bei denen wir einen flüchtigen Besuch abgelegt haben, ausnehme, haben wir in diesem Buche zwei Indianerkulturen kennen gelernt, eine ursprünglichere bei den Chorotis und Ashluslays, eine entwickeltere bei den Chiriguanos und Chanés. Zu den ersteren gehören auch die Matacos und Tobas, welche hier nur flüchtig erwähnt sind. Wo diese beiden Indianerkulturen sich treffen, haben wir eine Mischung beider, ein Kontaktvolk. So müssen wir, meiner Ansicht nach, die Tapietes auffassen. Sie sind diejenigen von den Chacostämmen, die den Chiriguanos am nächsten gewohnt und deshalb den meisten Einfluß von ihnen erfahren haben.
Bevor ich mein Buch abschließe, will ich auch über das wenige, das ich von den Tsirakuaindianern weiß, die wir als Gefangene der Tapietes kennen gelernt haben, berichten. Es ist ein Blick in das große Unbekannte, in den nördlichen Chaco, wo noch ein großer, weißer Fleck auf der Karte Südamerikas ist.
[129] Vgl. auch: Erland Nordenskiöld. Globus 1910. Bd. 98 S. 181.
[S. 322]
Bei den wilden Tapietes am Rio Parapiti machte ich, wie schon erwähnt, die Bekanntschaft von Gefangenen eines Stammes, der in den unbekannten, wasserarmen Buschfeldern des nördlichen Chaco umherstreift. Die Tapietes nennen diese Indianer nach ihren eigentümlichen Streitkolben und Grabekeulen (Abb. 139) Tsirakuas. Die Weißen nennen sie Empelotos, was nackt bedeutet, die Chanés sagen Tsirióno. Mit den in den Urwäldern nördlich und östlich von Santa Cruz de la Sierra wohnenden Sirionos haben sie indessen nichts Gemeinsames. Die Tsirakuas gehören dem Trockenwald, die Sirionos dem finsteren, üppigen Hochwald an.
Die Tsirakuas werden von allen verfolgt. Die Weißen schießen sie nieder, wo sie sie treffen. Wenn möglich, rauben sie die Kinder von den Eltern, um sie taufen zu lassen und dann zu verkaufen. Die Chanés behandeln sie ebenso wie die Weißen. Die Tapietes in gleicher Weise.
Ihnen selbst ist es zuweilen gelungen, sich zu rächen. Am Rio Grande ermordeten sie vor einigen Jahren einige Kinder. Schlafende Landreisende sind des Nachts zwischen dem Rio Parapiti und dem Rio Grande überfallen worden. Wahrscheinlich sind es die Tsirakuas, die manchmal die von der Saline de San José Salz Holenden überfallen haben.
Die Tsirakuas, die ich gesehen habe, waren vier Kinder und zwei Frauen. Sie schienen mir ein ungewöhnlich breites Gesicht mit hervorstehenden Backenknochen zu haben. Die Kinder waren auf der Stirn bis zu den Augenbrauen stark[S. 323] behaart. Auch auf dem Körper hatten sie viel Haare. Die beiden Frauen waren im Verhältnis zu anderen Chacoindianern von normaler Größe.
Nach dem, was ich gesehen und erfahren habe, scheinen sich die Tsirakuas nicht zu tätowieren und auch keinen Körperteil zu verstümmeln oder zu durchbohren. Sie bemalen sich dagegen mit den Samen von Uruku rot und mit Ruß. Sowohl die Frauen als die Kinder waren äußerst schmutzig und voller Läuse.
Nach den Tapietes haben die Tsirakuas dieselben runden Hütten, wie sie selbst, die Chorotis, die Matacos und andere Stämme hier haben. Sie haben keine Hunde und keines der Haustiere des weißen Mannes. In der Nähe der Hütten haben sie zahme Vögel, die schreien, wenn sich jemand diesen nähert.
Was für Feuerstätten sie in den Hütten haben, weiß ich nicht. Eine der Tsirakuafrauen, der ich ein Stück Fleisch schenkte, grub in meiner Gegenwart einen den hier (Abb. 16) von den Ashluslays wiedergegebenen vollständig gleichen Ofen. Mit ihrer Grabekeule machte sie, auf dem Boden sitzend, eine Grube. Zu dieser grub sie einen schrägen Gang. Sie legte dann Holz in die Grube, das mit einem von einer anderen Feuerstätte geholten Feuerbrand angezündet wurde. Auf dem Magen liegend, blies sie aus allen Kräften durch ein Bambusrohr in den Gang, damit das Holz brenne. Hierauf hieb sie mit ihrer (hier also als Axt angewendeten) Grabekeule ein großes Stück Rinde aus einem Flaschenbaum. Als sie in der Grube genügend Glut hatte, legte sie das Fleisch in die Grube und bedeckte dann sowohl die Grube als den Gang mit Rinde und Sand. Sie ließ das[S. 324] Fleisch dann mehrere Stunden rösten. Leider war ich nicht dabei, als es aufgegessen wurde, es war aber sicher wohlschmeckend.
Eine gleiche Art des Fleischröstens ist von den argentinischen Gauchos bekannt. Es ist eine vortreffliche Art.
Als die Frau ihre Nahrung zubereitete, warf sie hier und da Hände voll Sand nach verschiedenen Richtungen, gleichsam um böse Geister oder dergleichen zu verjagen.
Die Tsirakuas leben hauptsächlich von Honig, wilden Früchten, Wurzeln und von der Jagd. Die oben erwähnte Frau sammelte Stämme von Caraguatá, die sie röstete und aß. Die mit den Tsirakuas verwandten Zamucos[130] haben nach Cardus[131] einen äußerst primitiven Feldbau. Die Tsirakuas kennen Mais, Tabak, Uruku und Zapallo.
Die Waffen dieser Indianer sind vor allem Keulen. Außer den langen Grabekeulen haben sie Wurfkeulen von verschiedenen Typen (Abb. 140). Als ich der Tsirakuafrau meine von den Yanaygua und Chanés erhaltene Keulensammlung von ihrem Stamm zeigte, erklärte sie mir ihre verschiedene[S. 325] Verwendung und führte, die Grabekeule gegen den Mund gedrückt, einen Kriegstanz auf, wobei sie mit blökender Stimme: „hé ha há, he si sia, he ha há, he si sia“ sang.
Als Signal für Aufpassen wenden die Tsirakuas Pfeifen von eigentümlicher Form an (Abb. 142).
Nackt nennen die Weißen die Tsirakuas. Dies ist unrichtig, denn bei diesen Indianern findet man dieselben Kleidungsstücke wie bei den wilden Tapietes. Die Frauen haben ein Stück Zeug um die Beine, die Männer eines, das die Geschlechtsteile bedeckt und um den Leib befestigt ist (Abb. 141). Außerdem haben sie große Decken, die in der Form den von den Chorotis, Ashluslays usw. angewendeten[S. 326] ähnlich sind. Alle diese Kleider sind aus Caraguatá, und nicht aus Wolle. Die Kleider sind aus Schnüren geknotet. Sie verstehen auch breite Bänder aus Caraguatá zu weben.
An den Füßen tragen die Tsirakuas viereckige Sandalen aus Tapirhaut (Abb. 138) oder Holz. Diese haben vier Löcher für die Schnüre, während die von anderen Indianern angewendeten Sandalen nur drei haben.
Wir finden bei den Tsirakuas dieselbe Art Taschen aus Caraguatá, wie bei den Chorotis und Ashluslays. Den Honig verwahren sie in Taschen aus ganz abgezogenen Tieren.
Ein einziges grobes Tongefäß habe ich von diesen Indianern, sowie eine mit einem eingeritzten Vogel verzierte Kalebasse.
Das Eisen ist bei den Tsirakuas sehr selten. Jedes Stückchen wird aufbewahrt und geschaftet. Größere Stücke, deren sie habhaft werden, werden zwischen mehreren geteilt. Sie sollen manchmal die Weißen und die Chanés nur überfallen, um Eisen zu bekommen. Für einige Stückchen dieses kostbaren Metalls setzen sie ihr Leben aufs Spiel.
Wahrscheinlich verfolgen auch die Chamacocos[132] oder ein anderer Stamm die Tsirakuas und drängen sie nach dem Rio Parapiti, wo sie, wie Batirayu mir gesagt hat, erst in neuerer Zeit aufzutreten beginnen.
[S. 327]
Die Tsirakuas gehören den unbekannten Wildnissen des nördlichen Chaco an, von dem wir so wenig wissen. Eine Erforschung des Inneren dieses Landes würde sicher viel Interessantes bieten.
Was für Menschen leben dort? Diese Frage habe ich an viele Indianer gerichtet. Von diesen hat mir ein Chanéindianer, Bátcha, der, wie gesagt, lange mit den Tapieteindianern gelebt hatte, folgendes berichtet.
Ungefähr sechs Tagemärsche vom Rio Parapiti westwärts wohnt, wie die Tapietes sagen, ein Zwergvolk, das in Erdhöhlen lebt. Diese Zwerge sind freundlich gesinnt und sprechen Guarani. Von ihren Höhlen hörte ich schon 1902 von einem Sergeant Gonzales, der diese auf einer Expediton nach dem Innern des Chaco gesehen hatte.
[S. 328]
Einen solchen Bericht hat man allen Anlaß, wenigstens was die Zwerge betrifft, für unwahr zu halten. Die Erdhöhlen können Brunnen sein, wie sie die Ashluslays und Lenguas graben.
Sehr eigentümlich ist es gleichwohl, daß Hawtrey[133] von den am Rio Paraguay wohnenden Lenguaindianern dieselbe Angabe über Zwerge erhalten hat. Zwei auf beiden Seiten des großen unbekannten Gebietes im nördlichen Chaco wohnende Stämme haben also dieselbe Erzählung. Möglicherweise ist es nur eine gemeinschaftliche Sage. Die Zukunft wird es zeigen.
Im Innern des Chaco nahe der Saline de San José hat man, wie erzählt wird, moderne Indianergräber getroffen, die alle mit hölzernen Kreuzen geschmückt waren. Ob dies wahr ist, weiß ich nicht. Unmöglich ist es nicht, denn viele der dort wohnenden Indianer stammen sicher von Indianern, die Christen gewesen sind. Unter den Zamucos, die, wie gesagt, den Tsirakuas nahe stehen, haben die Jesuiten Missionen gehabt.
Vielleicht ist es nicht ein reiner Zufall, daß die hier abgebildete Tsirakuafrau die Hände auf Christenweise wie zum Gebet faltet. Etwas Ähnliches habe ich bei den nicht von den Missionaren besuchten Chorotis und Ashluslays niemals gesehen.
[130] Daß die Tsirakuas und die Zamucos eine ähnliche Sprache sprechen, geht aus folgendem Vergleich hervor.
Zamuco
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Tsirakua
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Ohr = yagoroné
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(dlyócon)goroni
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Auge = yedoi
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(dlyóqui)dodye
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Hand = imanaetio
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(dlyóco)maná
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Sonne = yede
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géte
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Wasser = yod
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mama
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Feuer = pioc
|
pió
|
Zum weiteren Vergleich teile ich hier auch einige gewöhnliche Tsirakuaworte mit
Mais = géshna
Tabak = sidódu
Zapallo = ógodieú
Caraguatá = gutá
Grabekeule = bahábe
Uruku = tasi
Kalebasse = pitáu
Strauß = bái
Wildschwein = pósnoni
Asche = pútchucuru
Stein = kukáni
Hund = tomóco.
[131] Cardus: Las Misiones Franciscanas entre los infieles de Bolivia. Barcelona 1886.
[132] Vgl. Frič. Globus. Bd. 96 (1909) S. 24. Die unbekannten Stämme des Chaco boreal.
[133] Hawtrey, l. c.
[S. 329]
Ich habe die Indianer, die ich im Chaco kennen gelernt habe, hier zu schildern gesucht. Wir sind zum Schluß bis an die Grenze des Unbekannten gekommen, dessen Geheimnisse noch niemand erforscht hat. Ein großes Gebiet im Chaco ist den Weißen vollständig unbekannt, ein noch größeres ist noch niemals von einem Forscher besucht worden.
Es ist ein gefährliches Gebiet, nicht so sehr der feindlichen Indianer wegen, die man dort wahrscheinlich antrifft, sondern infolge des Wassermangels. Mit Hilfe der Indianer könnte man dort vorwärts kommen, ohne sie kann man die Wasserstellen nicht finden. Im vorhergehenden habe ich gesagt, daß man im Chaco Reste sehr primitiver Stämme finden muß, denn es ist der natürliche Zufluchtsort für diejenigen, die in den Kämpfen um die Flüsse und um die Gegenden, wo die Forderungen des Magens leicht zu befriedigen sind, besiegt worden sind.
Die hier geschilderten Stämme hätte ich gern viel besser kennen gelernt. Über die religiösen Vorstellungen der Chorotis und Ashluslays wissen wir beinahe nichts. Nur einige der hier mitgeteilten Sagen habe ich in der Originalsprache aufgezeichnet. Auch die Individualpsychologie lockt mich.
Es dürfte dem Leser deshalb nicht wunderbar erscheinen, wenn ich noch einmal am Indianerleben am Rio Pilcomayo teilnehmen möchte, wenn ich noch einmal die alten Sagen am Lagerfeuer möchte erzählen hören, wenn ich in die unbekannten Gegenden des nördlichen Chaco eindringen möchte.
Bevor dies geschehen kann, muß ich jedoch die Ergebnisse meiner letzten Fahrt, die einen viel größeren Teil von Bolivia[S. 330] als den Chaco berührt hat, vollständig veröffentlichen. Nicht zum mindesten wichtig ist, daß meine Funde bei meinen archäologischen Ausgrabungen beschrieben werden.
Vielleicht wären auch meine Urwaldwanderungen und Flußfahrten im nordöstlichen Bolivia weit bis zu der Grenze Brasiliens es wert, einem größeren Publikum als dem, das ethnographische Fachzeitschriften liest, geschildert zu werden.
Im Dezember 1909 verließ ich, von meinem schon beschriebenen zweiten Besuch bei den Chorotis und Ashluslays kommend, Yacuiba.
Nach Hause ging die Fahrt!
Ende Januar 1910 war ich wieder in Schweden. Meine beiden Reisebegleiter waren in Südamerika geblieben. Sie sind jung und wollen versuchen, sich in dem neuen Lande durchzuschlagen. Ich hoffe, es wird ihnen gelingen. Gefällt es Moberg bei den Weißen nicht, so läßt er sich wohl bei den Indianern und Indianerinnen nieder, wo er sich so wohl gefühlt hat.
Als ich von Batirayu Abschied nahm, sagte er: „Es ist traurig, zu scheiden und sich niemals wieder zu treffen, wenn man so befreundet geworden ist.“
Wer weiß, vielleicht treffen wir uns noch einmal. Möge Yamandutunpa dich beschützen, Batirayu. Möge es lange dauern, bis du nach Aguararenta wanderst, um Maisbier bei deinen Vorvätern zu trinken.
„Hayma opama!“ (Und mehr war es nicht.)
[S. 331]
Seite
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Tafeln auf besonderen
Blättern:
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1.
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Der Verfasser mit Ashluslayfreunden. Neben dem Titel.
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2.
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Der Calileguaberg
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3.
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Dorf des Chorotihäuptlings „Waldhuhn“
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4.
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Fische essender Ashluslay
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5.
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Mit Mais vom Acker kommende Ashluslaykinder
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6.
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Chorotimama mit ihrem kleinen Jungen und dessen
Spielkameraden
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7.
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Ashluslay-Tänzer
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8.
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Tanzende Ashluslaymänner
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9.
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Chorotifrau auf dem Heimweg mit eingesammelten wilden
Früchten und Holz
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10.
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Matacoindianer rösten „Palometas“ und andere Fische
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11.
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Chorotifrauen tragen wilde Früchte in ihren
Caraguatátaschen nach Hause
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12.
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Ashluslaykrieger
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13.
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Ashluslaymann im Magenpanzer
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14.
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Ashluslayfischer gehen über den Rio Pilcomayo
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15.
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Ashluslayfrau auf der Wanderung
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16.
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Caraguatá
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17.
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Palmenwald, unweit des Rio Pilcomayo
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18.
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Chanéfrau mit Kind
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19.
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Die Frau des Chanéhäuptlings Vocapoy malt ein Tongefäß
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20.
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Sagenerzähler. Chané
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Abbildungen im Texte:
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1.
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Matacomädchen
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2.
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Hütte der Mataco-Guisnay
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3.
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Ashluslayfischer
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4.
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Eigentumsmarken auf Mänteln, Ashluslay
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5.
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Ashluslaypapa mit seinem kleinen Jungen
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6.
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Kochhütte der Chorotis
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7.
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Algarrobofrüchte kauende Ashluslayfrauen
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[S. 332]
8.
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Ashluslayindianer mit Sperrnetzen
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9.
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Nadeln zum Aufreihen der Fische
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10.
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Spaten
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11.
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Sperrung des Rio Pilcomayo mit fischendem Choroti
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12.
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Chorotikinder spielen, daß sie den Fluß sperren
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13.
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Eine Chorotifrau trägt Wasser nach Hause
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14.
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Ashluslayfrau seiht Algarrobomehl
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15.
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Eßbürste
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16.
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In die Erde gegrabener Ofen
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17.
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Hölzernes Messer
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18.
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Hölzerne Messer zum Essen von Wassermelonen
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19.
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„Reibeisen“ aus Holz
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20.
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Chorotiknabe mit Boleadora
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21.
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Das Kleine führt seinen blinden Großvater „abseits“
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22.
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Die Mama geht mit den Kindern zum Fluß
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23.
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Spielzeugflinte von den Chiriguanos
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24.
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Boleadora
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25.
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Fadenfiguren knüpfende Chorotiknaben
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26.
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Ballspielende Matacoindianer
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27.
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Spielmarken
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28.
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Tätowierung und Gesichtsbemalung
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29.
|
Tätowierung und Gesichtsbemalung
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30.
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Alte Chorotifrau, die den Verf. tätowiert hat
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31.
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Ashluslaymann
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32.
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Stempel zur Gesichtsbemalung
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33.
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Chorotielegant
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34.
|
Ashluslay mit einer mit Schneckenschalenperlen
besetzten Mütze
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35.
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Junger Chorotimann am Alltag
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36.
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Pfeife
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37.
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Boxhandschuh
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38.
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Tongefäß
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39.
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Ashluslay mit einer Kalebasse Algarrobobier
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40.
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„Bowle“
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41–43. Pfeifenköpfe
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44.
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Krankenstuhl
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45.
|
Geist
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46.
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Tongefäß
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47.
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Puppen
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48.
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Strumpf, Taschen
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49.
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Grabestock
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50.
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Säge aus hartem Holz
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51.
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Scharre aus Muschelschalen
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[S. 333]
52.
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Webstuhl
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53.
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Von Ashluslays gewebter kleiner Mantel
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54.
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Chorotifrau, ein Tongefäß bauend
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55.
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Töpferin
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56.
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Hölzernes Gerät
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57.
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Trommel aus einem Tongefäß
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58.
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Bierkrug
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59.
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Wasserkrug
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60.
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Kalebasse
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61.
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Kalebasse
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62.
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Kalebaßschale
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63.
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Mais sammelnde Frau (Zeichnung)
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64.
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Zeichnungen des Chorotimädchens Ashlisi
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65.
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Zeichnungen eines Ashluslayknaben
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66.
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Zeichnungen eines 20jährigen Ashluslaymannes
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67.
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Ashluslaykrieger
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68.
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Federschmuck
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69.
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Federschmuck
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70.
|
Skalp eines Tobapilaga
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71.
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Streitkolben
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72.
|
Ashluslaytänzer zum Besuch bei den Chorotis
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73.
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Ashluslayfischer
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74.
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Vocapoys Dorf am Rio Itiyuro
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75.
|
Chanéindianer
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76.
|
Chanéindianer
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77.
|
Tongefäß
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|
78.
|
Tongefäß
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79.
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Alter Chiriguano mit großem Lippenpflock
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80.
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Pfeife
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81.
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Festtracht für Männer
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82.
|
Tongefäß
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83.
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Feuerstätte zum Maisbierkochen
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84.
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Maisscheune
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85.
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Sitzbank
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86.
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Haken zum Aufhängen der Sachen
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87.
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Chanéfrau
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88.
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Tabakspfeife
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89.
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Spatenstiel
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|
90.
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Fischfang mit Kalebasse
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|
91.
|
Netz
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|
92.
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Dämpfapparat
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93.
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Spielregel für „Daro“
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|
94.
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Chunquanti spielende Chanéknaben
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|
[S. 334]
95.
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Stäbchen zum Tshúcaretaspiel
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96.
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Máma wird ausgelegt
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97.
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Die Stäbchen werden geworfen
|
|
98.
|
Die Spielenden sehen nach, wie die Stäbchen gefallen
sind
|
|
99.
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Geteilter Ball zum Tocorórespiel
|
|
100.
|
Spielstock
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|
101.
|
Rakett
|
|
102.
|
Maiskolbenpfeil
|
|
103.
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Stäbchen zum Huirahuahuaspiel
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104.
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Spielzeug
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105.
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Puppen aus Wachs
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106.
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Chanéfrau
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107.
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Gesichtsbemalung
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108.
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Tätowierter Frauenarm
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109.
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Kämme
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110.
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Chanéknabe
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111.
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Der Chiriguanohäuptling Mandepora
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112.
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Alte Frau
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113.
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Chiriguanograb
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114.
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Junge Chanéfrau entblößt den Oberkörper, um sich
photographieren zu lassen
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115.
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Kalebasse
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116.
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Chanémädchen stoßen Mais in einem Mörser
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117.
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Kochen des Maisbieres
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118.
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Suppenspatel
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119.
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Tanzmaske
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120.
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Serérepfeife
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121.
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Tongefäß
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122.
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Brennen von Tongefäßen
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123.
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Webstuhl
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124.
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Sieb
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125.
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Korb
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126.
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Verzierte Kalebaßschale
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127.
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Tongefäß
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128.
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Kalebaßschale
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129.
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Tongefäß
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130.
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Silberne Nadel
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131.
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Brustschmuck aus Silber
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132.
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Chanékinder
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133.
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Tongefäß
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134.
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Tsirakuafrau
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135.
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Taubstummenzeichen
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136.
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Taubstummenzeichen
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[S. 335]
137.
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Taubstummenzeichen
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138.
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Sandale aus Tapirhaut
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139.
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Grabekeule
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140.
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Wurfkeulen
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141.
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Stück Zeug
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142.
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Pfeife aus Holz
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[S. 336]
(Die Ziffern bedeuten die Seitenzahl; f nach der Zahl = u. folgende.)
Seite
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22
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Zeile
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12 v.o.
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„Tasifrucht“ anstatt „Tuscafrucht“.
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116
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8 v.u.
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„Caraguatábast“ anstatt „Caraguatárinde“.
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125
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14 v.o.
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„Korbarbeiten“ anstatt „Kostbarkeiten“.
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138
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3 v.o.
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„Schneckenschalen“ anstatt „Muschelschalen“.
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211
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14 v.o.
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„Pflock“ anstatt „Knopf“.
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