The Project Gutenberg eBook of Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See.
    
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Title: Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See.

Author: Max Prager

Release date: March 31, 2025 [eBook #75762]

Language: German

Original publication: Kiel: Verlag von Karl Jansen, 1901

Credits: Peter Becker, Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (The digitized holdings of the Staatsbibliothek zu Berlin are available to all interested parties worldwide free of charge for non-commercial use.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DEUTSCHE DAMPFER-EXPEDITION ZUM NYASSA-SEE. ***



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                     Anmerkungen zur Transkription.

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Die Schreibweise und Interpunktion
des Originaltextes wurden übernommen; offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.

Wörter in Antiqua sind so +gekennzeichnet+.

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                             Die deutsche

                          Dampfer-Expedition

                                  zum

                              Nyassa-See.

                        Von M. Prager, Kapitän.

                            [Illustration]

                                 Kiel.

                       Verlag von ~Karl Jansen~.

     Kommissions-Verlag für den Buchhandel: ~Robert Cordes~, Kiel.




                      Seinem hochgeehrten Führer

                                  dem

               Kaiserl. Gouverneur von Deutsch-Ostafrika

                        Herrn Major von Wißmann

                               gewidmet

                                                         vom Verfasser.




                         Inhalts-Verzeichniß.


           Vorwort.                                           Seite

           Einleitung                                             1

       1. Aufbruch der Expedition                                15

       2. Bis zum Lager von Ntoboa und die Erbauung desselben    31

       3. Im Lager von Ntoboa                                    39

       4. Bis zum Lager von Port Herald                          63

       5. Ein Eilmarsch von Port Herald nach Chilomo             81

       6. Der Eisenbahn-Transport. Das Lager bei Umpassa         93

       7. Im Lager von Umpassa bis Katunga                      110

       8. Von Katunga bis Blantyre                              130

       9. Von Blantyre nach Mpimbi                              148

      10. Von Mpimbi nach Fort Johnston am Nyassa-See           166

      11. Von Fort Johnston nach Mpimbi                         193

      12. Der Aufstand                                          211

      13. Der Kampf                                             229

      14. Die Erbauung der Werft                                254

      15. Der Ausbau des Dampfers »Hermann v. Wißmann«          278

      16. Im Urwald                                             296

      17. Der Stapellauf des »H. v. Wißmann« und
          dessen Vollendung                                     320

      18. Die Fahrten auf dem See und die Ankunft
          in Langenburg                                         335

      19. Die Küste und das deutsche Gebiet am Nyassa-See       359

      20. Der Nyassa-See                                        386

      21. Schluß                                                411

      Druckfehler-Verzeichniß.




                                Vorwort.


In dem vorliegenden auf Grund genau geführter Tagebücher ausgeführten
Werke habe ich versucht in schlichter Weise das zusammen zu fassen und
wieder zu geben, was auf die große Wißmann Dampfer-Expedition Bezug
haben konnte, besonders was den praktischen Theil, den Transport und
Bau des Schiffes anbelangt.

Des Weiteren versuchte ich dem geneigten Leser ein anschauliches
Bild über wenig bekannte Länder und namentlich über den Nyassa-See
vorzuführen; die Thier- und Pflanzenwelt, die eigenartige Natur
Central-Afrikas, schloß ich in diesen Rahmen ein, soweit wenigstens wie
ich aus persönlicher Anschauung und Erfahrung mir ein Urtheil gestatten
kann.

Neben der großen Aufgabe, die mir zugefallen, die Erbauung des
Dampfers »Hermann von Wißmann« zu leiten, habe ich jede freie Zeit
benutzt um mich über Land und Völker zu orientiren, Aufzeichnungen und
Beobachtungen zu machen, die in sich ein Ganzes, nur einer eingehenden
Bearbeitung bedurften.

Möge der Inhalt dieses Werkes für sich selber sprechen für die
Theilnehmer an dieser großen Expedition aber würde geschenkte Beachtung
ein schöner Lohn sein für alle ausgestandenen Mühen, Gefahren und
Entbehrungen.

Ich möchte noch erwähnen, daß ich einer der Offiziere dieser Expedition
(5 Offiziere, 30 Europäer) war, dem zum großen Theil die praktische
Arbeit des Transportes und Baues und dann die Führung des Schiffes in
seinem Elemente, auf dem Nyassa-See, zufiel.

Da dieses Werk ein Separat-Abdruck aus der »Deutschen Marine-Zeitung«
ist, der ca. 1-1/2 Jahr in Anspruch nahm, haben sich eine Anzahl
Druckfehler eingeschlichen und bitte ich das Verzeichniß derselben am
Schlusse dieser Arbeit zu berücksichtigen.

                                                     M. Prager, Kapitän




                              Einleitung.


Um nicht zu weit zurück zu greifen, wenigstens nicht eingehend die
Gründe zu beleuchten, die für die Entstehung und Ausführung des
Planes, einen Dampfer nach dem Seeengebiet Inner-Afrikas zu schaffen,
maßgebend gewesen sind, will ich mich vorerst nur auf das beschränken,
was mir zum Verständniß für die Allgemeinheit werthvoll erscheint. Wer
in kolonialen Kreisen mit den Einzelheiten vertraut ist, kann sich
leicht die Vorgänge ins Gedächtniß zurückrufen -- im Uebrigen haben
ja die Tagesblätter seiner Zeit dem großartigen Unternehmen des Herrn
Major von Wißmann genügende Beachtung geschenkt, so daß wohl eine
kurzgefaßte sachliche Darstellung der Thatsachen genügen dürfte. Es
war am 27. Mai 1890, nachdem im raschen Siegeslauf auch der Süden der
deutschen Besitzungen in Ostafrika, von Kilva-Kivindji bis Mikindani
zurückerobert worden war, als Major von Wißmann, sein Adjutant
+Dr.+ Bumiller, begleitet von der Gesandtschaft des Seliman
ben Nasr und meiner Wenigkeit, auf dem englischen Dampfer »Etiopia«
Sansibar verließen, um auf Urlaub in die Heimath zurückzukehren.

Herzlich war der Abschied von den tapferen Kameraden, welche dem Major
das Geleit bis an Bord gegeben hatten, und alle beseelte der Wunsch,
ihren großen Führer in der Eigenschaft als Kaiserlichen Gouverneur
bald wieder auf afrikanischem Boden begrüßen zu können. War doch kein
Name von seiten der Araber gefürchteter als der des +bwana mkubwa
sana+, unter den Deutschen aber Niemand beliebter, als Wißmann. Wohl
bei uns allen hatten die großen Erfolge, welche die Deutschen unter
der Führung Wißmanns errungen, Hoffnungen erweckt, deren Erfüllung die
nächste Zukunft sicher bringen mußte, sollten die Früchte, die mit Blut
und Eisen erkämpft waren, dauernd uns verbleiben.

Die Thatsache, daß mit der Eroberung der ostafrikanischen Küste und der
wiederhergestellten Ruhe die deutsche Arbeit erst begonnen, die Kultur
den ersten großen Anlauf genommen hatte, stellte auch an die Leiter
der kolonialen Bewegung gewiß ernste Aufgaben und es galt aus einer
kleinen Zahl die richtigen Männer zu finden, die solch ein wichtiges
und umfassendes Werk fortsetzen konnten. Am nächsten lag es wohl, daß
der beste Kenner Afrikas, der so ruhmvoll den gewaltigen Kampf zur
deutschen Ehre beendet hatte, auch zu diesem verantwortlichen Amte
berufen werden würde, denn der Klang seines Namens bis weit in das
Innere des dunklen Erdtheils war Bürgschaft genug und leicht würde
durch ihn jeder fernere Widerstand unbotmäßiger Stämme nach kurzer Zeit
gebrochen worden sein.

Mit weitschauendem Blick erkannte Major von Wißmann, daß es mit der
Unterwerfung des Araberthums an der Küste nicht gethan ist, sondern
wie nöthig es sei, auch an den Ufern der gewaltigen Binnenseen Afrikas
diesem Feinde entgegen zu treten, der weit über ein ungeheures
Territorium verzweigt, nicht durch seine Zahl, vielmehr durch seine
geistige Herrschaft über die Stämme ein furchtbarer Gegner werden
konnte, sofern ihm die Zeit zum Sammeln gelassen wurde.

So lag denn nichts näher, um ein beständiges Machtobjekt im Innern zu
haben, als ein Schiff nach dem Innern zu schaffen, das nicht allein
ein weites Gebiet beherrschen konnte, sondern auch den Handel zu
fördern das geeignetste Mittel war, und dieses Werk mit ernstem Willen
durchzuführen, war des Majors fester Entschluß.

Indes lag es in der Natur der Sache, daß die Kühnheit solcher Idee
ein so großartiges Werk zur Ausführung zu bringen, in antikolonialen
Kreisen, die ein ziel- und zweckloses Wüthen gegen die Kolonialpolitik
des Deutschen Reiches in Scene gesetzt hatten, als für mindestens
unausführbar angesehen wurde, aber mit der Zeit und namentlich als
Major von Wißmann erst persönlich für seine Idee eintreten konnte,
war der Umschwung der Ansichten so groß, daß die Möglichkeit der
Ausführung nicht mehr in Zweifel gezogen ward, ja selbst diese Idee
sich so verallgemeinerte, daß nicht nur das Projekt des Majors, einen
großen Dampfer zuerst nach dem Viktoria-Nyanza-See zu schaffen, einzig
und allein maßgebend blieb, sondern auch von anderer Seite (Dr. C.
Peters) ein gleiches zur Ausführung gebracht werden sollte mit der
zweifelhaften Begründung, der Wißmann-Dampfer sei wegen seines zu
großen Tiefganges für den Viktoria-See ungeeignet. Natürlich wurden
hierdurch Parteispaltungen hervorgerufen, die der Sache nur schädlich
sein konnten, wozu der Kampfruf im kolonialen Lager »Hie Wißmann, Hie
Peters« das Seine beitrug und Unentschlossenheit sowie Verwirrung
hervorrief, wo doch nur absolute Einigkeit gegenüber einer mächtigen
antikolonialen Bewegung zum Ziele führen konnte.

Indes so nachtheilig dieser Umstand auch war, insofern als für ein
Ziel zwei Dampfer in Aussicht genommen wurden und naturgemäß die
freiwilligen Geldspenden Einbuße erleiden mußten, so war er doch
dem Projekte des Majors wesentlich nicht hinderlich, zumal in den
kaufmännischen Kreisen unserer großen Seestädte, als Hamburg, Lübeck,
Bremen das Verständniß für die große Sache ein allgemeines war, und
namentlich aus diesen, sowie aus den weitesten Kreisen im deutschen
Reiche, unter denen die Missionen besonders zu erwähnen sind, gingen
wenigstens die Mittel zum Bau des Dampfers reichlich ein. Daß die
Ueberführung des Dampfers von der Küste bis zum See außerdem ganz
beträchtliche Mittel erfordern würde, die vorhandenen bei Weitem nicht
ausreichten, war selbstverständlich und daher solche zu beschaffen das
ernstlichste Bestreben des Komitees, das sich in Köln zur Förderung
der Dampferangelegenheit gebildet hatte. So wie dieses widmete sich
auch, neben vielen anderen hochgestellten Personen, Herr Dr. Thimotheus
Fabri in Hamburg der Sache, um den Major, der längst wieder auf seinem
Posten in Afrika weilte, nach Möglichkeit zu unterstützen und alles
aufzubieten, was dessen großes Unternehmen fördern konnte.

Nach mehrfachem Aufruf zur Unterstützung der Sache stellte es sich
aber heraus, daß die eingehenden Geldspenden (es waren zusammen etwa
300000 Mk.) der Erwartung nicht entsprechen würden und es daher
gerathen erschien, die Hilfe der Regierung anzurufen. Die angesehensten
Männer Hamburgs unterzeichneten auch ein dahin zielendes Gesuch an
den Reichskanzler, das aber leider abschlägig beschieden wurde mit
dem Bemerken: die Dampferangelegenheit sei als eine Privatsache zu
betrachten und die Regierung daher nicht in der Lage, dem Unternehmen
pekuniäre Unterstützung zu gewähren oder gar selbst die Ausführung des
Transportes in die Hand zu nehmen, jedoch sei das Schiff erst nach dem
Viktoria-Nyanza geschafft und dort erbaut, würde es sich empfehlen,
dasselbe Reichssache werden zu lassen und die fernere Unterhaltung des
Dampfers würde sodann dem Reiche obliegen.

Es war somit ein mißglückter Versuch; dieses Versagen einer kräftigen
Unterstützung im gedachten Sinne konnte man der Regierung eigentlich
nicht verdenken, denn es wurden die, welche für die große Sache
eingetreten waren, damals noch von vielen Seiten Kolonialschwärmer
genannt und die weit verbreitete Ansicht unter der Gegenpartei, daß das
ganze Projekt sich schließlich als eine Unmöglichkeit ausweisen würde,
ließ mit Sicherheit voraussetzen, der Reichstag werde keine Mittel
dafür bewilligen; hielten doch genug Volksvertreter die koloniale
Bewegung überhaupt als für verfehlt.

Alle diese Fehlschläge hielten indes den Fortschritt im Bau des
Dampfers »Hermann von Wißmann« nicht auf, über den ich auf der
bekannten Schiffswerft von Janssen und Schmilinsky die Aufsicht
führte, auch sollte das Schiff bis zum 29. April 1891 vollendet
sein. Eine von mir aufgestellte Berichterstattung, Seine Excellenz
dem Reichskanzler eingereicht, möge hier eine Uebersicht von der
Zusammensetzung und den Größenverhältnissen des Schiffes wiedergeben.

Das aus deutschem Stahl angefertigte Schiff, welches allen gestellten
Anforderungen an ein seetüchtiges Fahrzeug entsprechen muß, hat eine
Länge von 26 und eine Breite von 5,078 Meter, seine Tiefe vom Deck
bis zum Kiel beträgt 8,5, der Tiefgang 6-7 Fuß. Der Schiffsraum ist
durch eiserne Schotten in 6 verschiedene Theile abgetheilt, wovon
der mittlere als Maschinen- und Kesselraum dient. Zwei Abtheilungen
sind zur Aufnahme von Feuerungsmaterial, event. Ladung bestimmt; eine
dritte im Vorderraum, als Kajüte eingerichtet, dient dem dienstthuenden
Personal, zwei oder drei Europäern zum Aufenthalt, die hinterste und
vorderste zur Aufbewahrung von Inventarien, Ketten, Tauwerk etc.

Das aus Teakholz hergestellte Deck bleibt möglichst frei, bis auf
das Deckhaus, dem Maschinenoberlicht und den Niedergängen zu den
Räumen. Das Deckhaus, für 2 Mann eingerichtet, nimmt einen Raum von 10
Quadratmeter ein, über diesem erhebt sich die 16 Quadratmeter fassende
von Bord zu Bord gehende Kommandobrücke, die mit Steuerung, Telegraphen
etc. versehen ist. Ueber das ganze Schiff werden Sonnensegel gespannt,
die an eisernen Stützen, in einer Höhe von 6 Fuß ausgebreitet werden
können. Die Kommandobrücke, mit eben solchem Sonnendach versehen,
kann nach allen Seiten eingeschlossen werden, so daß im Bedarfsfalle
die Brücke zum nächtlichen Aufenthalt geeignet ist. Vorgesehen sind
3 zerlegbare Stahlboote, jedes in vier Sektionen getheilt und leicht
mittelst Schrauben zusammen zu stellen; zwei haben eine Länge von 17,
das dritte von 12-1/2 Fuß. Die Takellage des Dampfers besteht aus zwei
Pfahlmasten mit vollständiger Segelvorrichtung und ist gewählt worden,
um das Schiff bei einem Versagen der Maschine nicht hülflos werden
zu lassen. Die Zwei-Cylinder-Hochdruckmaschine von 120 indizirten
Pferdekräften ist der Einfachheit und Solidität wegen bevorzugt worden
und kann mit derselben eine Fahrgeschwindigkeit von 8-1/2 Knoten pro
Stunde erzielt werden. Ebenso sind zwei horizontal liegende Dampfkessel
vorgesehen, deren Mantel, jeder in 8 Theile, ohne die Kesselböden, des
leichteren Transportes halber, zerlegt wurden.

Was nun das Gesammtgewicht des ganzen Körpers mit allem Zubehör
anbetrifft, so beläuft sich dieses auf ca. 80 Tonnen = 160000 Pfund.
Die schwersten Theile, als Cylinder, Hintersteven, Sternwelle wiegen
jedes nahezu 800 Pfund, jeder andere Theil des Schiffes und der
Maschine, als Kiel, Wellentheile, Kesselplatten etc., der über 350
Pfund Gewicht hat, ist zu den schwereren gerechnet worden und werden
deren ca. 20 sein. Da diese Theile wegen ihrer Konstruktion nicht mehr
haben verkleinert werden dürfen, so sind zu deren Transport geeignete
zweirädige Wagen konstruirt worden mit tiefliegenden Achsen. Alle
anderen Theile, als Schiffsplatten, Kisten etc., zu deren Transport
mehr als zwei Mann nöthig werden, sind so eingerichtet, daß sie an
Stangen getragen werden können.

Die Verpackung empfindlicher Gegenstände wird mit großem Vorbedacht
ausgeführt, um solche gegen Nässe zu schützen. Im Uebrigen werden
alle zur Expedition gehörenden Stücke so leicht als möglich gemacht
und wenn irgend angängig, darf das Gewicht eines einzelnen Theiles
nicht 60 Pfund überschreiten. -- Obgleich nun auch die Bestellung
der hundertfachen Sachen für Dampfer und Expeditionen des öfteren
eine unliebsame Beschränkung erhielt aus Gründen, welche durch den
Geldmangel hervorgerufen wurden, so konnte doch alles Nöthige in dem
Maße beschafft werden, daß mit Recht wohl keine andere Expedition so
vollständig und reichlich ausgerüstet worden ist wie diese. Ich ließ es
mir wenigstens angelegen sein für Jahre im voraus zu sorgen, damit an
Material kein Mangel eintreten konnte.

Wohl war beabsichtigt, den Akt der Schiffstaufe (nachdem der Dampfer
auf der Werft vollendet worden), um noch einmal das allgemeine
Interesse für die Expedition zu erwecken, mit besonderer Feierlichkeit
vorzunehmen und gab sich der kaufmännische Vertreter des Herrn Major
von Wißmann, Herr Ottens, dieserhalb die größte Mühe. Allein Bedenken
mancher Art machten den Plan zunichte, von der Taufe mußte gänzlich
Abstand genommen werden und ohne Sang und Klang, ausgenommen die kleine
Festlichkeit, welche der Leiter der Werft, Herr Janssen, veranstaltet
hatte, wurde der »Hermann von Wißmann« am 13. April 1891 übergeben.
Darauf das Schiff auseinander genommen, begann die Verpackung der
einzelnen Theile; die Einschiffung aber am 4. Mai auf dem neu erbauten
Dampfer »Emin«, der mit dem ganzen Transport und einem Theil der
Mannschaft am 9. Mai den Hamburger Hafen verließ.

Als Frachtdampfer für die Küstenfahrt in den ostafrikanischen
Gewässern bestimmt, war der »Emin« wenig geeignet, eine größere Anzahl
Passagiere aufzunehmen, deshalb hatte der größte Theil der Handwerker
unter Aufsicht des Obersteuermanns Bergest schon früher auf dem
Reichspostdampfer »Bundesrat« eingeschifft werden müssen und längere
Zeit vorher die Reise nach Sansibar angetreten, während ich erst,
nachdem der Transport verschifft war, von Neapel aus die Reise antrat.
Direkt für den Dampfer, dessen Transport und Aufbau, waren folgende
engagirt worden: 2 Steuerleute, 2 Maschinisten, 2 Zimmerleute, 4
Kesselschmiede.

Am 3. Juni erreichte der »Bundesrat« den Hafen von Tanga und von hier
beorderte der Vertreter des Majors, der inzwischen nach Deutschland
zurückgekehrt war, ohne seine hinausgehende Expedition irgendwo
angetroffen zu haben, Herr von Eltz, die Mannschaft zunächst nach
Bagamojo, von wo nach Eintreffen des »Emin« truppweise der Marsch in
das Innere angetreten werden sollte.

Aber als selbst die Entlöschung des »Emin« vermittelst arabischer Dhaus
beendet war, in rastloser Thätigkeit alles zum Abmarsch vorbereitet
wurde, wollte es Herrn von Eltz noch immer nicht gelingen, aus Mangel
an Trägern, die erste Abtheilung unter de la Fremoire absenden zu
können und die Hoffnung, wenigstens von der Küste fortzukommen, wurde
immer wieder vereitelt.

Wie es schien, verschlechterten sich die Aussichten in Bagamojo,
noch genügend Träger zu erhalten mehr und mehr, denn es war von
seiten der Europäer wie auch der Araber und Hindu (Indier) in der
That ein Reißen um Träger und kein Ausweg bot sich, die benöthigten
Tausende zu erlangen. Doppelt freudig wurde daher die Nachricht
begrüßt, der Irländer Stokes sei mit annähernd 5000 Trägern in Saadani
eingetroffen, die der Expedition zur Verfügung gestellt werden sollen.
Und bestimmt sahen wir den baldigen Abmarsch voraus, als der Befehl
eintraf, das gesammte Material nach Saadani überzuführen, von wo
des günstigeren Terrains halber die einzelnen Kolonnen aufbrechen
sollten. Die Ueberführung des gewaltigen Transportes mittelst Dhaus
begann am 1. Juli und war trotz der äußerst schwierigen Verschiffung
nach Verlauf einer Woche beendet. Verhältnißmäßig schnell gelangten
wir nach Saadani, wo inzwischen de la Fremoire hinter dem Fort
auf freiem Felde ein Lager errichtet hatte, das vorläufig nur aus
Zelten und den nothwendigsten Grasschuppen bestand, unter denen alle
Schiffsgegenstände von den zur Verfügung stehenden Wanjamwesi (Stokes
Leute) untergebracht wurden. Das Lager, das sich anfänglich noch
in einem primitiven Zustand befand, wurde allmählich erweitert und
ausgebaut, so daß Grashäuser, Schuppen und Zelte schließlich den Umfang
eines kleinen Dorfes ausmachten, auch wurde es nothwendig, die Zugänge
zu beschränken, damit nicht jeder nach Belieben Zutritt hatte, denn
unsere Diener und Köche liebten es sehr ihrerseits extra Diener sich zu
halten, welche die eigentliche Arbeit gegen sehr geringes Entgelt zu
machen hatten.

Der Suaheli nämlich spielt sich gegenüber seinen schwarzen Brüdern,
namentlich denen aus dem Innern, nur zu gerne als Herr auf und wird
sie nie für voll ansehen; diesem Unwesen nun mußte gesteuert werden,
auch deswegen schon, weil zu befürchten stand, daß trotz strenger
Aufsicht minderwerthige Gegenstände den Weg des Nimmerwiedersehens
gehen konnten. Aber hatten wir in der ersten Zeit gehofft, der Aufbruch
der Expedition würde endlich zur Ausführung kommen, zumal Stokes, dem
die Unterhaltung seiner Wanjamwesi Beträchtliches kostete, ernstlich
zur Entscheidung drängte, so schwand vorläufig jede Aussicht, als Herr
von Eltz den Befehl zum Abwarten überbrachte, der auch Stokes zwang nun
seine Träger anderweitig zu verwenden.

Der so oft verschobene Aufbruch fand darin seine Erklärung, daß Herr
Major von Wißmann nicht persönlich die Leitung übernehmen konnte,
auch den Aufschub anordnete, weil er erst mit einer Feldbahn von
Europa eintreffen wollte, mit welcher er den Gesammttransport leicht
und bequem zu befördern gedachte, und was das Schwerwiegendste,
höchstens 1000 Mann, anstatt früher 5000 und mehr, dazu bedurfte. Am
25. August traf denn auch der Major mit dem in Tanga eingelaufenen
Reichspostdampfer »Kanzler« wieder an der ostafrikanischen Küste ein
und ernstlich ging es nun an die Ausführung der noch nothwendigen
Arbeiten, unter denen die Ueberführung der Feldbahn von Sansibar nach
Saadani, die mir übertragen wurde, die nächste war. Die Aussicht,
endlich von der fieberreichen Küste fortzukommen, belebte den
gesunkenen Muth, freudig regten sich viele hundert Hände, die Feldbahn
zusammen zu stellen und entsprechend den Anordnungen des Majors zu
beladen.

Das Schienengeleise der Feldbahn, dessen Länge 400 Meter betrug,
bestand in seinen einzelnen Theilen aus 1-1/2 Meter langen Jochen,
die mittelst Haken schnell und bequem mit einander verbunden werden
konnten. Jedes dieser 266 Joche sollte von je einem Mann mit
Schulterriemen getragen werden; würde diese Arbeit aber dem Einzelnen
auf die Dauer zu schwer geworden sein, so waren, wenn nöthig, höchstens
die doppelte Zahl Leute, 532, dafür anzustellen, die zu zwei jedem Joch
zugetheilt, diese leicht und ohne Anstrengung transportiren konnten.
Von hinten nach vorne, eine Länge von 400 Meter, war jedes Joch zu
tragen, bei dem die Träger verblieben bis der letzte Wagen passirt,
war, um dann erst aufs Neue nach vorne aufzurücken.

Die Wagen, ein jeder mit guter Bremse versehen, waren so eingerichtet,
daß an jeder Seite 8 Mann mittelst in Ringe zu hakende Schulterriemen
diese bequem ziehen konnten, was auf ebenen Terrain verhältnißmäßig
leicht war. Es würden für die vorhandenen 32 Wagen demnach 512 Mann, im
Ganzen also 1044 nöthig gewesen sein; mit solcher Anzahl konnten wir
es unternehmen, selbst sehr schwieriges Terrain zu überwinden, und was
der größte Vortheil, alles Material war stets beisammen, ein Verlust
also, wie solcher bei Trägerkolonnen wahrscheinlich gewesen wäre,
ausgeschlossen.

Zwar sehr schwierig und zeitraubend wäre der lange Weg bis zum
Viktoria-Nyanza-See geworden, aber hätte nicht ein unerwarteter Schlag,
die zum Abmarsch bereite Expedition an der Ausführung gehindert, unter
der Leitung des Majors von Wißmann würde das Schwierigste vollbracht
worden sein und wir hätten den See sicher erreicht.

Noch in rastloser Arbeit mit dem Aufbau der Bahn beschäftigt, im
Vertrauen auf die vom Major abgegebene Zusicherung, wir würden bald
nach der Vollendung aufbrechen können, traf am 12. September in Saadani
die unglaubliche Nachricht ein, es sei die Kerntruppe, das zelefkische
Korps, von den Wahehe vollständig vernichtet worden; die besten
Kolonialtruppen, die tüchtigsten Offiziere, die unter Major von Wißmann
so rühmlich gekämpft hatten, mitsammt ihrem erfahrenen Führer waren der
Uebermacht erbitterter Feinde erlegen. Als kein Zweifel mehr blieb und
diese traurige Nachricht durch immer genauere Angaben bestätigt wurde,
da war es kein Wunder, daß die Annahme, diese große Niederlage könnte
noch Schlimmeres im Gefolge haben, die weiteste Verbreitung fand und
daß zunächst die zum Aufbruch bereite Dampfer-Expedition auf ihrem Wege
zum Innern ernstlich gefährdet sein würde. Bedenken schwerwiegender Art
mußten die Entschlüsse des Majors beeinflussen oder zu nichte machen,
wenn ihm die Sicherung seiner Expedition nicht durch eine genügende
Schutztruppe garantirt werden konnte und daß dies unmöglich war, lag
auf der Hand, da dem Gouverneur von Soden unter solchen Verhältnissen
eine Schwächung der Küstenbesatzung nicht zuzumuthen war. Hätte es
indeß sein können, so würden den übermüthigen Wahehe sehr bald die
Früchte ihres Sieges entrissen, unter Führung Wißmanns die Niederlage
gerächt und die aufständigen Häuptlinge zur Unterwerfung gezwungen
worden sein.

Leider nur zu bald sollten die schlimmen Folgen für die Expedition sich
bemerkbar machen, denn Major von Wißmann stellte die Wahrscheinlichkeit
in Aussicht, er würde jedenfalls sich genöthigt sehen müssen,
seine Expedition aufzulösen und solche zu einer ruhigeren Zeit zur
Durchführung zu bringen. Da indes noch nicht all und jede Aussicht
geschwunden sei, die Möglichkeit, vielleicht doch noch aufbrechen
zu können, vorhanden wäre, so ermahnte der Major das Personal, die
Arbeiten an der Feldbahn völlig zu beenden; liege es im Bereiche seiner
Macht, brechen wir unter allen Umständen auf. So ging denn alles seinen
ruhigen Gang bis plötzlich am 23. September vom Major der Befehl
aus Sansibar einlief, die Expedition sei aufgelöst! Es haben sich
demzufolge sämmtliche zum Schiffspersonal gehörende Mitglieder am 25.
September nach Sansibar zu begeben, um mit dem nächsten Dampfer in die
Heimath befördert zu werden. Das war das Ende der stolzen Expedition,
auf die die Welt mit Erwartung gesehen hatte, und das große Werk blieb
unvollendet. Noch hatte kein Einziger bewiesen, was er zu leisten
fähig ist, würde es auch fernerhin nicht können, da das Aufgeben der
Expedition für fast alle die Möglichkeit ausschloß, sich dem großen
Unternehmen zu widmen, wenn es durch die Energie des Majors v. Wißmann
später doch noch zur Ausführung kommen sollte.

Die eigentliche Lage, in welcher die junge deutsche Kolonie durch
die schwer zu verwindende Niederlage versetzt worden war, hatte also
zunächst die Auflösung der Wißmann-Expedition zur Folge und konnte man
auch erwarten, Major von Wißmann werde trotz aller Widerwärtigkeiten
sie zur Durchführung bringen, so war doch eine Unterbrechung von 8-9
Monaten durch die bald eintretende große Regenzeit geboten. Hätte
selbst die Anwerbung einer genügenden Militärmacht sofort ausgeführt
werden können, wäre dennoch viel Zeit verloren gegangen, die schweren
Regengüsse und die schlechten Wege hätten die Ausführung verhindert.

Die Dampfer-Expedition des Major von Wißmann, das sich der Vollendung
nähernde Projekt des Dr. Peters, hatten sehr bald gezeigt, daß zur
Durchführung so gewaltiger Aufgaben die vorhandenen Geldsummen bei
weitem nicht ausreichten, und während wir eigentlich thatenlos an
der ostafrikanischen Küste gelegen, hatte sich zur Beschaffung so
bedeutender Mittel im deutschen Reiche das Anti-Sklaverei-Komitee
gebildet, zu dem Zwecke, durch eine große Lotterie die benöthigten
Summen zu erlangen. Die Unterdrückung der Sklaverei an der Küste
sowohl, wie im Innern Afrikas, war der Grundgedanke und das nächste
dazu, die Ueberführung der beiden Dampfer nach dem großen Seengebiet,
deren Bestimmung es sein sollte, dem schmachvollen Gewerbe der Araber
Einhalt zu thun.

Von der Ansicht ausgehend, die beiden Dampfer nun nicht, wie anfänglich
geplant, nach dem Viktoria-Nyanza zu schaffen, weil ~ein~ solches
Machtobjekt auf diesem See vollständig genügte, wurde mit Major von
Wißmann, der in Egypten weilte, in Unterhandlung getreten, ob er nicht
sein Fahrzeug nach dem Nyassa- resp. Tanganjika-See bringen wolle,
während der Peters-Dampfer seiner anfänglichen Bestimmung zugeführt
werden sollte. Dies schien um so eher geboten, als dann auf zwei
Punkten im deutschen Gebiet dem Unwesen der Araber entgegen getreten
werden konnte.

Major von Wißmann erklärte sich auch mit diesem Projekt einverstanden
und wählte den ihm bekannten Wasserweg Zambesi-Schire, mit der festen
Absicht, seinen Dampfer nach dem Tanganjika-See zu bringen und dort zu
erbauen.

Man konnte um so mehr dieser praktischen Idee, nach Möglichkeit den
Wasserweg zu benutzen, zustimmen, als sicher zu erwarten war, daß mit
geeigneten Mitteln der große Schiffstransport leichter und schneller
gefördert werden würde, allerdings müßte dann auch die geeignete
Zeit, in welcher diese Flüsse genügende Wassertiefe hatten, nicht
versäumt werden. Zur erfolgreichen Durchführung waren, neben den
zwei der Expedition zugehörenden großen Sektionsboote, noch vier
Stahlleichter und ein Schleppdampfer als für nöthig erachtet worden,
deren Fertigstellung sich leider verzögerte, was für den Fortgang der
Expedition später recht nachtheilige Folgen hatte.

Seit der Zeit, als ich die in Ostafrika weilenden Mitglieder der
Expedition im Auftrage des Majors nach Deutschland zurückgeführt hatte,
waren etwas mehr als sechs Monate hingegangen, in diesem Zeitraum also
vollzog sich die Durchführung des neuen Planes, die Wißmann-Expedition
jetzt zum Tanganjika-See zu leiten. Am 11. April 1892 erging an
mich die Ordre, mich unverzüglich Herrn Dr. Bumiller in Hamburg zur
Verfügung zu stellen und die Anwerbung einer neuen Mannschaft, nach
Uebereinkommen in Stettin vorzunehmen. Da zur Auswahl geeigneter
Leute mir nur eine beschränkte Zeit gegeben wurde, so war es um so
schwieriger, praktische Leute zu finden, denn außer der Fachkenntniß,
mußte vor allem die Körperkonstitution des Einzelnen in Betracht
gezogen werden; die Garantie mußte vorhanden sein, daß der Ausgewählte,
zum Mindesten unter normalen Verhältnissen, allen Strapazen und dem
Klima Afrikas gewachsen sei. Die Anwerbung beruhte im Grunde genommen
mehr auf Menschenkenntniß, deshalb zog ich sympathische Erscheinungen
vor, sofern sie nur den gestellten Bedingungen gerecht werden konnten,
mußte ich doch die Thatsache im Auge behalten, daß für lange Zeit
gemeinsame ernste Arbeit alle vereinigen und unliebsame Charaktere
nur ein störendes Element abgeben würden. Meistens gediente Soldaten,
schreckte keiner vor Gefahr und Schwierigkeiten zurück und die
Folgezeit hat gezeigt, daß zum großen Theil tüchtige und zuverlässige
Leute dieser Expedition sich angeschlossen haben.

Zur festgesetzten Zeit, am 27. April 1892, verließ der Postdampfer
»Kaiser« mit den Mitgliedern der Expedition, den in einzelne Theile
zerlegten Leichtern, sowie dem Schleppdampfer »Pfeil«, der vollständig
ausgerüstet an Deck gehißt worden war, Hamburg, und über Amsterdam,
Lissabon und Neapel verlief die Reise nach Sansibar schnell und gut.

Major von Wißmann, der schon längere Zeit vor Ankunft des Postdampfers
in Ostafrika weilte, hatte für ein schnelles Vorgehen seiner
Expedition Sorge getragen, sodaß nach unserer Ankunft in Sansibar
der Küstendampfer »Peters« schon bereit lag, alle Gegenstände
überzunehmen, auch war derselbe bestimmt worden, das ganze Schiff-
und Eisenbahnmaterial, welches seiner Zeit in Saadani untergebracht
wurde, abzuholen und nach Chinde zu bringen. Die Verladung des
Materials von Land in die am Strande liegenden Dhaus leitete Herr von
Eltz und Illich, während ich beauftragt worden war, die Entlöschung
der Dhaus und die Verstauung aller Sachen in den »Peters« vorzunehmen
und zu beaufsichtigen. Kaum vorher ist solche Thätigkeit bei der
Expedition entfaltet worden wie in diesen Tagen und als die Arbeit
vollendet war, wußte ein Jeder, daß er sein Möglichstes gethan hatte,
die endlich vorwärts gehende Expedition zu fördern. Die Abfahrt des
Dampfers »Peters« erfolgte am 12. resp. 13. Juni von Saadani-Sansibar,
die Ankunft in Quilimane, welchen Ort der Major anfänglich als den
Ausgangspunkt der Expedition bestimmt hatte, neun Tage später, am 22.
Juni.

Major von Wißmann, der mit dem Postdampfer »Kaiser« die Reise
nach Mozambique fortsetzte, war bestrebt, hier an der
portugiesisch-ostafrikanischen Küste seiner Expedition die Wege
zu ebnen und suchte namentlich das Wohlwollen der maßgebenden
Behörden sich zu sichern, was unerläßlich war, da der untergeordnete
portugiesische Beamte genug Schwierigkeiten zu bereiten weiß. Ebenso
sollte von hier aus der kleine Schleppdampfer »Pfeil« in Begleitung
eines größeren Seedampfers nach Chinde übergeführt werden, was bei
der hohen Dünung, die hier unter dieser Küste auch bei schönem Wetter
beständig läuft, nicht ganz ungefährlich war und wirklich für die
kleine Besatzung eine gefahrvolle, höchst ungemüthliche Reise geworden
ist.

Nach Aeußerungen des Majors von Wißmann hat die portugiesische
Regierung seiner Expedition die größtmöglichste Unterstützung zugesagt,
und offen gestanden, harmonirten wir wohl mehr mit den Portugiesen als
mit den Engländern, war doch deren letzthin vollführter Gewaltakt gegen
die schwache portugiesische Kolonie keine besondere Empfehlung. Allein,
waren portugiesische Versprechungen nur ausgetauschte Höflichkeiten,
oder die Absicht thatkräftige Unterstützung nie auszuführen vorweg
vorhanden, genug, die Zusicherung blieb höheren Orts nur eine
persönlich ausgesprochene Gefälligkeit, weiter nichts, die Organe,
denen eine Anweisung darüber hätte zugehen müssen, wußten nie etwas
davon und mehr als ein freundliches Entgegenkommen haben wir von
portugiesischen Beamten nicht erlangt.

Wollte man sich über Portugiesisch-Ostafrika im Allgemeinen ein
Urtheil bilden, würde ein solches schon ohne eingehende Beleuchtung
interner Zustände, kein Loblied werden, im Gegentheil, zieht man den
Jahrhunderte langen Besitz in Betracht, müßte eine ganz andere Kultur
und eine andere Entwicklung dieser Kolonie vorausgesetzt werden,
deshalb kann man auch nur den Portugiesen als Kolonisten ein höchst
mittelmäßiges Zeugniß ausstellen. Ein kultureller Aufschwung im Innern
des Landes hätte zwar ein großes Kapital, mehr aber noch Verständniß
und unbeugsame Energie erfordert, über beides jedoch verfügte Portugal
nicht in solchem Maaße, um die Kolonie dem Mutterlande werthvoll zu
machen. Somit unterblieb eine durchgreifende Kulturarbeit, und ob auch
die Portugiesen einen ungeheuren Bezirk im Besitz haben, sind der
eigentliche Ertrag nur die den Eingeborenen auferlegten Steuern und
sonstigen Zölle; ob die dadurch erzielten Summen aber genügen, die
Beamten und das Militär zu befriedigen, ist eine Frage. Trotz alledem,
daß von seiten der Portugiesen während eines so großen Zeitraumes in
Handelsbeziehungen kaum Nennenswerthes geschehen ist, haben sich doch
lohnende Ausfuhrartikel gefunden und der ganze Handel ist fast im
alleinigen Besitz der ansässigen Deutschen, derselbe verspricht eine
Steigerung von ungeahnter Größe, wenn, was nicht denkbar ist, Portugal
verständige Kolonisirung treibt, oder eine andere Nation die Nachfolge
übernimmt.

Die Frage nun, welche Nation vielleicht den berechtigsten Anspruch
darauf hätte, wenn Portugal seine Kolonie mal veräußern muß, würde
zwischen Deutschland und England entschieden werden müssen. Eins nur
ist sicher, deutsches Kapital bahnt sich dort immer mehr den Weg und
wächst zu einer Macht empor, welches die deutsche Politik gegebenen
Falls mit allem Nachdruck zu schützen haben wird, die Sicherstellung
desselben in kommender kritischer Zeit bedeutet »Besitz«, dagegen sucht
England den schwachen Portugiesen unter dem Scheine eines Rechtes und
seiner gewaltigen Geldmittel immer mehr zurückzudrängen und zweifelhaft
ist der Besitztitel der Portugiesen auf der Hauptader des ganzen
Landes, den Zambesi-Schireflüssen, trotz ihrer daselbst stationirten
Flotte.

Die Bedeutung des Wortes »Handel ist Macht« hat Portugal für seine
Kolonien nie begriffen; zwar im Konkurrenzkampf der Nationen sieht es
heute für sich die gewisse Niederlage kommen und unternimmt noch einen
Anlauf, um sein gefährdetes Gebiet zu halten, allein ob dieses nicht
das letzte Athemholen vor dem Falle ist? -- Kennzeichnend für die
Zustände in der portugisischen Kolonie sind auch die häufigen Aufstände
der Eingebornen, die, wenn es ihnen nicht an Entschlossenheit und guter
Bewaffnung fehlen würde, mit ihrer Uebermacht gar leicht die schwachen
Besatzungen zu Paaren treiben könnten, zumal der Makua-Krieger durchaus
nicht zu verachten ist. Unter den jetzigen Verhältnissen hat Portugal
genug zu thun die Küste zu sichern und das Innere der Kolonie bis zum
Nyassa-See ist, wie seit jeher, ein +terra incognita+ geblieben.

Von Quilimane, wo der Dampfer »Peters« einige Tage Aufenthalt gemacht
hatte, wurde er nach Chinde beordert, weil von dort der besseren
Wasserverhältnisse wegen, die Expedition aufbrechen sollte. Auch hatte
Major von Wißmann, nachdem er Quilimane als Ausgangsstation aufgegeben
hatte, sofort eine Abtheilung Soldaten unter Befehl des Sergeanten
Bauer dorthin entsandt, die nahe dem Flußufer an passender Stelle
ein provisorisches Lager erbauen sollten, und so fanden wir, als das
Expeditionsmaterial mit dem Dampfer »Peters« anlangte, schon einen
einigermaßen gesicherten Platz vor, der gesäubert und mit dornigen
Gesträuch eingefaßt worden war. Ein sehr reges Leben entfaltete sich
nun am Strande, hunderte Hände schleppten die entlöschten Gegenstände
in das Lager, andere brachten wieder von weither Baumaterial, Gras
und Baumstämme, zum Schuppen und Häuserbau heran, dazu wurden Zelte
errichtet, Dornhecken gelegt und um das Bild afrikanischen Lagerlebens
zu vervollständigen, exerzierten Soldaten, ertönten Hornsignale.

Ein Chaos von Unordnung bot sowohl der Strand als auch das Lager,
Eisentheile, Kisten, Kasten, Tauwerk etc. etc. lagerten überall
her im Sande und es schien in der That schwer zu sein, aus solchem
Wirrwarr klug zu werden, indeß nur vorübergehend, bald reihten sich die
Arbeiterkolonnen Mann an Mann, die dirigirt von Europäern, jedes Stück
an seinen Platz hinschafften. Der kleine »Pfeil« leistete uns beim An-
und Abschleppen der Leichterfahrzeuge wesentliche Dienste, namentlich
bei stark laufender Ebbe und Fluth, denn die reißende Strömung
erschwerte die Arbeit des Entlöschens ungemein.

Sobald das benöthigte Material an Land geschafft worden war, wurde
unverzüglich mit der Aufstellung und Zusammensetzung unserer
zerlegbaren Boote und Leichter begonnen und unter den geschickten
Händen der Handwerker wuchs das Werk zusehends, so daß schon nach
Verlauf von acht Tagen einige Boote und ein Leichter zu Wasser gebracht
werden konnten.

Bald lag denn auch die kleine Flotille mit voller Segelvorrichtung
versehen zum Aufbruch bereit und nur die sehnsüchtig erwartete Post
verzögerte die Abfahrt; war es doch eines jeden Wunsch, ehe er dem
Weltmeer und der Civilisation valet sagen mußte, noch einen letzten
Heimathsgruß zu erhalten! Leider aber vergeblich war das Hoffen; nach
wochenlanger Rast in Chinde zogen wir hinaus in die Wildniß zu wagen
und zu kämpfen. --

Ehe ich nun in den folgenden Kapiteln die Schicksale der Expedition
etwas eingehender aufzuzählen mich bemühe, will ich noch diejenigen
Mitglieder, Charge und Namen, anführen, die ihr ganzes Können an die
Ausführung der großen Aufgabe gesetzt haben.

Führer der Expedition: Major von Wißmann, sein Adjutant Dr. Bumiller;
Transportführer: Herr v. Eltz; Offizier: Leutnant Bronsart von
Schellendorf; Arzt: Dr. Röver; Proviantmeister: de la Fremoire,
Illich; Herr Franke, Maler. Sergeanten: Bauer, Eben, Krause. Zum
Schiffspersonal gehörten: Kapitän Prager; die Steuerleute Gerloff,
Wissemann; die Maschinisten Spenker, Engelke; die Zimmerleute Riemer,
Ottlich; Schiffsbauer und Kesselschmiede Zander, Brückner, Eickershoff,
Wedler, Knuth, Grünhagel und Domann.

Mit anwesend in Chinde waren noch: Herr Regierungsrath Edler von Grunow
und Herr von Tippelskirch.




                      1. Aufbruch der Expedition.


In dem nach der Chinde-Mündung zu liegenden Gebüsch konnte nur noch
dürftiges Brennholz gefunden werden und häufig in Ermanglung desselben
schleppten die Soldaten trockenes Rohr heran, um damit ihre Mahlzeiten
zu kochen. Mit der Zeit aber wurden wir genöthigt, alle paar Tage ein
Boot mit Mannschaften oberhalb Chinde in dem dort weit ausgedehnten
Gebüsch zu senden, die Holz zu schlagen hatten, und als die Zeit
herannahte, daß wir uns zum Aufbruche rüsteten, gingen täglich in aller
Frühe Boote ab, die Abends beladen zurückkehrten. Oft genug erzählten
dann die Leute, was sie an Flußpferden, Krokodilen und Schlangen
gesehen hätten und wie namentlich Krokodile, von Kugeln getroffen,
durch Ueberschlagen versucht haben, vom Ufer fort in ihr Element zu
gelangen. Abends an den Wachtfeuern wurde das Mögliche und Unmögliche
erzählt; indeß jeder war zufrieden, wenn es am Morgen bei der
Arbeitsvertheilung hieß, die oder die Abtheilung ist zum Holzschlagen
kommandirt, anstatt zu exerzieren, dann hatten doch die Betreffenden
Gelegenheit, aus eigener Anschauung die Wahrheitsliebe ihrer Gefährten
zu beurtheilen. Ueberdem ließ die Gewißheit, daß an den Ufern des
Zambesi-Flusses kein Holz zu erhalten ist, es nothwendig erscheinen,
möglichst viel Brennholz für unsern Dampfer »Pfeil« mitzunehmen,
wenigstens so viel, um Schupanga zu erreichen, wo solches wieder in
größeren Mengen vorhanden sein sollte.

Wie unter den Europäern das Fieber allmählig die Reihen lichtete, d.
h. sie für einige Zeit arbeitsunfähig machte, so kamen nicht minder
unter den Soldaten Krankheiten zum Ausbruch, die in einzelnen Fällen
tödtlich endeten; womit besonders nicht zu spaßen, war der Ausbruch
der Pocken unter den Suaheli. Diese Krankheit, in den Distrikten
Ost- und Central-Afrikas weit verbreitet, fordert jährlich viele
Opfer, und obgleich im Lager sofort eine Absonderung der Erkrankten
vorgenommen wurde, starben dennoch mehrere. Indeß die getroffenen
Vorsichtsmaßregeln verhinderten wenigstens eine Verbreitung der Seuche,
obwohl sie trotzdem immer wieder zum Ausbruch kam und Opfer forderte.

Wie erwähnt, warteten wir vergeblich auf die Ankunft des deutschen
Küstendampfers »Wißmann« (dessenwegen vom Major der Aufbruch der
Expedition um Tage verschoben worden war), der noch nothwendige Sachen
bringen sollte, die namentlich für den ersten Transport werthvoll
waren. Die Verzögerung war durch den Totalverlust des deutschen
Dampfers »Emin«, der auf offener See gesunken war, hervorgerufen;
erst als diese traurige Kunde zu uns gedrungen war, gab der Major
das nutzlose Warten auf und bestimmte den 14. Juli als den Tag des
Aufbruchs.

Ein reges Leben entfaltete sich in den Morgenstunden dieses Tages
im Lager -- Zelte wurden niedergelegt, Kisten und Kasten gepackt --
und als die Einschiffung auf Leichter und Boote begann, flog manches
Kommandowort hin und her, ehe jeder seinen Platz gefunden hatte;
namentlich die Ruderer und Soldaten mußten sich mit sehr geringem Raum
behelfen, was bei der großen Anzahl Menschen gewiß nicht angenehm war.

Kurz vor 3 Uhr Nachmittags rief die Trompete zum Sammeln und als die
Zurückbleibenden in Reih und Glied angetreten waren, hielt der Major
noch eine letzte Musterung ab; ein schnelles Abschiednehmen, ein
flüchtiger Händedruck, dann verließ mit dreimaligem Hurrah die kleine
Flotille den gastlichen Strand und ging einem ungewissen Schicksal
entgegen. Mancher sah an diesem Tage das blaue Meer zum letzten Male,
hörte das Brausen der Brandung deren Donnern wie Grüße aus der fernen,
fernen Heimath herüberklangen -- sollte doch die leichte Barke viele
nicht zurückführen zum unendlichen Ozean, sondern ihnen, fern im
Innern Afrikas, von Feindeshand gefallen oder vom tückischen Fieber
hingerafft, ein stilles vergessenes Grab bereitet werden, das keine
treue Hand je pflegen kann. Wohl keiner von allen, außer dem Major,
empfand die Bedeutung dieser Stunde so wie ich, war doch endlich das
Kommandowort »Vorwärts« gegeben, auf welches diese Expedition so oft
gewartet hatte, der, ebenso marschbereit wie heute, das Schicksal schon
zweimal ein »Zurück« zugerufen hatte.

Nun endlich das Vorwärts erklungen, wußte ich auch, daß, mochten die
Hindernisse noch so groß, die Mühen schwer sein, das angefangene Werk
unter Führung des Majors von Wißmann, vollendet werden würde.

Solange die Boote im Schlepptau des »Pfeil« mit halber Kraft gegen den
starken Strom vorwärts gezogen wurden (die Flotille bestand aus einem
Leichter, den beiden großen Sektionsbooten und einem Stahlboot des »H.
v. Wißmann«), ging die Fahrt leidlich gut von statten, als es aber
Volldampf vorwärts ging, war der Leichter mit dem provisorischen Steuer
nicht mehr zu regieren. Das Fahrzeug schoß bald rechts, bald links quer
durch den Strom, und jedesmal mußte die Fahrt des »Pfeil« vermindert
werden, um ein Kentern zu verhüten. Im engeren Fahrwasser, wo die
Ufer mit hohem Schilfgrase eingefaßt waren, fuhr der Leichter öfters
mit solcher Wucht in dieses hinein, daß es nur mit großer Anstrengung
gelang, ihn wieder frei zu machen.

Vorläufig freilich mußte an der einmal eingeführten Schleppmethode
festgehalten werden, zumal keine Zeit zu verlieren war, wenn wir noch
bis Abend die portugisische Hauptstation Sombo erreichen wollten.

Zu unserer linken Seite waren die Ufer steil und hoch, bis zum Rande
mit Bäumen und Gebüsch bewachsen, wo hindurch kleine Oeffnungen
zuweilen einen kurzen Blick auf halb verborgen liegende Ansiedelungen
der Eingebornen gestatteten. Noch mehr bekundeten Bananenpflanzungen
die Nähe eines Dorfes, und fast immer liefen auf das keuchende Geräusch
des Dampfers die halbnackten Bewohner herbei und steckten neugierig
ihre Köpfe durch die grünen Büsche, oder sammelten sich in kleiner
Anzahl auf der Uferböschung, um uns mit Händeklatschen zu begrüßen.
Solchen Gruß unterließen unsere Soldaten nicht zu erwidern; war das
Ufer nahe genug, flogen Zurufe hin und herüber, die meistens zur Folge
hatten, daß die Frauen bald aus dem Gesichtskreise verschwanden, die
derben Soldatenspässe schienen für die zarten Ohren der schwarzen Damen
selbst hier im Urbusch nicht passend zu sein. Zur rechten Seite hatten
wir dagegen dichtes Mangrovengebüsch, durchflochten mit Lianen, deren
schillernde Blüthen sich tief über das dahinrauschende Wasser neigten.
Verborgen im Schatten des Blätterdaches aber warteten der schwarze und
weiße Reiher, der rosasarbene Flamingo und andere Vogelarten ihrer
Beute. Zuweilen, als wären sie aus ihrer Ruhe gestört worden, sprangen
kleine Affenarten neugierig im Gezweige der Bäume hin und her, die
durch schallende Laute Erstaunen oder Furcht bekundeten, kamen wir
aber dem Ufer so nahe, daß die überhängenden Zweige Boot oder Leichter
streiften, dann flatterten erst die furchtlosen Vögel davon, um wenige
Schritte weiter dem ungewohnten Treiben wieder zuzuschauen.

Vor oder hinter uns tauchte auch bisweilen der Kopf eines oder mehrerer
Flußpferde auf, deren Prusten weithin hörbar, am nächsten mit dem
dumpfen Gegrunze eines Schweines zu vergleichen ist, auch berechtigt
höchstens der Kopf eines solchen plumpen Thieres die Bezeichnung
»Flußpferd«, sonst an Gestalt kommt es keineswegs dem Pferde nahe. Nach
kurzer Umschau verschwanden die Thiere meistens sehr bald, um plötzlich
an irgend einer anderen Stelle wieder hoch zu kommen, sie machten sich
auch stets durch das erwähnte Grunzen bemerkbar.

Auch Krokodile, verborgen im Schilf oder im Blattgewirr der Lianen, die
in träger Ruhe dicht am Ufer sich sonnten, wurden durch die Annäherung
der Boote aufgescheucht; oft machte uns erst der Ruf unserer Leute
»mamba« auf solchen gefährlichen Gesellen aufmerksam, der schnell die
Wasserfluth durchschnitt und in die Tiefe verschwand.

Die Schatten der Nacht begannen schon kurz nach Sonnenuntergang sich
über diese Urnatur auszubreiten, als vor uns in einer Biegung des
Chindearmes das portugiesische Settlement sichtbar wurde. Weit von der
Mündung des Zambesi, war hier eine verhältnißmäßig großartige Anlage
geschaffen worden, deren Hauptzweck die Erbauung von Kriegsfahrzeugen
ist, von denen eine Anzahl vor dieser Niederlassung zu Anker lag. (Es
ist bekannt, daß die beständig wechselnden Wasserverhältnisse des
Zambesi eine eigenartige Schiffskonstruktion bedingen, um auch bei
niedrigstem Wasserstande noch den Fluß befahren zu können und daher hat
man das Pontonsystem als das praktischste in Anwendung gebracht.)

Man könnte sagen, eine ansehnliche Flotte repräsentirt hier die
portugiesische Macht, indeß von einer Aktivität derselben haben wir
später auf unserem beschwerlichen Vordringen nichts bemerkt. Wüßte man
nicht, daß noch weit den Schirefluß hinauf, ja bis zu den Ufern des
Nyassa-Sees selbst, viel von diesem ungeheuren Gebiet in Portugals
Besitz wäre, so könnte man fast meinen, Englands weitreichender Arm
hätte auch hier schon die Herrschaft an sich gerissen, da nur Dampfer
unter englischer Flagge diese Flüsse beherrschen.

Zwar entwickelte sich zu jener Zeit der Verkehr auf diesen
Wasserstraßen erst allmählich; was aber die Entfaltung des Handels
gezeitigt, war englische Energie und englisches Kapital, und
ausnahmslos beherrscht heute in dieser Beziehung die englische Flagge
das weite Flußgebiet. Thatenlos sehen die Portugiesen dem Gebahren der
Engländer zu, denen sie in ihrem Besitz am Chindearm eine Freistatt
gewährt haben; Vortheil um Vortheil, den sie freilich in all den
Jahrzehnten ihrer Herrschaft nicht zu verwerthen verstanden haben, wird
ihnen aus den Händen gewunden, und fast scheint es, als können sie
sich nicht mehr aus ihrem Phlegma aufraffen, um der Gefahr entgegen
zu treten. Was aber wohl das Hinderlichste, das ist der eingewurzelte
Bureaukratengeist, der über seine Pflicht hinaus, für Fragen von so
weitgehender Bedeutung, als eine Handelspolitik sie mit sich bringt,
kein Verständniß hat.

Ein Beispiel reger Thatkraft, wagenden Unternehmungsgeistes, haben
die Engländer hier abermals aufgestellt, sie folgten den vom
Forschungsmissionar Lévingston vorgezeichneten Bahnen und faßten
allmählich festen Fuß. Ihr schneller Erfolg hat auch die Thatsache
bestätigt, daß, wenn erst Central-Afrika unter Kultur genommen ist, dem
jungfräulichen Boden noch große Reichthümer entnommen werden können.
Dieser internationalen Wasserstraße (Zambesi-Schire) aber sollten
deutsches Kapital und deutsches Unternehmen nicht zu ferne bleiben; das
mächtig sich entwickelnde weite Gebiet verspricht einem Konkurrenten
Englands noch große Vortheile, in Handelsbeziehungen sowohl, als auch
in politischer Hinsicht. Wird einst Englands starker Arm dem schwachen
Portugiesen zu mächtig, wäre es gut, unserm Vetter ein Halt gebieten
zu können; als berufener Konkurrent sollten wir je eher, je lieber den
nothwendigen Kampf aufnehmen! Dem Portugiesen bieten wir dadurch einen
starken Stützpunkt, denn sicherlich stellen sich Portugals Sympathien
auf unsere Seite, und daraus ergeben sich Vortheile von selbst. Der
englische Leu hält fest was er gepackt hat und seine Krallen sind
scharf; vergeblich sucht sich Portugal dieses Feindes zu erwehren
und dieser wird auch Portugals letzte Kolonie verschlingen, hebt
Deutschland nicht den Arm zum Schutz des Schwachen. Für diese erste
Nacht blieben wir vor Sombo vor Anker liegen.

Am nächsten Morgen, als zur frühen Stunde die Trompete wieder zum
Aufbruch rief, ließ der Major beim Schleppen der Boote insoweit eine
Aenderung nun eintreten, als letztere dicht am Heck des »Pfeil«
befestigt wurden und auch der Leichter an einem kürzeren Schlepptau
genommen wurde. Das gefährliche Ausgieren fand allerdings dadurch
eine bedeutende Einschränkung, indeß der Arbeit am Steuer war immer
noch nicht viel abgeholfen. Die Strömung, die Fluth also, zu unseren
Gunsten, brachte uns schnell vorwärts und eher als wir gedacht, war der
eigentliche Zambesi-Strom erreicht.

Hatte oberhalb Sombo urwaldartiger Baumwuchs beide Ufer des
Chinde-Armes eingefaßt, Dorf und Hütten der Eingebornen im dunklen
Grün verbergend, traten jetzt die Ufer weit zurück, bedeckt nur mit
dichtem Rohrgebüsch und hohem Gras; selten nur ragte an höher liegenden
Stellen die Fächerpalme über die weite Ebene hin. Ein Bild trostloser
Eintönigkeit gewährt der Anblick der gelben Fluthen, die sich dem Ozean
entgegenwälzen, und über welche die heiße Sonne brütete. Auf den träge
dahinziehenden Wassermassen schwammen Grasinseln und Baumsträucher;
den Wasservögeln ein willkommener Aufenthalt, trieben solche dem nahen
Meere zu, um in der tobenden Brandung oder in der endlosen Wasserwüste
zu verschwinden.

Es war um die neunte Morgenstunde, als wir den Zambesi erreicht
hatten, und sofort versuchten die durch Sandbänke eingeengte Einfahrt
zu passiren. Indeß alle Anstrengung war vergeblich. Der starke Strom,
noch verstärkt durch die bereits eingetretene Ebbe, konnte in der
schmalen Durchfahrt nicht überwunden werden und nach vergeblichen
Versuchen waren wir genöthigt, an der steilen Uferwand halt zu machen.
Der Aufenthalt war uns auch insofern willkommen, als wir ein wenig für
Leibesnothdurft sorgen und uns Essen kochen konnten, denn vom »Pfeil«
war während der Fahrt nichts zu erhalten gewesen, deshalb machten sich
unsere Leute mit den Bewohnern des nächsten Dorfes schnell bekannt und
veranlaßten sie, Hühner, Eier, Bataten etc. herbeizubringen. Uebrigens
die strenge Manneszucht, die unter den Soldaten aufrecht erhalten
wurde, war im weiteren Verlauf der Expedition ein großer Vortheil für
uns; keiner wagte dem Eingebornen etwas zu nehmen, was dieser nicht
freiwillig verkaufen wollte, und schon um des geringen Vortheils halber
brachten die Bewohner überall, wo wir mit denselben in Verbindung
traten, gerne Lebensmittel heran; denn schneller als wir vordrangen
lief das Gerücht von Dorf zu Dorf, daß die fremde Expedition nicht
marodire. Es scheinen also von portugiesischen Schiffsbesatzungen des
öfteren Anschauungen über das Mein und Dein vorgeherrscht zu haben,
die sich mit der Meinung der Eingebornen nicht in Einklang bringen
ließen, daher war die Ueberraschung bei den Uferbewohnern groß, weil
so viele Soldaten dem armen Neger sein geringes Hab und Gut nicht mal
anrührten, viel weniger wegnahmen. Kamen wirklich Streitigkeiten vor
und der Eingeborne beschwerte sich, oder ein Europäer sah, daß Unrecht
geschah, so wurde allemal zu Gunsten des Negers entschieden, ja selbst
bei schwereren Vergehen der Thäter hart gestraft.

Während des mehrstündigen Aufenthalts an diesem Orte machte ich auch
eine Streife durch das Dorf und fand Weiber und Kinder aufs eifrigste
beschäftigt, Mais und Mtamamehl herzustellen, und solches in möglichst
großen Mengen gegen ein paar Kupferstücke an unsere Soldaten zu
verkaufen. Was mich aber nach kurzer Umschau zu einer eingehenderen
Untersuchung verleitete, waren die bekannten Töne eines grunzenden
Borstenviehs. Selbstverständlich hegte ich den Wunsch, mir den Ort, von
wo die verlockenden Töne herkamen, sowie die Gesellen darin etwas näher
anzusehen. Verargen kann es mir wohl niemand, wenn die Hoffnung nach
dem Besitze eines Schweines sich in mir regte und ich schon mit der
Gewißheit rechnete, heute Abend am Lagerfeuer einen saftigen Braten für
uns zubereitet zu sehen, war es doch ziemlich lange her, seit wir uns
zum letzten Male an solchen Leckerbissen erfreut hatten.

Allein ich hatte mich gewaltig getäuscht und die Rechnung ohne den
Besitzer vorschnell aufgestellt. Zwischen den Hütten schließlich zum
primitiven Stall angelangt, der das Gesuchte enthielt, präsentirten
sich mir ein großes und zwei kleine Schweine, unter welchen ich mir
mit kundigem Blick, das Beste schnell aussuchte. Ahnungsvoll und um
seinen seltenen Reichthum besorgt, war der Eigenthümer mir auf dem Fuße
gefolgt und trat aus der Reihe der Neugierigen sofort hervor, als ich
den Nächststehenden zu verstehen gab, daß ich mir eines dieser Thiere
gerne mitnehmen möchte.

Der Besitzer nun, nachdem er seine Reverenz durch einen tiefen Bückling
und Kratzfuß gemacht hatte (diese äußere Ergebenheit haben die
Portugiesen den Eingebornen beigebracht, viel mehr nicht), erklärte,
daß er keines seiner Lieblinge verkaufen wolle, es seien die einzigen
im Orte und er will sie zur Zucht groß ziehen. Ich gab mir Mühe, seinen
etwaigen Irrthum, er könnte bei dem Handel zu kurz kommen und darum
nicht zuschlagen wolle, zu zerstreuen, ließ auch einen Dolmetscher
rufen und ihm einen verlockenden Preis bieten, Zeug oder Geld,
gleichviel; aber der Kunde blieb fest, obwohl er kaum jemals soviel
Geld sein eigen genannt hat, als ich ihm für den Handel bot.

Die Schweinchen mußten ihm wirklich ans Herz gewachsen sein, sonst
ist der Neger nicht so hartnäckig, wenn er auch lange feilscht, giebt
er schließlich für einen guten Preis doch sein Eigenthum fort. Genug,
ich war um einen saftigen Braten gekommen, den ich so gerne mit den
Gefährten getheilt hätte.

Bis 1-1/2 Uhr Nachmittags rasteten wir an der Einfahrt zum Zambesi
und versuchten darauf aufs Neue den zwar noch starken aber nicht mehr
so reißenden Strom zu passiren, was uns auch nach vieler Mühe gelang.
Nun zogen wir durch die schmutzig gelben Fluthen des breiten Stromes
hin und sahen hinter uns für kurze Zeit noch einmal den unbegrenzten
Horizont, von ferne klang es wie Wogenrauschen an unser Ohr, ein
letztes Grüßen vom ewigen Meer!

Bald traten die Ufer weiter zurück; namentlich zur Linken schienen sie
sich kaum merklich von der gelben Wasserfläche abzuheben und nur Schilf
und mächtige Rohrgebüsche bezeichneten die Grenze. Sandbänke, die wie
Inseln zerstreut lagen, engten die Fahrstraße ein, was zur Folge hatte,
daß wir zeitweise gegen starken Strom und Strudel ankämpfen mußten. Es
erforderte eine besondere Kenntniß, zwischen den Untiefen hindurch den
richtigen Weg zu finden, war doch auf der weiten Wasserfläche nichts,
was einen Anhalt gab, und meinte man, wo schnell fließender Strom sei
auch genügende Tiefe zu finden, war das Gegentheil der Fall. So lange
wir den Anweisungen unseres Lootsen folgten, hatten wir nur einige Male
uns durch Rückwärtsgehen von Wellsand frei zu machen oder mit voller
Dampfkraft hindurch zu arbeiten; indeß als einmal ein größerer Umweg
erspart werden sollte, den der Lootse für rathsam hielt doch zu machen,
hatten wir unser Besserwissen fast theuer zu zahlen.

Wir hatten nämlich den Leichter dicht hinter dem »Pfeil« an zwei Leinen
so befestigt, daß dieser nicht ausgieren, aber auch nicht ausweichen
konnte, als nun der Dampfer mit voller Kraft auf eine Untiefe auffuhr,
schossen alle Boote so aufeinander, daß das Vordertheil des Leichters
in das Heck des Dampfers fuhr und eine starke Verbiegung die Folge
war, das große Stahlboot dagegen dem Leichter ins Hintertheil lief und
diesem eine nicht geringe Beschädigung beibrachte. Zum Glück waren die
Eisenplatten so elastisch und die Verschraubung so gut, daß unter der
Wasserlinie keine Leckage entstanden war und wir nach halbstündiger
Arbeit unsern Weg fortzusetzen vermochten. Je weiter wir vordrangen, je
belebter wurde ringsum die Wasserfläche; auf stromabwärts treibenden
Sträuchern oder Grasflächen saßen weiße und schwarze Fischreiher
verborgen, die mit scharfem Auge nach Beute spähten. Fast nie von
Menschen gejagt oder belästigt, kennen diese Thiere keine Furcht, kaum
daß der Knall des Gewehres sie aus ihrer Ruhe aufscheuchte.

Fast auf jeder Sandbank, möglichst nahe dem Wasser, konnten wir
vereinzelte Krokodile in träger Ruhe liegen sehen, die bei der
Annäherung unserer Boote langsam in das nasse Element verschwanden.
Auffällig aber war, daß diese Thiere, wenn sie sich in der Mitte einer
Sandbank befanden, vorsichtig zum Wasser krochen, um, sobald sie Gefahr
witterten, oder eine Kugel in ihrer Nähe einschlug, sich mit der Kraft
ihres Schwanzes in das Wasser zu schleudern; und stets entgeht das
Thier dem Jäger, sofern es nicht zum Tode getroffen auf dem Flecke
liegen bleibt.

Nicht minder suchen die kolossalen Flußpferde die trockenen Stellen im
Strombette auf, um sich im heißen Sande der süßen ungestörten Ruhe zu
überlassen, bis die Nacht herniedersinkt und sie die Wanderung in die
weiten Grasgefilde antreten, wo sie große Massen des saftigen Grüns
verzehren. Sehr gesellig, lieben es die Flußpferde sich in größerer
Zahl, meistens in Familien getheilt, bei einander aufzuhalten. Mit
großer Sorgfalt hegt auch die Mutter das Junge, auf deren Rücken dieses
seinen ständigen Aufenthalt hat; ob im Wasser schwimmend oder in der
Nacht zur Weide trabend, immer wird das Kleine mit den verhältnißmäßig
sehr kurzen und plumpen Beinen am Halse der Mutter sitzen, die
ihr Junges stets gegen jeden Feind mit großem Muth vertheidigt.
Ernste Renkontre mit den Flußpferden haben mich die Eigenart dieser
Thiergattung kennen gelehrt, und im Laufe der Erzählung werde ich
verschiedentlich darauf zurückkommen.

Zuweilen führte uns unser Weg nahe dem Ufer zur linken Seite; und
hatten wir hin und wieder schon einzelne Schaaren großer Vögel passirt,
so nahmen solche an Orten, wo das Ufer ganz flach auch zum Theil
mit Wasser ganz bedeckt war, beträchtlich zu. Man könnte sagen, wie
aufmarschirte Bataillone standen langbeinige Reiher, weiß und schwarz,
rosa Flamingos, Kranicharten, unbeweglich am Rande des tieferen Wassers
und warteten mit stoischer Ruhe auf ihre Beute. Näherten wir uns den
Schaaren, stimmen diese ein lebhaftes Konzert an, und die meisten der
Thiere erhoben die gewaltigen Flügel, um solche durch Flattern mit
Luft zu füllen. Aber erst einschlagende Kugeln zwangen sie, sich in
die Lüfte zu erheben und einer schwarzen Wolke gleich, flatterten die
Hunderte mächtiger Vögel empor. Jede Art für sich, kreisten sie dann
kurze Zeit, um sich am selben Orte, oder, wenn das Ufer ober- und
unterhalb gleich günstig war, in kurzer Entfernung wieder nieder zu
lassen.

Mit Schrot waren der zu großen Entfernung halber die eßbaren
Vogelarten, als Gänse, Enten nicht erreichbar; eine Kugel in solche
Schaaren geschossen, meist zwecklos; wollten wir aber, wenn sich
eine günstige Gelegenheit bot, den Thieren nahe genug kommen, um
einige zu erlegen, so hätte es größeren Aufenthalt erfordert, wozu
uns die eigenartige Beschaffenheit des Flusses, dem wir unsere ganze
Aufmerksamkeit zuwenden mußten, keine Zeit ließ. Ist hinter Berg und
Wald der letzte Strahl der scheidenden Sonne entschwunden, kommt in
den Tropen schnell die Nacht herauf, daher hatten wir auch bei Zeiten
uns nach einer günstigen Anlegestelle umzusehen, und an einer öden
Grasfläche des niedrigeren Ufers zu unserer Rechten gelang es, die
Boote anzulegen.

Nach gethaner Arbeit entfaltete sich darauf am Ufer ein bunt bewegtes
Leben; Zelte wurden aufgerichtet, Grasflächen mit Faschinenmesser
niedergemäht, alles Nothwendige für die Nacht aus den Booten
herbeigeschafft, und nicht eher hatte das Hin- und Herrennen ein Ende,
als bis die Lagerfeuer angezündet und jeder mit der Zubereitung des
frugalen Abendessens beschäftigt war.

Meistens, um den unvermeidlichen Trubel zu entgehen, zog der Major
späterhin es vor, sofort nach erfolgter Landung eine Jagdstreife zu
unternehmen; kehrte er zurück, mußte inzwischen das Lager für die Nacht
hergerichtet, Posten ausgestellt und das Abendessen bereitet sein.

Der Umstand, daß hier noch starke Ebbe und Fluth bemerkbar war,
erforderte in dieser Nacht strenge Aufsicht bei dem Leichter und
den Booten, damit diese sich nicht bei fallendem Wasser auf dem
abschüssigen Grunde auffingen. Aber so klar und deutlich auch die
Posten instruirt worden waren, so saßen die Boote gegen Mitternacht
doch alle fest, und was bei geringer Achtsamkeit mit wenigen Leuten
hätte ausgeführt werden können, durch Abschieben vom Ufer mittelst
Stangen die Fahrzeuge frei zu halten, erforderte nun, nachdem ich
mich bei einem Rundgange von der Unachtsamkeit überzeugt hatte, die
Anstrengung aller unserer Bacharias. Die Leute mußten schließlich in
das Wasser und so, gegen Grund und Bord sich stemmend, die Boote wieder
flott machen.

Das rapide ablaufende Wasser machte es nöthig, daß während des Restes
dieser Nacht Europäer die Wache übernahmen und auf ein fortwährendes
Abbäumen vom Ufer acht geben mußten.

Die frühe Morgenstunde, als die Trompete zum Aufbruch rief, fand
fast alle müde und ermattet; nach solcher Nacht war es kein Wunder,
daß wir uns abgespannt und marode fühlten, konnte doch keiner sagen
von denen, die im Freien hatten wachen müssen, ihm wäre behaglich zu
Muthe gewesen. Empfindlicher noch war das Entbehrenmüssen des warmen
Kaffees, der wenigstens die Lebensgeister etwas aufgefrischt hätte,
aber Gras und Holz vom starken Regen durchnäßt, wollten absolut nicht
brennen und Zeit zu neuen Versuchen hatten unsere Diener nicht, denn
sobald das Zelt des Majors zusammengelegt worden war, mußte auch alles
zur Abfahrt bereit sein.

Die schlechten Wasserverhältnisse auf dem Zambesi hatten uns
gelehrt, vorsichtig zu sein, und um nicht wieder durch plötzliches
Aufgrundfahren unsere Boote zu gefährden, wurden sie nun dicht am
Hintertheil des »Pfeil« befestigt; ebenso um ein Zusammengieren der
Fahrzeuge zu verhindern, wurden sie mittelst starker Ruder in einem
bestimmten Abstand von einander gehalten.

Auf dem Flusse lagerten anfänglich leichte Nebel, die zwar nicht dicht
genug, um uns an der Weiterfahrt zu hindern, aber doch die Fernsicht
beschränkten, und mit größerer Vorsicht suchten wir zwischen Sandbänken
oder längs dem Ufer uns den Weg. Mühselig war das Vordringen; bald saß
der »Pfeil« auf einer Bank fest und arbeitete sich Volldampf rück-
oder vorwärts darüber hinweg, bald fuhr er dicht unter dem steilen
Ufer gegen eine starke Strömung mit seiner Last, und unausgesetzt war
die größte Achtsamkeit erforderlich. Die hohen Ufer boten in ihrer
Eintönigkeit nichts besonderes dar, nur hohes Rohr und Gras, seltener
Baum und Strauch unterbrachen das Einerlei der öden Landstrecken,
dafür aber war diese Oede desto belebter durch die verschiedensten
Thierarten, und je weiter wir vordrangen, desto mannigfaltiger
entfaltete sich die überreiche Fauna Central-Afrikas.

Es war um die Mittagsstunde des 16. Juli, als wir von ferne auf einer
größeren Sandbank im Flusse eine beträchtliche Anzahl Flußpferde
erblickten, die trotz unserer Annäherung keine Anstalten trafen, ihren
bequemen Ruheplatz zu verlassen, ebenso lagerten große Krokodile in
friedlicher Gemeinschaft mit diesen Kolossen am Rande des Wassers
und schienen ebensowenig Lust zu haben, den wohlthuenden heißen
Sonnenstrahl mit dem kälteren Wasser zu vertauschen.

Die Ruhe dieser Thiere bewog den Major, in der Nähe der Sandbank
halten zu lassen und eine Art Kesseltreiben zu veranstalten; denn
soweit vorauszusehen war, konnten wenigstens die Flußpferde nur über
flacheres Wasser entkommen und waren vorerst den sicheren Kugeln
preisgegeben. Mit dem kleinen Stahlboot landete der Major und begann
ein wirkungsvolles Feuer auf jedes der Thiere, das seinen Kopf, vor
Wuth brüllend, über dem Wasser erhob.

Allein die Klugheit dieser Flußpferde hatten wir doch unterschätzt;
einen tieferen, wenn auch nur schmalen Ausgang hatten sie sich zum
Entkommen freigehalten, und unter dem Boote weg, entzogen sie sich
der Verfolgung. Zwar war der Major überzeugt, daß mindestens eins
der Thiere nach kurzer Zeit eingehen würde, dann aber hätten wir im
leichten Boot der Heerde flußabwärts folgen und drei Stunden warten
müssen, um des nach dieser Zeit an die Oberfläche kommende Flußpferd
habhaft zu werden.

Die Hoffnung, durch Erlangung eines der Kolosse, dem gänzlichen Mangel
an Fleisch, namentlich zu Gunsten unserer Leute, abzuhelfen, war eine
irrige gewesen, selbst wir Europäer würden schwerlich ein saftiges
Stück verschmäht haben. Solch ein Kiboko ist für den Neger eine
besondere Delikatesse, und würden in Gegenden, wo diese Flußpferde für
die Ansiedelungen der Einwohner eine große Plage sind, den Eingebornen
gute Waffen zur Verfügung stehen, die Verminderung dieser Thiergattung
würde schnell vor sich gehen.

Sehr gerne würden die Soldaten mit einem »Mamba« (Krokodil) vorlieb
genommen haben, wenn sie ein solches am Lagerfeuer unter sich hätten
vertheilen können, und wo immer die Möglichkeit vorlag, eines dieser
Unholde zur Strecke zu bringen, wurde dem geäußerten Wunsche der
Leute entsprochen, allein es wollte nicht gelingen, selbst durch
vortreffliche Kopfschüsse diese gewaltigen Thiere auf der Stelle
zu tödten. Uebrigens ist dem Krokodil von der Vorsehung auch ein
bestimmter Posten angewiesen worden, nämlich insofern, als es als
Revierpolizei die Flüsse von allem Unrath reinigt; seine Gefräßigkeit
ist derart, daß es mit allem vorlieb nimmt, todtes oder lebendes
Gethier, namentlich den Fischen ist es ein gefährlicher Gegner und man
kann stets auf Fischreichthum schließen, wo das Krokodil in größerer
Anzahl sich aufhält.

Suchte das oft 5 bis 6 Meter große Thier seine Nahrung nur in den
Flüssen, würde es nicht so gefürchtet sein; es weiß indeß mit Arglist
das harmlose zur Tränke kommende Wild, sowie sehr häufig den Menschen
zu beschleichen. Häufig, wenn das Krokodil seine Beute nicht mit den
Zähnen fassen kann, was der Fall ist, wenn das Wasser am Ufer zu tief,
so daß es mit den Füßen keinen Stützpunkt finden kann, schlägt es
unerwartet mit dem Schwanze Mensch oder Thier vom Ufer und verschwindet
mit ihm in die Tiefe. Welch ein Kampf um solche Beute dann zwischen den
Räubern vor sich geht, kann man wohl kaum ahnen.

Noch hatten wir zwar keine trüben Erfahrungen gemacht, jedoch sollten
uns solche im Laufe der Zeit auch nicht erspart bleiben; Ursache genug,
diesem gefährlichen Räuber nach Möglichkeit den Krieg zu erklären,
hatten wir, ohne auch daß ein direkter Verlust uns betroffen hätte.
Wer einmal das Jammergeschrei der Eingebornen, denen der Unhold ein
Kind oder Angehörige weggeraubt, mit angehört hat, legt mit besonderer
Genugthuung die Büchse an, um einem solchen das Lebenslicht
auszublasen.

Die Wahrnehmung, daß wir aus dem Bereich der Ebbe und Fluth gekommen
waren, ließ uns der nächsten Nacht zufriedener entgegensehen und, als
wir bis Nachmittag 4-1/2 Uhr, nach manchem unliebsamen Aufenthalt,
gedampft, legten wir oberhalb vom Orte Inhamcombe (wie der Lootse
diese Gegend bezeichnete) an. Bisher hatten wir nur öde von der heißen
Sonne ausgedörrte Gras- und Rohrflächen passirt, nun aber schien es,
als sollten wir bald wieder Dörfer und Menschen ansichtig werden;
wenigstens sicherte uns der kundige Lootse die Erlangung von frischem
Proviant zu, wenn er zum Einkauf ausgesandten Leuten als Führer dienen
würde.

Recht wohlthuend und allen willkommen war die erste angenehme
Nachtruhe, welche uns seit der Abreise von Chinde beschieden war,
desto mehr nutzte sie ein Jeder aus, hatten doch alle bereits die
Ueberzeugung gewonnen, daß wir die Fahrt auf dem Zambesi auch fernerhin
nicht als eine Lusttour würden betrachten können, sondern ernste
Arbeit, die viel Geduld und Aufopferung erforderte, unser beständiges
Loos sein würde.

Fraglos war die feste Energie unseres Führers, der nur ein Vorwärts
kannte, der beste Stützpunkt, lehrte er uns doch im Kampfe mit den
Widerwärtigkeiten und Hindernissen durch sein Beispiel fest auf die
eigene Kraft zu vertrauen; Besonnenheit und schneller Entschluß im
Handeln wurden die Triebfeder zur großen That.

Ehe noch am frühen Sonntagsmorgen die goldene Sonne über dem Horizont
emporgestiegen war, leichte Nebel über den unabsehbaren Grasflächen
noch gespenstig hin und her wogten, hatte der Ruf der Trompete, deren
Klang schmetternd in die Weite getragen wurde, die Schläfer aus süßer
Ruh' geweckt; Früh auf war die Parole und Vorwärts das Kommando. Auf
der Weiterfahrt näherten sich die Ufer des Zambesi zuweilen bis auf 200
Meter, dann aber waren sie steil und hoch, zwischen denen der Strom
mit tieferem Wasser mächtig dahinschoß; schwer kämpfte der »Pfeil« mit
seiner Last gegen die wirbelnden Fluthen, und ehe solche Verengung
des Flußbettes durchfahren war, vergingen Stunden. Traten die Ufer
aber wieder zurück und verflachten, begann aufs Neue das mühselige
Hindurchwinden zwischen Sandbänken und Untiefen.

An diesem Tage sahen wir zuerst wieder zwischen kleinen Bananenwäldchen
verdeckt liegende Hütten der Eingebornen; neugierig lugten die
schwarzbraunen Gesichter durch das schützende Grün, bis sie zu Haufen
eilend, mit Rufen und Händeklatschen uns ihren Gruß entboten. Fremd war
ihnen die Flagge, welche von den Masten unserer Boote wehte, fremd das
Schauspiel, soviel uniformirte Soldaten zu sehen, deren Sprache sie
nicht verstanden, und waren wir in Rufweite forderten sie Aufklärung
von ihrem Landsmann, dem Lootsen; was dieser ihnen aber auch in wenig
Worten erklären mochte, das Verständniß fehlte ihnen doch dafür. Zur
Aufmunterung ließ der Major zuweilen Hornist und Trommler eingeübte
einfache Weisen spielen; mehr noch als uns schien die Musik die
Eingebornen zu erfreuen und weit stromaufwärts folgten die jungen Leute
solchen nie gehörten Klängen, während altersschwache Greise und junge
Kinder sehnsüchtigen Blickes den Fremdlingen nachschauten, bis die
Klänge verhallt oder die Flottille ihren Augen durch eine Krümmung im
Flusse entschwunden war.

Wie erwähnt, hatten wir uns zur Vorsorge in Chinde reichlich mit
Brennholz für den »Pfeil« versehen, allein damals ahnten wir nicht,
wie groß die Hindernisse und mit welchen Mühen ein Vordringen auf
dem Zambesi verbunden sein würde, nun der Mangel eintrat (wir aber
noch fern von der Station Schupanga), waren wir gezwungen, nach neuem
Brennmaterial Umschau zu halten. In früher Nachmittagsstunde legten
wir daher an einer Stelle des hier flacheren, aber mit Baumwuchs
reichlicher bestandenen Ufers fest und sofort, mit Aexten und Beilen
versehen, zogen die Soldaten truppweise unter Führung ihrer Schauchs
(Unteroffiziere) aus, um nach Möglichkeit Holz herbeizuschaffen. Nach
der Quantität war der Ertrag ein guter, allein die Qualität ließ viel
zu wünschen übrig; indeß konnten wir noch zufrieden sein, wenigstens
die Aussicht auf ein Vorwärtskommen nicht eingeschränkt zu sehen.

Es war bisher jeden Abend eine Musterung unserer Leute vorgenommen
worden, theils zum Zweck, ob auch alle vorhanden, theils ob sich nicht
Gebrechen oder Krankheiten unter den Leuten entwickelt hätten; war
doch eine Befürchtung, daß die Pockenepidemie abermals zum Ausbruch
kommen könnte nicht unbegründet, daher wurde auf den Gesundheitszustand
besonders acht gegeben. Ueberrascht und mehr noch erschreckt wurden
wir, als an diesem Abend es sich herausstellte, daß einige Suaheli, die
nicht zur Arbeit angetreten waren, sich auch der Beachtung entzogen
hatten, im Leichter krank am Fieber darnieder lagen. Eine sofort
angestellte Untersuchung ergab, daß vier Mann bereits schwer an den
Pocken erkrankt waren. Sofort wurde von Seiten des Majors eine große
Reinigung angeordnet, das Zeug der Kranken verbrannt und diese selbst
nach Möglichkeit von allen ihren Kameraden isolirt.

Empfänglich für die verheerende Krankheit waren vor allen die
Sansibariten, und als ein besonderes Glück konnten wir es betrachten,
diese Seuche keine weitere Ausbreitung annehmen zu sehen, als nur unter
den Suaheli. Der Grund dafür war wohl in der strengen Abgeschiedenheit
zu suchen, welche die Somali, Sudanesen, Abessinier untereinander
beobachteten, die namentlich keine gemeinsamen Mahlzeiten und
Lagerstätten theilten. Die Gefahr war indeß nicht zu unterschätzen,
vielmehr konnte der schlimmen Seuche, trotz großer Vorsicht, eine
größere Verbreitung zugemuthet werden, was aber menschliches Können
unter solchen Verhältnissen vollbringen konnte, geschah, um nach
Möglichkeit der Verbreitung entgegen zu treten.

Eine Aussetzung der Erkrankten, welche unter diesen Umständen das
Richtigste gewesen wäre, lag leider nicht im Bereich des Möglichen,
denn unzweifelhaft wären sie mit der umwohnenden Bevölkerung doch
in Verbindung getreten, die Folgen dann aber unabsehbar, hätte die
Epidemie zahllose Opfer gefordert und wer konnte die Betroffenen
retten! waren wir doch selbst machtlos dagegen.

Regenschwere Wolken verhüllten uns am nächsten Morgen des Himmels
Angesicht, ein trüber regnerischer Tag mit all dem Unangenehmen,
welches ein solcher im Gefolge hat, lag vor uns, naß und kalt,
konnten wir fast unsere Stimmung mit dem höchst unfreundlichen
Wetter vergleichen. Nach einer nicht minder schwierigen Weiterfahrt,
voll Hemmungen und Widerwärtigkeiten, legten wir schließlich, als
der Tag zur Neige ging, an einer öden Uferstelle fest; vergeblich
hatten wir nach Bäumen Umschau gehalten, und da unser Holzvorrath
längst verbrannt, war ein Vorwärtskommen nur noch mit unserm kleinen
Kohlenbestand möglich gewesen.

So glücklich wie am Tage vorher waren wir nicht; nur die trockenen
Blätter der Fächerpalmen schleppten die Leute herbei, welche zur Suche
in die weite Grasebene ausgesandt worden waren. Zwar geben die Blätter
einen vorzüglichen Brennstoff und entwickelten eine große Hitze, jedoch
wie bedeutend auch der Vorrath, in dem glühenden Feuerschlund des
Dampfkessels zehrte die Flamme diesen nur zu gierig auf.

So unfreundlich wie der Tag, so ungemüthlich war die Nacht, aber nicht
bloß der Mensch allein empfand die Unbill der Witterung und fühlte sich
unbehaglich, auch den wilden Thieren, welche nächtlicher Weile ihrer
Beute nachgehen, schien das vom Regen triefende Gras nicht sonderlich
zu behagen. Stimmen, die wir bisher nicht gehört, hallten durch die
Stille, das Lachen der Hyäne nahe und deutlich vernehmbar, gab uns die
Gewißheit, daß dieser unheimliche Gast das Lager umkreise, hingegen das
dumpfe Bellen in der Ferne ließ uns die Anwesenheit des gefährlicheren
Leoparden vermuthen.

Indeß der etwas freundlicher anbrechende Tag machte uns bald das
schlechte Quartier vergessen und froher gestimmt begann in aller Frühe
das Tagewerk. Wir hofften, heute, am 19. Juli, die Station Vicente noch
erreichen zu können, sofern unser gesammeltes Brennmaterial und unsere
wenigen Kohlen ausreichen sollten; wir fuhren durchschnittlich mit 10
bis 12 Atmosphären Druck, welch' hohe Dampfspannung oftmals nöthig
wurde, um den »Pfeil« mit seiner Last durch die reißende Strömung
hindurch zu bringen.

Wie immer, bot sich auch heute günstige Gelegenheit, den träge auf
den Sandbänken liegenden Flußpferden und Krokodilen wohlgezielte
Kugeln zuzusenden, allein der Jagdeifer hatte sich durch die bisherige
Erfolglosigkeit gewaltig abgekühlt, und verlockte nicht ein zu
sorgloses Thier, das in nächster Nähe neugierig den Kopf über Wasser
hob, den Major einen Schuß zu wagen, unterblieb das Feuern meistens
ganz. Erst als der Major mit einem Kleinkalibergewehr, dem Sergeanten
Bauer gehörig, ein großes Krokodil aufs Korn genommen hatte, blieb das
Thier unter Feuer liegen. Das Rückgrad durchschossen, hatte das Thier
nicht mehr die Kraft, seinen schweren Körper zum schützenden Wasser
zu schleppen, nur mit dem Schwanze peitschte es den Sand und riß den
gewaltigen Rachen weit auf.

Ein Jubelschrei ertönte aus vielen Kehlen, als endlich die Aussicht
vorhanden war, frisches Fleisch zu erhalten; schneller wie gewöhnlich,
war das kleine Stahlboot längsseit, bemannt, und fort ging es die
willkommene Beute zu sichern. Drei wohlgezielte Kopfschüsse waren
indeß noch nöthig, ehe das mächtige Thier sein zähes Leben endete,
das alsdann in das Boot geschleift wurde. Nun konnten wir uns den
gefährlichen Räuber aus nächster Nähe betrachten, dessen furchtbares
Gebiß namentlich allen Respekt einflößte. Und zieht man den Muskelbau
des festumpanzerten Thieres in Betracht, kann man wohl voraussetzen,
daß solche Kinnladen, mit über vier Centimeter langen Zähnen bewaffnet,
alles zermalmen was dazwischen geräth.

Es mochte etwa drei Uhr Nachmittags geworden sein, als wir in einem
rechts abbiegenden Flußarm die Station Vicente vor uns liegen sahen.
Der kleine Häuserkomplex, der diesen Namen trug, bestand nur aus
zwei nach afrikanischer Art errichteten Wohnhäusern und mehreren aus
Thon und Gras erbauten Nebengebäuden, sonst ließe sich eher auf das
nebenliegende Dorf dieser Name anwenden, obwohl in diesem unkultivirten
Lande jede Niederlassung eines Europäers die Bezeichnung Station zu
tragen pflegt.

Wie so häufig, hatte auch hier der Zambesi-Fluß, wenn in der Regenzeit
seine Fluthen kein Hinderniß kennen, sich vor längerer Zeit ein neues
Bette gegraben und dadurch eine Insel gebildet, an derem steilen Ufer,
nahe der Mündung des alten Fahrwassers, wir eine Anlegestelle suchten.
Die Station, an dem alten jetzt nicht schiffbaren Strombette gelegen,
war nur mittelst Boote zu erreichen. Deshalb holten wir die Fahrzeuge
möglichst in stilleres Wasser, und zwar an eine Stelle, wo die 15
Fuß hohe Uferbank nicht allzu senkrecht abfiel, auch ein Erklimmen
derselben noch möglich war.

Der Umstand, daß nun gänzlicher Mangel an Brennmaterial eingetreten
war, machte es schon zur Nothwendigkeit, hier wenigstens einen
Tag Rast zu halten, weil eine schnelle Ergänzung wohl nicht gut
angängig sein würde. Einen Tag der Ruhe konnten wir aber als eine
willkommene Gunst betrachten, nöthig that es sehr mal wieder
gründliche Reinlichkeit und Ordnung auf den Booten herzustellen,
um so mehr, da der Major die Absicht hatte, so weit wie möglich
vorzudringen; wenigstens den Wunsch äußerte, die in der Ferne gesehenen
Moramballa-Berge im Schirefluß, noch zu erreichen, ehe ein Hauptlager
und Depot errichtet würde.

Sein Befehl lautete denn auch dahin, ehe er den in Vicente ansässigen
Portugiesen seinen Besuch machte, daß das Lager für einen längeren
Aufenthalt hergerichtet würde. Und als der nächste im Kommando,
schaffte ich im Leichter, der speziell unter meiner Aufsicht stand, in
welchem auch alle Soldaten Unterkunft gefunden, gründliche Ordnung.
Wie an jedem Tage, wenn wir Rast gemacht hatten, so war es auch hier
nöthig, erst mit dem Faschinenmesser das hohe Gras nieder zu hauen, um
Platz für die Zelte zu schaffen, die auch mit einer kleinen Furche im
Erdboden umgeben werden mußten, damit bei etwaigem Regen das Wasser am
Eindringen verhindert werde.

Das Nothwendigste indes war, sobald die Soldatenzelte herausgeschafft
worden waren, entfernt vom Lager einen Platz zu suchen, wo ein solches
für Pockenkranke aufgerichtet werden konnte; sollten doch laut
Bestimmung des Majors die Kranken unter Aufsicht eines Suaheli, der
früher schon diese Krankheit überstanden und somit keine Ansteckung zu
befürchten hatte, auf dieser gänzlich unbewohnten Insel zurückgelassen
werden. Ein günstigerer Ort konnte so leicht nicht gefunden werden, und
siegte die Natur überhaupt über diese den Körper verheerende Seuche, so
waren derselben hier die beste Unterstützung, kühle frische Luft und
unbedingte Ruhe, gegeben. Meines Wissens kehrte aber nach Wochen, von
einem späteren Transport abgeholt, der Wächter allein zurück, nachdem
er seinen Kameraden dort ein einsames Grab gegraben hatte.

Nachdem den Soldaten freie Zeit zum Abkochen gegeben war, holten sich
die Sudanesen das vom Major am Morgen erlegte Krokodil und begannen mit
der Zerlegung des über drei Meter langen Thieres. Jedoch als es zur
Vertheilung kam, wollten auch Suaheli und andere ihren Antheil haben
und, um den entstandenen Streitigkeiten ein Ende zu machen, mußte ich
jeder Abtheilung das Ihrige zuweisen. Besonders schienen die Sudanesen
die Eier, von denen eine beträchtliche Anzahl im Körper des Thieres
vorhanden waren, zu schätzen, denn eher ließen sie ein gutes Stück
Fleisch fahren, als daß sie in eine Vertheilung derselben einwilligten,
auch sprach ich sie ihnen um so eher zu, da sie doch die Arbeit der
Zerlegung sich unterzogen hatten.

Die Gewohnheit des Negers von einem Thiere absolut nichts weiter
übrig zu lassen als Haut und Knochen, bewog auch Einzelne den Magen
des Krokodils einer näheren Besichtigung zu unterziehen. Kleine
und größere, fast unledirte Fische, war das erste Ergebniß dieser
Untersuchung, dann kamen noch haselnuß-große Steine, Glasperlen und
messinge Armringe zum Vorschein. Diese letzten Funde machten es zur
Gewißheit, daß dieses Thier vor längerer Zeit ein argloses junges
Mädchen oder Weib vom Ufer geraubt hatte und mit seiner kostbaren Beute
sich jeder Verfolgung zu entziehen gewußt hat.

Die Eingebornen sind gegenüber diesem schlimmen Feinde in der That
vollständig machtlos. Ihre scharfen Pfeile vom straffen Bogen
geschnellt, die jede Haut eines anderen Wildes durchdringen würden,
prallen auf dem festen Panzer des Krokodil machtlos ab; selbst wo
ihnen Feuerwaffen zur Verfügung stehen sind diese doch von solcher
Beschaffenheit, daß die Kugel nur im glücklichsten Falle dem
Menschenräuber eine Wunde beizubringen vermag.

Die Entdeckung, daß das Krokodil besonders wählerisch in Betreff
seiner Nahrung gewesen war, hielt die Leute nicht weiter ab, das
Fleisch des Thieres nach ihrer Methode sorgfältig zuzubereiten, was
gewöhnlich in der Weise geschieht, daß es am Feuer oder in der heißen
Asche geröstet wird. Soviel war gewiß, der größte Theil unserer Leute
erfreute sich eines delikaten Abendessens, »geräuchertes und gekochtes
Krokodilfleisch«, während wir Europäer mit Conserven vorlieb nahmen,
die unserm verfeinerten Geschmack besser mundeten.




        2. Bis zum Lager von Ntoboa und die Erbauung desselben.


Die Entdeckung und der befundene Beweis, daß die gepanzerten Unholde
so kühne Menschenräuber sind, sollte manchem der Krokodile von unserer
Seite Verderben bringen, und als ein Gaudium betrachteten wir es, wenn
durch einen guten Schuß solch ein mächtiges Thier todeswund sein Heil
in der Flucht suchte, oder auch auf der Stelle getödtet, als Trophäe in
das Lager geschleppt wurde. Viel Unheil haben sie auch uns zugefügt,
mancher unserer Leute wurde ein Opfer eigener Unachtsamkeit und eine
Beute der gefrässigen Räuber, indes abgesehen von denen die ich selbst
geschossen, hat jedes Mitglied der Expedition mehr oder weniger den
Krokodilen nachgestellt und jeder Menschenraub ist an ihnen furchtbar
gerächt worden.

Die Bemühungen des Majors in Vicente Proviant und Holz zu erhalten,
waren von gutem Erfolg gekrönt; schon am nächsten Morgen brachten
Eingeborne Canoes mit Brennmaterial und schließlich lebendes Vieh,
als Schafe und Ziegen. Aus den Aeußerungen des Majors aber war zu
entnehmen, daß die Portugiesen die Gelegenheit beim Schopf genommen
und sozusagen mit Gold sich ihre Gefälligkeit hatten aufwiegen lassen.
Am 21. früh, nachdem noch großer Apell angesagt und abgehalten, die
zurückbleibenden Kranken und ihr Wärter genügend mit Proviant versehen
worden waren, setzten wir unsere Fahrt flußaufwärts mit frischem Muthe
fort.

Voraussichtlich, wenn nicht zu große Hindernisse zu überwinden waren,
konnten wir an diesem Tage noch Schupanga erreichen. So weit wie der
Fluß für den vier Fuß tiefgehenden »Pfeil« befahrbar war, ging es denn
auch Volldampf vorwärts; wir konnten rechnen, als um 3 Uhr Nachmittags
die Häuser der portugiesischen Station in Sicht gekommen waren, nach
kurzer Zeit diesen Ort zu erreichen. Ein Creek, der zur Rechten in den
Fluß mündete und ein Arm des Hauptstromes war, (hier ebenfalls wie bei
Vicente unter denselben Verhältnissen ein Inselgebilde hat) hatte aber
durch vorgeschobene Sandbänke, welche durch die Kreuzung der beiden
Strömungen entstanden waren, in dem über tausend Meter breiten Flußbett
nur eine sehr schmale Wasserstraße freigelassen, durch deren Windungen
der »Pfeil« mühsam geleitet werden mußte.

Immer noch war es uns bisher gelungen, unter anscheinend ebenso
schlechten Verhältnissen den »Pfeil« und die Boote hindurch zu bringen,
hier jedoch schien jeglicher Versuch vergeblich zu sein; wieder und
wieder rück- und vorwärts arbeitete die Maschine mit aller Kraft, nach
Stunden hatten wir kaum einige hundert Meter gewonnen. Endlich, nachdem
wir bis oberhalb der Mündung des Creeks gelangt waren, und unmittelbar
unter der hohen steilen Uferbank der erwähnten Insel tieferes Wasser
gefunden hatten, glaubten wir das Schlimmste überwunden zu haben; indes
war die schmale Fahrstraße auch tief, so konzentrirte sich hier die
ganze Kraft der Strömung und unser Dampfer, gehemmt durch seine Last,
war nicht im Stande diese zu überwinden.

Wie oft wir auch die Versuche erneuerten, mit der zulässig höchsten
Dampfspannung die Maschine arbeiten ließen, kamen wir doch nur bis zu
einem bestimmten Punkt, an welchem der Wirbelstrom so rasend war, daß
er Dampfer und Boote im Kreise drehend, augenblicklich aus dem Kurse
schleuderte und mit sich hinweg riß; erst in ruhigem Wasser gelang es,
Dampfer und Boote wieder gegen den Strom zu richten. Schon zogen die
Schatten der Nacht herauf und mahnten uns bedacht darauf zu sein, ein
Nachtquartier zu suchen; aber vor uns die wilde Strömung, hinter uns
Sandbänke und flaches Wasser, war es unmöglich das Land zu erreichen.
Aufs Neue ging es vorwärts, wir sollten und mußten hindurch; mit langen
Bambusstangen stand die Mannschaft auf allen Booten zum Schieben bereit
und auf ein gegebenes Zeichen tauchten die Stangen in die Tiefe,
Menschenkraft vereint mit Dampfkraft suchte Herr der rasenden Strömung
zu werden! Alles vergeblich, aus dem Kurse gedrängt lagen Dampfer und
Fahrzeuge im Augenblick breitseits im Strome, jeder verzweifelten
Anstrengung spottend und trieben machtlos den Sandbänken zu.

Was bei früheren Versuchen uns dieser Gefahr entgehen ließ, war der
Umstand, daß jedes Mal die Strömung den Dampfer nach der offenen
Wasserseite zu abgedrängt hatte und mit vorwärts arbeitender Schraube
konnten wir so den Untiefen entgehen. Dieses Mal jedoch riß der
Wirbelstrom die Fahrzeuge rechts herum; das Vordertheil des Leichters
nun an das Ufer gedrängt, verursachte eine große Hemmung, und da die
rückwärts arbeitende Maschine nicht im Stande war, diese zu überwinden,
so lagen wir in wenig Minuten auf einer Untiefe in der Mündung des
Creeks so fest, daß ein Abbringen der Boote die größten Schwierigkeiten
machen mußte. Langes Besinnen in dieser schlimmen Lage konnte
verhängnißvoll werden, auch befürchtete ich, sollten wir den Leichter
nicht mehr frei bekommen, während der Nacht ein Versanden desselben,
was bei den losen vom Strome leicht angehäuften Sandmassen immerhin
möglich war.

Schnell wurde der »Pfeil« von seiner Last befreit, und nachdem der
Dampfer wieder freieres Wasser gewonnen, mit dem Ausbringen eines
schweren Ankers begonnen, was uns nach vieler Mühe denn auch gelang.
Wie aber vorauszusehen war, konnte der Anker in dem losen Grund keinen
Halt gewinnen, denn fünfzig Mann holten diesen durch den Sand, ohne
auch nur den Leichter etwas aus seiner Lage zu bringen. Ein zweiter
Versuch ergab dasselbe Resultat, und schon sollte eine Schlepptrosse
zum »Pfeil« gebracht werden, um mittelst der Dampfkraft einen Erfolg
zu erzielen, als plötzlich hinter der nächsten Biegung die beiden
englischen Kanonenboote »Herald« und »Mosquito« in Sicht kamen, die
unsere Lage bemerkend, so nahe als möglich zu uns hinüber steuerten und
zu Anker gingen.

Da die Führer beider Schiffe dem Major persönlich bekannt waren, war
wohl anzunehmen, daß ein Ersuchen um Hülfeleistung nicht abgeschlagen
werden würde. Bald wurde denn auch vom »Herald«, Kapitän Robertson,
ein Boot abgesandt, das Erkundigungen einziehen und den Major zwecks
näherer Rücksprache an Bord bitten sollte. Im Kommando der Erste, wies
Kapitän Robertson bald darauf den »Mosquito« an, querab unserer Boote
sich gut zu verankern und den Versuch zu machen, zuerst den Leichter
mittelst Ankerwinde frei zu bringen.

Doch die beträchtliche Entfernung zwischen Schiff und Leichter, dazu
der starke Strom, machten das Herüberbringen einer langen starken
Leine sehr schwierig. In weitem Bogen wurde diese von der Strömung
fortgeführt, sodaß, als endlich der Leichter erreicht war und ich das
Tau gut befestigt hatte, die Kraft und die Spannung desselben beim
Einholen so gewaltig wurde, daß es entzwei riß und die Arbeit nochmals
von vorne begonnen werden mußte. Beim zweiten Versuch wurde das Tau
nicht mehr direkt durch die Strömung zum Leichter geführt, sondern erst
eine Strecke geradeaus stromaufwärts gefahren und dann mit aller Kraft
die Strömung durchrudert. Auf diese Weise wurde nicht zu viel Leine
von den Wassermassen weggeführt, und es gelang, als die Ankerwinde in
Thätigkeit gesetzt worden war, das Tau durch die aufgewendete Kraft
über Wasser zu bringen. Es bedurfte zwar einer bedeutenden Anstrengung,
den Leichter wieder frei zu machen, jedoch, als derselbe erst nur
wenig vom Grunde gelöst war, machte es weiter keine Schwierigkeit, ihn
gänzlich abzuholen und längsseit des »Mosquito« zu bringen. Ebenso
machten wir auch die Sektionsboote frei, von welchen der »Herald« je
eins an jeder Seite nahm und darauf über die Untiefen weiter dampfte,
gefolgt vom »Mosquito«. So gering war die Entfernung von dem Orte, zu
dem wir zu gelangen getrachtet hatten, noch gewesen, daß nach etwa 10
Minuten schon alle Fahrzeuge an einer gut geschützten Stelle anlegen
konnten.

Wie schon erwähnt worden, ist die Konstruktion der »Stern-wealer«
(Hinterraddampfer) für solche Flüsse, von so ungleicher Tiefe wie der
Zambesi, die beste, die des »Pfeil« dagegen, so kräftig das kleine
Schiff auch war, bewährte sich nicht, einzig allein dadurch, weil der
Tiefgang von vier Fuß ein zu großer, freilich nach Art der Konstruktion
auch nicht viel verringert werden konnte.

All die Hemmungen im Vordringen und der Zeitverlust wurden durch diesen
Uebelstand hervorgerufen, wäre hingegen der Tiefgang des »Pfeil« nur
2-2-1/2 Fuß gewesen, dann hätte ein wesentlich anderes Resultat erzielt
werden können, wenigstens wäre ein Uebereinkommen unterblieben, das
uns in der momentanen Nothlage zwar von großem Nutzen, allein den
Engländern einen unschätzbaren Vortheil sicherte.

Kurze Zeit nach unserer Ankunft gelangte auch der »Pfeil« zum
Anlegeplatz, der, nun ledig seiner Last, mit besserem Erfolg die
tiefe, reißende Strömung zu überwinden im Stande gewesen war. Sehr
bald loderten die Wachtfeuer im weiten Kreise auf, an welchen die
ermüdete und hungrige Mannschaft noch um 10 Uhr das einzige warme Essen
an diesem Tage sich bereitete; auch wir Europäer, auf dem Sandboden
hockend, ließen uns die karge Mahlzeit, gebratene Süßkartoffeln und
aufgewärmte Wiener, gut schmecken, welche unsere Diener noch in Eile
hergerichtet hatten. Es bedurfte aber beständiger Aufsicht und häufig
selbstthätiges Eingreifen unserseits, wenn wir unsere Speisen reinlich
und nach Umständen sauber zubereitet wissen wollten, denn der Neger
kann es nicht recht einsehen, warum der weiße Mann in Betreff der
Reinlichkeit so penibel ist und er so oft bei ertappter Unsauberkeit
gescholten wird.

Wie friedlich auch die Nacht ringsum war, in der wir Stärkung zur
neuen Thätigkeit und Arbeit zu finden hofften, so war doch der kleine
blutdürstige Quälgeist, der »Mosquito«, hier in unheimlicher Anzahl
vertreten und ein böser Störenfried. Zu jeder Abendstunde und in
jeder Nacht waren diese Mückenschwärme unsere schlimmen Feinde, die
uns die nothdürftige Ruhe raubten und deren empfindliche Stiche noch
obendrein schmerzhaft waren. Das einzige Mittel gegen diese unglaublich
zudringlichen Peiniger ist das dichtgewebte Mosquitonetz, das freilich
diese kleinen Thierchen von einer direkten Belästigung abhält, indes
ist ihr scharfes Summen nicht minder unangenehm und wer sich nicht
eines festen Schlafes erfreuen konnte, dem hielt das singende Schwirren
wach, bis trotzdem die Natur ihr Recht forderte.

Die Erfahrung, und namentlich das Festkommen der Fahrzeuge, hatte
gelehrt, daß unser »Pfeil« trotz seiner starken Maschine und
sonstiger guter Eigenschaften, für die Folge der Expedition keine
sehr wesentlichen Dienste werde leisten können, nur soweit, als die
Wasserverhältnisse es gestatteten, war er uns von großem Nutzen; der
stromaufwärts immer flacher werdende Fluß setzte selber diese Grenze
fest. Dieser Umstand bewog wohl hauptsächlich Major von Wißmann, den
gemachten Anerbietungen der Engländer zuzustimmen, und nach den später
in Kraft getretenen Abmachungen sollten diese in folgender Weise zur
Ausführung gelangen.

Die beiden englischen Schiffe haben der deutschen Expedition ihre
Unterstützung zu gewähren und diese zunächst bis Misongwe, dem größten
Handelsorte am unteren Zambesi zu bringen. Von dort setzen die
Kanonenboote ihre angefangene Reise den Schire aufwärts fort, kehren
später zurück und bringen das gesammte Material der Expedition bis nach
Port Herald, bis wohin der Schire in dieser Jahreszeit noch befahrbar
sein würde. Major von Wißmann schafft in der Zwischenzeit seine
Expedition mit Hülfe des »Pfeil« von Chinde nach Misongwe resp. dem
Orte, wo die Nothwendigkeit gebietet, ein Lager zu beziehen. Ist nun
nach einigen Monaten diese Arbeit vollendet und bis nach Port Herald
alles hinaufgeschafft worden, erhalten die Engländer zwei unserer
großen Leichter zur freien Verfügung, vermittelst welcher sie das
Material für ihre Kanonenboote bis Katunga schaffen können.

Mit dem Grauen des nächsten Tages, sobald alles wieder eingeschifft
worden war, holten wir die Leichter und Boote über die den ganzen Fluß
sperrende Untiefe bis zum Ankerplatz der englischen Schiffe; eine
mühevolle Arbeit aber war es, denn oft saßen die Fahrzeuge fest und
es gelang erst diese vorwärts zu bringen, wenn Anker an langen Tauen
aufgebracht worden waren; wollte auch dieses nichts helfen, mußten alle
Mann in das zwei Fuß tiefe Wasser, um zu schieben, gleicherzeit aber
auch, um die Last des Bootes zu vermindern.

Als der Leichter längsseit der »Herald« gebracht war, suchte das Schiff
tieferes Wasser zu gewinnen, aber, abgedrängt durch die Strömung, saß
es bald auf Grund und hatte, nachdem der Leichter wieder freigegeben
war, Mühe genug, selbst flott zu werden. Dem »Mosquito« gelang es
besser, an jeder Seite ein Sektionsboot, wurde die Steuerfähigkeit
dieses Schiffes nicht so beeinträchtigt, deshalb gaben wir das kleinere
unserer Boote an den »Herald« ab und der »Mosquito« nahm den Leichter
auf; endlich nach vielen Windungen, bald rechts, bald links tiefere
Stellen suchend, gelangten wir in freieres Wasser.

Oberhalb Schupanga dehnen sich weite Waldflächen aus, die bis zum
Ufer herantreten und dem weiten Gebiete einen freundlicheren Anblick
gewähren, als wie die bisher durchzogenen trostlosen Einöden, die nur
mit Rohr und Gras, seltener Busch und Baum, bewachsen waren. Man darf
sich unter der Bezeichnung Wald hier noch nicht eine Vergleichung
mit den Forsten der Heimath vorstellen, denn, verwachsene Baumarten,
untermischt mit schlanken Stämmen, nehmen die Beschaffenheit eines
Urbusches an; keine Hand verhindert das Emporschießen des Unkrauts, der
Schlingpflanzen etc., und in wilder Ueppigkeit sprießt die Vegetation
empor, oft für Mensch und Thier undurchdringlich.

Etwa zwei Stunden oberhalb Schupanga, unter einem steilen bewaldeten
Ufer, fanden wir die Holzstation. Hier sind jederzeit wenigstens einige
Stapel Holz zu erhalten, die ein Halbportugiese verkauft, der den
Ertrag dem Gouvernement einzuliefern hat.

Diese Mischlinge, dunkler fast als die Eingebornen selbst, kaum daß
noch europäisches Blut in ihren Adern nachweisbar wäre, sind furchtbar
stolz auf ihre Abstammung, und würde man versucht sein, sie mit dem
Neger auf derselben Stufe stellen zu wollen, die bloße Andeutung nur
wäre schon eine schwere Beleidigung und ihr Haß nicht ganz gefahrlos.
An Gestalt sind sie fast klein und schmächtig, sie haben aber im Laufe
der Jahrzehnte unter den Bewohnern des weiten Gebietes großen Einfluß
erlangt, und, da vornehmlich das Beamtenthum durch sie vertreten wird,
sind sie die besten Kenner der Verhältnisse, aber auch nicht minder
schlimme Schatzmeister, die vom Eingebornen nehmen, was erhältlich
ist. Da der Holzvorrath hier nicht beträchtlich war, bei weitem nicht
den Bedarf der drei Dampfer deckte, so hatte ich gemäß der vom Major
erhaltenen Ordre, sämmtliche Leute nach unserer Ankunft mit Aexten und
Sägen ausgesandt, um Holz herbeizuschaffen. War bis dorthin, wo das
Fällen abgestorbener Bäume sich lohnte, auch eine Strecke zu gehen,
hatten wir doch nach einigen Stunden schon einen beträchtlichen Haufen
Brennholz zum Ufer geschafft.

Inzwischen, um die Mittagsstunde, war auch der »Pfeil« mit dem Major
von Wißmann angelangt, dieser hatte, da er absolut die Bank bei
Schupanga nicht passiren konnte, einen weiten Umweg machen müssen,
und in dem erwähnten Creek, der auch mit dem Hauptstrom in Verbindung
stand, eine schmale, aber tiefere Fahrrinne gefunden. Uebrigens ist
gerade an diesem Orte, wo der Fluß sich in drei Arme theilt, eine
schlechte von vielen Untiefen verlegte Passage; das Fahrwasser ändert
sich unausgesetzt. Nach Wochen findet man eine früher passirbare Stelle
ganz versandet vor, ohne daß stärkere Strömungen Einfluß gehabt hatten,
der lose Sand wird eben bald hier, bald dort abgelagert.

Ich war der Ansicht, daß wir uns tüchtig mit Holz für eine größere Tour
versehen müßten, weil bis Misongwe kein Holzplatz weiter vorhanden
ist; allein die Engländer, die das vorräthige Holz vom Portugiesen
aufgekauft, hatten bald ihren Bedarf gedeckt und wünschten, um nicht
Zeit zu verlieren, nun ihre Fahrt fortzusetzen. Daraufhin gab der
Major Befehl, mit dem Heranschleppen von Holz aufzuhören und mit
soviel Aexten als vorhanden wären sofort das Zerspalten und Zersägen
vorzunehmen. Hätten wir ahnen können, wie schwierig das weitere
Vordringen werden sollte, wie nach kurzer Distanz unüberwindliche
Hindernisse sich uns in den Weg stellen würden, ein solches Hasten und
Eilen wäre unnöthig gewesen. Wohl wußten die Engländer, daß voraus noch
die schwierigste Stelle im ganzen Fluß zu passiren sei, hofften jedoch,
die Boote über die Untiefen bringen zu können, sofern nur der »Pfeil«
im Stande sein würde, allein hinüberzukommen.

Um 2-1/2 Uhr Nachmittags, nachdem die englischen Schiffe die Boote,
der »Pfeil« den Leichter längsseit genommen, setzten wir unsere
Fahrt flußaufwärts fort. Im Kielwasser des leitenden »Herald«
folgend, ging anfänglich alles gut von Statten, bis nach etwa ein und
einhalbstündiger Fahrt das erste Hinderniß uns entgegentrat. Eine
schmale tiefere Rinne, welche den breiten Fluß quer durchschnitt,
gebildet durch angeschwemmte mächtige Bäume, deren Gezweig noch
hoch über Wasser emporragte, konnten wir wegen der sich kreuzenden
Strömung nicht schnell genug passiren, und seitwärts abgedrängt, kam
der Leichter auf Grund, und ehe noch die Taue gelöst werden konnten,
auch der »Pfeil«. Während dessen wir nun uns aus der unangenehmen
Lage mittelst Anker und Leinen zu befreien suchten, dampften die
Kanonenboote voraus, kamen ihnen aber, als wir nach einer Stunde
etwa folgen konnten, wieder näher. Der Grund dieser Verzögerung war
bald ersichtlich, die beiden Schiffe, trotz 2-1/4 Fuß betragenden
Tiefganges, waren nicht im Stande gewesen, eine über die ganze
Wasserfläche sich ausdehnende Untiefe zu passiren und hatten sich nach
vergeblichen Versuchen so fest gesetzt, daß sie nicht mehr rück- noch
vorwärts konnten.

Für uns war diese Wahrnehmung eine schlechte Aussicht, den vier Fuß
tiefgehenden »Pfeil« hinüberzubringen, denn was die flachgehenden
Schiffe nicht vollbringen konnten, mußte für den »Pfeil« eine
Unmöglichkeit werden.

Indes so leicht ließ sich Major von Wißmann durch entgegentretende
Hindernisse nicht abschrecken; ehe das Unmöglich von ihm anerkannt
wurde, mußte auch der ernstlichste Versuch gescheitert sein. Das Wollen
und Müssen, gepaart mit Energie, war eine mächtige Triebfeder, die das
ferne Ziel durch feste Willenskraft immer erreichbar scheinen ließ,
so viele und große Hemmungen natürlicher oder anderer Art sich auch
entgegenstellen mochten.

Nicht lange erst die Zeit durch Ueberlegen verschwendend, wurde nach
Angabe des Lootsen die Fahrrinne aufgesucht und dann Versuch auf
Versuch gemacht, um diese Untiefe zu passiren. Bald rechts, bald links
von dieser, wo immer nur der Peilstock einige Zoll Wasser mehr ergab,
arbeitete der »Pfeil« mit vollster Dampfkraft vorwärts; allein alles
Mühen war vergeblich. Darauf wurden viele unserer Leute nach allen
Seiten ausgesandt, um die Tiefe des Flußbettes zu untersuchen, und,
als nahe einer großen Sandbank eine etwas tiefere Stelle gefunden
wurde, ging es nochmals vor. Plötzlich aber saß der Leichter fest,
durch die Maschinenkraft vorne auf den Grund hoch geschoben, brachen
die Befestigungen; der »Pfeil«, ebenfalls gehemmt, erlitt durch den
erschütternden Ruck am Inventar Beschädigungen; alles, was nicht
fest versichert war, fiel an Deck, die starken Regelingstangen und
Sonnensegelstützen brachen oder wurden stark verbogen.

So ging es also nicht; der Leichter wurde losgelöst und mir fiel die
Ausgabe zu, denselben wieder flott zu machen. Der Major aber versuchte
aufs Neue, mit dem »Pfeil« allein durchzukommen.

Gewaltige Anstrengungen wurden noch gemacht, nichts unversucht
gelassen, um trotz alledem eine Durchfahrt zu erzwingen; hier aber
scheiterte die größte Energie und Willenskraft an einem natürlichen
Hinderniß, dem gegenüber der Wille machtlos war. Brachten wir nicht den
»Pfeil« hinüber, war ein weiteres Vordringen, wenigstens bis Misongwe,
wohin schließlich die englischen Schiffe, nachdem sie diese Untiefe
nach angestrengster Arbeit überwunden hatten, unsere Boote gebracht
hätten, zwecklos. Schließlich, als das Unmögliche nicht möglich gemacht
werden konnte, gab der Major weitere Anstrengungen auf und kehrte zum
Leichter zurück.

Was nun? Auf ein Steigen des Flußes in dieser Jahreszeit war nicht zu
rechnen, im Gegentheil, derselbe konnte leicht noch mehr fallen. Der
praktische Gedanke, den »Pfeil« zwischen Leichter und Boot zu heben,
war ausführbar, indes, da es sich um mehr als einen Fuß handelte, so
konnten wir das schwere Schiff mit unsern einfachen Mitteln nicht hoch
winden, es blieb also nicht anderes übrig, als den Rückzug anzutreten,
oder zu bleiben wo wir waren.

Das nahe, etwa fünfzehn Fuß hohe und steile Ufer, unter welchem eine
Strecke weit tieferes Wasser gefunden wurde, eignete sich nicht
besonders zum Lagerplatz; bis zu der vor wenigen Stunden verlassenen
Holzstation zurückzukehren, wo die Uferbeschaffenheit fast dieselbe
war, schien, nach den schon überwundenen Schwierigkeiten, noch weniger
rathsam, so, kurz entschlossen, wählte der Major von zwei Uebeln das
kleinere.

Weitere Schwierigkeiten, den »Pfeil« und Leichter unter Land zu
bringen, boten sich nicht mehr; bald lagen auch die Fahrzeuge durch
ihre Anker wohl befestigt am Ufer. Nachdem wir darauf die steile
Uferwand erklommen hatten, suchten wir uns oben einen Platz zum
Nachtquartier. Eine weite Grasfläche, im Hintergrunde Busch und Baum
und 6-8 Fuß hohe Termitenhügel, war das einzige was sich unsern Blicken
darbot, sonst kein lebendes Wesen im weiten Umkreise sichtbar. Das etwa
mannshohe Gras verhinderte auch, genügende Umschau zu halten, und erst
am nächsten Tage erfuhren wir, daß eine kleine Strecke flußaufwärts,
verdeckt durch den nächsten Urbusch, das Dorf Ntoboa liege.

Es war in der glühenden Sonne eine heiße Tagesarbeit gewesen, die
hinter uns lag, dennoch, bis zur sinkenden Nacht, mußten die von den
englischen Schiffen weit über die Untiefe geschleppten Sektionsboote
herangeschleppt werden, und die Bootsführer, Proviantmeister Illich und
Sergeant Bauer, hatten vollauf zu thun, den ihnen zugegangenen Befehl,
die Boote zum Lagerplatz zu bringen, auszuführen.

Die Erbauung eines großen Lagers an diesem Orte wollte Major Wißmann
den Umständen anheim stellen und erst nach Rücksprache mit den
englischen Schiffsführern eine Rekognoszirungstour bis Misongwe
unternehmen, die ihm über die Wasserverhältnisse des Flusses weiter
oberhalb Aufschluß geben sollte. Auch sollte der nächste Tag
erst entscheiden, was gethan werden müßte, nachdem nochmals ein
letzter Versuch gemacht wäre, und ob wir denn wirklich vor diesem
Hinderniß Halt machen müßten und es absolut keine Möglichkeit gäbe,
durchzudringen. Wie vorauszusehen, mißlang ein erneuter Versuch
abermals; die unternommene Tour flußaufwärts ergab ebenfalls ein
negatives Resultat -- so den Verhältnissen Rechnung tragend, beschloß
der Major nach seiner Rückkehr, diesen Ort, den ich inzwischen hatte
säubern lassen, als Stapelplatz beizubehalten.

Die Leitung und Aufsicht der hier vorzunehmenden Arbeiten sowie der
Befehl über die ganze Mannschaft wurde mir übertragen, weil der Major
beabsichtigte, nach Chinde zurückzukehren und den nächsten Transport
abermals zu leiten. Seine Anwesenheit war dort auch nothwendiger als
hier, da in Chinde fast das ganze Personal der Expedition noch des
Aufbruchs harrte.

Zunächst nun galt es, da wir die schwere Ladung des Leichters,
bestehend zum Theil aus der zerlegten Feldbahn, nicht den steilen
Abhang hinauf schaffen konnten, das Ufer abzutragen und etwa 5 Fuß über
der Wasserlinie eine Art Plattform herzurichten, worauf das Material
gelagert werden konnte; Sachen, als Proviant und Schiffsinventar,
wurden ganz hinaufgeschafft, um sie besser unter Aufsicht zu haben.
Bei den sofort in Angriff genommenen Erdarbeiten stießen unsere Leute
unvermuthet auf gefährliche Schlangen, die unter den Wurzeln kleiner
Sträucher oder in Löchern ihren Aufenthalt hatten. Es stellte sich
heraus, daß wir es mit einer Art der sehr giftigen Kreuzotter zu thun
haben und mehrfach wurden 60-70 +cm+ lange Thiere getödtet; war
diesen Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit nicht anders beizukommen,
wurde dem Reptil durch einen Schrotschuß der Kopf zerschmettert.
Kleinere, d. h. junge Schlangen dieser Art, fast immer in Gemeinschaft
mit den Alten aufgefunden, konnten wir mit Spaten und Hacken leichter
erlegen. Uebrigens war gegen den gefährlichen und nicht selten
tödtlichen Biß dieser Kreuzottern große Vorsicht von Nöthen, daher ließ
ich es nie zu, daß die zu Erdarbeiten kommandirten Leute mit bloßen
Füßen umherliefen; die Gefahr, gebissen zu werden, war zu groß und
ärztliche Hülfe unerreichbar.

Als einen sehr günstigen Umstand konnten wir die Zutraulichkeit der
Eingebornen betrachten, selbst die Häuptlinge erschienen im Lager und
wurden stets reichlich beschenkt entlassen. Der Vortheil lag dabei
auf unserer Seite; denn wie kostspielig hätte die Heranschaffung von
Proviant für so viele Leute wohl werden müssen, wenn wir nicht gegen
Zeug und Perlen hätten Lebensmittel eintauschen können. Als später
die ganze Expedition hier versammelt war, kamen sogar weit im Inlande
ansässige Portugiesen, angelockt durch eventuellen Verdienst, um mit
uns Handelsgeschäfte zu machen.

Während der beiden Tage, an welchen in rastloser Arbeit das Entlöschen
der Fahrzeuge bewerkstelligt wurde, konnte an dem Ausbau des Lagers
nicht gedacht werden, und, um nur Schutz zu finden, hatten die Soldaten
sich, zu je zwei, aus Baumzweigen und Gras provisorische Hütten
erbaut; auf beschränktem Raum vertheilt, boten diese den Anblick eines
Karawanendorfes.

Die Abreise des Majors war auf Sonntag, den 24. in der Frühe,
festgesetzt, indes das geplante Heben des »Pfeil« zwischen Leichter
und Boot verzögerte diese bedeutend; es gelang auch den Dampfer um 6
Zoll höher zu winden, was zwar ein Passiren der Untiefe bei Schupanga
möglich machte, sonst aber von keinem wesentlichen Vortheil gewesen
ist.

Im Vergleich zu dem mühsamen Vordringen gegen Strom und Hindernisse,
ging die Rückfahrt sehr schnell von statten, bald waren Dampfer und
Boote unsern Blicken entschwunden, da die Windungen des Flußes jede
Fernsicht raubten.

Zurückgekehrt zum Lager trat nun an mich die ernste Pflicht heran, nach
bestem Wissen und Können, wie der mir gewordene Befehl lautete, ein
Lager zu erbauen, speziell aber darauf zu achten, daß die täglichen
Exerzitien, wie sie das Reglement vorschrieb, ausgeführt werden;
die Handhabung strenger Disziplin ist die Garantie des Erfolges.
Unter meinem Befehl waren 67 Mann und drei Europäer gestellt, eine
beträchtliche Zahl, wenn diese in ihrer Gesammtheit als Arbeitskraft
hätte Verwendung finden können; allein Hauptzweck waren militärische
Uebungen, nach diesen kamen erst täglich einige Stunden Arbeitszeit
in Frage. Und zieht man die glühend heiße Sonne in Betracht, die vom
wolkenlosen Himmel sengend niederbrennt, Körper und Geist erschlafft,
mußte die Zeit ausgenutzt werden, sollte das Werk gethan sein.

Die nächste Aufgabe war, Stellen, wo ich Wohn- und Wachhäuser zu bauen
gedachte, von dem hohen schilfartigen Grase reinigen zu lassen, auch
mußte schleunigst ein Exerzierplatz geschaffen werden, der den übenden
Soldaten freie Bewegung gestattete; denn es war in der That in weitem
Umkreis nichts als Baum, Busch und Gras. Diese Grasmassen übrigens
auszuroden, war keine Kleinigkeit, als mir indes diese Arbeit zu
langsam von statten ging, ließ ich mit Faschinenmesser große Flächen
niederhauen, dann das in glühender Sonne bald getrocknete Gras in Brand
setzen und die Feuersgluth vernichtete unglaublich schnell, wozu sonst
viele fleißige Hände Tage lang gebraucht hätten. Oefter zwar vom Winde
angefacht, waren wir nicht im Stande, der Feuersgluth eine Grenze zu
setzen, trockene Halme und Laub, welches in Massen unter den Bäumen
angehäuft lag, wurde ein Raub der Flammen. Soviel Vortheil hatten
wir aber doch davon, hatten wir im Busch mit Messer und Axt nicht
vordringen können, konnten wir es nach solchem Brande weit bequemer,
und wurden auch längst abgeerntete Mtamafelder mit vernichtet, so
konnten wir es leider nicht ändern; der Schaden war auf unserer Seite,
insofern wir das benöthigte Rohr aus größerer Entfernung herholen
mußten.

Mit dem Niederbrennen des Grases im Lager und nächster Nähe war die
Arbeit nicht gethan, im Gegentheil, die Vernichtung schaffte dem jungen
Nachwuchs nur Luft und überaus reichlich sproßen, namentlich nach
einem Regenschauer, die neuen Keime empor. Es mußten daher die tief im
Boden sitzenden Graswurzeln ausgerodet werden, um dem Wachsthum Einhalt
zu thun. Da ich nun nicht die Zeit, sowie ausreichende Kräfte zur
Verfügung hatte, erbat ich mir von einem Häuptling eine Anzahl Frauen,
die mit ihren Feldhacken das Terrain schnell und geschickt reinigten.
Wie bei den meisten afrikanischen Völkern auf den Schultern des Weibes
alle schwere und unbequeme Arbeit ruht, so war auch hier keiner der in
der Nähe des Lagers träge herumliegenden Eingebornen zu dieser Arbeit
trotz reichlicher Bezahlung zu bewegen.

Mir lag viel daran, bis zur Rückkehr des Majors, möglichst alle
nothwendigen Häuser und Schuppen fertig gestellt zu sehen, waren
doch noch reichlich über 200 Soldaten, außer den hier anwesenden,
unterzubringen; jedoch, überschritt ich auch zuweilen das
vorgeschriebene Reglement und sandte Abtheilungen unter Aufsicht
bis weit in das Land hinein, um zum Häuserbau passende Baumstämme
heranzuschaffen, so war der Ertrag doch so ungenügend, daß ich mich
schließlich genöthigt sah, das hier verbliebene zweite Stationsboot
auszurüsten und in die Wälder oberhalb Schupangas zu senden. Ein Arm
des Zambesi, in früherer Zeit, nach den Aussagen der Eingebornen zu
urtheilen, der eigentliche Fluß, führte auf der gegenüberliegenden
Seite weit in das Land hinein, und für Boote noch befahrbar, konnte der
große Waldbestand leicht erreicht werden.

Zur Abschließung und Einfriedigung des Lagers benutzte ich das
bereits erwähnte Mtamarohr; dasselbe wurde in Furchen aufrechtstehend
eingegraben, durch querliegende Stengel dann verbunden, erlangte
solcher Zaun genügende Festigkeit; nur einen Eingang ließ ich, der von
einem Posten unter Gewehr bewacht wurde, so war eine Kontrolle der
ein- und auspassirenden Leute möglich. Die nächste Umgebung des Lagers
wurde, so weit es angängig, so rasirt, daß ungesehen sich schwerlich
jemand dem Lager nähern konnte.

Die Aktivität der Soldaten wurde des öfteren durch nächtlichen Alarm
geprüft, was hier freilich nur eine Uebung war; wie oft aber mußten
sie später unter Major von Wißmanns Führung ernste, schwere Kämpfe
durchmachen. Auch ein Theil der jetzt unter meinem Kommando stehenden
mußten in schwerer Zeit mit mir ausharren und blutigen Kampf bestehen,
namentlich die Sudanesen.

Gelang es mir auch nicht ganz, in der gedachten Weise das Lager fertig
zu stellen, was einzig seine Schwierigkeit in der Heranschaffung
des benöthigten Bauholzes hatte, so war doch alles zur Aufnahme und
Unterbringung des nächsten Transportes bereit. Eine regelrechte Treppe
zum Fluße gebaut, erleichterte den Aufstieg, in der Front am Ufer
fanden Zelte und Proviantschuppen ihren Platz und im Hintergrunde lagen
die langen Wohnhäuser der Soldaten. In der Mitte war ein großer freier
Platz geblieben, der zunächst als Exerzierplatz Anwendung fand, bis
später außerhalb des Lagers ein besserer geschaffen wurde.

Die Termitenhügel, von denen im Lager sechs vorhanden waren, hatte
ich vorläufig noch unberührt gelassen, einestheils weil sich der
Bau dieser kleinen Thierchen, aus einer festen, harten Thonmasse
bestehend, für Hacke und Pickaxt zu fest erwiesen hatte, anderntheils
weil alle Hügel, entsprechend ihrer Höhe, in der Basis den gleichen
Durchmesser hatten, woraus man schließen kann, daß es angestrengter
Arbeit bedurft hätte, solch einen Bau dem Erdboden gleich zu machen.
Um das wunderbare Treiben dieser etwa einen Zentimeter langen Ameisen
besser zu beobachten, deckte ich die Kuppe eines oder mehrerer Hügel
mit Axtschlägen so ab, daß alle bis in die Spitze führenden Gänge frei
lagen, während aber die Thonmasse selbst hart und fest blieb, waren die
Wandungen der Gänge feucht und weich. Sobald Licht und Luft zum Bau
Zutritt fanden, zogen sich die in den Gängen arbeitenden Thiere zurück;
war durch das Freilegen eine Brutkammer geöffnet worden, scheuten die
Arbeiter keine Gefahr, sondern waren nur darauf bedacht, die jungen
Ameisen oder Eier schleunigst in Sicherheit zu bringen.

Da diese Thierchen in völliger Dunkelheit leben, so habe ich sie am
Tage keine Arbeit verrichten sehen, denn die geschlagenen Oeffnungen
blieben frei, sobald aber, was bei allen dieser Art der Fall, die
Nacht hereinbrach, begann eine rastlose Thätigkeit und ausnahmslos war
jeden Morgen auch die kleinste Oeffnung mit noch weichen Thonmassen
vermauert. Am Fuße eines Hügels, wo auch die Wandungen entsprechend
stärker sind, ergaben geöffnete Stellen wunderbare Gänge. Die
Kommunikation war der Art, daß die fingerdicken Wandelgänge nach allen
Richtungen hinführten; ein Labyrinth von Röhren, worin nur ein solches
Thier, durch seinen Instinkt geleitet, sich zurecht zu finden im
Stande ist. Eigenthümliche Erscheinungen waren die Zellen, eigentlich
faustgroße Höhlungen, zu und von denen eine beträchtliche Anzahl Wege
führten, in denen die Arbeiterameise sehr geschäftig hin und her lief.
Erklärlich ist diese Regsamkeit, wenn man bedenkt, wie sorgfältig die
Ameisen ihre Nachkommenschaft bewachen und erziehen, und ausschließlich
gilt diese Thätigkeit den in den Zellen angehäuften Eiern, die in
morschem Holzmehl gebettet liegen, gleichsam als sollte beim Eintritt
in das Leben der jungen Brut durch vorwaltende Sorgfalt reichliche
Nahrung geboten werden.

Wohl kaum denkbar ist es, daß diese abertausend Eier (wo immer auch
der Bau geöffnet wurde, fanden sich solche in großer Menge vor) von
einer Königin herstammen sollten, im Gegentheil, dazu müssen eine ganze
Anzahl fortpflanzungsfähiger Thierchen existirt haben, wenn man auch
zugeben kann, daß in solchem Arbeiterstaat nur einer die Königinwürde
zuerkannt wird.

Die Lebensbedingung der Termiten beruht auf dem Vorhandensein von Holz,
das ausschließlich ihnen zur Nahrung dient, darum, wo immer ein Hügel
von diesen Thieren gebildet worden, ist vorauszusetzen, daß ein halb
oder ganz abgestorbener Baum an jenem Orte gestanden hat; der umbaute
Stamm und die Wurzeln dienen dann für lange Zeit als Nahrung.

Der größte in einer Ecke des Lagers befindliche Hügel von 17 Fuß Höhe,
der in der Basis etwa 60 Fuß Umfang hatte, war in der erwähnten Weise
um einen mächtigen zum Theil noch grünenden Baum aufgeführt worden.
Es ist wohl anzunehmen, da die Erdmassen körnchenweise aus der Tiefe
heraus aufgeführt worden sind, daß es eines langen Zeitraumes bedurfte,
solche Hügel aufzuthürmen, und wie ausgedehnt müssen die Gänge und der
Bau unter der Erdoberfläche noch sein, wenn man bedenkt, was für ein
Volumen solch ein großer Hügel ausfüllt.

Bis zur Spitze dieses erwähnten Hügels ließ ich später noch eine
Treppe führen und, die Kuppel etwas abflachend, einen Ruhesitz dort
oben herrichten, das mächtige schattige Gezweige des Baumes bot einen
angenehmen Aufenthalt, und höher im Geäst bot sich eine vorzügliche
Aussicht auf die Umgebung dar.

Die Beschaffenheit der obern Erdschicht scheint für die Ansiedelung
der Termiten eine Hauptbedingung zu sein, denn nirgend wo anders als
im Lehm oder thonhaltigen Boden fand ich sie vertreten, dort aber
auch in solcher Anzahl, daß man der vielen Bauten wegen diesen die
Bezeichnung Termitendorf beilegen könnte; öfter liegen diese Hügel so
nahe zusammen, daß zwei oder mehrere in eins vereinigt schienen; hatte
dazu die Vegetation auf solchen Hügeln Fuß gefaßt, ließ ihre Ueppigkeit
kaum noch die Einzelheit derselben hervortreten. An anderen Orten und
zu anderer Zeit, wenn wir an das flüchtige Wild uns heranzupürschen
suchten, boten diese Hügel in den Grasgefilden oder an der Waldlisiere
gute Aussichtspunkte und Deckung.

Das Dorf Ntoboa, von unserem Lager durch einen ausgedehnten Busch
getrennt, hatte ich öfter Gelegenheit zu betreten, namentlich, wenn
ich die ausgesandten Soldaten bei ihrer Arbeit zu kontrolliren
oder anzuweisen ging. In der weiten, das ganze Dorf umschließenden
Umzäunung, waren auch die einzelnen Gehöfte, aus Häuser oder Hütten
bestehend, mit einem Rohrzaun umschlossen, so daß die einzelnen
Familien von einander völlig getrennt, jede ihren besonderen Besitz
inne hatte. Ein Anwachsen solcher geschlossener Familien geschieht auf
folgende Weise: ein sich verheirathender junger Mann hat fortan sich
der Familie seines Schwiegervaters eng anzuschließen und muß seine
Hütte in dessen Gehöft erbauen oder aus Mangel an Platz dicht daneben;
die Interessen sind hinfort die gleichen, gemeinsames Ackerland,
gemeinsame Jagd und Arbeit, soweit von letzterer bei den Männern
überhaupt die Rede sein kann.

Die ungewöhnliche Erscheinung, peinliche Reinlichkeit in einem
Negerdorfe vorzufinden, überraschte mich hier sehr, in der That waren
die freien Plätze im Dorfe rein und sauber, wie eine Tenne fest und
glatt und gereichten den Bewohnern zur besonderen Zierde. Ernst und
zurückhaltend, wie die Bewohner dieses Dorfes waren, kann ich kaum
behaupten, daß wir in näherer Beziehung zu ihnen getreten sind; mit
weiser Bedachtsamkeit hielten sie sich von uns fern, wiesen auch den
sonst unverfrorenen Suaheli in seine Schranken zurück. Traf ich aber
auf meinen Gängen Faulenzer im Dorfe herumliegend an, kamen solche
öfters nicht ohne handgreifliche Verwarnung weg, was äußerst nothwendig
war, um das vorherrschende gute Einvernehmen der Einwohner mit uns
aufrecht zu erhalten.

Erwähnenswerth sind die wenigen Häuser im Dorfe, welche von einer
besonderen Kunstfertigkeit und Geschmack Zeugniß ablegen. Die Art der
Herstellung erinnerte mich an die Wohnhäuser der Marschall-Insulaner im
fernen stillen Ocean und sind, im Gegensatz zu den runden Hütten mit
aufgesetztem Grasdach, eine besondere Erscheinung. Fast überall dort,
wo Termitenhügel in der Nähe, bekleiden die Eingebornen die Wände ihrer
Hütten innen und außen mit dieser vorzüglichen Thonmasse, diese gewährt
hinreichenden Schutz gegen die kalte Nachtluft, die im Verhältniß zur
heißen Tagesgluth recht empfindlich sein kann.

An Abwechslung, soweit es Gäste betraf, die im deutschen Lager kurze
Rast hielten, fehlte es nicht, Engländer, Portugiesen, selbst ein
Deutscher, Herr +Dr.+ Merensky, vom Nyassa-See zurückkehrend,
nahmen die gebotene Gastfreundschaft dankend an; konnten wir doch jetzt
noch, im Beginn unserer Expedition, die Gäste angemessen bewirthen.
Von dem Kommen des letzteren Herrn unterrichtet, hatte schon Major
von Wißmann mir den Auftrag ertheilt, denselben nicht vorüberziehen
zu lassen ohne wenigstens mit ihm gewisse Punkte besprochen zu
haben, sollte sich aber Herr +Dr.+ Merensky bewegen lassen,
des Majors Rückkehr im Lager abzuwarten, würde er dieses als eine
besondere Gefälligkeit zu schätzen wissen. Aber so gerne +Dr.+
Merensky seine lange Reise auch unterbrochen hätte, gestattete die
Nothwendigkeit ihm nur einen kurzen Aufenthalt zu nehmen, und ich,
meinerseits wissend, der Major könne nicht mehr allzufern sein,
ersuchte ihn, auf seiner Weiterreise, wenn angängig, dem Wunsche des
Majors zu entsprechen und eine Unterredung herbeizuführen.

Das Lagerleben in den Grassteppen und Waldungen Afrikas besitzt,
abgesehen von gewissen Entbehrungen, einen eignen Reiz. Es lassen sich
aber doch, selbst in einer so unwirthlichen Gegend, diesem angenehme
Seiten abgewinnen. Das halbe Kriegerleben, das wir führten, bedingte
schon, daß die Waffe unser beständiger Begleiter war, diese daher zu
gebrauchen und ihrer sicher zu sein, lag in dem Bestreben aller, und
ich meinerseits suchte dieses dadurch zu fördern, daß, sofern Zeit und
Umstände es gestatteten, Preisschießen abgehalten wurden.

War der Gewinn, etwa eine Flasche Cognac, als Preis auch gerin, so war
es mehr die Ehre, gelegentlich der beste Schütze zu sein, als daß der
ausgesetzte Preis des Siegers ausschließliches Eigenthum geblieben
wäre, vielmehr war eine kameradschaftliche Vertheilung allgemeiner
Gebrauch. Anregender als Scheiben und Flaschen abschießen war es für
uns, wenn ein Krokodil das Zielobjekt abgeben konnte.

Es muß für diese Thiere ein wonniges Behagen sein, sich von der
glühenden Sonne den Körper durchwärmen zu lassen und sich dem sorglosen
Schlafe hinzugeben, dazu von Vögeln, die stets am Ruheort des Thieres
sich aufhalten, die Parasiten absuchen, ja selbst am Gaumen des
mächtigen Rachens die Ueberreste einer Mahlzeit herauspicken zu lassen,
und ob diese kleine behende weißgraue Vogelart auf dem Rücken oder
Kopf des Krokodil herumläuft und Nahrung sucht, nie wird das mächtige
Thier seinen gefiederten Pflegern etwas zu Leide thun; vielmehr scheint
das Geschrei, welches dieser Vogel erhebt, sobald etwas Auffallendes
sich zeigt, ein Warnungsruf zu sein, um seinem Freunde eine Gefahr
rechtzeitig anzuzeigen.

Flußpferde sahen wir hier nur vereinzelt auf den entfernteren
Sandbänken sich tummeln, selten, daß eines sich so weit vorwagte, um
von unsern weittragenden Kugeln erreicht zu werden, aber das Grunzen
dieser Kolosse tönte durch die Stille der Nacht und weckte im Verein
mit der Hyäne, die ihr Lachen bald hier bald dort erschallen ließ, uns
aus dem Schlummer.

Bemerkenswerth ist eine hier schon vorkommende Adlerart, ein
schwarzbrauner, kräftiger Vogel mit scharfen großen Fängen, hoch in
den Lüften kreisend, erspäht sein scharfes Auge die Beute, und sieht
er sich unbeachtet, schießt er pfeilgeschwind aus der Höhe nieder, und
mit den Krallen ein Huhn, Ratte oder sonstigen Abfall fassend, eilt
er schnellen Fluges davon. Anfänglich hielt ich diese Vogelart für
schädlich und schoß sie aus den Lüften oder von den Baumästen nieder,
allein bald erkannte ich die Nützlichkeit dieser Thiere und schonte sie
hinfort. Ein Beispiel davon, daß die Natur nichts Unnützes geschaffen,
hatte ich in dieser Vogelart wieder vor mir; wir Menschen sehen nur
leider die Schädlichkeit gewisser Thiere, nicht ihren Nutzen und führen
gegen solche Geschöpfe einen ungerechten Krieg, forschen und suchen
nicht zu ergründen, was die ewige Weisheit vorbedacht hat. Nicht nur,
daß dieser Vogel den schlimmen Nagern, von welchen wir in der Folge
viel zu leiden hatten, ein grimmiger Feind war, bewährte er sich
vielmehr als eine Art Polizei, die auf Reinlichkeit äußerst bedacht
war; denn alle Abfälle, welche achtlos fortgeworfen wurden, den Ratten
und Mäusen ein willkommenes Futter, wurden von diesem im und außerhalb
das Lagers aufgesucht, und wurde auch ein Hühnchen, das zuweilen
achtlos herumlief, mit aufgegriffen, war doch der Verlust im Gegensatz
zum Vortheil nur ein geringer.

Der Ricinuspflanze, die in dieser Gegend stark vertreten ist,
begegneten wir überall, meistens in Form eines kleinen Bäumchens
oder einer Staude mit lappigen Blättern; die Früchte rundlich, an
ihrer äußeren Schale mit weichen Dornen besetzt, enthalten in den
bohnengroßen Samen das so viel benutzte Oel. Die Nützlichkeit dieser
Pflanze scheint den Eingebornen hier nicht sonderlich bekannt zu sein,
wenigstens konnte ich solches aus meinen Erkundigungen schließen, eine
Verwerthung indes mußten sie aber doch dafür haben, wenn auch nicht
in dem Sinne wie wir; es ist jedoch schwer, dieses zu erfahren. Die
Geheimnisse kennt der gewöhnliche Neger nicht und die klugen, also z.
B. die Medizinmänner, verrathen sie nicht.

In diesem Monat Juli trat schon ein merklicher Unterschied zwischen
der heißen Tagesgluth und den kühlen Nächten ein, solche Abkühlung
hatte häufig dichte Nebel zur Folge, die erst am frühen Morgen der
mächtiger durchdringenden Sonne zu weichen begannen. Am Abend, nach
des Tages Mühe, saßen wir oft am Ufer des Zambesi und schauten auf die
murmelnden Gewässer und die weite Wildniß hinaus, unter dem glänzenden
Sternenhimmel in solcher Tropennacht gedachten wir der fernen Heimath,
bis der Trompeter Ruhe im Lager blies und Jeder in Zelt oder Hütte
den erquickenden Schlummer suchte. Nichts als der Schritt des Postens
unterbrach die Stille der Nacht; nur zuweilen wurde die Hyäne der
Störenfried, aber man gewöhnt sich an die Stimmen der Natur und achtet
schließlich nicht mehr so sehr darauf.




                        3. Im Lager von Ntoboa.


Am Sonntag, den 7. August, wurde von dem zur Ausguck aufgestellten
Posten in früher Stunde der zurückkehrende Transport gemeldet und nach
wenigen Stunden traf Major von Wißmann im Lager ein, mit ihm die Hälfte
des Expeditions-Personals. Nach kurzer Besichtigung der vollendeten
Arbeiten und Inspizirung der unter Gewehr aufmarschirten Soldaten,
traten bald darauf sämmtliche Mannschaften an, und das Entlöschen der
Leichter wurde mit möglichster Eile ausgeführt, denn Herr von Eltz
sollte schon am nächsten Morgen mit den leeren Fahrzeugen nach Chinde
zurückkehren.

So groß und den Verhältnissen entsprechend ich auch das Lager angelegt
hatte, war es doch bei so bedeutendem Material und der nun an Zahl
beträchtlichen Mannschaften etwas beschränkt, namentlich mußte der
Exerzierplatz außerhalb desselben verlegt werden, da zum Aufstapeln und
Hantiren des Proviantes hinreichender Raum geschaffen werden mußte. Die
Vertheilung und Zusammenstellung desselben leitete +Dr.+ Bumiller;
mußte doch eine große Sorgfalt auf unsere Vorräthe angewendet werden,
um nach Jahr und Tag, so gut wie im Anfang, mit allem versehen zu sein.
Namentlich waren es sogenannte Wochenkisten, die aus dem Nothwendigsten
zusammengestellt wurden, und die später, wenn erst die Expedition weit
vertheilt sein würde, jedem Mangel vorbeugen sollten.

Was die noch auszuführenden Arbeiten anbetraf, welche der Major
vor seinem Auszuge zu einer Jagd-Expedition, die er bald darauf in
Begleitung des Sergeanten Bauer und einer genügenden Anzahl Soldaten
unternahm, bestimmt hatte auszuführen, so leitete ich diese nach wie
vor. Bedenkt man aber, mit welchem Zeitaufwand und Schwierigkeiten das
Baumaterial herangeschafft werden mußte, so kann man sagen, daß rege
Thätigkeit gewaltet haben mußte, um in solch kurzer Zeit, auf solchem
Terrain, ein kleines Dorf, wie es unser Lager im Anblick darbot,
entstehen zu lassen.

Mit dem größeren Bedarf an Lebensmitteln wuchs auch der Verkehr mit den
Eingebornen, und hatten wir bisher nur die nähere Bekanntschaft der am
Fluße selbst lebenden Eingebornen gemacht, so lernten wir nun auch weit
im Inlande wohnende Stämme kennen. Auffällig war die vorherrschende
Unreinlichkeit bei diesen Leuten, was wohl daraus zurückzuführen ist,
daß vielfach Mangel an Wasser sie die Wohlthat des Waschens entbehren
läßt. Bei den Frauen und Mädchen tritt diese Nachlässigkeit um so
eher hervor, als namentlich ihre Kopffrisur meistens mit Asche und
Sand bedeckt ist. Sie besitzen einen gewissen Stolz darin, diese nach
eigenartiger Methode aufzuputzen, nämlich das kurze krause Haar wird
in möglichst langen Strähnen geflochten, wozu, nebenbei gesagt, schon
eine Art Kunstfertigkeit gehört, dieses fertig zu bringen, und damit
diese herunter hängen bleiben, bedienen sie sich daran gehängter
Gewichte, verfertigt aus der Masse, welche die Termiten aus der Erde
heraufschaffen.

Es macht einen eigenthümlichen Eindruck, fünfzig und mehr solcher
Strähnen an den Schläfen, Vorder- und Hinterkopf herumbaumeln zu sehen,
und, da solche Frisur nicht alle Tage vorgenommen werden kann, vielmehr
wohl recht lange vorhalten muß, so ist es erklärlich, daß man, wie wir
zu Lande sagen würden, Petersilie auf der Kopffläche säen könnte.

Jener Jagdausflug, von welchem der Major nach sechs Tagen zurückkehrte,
war ein überaus ergiebiger gewesen. Die Theilnehmer berichteten von
Schaaren edlen Wildes, das sich sorglos in den weiten Grassavannen
und lichten Wäldern aufhält, und einem guten Schützen es leicht
sei, an die Beute heranzukommen. Büffel, Kudus, Zebras, Wasser- und
Riedböcke, ja selbst der Elephant wäre beschlichen worden. An Beweisen
für die Eifrigkeit der Jäger fehlte es auch nicht, eine Anzahl großer
Antilopen, stattlicher als unsere Hirsche, brachten sie noch mit, und
so lange der Vorrath reichte, hatten wir im Lager für mehrere Tage
Fleisch, vor allen war den Soldaten solche Abwechslung hoch willkommen.

Hatten wir bisher nur erst wenige Strapazen durchgemacht, welche ich
als gering bezeichnen kann im Verhältniß zu denen, die unser warteten,
so äußerte das Klima sich doch in der Weise, daß es allmählig die
Widerstandsfähigkeit des Körpers untergrub und Fieberanfälle waren
selbst unter unsern Soldaten keine seltene Erscheinung. So ergab es
auch die Nothwendigkeit, daß ich, weil selbst Major von Wißmann und
+Dr.+ Bumiller erkrankt waren, das Kommando im Lager für längere
Zeit zu übernehmen hatte.

Wie bereits vorher erwähnt, hatten wir viel von den Nagethieren und
Ameisen zu leiden, und, was Vernichtungswuth anbetrifft, muß ich den
unscheinbaren Thierchen den Hauptantheil zusprechen, denn jede Kiste,
jedes Stückchen Holz, das unvorsichtiger Weise auch nur für eine Nacht
ohne Unterlage auf den Erdboden gestellt worden war, wurde angefressen
und sie waren im Stande, dreiviertelzöllige Bretter in wenig Tagen
zu zerstören. Selbst der Inhalt der Kisten, sofern Holztheile darin
enthalten waren, blieb nicht verschont.

Es ist unglaublich, aber thatsächlich wachsen die weißen Ameisen aus
dem Erdboden hervor. Z. B. der Boden, worauf eine Kiste gestellt
wurde, ist fest und hart; kein Anzeichen eines Lebewesens läßt sich
auch nur voraussetzen, und doch, in einer Nacht wimmelt es schon von
abertausend kleiner weißer Wesen, die in dem Holze lange Furchen
gezogen haben, worin man einen Finger hineinlegen könnte. Der Boden
ist von einer von diesen Thierchen abgesonderten Substanz feucht und
lehmhaltig, geeignet, an dem Holze zu haften und gar bald bauen sie
verdeckte Gänge aus diesem Stoffe außerhalb auf, um so von allen Seiten
einen Gegenstand, der ihren scharfen Nagewerkzeugen verfallen ist, zu
umschließen. Die Vermehrung dieser Ameisen muß in das Unglaubliche
gehen, wo ihnen die Vorbedingungen zur Existenz geboten sind, sonst
ist es nicht zu verstehen, wie sie so zahlreich in solch kurzer Zeit
auftreten können; ich habe oft den Erdboden untersucht und nichts
gefunden und doch waren diese schlimmen, unvertilgbaren Thiere
vorhanden.

Was nun noch Ratten und Mäuse anbetrifft, so hatte hier eine förmliche
Einwanderung stattgefunden, denn, angelockt durch reiche Vorräthe, wie
solche im Lager an Mais und Mtama aufgestapelt lagen, waren diese
Nager, die im weiten Umkreise auf den Feldern der Eingebornen ihren
Wohnort hatten, herbeigeströmt, und bald in Schuppen und Hütte, Zelt
und Lagerräumen eingenistet, so daß an ein Austreiben nicht mehr zu
denken war.

In den Grasdächern und Wänden war ihnen nicht beizukommen, wir mußten
wider Willen den unliebsamen Gästen Freiquartier geben und es geduldig
uns gefallen lassen, wenn es Nachts einzelnen beliebte, über Gesicht,
Brust und Füße Spaziergänge zu unternehmen; mit Geschicklichkeit
sprangen sie von den Dachsparren herunter auf das Bett, und,
aufgeschreckt aus dem Schlafe, schlug man wohl nach jener Stelle,
allein die gewandten Vierfüßler waren weit hinweg. Unangenehmer schon
wurde es, wenn sie an den Nägeln der Fußzehen ihre scharfen Zähne
probirten, wobei sie es nicht so genau nahmen und etwas Haut mitfaßten,
was für den Schläfer dann eine etwas unangenehme Empfindung war.
Diese hier ziemlich furchtlose, man könnte fast sagen unverschämte
Gesellschaft, zwang uns, die hier weniger benutzten Mosquitonetze
wieder auszuspannen, um so vor den nächtlichen Besuchern einigermaßen
geschützt zu sein.

Gestattete es mitunter meine Zeit, daß ich mit den Leuten die
Proviantsäcke, zwischen denen die Ratten namentlich Standquartier
genommen hatten, auseinanderwerfen konnte, dann ging es vielen an das
Leben. Ein doppelter Cordon von mit Stöcken etc. bewaffneten Leuten
umstand den Lagerplatz und jedes Thier, das diesen zu durchbrechen
suchte, wurde erschlagen; der Vernichtung entgingen nur solche, die
sich in den Erdlöchern oder in den Säcken selbst geflüchtet hatten. Es
war nichts Seltenes, daß auf solcher Jagd 70 und mehr Ratten getödtet
wurden.

Köstliche Scenen mit Halloh und Geschrei gab es bei solcher
Gelegenheit stets von seiten der Soldaten; gelang es einer Ratte,
die nicht entweichen konnte, Zuflucht in das Hosenbein eines Mannes
zu finden und am nackten Körper hinaufzulaufen, dann sprang dieser
wie besessen umher, bis einer seiner Kameraden die Ratte erfaßt und
ihr durch kräftigen Druck das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Konnten
die gejagten Thiere nicht mehr am Boden entschlüpfen, versuchten sie
oben hinauszukommen. Wahre Kraftproduktionen führten sie aus, indem
sie auf die Schultern eines gebückten Mannes sprangen und von hier,
sobald dieser durch die Berührung emporschnellte auf den Kopf oder
Rücken des nächsten, und solchen kühnen Springern gelang es öfter, zu
entkommen. Während solcher Jagd kreisten hoch in den Lüften die Adler
und erspähten scharfen Auges die Beute; eine ermattete Ratte, wenn sie
es wagte, über eine freie Stelle zu laufen, um eine Zuflucht zu finden,
war bald in den Fängen der pfeilgeschwind niederschießenden Vögel;
selbst so weit ging der Jagdeifer dieser Polizisten, daß sie sich
nicht scheuten, ihre Beute selbst in der Nähe des Menschen zu erfassen
und solche in die Lüfte zu entführen.

Am Abend des 18. August, als in dunkler Abendstunde von Schupanga
Signalraketen die Ankunft des neuen Transportes anzeigten (welches
Signal wir vom Lager aus durch helles Feuer beantworteten), brachten
gleichzeitig Boten von Misongwe die Nachricht, daß die beiden
englischen Kanonenboote »Herald« und »Mosquito« dort eingetroffen
seien, auch zufolge wichtiger Nachrichten die Gegenwart des Majors
von Wißmann dort erwünscht erscheine. Daraufhin, sobald am nächsten
Morgen der Transport das Lager erreicht hatte und mit dem sofortigen
Entlöschen begonnen worden war, versuchte der Major mit dem »Pfeil«
die Untiefe vor Ntoboa zu passiren, was auch, da vom »Pfeil« alles
überflüssige Inventar an Land gebracht war, dieses Mal gelang.

An dem bereits erwähnten Vertrage, der uns die Unterstützung der
Engländer sicherte, wurde nichts geändert, vielmehr nun zur sofortigen
Ausführung geschritten. Zurückgekehrt von Misongwe am 19., sollte der
»Pfeil« im Verein mit den Kanonenbooten am 20. früh flußabwärts nach
Schupanga gehen, wo nach Ausschiffung einer Kompagnie Soldaten für
alle Schiffe Brennholz zu schlagen sei; inzwischen sind beim Lager
zwei Leichter und die großen Sektionsboote zu beladen, mit welchen
die Kanonenboote dann flußaufwärts den Schire zu gewinnen suchen und
so weit vordringen würden, als es die Wasserverhältnisse irgend nur
gestatten sollten. So lautete der Tagesbefehl!

Ueberraschend für mich aber war die mir vom Major gemachte Eröffnung,
daß ich mit dem »Pfeil« flußabwärts zu gehen und den letzten Transport
von Chinde heraufzuführen habe; nicht als scheute ich mich, diese
Aufgabe zu übernehmen, sondern der hierdurch vereitelte Wunsch, mit
vorwärts gehen zu können, war eine unerwartete Ueberraschung. Im
Uebrigen, da ich wußte, daß dieser letzte auch der schwerste Transport
sein würde, dessen Führung der Major dem in Chinde noch weilenden
Obersteuermann nicht anvertrauen mochte, sonst nur als Führer Herrn von
Eltz übrig hatte, über dessen Person er aber bereits anders verfügt,
konnte ich es nur zur Ehre anrechnen, das Schwerste ausführen zu
sollen.

Sobald der »Pfeil« zur Abfahrt bereit und ich mich vom Major
verabschiedet hatte, dampften wir flußabwärts zunächst nach Schupanga,
um uns dort mit genügend Brennholz zu versehen. Schnell, mit Hülfe der
zur Verfügung stehenden Kräfte, war diese Arbeit gethan und sodann
die Thalfahrt antretend, kamen wir, unbehindert durch Leichter oder
Boote, sehr rasch vorwärts. Einige Male nur nahmen wir uns die Zeit,
auf Sandbänken liegenden Krokodilen wohlgezielte Kugeln zuzusenden;
zwei dieser mächtigen Unthiere fielen uns denn auch dadurch zur Beute,
daß es ihnen nicht gelang, das schützende Wasser zu erreichen, wir
nahmen das größte mit nach Chinde, wo wir am nächsten Nachmittag
anlangten, um solches den noch dort weilenden Sudanesen als willkommene
Abwechslung ihrer Mahlzeiten, zu überlassen.

Ich fand die beiden letzten Leichter nahezu beladen vor, sah aber ein,
daß, wenn, wie der Befehl lautete, alles mitgenommen werden sollte,
ein Ueberfüllen der Fahrzeuge die Folge sein würde, dazu mußte so viel
Brennholz, als nur irgend unterzubringen war, eingeschifft werden,
um nicht wieder durch Mangel daran am Vorwärtskommen behindert zu
sein. Deshalb, während des zweitägigen Aufenthalts, ließ ich alle
entbehrlichen Kräfte noch von +Dr.+ Bumiller herangeschafftes Holz
zersägen, selbst die Häuser und Hütten niederreißen und die Stämme
auf den Fahrzeugen unterbringen. Obschon vom Fieber schwer geplagt,
das während einiger Tage im Körper wühlte, hatte ich doch die mir
gewordenen Aufträge nach bestem Können auszuführen, namentlich forderte
die Unterbringung und sichere Heimbeförderung eines entlassenen Mannes
mit einem englischen Schiffe, viel Aufwand an Zeit. Nach Einschiffung
der gesammten Mannschaft aber und Verabschiedung vom portugiesischen
Kommandanten zögerte ich mit der Abreise nicht mehr, setzte auch im
letzten Augenblick die Ueberreste des großen Lagers in Brand, so daß
nur Staub und Asche an der Stelle zurückblieb, wo lange Zeit eine
gewaltige Expedition Rast gehalten hatte.

Ich hatte des Oefteren schon bemerkt, wie jähzornig veranlagte Naturen
leicht sich fortreißen ließen wegen geringfügiger Dinge die Leute
zu strafen, wozu ihnen Niemand ein Recht noch Gewalt gegeben hatte;
ihren Jähzorn an dem Einzelnen, der das Mißfallen erregt, aber dann
nur freien Lauf ließen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten. Dieses
zügellose Sichgehenlassen dem Schwächeren gegenüber war ein Beweis,
wie gering der Neger in der Achtung solcher Europäer steht, daß er
zum Prügelknaben ihrer Launen dienen mußte. Ich erwähne dieses hier
nicht, um einzelne Fälle, die sehr selten nur bei uns vorgekommen
sind, besonders zu markiren, sondern will im Allgemeinen nur darauf
hinweisen, daß man einen großen Fehler begeht, wenn das Bewußtsein der
Menschenwürde, das auch den auf der untersten Kulturstufe stehenden
Wesen innewohnt, mit Füßen getreten wird. Der Neger, soll er aus
seiner stoischen Ruhe aufgerüttelt und als ein thätiges Glied in der
großen Völkerfamilie gerechnet werden, bedarf der Erziehung; er ist
ein Naturkind, das nicht willig den Segnungen der fortschreitenden
Zivilisation die Arme öffnet, sondern eher gesonnen ist, gewaltthätig
ihr entgegenzutreten. Solcher Widerstand nun, sobald er in Form einer
offenen Empörung auftritt, muß, selbst mit Gewalt, niedergehalten
werden, dem Unterliegenden aber dann auch die Erkenntniß, daß er im
Unrecht gewesen, zum Bewußtsein kommen und nicht der Uebermacht und
egoistischen Zwecken hat weichen müssen.

Vornehmlich fällt heute noch die größte Aufgabe den vordringenden
Pionieren zu; sie als Träger der Zivilisation sind berufen, die Saat
zu säen, die zu der Erkenntniß führen soll, daß der mächtige weiße
Mann gekommen ist, nur ein Helfer und ein Freund, nicht aber ein
Unterdrücker zu sein.

Stellen wir uns auf den Standpunkt des Negers, so erscheint auch uns
alles Fremde als ein Eindringling in liebgewordene Gewohnheiten und
Rechte, und unwillig werden wir fragen, mit welcher Berechtigung
zwingt uns der Mächtigere davon zu lassen? Darum, solchen natürlichen
Widerstand allmählich zu brechen, bedarf es diesen Naturkindern
gegenüber eines freundlichen Entgegenkommens, ohne dabei im geringsten
der Ueberlegenheit des Europäers etwas zu vergeben. Strenge und
Gerechtigkeit müssen jeder Handlung zur Richtschnur dienen, sollen
einestheils dem Naturell der schwarzen Rasse, das bei vielen Stämmen
sehr üble Gewohnheiten aufweist, Zügel angelegt, im anderen Falle aber
das empfindliche Rechtsgefühl nicht verletzt werden. Der Neger wird
willig eine ihm zudiktirte Strafe auf sich nehmen, wenn er gethanen
Unrechtes sich bewußt ist.

Ueberall, nicht blos gegen die schwarze Rasse allein, wird gegen diese
Hauptbedingungen einer Kulturaufgabe arg verstoßen und hauptsächlich
von solchen Elementen, hervorgegangen aus europäischen Nationen,
denen Recht und Unrecht ein zweifelhafter Begriff ist. Aus eigener
Anschauung kann ich aber die Behauptung aufstellen, daß die Deutschen
unter allen andern Völkern Europas, welche eine Kolonisirung anderer
Erdtheile übernommen haben, die humansten sind; brachte doch deutsche
Arbeit und Ausdauer fremde Kolonien zu hoher Entwickelung und Blüthe;
hoffentlich werden Humanität und Gerechtigkeit auf Gebieten, wo die
deutsche Nation nun ihre Aufgabe zu erfüllen hat, reiche Früchte
tragen: bei der Erziehung noch tiefstehender Völkerstämme werden diese
zur unerlässlichen Bedingung.

Mit der einlaufenden Fluth, die weit hinauf im Zambesifluß ihren
Einfluß geltend macht, brach ich in den frühen Nachmittagsstunden des
24. August von Chinde auf. Schnell zogen wir mit der günstigen Strömung
die bekannte Straße und erst am eigentlichen Flusse, an jener Stelle,
wo wir früher mit dem Major Rast gehalten, wurde Nachtquartier genommen.

Mit dem Anbruch des neuen Tages, nachdem die leichten Nebel zerstreut
und glitzernd die Sonnenstrahlen auf den Fluthen Silberfäden woben,
zogen wir weiter, und mit Geschick die Untiefen meidend, kamen wir
trotz der schweren Last, welche der »Pfeil« mit sich schleppte, schnell
vorwärts. Meine Absicht, uns mit frischem Proviant zu versehen, der
in Chinde nicht zu erschwingen gewesen war, wollte ich nun in einer
bewohnten Gegend ausführen, allein wir sahen am rechten Flußufer
keine Dörfer, und schließlich dem Rathe des Lootsen folgend, der uns
sichere Aussicht auf Wildpret gemacht hatte, legten wir am nächsten
Tage frühzeitig genug an einer steilen Uferwand fest, um dann auf gut
Glück die Umgegend zu durchstreifen. Nur in Begleitung des Maschinisten
drangen wir geraden Weges, so gut als Busch und Gras es zuließen,
landeinwärts und gelangten zum Bette eines in dieser Jahreszeit
trockenen Flusses. Dieses, tief in das Gelände eingeschnitten,
zeugten Wurzeln und Baumreste davon, mit welcher Gewalt die Fluthen
in der Regenzeit hier ihre verheerende Wirkung auszuüben im Stande
sind. Wildromantisch, eine Urlandschaft im wahren Sinne des Wortes,
fanden wir im Flußbette, den Spuren von Büffel, Zebra und Antilopen
folgend, zu beiden Seiten desselben undurchdringliches Gebüsch und
Rohr; schließlich, als keine Aussicht sich bot, in kurzer Zeit eine
Grassavanne zu erreichen und die Spuren des Wildes immerfort noch den
in der Ferne sichtbaren Höhenzügen zuzustreben schienen, zeitweilig
durchkreuzt von Panther- und Löwenspuren, bogen wir, als wir im
Urdickicht zur Linken Gänge von Flußpferden bemerkten, seitwärts in
diese ab, in der Hoffnung, wenn wir ins Freie gelangt wären, auf
ersehntes Wild zu stoßen.

War anfänglich das Vordringen in den sehr dunklen Gängen noch
einigermaßen angängig, so lange niedergetretenes Rohr das Ausschreiten
nicht sehr behinderte, wurde dieses fast zur Unmöglichkeit, als tiefe
Löcher, Wurzeln und Schlingpflanzen fortwährend den Füßen Hindernisse
entgegensetzen. Gebückt unter Strauchwerk und Aeste, die unvermuthet in
das Gesicht schlugen, oft auf allen Vieren vorkrauchend, drangen wir
vor und fast that es uns schon leid, solchen äußerst beschwerlichen Weg
gewählt zu haben.

An einem Kreuzweg angelangt, der fast rechtwinkelig den Wildpfad, auf
welchem wir bisher gegangen waren, durchschnitt, überlegten wir, ob
eine Umkehr nicht besser sein möchte, denn noch wußten wir den Weg
zurückzufinden; mußten auch bedenken, daß bald der Tag zur Neige ging
und wir in einer Wildniß uns befanden, die während der Nacht sicherlich
manch Unangenehmes bieten konnte.

Unser Jagdeifer hatte eine beträchtliche Abkühlung durch die
aufsteigenden Bedenken erfahren, und sicherlich hätten wir den
zurückgelegten weiten Weg nochmals gemacht, auf einen zweifelhaften
Erfolg verzichtet, wenn nicht auf dem erwähnten Kreuzweg in unserer
Nähe ein Warzenschwein plötzlich ausgebrochen wäre und grunzend in
demselben das Weite gesucht hätte. Das Thier hören und sehen machte
alle Bedenken schwinden, so schnell als es der nun bessere Weg
gestatten wollte, ging es hinter dem Wilde her; aber ob es uns auch
nahe kommen ließ und dann erst immer wieder durch das Gebüsch brach,
gelang es doch keinem von uns, zum Schuß zu kommen.

Einsehend, daß solches Jagen ziel- und zwecklos war, stand ich,
als das Thier in einem dichten Rohrgebüsch verschwand, davon ab und
überlegte, wo wir uns nun eigentlich befanden; da wir vom Kreuzwege im
Jagdeifer abgekommen, stiegen Zweifel auf, ob wir nach solchem Hin- und
Herjagen den verlassenen Weg wiederfinden würden. Bedenklich schnell
ging der Tag zur Neige, das erkannte ich an den Schatten, welche am
Himmelsgewölbe heraufzogen, sobald der dichte Busch, unter welchem wir
noch immer wanderten, einen Ausblick gestattete. Die Ueberzeugung, daß
wir uns gründlich verirrt hatten, gewannen wir bald, und die ernste
Frage, was nun thun, wo jede Aussicht auf Orientirung uns genommen,
war schwer zu beantworten. Soviel aber ließ eine kurze Ueberlegung uns
rathsam erscheinen, daß nur schnelles entschlossenes Handeln uns aus
dieser bedenklichen Lage befreien konnte; denn das wußten wir, die
nahezu zweistündige Wanderung im Urdickicht und auf Wildpfaden hatte
uns weit vom Lagerplatz entfernt. Das Beste war, nach Möglichkeit eine
bestimmte Richtung inne zu halten und im lichteren Gehölz schnell
fortzukommen suchen, wenigstens irgendwo hinaus hofften wir noch vor
Einbruch der Dunkelheit zu kommen, und, als hätte uns ein guter Stern
geführt, sahen wir endlich wieder Sonnenschein durch das Dunkel der
Blättermassen blinken. Mit frischeren Kräften drangen wir durch das
Gehölz und standen bald am Saume einer großen Grasebene, die sich wie
ein Keil zwischen dem Urwald, der links und rechts sich unabsehbar
hinzog, hineingeschoben hatte. Wären wir vom Ausgangspunkte nur
etwas nördlicher oder südlicher gegangen, an diesem Abend hätten wir
schwerlich das Sonnenlicht wiedergesehen.

Weiteres als längs der Waldlisière den Weg uns zu bahnen, blieb nicht
übrig und berechnend, daß wir vom Flusse aus immer eine nördlichere
Richtung innegehalten hatten, hielten wir für rathsam, links zu gehen.
Goldener Abendsonnenschein lag über Wald und Busch, doppelt das Herz
erfreuend, zumal das düstere Waldesdunkel schon eine trübe Stimmung
hervorgerufen hatte, und so lange uns das Tagesgestirn noch Licht
spendete, hegten wir die Hoffnung, noch eine menschliche Wohnstätte zu
erreichen. Müde und namentlich von Durst gequält, eilten wir vorwärts
und, wenn ich mich nicht allzusehr täusche, hätten wir ganz links
abbrechen müssen, um wieder zum Flusse zu gelangen. Aber nochmals in
das Waldesdunkel uns hineinzuwagen, obwohl den Weg dadrin zu suchen
uns nicht viel schwerer gefallen wäre als außerhalb, hielten wir doch
für bedenklich. Wo ein erhöhter Punkt in dem unebenen welligen Terrain
eine freiere Aussicht gestattete, machten wir kurze Rast; bei solcher
Gelegenheit nun erblickten wir eine Heerde stattlicher Wasserböcke,
die zu uns herüberäugten, sonst bei unserm Anblick weiter keine
Unruhe zeigten, und wohl wäre es möglich gewesen uns im hohen Grase
heranzupürschen, wenn die Jagdlust nicht gänzlich geschwunden wäre.

So begnügten wir uns damit, beide Gewehre ziellos auf die etwa 500
Meter entfernt stehenden Thiere abzufeuern, was sie zwar erschreckte,
jedoch keineswegs in die Flucht jagte. Weithin durch die Stille des
Waldes brauste ein mächtiges Echo, erschreckt flatterten größere
und kleinere Vogelarten aus den Zweigen der Bäume auf, und als wäre
verborgenes Leben geweckt, so lebhaft kreischten und zwitscherten
Vogelstimmen durcheinander.

Durch all diesem Geräusch aber hatten wir einen uns vertraulichen Ton
vernommen, der dem lauschenden Ohr wie Musik erklang und in uns die
Zuversicht erweckte, doch heute noch Menschen auffinden zu können. Das
Bellen eines Hundes, ganz schwach vernehmbar (soviel ich unterscheiden
konnte, von der linken Seite kommend), machte alle Bedenken, fortan
noch das tiefe Walddunkel zu meiden, hinfällig und nochmals die Gewehre
abfeuernd, tauchten wir in das Dickicht, bahnten uns hierin den Weg
so gut es eben gehen wollte und suchten in der Dunkelheit vorwärts zu
kommen.

Die Gewißheit, doch noch eine menschliche Niederlassung zu finden, ließ
uns im Vordringen nicht der verwobenen Schlingpflanzen, Sträucher und
Dornen achten; wollte es absolut nicht mehr gehen, bahnte das Messer
den Weg. Nach halbstündiger Wanderung wurde es lichter um uns, bis
endlich, als schon längst die Sonne zur Rüste gegangen, eine offene
weite Grasfläche uns freie Aussicht gestattete. Die Vermuthung, daß,
wenn wir wiederum unsere Gewehre abfeuern würden, das Bellen eines
Hundes uns die einzuschlagende Richtung angeben würde, erwies sich als
richtig; dieser folgend, führte uns der Weg durch bebautes Ackerland,
über Wassergräben und durch Buschwerk und schließlich in ein an einer
Sumpfniederung liegendes kleines Dorf.

Ein sehr seltener Gast schien hier der weiße Mann zu sein, wenigstens
machte unser Erscheinen auf den Bewohnern den Eindruck von Furcht und
Besorgniß; niemand war zu sehen, nur einige weißbärtige alte Männer
erwarteten uns in der Nähe der ersten Hütten und erkundigten sich
nach unserm Begehr. Soviel ich mit Hilfe der Suahelisprache mich
verständlich machen konnte, erklärte ich unsere Lage und ersuchte
die Dorfältesten uns Führer zum Zambesifluß zu geben, damit wir zu
unserm Lagerplatz (worüber sie schon Kunde erhalten) in dunkler Nacht
zurückkehren könnten. Ob unserem Wunsche willfahrt werden würde, konnte
ich aus den Unterhandlungen nicht entnehmen, der Einladung aber, in der
Hütte des Häuptlings uns niederzulassen, leisteten wir um so lieber
Folge, als wir herzlich müde und abgespannt waren. Nackte Kinder, ihre
Neugierde nicht bezwingend, kamen aus den Hütten hervorgekrochen, bald
folgten die Mütter und nicht lange dauerte es, so waren wir von Jung
und Alt umlagert, selbst die Dorfschönen in der denkbar primitivsten
Kleidung brachten uns auf geäußertem Wunsche Wasser und Maiskolben.

Freundlicher noch gestaltete sich das Verhältniß, als ich einige
portugiesische Kupfermünzen unter die Kinder zu vertheilen begann; auch
abgeschossene Patronenhülsen waren ein begehrter Artikel und, um dem
Drängen nachzugeben, feuerten wir einige Schüsse noch ab, wenigstens
einige Alte damit erfreuend, die solche Hülsen als Schnupftabackdosen
benutzen wollten. Hühner, Eier, Bohnen, Erbsen und Mais brachten die
Frauen herbei und bezeugten dadurch ein großes Zutrauen zu uns, daß sie
solche gekauften Dinge den bestellten Führern übergaben, die ihnen das
als Kaufpreis ausbedungene Stückchen Zeug am anderen Tage mitbringen
sollten.

Ohne unsererseits noch irgendwelche Lust zu bezeigen, nochmals einen
Jagdzug zu unternehmen, erboten sich die Jüngeren wiederholt, uns
in dieser Nacht nach einer Gegend zu führen, wo wir allerlei Wild
in Schaaren sehen würden; namentlich, wenn wir uns geduldeten, den
Morgen auf dem Anstand abzuwarten, könnten wir die von der Tränke
zurückkehrenden Thiere sehr leicht erlegen; auch seien Elephanten noch
am vorhergehenden Tage gesehen worden, mächtige Thiere mit großen
Zähnen. Auf meine Frage, warum sie selber nicht jagen gingen, brachten
sie Pfeil und Bogen herbei. Mit diesen ihren Waffen, meinten sie,
verwunden sie wohl ein Thier, aber so weit es auch verfolgt würde,
gelänge es ihnen nur sehr selten, desselben habhaft zu werden.

Dem Umstande, daß die Pflicht uns rief, mußten wir alle Lockungen, die
zu neuer Jagdlust reizten, hinten ansetzen und uns von den freundlichen
Dorfbewohnern verabschiedend, folgten wir bald darauf den mit Proviant
bepackten Führern in das nächtliche Dunkel hinaus.

Sonst wohl erglänzte vom Himmelszelt das Sternenheer in leuchtender
Pracht und der Schimmer des Lichts erhellte die einsamen Pfade, heute
aber, nach Sonnenuntergang, hatte regenschwangeres Gewölk allmählich
tiefe Finsterniß über die Erde gebreitet, durch welche wir mühsam den
schnell voranschreitenden schwarzbraunen Männern zu folgen suchten.
Nach zweistündiger Wanderung durch Gras und Busch wurden wir durch das
zum Ausbruch gekommene Gewitter gezwungen, naß und müde, unter Bäumen
Schutz zu suchen, und als aufs Neue auf schlüpfrigen Wegen in der
rabenschwarzen Dunkelheit eine Stunde marschirt worden war, hörten wir,
am hohen Uferrand des Zambesi stehend, unter uns die murmelnden Wasser
des Flusses.

Sicher hatten bis hierher die Führer den Weg zu finden gewußt, nun aber
fragte es sich, hatten wir uns flußauf- oder -abwärts zu wenden, um
wieder zu den Fahrzeugen zu gelangen! Gewehrschüsse, die schon mal den
Ausschlag gegeben hatten, thaten wiederum ihre Schuldigkeit; bald kam
die Antwort, und dem Schalle nach uns stromaufwärts wendend, mußten wir
mit großer Vorsicht durch unwegsames Gestrüpp einen Weg uns bahnen.
Mehrmals noch beantworteten wir die abgegebenen Signale einer uns
entgegengesandten Patrouille und herzlich froh waren wir, nach beinahe
siebenstündiger Abwesenheit, nach einem überaus beschwerlichen Marsche,
die müden Glieder auf den Feldbetten ausstrecken zu können. Der
Obersteuermann hatte, durch unsere lange Abwesenheit besorgt geworden,
schon nach eingebrochener Dunkelheit in verschiedenen Richtungen
Leute ausgesandt, um uns aufzusuchen; alle aber, bis zum trockenen
Flußbett gelangt, hatten erklärt, daß es kein Weiterkommen gebe, ihre
Signalschüsse wären auch nicht beantwortet worden und sie hätten ein
weiteres Suchen aufgeben müssen.

Nachdem am nächsten Morgen die Führer für ihre Dienste reichlich
entschädigt worden waren, zogen wir weiter in den goldenen Morgen
hinein, mit Muße die wildromantische Scenerie bewundernd, die in immer
neuen Bildern vor uns auftauchte.

Noch keinem der vorhergegangenen Transporte war es gelungen, so schnell
und ohne ernste Hindernisse zu überwinden, solche Tour zurückzulegen,
deshalb konnten wir von Glück sagen, mit unserer schweren Last, nach
kaum nennenswerthen Aufenthalt, schon am vierten Tage in die Nähe von
Schupanga gekommen zu sein, und hätte das stark versandete Flußbett
hier nicht zu einem unfreiwilligen Aufenthalt uns gezwungen, hätte ich
mit Sicherheit voraussetzen können, bis zum Abend des 28. August Ntoboa
noch zu erreichen. Wünschend, zu der vor uns liegenden schweren Arbeit
einen ganzen Tag vor mir zu haben, unterbrach ich die Weiterfahrt an
diesem Sonntag Nachmittag, und nach genügender Orientirung, wo wohl am
besten durchzukommen wäre, vergnügten wir uns während des Restes dieses
Tages, auf Krokodilen und Wasservögeln Jagd zu machen.

In der Frühe des nächsten Morgens, als alles zur Weiterfahrt
vorbereitet war, unternahmen wir die schwere Aufgabe, den »Pfeil« und
die Leichter über die sich weit erstreckende Untiefe hinüberzubringen.
Aber schon nach kurzer Zeit wurde der durch den losen Sand sich
wühlende »Pfeil«, so mächtig auch die Maschine arbeitete, steuerlos
und, einmal von der starken Strömung seitwärts abgelenkt, war kein
Halten mehr; selbst alle Anker wurden durch die Kraft der Strömung
fortgerissen bis im tieferen Wasser die Steuerfähigkeit erst wieder
hergestellt werden konnte. Immer wieder ging ich zum neuen Versuch
vor und achtete nur darauf, wenn solcher mißlang, daß die Fahrzeuge
zur linken Seite vom Strome abgelenkt wurden, um eine rechtsliegende
flachere Stelle zu vermeiden. Indes beim vierten Versuch anstatt das
Kommando »voll Dampf voraus« auszuführen, fühlte der Maschinist sich
veranlaßt, die Maschine rückwärts schlagen zu lassen und ehe noch das
richtige Kommando zur Ausführung kam, hatte die Strömung die Fahrzeuge
an der unrechten Seite gefaßt; kein Anker noch Maschinenkraft konnte
das Verhängniß ablenken, nach Sekunden schon saß ein Leichter auf
Grund, mit gewaltigem Druck schoben die Wassermassen alles höher und
höher hinauf, bis im Sande festgewühlt, an ein Freikommen nicht mehr zu
denken war.

Mühselig war die Arbeit, welche nun begann. Hätten die Anker in dem
Wellsand nur Halt finden können, wäre solche in etwas uns erleichtert
worden, aber alle Versuche schlugen fehl. Nach Stunden waren wir erst
soweit, den »Pfeil« von den an seinen Seiten liegenden Leichtern
zu befreien. Bis zum späten Nachmittag wühlten alle Mann unter dem
Schiffsboden den Sand hinweg, bis schließlich ein Bett gegraben war,
in welchem der Dampfer sich etwas bewegen und sich darauf, ehe noch
die Dunkelheit hereinbrach, aus der schlimmen Lage befreien konnte.
Trotz der herrschenden Abspannung brachte ich noch lange Leinen vom
nun freiliegenden »Pfeil« bis zu den Leichtern, um ohne Aufenthalt am
nächsten Morgen mit dem Abschleppen beginnen zu können.

Diese Ausführung meiner Absicht vereitelte aber nochmals der starke
Strom, indem, als wir im besten Zuge, einen Leichter bereits
freigeschleppt hatten, dieser das Fahrzeug so hin- und hergieren
machte, daß kein Halten war und die Fahrstraße, an und für sich eng,
bedingte bald ein Berühren des Grundes, so daß die Leine brach, und,
ohne es verhindern zu können, der Leichter in einer noch schlechteren
Lage zu liegen kam. Beim angestellten Versuche, diesen aus solcher zu
befreien, gerieth auch der »Pfeil«, weil dessen Anker nicht halten
wollten, mit auf Grund und die schwere Arbeit begann von Neuem.

Von der Holzstation oberhalb Schupanga, wo der »Herald« nach seiner
Rückkehr von der ersten Tour Station gemacht, hatte Kapt. Robertson
unsere angestellten Versuche, über die Untiefe hinwegzukommen, bemerkt,
er sandte auch am anderen Tage ein Boot und ließ bedauern, uns keine
Unterstützung bringen zu können, da er in Folge einer Havarie in der
Stromschnelle des Ziu-Ziu seine Maschine hatte auseinandernehmen müssen.

In den Vormittagsstunden dieses Tages, als wir bereits einen Leichter
wieder frei gemacht hatten, kam auf eine Nachricht hin, die vom
»Herald« nach Ntoboa gesandt worden war, Dr. Bumiller mit Unterstützung
an; diese frischen Kräfte, der Mannschaft auf den Fahrzeugen an Zahl
noch überlegen, förderten das Werk ungemein, und ehe noch am Horizont
die Sonne entschwunden, hatten wir wohlbehalten unser Lager erreicht.

Während der Dauer unserer Abwesenheit hatte sich in der Nähe des Lagers
ein Vorfall ereignet, der die ganze umwohnende Bevölkerung in Aufregung
gebracht hatte. Nämlich das seltene Erscheinen der Krokodile, die von
unserer Seite arg verfolgt worden waren, hatte die Eingebornen ihre
sonst beobachtete Vorsicht vergessen lassen und sorglos, wie diese
Naturkinder sind, hatten sich wieder junge Mädchen beim Wasserholen
bis in den Fluß hineingewagt. Diese Unvorsichtigkeit, der so oft schon
junge Menschenleben zum Opfer gefallen, wurde hier wieder die Ursache
eines Unglücks.

Die Menschenräuber, die mit zäher Ausdauer auf ihre Beute warten,
wählen sich so gute Verstecke, daß selbst das scharfe Auge des Negers
diese nicht entdeckt und nur dadurch, wenn ein Krokodil zum Athemholen
die Nase über Wasser hält, dieses leicht bewegt oder auch ein sehr
geringes Geräusch durch Lufteinholen verursacht, wird der Bewohner
dieser Flußufer stutzig gemacht, er weiß dann, daß der grimme Feind in
der Nähe ist und er meidet solchen Ort, wo das Verderben lauert, dem er
machtlos gegenübersteht.

In diesem Falle nun war ein junges Mädchen einem solchen Unthier
zur Beute gefallen; kein Jammer half von Seiten der Angehörigen.
Mochten auch noch so viele Männer mit Pfeil und Bogen oder alten
fast unbrauchbaren Feuerbüchsen dem Unholde auflauern, dieser blieb
verschwunden, wenigstens aus dem Bereiche der für ihn eigentlich
unschädlichen Waffen. Einen andern Eindruck hatte dieser Vorfall aber
auf die im Lager anwesenden Europäer gemacht, fast als wäre die Parole
»Tod und Verderben dem Krokodil« ausgegeben worden, so schonungslos
wurden diese Thiere zusammengeschossen und namentlich von Seiten des
Leutnants Bronsardt von Schellendorf manches getödtete Krokodil ins
Lager gebracht.

Wie es der Zufall wollte, schoß auch der Sergeant Eben auf einer
Sandbank, unterhalb Ntoboa ein gewaltiges Krokodil, das von den
bei solchen Jagden nun stets anwesenden Eingebornen, die stets ein
Jubelgeschrei anstimmten, wenn ein Räuber sein Leben lassen mußte,
geöffnet wurde und wider Erwarten als das Thier erkannten, welches das
junge Mädchen geraubt hatte. Die Beweise dafür waren leicht an den im
Magen des Krokodils gefundenen Schmuckstücken, welche das unglückliche
Opfer getragen, erbracht. Der glückliche Schütze, konnte sich nun den
Dankesbezeugungen der Bewohner kaum entziehen, sie brachten ihm von
ihrer geringen Habe alles mögliche zum Geschenk, meistens Eßwaaren,
denn wenig mehr haben diese einfachen Kinder der Natur zu geben.
Wenigstens wird für lange Zeit die Erinnerung an die hier rastende
deutsche Expedition, die einen wahren Vernichtungskrieg gegen den
furchtbaren Feind eröffnet hatte, in den Eingebornen lebendig bleiben.

Laut Bestimmung des Majors, der schon am 22. August mit dem ersten
Transport, bestehend aus zwei Leichtern und den Stationsbooten,
geschleppt vom »Herald« und »Mosquito«, nach dem Schirefluß
aufgebrochen war, hatte ich abermals das Kommando im Lager zu
übernehmen, sobald auch +Dr.+ Bumiller abgereist sein wird, was am
Freitag, den 2. September mit dem von mir heraufgeführten Transport
geschehen soll. Der Dampfer »Pfeil« aber unter Kommando von Eltz sollte
versuchen, so gut oder schlecht es gehen wollte, der Expedition zu
folgen, um später vielleicht noch im tieferen Schirefluß von Diensten
sein zu können. Major von Wißmann hatte die Absicht, den vollständig
zusammengesetzten Dampfer, trotz aller Schwierigkeiten noch nach
einem der Seen zu bringen, nicht aufgegeben und wäre nur, was leider
nicht der Fall, das Fahrzeug zerlegbar gewesen, d. h. die Platten mit
Schrauben anstatt Nieten aneinander befestigt worden, so hätte diese
mit Leichtigkeit ausgeführt werden können und großen Nutzen hätte uns
der »Pfeil« gebracht.

Es war am 4. September, dem Geburtstage des Majors, kurz nachdem ich
im Lager Apell abgehalten und meine Mannschaft auf 5 Europäer, 42
Soldaten, 21 Bacharias sowie einige Diener festgestellt hatte, als von
Misongwe die Nachricht eintraf, daß der »Pfeil« nur mit der größten
Schwierigkeit bis zu diesem Orte habe gebracht werden können und in
Folge der schweren Anforderungen, welche an die Besatzung gestellt
werden mußten, sei diese weggelaufen.

Mich überraschte diese Thatsache nicht, denn so weit ich die
Eingebornen beurtheilen konnte, wurden ihnen übermäßig an sie
gestellten Anforderungen leicht überdrüssig und sie ließen lieber
ihren Lohn im Stich, als dem Europäer noch weiter zu folgen, der
sie, ihrer Meinung nach, schlecht behandelte. Einen Ersatz aus den
hier vorhandenen Bacharias sollte ich nun stellen -- zwar mußten
die abgetheilten Leute dem Befehle Folge leisten und nach Misongwe
marschiren, aber höchst ungern nur mochten sie gerade an Bord dieses
Fahrzeuges Dienste thun.

Es ist eigentlich zu verwundern, daß trotz des in den Dörfern so
massenhaft angehäuften feuergefährlichen Materials so selten große
Brände entstehen, schon deshalb, da doch in jeder Hütte fast Tag und
Nacht Feuer glimmen, die so leicht dazu Anlaß geben könnten. Im Lager
war gerade tags zuvor durch die Unvorsichtigkeit der Köche Feuer
entstanden, das durch den herrschenden Wind schnell zur wilden Gluth
angefacht, die Küche, den angrenzenden Zaun und das Wohnhaus der Diener
augenblicklich in Asche gelegt hatte, auch das Dach meines Wohnhauses
wurde in Brand gesetzt. Es gelang aber den vereinten Anstrengungen, des
Feuers noch Herr zu werden, ehe große persönliche Verluste an Eigenthum
entstanden waren.

Ich will hier noch die meteorologischen Verhältnisse dieser Gegend,
die gleichzeitig für das weite Zambesibecken Geltung haben können, in
ein Gesammtbild zusammenfassen. Die Temperatur in den Monaten Juli
bis Oktober ist eine wechselvolle, die Nächte sind empfindlich kalt
und der stark fallende Thau, durch eine bedeutende Abkühlung erzeugt,
trägt viel zu dieser Kälte mit bei. Bis 12° auch 7° Reaumur fiel das
Thermometer, wogegen es in der Tagesgluth bis über 38° Reaumur im
Schatten stieg, so daß der starke Wechsel körperlich sehr empfunden
wurde und auch gesundheitlich nachtheilige Folgen hatte. Die starken
Nebelgebilde steigen erst in den frühen Morgenstunden auf, hüllen alles
in einen undurchsichtigen Schleier, bis die Sonnenstrahlen mächtig
genug geworden sind, diese Wasserdünste aufzusaugen, dafür aber die
Millionen Thautropfen, an den erfrischten Grashalmen, Blüthen und
Blätter hängend, wie ebensoviele Diamanten glitzern machen.

Leichte Wolkenbildungen am Horizonte lassen auf die erwähnten
Dunstgebilde zurückführen, denn ausnahmslos verschwanden sie
wieder, sobald das Tagesgestirn am Himmelsgewölbe seine Strahlen
mächtiger entsendete, und im tiefen Azurblau, von Licht durchfluthet,
erschien die Atmosphäre. Von Anfang August stellten sich in den
Nachmittagsstunden starke südwestliche Winde ein, die durch ihre
Stärke, namentlich durch die mitgeführten Staub- und Aschentheile, von
Savannenbränden herrührend, höchst unangenehm wurden. Oftmals nahm die
Sonne durch die in der Luft schwebenden feinen Staubtheilchen eine
gelbe Färbung an, die schon lange vor Untergang in eine blutrothe
überging; aber bald vor bald nach dem Sinken der Sonne legte sich auch
der Wind und in den ersten Abendstunden herrschte darauf eine überaus
wohlthuende Ruhe in der ermatteten Natur.

Die Savannenbrände, von den Eingebornen entzündet, verursachen am Tage
mächtige Rauchwolken, die zuweilen die Sonne selbst verdunkeln, am
Abend aber zu einem Flammenmeer anwachsen, das Lawinen gleich seine
Feuerwogen fortwälzte und für den entfernt stehenden Beobachter zu
einer großartigen Erscheinung wird. Wie gewaltige Wachtfeuer ringsum
lodert die Gluth, alles vernichtend, was durch die Sonnenhitze
ausgedörrt oder abgestorben ist; selbst ausgedehnte Waldbestände
fallen der Vernichtung anheim und was schlimmer, der junge Baumwuchs,
in seiner Entwickelung gestört, geht ein, sobald nicht ganz besondere
Terrainverhältnisse ihn schützen, darum sind auch die weiten Steppen so
häufig mit nur verkrüppelten Bäumen hin und wieder bestanden, wo sonst
die Bodenverhältnisse doch günstig genug für einen Waldbestand sind.

Auch, was höchst bedauerlich, die Bewohner in der Nähe einer
baumreichen Gegend vernichten durch Feuer allmählich ganze Bestände,
nur um den ertragreicheren Boden, der von der Sonnengluth noch nicht
ausgedörrt worden ist, für ihre Saaten benutzen zu können.

Die so überreiche Üppigkeit der Tropenländer, gefördert durch die
regengleichen Niederschläge während der Nächte, bedingt auch, daß
schon nach wenig Tagen die Flächen, worüber die Feuerwogen vernichtend
hingeeilt sind, in einem neuen grünen Kleid erscheinen und für die
Wildheerden deckt die Natur aufs Neue den Tisch. Angelockt durch das
schmackhafte junge Grün wagen sich denn auch Büffel und Antilopen in
die Nähe menschlicher Wohnungen, und zu solchen Zeiten gelingt es dem
Neger häufiger, mehr durch List als durch seine Waffen, der gestellten
Thiere habhaft zu werden.

Die Abendstunden im Lager, wenn kühl und erfrischend die Nacht
herniedersank, waren häufig der stillen Betrachtung geweiht; oftmals
lauschte das Ohr dem Konzert, das die Frösche fern und nah anstimmten
und erwachten in späterer Stunde die Stimmen der Natur, dann klangen
die Worte des Forschers J. Thomson durch den Sinn, der im Einklang
alles gebracht, was an Empfindung die Natur in der Menschenbrust
geweckt hat, er sagt: Wenngleich unser Ideal von den Tropenländern
in Betreff der allgemeinen Charakterbilder durch weniger glänzendere
Ansichten herabgestimmt wird, so wird doch unsere Erwartung in einer
Beziehung schier übertroffen. Mögen die Dichter mit Vorliebe bei dem
sommerlichen Zwielicht und dem sanftdämmernden Abend der gemäßigten
Klimate verweilen und mit Entzücken die wechselnden Farbentöne und die
sich leise entfaltenden Reize besingen, so gebe ich doch nach Allem
der Dämmerung der Tropenländer den Vorzug mit ihrer unvergleichlichen
klaren Atmosphäre und ihrer überaus lieblichen und erfrischenden
Kühle, deren wohlthuender Eindruck durch die brennende Hitze und den
blendenden Glanz des vorausgegangenen Tages noch erhöht wird.

Das tropische Zwielicht ist allerdings kurz, aber um so reizender.
Die längere Wohlthat des Zwielichts der gemäßigten Zone ist hier
zusammengedrängt und verstärkt, so daß jeder Sinn entzückt wird. Zu
dieser Zeit ertönt die sanfte Stimme des Tepe-Tepe aus den benachbarten
Gebüschen, die dumpfe Stimme der Eule und des Frosches dringt an unser
Ohr, die Cikaden blasen in ihre hellen Pfeifen zu dem nächtlichen
Konzert, wozu das Johanniswürmchen und der kometenartige Leuchtkäfer
die Scene erleuchten. Alles dieses fand ich bestätigt auf allen Wegen
-- sieht man aber das Absterben der Natur und ihr Wiedererwachen, wenn
Ströme des Regens nach sengender Gluth auf die Erde niederfließen
und neues Leben wie mit einem Zauberschlage wecken, dann wird die
Ueberzeugung wachgerufen, daß der jungfräuliche Boden noch für
abertausend Wesen Raum und Nahrung hat und jede Arbeit mit reichem
Segen lohnen wird.




                   4. Bis zum Lager von Port Herald.


Die Räumung des Lagers von Ntoboa ging schnell vor sich, nun am
zweiten September, Sedanstag, schon der zweite Transport flußaufwärts
abgegangen war, auch bestand meine Hauptaufgabe darin, alles bereits
zu halten, um bei der Rückkehr des »Herald« ohne Aufenthalt die
Leichter beladen zu können. Den Engländern lag nicht minder viel
daran, das Lager von Ntoboa aufgebrochen zu sehen, da sie, sobald der
letzte Transport bis Pinda gebracht sein würde, nach einer späteren
Verfügung des Majors, dort schon zwei Leichter erhalten sollten, mit
welchen sie ihre im Anfang Oktober in Chinde eintreffenden Kanonenboote
für den Nyassa-See, flußaufwärts zu schaffen gedachten. Aus diesem
Grunde schon beschleunigte der »Herald« seine Auf- und Niederfahrt
nach Möglichkeit und, als das Schiff am 7. unerwartet zurückkam, wurde
alles daran gesetzt, in einigen Tagen zur Abreise fertig zu sein. Nach
einem mir gewordenen Befehl sollte ich versuchen, alles noch vorräthige
Material zu expediren und das Lager aufzugeben; es sollte hierdurch
den Engländern entgegengekommen werden und dieser Transport nach ihrem
Wunsch der letzte sein.

Zwar versuchte ich es, Befehl und Wunsch zur Ausführung zu bringen, was
bei der Tragfähigkeit der Fahrzeuge nicht schwer war, allein nahm auch
der englische Kapitän die sehr tief beladenen Leichter an, so war es
doch nicht rathsam, nach den gemachten Erfahrungen damit eine so weite
Tour zu unternehmen; bei einem Unfall, der sehr leicht auf solchen
unsicheren flachen Flüssen, wo Baumstämme und auch Steine gefährlich
werden konnten, passiren konnte, würde mich die Verantwortung getroffen
haben, und wäre uns ein Fahrzeug gesunken, der Verlust an Material etc.
wäre kaum zu ersetzen gewesen.

Darum ging ich nicht weiter, als die Sicherheit gebot; es war besser,
der »Herald« machte noch eine Fahrt, als daß wir durch Uebereilung
uns schweren Schaden zufügten, den zu ersetzen die Engländer sich
sicherlich nicht verpflichtet gefühlt hätten.

Am 10. früh verließen wir das Lager, wo ich zwei Europäer und zehn
Soldaten zur Bewachung zurückgelassen hatte. Unter der kundigen Leitung
des englischen Führers, der lange schon mit den Verhältnissen des
Flusses vertraut war, erreichten wir noch gegen Abend Misongwe, nach
einer mühevollen Fahrt, insofern mühevoll, als verschiedene Male, um
über Untiefen hinwegzukommen, alle Mann, ca. 70, in das Wasser und
Anker ausbringen mußten, mit deren und des Dampfes Hülfe dann das
Hinderniß überwunden wurde.

Misongwe, als Hauptstapelplatz des unteren Zambesi, war zu dieser
Zeit nur von einigen holländischen, portugiesischen, vor allem
indischen Händlern bewohnt, die ausschließlich mit dem Hinterlande
Handelsgeschäfte betrieben und namentlich eingetauschte Erdnüsse, etwas
Elfenbein etc. als Ausfuhrartikel zur Küste beförderten; im Uebrigen
verspricht dieser Platz für die Zukunft an Bedeutung zu gewinnen, als
die fortschreitende Entwickelung des internationalen Handels auf dem
Zambesi-Schire, Misongwe zu einem Knotenpunkt erheben wird.

Die Beschaffenheit der Ufer bis zur Mündung des Schire zeigt keine
besondere Abweichung, nur daß das Flußbett durch seine Breite eine
größere Anhäufung von Sandbänken gestattete und dadurch die Schifffahrt
bedeutend behindert wird, auch, namentlich wo enge Fahrstraßen,
besonders unter den steilen hohen Ufern, macht der starke Strom ein
Vorwärtskommen recht beschwerlich. des Moramballa-Gebirgstocks näher
zum Flusse heran, hingegen zur Linken verlieren die Höhenzüge sich in
die Ferne, da sie vom Oberlauf des Zambesi an, dessen Ufer sie dort
bilden, allmählich zurücktreten.

Der tiefere Schirefluß verursacht an seiner Mündung in den Zambesi eine
Anstauung der Sandmassen, so daß es schien, ein Vordringen den Zambesi
höher hinauf wäre unmöglich, und thatsächlich können auch in dieser
Jahreszeit nur Boote noch die vielen schmalen Fahrrinnen zwischen den
Sandbänken passiren. Sicher ist, wäre die Strömung des Schire nicht
stark genug, in diesem weiten Gebiet eine Fahrstraße offen zu halten,
daß wohl kaum in der regenarmen Zeit ein Dampfer bis hierher vordringen
würde.

An der Mündung des Schire liegt die portugiesische Station Schamo;
eigentlich nur eine Telegraphenstation und von Bedeutung insofern, als
sie den Knotenpunkt zwischen der Drahtlinie Chilomo-Quilimane bildet.

Die Hoffnung, beim Eintritt in den Schire einen besseren Fahrweg
zu finden, erwies sich anfänglich als irrig, vielmehr wurde durch
zerstreutliegende Felsmassen im Flußbett das Fortkommen erschwert. Es
wurde daher vorgezogen, lieber über eine Untiefe von Sand den Weg zu
nehmen, als Gefahr zu laufen, an den harten Steinen die Böden unserer
Leichter zu durchstoßen, hatten doch die englischen Dampfer gerade hier
des öfteren nicht unerhebliche Leckagen erhalten. Das Hinüberwarpen
über solche Untiefen verursachte mehrmals längeren Aufenthalt, und
wurde es dabei nöthig, daß alle Leute in das Wasser mußten, hatte ich
immer aufzupassen, damit keiner zurückblieb, denn in tieferes Wasser
gerathen, hätte der starke Strom einen schlechten Schwimmer bald
hinweggeführt. Die Verengung der Fahrstraße weiter hinauf bedingte auch
eine größere Tiefe und am Fuße der Moramballa-Berge, die bisweilen das
Ufer einfaßten, traten uns keine Hindernisse mehr entgegen.

Hier, wo der Fluß zwischen hohen Ufern sich hindurchzwängt, sein Bett
rein und tief ist, ging auch die Fahrt schnell von statten; was aber
nebenbei einen überaus wohlthuenden Eindruck machte, war die großartige
wilde Natur in ihrer imposanten Schönheit, die zur Zeit, wenn die
Regengüsse neues Leben gezaubert haben, wahrhaft erhebend wirken
muß. Baum und Strauch verdeckt bis zu den Gipfeln der Berge hinauf
das zerklüftete Gestein und diese, von Schlingpflanzen durchwoben,
lassen schon jetzt erkennen, welch ein Reichthum an Blüthenpracht die
Frühlingszeit entfalten wird, auch die tausendfältigen Glockenblumen
der Lianen im hohen Ufergebüsch müssen einen herrlichen Anblick abgeben.

Das gegenüberliegende Ufer, aus hartem Sandboden bestehend, fällt
streckenweise steil zum Flusse ab und an solchen Stellen haben viele
hundert buntgefiederte Vögel sich tiefe Löcher gegraben zum Aufenthalt
und Brutstätte. Das Geräusch, welches der herannahende Dampfer
verursachte, scheuchte diese Thiere aus ihrer Ruhe auf und in großen
Schwärmen umkreisten sie das Schiff, flatterten ängstlich hin und
her und gaben durch kreischende Schreie zu erkennen, daß sie um ihre
Heimstätten besorgt sind, namentlich, wenn wir ganz dicht unter dem
Ufer liefen, machte die vermuthete Gefahr die Vögel rein blind. Weiter
den Fluß hinauf, nachdem das Gebirgsterrain passirt ist, bieten die
Ufer nicht mehr die gleiche Abwechslung, hingegen sahen wir häufiger
die schlanken Stämme der Fächerpalmen, deren Kronen sich stolz im
Winde wiegten. In der Nähe von Pinda aber krönte ein lichter Wald die
hügeligen Ufer und einen herrlichen Anblick boten die schlanken hohen
Stämme, als wären es lauter Säulen von einem grünen Dome überdacht.

Die Insel Pinda, Station der African-Lakes-Comp., wird durch den
eigentlichen, jetzt aber wegen Mangel an Wasser unpassirbaren
Schirefluß und einem Arme desselben, den sogenannten Ziu-Ziu, gebildet.
Letzterer wälzt seine Wassermassen am Zusammenfluß dieser Arme über
ein starkes Gefälle und erzeugt dadurch eine rasende Stromschnelle,
deren Kraft, als wir die starke Strömung durchschneiden mußten, so
groß war, daß sie Schiff und Leichter einfach aus dem Kurse warf und
so gegen das gegenüberliegende Ufer preßte, daß es viele Mühe kostete,
frei zu kommen. Beim ersten Versuche, diese Stromschnelle zu passiren,
geriethen die beladenen Leichter mitsammt dem »Herald« in große
Gefahr, der Wirbelstrom riß alles mit sich weg, und gegen das steinige
Ufer geschleudert, verlor der »Herald« sein Boot; von einem Leichter
flog einer von unseren Soldaten, durch die gewaltige Erschütterung
herabgeschleudert, in die gurgelnden Wasser, die den Unglücklichen in
die Tiefe zogen und nicht wieder zurückgaben.

Was bei jener ersten Durchfahrt dem »Herald« mißlungen, gelang dem
»Mosquito«. So wurde denn beschlossen, daß der »Mosquito« von Pinda
bis Port Herald den Transport weiter befördern sollte, hingegen der
»Herald« von Ntoboa bis Pinda diese Arbeit vollende.

Nach vielen Mühen und Aufwand großer Kräfte hatte der Major es doch
durchgesetzt, seine beladenen Leichter durch die wirbelnde Strömung
durchzubringen. Dieses große Risiko aber mochte Herr von Eltz, der
bis hierher mit dem »Pfeil« gekommen war und wegen dessen zu großen
Tiefgang die Stromschnelle nicht passiren konnte, nicht übernehmen und
der folgende Transport wurde, etwas oberhalb der Strömung, ausgeladen
und die Lasten dann quer durch die ca. 400 Meter breite Insel nach dem
Ziu-Ziu-Arm geschafft. Nach erhaltener Kenntniß dieser Vorgänge hatte
ich auch keine Lust, einen Kampf mit den tückischen Wassergeistern
aufzunehmen und hielt es für besser, die viel schwierigere Arbeit
des Hinüberschleppens nach dem Lager ausführen zu lassen, als die
Riskanz zu laufen, einen unersetzlichen Schaden zu erleiden. Demgemäß
beauftragte ich den Obersteuermann, der hier das Kommando während
meiner Abwesenheit führte, die Arbeiten zu leiten und kehrte schon am
13. September mit dem »Herald« und den beiden leeren Leichtern nach
Ntoboa zurück.

An jener Stelle, nicht fern von der Mündung des Schire, wo Felsen
und Steine den Fluß und die Passage beengten, glaubte der Führer des
»Herald« mit den nur sechs Zoll tiefgehenden Fahrzeugen durchkommen
zu können, er wollte die schwierige Ueberfahrt vermeiden; allein
das Fahrwasser war zu eng und der dem Schiffe zur Linken befestigte
Leichter wurde mit voller Wucht auf einen unter Wasser liegenden
großen Felsblock getrieben und blieb unbeweglich sitzen. Zweistündiger
schwerer Arbeit bedurfte es, um den Leichter wieder flott zu machen,
und wenn auch der Boden etwas stark verbäult worden war, so hatte doch
die Güte des Eisenmaterials einem Durchbrechen widerstanden.

Es ist übrigens keine Kleinigkeit, mit dem Strome flußabwärts zu
fahren, die Geschwindigkeit wird, namentlich wo Stromschnellen sich
gebildet haben, oft so groß, daß es bedeutender Umsicht und Ruhe
des Führers bedarf, sein Schiff in der Gewalt zu behalten und den
gefährlichen Untiefen rechtzeitig auszuweichen.

Ntoboa am 15. erreicht, ließ ich den Rest der Expedition am selben Tage
noch verladen und, zur Abreise bereit, erwartete ich die Rückkehr des
»Herald« von der Holzstation.

In dieser Jahreszeit, in welcher die Wasserverhältnisse des Zambesi
so schlecht waren, waren auch die Fahrten der beiden Passagierdampfer
der African-Lakes-Comp. eingestellt worden und als Transportmittel
wurden nur offene Boote verwendet, die, zum Schutze für Europäer, im
Hintertheil mit einer Holzbude versehen, allenfalls sehr beschränkten
Aufenthalt boten. Aber auf einer beinahe dreiwöchentlichen Tour bis
Katunga dem Reisenden eine Qual wurden insofern, als ein solcher nur in
liegender Stellung darin Unterkunft finden konnte. Die Besatzung eines
solchen Bootes besteht aus 12-16 Mann, die einem Capitao unterstellt
ist, sie sind verpflichtet, für geringes Entgelt solche weiten
Touren auszuführen, entziehen sich aber öfters durch Desertiren der
vereinbarten Abmachung und lassen den Reisenden, der neben seinen schon
gezahlten 400 Mark betragenden Reisegeld solche Unannehmlichkeiten mit
in den Kauf nehmen muß, auf dem Trocknen sitzen.

Von solcher Mißgunst des Geschickes waren zwei Engländer betroffen
worden, die, schon tagelang von ihrer Besatzung verlassen, mit Hülfe
ihrer Diener das Boot hatten vorwärts gebracht, bis sie schließlich am
15. das deutsche Lager erreichten und mich dringend um Unterstützung
baten. Was die erbetene Hülfe anbetraf, so konnte ich den Engländern
nur in der Anwerbung neuer Leute behülflich sein; berief deshalb den
Häuptling von Ntoboa in das Lager und ersuchte ihn um Stellung von
Leuten, war aber über die überaus hohe Forderung erstaunt, welche der
Häuptling, noch dazu zur Hälfte in Baar, sogleich ausgezahlt haben
wollte. Einem solchen Ansinnen gegenüber brach ich die Unterhandlung
sofort ab, den Engländern rathend, wenn sie nicht ihr Geld wollten
los sein, ein gleiches zu thun; die gestellten Leute würden doch nur
eine kurze Strecke das Boot flußaufwärts bringen und dann desertiren,
vielleicht sie dann in einer noch schlimmeren Lage zurücklassen.

Das Natürlichste war nach einem solchen Mißerfolg, ihnen den Vorschlag
zu machen, sich an Kapitän Robertson mit der Bitte um Mitnahme zu
wenden, wenigstens so weit, bis ihnen Hülfe werden konnte; indes die
für mich nicht überraschende Antwort war, daß solches Mühen vergeblich
sein würde, aus dem Grunde, weil ein Engländer dem anderen nur selten
eine große Gefälligkeit erweisen wird, das +help yourself+ (hilf
dir selber), klingt aus jeder selbst höflichen Abweisung heraus, wenn
nicht persönliches Interesse dem Gewährenden anderen Sinnes macht, im
Allgemeinen ist der krasse Egoismus Ausschlag gebend. Einen Erfolg
versprächen sie sich nur, wenn ich ihr Fürsprecher sein wollte, im
anderen Falle müßte die unerhörte Forderung des Häuptlings angenommen
werden.

Ich kannte Kapitän Robertson noch zu wenig, um über seine Gesinnung
seinen Landsleuten gegenüber urtheilen zu können, setzte aber voraus,
daß er als Offizier, sofern es seinen Instruktionen nicht zuwider,
Bedrängten seine Hülfe nicht versagen würde und ich hatte mich nicht
getäuscht, was mir aber auffiel, war das geringe Entgegenkommen gegen
diese beiden Beamten der African-Lakes-Comp. Der Engländer ist eine
schwer zugängliche Natur, von der deutschen Gutmüthigkeit besitzt
er herzlich wenig, ist er aber einmal aufgethaut, kann er im Umgang
wiederum auch sehr angenehm und gefällig sein.

Auf langwierigen und beschwerlichen Expeditionen in das Innere Afrikas
hat der Führer immer damit zu rechnen, daß mehr oder weniger die Schaar
seiner Gefolgschaft durch Deserteure gelichtet wird, ein Uebelstand,
dem er nicht im Stande ist, abzuhelfen und in eine üble Lage gerathen
kann, wenn er keinen Ersatz findet. Major von Wißmann hatte sich
deshalb, um solcher Eventualität vorzubeugen, von jeher mit ganz
fremden Volksstämmen, als Sudanesen, Abessinier, Somali, umgeben, diese
fanden von den Eingebornen bei einem Fluchtversuch keine Unterstützung,
wurden eher verrathen und setzten sich daher solcher Gefahr schwerlich
aus. Anders war es mit der angeworbenen Zulukompagnie, diese Leute,
dem Militärdienst abhold, suchten gelegentlich in kleineren Trupps zu
entkommen, sie fanden auch überall Stammverwandte (da die Bevölkerung
nur eingewanderte Zulustämme), und so blieb eine Verfolgung meistens
erfolglos, weil sich kein Verräther fand, den die ausgesetzte Belohnung
verlockt hätte.

Bei meiner Rückkehr nach Ntoboa wurde mir die Mittheilung gemacht, daß
vier Deserteure in Misongwe von einem Europäer aufgegriffen seien,
die er einer Eskorte nach Ueberweisung der ausgesetzten Belohnung
ausliefern würde. Meine Pflicht war es, die Leute holen zu lassen und,
streng bewacht, mit mir zu führen, bis ich sie ausliefern konnte.

Am 16. früh kam der »Herald« zurück, und während die Leichter längsseit
befestigt wurden, ließ ich noch das ganze Lager in Brand stecken. Hell
loderte die Gluth empor im weiten Viereck, dem Ungeziefer, das sich so
fest eingenistet hatte, kaum einen Ausweg lassend, als Ratten, Mäuse
und Schlangen. Letztere, einzelne Prachtexemplare, kamen zischend aus
den brennenden Wohnhäusern der Soldaten, wo sie unter deren Kitandas
(primitive Bettgestelle) sichere Zuflucht gefunden hatten, hervor, um
blitzschnell wieder hinter einer noch stehenden Wand zu verschwinden,
bis auch hier das schnell um sich greifende Element sie abermals
verjagte. Die Jagd auf die fliehenden Ratten übernahmen die zahlreich
in den Lüften schwebenden Raubvögel, und diese Jäger zu beobachten, wie
sie manchen erfolgreichen aber auch manchen vergeblichen Stoß auf die
Schutz suchende Beute unternahmen, war ein Vergnügen.

Zum Abschied hatte sich fast das ganze Dorf Ntoboa eingefunden. Am
hohen Ufer versammelt, sahen die uns vertraut gewordenen Bewohner
den Vorbereitungen zu und, als langsam die Fahrzeuge vom Ufer
sich lösten, riefen sie uns ihren Abschiedsgruß zu, begleitet von
Händeklatschen. Die Stätte aber, jetzt in Feuer und Rauch gehüllt, wo
ich so lange gestrebt und gewirkt hatte, wird bald wieder durch das
üppig emporschießende Gras und Kraut unkenntlich gemacht sein, die
Termieten werden wieder in Frieden ihre Hügel aufbauen können, und
sollte nach langer Zeit einer von uns diese Stätte wieder suchen, würde
es eines guten Orientirungssinnes bedürfen, sie aufzufinden, sofern
sie nicht von der zu Zeiten hochschwellenden Fluth des Zambesi bereits
verschlungen ist.

Im Verlaufe dieser letzten Reise nach Pinda ist nichts Besonderes
zu bemerken; schon aus dem Grunde wurden die bekannten Hindernisse
schnell überwunden, als die Fahrzeuge, nur leicht beladen, das
Fortkommen des »Herald« wenig behinderten. Weit über Misongwe
hinausgekommen, rasteten wir für die erste Nacht an einer öden Stelle
des linken Flußufers und, wie immer auf der Fahrt, konnten die Leute
erst Abends abkochen; bei dieser Gelegenheit nun, als die Dunkelheit
längst hereingebrochen war, gelang es den vier unter Aufsicht eines
Postens stehenden Zulus, als dessen Aufmerksamkeit durch eine kleine
Streiterei unter den Suaheli für einen Augenblick von ihnen abgelenkt
wurde, dem ringsum hohen Grase sich zu nähern und plötzlich darin zu
verschwinden. Der gleich darauf fallende Alarmschuß brachte alles
in Bewegung und eine wilde Verfolgung begann. Aber sei es, daß die
schnellfüßigen Zulus ihre Verfolger in der Dunkelheit zu täuschen
wußten oder, schneller als diese, ihnen entgingen, keiner wurde von den
Zurückkehrenden eingebracht, sogar Nachzügler mußten erst durch die zum
Sammeln blasende Trompete herbeigerufen werden, da solche sich in der
weglosen Grassteppe verlaufen hatten.

Der Grund zu dieser nochmaligen riskanten Flucht war wohl vornehmlich
die Furcht vor der zu erwartenden Strafe, die freilich nun bei einem
abermaligen Abfassen nicht allzu gering ausgefallen wäre und wohl haben
die Flüchtlinge bis zur gänzlichen Erschöpfung, geschützt durch die
Dunkelheit, ihre verzweifelte Flucht fortgesetzt.

In Pinda nach einer schnellen Reise angelangt, hatte ich laut Befehl
die beiden Leichter, sobald dieselben entlöscht waren, dem Führer des
»Herald« zu übergeben, mit welchen derselbe auch nach kurzem Aufenthalt
seine Rückreise nach Chinde antrat.

Inzwischen waren von Port Herald die ersten vom Major von Wißmann
dorthin gebrachten Leichter zurückgekehrt, auch zum Theil vom
Obersteuermann schon beladen. Nach dem Herüberschaffen des letzten
Transportes vom Anlegeplatz nach unserm provisorischen Lager,
wobei zum ersten Male die mitgeführten zweirädigen Karren uns gute
Dienste leisteten, ließ ich die Fahrzeuge noch mit den werthvollsten
Schiffstheilen fertig laden und führte darauf diesen Transport mit
Hülfe von etwa vierzig Eingebornen den Ziu-Ziu-Arm hinauf bis zur
nächsten Stromschnelle, oberhalb welcher der »Mosquito« wartete. Des
starken Stromes wegen mußten die Leichter von den Leuten an langen
Leinen gezogen werden, was durch die vielen Gebüsche, welche die
Uferwand krönten, eine langwierige schwere Arbeit war, abgesehen davon,
daß flache Stellen im Flusse, deren Umgehung nothwendig, nicht minder
zeitraubend und schwierig. Der etwa nur drei Kilometer lange Weg konnte
somit erst nach vielen Stunden angestrengtester Thätigkeit zurückgelegt
werden.

Pinda als Station ist von nur geringer Bedeutung, einzig als ein
Uebergangspunkt zu betrachten, welchen hier die Nothwendigkeit
errichten ließ, zumal die Stromverhältnisse des Schire in dieser Gegend
gerade eine eigenthümliche Beschaffenheit aufweisen. Ein weites Gebiet,
von verschiedenen Armen durchzogen, vertheilen die Wassermassen des
Flusses, sodaß in der trockenen Jahreszeit von einem eigentlichen
Schirefluß hier keine Rede sein kann; die Fahrstraße, welche diese
Bezeichnung verdient, war versandet und unpassirbar.

So vielen Veränderungen unterworfen, läßt sich kaum mit Bestimmtheit
sagen, welchen Weg die nächste Hochwasserfluth einschlagen wird, irgend
ein Arm kann durch unbekannte Zufälle von der Fluth gewählt werden,
der durch die starke Strömung schnell vertieft, dann als Schirefluß
betrachtet werden muß. Illusorisch wird die Pinda-Station, sobald
dieser Fall eintritt, ihre Lage aber auch durch das rapide Anwachsen
der Wassermassen sehr gefährdet, da nicht selten die ganze Insel
überschwemmt und ein rechtzeitiges Verlassen des einsamen Blockhauses
für die Bewohner zur Nothwendigkeit wird. Soweit ich gehört, soll die
ganze Insel im Januar 1893 von der furchtbaren Strömung weggeschwemmt
worden sein und der Fluß ein neues Bett sich gegraben haben, wenigstens
fand ich bei meiner Rückkehr eine ganz veränderte Fahrstraße vor; auch
nimmt es keinem Wunder, wer die gewaltige Kraft fließender Wassermassen
zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, daß solche Veränderungen hier in
der Wildniß stattfinden können.

Um noch einmal unseres Schleppdampfers »Pfeil« hier zu erwähnen, so
hatte dessen Thätigkeit für uns bereits in Ntoboa aufgehört; derselbe,
bis Pinda gebracht, war für denselben das Passiren der Stromschnelle
unmöglich und, nach vergeblichen Versuchen, sich doch noch durch den
nächsten flachen Arm des Schire hindurchzuwinden, hatte der Dampfer
sich so festgerannt, daß an ein Zurück bis zur nächsten Hochfluth nicht
mehr zu denken war. Major von Wißmann, durch triftige Gründe veranlaßt,
verzichtete später ganz auf den »Pfeil« und dies um so eher, als sich
die Hinüberschaffung des schweren Körpers auf den ausgewaschenen
Wegen des Schiregebirges, nach dem oberen Schirefluß, als eine pure
Unmöglichkeit erwiesen hatte.

War auch die Stromschnelle, bis wohin ich die beiden Leichter am Abend
des 20. September hatte schaffen lassen, nicht so gefährlich und
reißend wie die untere, machte doch das Hinüberbringen der Fahrzeuge
oberhalb der starken Strömung von einem Ufer zum anderen sehr viel
Mühe. An langen Leinen von einem Ufer abgefiert, an dem anderen
eingeholt, und dieses über eine Flußbreite von etwa 450 Meter, galt es
dazu jeden Leichter von den gefährlichen Untiefen fernzuhalten. Als die
Ueberführung vollendet, war ich durch das viele Zurufen und Schreien
so heiser geworden, daß ich kaum noch ein Wort hervorbringen konnte.
Veranlassung dazu gab die stupide Gleichgültigkeit der Eingebornen,
die, wenn sie nicht angetrieben wurden, mit größter Seelenruhe zusehen
konnten, wie ein Fahrzeug Gefahr lief, verloren zu gehen. Nur je ein
Europäer war auf den Leichtern, die dazu sich mit den Leuten nicht
verständigen konnten, und ich froh war, als nach vierstündiger Arbeit
das englische Schiff erreicht wurde.

Für die späteren Transporte hielt es der englische Führer, Kapitän
Nuott, auch für angemessen unter dem rechten Ufer sein Schiff
hinzulegen, damit wenigstens die Ueberführung der Fahrzeuge oberhalb
der gefährlichen Stromschnelle nicht mehr nöthig würde, auch schon aus
dem Grunde, als nicht immer eine umsichtige Leitung dabei sein und
dadurch einen Verlust verhindern konnte.

Die Weiterfahrt des »Mosquito« gegen den starken Strom, in dem zuweilen
kanalartigen Flußbette gestaltete sich zu einer überaus schwierigen.
Oft, wenn die Strömung zu stark, die gegenarbeitende Maschinenkraft
nicht mächtig genug war, diese zu überwinden, wurden die Fahrzeuge vom
Strome seitwärts gedrängt und, um dann eine Katastrophe zu verhindern,
mußten sofort die Anker fallen gelassen werden, bis dadurch die
Steuerfähigkeit wieder hergestellt, schließlich ein Ueberwinden der
wirbelnden Wassermassen möglich wurde. Indes im Laufe des ersten Tages
waren diese Schwierigkeiten überwunden. Darauf in einem schmaleren,
doch von Hindernissen freiem Bette, ging die Fahrt flußaufwärts gut
von statten; zwischen ziemlich hohen, häufig steilen Ufern, deren
Böschung mit Rohrried und langem Gras bewachsen war, sodaß die
üppig emporgeschossenen Pflanzen selten nur einen Einblick in die
dahinter liegenden Landflächen gestatteten, hinziehend, erreichten
wir eine zu beiden Seiten des Flusses sich ausdehnende Grassteppe.
Mit der Bezeichnung Moramballa-Marsch hat man diese weite Ebene, den
Tummelplatz fast aller im zentralen Afrika lebenden größeren Thiere,
die rechte Benennung gegeben. Nichts als Rohr und Gras, kein Baum
noch Strauch bringt irgend welche Abwechslung in diese Einöde, soweit
auch das Auge schweifen mag, bis zum Fuße der fernen Berge, dasselbe
Einerlei.

Zu Zeiten des Hochwassers wird die wenig über dem Niveau des Flusses
liegende Grasebene in einen weiten See und Sumpf verwandelt; tiefe
Gräben durch die Uferwand gebrochen, leiten als natürliche Kanäle die
Wassermassen beim Fallen des Flusses wieder ab, und verjüngt sprießt
aus dem fruchtbaren Boden die überreiche Vegetation empor, ein grüner
Tisch anfänglich, den die Natur mit vorsorgender Hand für ihre Wesen
gedeckt hat.

Die Ufer zur Linken, meistens höher gelegen, und mit hohem Gesträuch
oft so bedeckt, daß dieses weit überhängend mit seinen Zweigen bis auf
den Wasserspiegel reicht und es unmöglich wird, durch die zahllosen
Schlingpflanzen, Winden, Lianen etc., die alles wie ein dichtes
Gewebe verbinden, hindurchzudringen. Tausende weiße, blaue und rothe
Blüthen in reicher Pracht zieren die grüne Wand, zwischen denen an den
äußersten Spitzen der ruthenartigen Zweige der goldgelbe Webervogel
sein eigenthümliches Nest erbaut hat, das, wie an einem Faden hängend,
vom Winde bewegt über dem Wasser schwebt.

Durch das Geräusch des vorbeikeuchenden Dampfers werden aus diesem
dichten Gebüsch häufig silbergraue Vögel, die in behaglicher Ruhe im
kühlen Schatten wahrhaft herrlicher Lauben weilten, erschreckt und
aufgescheucht und nur wenige Schritte vom Leichter entfernt, flattern
sie auf, kaum wissend, wohin sich wenden, wenn ihnen der Weg zur
eiligen Flucht abgeschnitten erscheint.

Die Annahme, daß in dieser blühenden Pracht eitel Friede zu herrschen
scheint, wird schon widerlegt, wenn man aufmerksam den in hohen
Lüften kreisenden Raubvögeln zuschaut. Bald schießt pfeilgeschwind
der Beherrscher der Lüfte zur Erde nieder, um sofort sich wieder zu
heben und in seinen scharfen Krallen die Beute zu entführen; allein
diese wird ihm, weniger von Seinesgleichen, als von einem anderen
Feinde, streitig gemacht. Ein heißer Kampf beginnt, kreischende
Schreie, niederflatternde Federn, zeugen von der Erbitterung, mit
welcher gekämpft wird, und fast immer muß der Jäger seine Beute
fahren lassen, um den wüthenden Angriffen des Feindes sich erwehren
zu können. Neugierig, welche Waffen dem schwächeren Angreifer von der
Natur gegeben sind, womit er im Stande ist, den adlerartigen größeren
Raubvogel zu besiegen und in die Flucht zu jagen, schoß ich zwei
dieser Kämpfer aus der Luft herunter und fand, daß der Gegner an den
Flügelknochen einen etwa 1-1/2 Centimeter langen nadelspitzen Auswuchs
hatte, mit welchem er leicht tiefe Wunden dem Stärkeren beibringen
konnte.

Vom hohen Deck des »Mosquito« zuweilen über die Ufergebüsche
wegschauend, erblickten wir mitunter friedlich grasende Wasserböcke
und Zebras; furchtlos äugten diese stattlichen Thiere zu uns herüber,
und machte sie auch der Knall eines Gewehres stutzen, so wußten sie in
ihrer Sicherheit doch noch nicht, wie vernichtend die treffende Kugel
wirken konnte.

Oberhalb dieser weiten Grassteppe, auf dem nun allmählich ansteigenden
Terrain, änderte sich die Scenerie; Baum und Sträucher, untermischt
mit menschlichen Wohnstätten, hin und wieder am Ufer kleine
Bananenanpflanzungen, gaben der Landschaft einen etwas freundlicheren
Anstrich. An dieser Scheidegrenze einer fruchtbareren Gegend und
der ungeheuren Steppe, sahen wir auch zu unserer Linken den hier
errichteten Grenzpfahl. Die an demselben befestigte Tafel besagt in
englischer Sprache, daß flußabwärts portugiesisches, flußaufwärts
englisches Gebiet zu finden sei. -- Unauffällig wie dieses einem
Beobachter auch erscheinen mag, frägt man sich doch unwillkürlich,
was soll wohl Portugal mit der viele Meilen umfassenden Grassteppe
machen, die sich fast quer durch das Land bis zum Zambesi-Fluß
erstreckt und wie erwähnt, zur Regenzeit nur einen weiten Sumpf
bildet; eine Heimstätte wilder Thiere zwar, doch für menschlichen
Aufenthalt völlig ungeeignet! -- Englische Politik hat auch hier
wieder den Beweis geliefert, daß Nehmen praktischer ist als Geben und
das schwache Portugal muß seinem mächtigen Konkurrenten, übertrumpft
durch erzwungene Verträge, weite Landstrecken überlassen, auf denen
England unbehindert große Thätigkeit entfalten, auch wie überall die
Fahrstraßen in seiner Hand behalten kann, die zu entwickelungsfähigen
Ländern führen und, wenn es aus politischen Gründen belieben sollte,
den internationalen Verkehr verschließen kann.

Etwa 500 Meter flußaufwärts von dieser Grenze liegt am anderen Ufer
die portugiesische Zollstation. Gleich wie die Grashäuser europäischer
Ansiedler in diesem Lande, ist auch diese Station ebenso primitiv
erbaut, und bedeutete nicht die wehende Flagge, daß solcher Bau ein
Staatsgebäude ist, würde es seines Aussehens halber kaum Beachtung
finden. Zwecks einer Zollrevision und Ausfertigung von Papieren hatten
wir hier anzulegen.

So kurz der Aufenthalt bei dieser Zollstation auch war, bot sich mir
doch Gelegenheit, das Fell einer 13 Fuß langen Wasserschlange, die von
den Eingebornen erlegt und abgeledert wurde, zu erstehen. Der Umfang
dieses höchst gefährlichen Reptils betrug durchschnittlich einen Fuß
und, abgesehen von dessen giftigem Biß, soll solch ein Thier die
Knochen eines Menschen mit Leichtigkeit zerbrechen können. Das Fell,
vollständig mit Fischschuppen besetzt, die auf dem Rücken ganz klein,
allmählich bis zum Bauch die Größe eines Fünfpfennigstückes annehmen,
haben oben eine schwarzbraune Färbung, wohingegen die Schuppen nach
unten ins Gelblich-weiße übergehen. Nur zwei Exemplare gleicher Größe
habe ich gesehen, sonst aber dieses Thier in seiner Freiheit zu
beobachten weiter keine Gelegenheit gehabt, da es höchst wahrscheinlich
nur dort sich aufhält, wo die Wildniß seine Lebensbedürfnisse
befriedigen kann und das wäre hier in dem Moramballa-Marsch.

Als besonders auffällig war für mich weiter flußaufwärts an der
linken Seite die Anlage einer Reihe neuer Dörfer am Flußufer; eine
Erklärung dafür kann nur gegeben werden, wenn die Behauptung, daß eine
beständige Auswanderung portugiesischer Untertanen nach englischem
Gebiet stattfindet, sich als richtig erweist. Ein triftiger Grund
dazu wäre die Ausbeutung der Eingebornen durch die portugiesischen
Mischlinge, die in der Eigenschaft als Beamte, schlecht oder gar nicht
besoldet, diesen Ausfall durch Erhebung doppelter Steuern zu decken
suchen; mithin könnte man es den Bewohnern dieses Distrikts nicht
verdenken, wenn sie sich auf fremdes Gebiet niederlassen und unter
einer geordneteren Verwaltung das ihnen zugewiesene Land bebauen. Eine
Kopfsteuer erläßt der Engländer ihnen zwar auch nicht, der Gefahr
aber, mehr zahlen zu sollen, sind sie doch überhoben.

Etwas höher den Fluß hinauf passirten wir das große Dorf Tomba, das
an Ausdehnung das größte, welches ich an den Ufern des Zambesi und
Schire, mit Ausnahme vielleicht von Misongwe, gesehen habe. Auch
hier bestätigte die Aufführung einer beträchtlichen Anzahl neuer
Hütten, daß es an regem Zuzug nicht gefehlt hat. Und nach der Zahl
der Bewohner zu urtheilen, die, wie überall, durch eine fremdartige
Erscheinung angelockt, zu Haufen an dem Ufer sich versammelten, war die
Einwohnerzahl eine sehr beträchtliche.

In den Tropenländern veranlaßt die immer üppig blühende Natur den
flüchtigen Beobachter zu der Annahme, daß ein Wechsel der Jahreszeiten
eigentlich an der Pflanzenwelt spurlos vorübergehe; allein lebt man
längere Zeit in den Tropen, wird eine solche hinfällig, da man in sehr
vielen Fällen einen Erneuerungsprozeß beobachten und das Absterben
der Natur als Winterperiode bezeichnen kann. Es sind nur Schmarotzer
und Schlingpflanzen, die ein immergrünes Kleid tragen und durch ihren
Blüthenreichthum diese Erscheinung verdecken, darum, so kurze Zeit
ein solcher Uebergang auch währt, kann man ihn doch als eine Ruhe und
Erholungspause betrachten, in welcher die Pflanzenwelt neue Kraft und
Säfte sammelt, die der Regen dann zur reichsten Entfaltung bringt.

Noch abwechslungsreicher gestalten sich weiterhin die Ufer des Schire,
bald hoch, bald Senkungen zeigend, die naturgemäß einer Ueberschwemmung
ausgesetzt waren. Hier hat sich der Fluß durch langwelliges Terrain den
Weg gebahnt, das von den sogenannten Port Herald-Bergen ausgehend, bis
in diese Ebene seine Fortsetzung gefunden hat.

Am nächstfolgenden Tage wurde Port Herald erreicht, das, wollte man
aus der Benennung dieses Ortes einen Schluß ziehen, eine Art Hafen
vorstellen könnte; indes dergleichen Anlagen waren nicht vorhanden,
auch in nichts von anderen Uferstellen abweichend -- und nur
landeinwärts erblickte man die primitiven Gouvernementsgebäude, die
alle auf Pfeiler erbaut sind, hoch genug, um bei einer Ueberschwemmung
dieses Terrains vom Wasser möglichst verschont zu bleiben. Nur am Ufer
ist eine Art Warte, worin ein beständiger Posten stationiert war,
der das Passiren eines jeden Bootes zu verhindern hatte und jedes
zum Anlegen, wenn nöthig, zwingen mußte, bis es untersucht und einen
Freipaß zur Weiterfahrt erhalten hatte. Hier, wo nun ein Sammelpunkt
des ganzen Transportes gedacht war, hatte Major von Wißmann etwas weit
zurück ein offenes Lager erbauen lassen, das während seines kurzen
Aufenthalts den Anforderungen entsprach, jedoch einer bedeutenden
Erweiterung bedurfte, sollte es für den Haupttransport genügend sein.

Durch das langsame Vordringen der Expedition in seinen Plänen
behindert, hatte Major von Wißmann den Beschluß gefaßt, sich von dem
Transport zu trennen und vorauszueilen, um für geeignete Lagerplätze
und sonstige Hilfsmittel, die das Fortkommen fördern sollten, zu
sorgen. In diesem Sinne wurde eine Militärexpedition und eine
Transportexpedition gebildet, erstere bestehend aus der gesammten
Militärmacht, mit Abzug der benöthigten Schutztruppe für den Transport,
etwa fünfzig Soldaten, und neben Dr. Bumiller als Adjutanten, aus
Leutnant Bronsart v. Schellendorf, Proviantmeister de la Fremoire und
Illich nebst den drei Sergeanten Bauer, Krause und Eben. Als Führer der
Transportexpedition war Freiherr von Eltz später ernannt und ich ihm
mit dem gesammten Schiffs- und Handwerkerpersonal beigegeben worden.
Dr. Röver und Maler Franke, die anfänglich noch zur Vorexpedition
gehörten, hatten sich, nachdem der Major das Schiregebirge
überschritten, dem Transport anzuschließen, da es namentlich für den
einzigen Arzt angebrachter schien, bei der größeren Anzahl Europäer zu
verbleiben.

Nach meiner Ankunft in Port Herald und Uebernahme des Kommandos verließ
von Eltz bald darauf das Lager, um gemäß einer Bestimmung des Majors
denselben nach Chilomo zu folgen, wo eine Entscheidung über die Führung
des Transportes und über den Führer getroffen werden sollte, mir aber
lag es ob, nach der Zurücksendung der entlöschten Leichter das Lager
zum Theil umzubauen und wie ich es in Ntoboa gethan, vollständig
durch eine Schutzwand abzuschließen. Durch die Bereitwilligkeit des
englischen Beamten Mr. Piel wurden mir zur Ausführung dieser Arbeit
die benöthigten Kräfte gestellt und das Material zum Bau der Häuser in
nächster Nähe findend, gelang es mit dem guten Willen der Eingeborenen
die ganze Arbeit in fünf Tagen zu vollenden. Das Eine hatte ich mir zum
Prinzip gemacht, worauf ich auch streng geachtet, daß die Eingeborenen
gut behandelt wurden, vor allem gegen dieselben keine ungerechten
Ausschreitungen vorfielen, darum auch stellte ich nur solche Europäer
an, von denen keine Uebereilung zu erwarten war. Der Neger, in solchem
Punkte empfindlich, entzieht sich seiner Verpflichtung und man hat nur
den Schaden und das Nachsehen, im anderen Falle aber ist er willig, und
liegt es dann an dem Europäer denselben zur Arbeit anzuhalten.

Weitere Transportmittel, als die beiden Leichter, die zwischen Pinda
und Port Herald nun die Heranschaffung des Materials mit Unterstützung
des »Mosquito« zu bewerkstelligen hatten, standen uns nicht zur
Verfügung; auch was wir über die Wasserverhältnisse des Schire oberhalb
Port Herald in Erfahrung gebracht, lautete nicht günstig, sofern von
nun an nur leicht beladene Fahrzeuge im Stande sein sollten weiter
vorzudringen. So lag es denn nahe, den Plan mit der Feldeisenbahn
vorzunehmen, die wir von der Küste mit herauf gebracht hatten, näher in
Erwägung zu ziehen, der auch sicher sehr viel für sich hatte, als alles
Material zu gleicher Zeit fortgeschafft werden konnte, wenn nur die
Frage, woher so viele Arbeitskräfte nehmen, eine befriedigende Lösung
gefunden hätte. Von Seiten der englischen Beamten, des Administrators
Mr. Steavenson und Piel, wurde uns zu diesem Zwecke die möglichste
Unterstützung zugesagt, indes ihr Einfluß reichte auch nicht so
weit die umwohnenden Häuptlinge durch ein Gebot zur Stellung einer
bestimmten Anzahl Leute zu verpflichten und nach einer einberufenen
Versammlung war es klar, daß wir auf nicht mehr als zweihundert
Mann würden rechnen können. Dieses unerwartete Ergebniß war darauf
zurückzuführen, daß die Eingeborenen sich bereits anschickten ihre
Felder zu bestellen; der gemachte Einwand, diese Arbeit besorgten doch
ihre Frauen, die Männer aber thäten das Wenigste dabei, fruchtete indes
wenig, und anstatt der benöthigten fünfhundert Mann konnte nicht mehr
als die bezeichnete kleine Zahl erlangt werden.

Im Allgemeinen war in dieser Jahreszeit die Arbeiterfrage eine
schwierige, überall längs dem ganzen Schiregebiet; selbst Major v.
Wißmann mußte sich aus diesem Grunde Beschränkungen auferlegen; seine
Absicht, der Transportexpedition nach Möglichkeit Unterstützung zu
senden, scheiterte gleichfalls.

Bevor nun die Transportfrage mit der Feldeisenbahn endgültig
entschieden werden sollte, wollte von Eltz nach seiner Rückkehr
und nachdem das gesammte Material von Pinda heraufgeschafft worden
war, erst mit den Leichtern einen Transport bis Chilomo, wo der
Major eine Hauptstation errichtet hatte, führen, um sich über die
Wasserverhältnisse des Flusses genau zu orientiren, da eventuell von
der Aufstellung der Bahn Abstand genommen werden könnte, wenn entgegen
den Behauptungen, diese sich als besser erweisen würden. Allein die am
7. Oktober flußaufwärts bestimmten Leichter fanden eine kurze Strecke
oberhalb Port Herald schon eine für die nur mittelmäßig beladenen
Fahrzeuge unpassirbare Untiefe, sodaß es nöthig wurde, einen Leichter
zurückzusenden, der entlöscht, den zweiten dann entlastete und die
Fahrt fortgesetzt werden konnte.

Auf diese Nachricht hin, daß doch ein Fortkommen zu Wasser große
Schwierigkeiten bieten wird, wurde in einer Unterredung mit von
Eltz, bis zu dessen Lagerplatz ich am selben Tage noch geeilt war,
beschlossen, trotz der geringen Mannschaft die uns zur Verfügung stehen
würde, die Feldeisenbahn aufzustellen und schon am nächsten Tage ließ
ich mit der Zusammensetzung des 400 Meter langen Schienengeleises
beginnen. Den ganzen Schiffskörper, sowie die Feldbahn hatten wir
im offenen Felde nahe dem Ufer gelagert, aus dem Grunde, weil das
Transportiren so vieler schwerer Eisentheile nach dem entfernten Lager
bedeutenden Kraftaufwand erfordert hätte, auch lag hier das Material,
unter beständiger Aufsicht eines Wachtpostens gestellt, völlig sicher.
Erforderlich wurde nun, da die Aufstellung der Bahn in der Nähe dieses
Ortes vorgenommen werden mußte, zum Schutze der Europäer gegen die
glühenden Sonnenstrahlen ein Schutzdach zu errichten unter welchem
hindurch das Geleise bis zum Lager geführt, und hier im Schatten die
Zusammensetzung der 32 Wagen beendet werden konnte. --

Gelegentlich bei der Vollendung eines für das Gouvernement fertig
gestellten Hauses bot sich uns Gelegenheit den Tänzen der Eingeborenen,
namentlich der am Bau betheiligt gewesenen, zuzuschauen. Und um
der Sache mehr Effekt zu geben, luden die englischen Beamten die
Dorfältesten ein, auf dem freien Raume inmitten des Häuserkomplexes
ihre Festlichkeit abhalten zu wollen, mit der Zusicherung, daß ihnen
dazu reichlich Pombe, einheimisches Bier geliefert werden sollte.
Was an jedem Abend in den Dörfern, bei Mondenschein, selbst Nächte
hindurch, im kleineren Maaße aufgeführt wurde, sollte hier einen etwas
großartigeren Anstrich gewähren und wahrlich auf einen Zuschauer machte
die eigenartige Scenerie einen wirksamen Eindruck.

Ein Nachtlager bei Granada könnte ich fast die bei Feuerschein und
hellem Mondenlicht im weiten Kreise lagernde Versammlung bezeichnen,
so pittoresk durcheinander lagen und hockten die schwarzen, nackten
Gestalten. Die Feuer durch immer neue Zufuhr von trockenem Rohr häufig
zur hellen Gluth angefacht, warfen über alle ihren rothen Schein, um
zusammensinkend, diesem Schatten Platz zu machen. Die Häuptlinge und
Aeltesten hatten, auf Matten sitzend, den engen Kreis der durch die
Frauen und Mädchen gebildet wurde, geschlossen, zur Linken aber die
Europäer auf herbeigebrachten Stühlen oder Kisten Platz genommen.
Selbstverständlich war das versprochene Bier schon aufgefahren
worden, und die stattliche Anzahl großer irdener Töpfe zeigten bald
eine bedenkliche Leere und zeugten davon, daß die Zecher von dem
gespendeten Trank den ausgiebigsten Gebrauch zu machen verstanden;
weniger betheiligten sich die Europäer daran, nur, wenn eine junge Maid
mit tiefem Knicks einen Trunk kredenzte, wurde derselben ein solcher
nicht abgeschlagen, im Uebrigen begnügten wir uns mit einem Gläschen
Schottisch-Whisky, dessen scharfer Geschmack durch Wasser gemildert
wurde.

Der Tanz, ausschließlich nur von Frauen ausgeführt, begann mit einem
kleinen Reigen nach dem Takte eines eintönigen Gesanges und begleitet
durch Händeklatschen. Ein Dutzend Frauen dicht aufgeschlossen, bewegen
sich im Kreise um die Vorsängerin und schlagen gleichmäßig mit Händen
und Füßen den Takt zu dem Refrain, der von allen gesungen wird.
Bald aber aufgemuntert durch die lobenden Zurufe der in großer Zahl
versammelten Männer, vermehrt sich die Zahl der Tanzenden bis alle
anwesenden Frauen theilgenommen haben. Allmählich geht der Tanz zu
rascheren Bewegungen über; das tiefe Neigen der Körper, das Wiegen in
den Hüften, das gleichmäßige Vor- und Rückwärtsschreiten, mit einer
Präzisität ausgeführt, als geschähe alles nach Kommando, dazu das
Stampfen mit den Füßen, die um die Knöchel mit Messingringe als Schmuck
beschwert sind, wodurch ein eigenthümliches Rasseln verursacht wird,
giebt dem Beobachter die Ueberzeugung, daß zu solcher Fertigkeit nicht
nur ungewöhnliche Uebung gehört, sondern die eigentlich unharmonischen
Gesänge mit diesen Bewegungen in Einklang gebracht sind.

Mehr und mehr giebt sich bei den Tanzenden eine Art Erregtheit kund,
namentlich wenn sie durch Pantomimen ein Liebesspiel darstellen wollen,
das durch schnelle Bewegungen der einzelnen Paare, durch rasches
Abwenden von einander und wieder dichtes Aufschließen ermüdend wirken
muß, aber nicht eher ist ein solcher Tanz beendet, als bis alle Zeichen
völliger Ermattung zeigen. Tritt eine Vorsängerin ab, nimmt eine andere
sofort deren Platz ein und je nach dem aus dem Stegreif hergesagten
Text werden die Körperbewegungen lebhafter oder langsamer.

Schließlich in Schweiß gebadet, sodaß die schwarzbraune Haut im
Feuerschein glänzend erscheint, werden die scharfen Ausdünstungen der
Körper für das empfindliche Geruchsorgan des Europäers lästig, sofern
nicht schon der durch das fortwährende Stampfen erzeugte Staub den
Weißen den Rückzug antreten ließ. Wie empfindungslos und abgehärtet
bereits die Säuglinge sein müssen, erhellt daraus, daß auf dem Rücken
der Mütter in einem Tragetuch gebunden, das gleicherzeit auch die
ganze Bekleidung der Frau ausmacht, bei all den raschen Bewegungen,
die solch ein Tanz erfordert, in guter Ruhe schliefen; ob der Kopf des
Kindes auch bald rechts bald links zu liegen kam, oder fortwährend,
oft nicht unsanft, hin- und hergeworfen wurde, das störte die kleinen
Schläfer nicht. Uebrigens bei allen Arbeiten, welche die Frau in Feld
oder Hütte zu verrichten hat, trägt sie das Kind in dieser Weise mit
sich und die Natur muß wirklich den Schädel des Negers ungemein dick
und fest gebildet haben, sonst könnte nicht schon ein nur wenige
Tage altes Kind den glühenden Strahlen der Sonne ohne jede Bedeckung
ausgesetzt werden können; einer Sonnengluth die unfehlbar den Tod eines
Europäers herbeiführen würde, wollte er sich auch nur kurze Zeit ohne
Kopfbedeckung derselben aussetzen.

Eine besondere Beachtung verdient noch das devote Benehmen der Frauen
den Männern gegenüber, diese knieten jedesmal besonders vor dem
Höherstehenden, bei Ueberreichung eines Trunkes nieder und verharrten
in dieser Stellung solange, bis ihnen das Gefäß zurückgegeben wurde
und dann sich noch verneigend, bezeugten sie durch Füßescharren
ihre Reverenz. Mit nur geringen Unterbrechungen wurden die Tänze
fortgesetzt; die späte Stunde, die zur Ruhe mahnen sollte, kennt der
Eingeborene nicht, vielmehr so lange nicht die Pombetöpfe geleert
oder Trunkenheit ihn umsinken macht, wird bei Tanz und Ngomaschlag
(Trommelschlag) oft bis zum frühen Morgen Singsang und Trinken
fortgesetzt. Es ruft ihn ja auch keine Pflicht noch Arbeit, und
sorgenlos kann er in seiner Hütte den Tag verschlafen, und, wenn der
Vorrath reicht, am Abend wiederum das Gelage fortsetzen.

Die Tage im Anfang des Oktobers waren hier fürchterlich heiß, es war
als wenn die Atmosphäre ein glühender Ofen wäre. Aus Rücksicht auf die
Gesundheit der Europäer ließ ich oft mit der Arbeit schon um 10 Uhr
Morgens aufhören und erst um 3 Uhr Nachmittags wieder beginnen, denn
selbst im Schatten erschlaffte der Körper dermaßen, daß es zu einem
Gebot der Nothwendigkeit wurde, durch Ruhe neue Kräfte zu sammeln.
Wenige Tage nur dauerte diese ausnahmsweise glühende und trockene
Hitze; eine Veränderung und Abkühlung mußte in Kürze erfolgen, worauf
auch die Wolkenbildungen am Abend schließen ließen, die sich aber
immer wieder vertheilten; bis urplötzlich eines Nachmittags von
verheerendem Sturm getrieben, das Unwetter hereinbrach. Furchtbar
äußerte sich die Naturgewalt, daß es dem Menschen dabei unheimlich
werden konnte; aus den sehr tiefhängenden Wolkenmassen zuckten
unaufhörlich Feuergarben über das ganze Himmelsgewölbe, glühenden
Schlangen gleich, die die schwarzen Massen spaltend, in der Tiefe eine
Hölle von Feuer momentan erblicken ließen; dazu der rollende Donner,
der dem zuckenden Blitzstrahl unmittelbar folgte, schien Himmel und
Erde mit schrecklichem Krachen zerspalten zu wollen. Die Atmosphäre mit
Elektrizität überfüllt, durch das zuckende Feuermeer mit Schwefeldämpfe
gesättigt, wurde durch den niederströmenden Regen aber bald abgekühlt,
und die tagelang wie ein Alp drückende Luft wurde leicht und rein.
Die niederstürzenden Regenmassen würde man als einen Wolkenbruch
bezeichnen, wenn solche Wassermengen in den gemäßigten Zonen sich über
die Erde ergießen, in den Tropen indes ist es keine ungewöhnliche
Erscheinung und nichts Seltenes, daß in kurzer Zeit die betroffene
Gegend einem weiten See gleicht. Sind dazu im Terrain Gefälle
vorhanden, dann werden durch das abfließende Wasser fließende Bäche
erzeugt, welche im Stande sind, große Mengen Erde mit fortzuführen.
Um angelegte Wege vor Vernichtung zu schützen, müssen solche mit
Seitengräben versehen werden, sonst wird häufig eine mehrwöchentliche
Arbeit in dem kurzen Zeitraum von einer Stunde zerstört. Gegen solchen
Regen und damit verbundenen Wirbelsturm waren unsere Grashäuser nicht
widerstandsfähig genug, das Wasser drang überall hindurch und was das
Schlimmste, das Unwetter brach so plötzlich herein, daß wir kaum
darauf vorbereitet waren, wenigstens eine solche Erfahrung noch nicht
gemacht hatten.

Es gab nun mit einem Male zu viel zu schützen, Kisten und Säcke, sonst
immer im Freien lagernd, mußten bedeckt oder unter Dach gebracht
werden, was für die zitternden Schwarzen eine höchst unangenehme Arbeit
war, da der Eingeborene nichts so sehr scheut, als den Regen und
irgendwo sich von den auf seiner nackten Haut niederfallenden Tropfen
zu verbergen sucht; so ist mit ihm auch nur wenig anzufangen, ja ist
selbst nicht abgeneigt, den Europäer in heikler Situation zu verlassen
und der Weiße, der nicht Einfluß genug besitzt, sieht sich plötzlich
allein.

In wenig Sekunden bis auf die Haut durchnäßt, suchte ich mit einer
Anzahl Leute das Nothwendigste vor dem strömenden Regen zu schützen,
allein diese Abkühlung, die einem die Zähne klappern machte, trug mir
ein heftiges Fieber ein, das erst nach mehrtägigem Krankenbett zu
weichen begann.




            5. Ein Eilmarsch von Port Herald nach Chilomo.


Nach der Zusammensetzung des Geleises und der Aufstellung der gesammten
Wagen ließ ich möglichst schnell mit der Verladung unseres Materials
beginnen. Hierbei nun machte es den Eingebornen außerordentlichen
Spaß, die leicht rollenden Wagen mit schweren Lasten bepackt, hin-
und herfahren zu sehen und oft unaufgefordert legten sie an das
Wunderding, das der weiße Mann baut und laufen macht, Hand mit an.
Aus dieser Willigkeit hätte ein mit den Gewohnheiten der Eingeborenen
nicht Vertrauter den Schluß ziehen können, daß es nicht gar schwer
halten könnte, genügend Leute für den Transport der Bahn zu erhalten,
allein er möchte sich doch sehr getäuscht sehen, sobald an diese eine
Aufforderung zur beständigen Arbeit erginge. Kindliche Neugierde
nur ist es, die zwar das harmlos Neue dem Schwarzen begehrenswerth
erscheinen läßt, aber auch bald demgegenüber eine Gleichgültigkeit
erweckt, sobald dieselbe befriedigt ist. Was besonders für sie
interessant, war das selbstthätige Rollen der Räder und die
Ueberführung der Wagen auf ein Nebengeleise vermittelst unserer
einfachen Weichen, indes wir Europäer hatten wohl darauf zu achten,
daß rechtzeitig die Bremsen bedient wurden, sonst ließen die Leute die
Wagen aufeinander laufen und Beschädigungen würden nicht ausgeblieben
sein.

Was speziell die Arbeiterfrage anbelangte, hatte ich eines Tages im
Lager ein großes Schauri mit den herbeigerufenen Häuptlingen und
unter Mitwirkung des englischen Administrators Mr. Steavenson war das
Endergebniß, daß jeder Häuptling sich verpflichtete für uns eine
Anzahl Leute zu stellen, die bei freier Verpflegung ein Monatsgehalt
von zweieinhalb Rupie, etwa drei Mark +à+ Mann, erhalten sollten.
Nach den gemachten Zusagen zu urtheilen, glaubte ich bis zur Rückkehr
des Herrn von Eltz, mit Hilfe der schon in den nächsten Tagen
eintreffenden Leute, alles zum Aufbruch bereit zu haben, doch, als
ich mit den eigenen Leuten Suaheli, Soldaten und angenommene Arbeiter
wirklich so weit war, war noch kein einziger Mann angekommen und
erhielt wieder die Bestätigung, daß Zusagen der Eingeborenen wenig
zuverlässig sind.

So waren wir denn verurtheilt geduldig die Ankunft der versprochenen
Leute abzuwarten -- um aber die Zwischenzeit auszunutzen, ließ ich mit
den verfügbaren Leuten einen Weg für die Feldbahn ebnen, wo nöthig
im waldigen Terrain auch Bäume aus dem Wege räumen. Solche fliegende
Kolonne hätte, wenn uns genügende Kräfte zur Verfügung gestanden,
wesentliche Dienste geleistet, schon die Aufsuchung besserer Wege durch
Wald und Busch würde von großem Vortheil für den Feldbahntransport
gewesen sein.

Erst wenige Kilometer war ich vorgedrungen, als eines Abends nach der
Rückkunft von Eltz ein Eilbote von Ratunga unterhalb der Schirefälle
im Lager eintraf, der vom Major von Wißmann die Nachricht brachte, daß
500 Mann dort angeworben seien, die bestimmt um die Mitte des Oktobers
in Chilomo eintreffen würden, bis wohin der Führer de la Premoire die
Leute bringen würde; von dort müßten sie von einem anderen Führer
übernommen und nach Port Herald gebracht werden. Unzweifelhaft waren
vom Major gleich nach seiner dortigen Ankunft Erkundigungen über die
dortigen Verhältnisse eingezogen worden, und auf Grund dieser wurde ein
Eilbote nach Port Herald abgesandt, der noch verhindern sollte, daß im
Transportlager Anwerbungen stattfänden.

Unbekannt mit den Ereignissen bei der Vorexpedition, brachte die
eingetroffene Nachricht vom Anmarsch so großer Hilfskräfte Freude aber
auch Bedenken bei uns hervor. Letzteres, als sich die Frage sofort
aufdrängte, wie sollen in dieser Jahreszeit, in welcher fast überall
die Vorräthe nahezu aufgezehrt waren, so viele Menschen ernährt
werden; denn abgesehen davon, daß wir im Lager wenig Vorräthe an
Mehl und Lataten ansammeln konnten, mußte solches in der so schwach
bevölkerten Gegend, welche wir zu durchziehen hatten, noch weniger
der Fall sein. Dies alles trat jedoch vorläufig in den Hintergrund;
das Hauptsächlichste war zunächst unverzüglich dem Befehle des Majors
nachzukommen und einen Führer nach Chilomo zu senden. v. Eltz mochte
nicht gleich wieder dorthin zurückkehren und ich fühlte mich durch die
überstandene Krankheit noch zu schwach einen Eilmarsch von über 75
Kilometer zurückzulegen, der in glühender Sonne und durch pfadlose
Waldgebiete keine Kleinigkeit war.

Hätte uns nur ein Boot zur Verfügung gestanden, würden wir dieser
Schwierigkeit bald überhoben gewesen sein, zudem der Wasserweg der
bequemste und kürzeste war, indes das konnte nicht sein und, da nur von
Eltz und ich in Frage kam, entschloß ich mich den beschwerlichen Marsch
anzutreten. Als Begleiter wählte ich mir den zweiten Maschinisten
Engeke, den geeignetsten und zum Zwecke der Führung vieler Menschen,
ruhigsten Mann. Wir nahmen das Nothwendigste nur mit uns, sowie
Proviant und etwas Zeug und brachen am frühen Morgen des 23. Oktober
mit zwölf Trägern auf.

Insofern, als sich mir auf diesem Marsch Gelegenheit bot das Terrain,
welches wir später mit der Bahn durchziehen mußten kennen zu lernen,
war es gut, daß ich ihn unternommen hatte. Indes bald wurde der
Einfluß der glühenden Sonnenstrahlen auf den Körper so groß, daß
bei der schnellen Gangart völlige Ermattung eintrat und trotz des
festen Willens vorwärts zu wollen, die Füße den Dienst versagten.
Aus Erfahrung wußte ich, daß diese Schwäche nur die Nachwehen des
überstandenen Fiebers waren, die schwinden würde, wenn der Einfluß
des Willens auf den Körper stark genug sei, diesen trotz solcher
Anwandlungen vorwärts zu bringen. Und das erprobte Mittel versagte auch
dieses Mal nicht, -- überhaupt, behält die Willenskraft die Herrschaft
über den Körper, in allen Fällen, wo diese nicht durch die Schwere der
Krankheit aufgehoben wird, und trägt zur Ueberwindung der Fieberanfälle
ungemein viel bei.

Gegen Mittag erreichte ich die Ansiedelung des Engländers Simpson,
eines Händlers, für den sozusagen alles Werth besaß, und unter dessen
aufgestapelten Vorräthen Umschau haltend, war vom Schädel und Zahn
des Elephanten bis auf das Gehörn der kleinsten Antilopenart alles
vertreten, was in dieser Beziehung Central-Afrika bieten konnte,
zudem aber noch ein großer Vorrath von Mais und Mtama, Lataten
etc. vorhanden. Mir war der Auftrag geworden für unsere Leute im
Lager Proviant anzukaufen, deshalb, in Abwesenheit des Engländers,
verhandelte ich mit dem schwarzen Nornkieper (Aufseher), der, nachdem
wir handelseinig geworden, sogleich zwei beladene Kanoes unter Aufsicht
zweier Soldaten, die ich zu diesem Zwecke mitgenommen hatte, nach Port
Herald absenden mußte.

Von hier aus hätte ich gerne zu Wasser, mit gecharterten Kanoes, die
Reise fortgesetzt, aber nach eingehender Untersuchung war nicht ein
einziges, der in kleiner Zahl vorhandenen, in einem solchen Zustande,
daß man sich diesen, noch weniger die Lasten, für eine längere Tour
hätte anvertrauen können und nach längerem Rasten in dieser englischen
Niederlassung brach ich wieder auf.

Meine Absicht war, im nächsten Dorfe, das vor Sonnenuntergang noch
erreicht werden konnte, Nachtquartier zu nehmen, und wo es irgendwo
angängig, ließ ich längs der Waldlisiere marschiren, wenn es auch auf
dem wegelosen Waldgrund schwieriger war vorwärts zu kommen, so ging es
sich im tiefen Waldesschatten doch ungemein angenehmer, als näher dem
Flusse zwischen hohem Gras unter den Strahlen einer glühenden Sonne.

Schon senkten sich die Schatten einer hereinbrechenden Dämmerung auf
die Wälder hernieder und vermehrte das Dunkel in diesen, als wir rechts
in die Grasebene abschwenkend, das ersehnte Dorf am Ufer des Schire vor
uns liegen sahen. Die Bewohner dieses kleinen gerade nicht besonders
reinlichen Dorfes, ließen es sich angelegen sein, auch auf unsern
Wunsch eine der besten Hütten zu räumen, worin wir zwar gegen die kalte
Nachtluft geschützt, Unterkunft fanden, aber auch während der Nacht
genug mit den überlästigen Ratten zu thun hatten, um diese dreisten
Nager fern zu halten. In kaum Manneshöhe war nämlich in der Hütte eine
Art Boden errichtet, auf welchem Mais und Mamavorräthe lagerten und
hierin, die beliebte Nahrung in Hülle und Fülle findend, hatten es sich
die Ratten so bequem gemacht.

In Bezug auf Unterkunft darf man in Afrika nicht wählerisch sein, ein
trockenes hartes Lager ist das Beste, was zu erreichen ist und treiben
es Mosquito und anderes lästiges Gethier nicht allzu arg, schläft man
nach den Strapazen des vergangenen Tages auch auf solchem recht gut.

Der nächste Morgen fand uns schon vor Sonnenaufgang auf dem Marsche;
ich wollte lieber die kühleren Morgenstunden ausnutzen, als wiederum in
der glühenden Sonne marschiren, hauptsächlich auch, weil wieder eine
weite baumlose Grasebene vor uns lag, die bis zum nächsten 5 Stunden
entfernten Dorfe weder Schutz noch Schatten bieten konnte.

Was mich immer gewundert hat, war die Anspruchslosigkeit der Träger in
Bezug auf Nahrung; ihre einzige Mahlzeit bestand aus geröstetem Mais
und Lataten, dazu etwas Fisch oder Fleisch. Sie nahmen auch mitunter
am frühen Morgen ohne das Geringste genossen zu haben die schwersten
Lasten auf und verzehrten erst am Halteplatz grüne Maiskolben oder
gedörrte Wurzeln.

Im nächsten Dorfe Umpassa, das wir gegen zehn Uhr erreichten, hielt
ich längere Rast; hier im Schatten hoher breitästiger Bäume war es ein
angenehmer Aufenthalt, der zum Verweilen einlud. Bald war Jung und Alt
um uns versammelt, die neugierig und stillschweigend dem Gebahren der
weißen Männer zuschauten, selbst Frauen und Männer wagten näher zu
treten, wurden alsbald von den Männern in ihre Hütten zurückgeschickt
sobald sie weiter gingen als es der Sitte entsprach, denn in einer
Versammlung von Männern hat hier die Frau nichts zu suchen.

Sobald ich ein passendes Geschenk, das in einem Stück bunten Zeuges
bestand, aus meinem kleinen Vorrath ausgesucht hatte, sandte ich dieses
zum Häuptling mit dem Ersuchen zu einem Schauri kommen zu wollen.
Den Werth der Zeit kennt der Eingeborne nicht und aus diesem Grunde
mußte ich denn auch recht lange auf den werthen Besuch warten; und
wirklich hierin ist ein Dorfhäuptling, so klein auch sein Bereich
sein mag, immer groß; er wird es stets unter seiner Würde halten
dem Rufe des Europäers sofort zu folgen, sofern er nicht diesen als
den weit mächtigeren erkannt hat. Als nun endlich der alte Herr
erschienen war, gefolgt von den Würdenträgern, meistens wohl nahe und
nächste Verwandte, auch als Gegengeschenk ein Topf guter Pombe mir
überreicht hatte, begann vor der offenen Berathungshütte, die sich in
unmittelbarer Nähe meines Aufenthalts befand, das Schauri.

Anfänglich war ich der Sprechende, da ich durch den Dolmetscher der
Versammlung meine Wünsche vortragen ließ, die darin bestanden, daß
die Bewohner des Dorfes im Voraus große Mengen Mehl fertig halten
sollten, auch andere Nahrungsmittel, soviel in ihren Kräften, zum
Verkauf heranbringen möchten, denn in nicht langer Zeit wird ein großer
Transport und viele Menschen dieses Dorf passiren und diese werden viel
Essen nöthig haben; sie, die Einwohner, sollen gut für ihre Waaren
bezahlt werden, auch der Häuptling, wenn er für Vorräthe Sorge tragen
wird, ein großes Geschenk erhalten. Darauf ließ ich noch die Wagen
etc. beschreiben und sah, daß alle wohl hörten aber nichts von dem
begriffen, was der Dolmetscher ihnen mit Mühe klar zu machen suchte.

Der Vorredner, der neben dem Häuptling saß, ergriff sodann das Wort und
entfaltete eine große Beredsamkeit, deren kurzer Sinn besagte, daß sie
nur wenig Vorräthe hätten, aber doch ihren Frauen den Wunsch des weißen
Mannes mittheilen wollten; zwar nicht viel aber etwas würde wohl noch
übrig sein.

Als der Häuptling sich verabschiedete, konnte er nicht ahnen und ich
es nicht wissen, daß eine Zeit kommen sollte, wo er mein Gefangener
sein würde! Den Namen dieses Fumo (Häuptling) »Tengani« werde ich
sobald nicht vergessen. Die früher schon erwähnten Geier, welche ich
in Ntoboa und später als nützliche Thiere verschont hatte, schienen
hier durch ihre große Anzahl mehr Schaden als Nutzen zu bringen, denn
wie die Bewohner mir versicherten sei es nicht möglich junge Hühner
aufzuziehen, jedes sich ins Freie wagende werde von den Raubvögeln bald
entführt. Sie äußerten auch den Wunsch, ob ich nicht diese lästigen
Vögel verscheuchen wolle; der weiße Mann habe ja so gute Feuerwaffen
mit welchen es leicht sei die Thiere aus den Lüften herunter zu
schießen.

Mit Staunen sahen die Bewohner Umpassas, daß ihre Erwartungen von der
Treffsicherheit des Europäers bedeutend übertroffen wurden, denn in
kurzer Zeit waren eine Anzahl dieser adlerartigen Raubvögel aus den
Lüften heruntergeholt, mit denen die Jugend sich alsdann amüsierte.
Hierbei passirte es einem schwarzen Jungen, der vorschnell einen
schwergetroffenen Vogel ungeschickt angefaßt hatte, daß dieser seine
scharfen Fänge in dessen nackte Schenkel einschlug und ehe er befreit
war, für seine Dreistigkeit einige tüchtige Schrammen in Kauf zu nehmen
hatte.

Es war übrigens kein Kunstsück die ruhig kreisenden Vögel mit Schrot
oder Kugel zu treffen, sie entfernten sich keineswegs, sondern erhoben
sich nur sehr hoch aus dem Bereich der Waffen und schwebten ruhig in
der luftigen Höh', dort ihre bald weiten, bald engeren Kreise ziehend.

Um 8-1/2 Uhr Nachmittags erreichten wir auf dem Weitermarsch ein
kleines Dorf; hier, im Schatten eines gewaltigen Baumes rastend,
der manchem müden Wanderer wohl zur kurzen Ruhe Kühlung gespendet
hat, erwartete ich die zurückgebliebenen Träger, um uns ein neues
Nachtquartier herzurichten.

Als endlich die Leute anlangten, war die Ueberraschung groß. Es war
nämlich Engelke gelungen, eine Antilope zu beschleichen und zu erlegen,
die, als sie von den Trägern nicht mitgeschleppt werden konnte, zerlegt
wurde, und zu den Lasten fügten die Leute noch die besten Fleischstücke
des Thieres hinzu.

Trotz der vorgerückten Stunde und dem Bedürfniß nach Ruhe regten sich
doch bald viele Hände, noch ein delikates Abendessen herzurichten. --
Der Eine reinigte das benöthigte Fleisch, der Andere klopfte es, der
Dritte übernahm das Schmoren in Butter, die hier immer dünnflüssig
und nur zu solchem Zwecke noch gut genug war. Zwiebeln und Bataten
hatten wir auch und was das Beste, mit Oel und Essig machten wir
uns aus eingehandelten Tomaten einen guten Salat zurecht. In der
afrikanischen Wildniß, wo jeder Comfort als etwas Unerreichbares oft
Unmögliches betrachtet werden muß, gewöhnt ein in die Verhältnisse sich
schickender Mensch, sich sehr bald daran mit dem Wenigsten oft Haus
zu halten und nirgend besser findet das Sprüchwort »Hunger ist der
beste Koch« Anwendung als hier, insofern, als die Noth erfinderisch
macht und Manchem, einst in Ueberfluß schwelgenden, die Kehrseite
des Lebens zeigt. Selbsthilfe gebietet die Nothwendigkeit, und diese
kann auf längerer Dauer für ein verwöhntes Menschenkind recht heilsam
sein, deren Erlernung oft auf Lebenszeit eine nicht zu unterschätzende
Wirkung ausübt.

Die Aussicht, mit unsern Leuten am Ueberfluß theilzunehmen, machte die
Bewohner des kleinen Dorfes sehr dienstwillig; sie nahmen, was sonst
wohl nicht der Fall gewesen wäre, sogar den Leuten das Wasserholen ab,
das bei dunkler Nacht und der Weite des Weges eine große Gefälligkeit
war; darum, wohl wissend, daß der Einzelne nur an sich selbst denkt,
sorgte ich schon bei der Vertheilung für deren Antheil, denn sonst
hätte derselbe nur aus Knochen und mageren Ueberresten bestanden.

In der Voraussetzung, daß der nächste Tag nach zurückgelegtem tüchtigen
Marsch uns an das Ziel, nach Chilomo, bringen würde, wollte ich am
anderen Morgen schon früher als sonst aufbrechen; mußte aber leider
die Wahrnehmung machen, daß mit dem Koch und einem Diener auch noch
zwei Träger während der Nacht das Weite gesucht hatten. Was diese
Leute bewogen hatte sich auf Nimmerwiedersehn zu empfehlen blieb mir
ein Räthsel, in der Behandlung, die eine überaus gute gewesen, war der
Grund dafür wenigstens nicht zu suchen.

Wir kamen natürlich dadurch mit den Lasten in eine arge Verlegenheit,
überdem, da keine Männer mehr im Dorfe anwesend waren, sondern sich
bereits sehr früh alle mit Frau und Kindern nach den entfernt liegenden
Feldern begeben hatten; ich ließ indes nachforschen und schließlich
wurden zwei Männer noch aufgetrieben, die sich erboten, wenigstens bis
zum nächsten Dorfe die Lasten zu tragen. Diese unliebsame Verzögerung
ließ es schon ausgeschlossen sein noch an diesem Tage, den 25., Chilomo
zu erreichen; daher, als wir nach einer guten Stunde, links von uns,
verdeckt durch hohe Bäume ein Dorf passirten, in dem bei Schießen und
Ngomaschlagen allem Anschein nach eine Festlichkeit begangen wurde,
ließ ich im Walde halten und mit 4 Soldaten die deutsche Flagge, wie
immer, vorauf, schritt ich in das Dorf.

Zwar verstummte bei meiner Annäherung der betäubende Singsang und
Trommelschlag für einen Augenblick, um dann, als mein Begehren den
Fumo des Dorfes sprechen zu wollen erkundet war, auch ein kleiner
Bube, als Wegweiser zu dienen den Auftrag erhalten hatte, desto toller
wieder loszugehen. Was der Grund für diese auf einer kleinen Anhöhe
ausgeführten Tänze war, habe ich nicht erfahren können, soviel nur
sah ich, daß die Bewohner des ganzen Dorfes, Männer, Frauen, Mädchen
daran theilnahmen und nach der Aufregung zu schließen und den leeren
Pombetöpfen, die in beträchtlicher Anzahl umgestoßen oder leer umher
standen, mußte diese Festlichkeit schon die Nacht hindurch gewährt
haben. Mir kam das unsinnige Abfeuern der Vorderlader, das Schwingen
von Speer und Bogen, nicht besonders anheimelnd vor, dennoch trotz der
herrschenden Erregtheit, welche die schwarzen Gestalten wie eine Anzahl
besessener Teufel tanzen ließ, war durchaus keine Gefahr vorhanden,
obgleich der Neger, wenn er durch eine große Menge Pombe berauscht
geworden, gerade keine sehr umgängliche Person ist.

Auch das überlustige Gebahren der Frauen und Mädchen fiel mir noch
besonders auf, eine solche Ausgelassenheit wie hier hatte ich noch nie
Gelegenheit gehabt zu beobachten; denn immer halten sich diese in ganz
bestimmte Grenzen.

Den Fumo, der von der Anwesenheit eines Weißen in seinem Dorfe
unterrichtet worden war, traf ich, beim Betreten seiner Hütte,
damit beschäftigt, eiligst Ordnung im Vorraume zu schaffen, mit
der löblichen Absicht dem einkehrenden Gaste einen freundlicheren
Anblick zu gewähren. So eigenartig wie die Umgebung, so auffällig
war auch die Persönlichkeit, die mir entgegentrat. Stark und kräftig
gebaut, mit energischen Zügen und schwarzem Vollbart, war diese
Erscheinung ganz darnach angethan einen kleinen Herrscher vorzustellen,
und so auffallend selbstbewußt ist mir selten ein schwarzer Mann
entgegengetreten.

Nach kurzem Austausch über das Woher und Wohin ersuchte ich den Fumo
mir gegen gute Bezahlung (etwa +à+ Mann zwei Ellen Zeug) vier
seiner Leute stellen zu wollen, denn meine Lasten seien zu schwer,
weshalb ich einige Leute bis Chilomo bedürfe. -- Unverzüglich traten
auf Befehl des Fumo vier kräftige junge Männer an und als ich deren
Namen aufgeschrieben hatte, was in ihren Augen ein bindender Akt ist,
erkundigte ich mich noch beim Häuptling über Naturalien, Mais und
Mtamamehl etc.; erfuhr ferner auch, daß die Festlichkeit im Dorfe eine
Hochzeitsfeier sei, wobei er die Bezeichnung machte, es seien alle
Theilnehmer berauscht und viel Pombe getrunken worden; lachend gab ich
ihm die Hand und Kehrt, Marsch ging es aus dem Dorfe hinaus in das
Waldesdunkel hinein.

Nach den unklaren Angaben zu urtheilen, welche die Träger über die
Länge des Weges machten, schien es fast möglich zu sein noch an
diesem Tage Chilomo erreichen zu können, wenn auch gewiß nicht vor
anbrechender Nacht. Indes die Anforderungen, welche an die Träger
gestellt werden mußten, würden große sein, deshalb das Gewisse dem
Ungewissen vorziehend, ließ ich in nicht so eiliger Hast die letzten 25
Kilometer zurücklegen und gemächlicher marschiren, fand daher auch mehr
Zeit und Muße die wilde Natur um mich beobachten zu können.

Neben den schillernden Schmetterlingen und im Sonnenstrahl
goldglänzenden Käfern, sah ich häufig eine ganz kleine Vogelart,
deren Gefieder unauffälliger war als das des schillernden Kolibris,
sonst waren die Thierchen ebenso flink und gewandt, nur nicht mit
so überreicher Farbenpracht ausgestattet, wie die gütige Natur den
kleinsten ihrer gefiederten Geschöpfe bedacht hat. Eine Art Wiedehopf
mit schönem grauen Kleid, sowie Spechte, die geschwind an den hohen
Baumstämmen auf und nieder kletterten, wilde Tauben, deren Gurren
durch die Waldstille klang, Feld- und Perlhühner, führten in dieser
Einsamkeit ein ungestörtes Leben.

Oft senkte ich das tödtliche Rohr, um nicht diesen Waldfrieden durch
ein weitschallendes Echo zu stören, mehr aber, um die friedlichen
Geschöpfe, die so harmlos und ohne jede Furcht ahnungslos den Tod
empfangen hätten, zu verschonen. Manche schöne, seltene Blume blüht
auch im Gebüsch oder Schatten des lichten Waldes -- aus ihren Kelchen
trinken summende Bienen in Gemeinschaft mit Käfern, denen der tief im
Innern des Kelches verborgene Tautropfen ein Wonnetrank ist; ebenso
würden vielfältige Strauch- und Baumarten einem Botaniker zum Studium
dienen können. Auch eine Kactusart, die nur lange stachlige Blätter
aufwies, fand ich an den Wegen vor, eigentlich an Orten, wo die
Sonnenstrahlen im Walddickicht freieren Zutritt hatten. In Rissen oder
anderen durch das eigenartige Gebilde dieser Pflanze ausgewachsenen
Vertiefungen fanden sich immer kleine von nächtlichem Thau gefüllte
Wasserbehälter vor, und Insekten sowie kleinere Vögel suchten hier
stets ihren kühlen Morgentrunk, von vorsorgender Hand bereitet, zu
erlangen.

Am nächsten Morgen, während wir über Nacht nochmals die
Gastfreundschaft eines Dorfhäuptlings in Anspruch genommen hatten,
kamen wir nach einstündigem Marsche in ein zerrissenes Terrain,
wo unzweifelhaft an den Abhängen des Waldgebiets die Fluthen des
Schireflusses einst vorbeigerauscht sind und ihre Kraft erprobt haben;
denn deutlich war das alte Ufer noch zu erkennen, das steil und hoch
sich gegen die weite tiefliegende Grasebene abhob. Quer durch diese
weite Grassavanne, die recht geeignet ist dem Wilde als Tummelplatz zu
dienen, das sich bei Tage in den Schatten der Wälder zurückzieht und
nur in den Abendstunden oder am frühen Morgen zur Aesung und Tränke
geht, schritten wir hin und suchten uns anfänglich aufs Geradewohl
einen Weg, nur die Richtung hielten wir ein nach welcher hin das
Lager von Chilomo liegen mußte. Erst als befürchtet werden konnte,
daß einige Nachzügler irre gehen würden theilten wir die Leute in
drei Abtheilungen ein, sodaß jeder Europäer einen Zug führte. Darauf
hielten wir uns so, daß möglichst in gleicher Höhe jeder für sich
durch das Grasmeer, in dem nichts als der Himmel über uns zu sehen
war, vorzudringen suchte. Ein Abweichen oder Verirren wurde durch
beständigen Zuruf und Antwort vermieden. Diese Art des Marschirens
wählte ich deshalb, weil es für den Europäer leichter ist die
dichtaufgeschlossen gehenden Träger zu kontrolliren, indem er dann nur
wenige Mann zu überblicken brauchte, soweit dieses in dem wogenden Gras
überhaupt möglich war. Gingen wir hingegen in langer Linie vor, würde
bald der eine oder andere der Träger durch das scharfe Gras oder durch
einen eingetretenen Dorn verletzt aus der Reihe seitwärts treten und
zurückbleiben, während das Gros vorwärts geht und ist man schließlich
aus dem Grase heraus, hat freieres Terrain gewonnen, dann heißt es
auf die Nachzügler lange warten; oft sind auch noch Leute wieder
zurückzusenden, die durch Rufen die im Grase Irrenden den rechten Weg
weisen. Es war gut, daß ich Tags zuvor nicht durch einen forzirten
Marsch das Lager zu erreichen gesucht hatte, denn in der Dunkelheit,
wenn bereits die Grasebene erreicht worden wäre, menschliche Wohnungen
welche weit hinter uns gelegen und wir vorwärts hätten gehen müssen,
würde es uns wohl unendlich schwer geworden sein, in solchem Grase den
rechten Weg zu finden.

Wollte ich nun ein Urtheil über den zurückgelegten Weg abgeben, so
kann ich behaupten, daß derselbe für unsere Feldbahn befahrbar ist,
da nicht sonderlich große Hindernisse wegzuräumen sind, allerdings
würde sich der Zug an der Waldlisière halten, auch einige Waldpartien
durchschnitten werden müssen, um nicht zu große Umwege zu machen,
ebenso würden hin und wieder Bäume zu fällen sein; diese Arbeit wäre
indes von geringerer Bedeutung, eher wäre zu befürchten, daß Mangel
an Trinkwasser uns zwingen wird, dem Flußufer nahe zu bleiben. Trifft
dieses zu, dann sind wir den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt und
die Arbeit muß uns doppelt schwer werden. Der letzte Theil des Weges,
der weniger eben, mehr wellenförmig ist, würde etwas schwieriger zu
befahren sein, indes glaube ich, daß dieses hügelige Terrain sich
umgehen ließe, wo nicht, bietet der Rand der Grasfläche immer noch ein
passables Fortkommen.

Sollte es übrigens Wirklichkeit werden und die Feldbahn in Anwendung
kommen, auch die erwartete Hilfe in Chilomo eintreffen, würden die
Unebenheiten des zu nehmenden Weges mit so großer Anzahl Menschen
leicht zu überwinden sein, um so eher als für das Legen des
Schienengeleises kein geebneter Boden erforderlich ist.

Im Lager angekommen, das an einer flachliegenden Stelle dicht am
Flusse angelegt worden war und insofern ungünstig lag, als bei starkem
Regenfall dasselbe unter Wasser stand, fand ich mich in der Erwartung,
die angekündigten Leute hier anzutreffen, getäuscht, auffälliger noch
fand ich es, daß von einem Anmarsch der 500 Mann keinem etwas bekannt
geworden war. Somit hatte ich bis zum Eintreffen weiterer Ordre hier
geduldig zu warten, und trat zunächst, um einen anderen Auftrag zu
erledigen, mit dem englischen Gouvernementsbeamten Mr. Hiller in
Verbindung. Es handelte sich nämlich um die Verlegung unseres Lagers
nach der anderen Flußseite, wo das Ufer hoch und steil war, demnach
auch ein besserer und trockenerer Platz gefunden werden konnte. Die
Wohnhäuser und Schuppen lagen hier etwa 100 Meter zurück und würden
durch die Aufstapelung unserer Lasten nicht behindert werden, sollte
es aber wirklich den Engländern nicht genehm sein, die deutsche
Expedition in unmittelbarer Nähe zu haben, war immer noch die von der
Mündung des Rnoflusses und dem Schire gebildete Landspitze frei, wo
reichlicher Platz vorhanden. Nur insoweit war die Lage ungünstig,
als hier am senkrecht steilen Ufer ein Aus- und Einladen unserer
schweren Eisentheile äußerst schwierig wurde. Ich fand nun zwar nach
eingehender Erörterung ein williges Gehör und ein Entgegenkommen
insoweit, als ich zwischen der erwähnten Landspitze und eines weiter
flußaufwärts liegenden Platzes, der aber fast schlechter war als der
alte Lagerplatz, zu wählen hatte. Meine Entgegnung, daß der erste
überhaupt nur in Frage kommen könne und dann für uns auch nur von
Werth sein würde, wenn ich die Erlaubniß erhielte, einen Einschnitt
in das hohe Ufer machen zu dürfen, wo hinauf wir, gleich wie an
anderen Anlegestellen, unsere Lasten bringen könnten, wurde mit der
Erwiderung zurückgewiesen -- solche Demolirung des Flusses werde nicht
gestattet! Alles, was ich daraufhin noch erlangte, war, daß ich an
dem Orte, wo Major von Wißmann schon Militär-Effekten und Proviant
gelagert hatte, noch mehr Lasten hinschaffen lassen konnte. Mit dieser
Arbeit ließ ich denn auch sofort beginnen und mittelst unseres hier
befindlichen kleinen Stahlbootes und einiger Canoes gefährdete Sachen
zum anderen Ufer, wo der erste Maschinist Spenker die Aufsicht führte,
hinüberschaffen.

Am dritten Tage traf ein flußaufwärts kommender Leichter in Chilomo
ein, der so weit vorgedrungen war, als es die Wasserverhältnisse irgend
gestattet hatten und, wenn auch Katunga nicht erreicht worden war,
nochmals eine Zwischenstation hatte errichtet werden müssen, so war
ein Theil des Transportes wenigstens eine beträchtliche Strecke weiter
vorgeschoben worden. Kurz darauf traf auch der zweite Leichter, von
Port Herald kommend, hier ein, so daß ich beide noch nach schnellem
Um- und Beladen flußaufwärts nach der Etappen-Station expediren
konnte, ehe ich mich zur Abreise fertig machte, um den laut Nachricht
bereits aufgebrochenen Eisenbahntransport aufzusuchen. Ein längeres
Warten auf die Ankunft der 500 Leute oder auf bestimmte Nachricht war
zwecklos, allem Anschein nach auch vergeblich, sofern bei Katunga die
Arbeiterverhältnisse nicht ganz entgegengesetzte wären wie hier, wo
nicht mal Leute aufzutreiben waren, um die Besatzung der Leichter zu
vervollständigen.

Gleichzeitig sei hier erwähnt, daß die Führung der Leichter auf
dem Schireflusse keine Kleinigkeit war und dies um so mehr, als
häufig unzureichende Kräfte vorhanden gewesen sind, um solch großes
Fahrzeug zu ent- und beladen. Die größte Kunst aber lag darin, einmal
angeworbene Leute auch festhalten zu können, die, eingearbeitet, von
großem Nutzen sein konnten, wohingegen eine stets nach jeder Tour
wechselnde Mannschaft dem Europäer die Arbeit gewiß nicht erleichterte.

Alles lag an die Behandlung der Leute. Ausnahmsweise gut verstand der
Schmidt »Brückner« die Eingeborenen zu nehmen, gerecht und gütig gegen
dieselben, konnte er Erfolge aufweisen, die ich mit meiner Erfahrung
ihm schwerlich hätte nachgemacht; lag es auch zum Theil daran, daß er
ein guter Schütze war und möglichst für Fleisch für seine Leute sorgte,
so war doch die Aufmunterung und verständige Behandlung die Hauptsache
dabei.

Engelke und Riemer, die mit mir den Marsch nach Chilomo gemacht hatten,
wurden auch weiter nach Katunga und Etappe kommandirt, um auf diesen
Stationen die Aufsicht zu führen.

Am nächsten Tage traf de la Fremoire, von Katunga kommend, in Chilomo
ein mit der halb schon vermutheten Nachricht, daß nicht ein Mann zur
Unterstützung der Transportexpedition hat gesandt werden können,
der Major sei vielmehr gezwungen, mit seinen Soldaten die in Stücke
zerlegte Sektionsboote über das Schiregebirge schaffen zu lassen, da
auch dort keine Träger zu bekommen seien. de la Fremoire, mit Ordre für
von Eltz versehen, mußte schnell weiter und, da doch nun das kleine
Stahlboot benutzt werden mußte, so beschloß ich, die Fahrt mitzumachen.

In kühler Abendstunde auf den ruhigen Fluthen der Schire hinziehend,
war es eine Wohlthat, die frischen Lüfte einathmen zu können, die aus
den Grassavannen und Wäldern herüberwehten und den Körper ungemein
erfrischten; bis in die Nacht hinein glitten wir auf den schimmernden
Wassern hin -- dem eintönigen Gesang der Ruderer lauschend, die im
gleichmäßigen Takt ihre Paddel gebrauchten und das Boot schnell
vorwärts trieben. Erst als das Bedürfniß nach Leibesnahrung sich
fühlbar machte, dachten wir daran, einen Anlegeplatz aufzusuchen, wo an
schnell entzündeten Feuern einige Eier gekocht werden konnten, die wir
im Lager noch erhandelt hatten und jetzt mit einem Stückchen Hartbrot
verzehrten.

In Decken gehüllt, der Sternenhimmel unser Zelt, legten wir uns bald
unter die aufgestellten Mosquitonetze nieder, um von den blutdürstigen
Mücken, die im Gebüsch zahlreich vertreten waren, verschont zu bleiben.
Nur der einsame Posten, Gewehr im Arm, hatte über die Schläfer zu
wachen und die Feuer zu unterhalten, deren beißender Qualm die
summenden Mosquito fern halten sollte.

Auf der Weiterfahrt am nächsten Morgen, im Schatten der überhängenden
Gebüsche, die mit Lianen undurchdringlich verwoben waren, hatten wir
besondere Gelegenheit, die zersetzende Kraft der Wasser zu beobachten,
wie diese langsam das Erdreich abspülten und mit unfehlbarer Sicherheit
jeden am Ufer stehenden Baum zum Fallen bringen mußten. Als wir vor
den Gluthen der Mittagssonne Schutz im kühlen Baumschatten suchten,
bemerkten wir am nicht fernen Waldessaum ruhig äsende Wasserböcke; es
gelang auch Fremoire, diese anzupirschen und ein stattliches Thier zu
erlegen.

Nach kurzer Rast ging es wieder flußabwärts; erst gegen Abend hörten
wir von Eingeborenen, daß die Feldbahn landeinwärts vorüberziehe, und
schnell einen Anlegeplatz suchend, erreichten wir dieselbe nach kurzer
Zeit.




          6. Der Eisenbahn-Transport. Das Lager bei Umpassa.


Nur zwei Tage später, nachdem ich Port Herald verlassen hatte, am 26.
Oktober, war von Eltz mit dem Transportzug aufgebrochen, und obgleich
nur 198 Mann gestellt worden waren, ging es auf dem geebneten Wege zwar
langsam aber stetig vorwärts, so daß 13 Schienenlängen +à+ 400
Meter, mithin über fünf Kilometer am ersten Tag zurückgelegt wurden.
Diese Leistung kann nur auf den guten Willen der Leute, auf welche das
Neue einen großen Reiz ausübte, zurückgeführt werden; denn bedenkt
man, da je zwei Mann ein Schienenjoch trugen, alle Leute mindestens
zwei Mal einen Weg von 400 Meter zu machen hatten, ehe das Geleise
hinter den Wagen abgebrochen und vorne wieder angelegt war, dann noch
auf nicht gerade plattem Boden die Wagen vorschieben mußten, so wird
es erklärlich, wie anstrengend solche ununterbrochene Arbeit für
Menschen, die noch nie dergleichen gethan hatten, sein mußte. Auch
trug der Umstand, daß während der ersten Tage der Weg durch lichten
Wald genommen werden konnte, viel dazu bei, die Kräfte zu erhalten; im
kühlen Schatten war die Arbeit eine wesentlich andere, als wenn solche
in der glühenden Sonne hätte vollbracht werden müssen.

Indessen, als ich am 31. Oktober Abends die festgefahrenen Wagen noch
entladen ließ, um diese wieder auf die Schienen heben zu können und das
zerrissene Geleise wieder herstellte, fiel mir schon eine bedenkliche
Muthlosigkeit auf, wenigstens von einem Eifer für die Sache war nicht
viel zu bemerken. Diese Abspannung und Unlust bedingte auch, daß das
Resultat der Arbeit jeden Tag geringer geworden war, bis schließlich
jeden Tag während 8 Arbeitsstunden nur etwas über drei Kilometer
zurückgelegt wurden. Ein Antreiben der Leute zur größeren Thätigkeit
hatte nur zur Folge, daß durch Deserteure die Zahl vermindert wurde und
den Bleibenden die Arbeit so viel schwerer fiel.

Leider waren wir schon am nächsten Tage gezwungen, den schattigen Wald
zu verlassen und näher dem Flusse, in die Grasebene hinaus, den Zug zu
leiten, da auf eine weite Strecke das Waldterrain nun zurücktrat. Wir
hätten auch beim Verfolgen des alten Weges nicht Wasser gefunden und
mußten somit der Nothwendigkeit gehorchen und dem Flusse nahe bleiben.
Ich hatte seiner Zeit für den Victoria-Nyanza-Transport tragbare Fässer
anfertigen lassen, die nun für uns von großem Nutzen wurden, indem
für die beträchtliche Anzahl Menschen wenigstens für einen halben
Tag Wasser mitgeführt werden konnte. Blies aber die Trompete Mittags
oder Abends »das Ganze Halt«, dann war auch für die Leute kein Halten
mehr, ob der Schire-Fluß weit oder nahe, hin mußten sie; daß sie aber
freiwillig die leeren Fässer mitnahmen und füllten, daran dachten sie
nicht, jedes Mal mußten erst welche dazu kommandirt werden.

So lange die feuchtkalten Morgennebel noch über die Ebene wallten,
wurde eine größere Regsamkeit bei allen Leuten Bedürfniß; war man
doch ohne jeglichen Schutz, höchstens daß über dem Feldbett ein
wasserdichter Plan ausgebreitet wurde, der kalten Nachtluft ausgesetzt
worden.

Stets an der Tete, wies ich der Bahn den Weg, und hatte besonders auf
das Legen des Schienengeleises zu achten; war das letzte Joch gelegt
worden, kehrte ich den Weg zurück und ließ die Wagen vorschieben.
Der vorderste Wagen, der die Kurven und sonstigen Geräthe enthielt,
wurde immer von dazu angestellten Suaheli, gleichzeitig mit den
vorausgelegten Schienen vorgeschoben, um alles Benöthigte gleich
zur Hand zu haben. Im Uebrigen waren die Europäer, unser 6 Mann, so
vertheilt, daß zwei hinten das Aufnehmen des Geleises beaufsichtigten,
zwei bei den Wagen als Bremser fungirten, während ein Proviantmeister,
der mit Hülfe der Diener und Köche für das leibliche Wohl zu sorgen
hatte, sich am Transport nicht zu betheiligen brauchte.

Im Vorgehen das übermannshohe Gras noch niederzuschlagen, dazu fehlte
es an Leute, darum, wo es nicht unbedingt nothwendig war, den Weg zu
ebnen, ließ ich die Schienen einfach weiterlegen -- durch die Last der
Wagen wurde dann dasselbe schon genügend niedergebrochen. Nur unsere
armen Kerle mit ihren nackten Beinen litten sehr darunter, fortwährend
hockten einige nieder und zogen sich gegenseitig die eingetretenen
Stacheln und Dornen aus dem Sohlleder ihrer Füße; das schilfartige Gras
wurde höchst lästig für uns. Ebenso wurden bei dieser schweren Arbeit
die Strahlen der niederglühenden Sonne oft unerträglich, und um dieser
Gluth zu entgehen, legte man sich in den Ruhepausen gerne unter die
Wagen, nur um ein wenig Schatten zu finden. Kein Wunder war es daher,
daß uns die Leute erschlafften -- nach Negerart sich von der Arbeit zu
drücken suchten und uns wenigen Europäern es sauer machten; sie mußten
fortwährend aufgetrieben und zur Arbeit angehalten werden.

Jeden Morgen, sobald die Aussicht frei, d. h. die wallenden Nebel von
den Sonnenstrahlen zerstreut waren, sahen wir an der Waldlisiere oder
an erhöhten Punkten in der Ebene einige Busch- oder Wasserböcke, die
zu uns herüberäugten, und meistens war es von Eltz, der schon früh zur
Jagd aufbrach und sich an das Wild heranpürschte, auch fast immer 1 bis
2 Stück mitbrachte; indessen ich mit der Bahn weiterzog und während der
kühlen Morgenstunden auch vorwärts kam.

Am dritten Tage endlich näherten wir uns wieder dem Walde und wo
derselbe an seiner Kante licht genug war, so daß wir uns mit der Bahn
zwischen Baum und Buschwerk durchschlängeln konnten, wurde derselbe
schon des Schattens wegen aufgesucht; lagerten wir aber nach des
Tages harter Arbeit im Walde, dann horchte man auf das Lied manches
gefiederten Sängers, der in der erfrischenden Abendkühle jetzt erst
sein Danklied schmetterte; dazu die girrende Taube, das lockende
Perlhuhn -- wären nur die Mosquito barmherziger gewesen, solch ein
Waldkonzert hätte man ungestörter genießen können.

Näherten wir uns hügeligem oder unübersichtlichem Terrain, so war
die Einrichtung getroffen worden, den zu nehmenden Weg durch eine
vorausgehende Kolonne mittelst weißer Fähnchen, welche an langen
Bambusstangen befestigt waren, bezeichnen zu lassen, denn vorspringende
Waldkanten behinderten des öfteren die Fernsicht, auch konnten wir
nicht wissen, ob das wegelose Gebiet vor uns nicht unerwartete
Hindernisse ausweisen würde.

Im Allgemeinen war das Fortschreiten mit der Bahn noch immer ein
befriedigendes zu nennen; auch gab ich mir Mühe begangene Fehler
dadurch auszugleichen, daß ich die Leute nicht mit überstürzender Hast
arbeiten ließ, mehr im Guten sie aufforderte ihre Pflicht zu thun und
ihnen zeigte wie sie sich die Arbeit erleichtern konnten, anstatt sie
durch harte Worte und gar Drohungen abzuschrecken. Ich konnte daher
auch gerne den einen oder anderen, wenn sie sich widerwillig zeigten,
mit der Hand einen Klapps auf das nackte Fell geben, das schadete
nichts, so lange sie nur wußten, daß es nicht ernst gemeint war, und
ich fand die Leute immer willig meinen Anweisungen Folge zu leisten.
Dennoch fehlten jeden Abend, wenn die Leute flüchtig nachgezählt
wurden, einige und in 10 Tagen waren uns 63 Mann desertirt.

Dieses Resultat fanden wir, als wir uns dem Dorfe Umpassa genähert
hatten (also annähernd ein Weg von 30 Kilometer zurückgelegt war) und
hier durch Herrn von Eltz ein Namensaufruf der gesammten Mannschaft
vorgenommen wurde. Nun zeigte es sich erst wie bald wir mit der
Möglichkeit zu rechnen haben würden die Bahn nicht mehr fortbringen
zu können, wenn in gleicher Weise die Leute uns verließen; darum der
Sache herzlich überdrüssig, mit der Ueberzeugung, daß wir doch nicht
Chilomo erreichen würden, wollte Herr von Eltz schon am nächsten Morgen
den Transport verlassen und ich sollte denselben so gut oder schlecht
weiter führen, als es mir möglich wäre. Das Ende aber war näher als wir
dachten.

Die folgenden Thatsachen in Erwägung ziehend, kann ich nicht umhin zu
erwähnen wie leicht abergläubische Furcht den Sinn des Negers verwirren
kann, nämlich die Aufrufung aller Namen machte schon auf die Leute
einen peinlichen Eindruck, um so mehr, als die betreffenden Capitaos
für das Weglaufen der ihnen unterstellten Leute verantwortlich gemacht
und für ihre Achtlosigkeit mit Strafe bedroht wurden, wiewohl diese,
wenn ihr Einfluß nicht groß genug war, keinen der weglaufen wollte,
hätten halten können, ebensowenig wie wir Europäer es im Stande gewesen
wären. Ferner kam dazu, daß am Abend dieses 4. Novembers die noch Tags
vorher im hellen Glanz erscheinende Mondscheibe nicht sichtbar wurde,
sondern bald nach Sonnenuntergang sich tiefe Dunkelheit über die Erde
ausbreitete, und erst später, als der Mond schon einen beträchtlichen
Bogen über den Horizont zurückgelegt hatte, kam allmählich seine
Scheibe wieder zum Vorschein; es war eine totale Mondfinsterniß
eingetreten. Solchen Phänomina legt der Eingeborene nun eine
weittragende Bedeutung bei, aus dem Grunde, weil er sich das Auftreten
derselben nicht erklären kann und schreibt diesen einen großen Einfluß
auf seine Handlungen zu, je nachdem er sie als gutes oder böses Omen
zu betrachten geneigt ist. Mit dem Gesagten wollte ich nur andeuten,
daß diese Vorgänge nicht ganz ohne Einfluß auf die Absicht der Leute,
uns im Stiche zu lassen, geblieben sind und die nur eines Anlasses
bedurfte, um zur Ausführung zu kommen.

Im Uebrigen war dieses Naturereigniß für einen aufmerksamen Beobachter
ein fesselndes Bild. Die klare Atmosphäre durch kein Wölkchen
getrübt, leuchtete der wundervolle Sternenhimmel in hehrster Pracht
-- von welchem herab die fernen Welten ihr Licht in das Weltall
hinaussendeten und dem Menschen auf der kleinen Erde verkündeten, daß
in unendlicher Ferne Millionen Körper um Sonnen kreisen, die viel
gewaltigere Dimensionen haben müssen als die, welche Licht und Leben
spendend unsere Sonne heißt -- dazu die weite Wildniß, unabsehbare
Grasebene und landeinwärts tiefdunkler Wald! Entlang der Wagenreihe
lodern die Wachtfeuer zum nächtlichen Himmel empor, von denen her
dumpfes Gemurmel vieler Menschenstimmen, die sonst herrschende Stille
unterbrach. Im fernen Osten wird nun ein schmaler Streifen goldenen
Lichtes in Form einer Sichel sichtbar -- breiter und breiter wird der
glänzende Rand, man sieht wie sich scheinbar ein dunkler Körper an der
Mondscheibe vorüberschiebt, bald fluthet magisches Licht wieder durch
den Weltenraum auf die dunkle Erde hernieder und bleicht den Glanz der
goldenen Sterne; bis nach Verlauf einer guten Stunde der Vollmond, von
dem schwarzen Schatten der Erde befreit, wieder sein volles Licht über
die wilde Scenerie und den weiten Fluren Afrikas ergießt.

Die ausgesprochene Absicht des Führers, den Transport zu verlassen,
führte noch am selben Abend zu Unterhandlungen mit dem mir bereits
bekannten Häuptling Tengani, der eine Anzahl Träger und Maschillaleute
stellen sollte. Letztere, gewöhnlich 12 bis 16 Mann stark, tragen den
Reisenden in einer Art Hängematte, die mit ihren beiden Enden an einer
starken Bambusstange befestigt ist, schnell vorwärts, indem sich die
Leute fortwährend abwechseln und im kurzen Laufschritt imstande sind,
in einem Tage eine weite Strecke Weges zurückzulegen.

Es ist dieses zeitweise ein angenehmes Reisen, insofern man nicht auf
schlechten Wegen mühselig wandern braucht, und jeder Europäer benutzt
eine Maschilla, wenn ihm die Mittel dazu zur Verfügung stehen; man
hat aber auch darauf zu achten, daß die Leute sicher und zuverlässig
sind, denn es ist nicht so ganz ungefährlich, da das Ausgleiten oder
Stürzen eines Mannes für den Getragenen schlimme Folgen haben kann,
wenn er ebenfalls mit der ganzen Wucht des Körpers auf den Erdboden
oder gar Gestein aufschlägt. Mehrmals habe ich später das Pech gehabt,
durch Ausgleiten eines Mannes auf schlüpfrigem Boden, Bekanntschaft mit
diesem oder einer Wasserpfütze machen zu müssen.

Der Fumo Tengani indes war nicht sonderlich erbaut davon, Träger und
Maschillaleute stellen zu sollen, und die leere Ausflucht, er habe
keine Leute, oder werde erst nach solchen senden, hieß so viel: den ihm
mißliebigen Europäer nicht unterstützen zu wollen. Auch am nächsten
Morgen, als wir mit der Bahn mitten durch sein Dorf hindurchzogen,
blieben erneute Verhandlungen erfolglos, sodaß anzunehmen war, er wolle
nicht helfen, trotzdem ihm ein Geschenk und hohe Bezahlung zugesichert
wurde.

Es hatte an diesem Morgen den Anschein, als arbeiteten unsere Leute
mit größerer Lust; denn anfänglich, und bis wir durch das Dorf Umpassa
hindurch waren, ging alles trotz der geringen Kräfte vorzüglich. Auch
ein hinter dem Dorfe befindliches trockenes Flußbett, durch welches die
Wagen mit voller Fahrgeschwindigkeit geführt werden mußten, um die hohe
Uferböschung hinauf zu kommen, stellte hohe Anforderungen an die Leute;
bis plötzlich beim abermaligen Vortragen des Geleises alle sich an der
Tete sammelten und durch lautes Murren ihre Unzufriedenheit kundgaben.

Dieses auffällige Benehmen und die Weigerung weiter arbeiten zu
wollen, welches ich mir erst nicht erklären konnte, hatte seinen Grund
darin, daß den Leuten verweigert worden war sich Wasser zu holen; so
groß unser Vorrath auch war, in wenig Stunden hatten die Leute alles
ausgetrunken, und so stellte sich nun bei schwerer Arbeit und glühender
Sonne großer Durst ein. Der Führer hatte dazu noch die Kapitaos für
das Murren ihrer Leute verantwortlich gemacht, und die Folge war
Gehorsamsverweigerung.

Das Nutzlose einsehend, die höchst erregten Menschen noch zur weiteren
Arbeit bewegen zu können, mußte früher als sonst Pause gemacht werden;
kaum aber war das Signal »das Ganze halt« geblasen, als alle Arbeiter
in wilder Jagd zum Dorfe Umpassa eilten, mit Mühe nur konnte ich mich
dem Strome entgegenstellen und die Leute veranlassen die Fässer und
Wasserbehälter zum Wiederauffüllen mitzunehmen.

Vier Stunden später riefen Trompete und Trommel vergeblich zur Arbeit,
Niemand folgte dem Rufe mehr, und zweifellos war es, daß unsere
sämmtlichen von Port Herald mitgenommenen Arbeiter desertirt waren.
Ausgesandte Suaheli und Soldaten bestätigten denn auch bald diese
Befürchtung und als ich nach den vermißten Fässern forschen ließ,
wurden diese jenseits des Dorfes unter Bäumen vereinzelt liegend
aufgefunden; mithin hatte sich die Arbeiterkolonne nach beendeter
Arbeit sofort auf den Weg gemacht, um in ihre Dörfer zurückzukehren.

Nicht das war das Schlimmste, daß wir nun weit vom Schirefluß in Busch
und Gras mit 20 Suaheli und wenigen Soldaten saßen, und es ein Unding
war mit dieser Handvoll Leute die Bahn noch weiter zu bringen, sondern
daß die Expedition weit und breit bei den Eingeborenen in Mißkredit
gebracht worden war; und in der Folge, da ich beim Bahntransport
verblieb, konnte ich ein Lied davon singen, wie es thut, wenn man von
aller, auch der geringsten Hilfeleistung abgeschnitten ist.

Das Nächste was in dieser schlimmen Lage nun zu thun, war einen Weg
ausfindig zu machen, auf welchem wir die Bahn zum Flusse schaffen
konnten und dann uns nach Hilfskräften umzusehen, die bereit wären uns
die schwere Arbeit zu erleichtern; nächstdem galt es eine Uferstelle
aufzufinden, wo später die Leichter bequem anlegen und beladen werden
konnten.

Während der Transportführer flußaufwärts durch Gras und Gebüsch einen
Weg zum Flusse suchen ging, wandte ich mich dem Dorfe Umpassa zu und
erkundete hier von einigen Bewohnern bald, welches der nächste und
beste Weg zum Flusse sei. Geführt von Eingebornen, stand ich schon nach
etwa 15 Minuten am Ufer des Schire und fand hier, verdeckt durch eine
kleine Bananenanpflanzung, sowohl einen guten Lagerplatz, als auch eine
bequeme Anlegestelle. Darauf zum Dorfe zurückgekehrt, unterhandelte ich
mit Häuptling Tengani wegen Leute, die uns behülflich sein sollten die
Bahn fortzuschaffen.

Wider Erwarten zeigte sich der Fumo bereitwilliger, als nach der am
vorhergehenden Tage bekundeten Weigerung uns Leute zu geben, hätte
erwartet werden können und nach Uebereinkunft stellte der Fuma dann
auch 42 Mann. Zur Feldbahn zurückgekehrt war Herr v. Eltz, der keinen
bequemen Weg durch Gebüsch und Gras gefunden hatte, mit den vorläufigen
Abmachungen einverstanden und nach längerem Schauri begannen wir rechts
abbiegend mit den Leuten die Bahn fortzuschaffen.

Am Nachmittage des nächsten Tages, Sonntag den 6. November, waren wir
nach angestrengter Arbeit denn endlich so weit, den Wagenzug in drei
Reihen nahe dem Flusse auffahren zu können und uns so gut es ging
dazwischen ein Lager einzurichten. Die Umpassa-Leute waren nun aber
mit ihrer Ablöhnung nicht zufrieden, da, anstatt wie es richtiger
gewesen wäre jedem einzelnen den Lohn auszuzahlen, dem Fumo der ganze
Betrag überreicht wurde, der je nach Belieben seinen Leuten für ihre
Arbeit entweder nichts oder nur wenig abgab. So war die Folge, daß
wir es nun auch mit diesen gänzlich verdorben hatten und die vorher
schon getroffene Verabredung, daß am selben Abend noch 20 Mann mit
Herrn v. Eltz nach Chilomo abgehen sollten, wurde nun ihrerseits nicht
eingehalten, so mußte derselbe, nur begleitet von einigen Suaheli, ohne
Träger und Maschilla-Leute aufbrechen.

Die Feldbahn, als praktisches Transportmittel, steht ihre
Verwendbarkeit außer Frage, selbst auf solchem Terrain, wie wir es zu
durchziehen hatten; können nur die Bedingungen -- annähernd genügende
Menschenkraft, dazu der benöthigte Proviant -- erfüllt werden, ist
viel damit zu erreichen, der Führer nicht an die Zeit gebunden, kann
dann die Kräfte seiner Mannschaft schonen, und langsam zwar, aber
sicher zum Ziel gelangen. Verurtheilt, für voraussichtlich längere
Zeit ein einsames Lagerleben hier zu führen, mußte ich zunächst darauf
bedacht sein, für die Europäer eine einigermaßen sichere Unterkunft
zu beschaffen, was in gänzlicher Ermangelung von Zelten -- für mich
war nur ein kleines vorhanden -- nicht so leicht war, da wir an einen
Aufbau von Hütten nicht denken konnten, weil der Wald zu weit und auch
Arbeitskräfte fehlten. Man lernt aber in Afrika den Umständen Rechnung
tragen und Noth macht erfinderisch, dazu, gewöhnt ein schützendes
Dach schon als einen Vorzug zu betrachten, ist man in der Wahl eines
solchen nicht gerade sehr penibel, sondern begnügt sich mit dem denkbar
einfachsten, sofern es nur Schutz gegen Sonnengluth und Regen bietet.
In dieser Hinsicht mußten wir uns denn auch zu helfen suchen so gut es
gehen wollte.

Die bereits erwähnte längs dem Ufer liegende Bananenanpflanzung war das
einzige schattenspendende Objekt weit und breit, und dieses benutzend,
wurden einige entleerte Wagen in dieselbe hineingeschoben, darüber von
Seitenwänden provisorische Dächer errichtet, diese mit wasserdichtem
Tuch überdeckt, war unter den breiten Blättern der köstlichen
Bananenpflanzen ein idyllischer Aufenthalt fertig gestellt.

Anfänglich war auch die Jagd noch ergiebig und mancher Busch- oder
Wasserbock wurde in das Lager gebracht, sodaß zeitweise Ueberfluß an
Fleisch im Lager vorhanden war. War aber mal ein Warzenschwein erlegt
worden, überließ ich die Beute, bis auf die besten Stücke, dem Fumo
Tengani, weil die Suaheli und Bacharias als Muhamedaner solches nicht
essen, hoffend dadurch ein besseres Verhältniß zwischen uns und den
Bewohnern wieder herstellen zu können. Allein es ist sehr schwer das
einmal verlorene Zutrauen dieser einfachen Menschen wieder zu gewinnen.
Es wollte sich trotzdem keiner bewegen lassen auch nur für kurze Zeit
bei uns zu arbeiten; gleichen Mißerfolg fand ich überall, so weit ich
auch meine Leute in die näheren oder entfernteren Dörfer senden mochte.

Später wurde unsere Lage bedenklicher, als Mangel an Proviant,
Mtamamehl und Bataten eintrat, und tagtäglich 4 bis 6 Mann ausziehen
mußten, um aus weitentlegenen Dörfern das Nöthigste für die noch über
zwanzig Köpfe zählende Mannschaft heranzuschaffen. Dazu kam auch noch
das Fleisch in Fortfall, weil das Wild schließlich scheu geworden und
demselben nicht mehr so leicht beizukommen war. Es hatten sich auch,
durch erlegtes Wild angelockt, Hyänen und Leoparden eingefunden, die
nächtlicher Weile das Lager absuchten und uns freihängendes Fleisch
verschiedene Male raubten.

Das Jui-i -- Jui-i der Hyänen, welches man als das Lachen dieses
widerlichen Thieres bezeichnet, ist in stiller Nacht keine angenehme
Musik, dabei aber so durchdringend, daß man stets davon aus dem Schlafe
auffährt und sich versucht fühlt dem nächtlichen Störenfried, der
unheimlich leise zu schleichen versteht, eine Kugel auf das Fell zu
brennen -- wenn sie sich nur beikommen ließe -- was uns später nur ein
einziges Mal gelang. Ich hatte die Erfahrung gemacht, es sei nicht
immer wohlgethan mit mehreren Begleitern auf Jagd zu gehen, weil beim
Erscheinen Mehrerer das Wild stutzig wurde und abging; man nahm die
Leute auch nur darum mit sich, um etwa erlegte Thiere fortzubringen,
da es schwer hält im wegelosen Wald einen bestimmten Ort wieder zu
finden. Aus diesem Grunde machte ich mich eines Sonntag Morgen sehr
früh auf den Weg mit dem festen Vorsatz Wild zu schießen, es sei was
es sei; denn der Mangel im Lager war recht fühlbar geworden, da seit
nahezu einer Woche kein frisches Fleisch mehr zu erhalten gewesen war
und selbst die ausgesandten Leute nur wenige Hühner hatten aufkaufen
können. Ehe im Urwald der Tag noch recht zum Durchbruch gekommen, war
ich schon sehr weit vorgedrungen, indes alles vorsichtige Spähen war
nutzlos, wo sonst auf den rasengleichen Grasflächen im weiten Walde
meistens immer Riedböcke etc. zu finden waren wollte heute kein Thier
sich zeigen, nur wilde Tauben und Perlhühner, oft genug schußgerecht,
lenkten durch ihr Locken und Schreien die Aufmerksamkeit auf sich. Aber
ich wollte mir nicht voreilig Großwild, das noch ungesehen auf irgend
einer nahen Lichtung stehen konnte, verscheuchen, war solches doch
stets zu finden, wenn auch nicht immer zu erlegen gewesen.

Langsam durch den Wald dahingehend, achtete ich nur darauf, daß ich
die einmal eingeschlagene Richtung auch innehielt und hatte ich fast
den eigentlichen Zweck vergessen, denn bald hier, bald dort unter den
gewaltigen Bäumen, Nüsse oder sonstige Früchte sammelnd, zogen die
mächtigen vereinzelt stehenden Schirmakazien und andere unbekannte
Arten, sowie der reiche Pflanzenwuchs meine Aufmerksamkeit von der
Thierwelt ab, bis ich plötzlich zwischen den lichteren Bäumen Wild
sich bewegen sah. Es war ein stattlicher Wasserbock, der auf Vorposten
äsend, meine Annäherung noch nicht bemerkt hatte, und wohl wissend,
wie schwer es ist, gerade solchem Thiere beizukommen, schlich ich mich
vorsichtig von Baum zu Baum, bis auf etwa 100 Meter heran. Im selben
Moment aber, als das laute Echo des Schusses durch den Wald hallte,
brachen dicht bei mir zur Linken aus einem weiten Grasgebüsch mehr als
30 Stück Wild heraus, die auf kurzer Distanz verdutzt stehen blieben
und mich anäugten; erst der zweite Schuß brachte sie in Bewegung, und
im Nu waren sie fort.

Das zweite Thier, das schnell verendete, ließ ich liegen -- an ein
Fortschaffen war ja nicht zu denken -- und folgte dem ersten, aber
trotz der Blutspur bemühte ich mich vergeblich die Beute zu erreichen.
So weit ich auch durch Dick und Dünn dem Thiere nacheilte, hatte
doch die schnellfüßige Antilope einen zu großen Vorsprung gewonnen;
schließlich als ich die Verfolgung aufgab und mich recht besann, war
ich in ein solches Urdickicht gerathen, wo jede Orientierung aufhörte.
Ich fand jedoch bald einen Wildpfad, verfolgte diesen bis ich eine
Grasfläche erreichte, wo es möglich war die Sonne zu sehen, um nach
ihrem Stande die annähernd rechte Richtung zu wählen, welche zum
Schirefluß zurückführen könnte.

Jede Lust zum Jagen war mir vergangen, obgleich ich eine Wildkatze,
auch einzelne Kudus, die größte Antilopenart, und eine kleine
Büffelheerde zu Gesicht bekam. Erst als ein Volk Perlhühner, etwa 40
Stück mir vor die Flinte kam, schoß ich wieder, fand aber im hohen
Grase und dichten Unterholz keins der Thiere, weil sie gar zu flink im
Gebüsch verschwanden, wohin ich nicht folgen konnte; sie sind nur zu
erlangen, wenn sie unter Feuer liegen bleiben.

Sieben Stunden schon wanderte ich ohne Wasser und Proviant, der Wald
wollte mir endlos scheinen und wäre ich nicht überzeugt gewesen, daß
ich recht gegangen war, der aufsteigende Zweifel hätte mich leicht
irreleiten können. Endlich aber sah ich doch durch die Walddämmeruug,
rechts voraus einen hellen Schimmer, der ein Ende dieses mächtigen
Reviers anzudeuten schien und vorwärts strebend, fand ich mich bald am
Rande einer scheinbar endlosen Grasebene. Rechts oder links nun wenden,
das war die nächste Frage -- doch die weite Einsamkeit gab hierüber
keinen Aufschluß, darum auf gut Glück die bisherige Richtung inne
haltend, bahnte ich mir einen Weg durch das übermannshohe Schilfgras,
das gleich einer lebenden Mauer mich umschloß, keine Fernsicht noch
Ausblick weiter gestattete, als nur das blauweißlich schimmernde
Himmelszelt, wo die Lichtfluth das Auge blendete.

Nach längerer Zeit traf ich unerwartet auf einen Wildpfad, der Spuren
vorübergegangener Zebras aufwies und da diese noch frisch, verfolgte
ich sie in entgegengesetzter Richtung in der Voraussetzung, daß die
Thiere von der Tränke gekommen sein mußten. Ich hatte mich auch nicht
getäuscht, denn bald traf ich auf diesem Pfade dichtes Ufergebüsch an,
daß sich erst lichtete, als ich eine Art Graben erreicht hatte, der
aber so überwuchert war, daß es einzig nur für Thiere möglich schien,
hindurchzudringen.

Wohl hätte ich am Ende des dunklen Ganges leicht Wasser finden können,
wenn ich mich hindurch hätte winden wollen, aber ohne ein Mittel
dieses zu schöpfen, scheute ich mich auch dort Wasser zu trinken, wo
allnächtlich der Panther, Hyäne und andere Thiere zur Tränke kamen;
mehr noch ließ mich die Unheimlichkeit des Ortes davor zurückschrecken,
da unvorbereitet, eine Begegnung mit einer gefährlichen Katze keine
besondere Annehmlichkeit ist, wie ich es im Somali-Land bei Kismaju
erfahren mußte, wo ich mit einem Begleiter, anstatt Menschen zu finden,
die uns und die Gefährten in bitterer Noth helfen sollten, im dichten
Gebüsch einen sprungbereiten Panther antraf, und hätte nicht ein
glücklicher Zufall das blutdürstige Raubthier verscheucht, würde ein
Angriff dieser Katze doch wohl einen bedenklichen Ausgang genommen
haben.

Den quälenden Durst bezwingend, wandte ich mich zunächst flußaufwärts
und erkämpfte mir sozusagen Schritt vor Schritt einen Weg durch das
dornige Dickicht, um zum Flusse zu gelangen, hoffend, daß es mir
gelingen würde irgendwo doch noch Wasser zu erreichen; aber wie
unglaublich schwierig es ist im glühenden Sonnenbrand durch solches
Gestrüpp sich zu winden, kann man nur nach persönlicher Erfahrung
beurtheilen. Endlich stand ich am Ufer, das aber überall steil abfiel
und nirgends einen Zugang zum Flusse bot; ich sah unter mir nur Rohr
und dichtes Schilfgras, welches die Wasserfläche weithin bedeckte, so
daß, hätte ich auch herankommen können, dieses dem Fuße keinen Halt
geboten haben würde, um zum fließenden Wasser zu gelangen.

Vergeblich also war alles Mühen gewesen -- so nahe dem erquickenden
Naß und doch so unerreichbar -- da entschloß ich mich, um die Qual zu
lindern, eine im Urwald gefundene Frucht, von breitästigen gewaltigen
Bäumen, ähnlich einer Citrone, goldgelb und saftig, anzuschneiden und
diese zu versuchen; allein kaum hatte der Saft die Lippen berührt,
als sie, wie mit einer ätzenden Flüssigkeit besprengt, sofort
entsetzlich an zu brennen fingen und zu dem qualvollen Durst kam noch
der entsetzliche Schmerz! Nun fast völlig ermattet, suchte ich am
Rande der Grasebene fortzukommen, in der Voraussetzung, daß das Lager
flußaufwärts liegen müsse. Doch nach einiger Zeit kamen mir ernste
Zweifel, ob ich wohl die rechte Richtung eingeschlagen hätte, da in
dieser Wildniß nichts einen Anhaltepunkt abgab, und die schwerwiegende
Frage war, flußaufwärts- oder -abwärtsgehen. Ein langes Besinnen in
solcher Lage konnte nur von Nachtheil sein und Wankelmuth irreleiten,
darum, ob falsch oder recht, weiter ging ich, das Gewehr als Stütze
benutzend, denn die sonst leichte Last lag wie ein Centnergewicht schon
auf den Schultern.

Bald sah ich auch eine kleine kultivirte Fläche Landes, die darauf
hindeutete, daß in nicht allzu großer Entfernung menschliche Wohnungen
zu finden sein müssen, ich fand auch nach näherer Untersuchung im
Gebüsch verborgen eine kleine Wärterwohnung, die zur Zeit, wenn solche
abgelegenen Felder bestellt werden von einigen Leuten bewohnt wird,
um Nahrung suchende Flußpferde, welche mit Vorliebe solche Aecker
nächtlicher Weile verwüsten, durch Lärm zu verscheuchen, jetzt aber
unbewohnt war. Indessen war ich doch froh die Gewißheit zu haben, nicht
irre gegangen zu sein, und einen in der Nähe stehenden verkrüppelten
Baum erkletternd, gelang es mir über die Gebüsche hinweg Umschau zu
halten. Ich erkannte in einiger Entfernung eine Vorrathskammer der
Eingebornen und strebte derselben zu, hoffend, daß ich die würde
erklimmen können, um mich dann besser zu orientiren, wo ich mich
eigentlich befände. Es sind dieses etwa 15 Fuß hohe aus einfachen
Baumstämmen aufgeführte Gerüste, auf welchen die Bewohner eines Dorfes
in großen runden Korbgeflechten, mit einem ebensolchen Dache versehen,
ihren Vorrath an Getreide, Mtama und Mais aufbewahren; namentlich
in Gegenden, wo es vorkommt, daß der Fluß in der Regenzeit Alles
überschwemmt und die Menschen dann Dörfer und Hütten den Elementen
preisgeben müssen. Durch diese Bauten, die stets in solchem Falle noch
mit Canoes zu erreichen sind, schützen sie sich vor Hunger und Noth.

Das Erklettern des Gerüstes war trotz der körperlichen Abspannnng nicht
so schwer, doch über die vorstehende Plattform konnte ich erst nach
mehreren Versuchen und Aufbietung aller Kraft gelangen; schließlich
oben angelangt, hatte ich die Genugthuung, weite Umschau über den wie
einen Silberstreifen sich hinschlängelnden Fluß und über die wilde
Gegend in ihrer sich gleichbleibenden Monotonie, halten zu können.

In weiter Entfernung flußaufwärts glaubte ich denn auch eine bekannte
Baumgruppe zu erkennen unter welcher ich einst nach mühseligem Marsch
Rast gehalten hatte und die vor dem Dorfe Umpassa liegen mußte. Soweit
nun orientirt, machte sich das Verlangen nach Nahrung geltend, die
unmittelbar neben mir in Mengen lagerte, aber um einen Maiskolben zu
erlangen, hätte ich das Geflecht zerschneiden müssen, ein Versuch, das
Dach zu heben, war mißlungen; dieses jedoch mochte ich nicht thun und
den Besitzer so schädigen, dem sicher an ein Paar Maiskolben nichts
gelegen war, der aber später durch Vögel und namentlich Ratten einen
beträchtlichen Schaden erlitten hätte. Herabgestiegen, nahm ich die
beschwerliche Wanderung durch das wegelose Gras in heißer Sonnengluth
wieder auf, bis ich endlich einen Fußpfad fand, auf welchem ich nach
halbstündigem Wandern das Dorf erreichte.

Recht auffallend war die Ruhe im Dorfe, als sich weder Mann, Weib, noch
Kind sehen ließen; erst nach längerem Suchen kam ein altes Mütterchen
zum Vorschein, das mir auf Verlangen in einer Kürbisschale das
langentbehrte Wasser geben konnte. Nach der Ursache, wo die Einwohner
abgeblieben seien, brauchte ich nicht zu forschen, denn inzwischen
hatte ich vom Lager herübertönend, wildes Geschrei und Halloh
vernommen, welches mich veranlaßte, so schnell als es noch gehen wollte
hinüberzueilen, um die Veranlassung kennen zu lernen.

Zum Ufer gekommen, bot sich mir an der Stelle, wo gewöhnlich die Frauen
vom Dorfe Wasser schöpften, etwas unterhalb des Lagers, ein Anblick
dar, der würdig gewesen wäre von der Hand eines Malers aufgenommen zu
werden. Ich traute meinen Augen kaum; auf einem gewaltigen, noch halb
im Wasser liegenden Flußpferde tanzten die schwarzen Gestalten herum,
während einige meiner Leute mit langen Buschmessern die Hinterschenkel
des Kolosses abzutrennen suchten; die Eingebornen aber, in Ermangelung
solcher Instrumente, mit ihren Speeren die dicke Haut aufzuschneiden
und Fleisch zu erlangen sich bemühten. Bald erfuhr ich auch, daß es dem
Zimmermann Ottlich gelungen war einem mitten im Flusse auftauchenden
Flußpferd einen tödtlichen Schuß beizubringen und, ehe das Thier in
die Tiefe sinken konnte, von kühnen Eingebornen, die sich mit einem
Canoe herangewagt hatten, mit einem starken Tau ans Land geholt worden
war. Fünfzig Mann waren aber nicht imstande gewesen den gewaltigen
Fleischklumpen höher das Ufer hinauf zu schaffen, sodaß mit der
Zerlegung in der erwähnten Weise begonnen werden mußte, und, da die
Europäer nach dem Fleische eines Cibokos kein Verlangen trugen, hatten
sie es außer dem bereits abgetrennten Kopf den Leuten und Eingebornen
überlassen.

Der Stärkung vor allem bedürftig, glich eine Mahlzeit, bestehend aus
Biscuits und Sardinen, das zehnstündige Fasten wieder aus, und nachdem
einige Leute nach der im Walde erlegten Antilope ausgesandt waren,
denen ich noch möglichst genaue Weisung gab, wo das Thier zu finden
sein würde -- ich hatte nämlich bis zu jenem Orte, am zurückgelegten
Wege, wo Büsche standen, hin und wieder kleine Zweige als Merkzeichen
niedergebrochen, die einmal aufgefunden, den Leuten nicht entgehen
und sie zur betreffenden Stelle hinführen würden -- beschloß ich dem
Streite ein Ende zu machen.

Ich sagte dem Fumo Tengani, der nicht minder eifrig wie alle Uebrigen
bestrebt war sich einen Antheil am Fleisch des Thieres zu sichern,
er und seine Leute würden alles unter sich theilen dürfen, wenn er
mir dafür zusichert, sobald der erste Leichter ankommt, ein Dutzend
Arbeiter gegen Bezahlung zu stellen, die nöthigenfalls wenigstens bis
Chilomo mitgehen müßten; auch gelegentlich Boten geben wolle, welche
ich nach dorthin oder Port Herald zu senden haben würde. Billig genug
war das Verlangen, auch in Anbetracht der großen Gabe, von welcher zu
eigenem Gebrauch verhältnißmäßig wenig genommen wurde, nicht zu viel
verlangt. Ich ersah auch aus der hier versammelten Anzahl Dorfbewohner,
daß die bisherige Ausflucht des Häuptlings »er habe keine Mannschaft«
leere Redensart gewesen war.

Besonders hierauf hinweisend, ging er denn auch auf die gestellte
Bedingung ein und überzeugt, daß im Lager überreichlich Fleisch
vorhanden war, überließ ich bis auf die werthvolle Haut, die sauber
dem glücklichen Schützen abgeliefert werden mußte, den Eingebornen
das Thier. War aber vorher schon Zank und Streit bei der Zerlegung
gewesen, war das Kämpfen um Mein und Dein bald nachher nicht mehr
hübsch anzusehen; eine Begierde die an Habsucht grenzte, machte jeden
auf den andern neidisch, dem es gelungen war ein besseres Stück Fleisch
zu erlangen. Toll war es, wenn die Weiber sich die von den Männern
zugetragenen Eingeweide gegenseitig entrissen, sie kämpften darum bis
die Siegerin mit der Beute entfloh, um sobald diese in Sicherheit
gebracht war, sogleich wieder auf dem Schauplatz zu erscheinen, damit
sie sich einen neuen Antheil sichern konnte. Bis weit in die Nacht
hinein -- das frische Fleisch wurde sogleich an hellen Feuern gebacken
-- schallte das Lärmen zum Lager herüber; man hätte meinen können, die
Theilnehmer am Gelage lägen sich fortwährend in den Haaren. Am anderen
Morgen war aber auch nicht das Geringste von dem mächtigen Thiere übrig
geblieben, nur vereinzelte Knochen und die sauber ausgeschrapte Haut.

Uebrigens labten wir Europäer uns nicht minder an einem Wildbraten,
wozu der von den ausgesandten Leuten glücklich aufgefundene Buschbock
das Nöthige lieferte; ich glaube das Flußpferdfleisch hätte im anderen
Falle uns schadlos halten müssen! --

Wenige Tage später traf Brückner mit seinem Leichter beim Lager ein,
hatte aber so wenig Leute bei sich, daß ich mich genöthigt sah ihm
Ersatz zu verschaffen, damit es ihm möglich werde gegen den Strom
fortzukommen. Gleicherzeit brachte er die Nachricht, der Major sei
schon von Katunga aufgebrochen und habe wahrscheinlich mit seinen
Lasten bereits das Schiregebirge überschritten, aber auch die traurige
Kunde, daß der Kesselschmied Wedler, bisher sein Assistent, durch den
heftigen Anprall seines Fahrzeuges gegen das Ufer sehr schwer verletzt
sei; derselbe habe sofort von seinen Leuten nach Blantyre gebracht
werden müssen, wo vermuthlich noch unser Expeditionsarzt Dr. Röver
anzutreffen war, wenn nicht, ein englischer Missionsarzt sich des
Verletzten annehmen könnte.

Es muß jedoch für den Verunglückten eine Höllenqual gewesen sein vier
Tage lang in einer Maschilla zu liegen, ehe ihm Linderung und Hilfe zu
Theil wurde.

Die Ankunft des Leichters gab mir Veranlassung, den Fumo Tengani laut
getroffener Verabredung um Stellung einer Anzahl Leute anzugehen,
aber ich sollte abermals die Erfahrung machen, daß Zusagen und
Versprechungen bei den Eingebornen wenig Geltung haben und erst nach
langen Verhandlungen bewog die Drohung, er würde im Weigerungsfalle bei
dem englischen Administrator Mr. Hiller in Chilomo angezeigt werden,
ihn, mir zehn Mann zu stellen, zu mehr wollte er sich nicht bewegen
lassen; ich war aber auch mit dieser Zahl zufrieden, wenigstens konnte
der Leichter expedirt werden.

Ein ähnlicher Fall trat eine Woche später ein. Wißmann war nämlich mit
seinem Fahrzeug in Chilomo eingetroffen, und wie jedesmal, seine Leute
desertirt, er hatte nur noch vier Suaheli Bacharias bei sich mit denen
es unmöglich war die Fahrt fortzusetzen. Da in Chilomo absolut keine
Leute zu bekommen waren, hatte ich nun auch Ersatz zu schaffen, war
vielmehr dazu verpflichtet, als mir mit einem Eilboten von Katunga aus
die Nachricht von v. Eltz zugegangen war, daß mir vorläufig der Befehl
über die ganze Transportexpedition übertragen sei.

Ich wandte mich nun zunächst nach Port Herald und bat um einige
zwanzig Mann; der Bescheid aber, den ich erhielt, ließ mich erkennen
wie aussichtslos eine solche Bitte gewesen und wie wenig geneigt man
dort war uns noch zu unterstützen, was selbstverständlich nur darauf
zurückzuführen war, daß die früher gestellten und desertirten Leute
sich bitter über uns beschwert hatten. Es spielt das Schicksal aber
doch oft wunderbar im Menschenleben! -- Hätte jener Mr. Steavenson,
an den ich mich gewandt hatte, wohl ahnen können, daß ein Deutscher
ihm später das Leben erhalten sollte, zu einer Zeit, als er schwer
verwundet in meiner Hütte lag! überhaupt meine Unterstützung ihn und
seine Gefährten aus höchst bedrängter Lage erst befreite, jedenfalls
würden dann seine Entschließungen anders ausgefallen sein.

So sah ich mich denn genöthigt nochmals den Häuptling Tengani dringend
um Unterstützung zu ersuchen, obgleich ich voraussetzen mußte, daß im
Nothfalle erst Zwangsmittel in Anwendung kommen würden, ehe er sich
dazu verstehen würde; ich bekam aber im Dorfe solchen Bescheid, wie ich
ihn nicht erwartet hatte. Kurzweg abgewiesen, ließ mir der Fumo sagen:
sind die Leute, welche er mir bereits gegeben erst wieder in ihrem
Dorfe angelangt, und nicht wie er vermuthe, gezwungen worden weiter
zu gehen, dann wolle er wieder mit dem weißen Manne verhandeln. Eine
gewisse Berechtigung hatten die vorgebrachten Gründe, als ich selbst
voraussetzen mußte, die zehn Mann seien mit Brückner weiter gegangen,
daß dieses indes freiwillig geschehen, wußte ich ebenso gut. Ich hatte
nämlich Anweisung gegeben, die Leute wegen ihrer Ablöhnung zu mir zu
schicken, auch hätte es diesen jederzeit frei gestanden zu gehen, wenn
sie gewollt hätten.

Auf gütige Einigung war also nach einer solchen Abweisung nicht mehr
zu rechnen; daher wandte ich mich nothgedrungen an den englischen
Administrator in Chilomo und bat nach Klarlegung der Verhältnisse, dem
Fumo Tengani die Anweisung zu geben, mir die benöthigte Anzahl Leute
zu stellen, denn der nebenbei gemachte Vorwand, die Bewohner müssen
jetzt ihre Aecker bestellen, war nichtig, insofern, als die Frauen
diese Arbeit verrichteten und die Männer nur höchst selten zu einer
Handreichung sich bequemten.

Die wenige Tage später eingetroffene Antwort, von zwei Askaris
(Soldaten) überbracht, informirte mich dahin, daß die als Polizei
fungirenden Leute sich mit dem Häuptling in Verbindung zu setzen haben
und diesen verlassen werden, da er als widersetzlich bekannt war, aus
seinem oder den nächstliegenden Dörfern mir Leute zu geben, andernfalls
haben die Soldaten Auftrag, den Fumo mit nach Chilomo zu führen, was
er aber umsomehr vermeiden wird, als es ihm bekannt ist, daß er dann
nicht straflos ausgeht. Ich glaubte daraufhin nun ein leichtes Spiel
zu haben, da ich durch die englisch sprechenden Leute meine Wünsche
übermitteln lassen, also kein Mißverständniß entstehen konnte.

Es war indes mit dem alten Fuchs nichts anzufangen; er sagte wohl
nach langem nichtssagenden Verhandeln zu, Leute zu bringen, sandte
auch einige Mann in das Lager, wurde aber dann darauf gedrungen, die
bestimmte Anzahl endlich zu senden, machte er allerlei Einwendungen
und Ausflüchte, so daß es wirklich eine Geduldsprobe war, diese mit
anzuhören, und wollte man sich nicht selber schädigen, indem durch
seine Abführung jede weitere Verhandlung aufhörte, mußte gewartet
werden. Am zweiten Tage, Sonntag den 20 Nov., der Leichter war zur
Abfahrt bereit, ging ich gegen 9 Uhr Morgens in das Dorf mit dem festen
Vorsatz der Sache nun ein Ende zu machen, entweder der Häuptling gab
die versprochenen Leute oder die Soldaten sollten ihn ohne weiteres
nach Chilomo bringen. Von nichts unterrichtet, (die Askaris hatten mir
nur die Mittheilung gemacht, es seien die Eingebornen zu einem großen
Schauri versammelt) fand ich im Dorfe eine unerwartet große Anzahl
Männer vor, zusammengerufen von dem Fumo, die wie aus dem Verlauf der
Verhandlung ersichtlich wurde, sich zu einem großen Protest gegen
das Vorgehen der Europäer hier eingefunden hatten. In die Mitte der
Männer tretend, die alle im weiten Kreise am Boden hockten, wandte
ich mich der Berathungshütte und den Aeltesten zu, dabei wollte es
mir scheinen, als würden unter dem lauten Gemurmel so vieler Stimmen
drohende Zurufe ausgestoßen, das erst auf das Geheiß der an meine Seite
getretenen bewaffneten Askaris verstummte. Mir that es fast leid allein
und waffenlos gekommen zu sein, durfte nun aber durchaus nicht zeigen,
daß ich irgend welche Besorgniß hegte, mußte vielmehr dem Kommenden
furchtlos entgegentreten, um Herr der Situation zu bleiben.

Eingeleitet wurde sodann das Schauri mit der Verlesung jener Verfügung,
die Bezug hatte auf die Stellung von Leuten, und im Weigerungsfalle
auf die Abführung des Fumo. Darauf ließ ich erklären, daß keiner
glauben solle, er müsse umsonst arbeiten oder werde gezwungen weiter
mitzugehen als er sich verpflichtet habe; ein Jeder erhalte den
ausbedungenen Lohn, sobald er zurückkehre. Nachdem nun noch lange hin
und her gesprochen worden war, wovon ich so gut wie nichts verstand,
nur den Sinn des langen Geredes durch die verhandelnden Askaris
erfahren konnte, erhob sich plötzlich aus der Mitte der Vornehmen und
Häuptlinge ein mir bereits bekannter Sprecher und legte mit lauter
Stimme seine Ansichten dar; doch schließlich hatte er sich so in Extase
geredet, daß sein Sprechen nur noch ein Schreien war, erst als er sich
beruhigte, erfuhr ich, um was es sich eigentlich gehandelt hatte.
Solche Redner, meistens Medizinmänner, üben einen großen Einfluß aus,
deren Rathschläge gewöhnlich befolgt werden und manche unheilvolle
That wird daraufhin ausgeführt. Sie versetzen ihre Zuhörer in Wuth der
Begeisterung, die dann den Worten unmittelbar die That folgen lassen,
ob diese verhängnißvoll ist oder nicht; Ueberlegung kennt der Neger in
solchen Momenten nicht mehr.

Gutes war es sicherlich nicht, was dieser Medizinmann seinen
aufmerksamen Zuhörern verkündigte, und wer hätte die Folgen absehen
können, wenn sein Einfluß die volle Wirkung erlangt hätte! Es war
für mich vielleicht ein Glück, daß die Askaris den Ausführungen des
wüthenden Redners energisch Einhalt geboten hatten, sogar die Waffen
erhoben, als er nicht Folge leistete, woraus ich schließen konnte, die
Situation sei schon recht bedenklich geworden. Als er aber zur Ruhe
gewiesen wurde, erhob sich ringsum ein drohendes Gemurre, welches die
Soldaten anfänglich Mühe hatten zu beschwichtigen.

Darauf erfuhr ich in kurzen Worten den Sinn der langen Rede, nämlich:
die weißen Männer kommen in das Land und nehmen was ihnen beliebt,
führen große Kriegsschiffe und Boote auf den Fluß, haben viele schwere
Lasten, welche die Bewohner müssen transportiren helfen; dazu wird
der schwarze Mann dann noch gezwungen sein Dorf zu verlassen und weit
mit dem Europäer zu gehen, der ihn noch obenein schlecht bezahlt und
behandelt!

Es ist nicht schwer sich hierzu die weiteren Ausführungen des erregten
Mannes, der seine Erfahrung aus dem Vorgehen der Portugiesen und
Engländer geschöpft, auch nicht so Unrecht hatte, denken zu können, wie
immer aber, so war es auch hier der Fall, der Bewohner dieses Landes
kann sich keine Vorstellung davon machen, daß die wenigen in sein Land
gekommenen Weißen verschiedenen Nationen angehören sollten; sieht er
doch bei allen das gleiche Bestreben, daß diese auf seine Kosten sich
Vortheile verschaffen, ihm seinen ungeheuren Besitz nehmen und in
seiner Freiheit beschränken. Er dehnt also seinen Haß und Abneigung auf
alles aus was fremd heißt, indem er es nicht begreift und versteht, wie
eine Handvoll weißer Männer verschiedenen Völkern angehören kann, da
jeder Portugiese und Engländer, gleichviel, ihm klar zu machen sucht,
daß hinter jedem ein mächtiges Volk steht, in dessen Namen er Besitz
ergreift und das ihn schützt.

Sogleich ließ ich der Versammlung durch den Dolmetscher erklären, daß
wir Deutsche nicht mit unsern Lasten hierher gekommen sind, um ein
Schiff zu bauen oder gar hier im Lande zu bleiben, sondern wir gingen
weit von hier zu dem großen Nyassa-See und kommen nie mehr zurück, alle
aber wüßten auch, daß wir viele und schwere Lasten haben, welche wir
nicht tragen können, darum sollen sie uns nur kurze Zeit helfen um von
hier fortzukommen, und wer es thut, wird gut bezahlt.

Nach dieser Verkündigung herrschte momentan tiefes Schweigen -- dann
aber erhoben sich wieder viele Stimmen, die im wirren Durcheinander das
Gehörte diskutirten. Mir indes wurde die Sache schließlich zu bunt,
und so erklärte ich dem Häuptling rundweg, wenn er mir bis die Sonne
am höchsten stehe keine Leute gegeben habe, gehe er unbarmherzig nach
Chilomo. Dieser gab denn auch, nachdem er den Ernst dieser Erklärung
und jede fernere Weigerung als nutzlos eingesehen hatte, eine bestimmte
Zusage; ich aber verließ unbehelligt die Versammlung, um im Lager das
Weitere abzuwarten.

Um 3 Uhr Nachmittags kam der Fumo mit 9 Mann und versicherte, daß am
Wege nach Chilomo weitere acht zu diesen stoßen würden; er gab auch den
Soldaten genau Anweisung an welchem Orte dies geschehen würde. Nachdem
ich noch die Askaris für ihre Mühe belohnt hatte, versprachen sie die
Kolonne sicher im Lager von Chilomo abzuliefern.

Die Veranlassung zur Uebergabe des Kommandos an mich war dadurch
gegeben, daß von Eltz nach Blantyre zum Major gerufen wurde. Der
Grund dazu war, eine endgültige Entscheidung über die hochwichtige
Frage zu treffen, ob es noch möglich sein würde die Expedition, wie
vorerst geplant, noch nach dem Tanganjika-See zu führen, oder den
Nyassa-See als Endziel zu betrachten; hatten sich doch bisher uns
solche Schwierigkeiten in den Weg gestellt, daß zu befürchten war, das
Schiffsmaterial, namentlich die werthvollen Maschinentheile, würden
einen vermuthlich noch über ein Jahr währenden Transport nicht mehr
aushalten, wenigstens durch den Einfluß der Witterung, die Eisen
in den Tropen rasch angreift, beträchtlich geschädigt werden. Ein
Gutachten hierüber und über die Möglichkeit eines längeren Transportes
von mir eingefordert, konnte ich dieses nach bestem Wissen nur
dahin beantworten, daß es, nach der Beschaffenheit des Materials zu
urtheilen, wünschenswerth erscheine, den Dampfer schon am Nyassa-See
zu erbauen; ein Durchführen der Expedition aber bis zum Tanganjika
schließlich das Ergebniß haben könnte, aus stark mitgenommenen
Beständen das Schiff erbauen zu müssen.

Bedenkt man, mit welchen Schwierigkeiten wir bisher schon zu kämpfen
gehabt hatten, wie überaus gegen alle Erwartung langsam die Expedition
hatte vordringen können, so mußte die Voraussetzung, die Hindernisse
könnten noch viel größer werden, volle Berechtigung finden, und nach
dem Vergangenen zu urtheilen, das Endziel, der Tanganjika, in weiter
Ferne gerückt erscheinen.

Es scheint, daß Major von Wißmann seinen anfänglichen Plan die
Expedition über die Schirefälle zu führen nach näherer Erkundigung über
den Weg, den einst Livingstone genommen, hat aufgeben müssen und den
vielleicht schwierigeren über das Gebirge deshalb gewählt hat, weil die
Trägerfrage in dieser Zeit eine heikle geworden war. Blantyre freilich
war ein starker Stützpunkt, als Uebergangstation gedacht, allein eine
gewisse Abhängigkeit von den Engländern damit auch verbunden, insofern
als das Trägermaterial zum großen Theil ihnen zur Verfügung stand,
wodurch den Unterhändlern ein großer materieller Vortheil erwachsen
mußte.

Aus unserer Verlegenheit Nutzen zu ziehen, waren die Herren Engländer
gern bereit, hatten doch schon vorher ein Portugiese und auch ein
einflußreicher Händler in Chilomo sich erboten, hunderte von Leute zu
stellen, aber die überaus hochgeschraubten Bedingungen waren für die
Kasse der Expedition denn doch ein wenig zu weit gegriffen. --




                 7. Im Lager von Umpassa bis Katunga.


Die geschilderten Vorgänge brachten in der Einförmigkeit des Lagerleben
immerhin eine, wenn auch nicht gerade angenehme Abwechslung, die in
gewisser Beziehung etwas anregend wirkte, zumal das lange Warten auf
die Leichter, welche uns von hier erlösen sollten, auf die Dauer doch
langweilig wurde. Für eine tägliche Beschäftigung sorgte ich zwar schon
aus dem Grunde, damit die Unthätigkeit nicht eine üble Angewohnheit
würde, zu welcher die menschliche Natur in dieser heißen Gegend
große Neigung zeigte; die große Hitze bedingt schon an und für sich
eine körperliche und geistige Erschlaffung, gegen welche das Muß ein
vorzügliches Radikalmittel ist.

Nach des Tages Gluth waren die kühleren Abendstunden eine wahre
Erholung, gewöhnlich saßen wir am Ufer unter den breitblättrigen
Bananen und schauten in die vorüber rauschenden Fluthen des Schire
oder sahen dem Leben und Treiben der Negerkinder zu, die entweder
Fische fingen oder mit wildem Geschrei sich auf flacheren Stellen
im Wasser tummelten, gerade als wäre bei solchem übermüthigem Spiel
durchaus keine Gefahr vorhanden. Verschiedentlich hatte ich die kleine
Gesellschaft schon fortgewiesen, auch die älteren auf die mögliche
Anwesenheit eines +mamba+ (Krokodils) aufmerksam gemacht, indes,
dann suchten sie sich einen anderen Tummelplatz in der Nähe aus, um
bald wieder, wenn die Luft rein war, zurückzukehren.

Wir hatten während der ganzen Zeit unsers Hierseins selten nur ein
vorüberschwimmendes Krokodil bemerkt, und zeigte sich mal eins
schußgerecht, wurde dem Thier das Wiederkommen verleidet; doch
ausgeschlossen war es nicht, daß sich solch' ein Räuber im Schilfgrase
verborgen hielt, um eine günstige Gelegenheit mit Geduld abzuwarten,
und mit einer köstlichen Beute das Weite zu suchen.

Am Abend des 17. November, ich war von einem kurzen Jagdausflug
zurückgekehrt, suchte ich wie gewöhnlich unter den Bananenbäumen
einen Ruheplatz und sah von hier dem lustigen Treiben der schwarzen
Kinderschaar ein Weilchen zu, die ausgelassen sich im Wasser
herumbalgten, Knaben und Mädchen durcheinander. Plötzlich ertönte
aus dem Munde eines kleinen Mädchens ein verzweiflungsvoller Schrei,
welcher alle anderen Kinder entsetzt auseinanderfahren und zum Ufer
fliehen ließ. Sofort aufspringend sah ich noch, wie die in die Höhe
geworfenen Arme des Kindes unter dem Wasser verschwanden. Wieder also
war durch Unvorsichtigkeit dem tückischen Feinde ein junges Leben
zum Opfer gefallen, der, am Strande des Schilfes wohlgeborgen, die
Annäherung seiner Beute abgewartet hatte und schnell mit derselben in
die Tiefe verschwand.

Das Gerücht, ein Krokodil habe ein Kind geraubt, verbreitete sich
unglaublich schnell bis zum Dorfe, von wo sofort lautklagende Weiber
und Männer mit Speeren, auch alten Donnerbüchsen bewaffnet, zum Flusse
eilten, die dann schreiend und wehklagend am Ufer lange Zeit hin und
her wanderten, bis die dunkle Nacht solchem Beginnen ein Ziel setzte.
Das Klagen und Weinen konnte man später vom Dorfe her durch die Stille
herüberschallen hören, als sollte des Jammerns kein Ende sein.

Am nächsten Morgen wanderten der Vater des geraubten Kindes mit einer
alten Feuerschloßbüchse bewaffnet, ebenso die Mutter, die einen Speer
mit Leine, ein Wassergefäß, sowie einen grünen Bananenbündel auf dem
Kopfe trug, am Ufer auf und ab. Soviel sie aber auch lamentiren und
bitten mochten, ihr Kind kam doch nicht wieder, auch der Räuber ließ
sich nicht wieder sehen. Uebrigens wird das Unthier nach solcher Beute
immer lüsterner, ihm auch durch die Unvorsichtigkeit der Eingebornen
der Fang sehr erleichtert, bis die sichere Kugel eines Europäers diesem
Räuberleben endlich ein Ende macht.

Zwei Tage lang währte dieser Aufzug. Am dritten versammelten sich alle
Weiber des Dorfes am Ufer und stimmten ein unglaubliches Klagegeschrei
an, das anfänglich noch in Bitten und Anerbietungen bestand, als alles
aber vergeblich war, gaben sie dem Krokodil unter Verwünschungen die
denkbar schlechtesten Namen, welche ihre Sprache besitzt und, dann
heiser und müde genug vom anhaltenden Schreien kehrten sie in ihr Dorf
zurück; den Eltern des Kindes es überlassend, sich so gut es geht über
den Verlust zu trösten. Solche Auftritte kommen zu häufig vor, als daß
man sie als einen Ausnahmefall betrachten könnte, die Sorglosigkeit der
Eingebornen, sowie die Schlauheit der Krokodile führen nur zu oft diese
immer wieder herbei.

Jetzt wo allmählich die Regenzeit herannahte, kamen fast alle 8 Tage
schwere Gewitter heraufgezogen, die um so heftiger sind, als die
Atmosphäre mit Elektrizität geschwängert ist; furchtbar rollt der
Donner durch die tiefhängenden schweren Wolkenmassen, der Blitz, gleich
glühenden Schlangen, durcheilt das Himmelsgewölbe, einer flammenden
Lohe gleich sind ringsum die zuckenden Feuergarben. Die Elemente,
welche hier mit furchtbarer Gewalt zum Ausbruch kommen, werden meistens
nach kurzer Zeit durch einen heranbrausenden Wirbelsturm, der die
gleicherzeit niederströmenden Wassermassen vor sich her über die
durstige Erde peitscht, zerstreut. Schnell bilden sich Seen und Teiche
an tieferliegenden Orten, auch im ausgetrockneten Flußbett geben schon
die fluthenden Wasser eine kleine Idee von dem, was sie sein werden,
wenn erst die Regenzeit eintritt und die Schleusen des Himmels sich
öffnen.

Mensch und Thier sucht Schutz vor diesen plötzlich hereinbrechenden
Gewalten, wo immer ein Zufluchtsort sich bieten mag, und eigenthümlich,
im Aufruhr der Elemente zeigen sonst scheue und furchtsame Thiere
wenig Furcht vor den Menschen, suchen instinktmäßig vielmehr dessen
Nähe. So machte ich jedesmal bei solcher Gelegenheit, abgesehen von
anderen Thieren, in meinem Zelte die Bekanntschaft äußerst gefährlicher
Schlangen, die das heraufziehende Wetter ahnend, aus dem hohen
Grase flüchteten, um im Zelte sich einen sichern Platz aufzusuchen.
Das erste Mal, vom Regen überrascht, suchte ich bei den Leuten ein
Unterkommen, doch das Wasser strömte in solchen Massen vom Himmel,
daß ich befürchtete der Boden im Zelt würde überfluthet werden; ich
eilte durch den Regen hin und fand meine Annahme auch bestätigt. Um
nun zunächst dem Wasser einen Abfluß zu schaffen, grub ich mit einer
Säbelschneide kleine Furchen im Erdboden und ohne meiner näheren
Umgebung weitere Beachtung zu schenken, setzte ich mich in aller
Gemüthsruhe auf das Feldbett um Schuhe und andere Sachen, die unter
dem Bette lagen, auf dasselbe niederzulegen. Ich war gerade im Begriff
eine Patronentasche noch darauf hinzuwerfen, als dabei mein Blick auf
das Kopfende des Bettes fiel und hier sah ich aufgeringelt eine etwa
einen Meter lange ganz grüne Schlange liegen, deren Kopf etwas erhoben,
sich hin und her bewegte, wobei die schmale spitze Zunge aus dem
geschlossenen Rachen schnell aus- und einfuhr.

Das Thier zeigte scheinbar keine Gereiztheit, war höchstens
durch die unwillkommene Störung nur etwas aufgebracht; sonst im
Vertheidigungszustand hätte es eine drohendere Haltung angenommen. Ich
überlegte nicht lange was thun -- ließ langsam die Tasche zur Erde
gleiten und die Bewegung der Schlange fest im Auge behaltend, ergriff
ich einen neben mir an der Zeltwand lehnenden Stock, aus der Haut des
Flußpferdes gefertigt, dann hob ich leise diese gefährliche Waffe und
ließ sie plötzlich mit aller Wucht auf dies drei Fuß von mir entfernt
liegende Reptil niedersausen.

Jedoch schneller als ich, war die Schlange; die Gefahr wohl ahnend,
zischte sie im Augenblick, als die Waffe niederfiel blitzschnell auf
und entging dem tödtlichen Streich, den ich auf ihren Kopf gerichtet
hatte, dafür aber traf ich den aufgeringelten Körper so, daß das
Rückgrat an verschiedenen Stellen gebrochen wurde und dem Thiere
die Kraft genommen war noch aufzuschnellen und den beabsichtigten
tödtlichen Biß mir beizubringen.

Sofort sprang ich auf, führte schnell den zweiten Schlag, der nun
unterhalb des Kopfes traf und das Thier wehrlos zusammenbrechen
ließ. Vorläufig mich mit dieser Schlange begnügend, verließ ich
vorsichtshalber doch das Zelt, denn hatte ich recht gehört, befand
sich noch eine darin, deren Aufenthalt zu entdecken ich keine Lust
verspürte, da mit solchen erregten Thieren kein Spaßen mehr ist. --

Sobald das Unwetter vorübergezogen war, die Sonne wieder mit gedämpfter
Gluth aus dem blauen Aether herniederschien und die durstige Erde die
gespendete Wasserfluth aufgesogen hatte, machten wir uns daran, die
Seitenwände des Zeltes zu lösen, dann alle Leute im Kreise um dieses
aufgestellt, sollte verhindert werden, daß nichts ungesehen hindurch
kommen konnte. Bei der darauf erfolgten Durchsuchung kamen noch zwei
dieser giftigen Reptile zum Vorschein, die gewandt und flink aus dem
Kreise zu entweichen suchten, sie wurden aber von Europäern, welche
mit hohen Stiefeln an den Füßen einen etwaigen Biß nicht sehr zu
fürchten brauchten, schnell getödtet. In Folge waren wir vorsichtiger,
zumal schon am nächsten Tage in den Blättern eines Bananenbaumes eine
ebensolche Schlange entdeckt wurde, die aufgeschreckt, zu entkommen
suchte, wobei sie sich an den Blüthenkolben der Bananenfrucht mit dem
Schwanze hängend, von dort zur Erde gleiten lassen wollte; schnell
umstellt, wagte sie wohl nicht den Sprung, konnte auch scheinbar sich
nicht wieder in die Höhe rollen, sodaß es mir dadurch möglich wurde,
dem hin und her sich schwingenden Reptil durch einen tüchtigen Hieb den
Kopf zu zerschlagen und es gänzlich zu tödten.

Auch in den trockenen Blättern am Fuße der Bananenbäume wurden öfters
Schlangen bemerkt; wußten wir eine solche darin verborgen, ließ ich den
Baum umstellen und die Blätter in Brand setzen, woraus denn bald das
Thier aufschnellte und vernichtet werden konnte.

Oft war es im Zelte wegen der brütenden Hitze in den ersten
Nachmittagsstunden nicht auszuhalten, deshalb suchte ich gewöhnlich
unter den breiten Bananenblättern, auf einem Feldbett liegend,
den kühleren Schatten auf. Hierbei passirte es mir ebenfalls, daß
über meine fast unbedeckte Brust eine Schlange derselben Art sich
hinwegschnellte, die ich, sofort aufspringend, noch im nahen Grase
verschwinden sah. Ein eigenes Gefühl durchzuckt einem bei solcher
unerwarteten Berührung, und der Gedanke, an solchem Ort einer Gefahr
eigener Art ausgesetzt gewesen zu sein, verleidet den Aufenthalt an dem
einzigen schattigen Platz den wir hatten.

Jetzt, wo im Lager wenig zu thun war, ich stündlich auf einen Leichter
wartete, der mich von hier nach Chilomo bringen sollte, suche ich
die freie Zeit, wenn nicht mit astronomischen Beobachtungen, mit der
Erforschung der mich umgebenden Natur auszunutzen, wobei ich das
Nützliche mit dem Angenehmen verband und gelegentlich der Jagd obliege,
da die Waffe in diesem Lande des Europäers stetiger Begleiter sein muß.

In früher Morgenstunde, wenn noch glitzernder Thau an Gräsern und
Büschen hängt, der die erschlaffte Natur während der Nacht erquickt
hat, folge ich meistens dem ausgetrockneten Flußbett, um wie ehedem ein
Verirren im Urwald zu vermeiden. Oft sah ich auch Affen und Wildkatzen
über den Weg springen, die gewandt die steilen Uferwände hinaufeilten
und im dichten Gebüsch verschwunden waren, ehe noch die Büchse zum
tödtlichen Schuß in Anschlag gebracht werden kann.

Weiter hinauf, zwischen hügeligem Terrain, haben sich Wildbäche von
den Port Herald-Bergen kommend, ihr enges Bette gegraben und geht man
auf dem sandigen oft steinigen Grund entlang, sieht man erst, mit wie
gewaltiger Kraft die schäumenden Fluthen hier zur Regenzeit gewüthet
haben müssen! Baumriesen, deren Halt im Erdreich unterwaschen und
herabgestürzt sind, liegen von den Fluthen festgekeilt in das enge
Bett und über den Stamm des Baumes oder durch sein Gezweig führt nur
der Weg weiter. Solche Hemmnisse zwingen die tosenden Fluthen seitwärts
einen Ausweg zu suchen, wodurch das Erdreich höhlenartig unterspült
und zum Einsturz gebracht wird. Die Wurzeln vieler dieser Waldriesen,
welche die hohe Böschung krönen, sind freigelegt und es bedarf
keines sehr heftigen Windes, um sie niederzulegen; auch die kommende
Regenzeit, wenn die gurgelnden Wasser die Arbeit wieder beginnen, wird
manchen Baum zum Stürzen bringen, der anfänglich noch von Ufer zu Ufer
eine Brücke bildet, später dann im trockenen Bette unter den glühenden
Sonnenstrahlen bleichen muß. --

Ausnahmslos sind beide Ufer mit dichtem Busch und Bäumen bestanden,
das dazwischen wuchernde Gebüsch ist fast undurchdringlich, vor
allem, Sträucher mit vielen scharfen Stacheln, sind ein großes
Hinderniß und will oder muß man absolut hindurch, kann man darauf
rechnen, Haut und Kleider lassen zu müssen. Die Großartigkeit dieser
Urnatur, die erhabene Einsamkeit in dieser Wildniß, hinterlassen
bei dem aufmerksamen Beobachter einen nachhaltigen Eindruck, der
unauslöschlich bleiben muß, wenn man dazu die vielartige Thierwelt in
goldener Freiheit gesehen hat. Ein reiner Gottesodem weht durch diese
lichtumflutheten Waldgefilde, Herz und Sinn erfreuend, ganz anders als
in jener kalten emfindungslosen Menschenwelt, aus der die Freiheit
verdrängt und nur die Selbstsucht herrschen mag. Am unentweihten
Altar der Natur fallen die selbstgeschmiedeten Fesseln unfreien
Geisteslebens, das Große, Wahre, ein versöhnender Geist, tritt heran,
vor dessen reiner Lichtgestalt sich tief die empfindende Seele neigt. --

Schon jetzt, nachdem mehrfach recht reichlicher Regen gefallen, treibt
die Vegetation, aufs Neue geweckt, überall frische Triebe; Stellen
am Ufer oder im Walde, die man längere Zeit nicht gesehen, erkennt
man kaum wieder. In wenigen Tagen hat die Natur fast ein neues Kleid
angezogen -- bald kommt das Blühen und Sprießen allerwegen, vom
goldenen Sonnenstrahl geweckt -- und der Frühling naht. Viele Stauden
mit goldgelben Doldenblüthen, ähnlich unserer Moosblume, sowie eine
Epheuart mit Blüthen wie Rittersporn, blaßblau und schön gezeichnet,
haben frühzeitig den Schlaf abgeschüttelt und mit den immer blühenden
Lianen am Flußufer sich vermischend, stellen sie ein wundervolles
Blumengewinde dar.

Auch die kegelförmige Blüthenkrone, der über fünf Fuß hohen
Tabakspflanze, die an geeigneten Stellen von den Eingeborenen gepflanzt
worden, vollendet das harmonisch Ganze. Den Mangel an rauchbarem Kraut
mußte uns diese ersetzen, indem die rothbraunen trockenen Blätter
gesammelt und zerschnitten wurden. Ueberhaupt ist der Tabaksbau für
einige Völkerschaften hier ein lohnendes Geschäft; das Produkt wird
vielfach als Tauschartikel benutzt, worauf ich später eingehender
zurückkommen werde, nachdem ich die Art der Zubereitung von den Völkern
am Nyassa-See hatte kennen gelernt.

Besondere Methoden haben die Einwohner, sich auf primitivem Wege ihre
Pfeifen herzustellen; z. B., das Horn einer Gabelantilope wird unten
mit Holz oder auch Thon verschlossen, seitwärts in dem hohlen Theil
dann eine Oeffnung für den Mund und im rechten Winkel hierzu noch eine
für den Pfeifenkopf gebohrt, der meistens, wenn nicht aus Holz, aus
einem kleinen Kirbis besteht, dessen unteres Ende durch ein kurzes
Rohr mit dem Horn verbunden ist. Man könnte sich berathende Indianer
im großen Kreise um ihre Feuer sitzend und die Friedenspfeife kreisen
lassend vorstellen, in derselben Weise geht dies Unikum von Pfeife auch
bei den Bewohnern dieses Landes von Hand zu Hand und Mund zu Mund, ein
Jeder thut ein oder zwei tüchtige Züge, dann giebt er sie weiter.

Uebrigens habe ich auch bei anderen Stämmen kunstvoll gearbeitete
Pfeifen gesehen, die mühsam geschnitzt, große Geduld und Ausdauer
erfordert haben, dafür dann auch als ein Schmuckstück betrachtet
werden, das dem Verfertiger nicht feil ist, wenigstens verlangt er für
solch' ein Stückchen Holz einen erheblichen Preis.

Spät Abends, am 24. November, traf per Eilbote, durch Leutnant Bronsart
von Schellendorf von Chilomo gesandt, die Nachricht im Lager ein, daß
meine Anwesenheit dort unbedingt erforderlich sei, woraufhin ich mit
zwei Eingebornen in einem kleinen Kanoe die Fahrt flußaufwärts in
aller Frühe des nächsten Morgens unternahm. Man muß in einem solchen
schmalen ausgehöhlten Baumstamm, ohne jedwede Stützen (Ausleger), die
hier nicht gebräuchlich sind, worin man nur sitzen, sonst sich nicht
weiter bewegen kann, und ausgesetzt der glühenden Sonne, solche Tour
unternommen haben, um annähernd beurtheilen zu können, was es heißt,
elf Stunden lang in einem solchen Fahrzeug zuzubringen. Gewandt und
sicher aber sind diese Fährleute, sie stehen in dem schwankenden Kanoe
und bewegen bei der unausgesetzten Arbeit nur ihren Oberkörper, wodurch
ein Umschlagen desselben, was bei unsicherer Hantirung unausbleiblich
wäre, vermieden wird.

In Chilomo angekommen, lag wider Erwarten nichts von Bedeutung vor,
nur einige desertirte Sudanesen, welche von Katunga aus mit ihren
Waffen das Weite gesucht hatten, sollten verfolgt werden, wozu die
Hilfe des portugiesischen Stationschefs am Ruofluß in Anspruch genommen
und der Telegraph zu deren Ergreifung in Thätigkeit gesetzt wurde.
Ich persönlich konnte dabei nicht viel thun, und die eilige Fahrt
nach Chilomo war eigentlich eine nutzlose gewesen. Ich orientirte
mich noch über den Zustand des Lagers und die Beschaffenheit des hier
aufgestapelten Materials und trat schon am nächsten Tage bei guter
Zeit, um noch vor Dunkelwerden das Lager wieder zu erreichen, die
Rückfahrt an.

Unterwegs hatten wir über tiefes Wasser hingleitend, ein kleines
Rekontre mit einem Flußpferd zu bestehen, das von mir verwundet,
wüthend auf das Kanoe losging; aber da der Fluß an jener Stelle zu
tief, war dasselbe nicht imstande das Kanoe umzuwerfen, sonst hätte es
uns übel ergehen können. Weniger glücklich war einst Leutnant Bronsart
in einem ähnlichen Falle. (Ein wüthendes Thier griff sein leichtes
Kanoe an und warf es um, nur der Umstand, daß er sich, die Gefahr
erkennend, ganz nahe dem Ufer gehalten hatte, verdankte er das Leben.)

Am Abend des 30. November kam Brückner mit seinem leeren Fahrzeug
in Umpassa an, aber ohne genügend Leute, was ich von den tags zuvor
schon eingetroffenen Bewohnern Umpassas, die bereits in Chilomo den
Leichter verlassen hatten und von mir ausbezahlt worden waren, erfahren
hatte. Auch von Wissemanns Leuten waren einige darunter, die sich
wegen der Behandlung beklagten und wegen der rückständigen Löhnung
Schwierigkeiten machten. Es wollte mir nicht recht einleuchten, daß
diese Leute erst vor wenig Tagen den vermuthlich zur Zeit bei der
Etappestation befindlichen Leichter verlassen haben sollten, sie waren
vielmehr längst vorher desertirt und hatten sich nur nicht gemeldet,
weil sie glaubten, mit den Angekommenen nun gleichen Verdienst
ausbezahlt zu erhalten. Nachdem ich aber ihre Namen festgestellt
hatte und ihnen vorrechnete, daß sie mir etwas weiß machen wollten,
was aber hier nicht angebracht sei und sie nun dafür von Rechts wegen
eigentlich nichts haben müßten, schränkten sie ihre Forderungen auf ein
bescheidenes Maaß ein.

Solche Versuche, den Europäer anzuführen, sind nichts Seltenes unter
dieser Menschenrace, was namentlich von solchen Leuten gilt, die
längere Zeit bei einem Weißen bedienstet waren. Nie wird sich der Neger
die Tugenden des Europäers aneignen, vielmehr zu seinen Untugenden
dessen üble Gewohnheiten hinzufügen und diese mit Vorliebe nachzuahmen
suchen, wird deshalb auch unter Seinesgleichen bald ein Muster von
Geriebenheit. Mir lag daran, auf gütigem Wege mich mit dem Häuptling
Tengani zu einigen, da nun doch nochmals die Verhältnisse mich zwangen,
seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, insofern als ich ihn abermals um
Stellung von zehn Leuten ersuchen mußte.

Während der Leichter beladen wurde, leitete ich die Unterhandlung mit
dem Fumo ein, ihm noch bevor ich Umpassa verlassen würde, ein Geschenk
versprechend, wenn er willig, mir die benöthigten Leute geben wolle.
Allein hatte er früher schon seine Abgeneigtheit gegen die Europäer
deutlich genug gezeigt, machte er jetzt kein Hehl daraus und wurde
unverschämt, verstieg sich sogar zu nutzlosen Drohungen. Daraufhin nun
erklärte ich ihm das Ultimatum: er stelle bis zum Abend die gewünschten
zehn Mann, oder ich hole ihn am nächsten Morgen mit Soldaten aus seinem
eigenen Dorfe heraus und bringe ihn nach Chilomo, dies sei mein letztes
Wort, Verhandlungen gebe es nun nicht mehr.

Nach den Schwierigkeiten zu urtheilen, welche der Fumo jedesmal
gemacht hatte, konnte ich voraussetzen, daß er auch diesmal sich nicht
gutwillig fügen werde, und wie ich es erwartet, kamen keine Leute; am
nächsten Morgen aber, als ich meine Ankündigung wahr machen wollte,
fand ich im Dorfe weder den Häuptling noch irgend welche Leute vor,
konnte auch nicht erfahren, wohin er sich begeben hatte und erst
am nächsten Tage, als ich sehr früh zum Dorfe ging, fand ich einen
jungen Menschen, der mir die gewünschte Auskunft gab, auch den Weg zu
des Häuptlings Schamba (Anpflanzung) mir zeigte, wohin dieser sich
zurückgezogen hatte, um der angekündigten Festnahme zu entgehen.

Nach langem Marsch durch Urbusch und Gehölz fand ich denn schließlich
den Fumo auf seiner Besitzung, wo er mit seiner Frau in aller Ruhe das
Feld umhackte.

Zu ihm herangetreten, forderte ich ihn auf sich zu entscheiden, ob er
mir die Leute geben wolle, andernfalls ich ihn jetzt abführen lasse.
Seine gereizte Antwort war: er habe überhaupt keine Leute, und erging
sich gegen die ausgesprochene Absicht ihn mitzunehmen, in Drohungen, in
welche sein Weib durch lautes Lamentiren wacker mit einstimmte. Er sah
aber doch ein, daß Widerstand nutzlos war und von den beiden Soldaten,
die ich bei mir hatte, in die Mitte genommen, folgte er willig zum
Lager.

Noch war es nicht Mittag geworden, als auch schon die Aeltesten des
Dorfes im Lager erschienen und höchst erregt, die Freigabe ihres
Häuptlings forderten, als ich ihnen die Bedingung genannt, unter
welche diese jetzt nur noch geschehen könnte, zogen sie wuthentbrannt
ab, sodaß ich voraussetzen mußte, sie würden irgend eine Dummheit
begehen und gar wegen ihrer großen Ueberzahl Gewalt anwenden. Indes am
Nachmittag kamen sie wieder und besprachen sich mit ihrem Häuptling,
worauf mir denn die Zusicherung gegeben wurde, es sollten die
gewünschten zehn Mann am frühen Morgen zur Stelle sein, dafür aber die
Freilassung des Fumo forderten.

Das Resultat, wenn ich dieser Forderung gewillfahrt hätte, wäre
gewesen, daß ich mit dem Leichter nicht hätte abfahren können und das
Nachsehen gehabt hätte, denn solcher Zusage konnte ich nicht mehr
vertrauen; daher bedeutete ich ihnen, ihr Fumo solle sofort frei
sein, sobald mir die Leute übergeben werden. Einen Zwang hatte ich
dem Häuptling nicht weiter auferlegt, er konnte sich im Lager frei
bewegen, stand nur unter Aufsicht des täglich aufgestellten Postens und
durfte sich nicht entfernen. Am Abend, um ein Feuer unter den Bananen
gelagert, hatte der Fumo dort auch, in ihm gegebenen Decken gehüllt,
sein Nachtquartier aufgeschlagen, welches sein Weib mit ihm zu theilen
sich entschlossen hatte, wenigstens wollte sie nicht ihren Eheherrn in
solcher Lage im Stiche lassen. -- Sein Groll schien sich mit der Zeit
gelegt zu haben. Ich fand ihn in angelegentlicher Unterhaltung mit den
Leuten, als ich einen mit dem Leichter angekommenen Suaheli-Bacharia,
der von rheumatischen Schmerzen arg geplagt wurde, durch Elektrisiren
einige Linderung zu verschaffen suchte.

Nachdem die Prozedur beendet war, fragte ich auch den Häuptling,
ob er nicht anfassen wolle -- es geschähe ihm nichts dabei --; die
Neugierde bewog ihn schließlich die Griffe anzunehmen, um selbst sich
zu überzeugen, ob in der kleinen selbstthätigen surrenden Maschine ein
böser oder guter Geist sitze, der solches Geräusch verursache. Der
Strom, noch anfangs schwach, schien ihm das prickelnde Gefühl in den
Händen und Armen zu behagen, als ich aber stärkeren Strom spielen ließ,
so daß er die Hände nicht mehr öffnen konnte, schnitt er doch gewaltige
Grimassen und sein Weib, ängstlich geworden, faßte mit beiden Händen
zu, um die Griffe wegzureißen, fuhr aber entsetzt zurück, als nun auch
der Strom sofort durch ihren Körper ging.

Als darauf die Maschine außer Thätigkeit gesetzt war, wollten beide
doch nichts mehr damit zu thun haben, betrachteten vielmehr den
unscheinbaren Kasten mit argwöhnischen Blicken und sind wohl heute noch
davon überzeugt, daß es in der Macht des weißen Mannes liege, Geister
zu bannen und zu beherrschen. --

Betrachtet man im Allgemeinen die Lebensweise dieses umwohnenden
Volksstammes, findet man in den Bezirken, wie solchen ein jedes größere
Dorf vorstellt, patriarchalische Zustände; der Häuptling, als das
Oberhaupt, übt im Verein mit den Angesehensten die Gerichtsbarkeit
aus und schlichtet etwa vorkommende Streitigkeiten; sonstige
Angelegenheiten werden in öffentlicher Versammlung durchberathen,
in welcher das Wort des Medizinmannes und dessen Ansichten meistens
ausschlaggebend sind, um so mehr, je fester dieser sich in die Gunst
der Dorfbewohner zu setzen verstanden hat. Uebt doch das Geheimnißvolle
und Unerklärliche auf die Gemüther dieser einfachen Naturkinder, die
dem Aberglauben stark verfallen sind, einen allzu großen Einfluß aus.
Bei Ceremonien und anderen für sie höchst wichtigen Vorkommnissen
lauschen sie achtungsvoll den Worten des weisen Mannes oder machen ihre
Entscheidung über irgend eine wichtige Unternehmung von dem guten oder
bösen Omen, welches der Medizinmann durch geheime Manipulationen ihnen
prophezeit, abhängig.

Oefter beherrscht ein mächtiger Häuptling auch mehrere Dörfer, jedoch
muß man das Gemeindewesen als mehr republikanisch bezeichnen, denn
nach der fortschreitenden Macht der Europäer, die in den Augen der
Eingebornen eine viel größere ist, hat der Nimbus der Häuptlinge viel
verloren und ihre Alleinherrschaft, die oft zu großer Willkür und
Ungerechtigkeit geführt, ist heute gebrochen; behaupten kann sich
und bedeutenden Einfluß besitzt nur der noch, dessen Persönlichkeit
Achtung zu erzwingen weiß und der in seinem Urtheil gerecht und maßvoll
bleibt. Mag auch der weiße Mann noch immer als Eindringling betrachtet
werden und der von diesem ausgeübte Druck dem freien Neger als ein nur
widerwillig getragenes Joch erscheinen, so ist dieser doch für ihn
die höchste Instanz, an die er sich wendet, sobald Streitigkeiten zu
schlichten sind, die früher oft zu blutigen Fehden Veranlassung gaben
in welchen der Stärkere auch das Recht auf seiner Seite behielt.

Das Familienleben des Eingebornen kann als ein zufriedenes angesehen
werden, man findet wenigstens, daß der Hausherr sich öfters auch um
die noch kleinen Kinder bekümmert und so der Frau, auf welcher alle
Arbeiten des Hauses und des Feldes ruhen, in etwas unterstützt, sonst
aber träge seine Tage verbringt, wenn ihn nicht die Noth oder Gewinn
veranlassen für den Europäer zu arbeiten.

Mehrfach beobachtet man hier bei den Frauen die unschöne Sitte,
in dem dicken Fleisch der Oberlippe einen Ring zu tragen, wodurch
diese sehr entstellt wird, namentlich bei alten Frauen wird dem
verfallenen Gesicht -- schon ein Urbild der Häßlichkeit -- dadurch
etwas abschreckendes gegeben. In jeder Beziehung lästig muß dieses
eigenthümliche Schmuckstück sein, und gehörte es nicht zum guten Ton,
denn auch die schwarzen Frauen sind eitel nach ihrer Art, wie alle
Evastöchter, so würde die schmerzhafte Operation und das hinderliche
Anhängsel wohl bald in Fortfall kommen.

Es war am 2. Dezember 1892, als ich mich zur Abreise von Umpassa, wo
ich so lange unfreiwilligen Aufenthalt gehabt hatte, rüstete. Die
begehrten zehn Mann waren gestellt worden und fast alle männlichen
Einwohner des Dorfes hatten sich um ihren freigegebenen und noch
beschenkten Häuptling versammelt. Alle schienen zufrieden zu sein, daß
nun endlich die weißen Männer sich anschickten, sie zu verlassen; von
denen sie des Guten so viel hätten haben können, wenn sie der Arbeit
weniger abhold und ihr Fumo verständiger gewesen wäre.

Ich trieb zur schleunigen Abfahrt, weil ich den halb zur Mitfahrt
gezwungenen Eingebornen nicht recht traute, wenigstens voraussetzen
konnte, daß sie anfänglich jede Gelegenheit zum Entweichen benutzen
würden, was auch richtig einem der Leute trotz der scharfen Aufsicht
gelungen war. Wohl ließ ich durch den als Aufseher mit vier Soldaten
zurückgelassenen Handwerker Dohmann sogleich nach dem Entlaufen unter
den zahlreichen Zuschauern nachforschen; dies indes nur zum Scheine,
um den anderen zu bedeuten, daß sie im Auge behalten würden und ein
Fluchtversuch ihnen nicht leicht werden sollte.

Die Flußfahrt ging anfänglich wegen des starken Stromes nur langsam
von Statten, obwohl wir mit Einschluß der Lagerbesatzung über zwanzig
Mann in dem Fahrzeug hatten, die mit langen Bambusstangen versehen,
gleichmäßig und unablässig dieses vorwärts schoben. Diese nicht leichte
Arbeit wird erst durch längere Gewohnheit weniger ermüdend; wo es
nothwendig, griffen wir Europäer auch zu, mußten aber uns zugestehen,
daß, wenn man seine ganze Kraft anwendet, nicht allzu lange aushalten
kann.

Besonders Erwähnenswerthes trat uns auf dieser Fahrt nicht in den Weg.
Legten wir Abends am Ufer an, vergnügten wir uns mit Fischfang, der
auch ergiebig genug war; auf kurze Jagdausflüge wollte ich mich nicht
einlassen, zumal die Uferumgebung immer wild und unzugänglich blieb,
sodaß es doch längerer Märsche bedurft hätte, ehe am Waldesrand oder
auf freieren Grasflächen Wild gefunden werden konnte. Wir hatten auch
noch Fleisch genug, da Brückner auf seiner Herunterfahrt hier in der
Umgegend ein großes Zebra erlegt hatte, dessen Fleisch die Leute sich
an Feuer geröstet hatten, so war kein Mangel.

Der Zufall wollte, als wir in einen Creek gerathen waren, aus welchem
ich einen vermuthlichen Ausweg suchte, daß ich, ohne Waffe zur Hand, im
hohen Ufergebüsch die nächste Bekanntschaft mit einer Wildkatze machen
mußte. Als das fauchende, schön gezeichnete Thier keinen Rückzug mehr
sah, machte es ernstliche Miene den unwillkommenen Störer anzugreifen,
und glaube ich, die scharfen Krallen, sowie das nicht zu verachtende
Gebiß waren allem Anschein nach im Stande recht bedenkliche Wunden zu
verursachen. Erst das Erscheinen eines mich begleitenden Mannes machte
das Thier anderen Sinnes, es sprang durch das Blättergewirr in die
Tiefe und suchte unter den Wurzeln der Sträucher über dem Wasser einen
Zufluchtsort.

Vom Glück begünstigt, vorwärts getrieben durch einen starken Wind,
der die Menschenkraft unnöthig machte, erreichten wir schon nach
wenig Tagen Chilomo, woselbst schnell die nothwendige Erleichterung
des Fahrzeuges vorgenommen und dieses nach kurzem Aufenthalt weiter
expedirt wurde, um so weit als möglich von dem anhaltend günstigen
Winde flußaufwärts getrieben zu werden. Unsere Umpassa-Leute zogen es
vor, doch die Fahrt mitzumachen, zumal ihnen reichliche Verpflegung
neben dem Verdienst zugesichert wurde, was sie in ihrem Heimathsdorf
nicht hatten; auch stellte ihnen Brückner, der weiter hinauf auf große
Heerden Flußpferde gestoßen war, bestimmt ein solches Thier, das er den
Leuten zur Nahrung schießen werde, in Aussicht.

Uebrigens hat Brückner auf seinen Fahrten eine ganze Anzahl dieser
Thiere erlegt, und mit dem überreichen Fleischvorrath spekulativ
verfahrend, ließ er öfters, wenn er sich festgefahren hatte oder über
eine Sandbank nicht hinweg kommen konnte, die Leute des nächsten Dorfes
zusammen rufen, die dann sein Fahrzeug auch gerne gegen Ueberlassung
eines halben Cibokos aus gefährdeter Lage befreiten und ihn eine
Strecke weit unterstützten, bis er wieder freieres Wasser vor sich sah.

Für die Führer der deutschen Expedition war von Seiten des britischen
Kommandanten der Kanonenboote Kapitän Robertson, das für diesen extra
erbaute Haus in Chilomo zur Verfügung gestellt worden und war dadrinnen
auch nur ein Zimmer und zwei Seitenkabinets vorhanden, so waren ein
Tisch und Stühle doch ein ungewohnter Comfort, wenigstens war es etwas
anderes als das Einerlei des Zeltlebens. Ich fand hier noch Leut.
Bronsart von Schellendorf vor, der auf die angekündigte Auslieferung
eines portugiesischerseits angehaltenen Sudanesen wartete und erst am
7. Dezember seinen Marsch nach Katunga antreten konnte.

Hier in Afrika, wo die Ameise in ungezählten Milliarden vertreten ist,
tritt sie entweder als alles zerstörende Termite auf, oder siedelt sich
in Häusern und Hütten an, wo dann nichts vor diesen kleinen Thierchen,
was Nahrung heißt, zu schützen ist, beobachtet man nicht die Vorsicht,
alles was Süßigkeiten enthält in Wasserbehälter zu stellen, so sucht
sie in wahren Völkerwanderungen sich Zutritt zu verschaffen und durch
die Unzahl der dabei umgekommenen Thiere wird oft die Speise, oder
der Inhalt nicht gut verschlossener Konservenbüchsen ungenießbar
gemacht. Ich erwähne dieses, weil im Lager die Anwesenheit der kleinen
braunen Ameise zur wahren Plage geworden war, vor der absolut nichts
mehr geschützt werden konnte, und die Behauptung des Obersteuermanns
Gerloff, er habe schon das nutzlose Vertilgen aufgegeben und den
Ekel, die Ameise gelegentlich mit den Speisen verzehren zu müssen,
überwunden, konnte ich glaubhaft genug finden, nachdem es mir bei
längerem Aufenthalt nicht besser erging.

Nebenbei zeigte sich noch eine etwa drei Fuß lange Eidechsenart, die
insofern für uns lästig wurde, als sie unseren freilaufenden Hühnern
nachstellte und diese dadurch so scheu wurden, daß sie Nachts nur auf
einem im Lager befindlichen hohen Baum ihr Nachtquartier aufschlugen.
Wohl lauerten wir solcher Eidechse auf, aber es wollte nicht gelingen
das vorsichtige und höchst gewandte Thier habhaft zu werden oder zu
erlegen.

Einen freundlichen Anblick gewährten die hier in den Sträuchern sich
aufhaltenden Chamäleons; tagsüber saßen sie ruhig auf einem Ast und
schnellten gelegentlich die klebrige Zunge aus, um ein Insekt zu
erhaschen, dabei boten sie dem stillen Beobachter ein wechselvolles
Farbenspiel dar. Gewöhnlich grün oder oder blaugrau, wechselte
die Farbe ihres Körpers im Sonnenstrahl allmählich und ging in
bronzefarbener Schattirung untermischt mit goldgrün über; erregt
oder gestört wechselten die Farben schneller, sodaß man versucht war
anzunehmen, das Chamäleon könne je nach Belieben die verschiedensten
Farbentöne annehmen, von grün, blau, bronze in grau, selbst schwarz und
weiß. Verfolgt man das sonst träge Thier, muß dieses selbst genau im
Auge behalten werden, denn im Blättergewirr, wo es die gleiche Farbe
annimmt, entgeht es sonst unfehlbar. Sieht es sich irgendwie bedrängt,
zischt es seinen Gegner an und versucht mit seinen unförmlichen großen
Kinnladen zu beißen, weicht aber doch immer wieder zurück, dabei
geschickt solche Schlupfwinkel wählend, die ihm einen Ausweg gestatten,
bis man ermüdet die Nutzlosigkeit das Thier zu erfassen einsieht, und
will man das harmlose Thier nicht gerade tödten, von der Verfolgung
abstehen muß.

In der hohen steilen Uferwand, die hier an der Mündung des Ruoflusses
in den Schire, gebildet ist, haben sich tausende hochrothe
langgeschwänzte Vögel tief in das Erdreich ihre Nester gegraben und
wenn diese in Schaaren über Land oder Wasser eilig hinfliegen, in
wirren Massen sich in den Lüften zusammenhaltend wie die Tauben, dann
lassen sich diese mit einer Wolke vergleichen. Mir blieb leider nicht
die Zeit, diese interessante Vogelart eingehender zu studiren, über
ihr Leben und Treiben Näheres zu erfahren, aber immer boten sie ein
anziehendes Bild, wenn sie geschäftig mit Futter im Schnabel zu ihren
Nestern zurückkehrten, um schnell wieder über das Wasser hinzuschweben
und unermüdlich dem Nahrungsfang oblagen. Unter den ungezählten
Erdlöchern, die alle von ganz gleicher Form und Größe, findet jeder
Vogel ohne Weiteres seine Wohnstätte, ein Drängen und kreischendes
Schreien habe ich nur bemerkt, wenn eine größere Anzahl zu den Nestern
sich herandrängte und alle an die Uferwand sich klammernd nicht
sogleich Einlaß fanden, welcher aber seinen Eingang gewonnen hatte,
vertheidigte diesen sofort gegen einen vermutheten Eindringling.

Chilomo als bedeutender Ansiedelungsort bietet vorläufig nur wenig
Anziehendes, wiewohl es am ganzen Zambesi und Schire der einzige Platz
ist, wo man mit einem regelmäßigen Aufbau vorgegangen ist und geht man
längs der einzigen Häuserreihe die an der Ruoseite erbaut ist, gaben
die zur Linken abgesteckten Straßen und Quadrate einen Anhaltspunkt, in
welcher Weise sich der spätere Ort entwickeln soll.

Häufig genug hatte ich hier Gelegenheit, in diesem einzig größeren
Settlement der Engländer am unteren Schire mit diesen zusammen zu
kommen und wie ich schon früher mich bemüht habe auszuführen, zeigt
der Egoismus der englischen Nation hier in ihren Vertretern kein sehr
anmuthendes Bild, indem nichts Gleichberechtigtes an die Beherrscherin
der Meere und Völker gleichen Anspruch erheben darf; allgewaltig
herrschend, will es scheinen, als gehöre mit Fug und Recht die Erde
nur ihr und der Schwächere muß weichen, will er nicht den Zorn des
mächtigen Albion auf sich lenken, um schließlich zu unterliegen; dem
gefährlichen Gegner ist im Konkurrenzkampf schwerlich eine andere
Nation auf diesem Gebiete gewachsen! --

Das schwache Portugal, heute ohnmächtig, sieht durch das eigennützige
aber zielbewußte Vorgehen der Engländer sich hart bedrängt, es fand
nicht die Kraft dem Andringenden einen Damm entgegen zu setzen, und man
könnte sagen: giebst du ihm die Hand, nimmt er dir den Schopf; aber die
große Schuld liegt darin, daß die Portugiesen in diesem jahrhunderte
langem Besitz sich nicht über die Bevölkerung empor geschwungen und sie
mit sich gezogen haben, um das reiche Erbtheil zur Blüthe zu führen,
sondern was sich in dieser Kolonie als lebenskräftig bewährt hat, ist
zu ihr hinabgestiegen, das Interesse für das Mutterland ging unter in
dem Bestreben der Selbstsucht zu fröhnen.

Eine melkende Kuh ist der weite Besitz geblieben, dessen Hilfsquellen
nun nahezu erschöpft sind und kein Versuch wurde gemacht, dessen
verborgene Reichthümer zu erschließen, durch Arbeit das Land reich
und durch ihr seine Völker frei zu machen; Druck und geduldete
Knechtschaft führten Zustände herbei, die heute diesen großen Besitz
als eine Illusion erscheinen lassen und dem Kolonisationstalent der
portugiesischen Nation, (dies als Resultat betrachtet) kein gutes
Zeugniß ausstellt.

Zu spät, nachdem andere Nationen im thatkräftigen Aufschwung durch
die Macht geistiger Größe die Saat auszustreuen beginnen und die
Früchte ihrer Arbeit zu ernten sich anschicken, sieht Portugal sein
Eigenthum gefährdet, aber schon zu tief in Lethargie versunken findet
es nicht mehr die Kraft einen neuen Anlauf zu nehmen und mit den
Konkurrenten in den Wettkampf einzutreten. Was Wunder also, wenn die
Herren Engländer für die unfähigen Portugiesen nur Verachtung übrig
haben, die auch unverhohlen zum Ausdruck kommt, weil der kleine
schwache Gegner, den der mächtige zertreten möchte, einen Rückhalt an
anderen Nationen findet, die der zügellosen Ländergier Englands ein:
bis hierher und nicht weiter zurufen! Es spielt sich hier allmählich
ein Vorgang ab, der zu einem Abwirthschaften der Portugiesen führen
muß und Deutschlands Kolonialpolitik, die mit junger frischer Kraft
in den Kampf eingetreten ist, sollte gerade auf diesem Gebiete, wo
der verschlagene rücksichtslose Engländer der einzige Gegner ist, mit
der Autorität des deutschen Namens der verhängnißvollen Umschließung
durch die Engländer entgegentreten. Zu Englands Ungunsten wirft der
Portugiese seinen Haß gegen dieses in die Wagschale -- und kommt einst
die Entscheidung, sollten wir vorbereitet sein, eine Umarmung England
durch Besitznahme der portugiesischen Kolonie zur Unmöglichkeit zu
machen! --

Acht Tage war ich in Chilomo anwesend, als am 8. Dezbr. Abends von Eltz
unerwartet mit dem Leichter Wissemanns eintraf, mit der Nachricht, daß
über den Aufbau des Dampfers die endgültige Entscheidung getroffen sei
und dieser nun an den Ufern des Nyassa-Sees erbaut werden sollte; zu
diesem Zwecke sollte ich nun unverzüglich mich aufmachen und den Major,
ehe er seine Weiterfahrt nach diesem See antrete, noch in Mpimbi am
oberen Schire zu erreichen suchen.

Auf diesen Befehl hin rüstete ich mich, nach Uebergabe des Kommandos,
zur eiligen Abfahrt nach Katunga, nachdem das benöthigte Handwerkszeug
noch zusammengestellt und der Zimmermann Ottlich als mein Begleiter
ausgewählt worden war. Am 10. schon konnten wir mit einem gecharterten
Boote der Afr. Lakes-Co., wie solche zur Beförderung von Reisenden und
Lasten benutzt wurden, flußaufwärts abfahren. Beim Abschied von Chilomo
ließ sich das freudige Gefühl, daß nun die Zeit thatkräftigen Handelns
ist, nicht unterdrücken. Zwar was im Schooße der Zukunft verborgen --
wäre das uns zu schauen vergönnt gewesen -- hätte das düstere Bild
voll Gefahren und Entbehren wohl die Freude, nun gehe es endlich
vorwärts, dämpfen können; obgleich ich wohl wußte, welche ungeheuren
Anforderungen noch an den persönlichen Muth und an die Thatkraft jedes
Einzelnen gestellt werden würden! Aber es ist der höchsten Weisheit
Vorbedacht, daß selbst die nächste Stunde in Dunkel gehüllt vor uns
liegt und wir nicht Herr unseres Geschickes sind.

Den Windungen des Flusses folgend, zwischen den vielen Sandbänken
uns den Weg suchend, bot nach mehrstündiger Fahrt schon die Scenerie
einen ganz anderen Anblick, insofern, als Wald und Busch zurücktrat
und zu beiden Seiten und so weit das Auge sehen konnte nur hohes
Elephantengras untermischt mit Rohr sichtbar blieb. Am ersten Abend
schon, am Rande der Graswüste angelangt, die wie der Moramballamarsch,
hier den Namen Elephantenmarsch führt, geriethen wir in Verlegenheit
wegen Feuerholz; es war nicht genügend Bedacht darauf genommen worden,
weil bisher fast überall solches noch aufzufinden gewesen war, hier
aber nun gänzlicher Mangel eintrat, sodaß wir uns mit mühselig
zusammengesuchtem Rohr behelfen mußten um nothdürftig einen Topf Kaffee
zu unserer frugalen Mahlzeit bereiten zu können.

Mit Recht führte diese Gegend ihren Namen, in der ungeheuren Ebene
sind nicht allein Heerden von Elephanten, sondern der ganze Thierpark
Central-Afrika in allen Gattungen vertreten. Daß hier Wild im
Ueberfluß, wie so viele Augenzeugen bestätigt und kühne Jäger erfahren,
ließ sich wohl nach der Gegend zu urtheilen, voraussetzen, aber
trotzdem war es nicht verlockend, in diese Grasebene einzudringen,
worin absolut nichts zu sehen war und nur die Wildpfade, die zum Wasser
führten, ein Fortkommen gestattet hätten.

Auf Abrathen unserer Bootsleute wurde ein beabsichtigter Ausflug
aufgegeben, so sehr allen auch ein Stück Wild willkommen gewesen wäre,
indes die feste Behauptung, der Löwe hause zahlreich in diesem weiten
Revier, machte es bedenklich, vielleicht dem König der Thiere auf so
ungünstigem Terrain gegenüber treten zu müssen. Wir sollten auch nicht
lange im Zweifel darüber sein, denn als die Nacht herabgesunken und die
Stimmen der Natur in dieser tagsüber fast feierlichen Stille erwachten,
einstimmend in den Accord, den der quakende Frosch und die zirpende
Grille angestimmt, dröhnte, wenn auch ferne, das Brüllen des Löwen zu
uns herüber.

Während der zwei Tage, die wir in dieser öden sich immer gleich
bleibenden Wildniß zubrachten, hatte ich gehofft gelegentlich mehr
Wild zu sehen und schußgerecht zu bekommen, allein entgegen der
Gewißheit, daß ringsum zahlreiche Thierarten sich aufhalten müßten,
zeigte sich sehr wenig am Ufer, dafür aber am Abend des zweiten Tages
eine gefährlichere Art, die uns wider unseren Willen zur ernsten
Vertheidigung zwang. Wir waren zu den Stellen gekommen, wo nach
Brückners Mittheilung ganze Heerden gewaltiger Flußpferde den Fluß
versperren sollten und wo es ihm verschiedentlich gelungen war, einige
zu tödten; es aber auch gefährlich sei, mit einem Kanoe (hier wurde
Bronsart v. Schellendorf mit einem solchen umgeworfen) oder kleinen
Boot durchzukommen.

Es war am Rande der Grassavanne, der Fluß schmal und tief, die Ufer
wieder mit Busch und Baum bestanden, das Hinterland reicher an saftigem
Grün, als in einer schmalen Biegung des Flußbettes eine Heerde von etwa
50 Cibokos beim Erblicken des Bootes wuthschnaubend im Wasser auf- und
niedertauchten, was auf eine große Erregtheit dieser Thiere, die hier
schon oft Wunden empfangen hatten, und dadurch bösartig geworden waren,
schließen ließ. Wir hielten uns beim Anblick einer so großen Zahl auch
vorsichtshalber unter dem linken Ufer im tiefen Wasser und suchten
so etwaigen Angriffen auszuweichen. Um die Thiere fern zu halten,
damit sie nicht unter das Boot kommen und einen Versuch zum Umwerfen
desselben machten, gaben wir wenige, aber wohlgezielte Schüsse auf die
nur eben über Wasser auftauchenden Köpfe ab, es war dies die einzige
Möglichkeit, die wuthschnaubenden Thiere von einem verhängnißvollen
Angriff abzuhalten.

Zwei der kühnsten Bullen, mittlerweile verwundet, konnten wir nur durch
schnelles Vorwärtsrudern deren Absicht, das Boot zu kentern, entgehen;
den neben uns auftauchenden Thieren sandten wir zwar aus nächster Nähe
Kugeln zu, aber auf ihrer Panzerhaut haben sich die Bleigeschosse wohl
breit geschlagen ohne durchzudringen. Ehe darauf die Thiere einen neuen
Versuch machen konnten, war das Boot in den Strom gelenkt und auf
flacheres Wasser in Sicherheit.

Geräth das Flußpferd in Wuth, wird sein weitschallendes Grunzen
zum dumpfen Gebrüll und aus den Nasenlöchern spritzt es das Wasser
fontänenartig in die Luft; ist Gefahr vorhanden, hebt es den Kopf nur
so weit über Wasser, daß es mit den Augen frei Umschau halten kann, um
sofort wieder untertauchend, dann unvermuthet an einer näheren oder
entfernteren Stelle wieder hochzukommen.

Dem Anschein nach hatten in diesem entlegenen Flußgebiet die Flußpferde
hier ihr Domizil aufgeschlagen, wo sie bisher kaum gestört, ein
beschauliches Leben haben führen können; eine geeignete Gegend haben
sie sich aber auch ausgesucht, denn wildromantischeres habe ich an
den Ufern des unteren Schire kaum gefunden. Durch das Gebüsch zu
dringen, war nur auf solchen Gängen möglich, die das Flußpferd sich
darin gebrochen hatte, wenn es nächtlicher Weile weit landeinwärts
sein Futter sucht. Hatte man sich auf diesen tunnelartigen Wegen durch
Busch und Dorn gewunden, fand man auf ansteigendem Terrain Gras- und
Waldflächen, die wohl kaum je von eines Europäers Fuß betreten worden
sind, denn einladend ist diese Wildniß nicht, auch nicht eines Jeden
Sache, auf schlüpfrigen Pfaden vorzudringen, um die Großartigkeit
einer jungfräulichen unberührten Natur zu bewundern und in solcher
Abgeschlossenheit das Werden und Sein, das Sterben und Vergehen zu
betrachten.

Eine solche Exkursion am anderen Tage, Morgens in aller Frühe
unternommen, führte mich schließlich zu einem Nebenfluß des Schire,
der aber zur Zeit so flach war, daß vielfach Wassertümpel gebildet
waren, die nur Zu- und Abfluß hatten durch schmale Wasserrinnen; aber
ansehnliche flachgebaute Fische waren in beträchtlicher Anzahl doch
in diesem klaren Gewässer und bedauernd, daß ich diese nicht erlangen
konnte, verfiel ich darauf sie von den Leuten nach dem Ausfluß jagen zu
lassen, und wenn sie auf Grund geriethen, mit Schrotschüssen zu tödten;
alle die getroffen waren kamen hoch und nach zwei Schüssen hatten wir
eine reichliche Mahlzeit.

Unter der Beachtung aller Vorsicht, suchten wir an diesem Morgen einer
zweiten Heerde Flußpferde, die sich an einer Stelle, wo der Fluß zwei
auffällige rechte Winkel gebildet hatte aufhielten, zu entgehen. Alles
Geräusch vermeidend, schlichen wir mit dem Boote unter die Ufergebüsche
entlang und ob manches Thier auch keine fünfzehn Meter entfernt
auftauchte, griff es doch nicht an, wir vermieden aber kluger Weise
durch Schüsse die Kolosse erst zu reizen, dazu war das Wasser nicht
tief genug, um unnütz sich der Gefahr auszusetzen, umgeworfen zu werden
und alles zu verlieren.

So unbehelligt aber sollten wir doch nicht wegkommen. Es mochte
gegen Mittag sein, als an der Mündung eines Nebenflusses, wo durch
angeschwemmte Sandbänke das Flußbett sehr verengt worden war und nur
eine zwanzig Meter breite Rinne der stark strömenden Fluth offen blieb,
eine große Heerde, nach Schätzung über hundert Thiere, thatsächlich
die Durchfahrt sperrten. Sie ließen auch beim Erblicken des Bootes
uns keinen Zweifel, daß sie gesonnen wären uns nicht so ohne Weiteres
passiren zu lassen, denn brüllend gingen die Bullen zum Angriff auf
uns über ohne daß sie von uns gereizt waren, während die Weibchen sich
weiter zurückzogen und mit den auf ihren Rücken hockenden Jungen außer
Schußweite blieben.

Das Wasser war klar genug, um die auf dem Grunde laufenden unförmlichen
Massen erkennen zu können, wir bemerkten auch einige Male einen
schwachen Ruck, bis wir wohl auf eine flachere Stelle gerathen,
plötzlich hochgehoben wurden und wäre das Boot nicht so schwer
beladen gewesen, unfehlbar hätte der mächtige Bulle, der den Angriff
unternommen hatte, uns ein gefährliches Wasserbad bereitet. Schlimmer
als dieses wäre in der starken Strömung der Verlust aller Sachen
gewesen und wiewohl das Boot ganz nahe dem Ufer, mehr als das Leben
hätten wir nicht retten können.

Selbstverständlich gaben wir nun Feuer und geriethen im Eifer mitten
in diese große Heerde hinein, kamen aber nicht hindurch, sondern
waren gezwungen zu landen und uns durch Gestrüpp und Gras einen Weg
zu bahnen, um oberhalb der Heerde zu gelangen. Hier auf die Weibchen
feuernd, von denen bald zwei tödtlich getroffen sich im Flusse hin und
her wälzten erreichten wir, daß die Bullen die Passage frei gaben und
nach einstündigem Schießen, in welcher Zeit noch eine ganze Anzahl
verwundet worden war, hatten sich die Thiere in einen tiefen Seitenarm
verzogen.

Mit äußerster Anstrengung suchten wir nun das andere Ufer zu erreichen
und hatten bald die Heerde hinter uns, die, als das Boot ihnen
entgangen war, wüthend hinterher stürmte; brüllend den Oberleib über
Wasser hebend, rissen einzelne den gewaltigen blutrothen Rachen auf,
dessen Kinnladen wohl alles zu zermalmen imstande wären, wenn die Natur
das Thier nicht zum Wiederkäuer, sondern zum Raubthier bestimmt hätte.
Einige zugeschickte Kugeln, welche einigen wohl noch recht schmerzhafte
Zahnschmerzen verursacht haben mögen bewirkten, daß das Schauspiel ein
Ende hatte, worauf wir unsere Reise unbelästigt fortsetzen konnten.

Kurz darauf überholten wir ein anderes Boot mit zwei englischen
Gouvernementsbeamten, mit denen wir fortan gemeinschaftlich die Fahrt
fortsetzten, auch der Einfachheit halber, gemeinschaftliche Küche
machten; in solcher Wildniß findet man sich schnell zu einander,
theilt auch gerne und macht sich solche Reise so angenehm wie es
die Umstände eben gestatten. Unter anderem erfuhr ich, daß diese
beiden jungen Leute am selben Morgen auch ein Renkontre mit jener
Flußpferdheerde gehabt und mehrere Thiere verwundet hätten, sonst aber
direkt nicht angegriffen worden wären; so erklärte es sich, daß die
Cibokos noch höchst gereizt und wüthend, sich ohne Weiteres auf das
nächste Boot warfen, mit der ernsten Absicht Revanche zu nehmen für die
Schmerzen und der gestörten Ruhe.

Ich habe mich zwar später in noch schlechteren Situationen befunden,
aber nie wieder wie hier solche Masse von diesen Colossen beisammen
gesehen, die sich in dem Bestreben einig waren, ihren schlimmen
Feinden den Untergang zu bereiten. Es ist auch nur zu erklärlich; das
beständige Jagen macht die Thiere, die sonst friedlich und nur für
die Eingebornen oft eine große Plage sind, bösartig und gefährlich,
ihre Vernichtung wird dann eine Art Nothwendigkeit, und mit der
fortschreitenden Civilisation verschwindet mehr und mehr das Flußpferd,
das in der Urwildniß bisher seine ungestörte Heimath gehabt hat. Je
höher flußaufwärts wir kamen, desto wechselvoller und vielgestaltiger
wurden die Ufer des Schire, bald hoch, bald niedrig mit starkem,
dichtem Gebüsch und Bäumen bewachsen, zwischen denen hindurch die
Dörfer der Eingebornen versteckt hingestreut lagen und aus deren
zunehmender Zahl auf eine ziemlich zahlreiche Bevölkerung zu schließen
war.

Der Fluß selbst ist zuweilen eng und tief, bald breit und dann flach,
sodaß es schwer hält mit dem Boote fortzukommen; viele Flußarme bilden
größere und kleinere Inseln; man sieht aber wie verheerend der starke
Strom bei hohem Wasserstand sein muß, wenn er große Erdmassen abspült
oder gewaltige Bäume mit sich stromabwärts führt.

Auf hochgelegenem Terrain, dort wo der Fluß eine Hügelkette
durchbrochen hat, fanden wir am linken Ufer einige europäische
Ansiedelungen, wo Versuche mit dem Kaffeebau vorgenommen waren
und mühselig ein kleines Terrain dem höchst fruchtbaren Waldgrund
abgewonnen war; freilich ist alles der Natur und den Mitteln die zu
Gebote stehen angepaßt und daher auch nur primitiv, aber die Arbeit
findet doch ihren Lohn, indem der dankbare Boden die aufgewendete Mühe
reichlich vergilt.

Die Gastfreundschaft ist hier allgemein in Gebrauch, darum fällt es
nicht weiter auf, wenn ein von dem abwesenden Besitzer verlassenes Haus
von dem Reisenden für eine Nachtruhe in Beschlag genommen wird, selbst
die schwarzen Diener desselben erheben dem Europäer gegenüber keinen
Einspruch und so ist es eine wohlübliche Einrichtung, daß jedem müden
Unbekannten, der viele Tage durch die Wildniß gezogen, am gastlichen
Herd die hochwillkommene Ruhe gestattet wird.

Kurze Rast hielten wir noch vorübergehend bei der Etappestation wo
der Proviantmeister von Liebermann mit wenigen Soldaten als Aufseher
eingesetzt war, mit der Anweisung ein freundliches Verhältniß mit den
umwohnenden Häuptlingen anzubahnen, um durch deren Willfährigkeit
den großen Mangel an Trägern in etwas abzuhelfen. Weiter hinauf nahm
die Gegend schon einen entschiedenen gebirgigen Charakter an, die
Felsenmassen rückten immer näher zum Flusse, auch an dem starken
Gefälle der zuweilen wirbelnden Strömung, gegen die nur mit aller
Kraft anzukämpfen war, konnte man voraussetzen, daß die Murchison
(Schire)-fälle nicht mehr allzu ferne seien.

Am 14. Dezember, Mittags, nach achttägiger Fahrt, passirten wir
Katunga, Station der African Lakes Co., um etwa zwanzig Minuten
oberhalb derselben in Chukwakwa, der englischen Gouvernementsstation,
neben der das deutsche Lager erbaut war, zu landen.




                     8. Von Katunga bis Blantyre.


Die deutsche Station, unmittelbar am Ufer des Schire gelegen und etwa
einen Kilometer vom Fuße der steilansteigenden Gebirgskette entfernt,
bestand aus zwei Wohnhäusern für Europäer, den Soldatenhütten und einem
Proviantschuppen; während den ganzen Lagerplatz eine undurchdringliche
Dornhecke umschloß. Was aber das Vortheilhafteste, es waren mehrere
gewaltige Tamarindenbäume im Lager, deren weites dichtbelaubtes Geäst
gegen die heiße Sonnengluth kühlen Schatten spendete, auch dadurch den
Aufenthalt in den Häusern, während der heißen Tagesstunden, angenehmer
machte.

Landschaftlich war es ein ganz anderes Bild, welches den Beobachter
hier umgab; umschlossen zur Rechten, wenn man den Blick flußaufwärts
nach den Schirefällen richtete, von immer höher ansteigenden
Bergmassen, die in dunkler Bläue sich verloren und vom Fuße bis zu
den höchsten Kuppen von einem zusammenhängenden Gebirgswald bestanden
sind, hob sich das Terrain zur Linken mehr hügelförmig aus der
Flußniederung aufwärts, um in der Ferne zur Gebirgsform übergehend,
das Flußbett wie ein weites tiefliegendes Thal erscheinen zu lassen.
Und trägt die Gesammtheit auch den Charakter einer ungebundenen freien
Wildniß, ist dieses wechselvolle Bild der Gebirgsnatur im Gegensatz
zur undurchdringlichen Wildniß der Urwälder in der Tiefebene, ein
erhebendes. Selbst unter der Gluth der sengenden Sonnenstrahlen weht
hier ein frischerer Odem und freier athmet die Brust, fast scheint
es als wäre das Gefühl eines auf ihr lastenden Druckes weggenommen,
auch die physische Kraft erstarkt, belebt den sinkenden Muth und die
Thatkraft und Schaffensfreudigkeit kehrt wieder.

Mein Aufenthalt im Lager sollte nur von kurzer Dauer sein, da ich laut
erhaltener Ordre, so schnell als möglich vorwärts gehen und den Major
vor seiner Abreise nach dem Nyassa-See noch erreichen mußte; ich setzte
mich deshalb auch unverzüglich mit dem englischen Beamten Mr. Bowhill
in Verbindung, um mit dessen Unterstützung die benöthigten Träger,
etwa 40 Mann, zu erhalten, und dies aus dem Grunde, weil mir der die
Aufsicht im Lager führende Maschinist Engelke mitgetheilt hatte,
daß ohne Genehmigung des englischen Beamten kaum Träger zu erhalten
sein werden. Was nun das persönliche Entgegenkommen des Mr. Bowhill
betraf, konnte ich als Unterstützungsuchender mich nicht beklagen,
aber die entgegengebrachte Freundlichkeit hatte doch etwas Gezwungenes
und, als er mir sein Herz ausgeschüttet, Klage über Klage gegen das
eigenmächtige Vorgehen der Deutschen angehört hatte, die darauf
hinausliefen, daß man seine gute Absicht und Hilfsbereitschaft so
wenig gewürdigt, schließlich ihn zurückgewiesen habe, war es mir bald
klar, er wolle nur gegen Jemand, der ihn vollständig verstehen konnte,
sich reinwaschen, wenigstens stellte er noch an mich die Zumuthung, da
er deutscherseits wegen seiner Handlungsweise höheren Orts angeklagt
worden war und die Folgen fürchtete, für ihn, wenn sich die Gelegenheit
bieten würde, in Blantyre einzutreten, in dem Sinne, daß er entschieden
verkannt worden sei. Anstatt der Zusicherung, mein Ersuchen um Leute
nach Kräften zu unterstützen, wäre es mir lieber gewesen, er hätte
rundweg erklärt, er wolle oder könne nicht helfen, denn dann hätte
ich mir selber helfen müssen und nicht einen Augenblick gezögert mit
anderen wegen Träger in Unterhandlung zu treten.

Den Glauben an die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung bemühte er sich aber
schnell zu zerstören, indem er am nächsten Abend mit zwei Anliegen zu
mir kam, die schwere Beschuldigungen gegen unsere wenigen im Lager
anwesenden Leute enthielten. Darnach sei ihm von dem Häuptling eines in
der Umgegend liegenden Dorfes folgende Beschwerde zugegangen: es seien
in der vergangenen Nacht drei Leute aus dem deutschen Lager in dem
Dorfe gewesen und hätten nach dem Fumo verlangt, als dieser aber vor
Furcht sich verkrochen hätte, soll einer der Bewaffneten einen Schuß
abgegeben haben und schließlich nach Verübung allerlei Unfugs hätten
die Ruhestörer sich entfernt.

So unwahrscheinlich mir diese Anklage auch erschien, fühlte ich mich
doch verpflichtet, eine strenge Untersuchung anzuordnen; wie ich aber
voraussetzen konnte, war unter unsern sechs Leuten keiner, dem ein
solches Vergehen nachzuweisen gewesen wäre, denn die von uns Europäern
stets ausgeführten nächtlichen Rundgänge hatten ergeben, daß jeder
der Leute im Lager anwesend gewesen war. Auch der Sudanesenposten
konnte keine Angaben machen, was sicherlich geschehen wäre, wenn ein
Suaheli sich entfernt hätte, da der pflichtgetreue Soldat mit dem etwas
leichtsinnigen Suaheli nichts zu thun haben mag, und so konnte ich nur
annehmen, daß die Beschuldigung auf eine Verleumdung hinauslaufen müsse.

Der zweite Fall, wonach am selben Abend zwei von der Etappestation
zurückgekehrte Sudanesen in ein Zuckerrohrfeld Verwüstungen
angerichtet haben sollten, war ernster. Eine Anzahl Eingeborner
war sofort nach dieser Entdeckung zu dem Gouvernementsbeamten
gekommen und hatten bittere Beschwerde geführt, der die Zeugen auch
mitgebracht hatte und die aus den aufgestellten Soldaten einen Schauß
(Sudanesen-Unteroffizier) dieses Vergehens beschuldigten. Der schwarze
Unteroffizier, den ich selbst als einen unserer tüchtigsten Soldaten
kannte, leugnete entschieden und bezeichnete die Aussagen der Natives
als Lügen; die Ankläger nun ins Verhör genommen, stellte es sich
heraus, daß sie wohl zwei Soldaten gesehen hätten auf dem Wege zwischen
den Feldern, auch annähmen, diese hätten das Zuckerrohr geraubt, sonst
aber nicht beweisen konnten, gerade diese beiden hätten es gethan! --

Solcher Nichtswürdigkeit, die einen schlimmen Verdacht auf
unbescholtene Leute warf, war ich daraufhin entschlossen mit aller
Energie auf den Grund zu gehen; konnte ich auch eine Bestrafung der
Ankläger nicht herbeiführen, wenigstens sollte dann der englische
Beamte einsehen, daß er als bestellter Anwalt der Eingebornen, nicht so
obenhin diesen glauben und vielleicht durch ungerechte Beschuldigung
Unschuldige in Verdacht und harte Strafe bringen könne. Zur Aufklärung
der Sache bestand ich nun entschieden darauf, daß die Ankläger nicht
entlassen, sondern bis zum nächsten Morgen unter irgend einem Vorwand
in Gewahrsam gehalten würden, dann sollten, geführt von einem Europäer
die beiden Soldaten zum Thatort geführt werden und aus den Fußspuren,
die im weichen Boden nicht verwischt sein würden, festgestellt werden,
ob diese Anschuldigungen grundlos seien oder nicht, was sehr leicht
bewiesen werden konnte, da unsere Soldaten auf allen Märschen und
überhaupt stets Stiefel an den Füßen trugen.

Eine Einwendung von Seiten des Mr. Bowhill, diesen Fall nicht auf
die Spitze zu treiben, da wenige Kupfermünzen die Geschädigten schon
zufrieden stellen würden, konnte mich nicht bestimmen das Gesagte
zurückzunehmen, auch die Prophezeihung, wir Deutsche schädigen uns nur
durch solches Vorgehen gegen die Eingebornen, da diese uns boykotieren
könnten und hinfort kein Proviant mehr verkaufen möchten, wir also in
Noth gerathen würden, war nutzlos, und wohl oder übel, sollten nicht
die Folgen auf ihn selbst zurückfallen, mußte er sich fügen.

Als der Morgen kam sandte ich den Zimmermann Ottlich und den
Schiffsbauer Zander unter militärischer Bedeckung mit genauer
Instruktion versehen zu den weit entfernt liegenden Zuckerrohrfeldern,
um an Ort und Stelle die eingehendsten Nachforschungen anzustellen;
wie das Ergebniß aber auch ausfallen möge, die Hauptankläger sollten
unter allen Umständen wieder zurückgebracht werden. Mit begreiflicher
Spannung sah ich der Rückkehr der Abgesandten entgegen und hatte
mich auf eine harte Auseinandersetzung mit dem englischen Beamten
gefaßt gemacht, indem ich nicht gesonnen war, wenn die Unschuld
der Beschuldigten erwiesen würde, die mir unterstellten Leute von
nichtsnutzigen Eingebornen beleidigen zu lassen.

Am Nachmittage kamen denn auch alle nach einem ermüdenden Marsch in das
Lager zurück, mit dem Bericht, daß sie von den Anklägern kreuz und quer
geführt worden seien und schließlich an verschiedenen Punkten nur je
eine abgebrochene Zuckerrohrstaude gefunden hätten; ferner sei nur die
Fußspur eines Natives bemerkt worden, von Stiefelabdrücken im weichen
Boden oder gar einer muthwilligen Zerstörung war überhaupt keine Rede.
Nach einer solchen offenbar schimpflichen Handlungsweise, als welche
diese grundlose Anschuldigung sich herausgestellt, hatte ich nicht übel
Lust, zwei der Hauptankläger solch' einen Denkzettel zuzudiktiren, daß
ihnen für die Folge ähnliche Handlungen verleidet würden, jedoch war
dieses nicht rathsam und auch nicht möglich, da meine Befugniß nicht
so weit ging eigenmächtige Entscheidungen zu treffen und diese dem
die Gerichtsbarkeit ausführenden englischen Beamten nur zustanden,
der aber auf meine Frage, was er nun zu thun gedenke, die Uebelthäter
nur mit einem strengen Verweis bedachte und sie dann laufen ließ. Mir
mußte es genügen, daß er mit Beschämung einsah, wie unüberlegt er eine
ungerechte Sache zu vertreten sich bemüht hatte und die Nachgiebigkeit
seinerseits diesen Vorfall als beendet zu betrachten, ließ mich um des
Friedens Willen berechtigte Vorwürfe zurückhalten.

Die Erkenntniß, von dem guten Willen des Gouvernementsbeamten abhängig
zu sein und die Thatsache, daß derselbe täglich eine Anzahl Träger über
das Gebirge sandte, für mich aber nicht so viel Leute beschaffen konnte
oder wollte, als ich für meine nothwendigsten Lasten gebrauchte, ließ
mich erkennen, nutzloses Warten sei verschwendete Zeit, und zunächst
darauf die englischen Händler in Katunga, dann einige Häuptlinge um
Ueberlassung einiger Mannschaften ersuchend -- mußte ich doch bald
mich davon überzeugen, wie nutzlos meine Bemühungen waren -- die Zeit
drängte zwar und doch war ich machtlos den Verhältnissen gegenüber! --

Eifrig damit beschäftigt aus den hier lagernden geringen Beständen
meine Lasten zu vervollständigen, mußte ich die Entdeckung machen,
daß der Inhalt mehrerer Kisten, die Hobeln, Beile und anderes
Handwerkszeug enthielten, durch die weiße Ameise zum Theil zerstört
und unbrauchbar geworden waren. Solches Ueberhandnehmen der kleinen
unscheinbaren Thiere konnte aber nur durch die Unachtsamkeit einzelner
Europäer entstehen, die nicht durch zeitgemäßes Umpacken der Kisten
der enormen Beschädigung vorzubeugen gesucht hatten, sondern an
verschiedenen Orten mehrere Wochen lang die Kisten ohne Unterlage auf
dem Erdboden stehen ließen und dadurch den kleinen Nagern Zeit gaben,
ihre Erdgänge in das Innere aufzubauen, somit in aller Ruhe ihre
Zerstörungswuth ausführen konnten.

Uebrigens wimmelte es geradezu von großen und kleinen Ameisen im Lager
zu Chukwakwa, in einer Weise, daß man sich gegen die lästigen Thierchen
nicht zu schützen imstande war. Saß man bei brennender Kerze Abends in
der einsamen Hütte, ein Kistenbrett als Tisch, ein Koffer als Stuhl und
versuchte die Gedanken zu sammeln, um einen längst schuldigen Brief
für die Angehörigen endlich zu beendigen, da sobald eine Mußestunde
nicht wieder kommen würde, dann dauerte es nicht lange, bis eine
Anzahl schwarzer Ameisen durch die Kleider ihren Weg bis zur bloßen
Haut gefunden hatten und an den Beinen hinauf oder im Genick ihren
Spaziergang unternahmen.

So lange nun das eigentliche Prickeln und Krabbeln nicht überlästig
wurde und man Ausdauer genug besaß, die Ameisen nicht zu stören,
verhielten sich die kleinen Quälgeister auch einigermaßen anständig,
aber fuhr man wüthend nach einer Stelle hin mit der Hand, wo ein
Schalk, aus Aerger vielleicht weil ihm auf seinem Wege ein Hinderniß
entgegenstand, die scharfen Kneifzangen in die Haut eingegraben hatte,
um diesen zu tödten, faßten, durch die Bewegung erschreckt, gleich eine
ganze Anzahl Zangen die empfindliche Haut und kniffen, als würden an
jeder Stelle glühende Nadeln eingeführt. Sprang man aber auf, war es
für alle anderen am Körper befindlichen Ameisen das Signal, herzhaft
zuzufassen, suchte man dann vielleicht an den Beinen die Thierchen
abzusuchen, zwickten andere tief im Genick, wo man nicht hinreichen
konnte, oder im Ohr etc., bis man sich mit starker Willenskraft den
Plagegeistern übergab und geduldig den Schmerz ertrug oder genöthigt
war, sich auszuziehen um dann den Ameisen beizukommen suchte.

Weniger belästigend, aber auch höchst unangenehm wurden Tausende
kleiner Insekten, die nach dem Lichte zustrebten und durch die Flamme
verbrannt bald den provisorischen Tisch mit ihren zuckenden kleinen
Körpern bedeckten, vom Papier mußten sie fortwährend abgeschüttelt oder
weggepustet werden -- es war geradezu ein Wettfliegen um den Tod. Ich
glaube manch' unbekanntes Insekt, Fliege, Motte und auch Käfer wäre
aus der großen Anzahl herausgefunden worden, wenn ein Spezialist der
Insektenlehre an Ort und Stelle solchen Vorrath an Nachtschwärmern
hätte untersuchen können. Die Gesellschaft vollzählig zu machen,
huschten lautlosen Fluges, nur zuweilen einen gespenstigen Schatten
auf die erleuchtete Wand werfend, beutejagende Fledermäuse vorüber,
sich an der menschlichen Gestalt nicht kehrend, die den Kopf in die
Hand gestützt, eilige Buchstaben auf das Papier niederkritzelte,
oder unbeweglich eine Zeitlang nachdenkend, dem Hasten und Jagen der
Insekten zusah, welche sich nicht eilig genug ihre zarten Flügel
verbrennen konnten.

Durch die herrschende Ruhe im halbdunklen Raume kühn gemacht, raschelte
auch vorsichtig eine Ratte in der Rohrwand, um nach und nach auf dem
Boden der Koffer einen Entdeckungszug nach Genießbarem zu unternehmen,
bis sie einem plötzlich mit Wucht zugeschleuderten Schuh oder anderem
Gegenstand auszuweichen suchte und mit Schrecken einsah, daß zum
nächtlichen Rekognosziren die Zeit noch nicht gekommen sei. Dies
sind neben sonstigen Annehmlichkeiten eines Lagerlebens mehr oder
weniger unliebsame Zugaben, die aber sofort vergessen sind, sobald
die kühle Nachtluft im Freien die heiße Stirne kühlt und das Auge
sich in die wundervolle Sternenwelt des tropischen Himmelsgewölbes
versenkt, oder dem phosphorartigen elektrischen Lichte des kleinen
Leuchtkäfers zuschaut, der sich auf der Stiefelspitze oder den Kleidern
zum Ausruhen hingesetzt hat, während hunderte Seinesgleichen in Busch
und Gras umherfliegen, sich selbst und anderen den Weg erleuchtend --
unergründliche Wunderwelt der Schöpfung, wer ermißt die strahlende
Flammengluth jener unendlich fernen Welten im ungemessenen Aether,
oder ergründet die Leuchtkraft, welche die fürsorgliche Natur diesen
kleinen Lebewesen auf ihren kurzen Lebensweg mitgegeben! Der Mensch
mit seinem stolzen Wissen und Können muß vor dem Erhabensten und dem
Geringsten in der Natur bekennen, daß alles Stückwerk ist, er im kühnen
Wissensdrang wohl in die Geheimnisse der Natur einzudringen sucht, aber
Räthsel auf Räthsel sein ernstes Forschen hemmt, die er nicht zu lösen
vermag; indes wo nur ein leiser Schimmer der Erkenntniß das Dunkel des
Geheimnißvollen erhellt, da muß der forschende Geist das urewige Walten
der Gottheit anerkennen.

Drei Tage nutzlosen Bemühens für meinen Weitermarsch Träger zu
erhalten, waren hingegangen und am Sonntag den 18. Dezember hatte
ich mich schon gerüstet am anderen Schireufer in weit landeinwärts
liegenden Dörfern mein Heil zu versuchen, als in den Morgenstunden
dieses Tages der nunmehrige Chef der Transportexpedition, von Eltz, von
Chilomo per Boot im Lager eintraf um fortan hier, wo voraussichtlich
erst nach Monaten die Arbeiten beginnen und Träger zu bekommen waren,
sein Domizil aufzuschlagen.

Nach mehrstündiger Verzögerung konnte ich erst am Nachmittage die
beabsichtigte Tour unternehmen, mithin wurde der in heißer Sonne
begonnene Marsch etwas strapaziös. Zwischen ausgedehnten, zum Theil
bepflanzten Feldern führte ein Fußpfad schließlich zu einem zwischen
welliges Waldterrain an steilen Abhängen des Schireufers erbauten
Dorfe, dessen Häuptling mit großer Bereitwilligkeit auf mein Ersuchen,
mir eine Anzahl Leute zu geben, einging, nur hob er hervor, er könne
höchsten 10 Mann stellen -- sein kleines Dorf habe nur wenig Bewohner
und davon seien die meisten jungen Leute für die Engländer thätig.
Die Ueberreichung eines kleinen Geschenkes meinerseits besiegelte den
Vertrag, wenn irgend angängig, sollten am nächsten Morgen bestimmt die
Leute im Lager eintreffen.

Bevor ich von dem freundlichen alten Fumo Abschied nahm, wollte er
mir auch noch ein Gegengeschenk verabreichen lassen und zwar, da
sein Besitzthum höchst gering, sollte dieses in einem lebenden Huhn
bestehen; es hatte aber seine Schwierigkeit mit den wenigen im Dorfe
anwesenden Frauen und Kindern die halbwilden Hühner einzufangen,
die auf Hütten und Bäumen flogen und nur mittelst Wurfgeschosse
wieder herabzubringen waren; die wilde Jagd blieb schließlich doch
resultatlos, bis ich dieser dadurch ein Ende machte, daß ich einen
bezeichneten stattlichen Hahn niederschoß. Die Neugierde des Fumo
war nun freilich geweckt und wollte er, ich solle mehrere Hühner
abschießen, welchen Gefallen ich ihm aber nicht that, weil es mir
unnütz erschien, aus reinem Vergnügen die ängstlichen Thiere zu
tödten, stillschweigend jedoch ließ ich von einem meiner Leute an
einem entfernteren Baumstamm ein handgroßes Blatt Papier befestigen
und darauf mehrere Schüsse abgebend, wurde dessen Verwunderung über
die Treffsicherheit der Waffe noch gesteigert, er schrieb dieser die
Eigenschaft zu, unfehlbar sicher zu sein, sobald der weiße Mann sie
benutze. Man gewinnt übrigens eine gewisse Sicherheit in der Handhabung
der Waffen, wenn, wie in diesem Lande, die Schieß- und Jagdfreiheit
eine ungebundene ist.

Der praktische Engländer, nicht allein daß er die Eingebornen zu
gewissen Abgaben verpflichtet, hat die Jagdgerechtsame insofern
heutigen Tages beschränkt, als je nach der Thiergattung, d. h. der
verwendbaren, eine Taxe erhoben wird, die z. B. auf Elephanten 15 Lstr.
= 300 Mk. beträgt. Es finden sich aber nicht viele passionirte Jäger,
die unabhängig, speziell der Nachstellung unseres größten Vierfüßlers
obliegen, denn dieses ist leichter gesagt als gethan, indem der Muth
und die Ausdauer eines Jägers hierbei auf keine geringe Probe gestellt
wird, wenn er die mächtigen Thiere auf ihren Wandergängen verfolgen
will, die imstande sind ihren Standort derartig zu wechseln, daß
zwischen heut' und morgen ein Abstand liegt, der fünfzig und mehr
Kilometer beträgt und für dies scheinbar plumpe Thier nicht mal
eine allzugroße Leistung ist; bieten doch Wald und Sumpf, Thal und
Hügel diesem kein besonderes Hinderniß, auch die Eigenschaft eines
vorzüglichen Steigers im gebirgigen Terrain besitzt der Elephant in
hohem Grade.

Möge hier gleicherzeit die Aussage eines eingebornen Jägers, der
vielfach mit unermüdlicher Ausdauer den Elephanten gefolgt ist und um
der theuren Zähne willen ihnen nachgestellt hat, Platz finden. Nebenbei
bemerkt steht mein Gewährsmann bei Seinesgleichen um der Erfolge willen
im hohen Ansehen und rühmt sich derselben nach Gebühr -- er sagt: hatte
ich mit meinen Leuten irgendwo den Standort einer Edelelephantenheerde
ermittelt, wo noch Voraussetzung dieselbe sich wegen reichlicher
Ernährung längere Zeit aufhalten würde, suchten wir unbemerkt diese zu
beobachten und den benutzten Pfad zur Tränke aufzufinden. Die Thiere,
meistens sicher, da sie von keiner Gefahr bedroht sind, wechseln nicht
oft und wo im dichten Gebüsch ein Abweichen nicht leicht vorauszusetzen
war, gruben wir möglichst schnell tiefe Fallgruben, die so bedeckt
wurden, daß selbst der vorsichtige Führer der Heerde nicht stutzig
werden konnte.

Meistens zwar, da die Gruben nicht breit genug angelegt werden konnten,
sank das schwere Thier wohl etwas ein, rettete sich aber sofort trotz
seiner Plumpheit auf festen Boden und bahnte, den Pfad vermeidend, sich
und seiner Heerde durch das Dickicht einen neuen Weg. Wollte der Zufall
aber, daß der Leiter stürzte und eingezwängt, unfähig war sich wieder
zu erheben und sich herauszuarbeiten, flohen die übrigen Thiere nicht
oder ließen ihn im Stich, sondern die Männchen arbeiteten so lange,
bis sie mit ihren Rüsseln ihren Führer wieder heraus und auf die Beine
geholfen hatten; dagegen, war vorsichtig eine entdeckte Falle umgangen
worden, geschah es mehrfach, daß jüngere Thiere, weniger vorsichtig, zu
Falle kamen, denen aber nie, wenn es nicht ein ganz junges Thier war,
bei dem die Mutter verblieb und es half, die Unterstützung der anderen
zu Theil wurde, und erst dann, sobald sie vollständig ermattet und
jeden Versuch der Selbstbefreiung aufgegeben hatten, konnten sie von
den Jägern mit Speer und Kugel getödtet werden.

Schickt eine Heerde sich an, die Anpflanzungen der Eingebornen zu
zerstören, vertheilt, wie es scheint um der Rarität willen, der Führer
die wohlschmeckenden Pflanzen und Bäumchen, indem er z. B. Bananen
mit seinem Rüssel abbricht und sie den Weibchen hinwirft, die ohne
jegliche Anstrengung die weichen saftigen Stämme in den tiefen Schlund
verschwinden lassen, auch sonst soll er mit großer Fürsorge auf das
Wohl der ihm Anvertrauten bedacht sein. Als das stärkste Thier,
entwurzelt er meistens starke Bäume und bricht sie nieder, deren Laub
den übrigen dann zur Nahrung dienen muß. Beurtheilen kann man es wohl,
wie groß der Schaden sein muß, den eine starke Heerde anzurichten im
Stande ist, obgleich der Elephant nicht mehr zerstört, als er zu seiner
Sättigung bedarf.

Fühlt sich eine Heerde nicht sicher, übernehmen, wie es auch bei
anderen Thierarten der Fall, die stärksten Männchen den Postendienst,
die eine erkannte Gefahr durch Trompetentöne anzeigen und ein
sofortiges Sammeln oder Abziehen aller dadurch veranlassen. An solche
abseits stehenden Thiere schleicht sich nun der schwarze Jäger, sofern
ihm ein Vorderlader zur Verfügung steht, möglichst nahe heran und sucht
das ahnungslose Thier an der tödtlichsten Stelle, im Ohr, zu treffen,
wobei ihm das zu Gute kommt, daß der Elephant, selbst wenn er den
schwarzen Mann entdeckt, von diesem nichts Schlimmes erwartet, weil er
zu selten belästigt wird und von den ihm bekannten Gestalten gewöhnlich
nichts zu fürchten hat.

Geht das getroffene Thier nicht sofort zum Angriff über und sucht
den schnellfüßigen Angreifer zu erreichen, den es in wenigen
Augenblicken mit seinen Füßen zerstampfen würde, nimmt dieser
seinerseits die Verfolgung auf, mit einer Schnelligkeit und Ausdauer,
wie solche nur dem Sohne der Wildniß eigen ist, bis er schließlich
das schwerverwundete Thier erreicht, das verlassen von allen, den
unausgesetzten Angriffen schließlich erliegen muß.

Die Methode, den Elephant mittelst vergifteter Pfeile zu erlegen,
erfordert nicht minder Geschicklichkeit, da dem wachsamen Thiere nur
im Hinterhalt beizukommen ist und eine Anzahl gut sitzender Geschosse
erst Erfolg versprechen, welche das Thier sich schließlich, von Schmerz
gepeinigt, durch Wälzen am Erdboden oder Scheuern an Baumstämmen tief
in das Fleisch eindrückt und der Einwirkung des starken Giftes dann
bald erliegen muß. Aeußerst kühne Jäger schleichen sich heran, um mit
einem scharfen Instrument die Hacksehnen der Hinterfüße schnell zu
durchschneiden; das dadurch zum Verfolgen oder Fliehen unfähig gemachte
Thier fällt dann seinen zahlreichen winzigen Feinden zum Opfer, indem
es zusammenbrechend, der geschleuderten Speere sich nicht mehr erwehren
kann.

Solches Tödten durch Hinterlist meinte mein Gewährsmann sei eines
rechten Jägers unwürdig und werde nur von den in den endlosen Urwäldern
Inner-Afrikas lebenden Völkern ausgeführt, wo noch der Elephant in
großen Heerden lebe und nicht so vereinzelt wie in der Gegend des
Schirehochlandes vorkomme. Hier habe er nur zu oft gefunden, daß
Kühnheit und Geschicklichkeit an der Wachsamkeit einer wandernden
Heerde gescheitert sei; an einen einzelnen Elephanten, sogenannten
wilden, der aus dem Verbande einer Heerde ausgestoßen ist und
einsam durch die Niederungen und Wälder streife, sei es nie rathsam
sich heranzuwagen, solch' ein Thier, seine sonstige Gutmüthigkeit
verleugnend, werde zum gefährlichsten Gegner und gehe leicht gereizt
zum Angriff über.

Nach Ankunft der Träger am nächsten Morgen den 19. Dec., nur neun Mann,
konnte ich wenigstens das Nothwendigste, Instrumente, Chronometer
etc. und einen Theil meiner Privatsachen vertheilen, das meiste mußte
zurückbleiben und wurde gelegentlich nach Monaten erst nachgesandt. Es
ist übrigens nichts Seltenes, daß man durch die Verhältnisse gezwungen,
sich mit dem geringsten Gepäck auf lange Zeit behelfen muß, sich also
mit dem Allernothwendigsten zu begnügen hat und noch zufrieden sein
kann, wenn ein Zelt, Bett oder Hängematte zur Verfügung steht, nebst
dem primitivsten Kochgeschirr. Bei der Vertheilung der Lasten weigerten
sich die Träger die sonst übliche Last von sechzig Pfund per Kopf
anzunehmen und mußten alle auf weniger als fünfzig reduzirt werden
weil, wie die Leute wohl nicht mit Unrecht anführten, ein Aufstieg von
nahezu 5000 Fuß, das Tragen schwererer Lasten für alle zu ermüdend
sei; ich sollte es selber auch bald erfahren wie drückend selbst eine
geringe Last, als Gewehr, Patronentaschen etc. auf die Dauer werden
kann, wenn man keuchend die steilen Gebirgsabhänge erklimmen muß.

Der glühenden Sonne ungeachtet, die ihre sengenden Strahlen aus dem
blauen Aether niedersandte, zog ich mit meiner kleinen Kolonne nach
kurzem Abschied, vom Lager seitwärts mich durch die Gebüsche windend,
dem Gebirge zu. Nach zwanzig Minuten vor dem steilansteigenden Abhang
stehend, der als Weg zur Höhe führte, keuchten wir mühselig über
Steingeröll bergan; öfter ließ ich die schweißtriefenden Träger, die
unter ihrer Last und ohne jeglichen Schutz der Sonne ausgesetzt waren
und deshalb nur langsam vorwärts kamen, ausruhen, merkte auch bald wie
äußerst anstrengend solch' ungewohntes Steigen ist und wie leicht unter
der geradezu sengenden Gluth die physische Kraft erlahmt.

Etwa 1500 Fuß über die Ebene hatten wir uns mühsam aufwärts geschleppt,
und im Schatten der Bergwände ruhend, suchte ein Jeder der überkommenen
Ermattung Herr zu werden. Die Luft war hier schon angenehm kühler, auch
die große Schwäche ließ allmählich nach; die Lungen sogen die herrliche
Waldluft in vollen Zügen ein und zu neuer Anstrengung gestärkt, strömte
bald ein wohliges Gefühl erfrischend durch die Adern. --

Hier oben stehend, ließ ich den Blick ringherum in die Weite schweifen,
mag es nun sein, daß ich seit vielen Jahren dergleichen nicht gesehen,
oder war es der eigenthümliche Reiz der Landschaft zu meinen Füßen, der
das Auge wie gebannt darauf niederblicken ließ -- der Anblick war ein
unbeschreiblich großartiger: Fernhin zu den Bergen, welche die Ufer
des Zambesi-Flusses begrenzen, weit hinaus wo das Himmelsgewölbe sich
mit diesen zu vereinen scheint, schaut das Auge durch die klare Luft,
aber näher zu mir, fast greifbar, schlängelt sich das Silberland des
Schireflußes in malerischen Schlangenlinien auf und abwärts, zuletzt
in einen dünnen glänzenden Faden verlaufend. Nahegerückt erscheinen
die Felsenmassen des Schirehochlandes, über welche hinweg der Fluß
sich seinen Weg gebahnt und in stolzen Cascaden über Felsen donnernd
springt und rauscht, bis er in der Tiefe seine Wasser zum ruhigen Laufe
sammelt, auf denen weiter unterhalb, losgetrennte Grasinseln den weiten
Weg zum Ocean antreten; für manchen Segler der Lüfte ein willkommenes
Fahrzeug, das ohne Schwanken sicher von den Fluthen in die Ferne
getragen wird.

Der Sonnenglanz, der auf diesem Bilde strahlende Reflexe wirft,
verschönt es und erhöht den Reiz; in solchem gewaltigen Rahmen gefaßt,
erscheint es als ein Poesiestück der lebenden Natur und wirkt in
diesem durch scharf ausgeprägte Conturen gewaltig, übermächtig. Das
duftige Grün im Flußthale, Busch und Baum zusammengedrängt, lassen
alles von dieser Höhe gesehen, wie einen Garten von endloser Ausdehnung
erscheinen, der in den Vordergrund gerückt zu dem stimmungsvollen Bilde
erst die rechte Staffellage abgiebt und die Schönheit und Großartigkeit
desselben nur vervollständigt. --

Rechts von meinem Standpunkt, das Auge dem Bilde zugekehrt, fallen
die steilen Felsenketten in mannigfacher Formation zum Flusse ab,
so dichtbewaldet von hohen Farrenkräutern, von Gras, Baum und Busch
durchzogen, daß das Auge nirgends die Beschaffenheit des Gesteins
entdecken kann; zur Linken dagegen heben in stolzer Höhe, 5 bis 6000
Fuß und darüber, die Gebirgskegel des Schirehochlandes majestätisch
von den tiefblauen Massen ab, und diese gewaltigen Steinpyramiden
ragen über die weißen Dunstgebilde, welche sich an den Abhängen
wie verhüllende Schleier gesammelt haben, himmelanstrebend empor.
Gespenstigen Schatten gleich fliehen weiße Wolken, bald tief hängend,
bald die höchsten Spitzen verhüllend, vorüber, als scheuche sie die
Lichtfluth, die vom reinen tiefklaren Aether niederströmt vor sich her
und als suchten sie sich vor der zersetzenden Kraft des Sonnenlichtes
irgendwo zu verbergen.

Bis zur höchsten Spitze ist das Gebirge, die Abhänge und Thäler
ausnahmslos mit einer gleichen Art von Bäumen bestanden, untermischt
mit Farren und wenigen anderen Spezien; soviel eine flüchtige
Orientirung ergab, eignen sich die 30 bis 40 Fuß hohen Baumstämme
nur zu Bauholz, indes näher nach Blantyre zu und nachdem ich die
Gebirgspartien durchzogen hatte, wurde ich eines anderen belehrt und
obgleich die gedachte Baumart überall vorherrschend ist, so wird doch
sehr viel Nutzholz aus mächtigen Bäumen gewonnen.

Der beschwerliche Weg, den wir verfolgen mußten, war anfänglich mit
Steingeröll so besät und uneben gemacht, daß, abgesehen von dem an
und für sich gerade nicht angenehmen Bergpfad, daß von Stein zu Stein
springen auf die Dauer höchst beschwerlich wurde. Zwischen Bergkegeln
verlief der Weg zeitweise ebener und gerader, obzwar zur Linken
ein tiefer Abgrund und rechts steile Wände sich befanden, die von
Menschenhand bearbeitet, längs denselben erst einen Pfad geschaffen
hatten. Ein solcher war jedoch durch die Regenmassen, welche von den
Höhen niederrauschten, so zerrissen, daß metertiefe Spalten das feste
Gestein zu Tage treten ließen und besondere Vorsicht war erforderlich,
um ein Abgleiten oder Stürzen zu vermeiden.

Tief auf dem Grunde der steilen Abhänge donnerten, unsichtbar durch
die an den Abhängen üppig wuchernde Vegetation, die Waldbäche und das
Brausen der eingeengten Wassermassen drang deutlich vernehmbar bis
hinauf zur Höhe, wo der Weg spiralförmig längs den gewaltigen Massen
eines Bergkegels hinlief. Hier oben in der vielgestalteten Bergregion,
wo in dem tiefen Humusboden vieltausendfältiges Pflanzenleben feste
Wurzel geschlagen hat, der balsamische Odem aus dem unabsehbaren
Waldrevier wie ein belebendes Elexir die Menschenbrust durchzog, fühlte
man die Beschwerlichkeit eines mühseligen Marsches kaum; die Luft
so klar und rein, schien die Last, welche sie auf die Schultern des
Menschen gelegt, abgewälzt zu sein! so leicht, so frei und frohgestimmt
fühlte man sich versucht, das Echo an diesen Felsenwänden zu wecken,
oder mit dem befiederten Sänger um die Wette in die blauen Lüfte
hineinzujauchzen! --

Mittlerweile gelangten wir auch an den eigentlichen Hauptweg, der auf
Veranlassung der englischen Regierung von dem Ingenieurkapitän Schlüter
durch das Gebirge vom Schirefluß bis Blantyre geschlagen worden war
und nach Möglichkeit immer allmählich ansteigend, zur Höhe führte. Der
beträchtlichen Abkürzung wegen hatten wir den steilen Anstieg gewählt,
den eigentlichen seit allen Zeiten von den Eingebornen begangenen
Fußpfad, der, bedeutend verbessert, in der trockenen Jahreszeit auch
nicht so beschwerlich war wie jetzt, dafür aber die ganze gewaltige
Größe und Schönheit der Gebirgswelt dem beobachtenden Wanderer vor
Augen führte. Der Hauptweg, als eine Fahrstraße gedacht, die unsere
deutsche Expedition eigentlich erst durch die Verwendung unserer
zweirädigen Wagen die Einweihung geben sollte, ist nicht allein mit
unendlichen Mühen unter Benutzung aller Vortheile und technisch genauer
Ausführung hergestellt worden, sondern erfordert zur Instandhaltung
einer beständigen Arbeitskraft und nicht unwesentliche Mittel.

Als die Schatten des Abends schon auf den Thälern und Schluchten
ruhten, den Wald die Dämmerung umfing und nur noch die Kuppeln der
höchsten Bergspitzen im goldenen Abendlicht erglänzten, dehnte sich
abwärts steigend vor uns ein kleiner Thalkessel aus, in dessen Tiefe
einige Grashäuser und Hütten zur willkommenen Ruhe winkten. Es war dies
Thal unser Endziel, das wir zu erreichen gestrebt hatten.

Kühl, fast kalt, wallende Nebel im Thal und auf den Höhen, brach der
nächste Morgen an. Wir stiegen wieder steil bergan und erst als die
Höhe von 4000 Fuß erreicht war, verlief der Weg ebener, wir hatten
zur Linken meistens die hohen steilanstrebenden Berge, zur Rechten
einen sehr langgestreckten Thalkessel, dessen Grund wegen der dichten
Bewaldung an den Abhängen nicht zu erschauen war; aus der Tiefe nur
drang das Geräusch tosender Wildbäche, die durch die Regenmassen
hochgeschwollen, wild brausend in ihr enges Bette vorwärts schossen.

Die Aussicht zu den waldgekrönten Berggipfeln wurde heute durch
tiefhängende Wolkenmassen verhindert, schwarz und regenschwer hingen
diese über uns, als wollten sie sich niedersenken, um alles in Nacht
und Dunst zu hüllen. Kein freundlicher Sonnenstrahl wollte sich zeigen
-- mit all' ihrer Gluth konnte die Sonne nicht die Gebilde zerstreuen
und auf diesen Höhen die Temperatur schnell erwärmen -- bis etwa
um elf Uhr in die drohenden Massen Bewegung kam und mit dem ersten
zuckenden Blitzstrahl, dem laut wiederhallenden Donner, eine Regenfluth
herniederbrauste, daß absolut nichts in der weiten Umgebung dagegen
schützen konnte. Mit Gleichmuth mußte das Unabänderliche ertragen
werden; schließlich aber machte die intensive Kälte der Regentropfen
doch den Körper zittern, sodaß widerwillen die Zähne zusammenklappten,
als schüttelte arger Fieberfrost die Glieder. Unter dichtbelaubten
Bäumen hockten die Leute wohl zusammen und ertrugen stillschweigend,
bebend vor Kälte, das uns zugefallene Loos, als aber die Blitze wie
Feuergarben umher sprühten, die Kälte für mich auch unerträglich wurde,
jagte ich die völlig in Apathie versunkenen Träger auf, und nichts
achtend, nur an Bewegung denkend, liefen wir mehr als wir gingen den
Weg entlang, der an manchen Stellen einem rauschenden Bache glich.

Gerne wäre ich zur Rechten, durch dick und dünn thalwärts abgebogen,
wenn nur die Aussicht vorhanden gewesen wäre, den geringsten Schutz zu
finden, um diesem kaum noch erträglichen Zustand ein Ende zu machen.
Mir war es, als hätte das wildeste Fieber mich gepackt und wolle den
Körper aus allen Fugen rütteln, solche furchtbare Wirkung übten die
kalten Regenschauer auf die höchst empfindliche Haut aus, dazu konnte
ich mir denken, wenn dies nicht bald ein Ende nehme, die Folgen gewiß
nicht ausbleiben würden. Bis zu einer am Wege liegenden Grashütte
mußte geduldig ausgehalten werden -- eine andere Zuflucht wußten meine
Leute nicht -- die endlich nach halbstündigem Laufen auch erreicht
wurde, aber von mehr als vierzig anderen Trägern schon mit Beschlag
belegt worden war, die hier gemächlich an Feuern auf provisorischen
Blechpfannen ihren Mais rösteten.

Platz war unter dem elenden Dache nicht mehr vorhanden, indes dem
weißen Manne und den athemlosen Ankömmlingen machten Alle willig
Raum, sodaß bald, nachdem trockene Kleider ein behaglicheres Gefühl
hervorgerufen, ich mir einen in heißer Asche gerösteten Maiskolben
wohl schmecken ließ, denn meine vom Regen aufgeweichten Biscuits waren
kaum noch zu genießen, wurden aber von den Leuten als ein besonderes
Geschenk unverzüglich verzehrt. Mir war es nichts Neues zwischen
halbwilden Völkerstämmen, an deren Feuern gelagert, selbst mit dem
Einfachsten vorlieb nehmen zu müssen, hatte auch häufig genug die
Gastfreundschaft schwarzer, brauner und gelber Männer in Anspruch
genommen. In diesem Falle lagen die schwarzen nackten Gestalten wie
eine Heerde Schafe auf- und nebeneinander, um nur etwas Schutz zu
finden gegen die Unbill der Witterung. Mancher Europäer würde sich
durch herrisches Auftreten Platz verschafft, in Regen und Kälte die
Kerle hinausgejagt haben und hätte das Lästige der Umgebung von sich
abgewiesen, wer aber die eigene Unbehaglichkeit in solcher Lage auf
das Mitempfinden ebenso fühlender Geschöpfe in Betracht zieht, handelt
nicht so -- man redet sich zu leicht nur empfindliche Nervosität
ein, um solches Handeln vor dem Gewissen zu rechtfertigen, die dann
auch entschuldbar sein soll, im Grunde genommen ist es nur eine
unüberwindliche Abneigung gegen tiefer stehende Wesen, denen doch gewiß
das gleiche Fühlen und Empfinden innewohnt -- menschlich handeln und
denken wird stets auch in unbehaglichster Lage und Stimmung viel edler
sein, als einer gespannten Empfindlichkeit die Zügel schießen zu lassen.

Nach längerer Zeit hörte denn auch der Massenregen auf, und wiewohl
düster und drohend neue Gebilde heraufzogen, einen neuen schweren
Ausbruch verkündend, brach ich doch auf, in der Hoffnung, durch
schnelles Vorwärtseilen einem gleichen Bade zu entgehen; auch war nicht
viel Zeit zu verlieren, wollte ich bei früher Abendstunde noch Blantyre
erreichen. Es währte indes keine halbe Stunde, als sich abermals die
Schleusen des Himmels öffneten und wahre Ströme kalten Wassers auf
uns ausgossen; in wenig Sekunden war der frühere Zustand völligen
Durchnäßtseins wiederhergestellt und die Folge davon, das peinlichste
Kältegefühl.

Am ganzen langen Wege wird der gänzliche Mangel an menschlichen
Wohnstätten, auch nur der provisorischen Grashütten, bei solchen
Wettererscheinungen bitter empfunden, ist man doch deswegen vollständig
der Willkür der Witterung preisgegeben und muß auf den schlüpfrigen
Wegen mit großer Achtsamkeit vorwärts gehen, um nicht hart am Abgrund
abzugleiten, und, wenn auch wegen des dichten Gehölzes keinen tiefen
Fall, so doch Verletzungen schmerzhafter Art sich zufügen kann. Mit
klappernden Zähnen und zitternd schritten wir dennoch rüstig fürbass,
durch ausgedehnte Wasserlachen watend, die weithin eine Senkung des
Weges ausfüllten, grollenden Sinnes gegen das widerwärtige Geschick.

Ich hatte mich schon mehrfach nach einem Dorfe oder Hütten rechts
unten im Thal erkundigt, aber immer das gleiche »+sejni bwana+«
(ich weiß nicht Herr) hören müssen, bis ich schließlich alle Träger
aufkommen ließ und nun von einem der besser orientirt war erfuhr,
daß hier ganz auf der Thalsohle ein kleines Dorf liegen müsse, wo
jedenfalls in einer Hütte Unterkunft zu finden sei.

Ohne Besinnen, nur darauf bedacht mich und die Leute aus diesem
peinvollen Zustand herauszubringen, schlug ich den steilen Felspfad
ein, welchen ich entdeckt und der steil abwärts zur Tiefe führte. War
aber schon der Hauptweg ein rauschender Bach, stürzten auf diesem
die Wassermassen mit solcher Gewalt bergab, daß die Füße auf dem
schlüpfrigen Gestein kaum Halt finden konnten und die Umklammerung der
Baumstämme vor bösen Sturz uns behüten mußten. Langsam und vorsichtig
ging es thalabwärts, bis etwa tausend Fuß tiefer auf ebenerem Terrain,
zwischen dünner gesäten Bäumen, an der gegenüberliegenden Bergwand ein
größeres Dorf zum Vorschein kam.

Entgegen dem Anschein, hatte das langgestreckte Thal eine beträchtliche
Breite und durch fließende Wasser, durch kleine Bäche, nicht achtend
des Gestrüpps und triefenden Grases eilten wir vorwärts und plötzlich
in einer Senkung eine Anzahl Hütten entdeckend, schickte ich einen
Boten schnell voraus, der dem Aeltesten, wenn ein solcher zu finden
sei, um die Ueberlassung einer Hütte angehen sollte, in welcher für
kurze Zeit einem Europäer Unterkunft geboten werden könnte, auch ließ
ich die etwas vertheilten Leute sich erst wieder sammeln. Trotz des
noch immer strömenden Regens hockten doch neugierige Gestalten unter
den überhängenden Dächern der Hütten, oder lugten aus den kaum zwei Fuß
hohen Zugängen hervor, um den neuen Ankömmlingen nachzuschauen, denn
gewiß war es eine seltene Ausnahme, daß der Fuß eines Europäers sich
bis hierher verirrte.

Ich kam gerade noch zurecht mit ansehen zu können, wie die Bewohner
einer Hütte, Mann, Frau und zwei Kinder, ihre ganze Habseligkeiten,
zwei Speere, einen Thontopf, ein Wassergefäß und ein Bündel
Maiskolben aus der mir zugewiesenen Behausung heraustrugen und
nachdem der Eigenthümer in mir unklaren Worten vielleicht noch seine
Bereitwilligkeit ausgedrückt hatte, in eine der nächsten Hütten
vorläufig sich einquartierten.

War die Luft hier im tiefen Thal auch etwas wärmer, so fror ich doch
noch entsetzlich; deswegen suchte ich auch schnell ins Trockene zu
kommen und war bemüht, diesem äußerst nachtheiligen Zustand ein Ende
zu machen. Aber ob ich auch die Augen zukniff, die der beißende Rauch,
im Innern der Hütte angesammelt, thränen machte und mit Gewalt an mich
hielt, keine tiefen Athemzüge zu thun, trieb ein Hustenanfall mich
doch wieder ins Freie und in den Regen hinaus! Unwillkürlich fragte
ich mich, wie können blos Menschen in solcher Athmosphäre athmen und
existieren! Kein Abzug für den Qualm, kein frischer Luftzug mochte
jemals diese rauchgeschwärzte Höhle durchweht haben, bis ich durch
kurzes Nachdenken des Räthsels Lösung fand. Nicht aufrecht stehend,
wie ich es gethan, sondern immer in liegender, höchstens sitzender
Stellung, kauert sich der Bewohner am Feuer nieder und der benöthigte
Sauerstoff, der das Feuer unterhält, giebt auch durch den kleinen
Eingang zuströmend, den menschlichen Lungen die nothwendige Nahrung.

Nothgedrungen that ich dasselbe und nachdem erst die glimmenden
Holzscheite in den Regen geworfen worden waren, war der Aufenthalt
in der Hütte wenigstens einigermaßen erträglich. Solche Hütten sind
meistens kreisförmig gebaut, die Wände bestehen aus eingegrabenen
Pfählen zwischen denen Gras und Rohr geflochten wird, sie werden innen
und außen mit einer Thonschicht belegt, um Wind und Regen am Eindringen
zu hindern; auch fast überall findet man eine Art Thonpflasterung,
mit welcher der Boden um und in der Hütte erhöht ist, zum Zwecke,
daß häufig bei schweren Regenfällen aufgestaute Wasser aufzuhalten.
Das Dach ist mit einem bienenkorbartigen Geflecht zu vergleichen,
auf welchem übereinander gelegte Grasschichten befestigt sind, es
wird auf den Pfählen wie eine ausgeweitete Tüte aufgesetzt und
reicht über die Wände noch weit hinaus. Gleich einer runden Pyramide
geformt, widersteht solches Dach dem stärksten Regen; kann aber der
Wassertropfen auch nicht von außen durchdringen, der Rauch und Qualm
innerhalb muß sich durch das dichte Geflecht doch einen Ausweg suchen,
und geben häufig die feinen Rauchgebilde, die überall durchdringen den
Anschein, als schwele das Gras.

So absolut gar nichts begehrend, als nur die nothwendige Nahrung,
höchstens ein Lappen Zeug um die Scham zu bedecken, haben die sorglosen
Bewohner auch keinen Sinn, ihre Heimstätte zu schmücken oder auch
nur irgend welche Bequemlichkeit darin anzubringen. Ihr Bett ist
der nackte Erdboden, ihr Kopfkissen, wenn sie sich solchen Luxus
gestatten, ein Holzscheit, und sieht man die schwarzen Gestalten in
den Morgenstunden ihre Behausung verlassen, läßt das schmutziggraue
Aussehen derselben darauf schließen, daß sie sich während der Nacht
in der warmen Asche herumgewälzt haben; namentlich die Kinder machen
den Eindruck, als scheuten sie das Wasser, und in der That kommt es
nicht oft vor, daß sie sich aus eigenem Antriebe einer gründlichen
Reinigung unterziehen. -- Länger als ich erwartet hatte und mir lieb
war, hielt mich der Regen in diesem Thale zurück, und dann, nachdem
die Wolkenmassen die Regenfluth ausgeschüttet, sich erleichtert zur
Höhe gehoben und getheilt hatten, die Sonne schon mit wärmendem Strahl
hindurchbrach, mußte ich doch noch eine Zeit lang warten, bis sich die
Wasser auf den Wegen etwas verlaufen hatten. Als ich endlich die Leute
zum Aufbruch rufen konnte, die sich in den Hütten vertheilt und es sich
an wärmenden Feuern bequem gemacht hatten, bezeugten diese wenig Lust
den unterbrochenen Marsch wieder aufzunehmen, der, wollten wir noch
Blantyre erreichen und nicht während der Nacht am Wege kampieren, ein
sehr beschleunigter sein mußte.

Das langgestreckte Thal nun durcheilend und gleichmäßig auf schmalem
Pfade bergan steigend, wurde meine Aufmerksamkeit durch die triefenden
Grashalme und regenschweren Blätter der Gebüsche, unter welche der
Weg hinführte, die bei jeder Berührung einen wahren Schauer von
Tropfen herabschütteten und abermals die Kleider durchnäßten, von der
Umgebung abgelenkt, aber wo der schlüpfrige Weg weniger Achtsamkeit
erforderte, ließ ich doch rückwärts oder in die Tiefe schauend die
Blicke umherschweifen, um ein Bild festzuhalten, wie es nur die wilde
Gebirgsnatur, nachdem die tobenden Wetter sich verzogen, aufweisen
kann. Fast verlockend, als wäre zwischen Busch und Wald ein Idyll
hingezaubert, lag an der mächtigen Bergwand, vom flüchtigen warmen
Sonnenstrahl überfluthet, der blendende Reflexe über das Blättermeer
hinstreute, das große Dorf, von welchem das Krähen der Hähne laut
herüberschallte, dieses in dieser wilden Einsamkeit als einen Ort des
tiefsten Friedens erscheinen ließ. Mehr und mehr flogen die wogenden
Schatten vor dem allgewaltig siegenden Licht, und wie die ganze Natur
vor den grollenden Elementen eine Zeit lang erzittert, selbst die alten
Felsen gebebt, Donnerwogen wie Posaunenstöße des jüngsten Gerichts
von den Gipfeln der Berge zu Thale rollten -- so erhaben fluthete auf
die athmende Natur das segenspendende Licht aus dem reinen Aether
hernieder. Wie Silberschlangen durch das Grün der Büsche leuchtend,
sprangen von den Berghöhen lustige Bächlein zu Thal, wie kleine
Kobolde über Stein und Abhang hüpfend, um am Rendevousplatz, tief in
der Bergschlucht, das übermüthige Spiel als wildbrausender Sturzbach
fortzusetzen. Der Raubvogel, wie auch der kleine Sänger, ersterer die
breiten Schwingen entfaltet über die Tiefe schwebend, badeten ihr
Gefieder in der goldenen Lichtfluth und, als erwache nach heftigem
Kampfe aufs Neue die Natur, stimmte der Wesen endlose Zahl aufjauchzend
mit ein in das Triumphlied, hinausgeschmettert in die Weite aus der
kleinen Brust des gefiederten Sängers.

Aufwärts strebend, folgten wir den Schlangenwindungen des Bergpfades
an steiler Felswand und erreichten vom scharfen Marsche ermattet den
Hauptweg wieder, der jetzt ohne viel Steigung gleichmäßig fortlaufend,
von nun an ein schnelleres Fortschreiten gestattete. Nur einmal
noch, die Sonne senkte sich bereits bedenklich dem Westen zu und
übergoß von hoher Bergkuppe gesehen diese eigenartige Gebirgswelt
mit ihrem goldenen Licht, hatten wir, den Weg uns dadurch kürzend,
einen beschwerlichen Aufstieg zu überwinden. Dann aber schritten
wir thalwärts und bald erschienen in der Ferne einzelne Dörfer und
bebautes Ackerland, dessen weicher Boden die große Fruchtbarkeit dieser
Gebirgsgegend schon verrieth. Nachdem eine zeitlang noch ein scharfer
Abstieg verfolgt worden, standen wir plötzlich an dem Bette eines
donnernd und tosend über zerklüftetes Gestein springenden Wildbaches,
der durch die Regengüsse hochgeschwollen mit wilder Kraft seine Fluthen
im Felsenbett fortwälzte.

Zwei mächtige Tamarindenbäume, die hart am Uferrand standen, fast
von den gurgelnden Wassern bespült, gaben einer aus Baumstämmen
geschlagenen Brücke zweifelhaften Halt, sodaß es eines beherzten Sinnes
bedurfte und sicheren Fußes, um über die glatten ohne jede Verbindung
von Ufer zu Ufer liegenden krummen Stämme den Uebergang zu wagen. Ein
Fehltritt führte unzweifelhaft den Sturz in die Tiefe herbei, der,
abgesehen von dem kalten Wasserbad, noch Schlimmeres im Gefolge haben
könnte, da das Felsenbett in der Tiefe kein sanftes Lager wurde.
Der Sicherheit halber, um die Lasten nicht zu gefährden, ließ ich
eine Fähre aufsuchen, wo die Leute sich einander unterstützend, den
Uebergang wagen konnten, der auch an einer eingeengten Stelle, wo die
Wasser wirbelnd zwischen mächtigen Steinen hindurchschossen, glücklich
vollbracht wurde; ein Jeder mußte aber, bis an den Hals in kaltem
Wasser, einige Schritte machen, ehe er die ausgestreckte helfende Hand
eines Anderen erreichen und das felsige Ufer erklimmen konnte. Ich
indes, vom eiligen Marschiren sehr warm geworden, zog es vor ein kaltes
Bad lieber zu vermeiden und über einen der drei Brückenstämme den
Uebergang zu versuchen, was ich schließlich, da ein Aufrechtgehen zu
unsicher, vermittelst des sogenannten »Hinüberreitens« vollbrachte.

Nach kurzem Ausruhen wieder auf dem breiten im Gestein gehauenen Weg
bergan steigend, fand ich an den Abhängen wunderschöne Gebirgsblumen,
deren einfache Pracht jedem Botaniker entzückt hätte; ich hatte solche
zwar schon vorher, aber nicht in so unmittelbarer Nähe gesehen und
machte dabei die Beobachtung, daß diese Arten nur auf der gelbrothen
Thonerde, die in mächtigen Schichten vielfach auf dem Gebirge
abgelagert war, zu finden sei. Trotz der Eile nahm ich mir doch die
Zeit, diese duftenden Kinder der Natur, erblüht auf einem gesegneten
Fleckchen Erde, näher zu betrachten und nahm manche Blume von dieser
luftigen Höhe mit mir auf die weite Wanderschaft, als eine bleibende
Erinnerung an die Flora des Schire-Hochlandes.

Auf der freiliegenden Ebene, an den Abhängen der Berge, überall
zogen sich wohlbestellte Felder hin, und das Auge erfreute sich an
dem saftigen Grün, das in vielfachen Schattierungen, oft scharf
begrenzt, unter den Strahlen der scheidenden Sonne einen herrlichen
Anblick darbot. Nachdem nun noch eine Art Hohlweg als letzte Strecke
durchschritten war, der aus einer Bergsenkung wieder zu freier Höhe
führte, dehnte sich das weite Thal, von langgestreckten glatten Hügeln
durchzogen, wie ein Phantasiegemälde vor uns aus. Aus dem saftigen Grün
blickten hunderte ringsum zerstreut liegende Hütten hervor, die aus der
Ferne gesehen wie Vogelnester an den Abhängen hingen und in Massen oder
vereinzelt sich von dem dunklen Hintergrund abhoben; zwischendurch nur
vereinzelte größere Bauten, welche europäische Wohnstätten vermuthen
ließen und sich aus dem Gewirr der Hütten deutlich hervorthaten.

Der letzte Gruß der scheidenden Sonne vergoldete noch die Bergspitzen,
Purpurgluth lag über die Abhänge gebreitet, mit ihrem strahlenden
Schimmer die Bergkonturen in scharfer Deutlichkeit zeigend, während
schon aus der Tiefe dunkle Schatten emporwallten, die mit mächtigen
Armen das erhebende Bild zu verwischen trachteten und höher
strebend, mit dem Lichte rangen, das seine ganze Schönheit in diesem
Abschiedskuß, über die Gebirgswelt ausgegossen hatte. Das Ziel,
welchem wir zugestrebt, lag vor uns, ob das Bild aber der Wirklichkeit
entsprach, welches in so überraschenden Formen dem staunenden Auge sich
gezeigt, das sollte nun bald die eigene Anschauung lehren!




                     9. Von Blantyre nach Mpimbi.


Meinen Weg thalwärts fortsetzend, fand ich, entgegen der Vermuthung,
das Terrain ziemlich schwierig zu begehen, denn die kurzen Abhänge,
auf deren Sohle meistens ein Wildbach seine hochgeschwollenen Gewässer
hinrauschen ließ, sowie der unbequeme Aufstieg wiederum, waren recht
ermüdend. Hätte das Felsenbett der Bäche nicht vom Gegentheil den
Beweis geliefert, so würde man versucht gewesen sein zu glauben,
daß die Formation der Hügel nicht festes Gestein, sondern reiche
hochgelagerte Humuserde sei, denn nirgendwo ließen sich sonst Steine
oder Felsen entdecken.

Auf dem platten Rücken des nächsten Hügels, hart am Wege, lag eine
große vom Zahn der Zeit zerklüftete Felsenmasse, die allen Schmuckes
bar, wohl 30 bis 40 Fuß hoch, ihre kahlen Glieder in die Höhe reckte,
und unwillkürlich drängte sich die Frage auf: wie kam diese hierher an
einem Orte, wo doch die ganze weite Umgebung im Schmucke des frischen
Grün und einer blühenden Vegetation am allerwenigsten solche absorbirte
Granitmasse vermuthen ließ. Zu fern lagen die bewaldeten hohen
Bergkegel, durch Thal und Hügel getrennt, als daß dieser gewaltige
Felsblock von einer Höhe abgestürzt, hier schließlich seinen wilden
Lauf beendet hätte, viel eher würde er in seinem verderblichen Sturze
gehemmt, am Fuße eines der Bergriesen liegen geblieben sein. Es mußte
also eine Gigantenkraft in grauer Vorzeit ihr Spiel damit getrieben
haben, und ist seit undenklichen Zeiten diese einst viel höhere
kompactere Masse als ein Ueberrest zurückgeblieben, während ringsum die
allgewaltige Zeit die Spuren einstigen Kampfes übermächtiger Elemente
verwischt hat. Aber welche Mächte auch um dieses einsame Felsenstück
einst getobt, es hat dem Ansturm getrotzt, bis es, der einwirkenden
Luft und dem Sonnenschein fortdauernd ausgesetzt, wie von Keilen
gespalten seine abstürzenden Trümmer umhergestreut hat, zwischen denen,
an fester Wand gelehnt, heute der Bewohner dieses Landes seine leichte
Hütte erbaut.

Beim letzten Schimmer des scheidenden Tages erreichte ich endlich,
auf dem höchsten der Hügel gelegen, unser Lager, wo ich nach einem
so anstrengenden Marsche die benöthigte Ruhe zu finden hoffte. Wider
Erwarten fand ich nur eine elende Steinhütte, worin nur für den hier
die Aufsicht führenden Kesselschmied Wedler, der nach seiner schweren
Verletzung wieder ziemlich genesen war, Platz genug vorhanden. Selbst
nicht soviel Vorrath an Zeug fand ich vor, um die Träger abbezahlen zu
können, die absolut nicht weiter mitgehen wollten, trotzdem ich ihnen
erhöhte Zahlung versprach, da ich auf einen vom Major hinterlassenen
Befehl unverzüglich weitermarschiren sollte, und mit meinem Diener Mzee
allein diesen ausführen mußte, wenn, wie es meine Erkundigung ergab,
wirklich nicht ein einziger Träger zu erhalten sein sollte.

Dem einen Mangel war schnell abgeholfen, indem der deutschen Expedition
Kredit genug gewährt wurde, die Trägerfrage aber hoffte ich dadurch
zu lösen, daß ich den Mr. Johns aufsuchte, welchen ich einst, als er
im Lager von Ntoloa in großer Verlegenheit zu mir kam, ihm und seinen
Begleiter bei Kapitän Robertson eine freie Mitfahrt bis Port Herald
verschafft hatte, und durch seinen Einfluß vielleicht erreichte, die
benöthigten Träger zu erhalten. Vorerst jedoch, aller Eile ungeachtet,
mußte dem knurrenden Magen sein Recht werden, um so eher, als die
verlockende Aussicht, frische Kartoffeln, Salat und Gurken hier
erhalten zu können, eine zu verführerische war. Verdiente dieses
gesegnete Hochland nicht schon in anderer Weise seinen guten Ruf, die
Erzeugung dieser Genußmittel würde solchen ihm bei Allen eingetragen
haben, die an Entbehrungen gewöhnt, hier zu Gast sich einfinden.

Neben dem erwähnten kleinen Häuschen stand zwar noch das
aufgeschlagene Zelt unseres Expeditionsarztes Dr. Röver, und hätte
ich hierin für die Nacht wohl nothgedrungen eine Unterkunft finden
können, allein in diesem mit Medizinkisten und ärztlichen Utensilien
vollgepackten Zelte erst Raum zu schaffen und vielleicht Unordnung
anzurichten, zog ich es doch vor, bei der Firma Scharre & Co., dessen
Chef mir wohlbekannt, den Mr. Johns aufzusuchen, wo ich jedenfalls eine
Freistätte hätte finden können. Ohne noch einen in dieser Hinsicht
gehegten Wunsch aussprechen zu brauchen, wurde mir nicht allein ein
Zimmer angeboten, sondern auch, was mir viel werthvoller, ohne weiteres
die Unterstützung zugesagt, Träger für mich besorgen zu wollen, sofern
ich mich einen Tag nur gedulden könne. Es schien mir unter diesen
Verhältnissen natürlich geboten, das gemachte Anerbieten dankend
anzunehmen, und dies um so eher, als mit völliger Bestimmtheit die
Ankunft von einigen zwanzig Trägern, worunter acht Maschilla-Leute,
gegen Abend des nächsten Tages erwartet wurde.

Diesen Tag der Ruhe nun benutzte ich, um in diesem vielgepriesenen
Blantyre flüchtige Umschau zu halten, und das Nächstliegende war,
der Aufforderung meines freundlichen Wirthes, des Mr. Scharre, eines
Deutschen, Folge zu leisten, um sein großartiges Etablissement in
Augenschein zu nehmen. Vor allen war es, neben den mit europäischen
Erzeugnissen wohlgefüllten Häusern, dessen stattliche Viehherde,
die ganz besondere Aufmerksamkeit verdiente, insofern als schon die
Herbeischaffung lebenden Viehs mit sehr großer Schwierigkeit verbunden
war, weil im ganzen weiten Umkreis der bewaldeten Höhen die Zetsefliege
hauste, deren Stich für Rindvieh, Pferde und Esel fast immer tödtlich
ist. Daher verdient die aufgewendete Mühe und angewandte Sorgfalt, die
Zucht in diesem von dem gefährlichen Insekt freien Distrikt zu fördern,
auch besondere Anerkennung, und neben der schottischen Mission, deren
Gründung hier Blantyre sein anfängliches Aufblühen verdankt, ist es ein
löbliches Bemühen die Kultur dieses vielversprechenden Hochlandes nach
Möglichkeit zu heben.

Besonders interessant war für mich noch die Anlage verschiedener
Sägewerke, nach dem System eingerichtet, wie man noch in Europa
durch Menschenhände Balken zu Bretter etc. verarbeitet, nur mit
dem Unterschiede, daß hier nicht auf hohen Böcken das Zerschneiden
vorgenommen wurde, sondern die Balken über tiefe Gräben gelegt, von
schwarzen Zimmerleuten zertrennt wurden.

Wie mir indes versichert worden, ist das Herbeischaffen der eigentlich
kurzen aber recht schweren Balken die Hauptarbeit mit, da man sich
wegen des zerklüfteten Terrains keiner Handwagen bedienen kann und
diese nur durch Menschenkraft herbeigeschleift werden müssen. Das
rothbraune feste Holz, von großem Nutzwerth, dient zur Herstellung
aller möglichen Utensilien, und neben Hausgeräth wird solches auch zu
Bootsplanken etc. verwendet.

Gleicherweise hatte der Besitzer neben seinem stattlichen Wohnhause
auf einem kleinen Bergabhang eine Versuchsstation für Kaffee angelegt,
die vorzüglich gedeiht, was die beträchtliche Anzahl Bohnen an den
erst drei- bis vierjährigen Pflanzen zur Genüge bewies; übrigens ist
das Klima und der vortreffliche Boden dieses Gebirgslandes vornehmlich
geeignet, das Wachsthum der Kaffee- und Tabakspflanzen zu fördern,
und sehr ausgedehnte Anlagen mit Millionen dieser so werthvollen
Pflanzen bestanden, sind heute schon unter Kultur. Ein Kaffeefeld
mit gleichjährigen Bäumchen, deren tiefdunkle grüne Blätter einen
eigenartigen Anblick gewähren, bleibt immer eine imposante Erscheinung;
man wird stets ein solches mit besonderem Vergnügen betrachten können,
zumal, wenn die angewandte Mühe und besondere Pflege, welche die jungen
Pflanzen beanspruchen, in Betracht gezogen wird.

Die hohen Bergkegel, die Blantyre wie ein Kranz umschließen, fordern
auch ganz besonders die Aufmerksamkeit heraus, und würde man sich
auf die Spitze eines dieser trotzigen Bergriesen versetzt denken,
den Blick ungehindert in die Weite schweifen lassend, müßte es von
solcher luftigen Höhe ein herrlicher Ausblick in die weiten Lande sein
-- von dort auswärts schauend, lägen Thal und Hügel wie ein grüner
Teppich weithin ausgebreitet. Die höchsten der Berge, in ungleicher
Entfernung von einander, dem Beobachter aber erscheinend, als verliefe
das Fundament, auf welchem sie aufgethürmt, in einer Kreislinie, sind
folgende: Pingwe, Bangwe, Malavi, Fotje, der hohe Bergrücken Durandi
und Mathiro.

Von dem Wunsche begleitet, nun auch noch die Dörfer in der nächsten
Umgebung in Augenschein zu nehmen, fand ich, was aus der Ferne gesehen
wie ein Idyll erschienen, doch nichts Besonderes vor; wie überall,
lagen auch hier die Hütten bunt durcheinander und verirrte man sich
zwischen denselben, hatte man Mühe, aus dem Wirrwar der Wege sich
wieder zurechtzufinden. Ganz besondere Aufmerksamkeit schenkten nur
die unansehnlichen Hunde einem Fremden, sodaß man zufrieden war, das
Gekläffe der Meute hinter sich zu haben. -- Die Sitte, ihre Todten
in den Hütten zu begraben und diese dann über das Grab einzureißen,
üben die Eingeborenen auch hier aus, einem Häuptling hingegen bereitet
man die Grabstätte an dem Orte, wo dieser seinen Reichthum, Ziegen,
Schafe etc. zu stehen gehabt, also an einer Stelle, welche gerade
nicht als sehr ehrenvoll bezeichnet werden könnte -- indes kann ich
dieses nicht verbürgen, obgleich es nicht unwahrscheinlich ist, da
ich verschiedene Begräbnißmethoden gesehen habe, die auf krassen
Aberglauben zurückzuführen und je nach der religiösen Anschauung der
einzelnen Volksstämme auch verschieden sind.

Beim Durchstreifen eines Dorfes, dem Schlage der Ngoma folgend, fand
ich mich plötzlich einer zahlreichen Gesellschaft gegenüber, die
um einen mit bunten Bändern (Zeugstreifen) geschmückten Grabhügel
eine Art Todtenfest feierten, und die grotesken Aufführungen des
Medizinmannes mit Gesang, Händeklatschen und der unerlässigen Ngoma
begleiteten. Sämmtliche Theilnehmer waren schon in das Stadium völliger
Trunkenheit eingetreten, trotzdem aber tanzten und sprangen die
taumelnden Gestalten noch um das Grab und leierten mit widerlichen
Stimmen die eintönigen Gesänge her, einige schwankten auch, als
ich vorüberging, auf mich zu und vertraten mir den Weg, dabei wie
Blödsinnige mich anstierend, und soviel ich aus den lallenden Stimmen
entnehmen konnte, waren die mir unverständlichen Worte wohl keine
Schmeichelei gewesen.

Solche Sitten und Gewohnheiten sind an der Stätte, wo das Christentum
Verbreitung gefunden immer noch eine Erscheinung, gegen die Aufklärung
und christlicher Glaubensmuth geduldig ankämpfen müssen, und hat die
Kirche auch hier eine reiche Saat ausgestreut, widersteht im Einzelnen
das Phlegma des Negers doch ihrer edlen Bestrebung, diesen leicht für
die neue Glaubenslehre gewinnen zu können. Es liegt wahrlich nicht
an dem Bestreben opfermütiger Männer und Frauen, die ihrem Beruf mit
ganzer Liebe zugethan sind, daß unter der erwachsenen Bevölkerung
nur verhältnismäßig geringe Erfolge zu verzeichnen sind, sondern der
ungebundene Sinn des Negers fügt sich zu schwer, vor allem, da er jedem
Zwange abhold, einen solchen in dem Bekenntnisse sehen wird, sich in
der Gemeinschaft der Christenheit aufnehmen zu lassen. Dahingegen ist
das kindliche Gemüth empfänglicher für das Evangelium, wenn von früh
auf Geist und Sinn darauf hingewiesen werden kann, und die großen
Erfolge der Mission bauen sich auf die erzogene Jugend auf, die
mit Geduld und von treuer Sorgfalt behütet, zu nützlichen Menschen
herangebildet wird.

Mag es nun aber sein, daß die Beständigkeit des Negers von äußern
Eindrücken untergraben wird und er leicht der Anfechtung, wenn er
selbstständig und auf eigenen Füßen gestellt, unterliegt. Thatsache
ist, daß an einer ganzen Anzahl jahrelange Mühe, viel Geduld und
Liebe verschwendet worden ist und diese zuletzt als räudige Schafe
aus der Heerde ausgestoßen werden müssen, weil sie, man möchte sagen
zum Aergerniß geworden sind, und ihr Lebenswandel der Erziehung nicht
entspricht. Solche, zum Glück nicht viele, entfalten dann die ganze
Verschlagenheit der Negernatur, und auf dem Standpunkt stehend, durch
ihr bischen mangelhaftes Wissen und Können, dem Europäer nun nahezu
gleichgestellt zu sein, werden diese Kreaturen, wenn ihnen für ihren
Eigendünkel empfindliche Strafe trifft, arge Hetzer. Gegner des
Missionswesens, die eine Aufklärung der Bevölkerung, als ein unzeitiges
Uebel betrachten, führen diese Erscheinungen darauf zurück, daß dem
Neger, dessen Erziehung als vollendet gilt, gelehrt wird, er stehe,
nachdem derselbe in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen ist,
dem weißen Manne völlig gleich; sie wollen darin eine Entwürdigung
sehen, da bei weitem der Neger noch nicht reif genug, und eine absolute
Gleichstellung bei so unselbstständigen Charakteren ein Irrthum ist.

Solche Gleichstellung würde aber doch nur in religiösem Sinne
aufzufassen sein. Ein Fehler der Erziehung wäre es, würde man die
Zöglinge darauf hinweisen wollen, sie ständen im späteren Leben
gleichberechtigt da, das möchte der Kulturaufgabe, welche sich die
Missionare vornehmlich unterziehen, doch nicht entsprechen, und ist
auch nicht der Fall! Freilich übereifrige Glaubensapostel giebt es
wohl genug, die ganz in ihrem schweren Berufe aufgehend, der eigenen
Würde als Belehrender nicht genug Beachtung schenken und als verirrten
Bruder jedes Menschenkind ansehen, das halb willig, halb neugierig
der nie vernommenen Botschaft sein Ohr leiht, ohne dabei genugsam zu
bedenken wie eine Hinweisung auf Gleichberechtigung gar leicht eine
falsche Auffassung in solchen unklaren Köpfen hervorbringt. Mir sind
im Gebiet des oberen Schire und Nyassa-See verschiedene Male später
solche Existenzen entgegengetreten, die zunächst auf ihre geringe
Schreibkunst pochend, (als sie nicht die gebührende Beachtung fanden,
ungezogen wurden) die Dreistigkeit besaßen mir zu erklären »sie sind
ganz dasselbe wie der weiße Mann«! Nun das sind wie überall auf dem
Missionsgebiete Schattenseiten, die das hochherzige Streben der
Gesammtheit nicht beeinträchtigen können, nur das darf nicht unerwähnt
bleiben, daß das Festhalten an Anschauungen in der auszuübenden Lehre,
hier zwischen der herwachsenden christlichen Bevölkerung, nicht zu
Spaltungen führen muß, die, wenn das Heidenthum den Kampf aufnehmen
wird, die kleine Schaar getrennt findet und den endlichen Sieg der
Christenheit dadurch sehr erschwert! Auf die Erziehungsmethoden der am
Nyassa-See ansessigen Missionsstationen werde ich später zurückkommen
und deren Thätigkeit eingehender veranschaulichen.

Neben der Entwickelung, welche das Gemeinwesen in Blantyre genommen und
dank der vorzüglichen Lage, der aufblühenden Kultur, sich in ungeahnter
Weise entfaltet, wurde es zur Nothwendigkeit, die benöthigten
europäischen und ausländischen Handelsartikel auf eine bequemere Art
auf und über das Gebirge zu schaffen, zumal schwere Lasten einen
großen Aufwand an Menschenkraft erforderten und die auch nur zu
Zeiten ausreichend zur Verfügung steht. Darum unternahm das englische
Gouvernement die Herstellung des bereits früher erwähnten Weges, mit
der Absicht, darauf große Lastwagen mit Ochsengespann zu befördern,
wie es in Transvaal und Südafrika geschieht, wo sich diese Art der
Beförderung namentlich im gebirgigen Terrain, als die einzig mögliche
erwiesen hat.

Mit großen Kosten und nach jahrelanger schwerer Arbeit ist eine
Straße nun hergestellt, die in der trockenen Jahreszeit nicht viel zu
wünschen übrig läßt, allein, da die Existenz der Zugochsen in gewissen
Distrikten durch die Zetsefliege sehr gefährdet ist, und die Ochsen
durch diese getödtet wurden, mußte davon Abstand genommen werden. Nach
wie vor wandern nun tausende Wangoni-Träger thalwärts und schleppen auf
ihren Köpfen die Lasten zur Höhe, wodurch sie sich einen beträchtlichen
Verdienst erwerben, da meistens Zeug oder Perlen bevorzugt, in ihrer
fernen Heimath beträchtlich noch im Werthe steigen. Obwohl mir bekannt
war, daß die erwarteten Träger meine Sachen nur bis Lomba bringen
würden, gab ich mich doch der Hoffnung hin dieselben allenfalls durch
eine Lohnzugabe bewegen zu können, den besseren und auch kürzeren Weg
über Matope, direkt nach Mpimbi zu nehmen; fand mich aber, als nach
deren Ankunft darüber verhandelt wurde, getäuscht. Es machte sogar noch
Mühe, die Leute zu einem frühen Abmarsch zu bereden, da sie wenig Lust
zeigten, den sonst üblichen Ruhetag aufzugeben. Wie mir Mr. Scharre
versicherte, sollten die Leute mich zu seiner bei Zomba angelegten
großen Kaffeeplantage bringen, wo der Pflanzer Mr. White für neue
Träger Sorge tragen würde, und von wo ich auch Mpimbi in etwa 7 Stunden
würde erreichen können.

Froh nur, daß mein Wunsch, noch am Weihnachts-Heiligabend das deutsche
Lager zu erreichen, sich erfüllen sollte, beeilte ich mich auch am
nächsten Morgen meine Sachen zu denen, da Träger genug vorhanden,
einige vom Major zurückgelassene Munitionskisten hinzugefügt wurden,
nach meinem Absteigequartier hinüberzuschaffen.

In der Voraussicht, daß die Leute trotz ihrer Zusage sich
nicht eingestellt haben würden, um am 23. Dezember früh wieder
abzumarschieren, hatte man die Auszahlung ihres verdienten Lohnes bis
auf diese Morgenstunde verschoben, auch jedem schon seine Last wieder
zugetheilt.

Alles ging gut, bei der Auszahlung empfing ein jeder stillschweigend
sein abgemessenes Stück Zeug, als es aber hieß die Lasten aufnehmen,
weigerten sich die meisten und behaupteten sie hätten mehr zu
erhalten, ihnen wäre der übliche Lohn verkürzt worden. Nun sollte
den Hauptschreiern das Zeug wieder abgenommen werden, damit es ihnen
nochmals vorgemessen und ihre Ungebührlichkeit, die an Unverschämtheit
grenzte, bewiesen werde, gleicherzeit wurde dem anwesenden
Hauspersonal, etwa zehn Dienern, auch die Anweisung gegeben einen
Fluchtversuch der Träger zu verhindern; indes kaum merkten diese,
daß die Sache für sie schief ablaufen würde, jagte fast die ganze
Gesellschaft davon, mit einer Geschwindigkeit, die einem Schnellläufer
Ehre gemacht hätte, hinter sich her wie weiße und bunte Fahnen ihr
einige Meter langes Zeug mitschleppend. Vergeblich war der Wettlauf
der Diener, es gelang keinen der Ausreißer wieder zurückzubringen, nur
diejenigen, welche wir Europäer den Weg vertreten und zurückgehalten
hatten, mußten bleiben.

Die Vertheilung der Lasten unter den noch vorhandenen vierzehn
Mann, wovon vier als Maschillaträger solche nicht annehmen wollten,
sondern sich erboten mich zeitweise zu tragen, ergab, daß nun die
Munitionskisten und andere Sachen zurückbleiben mußten, auch war es
rathsam, lieber unverzüglich aufzubrechen und den Marsch anzutreten;
denn ist der Träger einmal mit seiner Last in Bewegung, fühlt er sich
gehalten, dieselbe auch am Bestimmungsorte abzuliefern, trotz vieler
Scherereien, die man mit den Leuten sonst hat, wenigstens eine gute
Eigenschaft.

Durch diese unliebsame Verzögerung, es war bereits zehn Uhr geworden,
schwand die Aussicht bis Abend noch Zomba erreichen zu können, betrug
doch die Entfernung einen tüchtigen Tagesmarsch, annähernd etwa
vierzig Kilometer; dazu war die Gewißheit, nun doch unter freien
Himmel kampiren zu müssen, keine besonders angenehme Zugabe, als fast
täglich auf den hohen Bergkuppen Regenschauer niedergingen, deren
nachtheiligen Wirkung ich schon zur Genüge erfahren hatte. Der Weg
führte anfänglich bergauf und ab, über Bäche und blosliegendem Gestein,
oft steilansteigend, um bald darauf wieder abwärts sich zwischen Wald
und Busch hinzuschlengen, die Scenerie in ihrer wilden Schönheit war
großartig; die Luft kühl und angenehm, trotz der Sonnengluth, die alles
mit ihrem blendenden Schein übergoß, belebte die Glieder zum straffen
Marsch und man fühlte sich großen Anstrengung gewachsen.

In einem Thalkessel, auf einer europäischen Ansiedelung, wo an den
Berghängen die jungen Kaffeebäumchen in langen Reihen angepflanzt waren
und noch viel urbar gemachtes Land von regem Fleiße Zeugniß gab, wurde
noch kurze Rast gehalten, um den vor uns liegenden mächtigen Bergkegel
mit frischen Kräften ersteigen zu können; war doch das Emporklimmen
zur Höhe recht ermüdend und ein Jeder froh, wenn der schmale Fußpfad
ebener verlief. In dieser Bergregion trat das Felsengestein mehr zu
Tage, und mächtige Blöcke von den Höhen herabgestürzt, lagen vielfach
am Wege zerstreut. War die Humusschicht auch nicht bedeutend, so hatte
doch eine überreiche Vegetation feste Wurzeln in diese geschlagen und
dem Auge bot sich nichts als Wald dar, von den Thälern aufwärts bis zu
den Höhen, seltener an steilen Abhängen dichtes Gebüsch, oder wo das
Erdreich vielleicht zu arm, hohes wogendes Gras. Jede Kultur hatte hier
aufgehört und ringsum zeigte sich die Natur in ihrer wilden großartigen
Pracht.

In den Bergen hatte es in früher Morgenstunde geregnet, und wo der Weg
durch hohes Gras und Gebüsch führte, durchnäßten die schwer an den
Halmen und Blättern hängenden Tropfen die Kleider vollständig, sodaß es
keine besondere Annehmlichkeit war, naß und fröstelnd fortzuschreiten,
zumal ein Kleiderwechsel doch zwecklos, weil die Sonnenstrahlen durch
das Blätterdach der Bäume nicht durchdringen und die Feuchtigkeit
aufsaugen konnten. Hart an steilen Abgründen vorbei, wo in der Tiefe
weiße Nebelschleier wie Dunstgewebe wallten und nichts erkennen ließen,
oder unter einer überhängenden Felswand, kreuz und quer dem Fußpfad
folgend, schritten wir auf einer Durchschnittshöhe von 5000 Fuß rüstig
vorwärts. Obwohl die Leute schon sichtlich ermüdet unter ihrer Last,
den engen Anschluß verloren hatten und auf dem Wege vertheilt, zu
folgen trachteten, mochte ich doch nicht eher Halt machen, als bis die
letzte Höhe erstiegen war, und sollte von dieser der Weg noch zu weit
sein, wollte ich dort eben für die Nacht Quartier machen.

Einige Male, wenn der Weg eben verlief, hatte ich mich in der Maschilla
tragen lassen, theils weil ich ermüdet war, theils um den leicht
nebenher laufenden Trägern, die noch mehr Bezahlung als die Lastträger
erhielten, auch was zu thun zu geben; allein immer nach kurzer Zeit
schon konnten sie nicht mehr recht vorwärts kommen und auch einsehend,
daß für nur vier Mann meine Körperlast zu schwer werden mußte, lief ich
lieber zu Fuß, als mich der Gefahr auszusetzen, durch Stürzen irgend
eines Mannes, auf dem steinigen Boden niedergeworfen zu werden. Aber
auch diese Erfahrung sollte mir nicht erspart bleiben! Unaufgefordert
wollten die Leute ein Uebriges thun und mich auf einer felsigen
Strecke, wo es sich mit müden Füßen schlecht marschiren ließ, tragen;
um den selten guten Willen nicht zurückzuweisen, ließ ich mich herbei
die Maschilla zu besteigen mit der Mahnung, vorsichtig zu gehen, nicht
wie üblich in einen kurzen Trab zu fallen, der auf diesem unebenen Wege
leicht Unangenehmes zur Folge haben könnte.

Eine zeitlang ging es auch, aber ob den Leuten das langsamere Gehen zu
anstrengend war, sie verfielen bald wieder in das gewohnheitsmäßige
Traben und die Bambusstange im Laufen bald von der einen auf die
andere Schulter werfend, liefen sie schnell vorwärts. Im Begriff
halten zu lassen, weil ich keine Lust hatte mit dem harten Steinboden
Bekanntschaft zu machen, sah ich, daß die Stelle gerade zum Aussteigen
schlecht geeignet war, und bis ein kurzer Abhang mit schlüpfrigem
Gestein überstiegen sei, wollte ich noch warten. Da, plötzlich gleitet
der Hintermann aus, die Stange fliegt ihm von der Schulter und ich
komme mit dem Kopf zuerst auf das harte Gestein zu liegen, während
der Vordermann dieselbe krampfhaft hochhält, sodaß die Beine hoch,
der Körper wie ein Klotz aus der Maschilla, ausgeschüttet wird. Ich
kann nicht behaupten, daß diese etwas unsanftige Bettung zwischen
harten Steinen irgend was Anziehendes gehabt hätte, im Gegentheil,
mit schmerzenden Gliedern und geschundenem Kopf mich aufrichtend, war
der erste Impuls dem Manne für sein Ungeschick einen derben Verweis
zu geben, aber die ängstliche verlegene Miene desselben, sowie die
Verletzungen an den blutenden Knieen dämpften den Groll, waren doch
dessen Wunden schlimmer als meine paar Beulen, obgleich ich noch von
Glück sagen kann, so glimpflich dabei weggekommen zu sein.

Ueber Steine und Felsstücke ging es mühsam weiter und als bald darauf
der Weg thalwärts zu einem zwischen den Bergwänden wild in eine
Felsschlucht abwärtsstürzenden Bache führte, rastete ich an diesen,
um die Träger alle herankommen zu lassen, ehe der Weitermarsch, die
gegenüberliegende wohl achthundert Fuß hohe Felswand hinauf, angetreten
wurde. Hätte ich übrigens geahnt, wie anstrengend der von Anfang an
eingeschlagene Gebirgspfad sein würde, der zwar um ein Beträchtliches
kürzer und auch die ganze Großartigkeit und Schönheit der Gebirgswelt
dem Auge des Wanderers vorführte, so hätte ich doch lieber den direkten
breiten Weg von Blantyre bis Zomba genommen, aus dem Grunde schon,
weil ich mir hätte sagen müssen, daß ein mehrtägiger scharfer Marsch
in solchem zerklüfteten Hochland auf die Dauer ermüdend wirken muß.
Freilich in Betracht ziehend, daß es mir nur einmal vergönnt sein
möchte diese von Europäern so wenig besuchte Gegend zu sehen, hatte ich
einige Strapazen und ein in Aussicht stehendes schlechtes Nachtquartier
wenig geachtet und vorgezogen das Schöne dort zu suchen, wo es zu
finden ist -- Alltägliches liegt genug am breiten Wege, ohne Mühe kein
Verdienst, sollte dieses auch nur als Erinnerung das Herz erfreuen --
aber selbst für das Erhabenste schwindet allmählich das Interesse, wenn
der Körper müde und matt dem festen Willen nicht mehr zu folgen im
Stande ist.

Am Rande des Baches, dessen Fluthen zu Zeiten eine beträchtliche Höhe
erreichen mußten, wovon die Anzeichen durch die Wassermassen selbst in
das harte Gestein gegraben worden, erwartete ich hier die nach und nach
eintreffenden Träger, die nach kurzer Rast, als das »Vorwärts marsch«
wieder gegeben, wenig Lust bezeigten die steile Felswand mit den Lasten
emporzuklimmen und lieber am rauschenden Wildbach Lager gemacht hätten.
Mit großer Anstrengung, am Wege öfter haltend, um an einem Felsblock
gelehnt neue Kräfte zu sammeln, war auch schließlich dieser letzte
beschwerlichste Aufstieg überwunden! Hier oben nun auf diesem platten
langgestreckten Gebirgsrücken würde sich eine wundervolle Fernsicht
geöffnet haben, hätte nicht der dichte Wald, der dieses Hochplateau
krönte, eine solche unmöglich gemacht, und nur über uns erglänzten die
Ränder einer vorüberziehenden Wolke, die kurz vorher zum Ueberfluß noch
eine Regenfluth herabgesandt, im puren Golde, daran mahnend, daß die
Sonne schon tief am Horizonte stehen müsse und auch auf diese tiefe
Einsamkeit sich bald die Schatten der aus den Thälern aufsteigenden
Nacht lagern würde.

Nunmehr darauf bedacht einen geeigneten Platz zu finden, wo vielleicht
etwas Schutz gegen die hier oben herrschende kalte Luft gewesen wäre,
setzte ich die Wanderung noch bis 6 Uhr fort, um doch schließlich
unter den Bäumen im nassen Grase Halt zu machen. Anstatt nun aber
daran zu denken, nach so anstrengendem Marsche es sich in ihrer
Weise bequem zu machen und höchstens noch Feuerholz zu sammeln,
legten die Träger, welche bei mir geblieben, schleunigst die Lasten
nieder und verschwanden, als ob ihnen von Müdigkeit nichts bewußt
sei, schnellen Laufes in den Wald. Dieses Gebahren machte mich auch
neugierig, umsomehr als herankommende Leute gleichfalls die Lasten
am Wege niederlegten und hinterherliefen, doch bald schwand die in
mir aufgestiegene Befürchtung, die Leute könnten etwas Unrechtes im
Schilde führen, nachdem einer derselben zurückgekehrt war und mir eine
Baumfrucht überbrachte, die ähnlich unserer Eierpflaume aussah. Diese
Frucht, von angenehmen aber wiederum herben, beißenden Geschmack,
sobald man die äußere Schale mit in den Mund führte und nicht das
Fleisch allein nur herausschälte, wurde mir als Masuka-Nuß bezeichnet,
welche an etwa acht Meter hohen Bäumen wachsend, zu bestimmten Zeiten
in großer Anzahl hier zu finden ist.

Die schnell hereinbrechende Dunkelheit mochte es den Leuten schwer
machen, die Nüsse im hohen Grase noch aufzufinden, denn nach nicht
allzu langer Zeit kehrten die meisten mit trockenen Zweigen oder
Baumstämmen zurück, und ehe noch die letzten Träger angelangt waren,
außer meinem Diener Mzee, auf Suaheli »alter Mann«, der ziemlich
schlecht auf den Beinen war, loderten helle Feuer auf, um welche auf
Grashaufen sitzend, die als Nachtlager zusammengetragen, die nackten
Gestalten sich wärmten oder auch ihre Maiskörner rösteten, die sie
mit wahrer Gier, so heiß sie waren, in den Mund hineinwarfen und
damit sich sättigten. Schlechter dagegen war es mit meinem Abendessen
bestellt. Würde ich, wie ich es am frühen Morgen noch gedacht, bis
Abend Zanba erreichen, war das Mitnehmen von ausreichendem Proviant
eine unnöthige Last, und später in all dem Trubel, als ich nur bestrebt
war fortzukommen, hatte ich nicht mehr daran gedacht; so mußte denn
als Hauptmahlzeit ein kleines Stückchen Brot, einige Sardinen und
ein wenig Cacao dem hungrigen Magen genügen, und wollte ich für den
nächsten Morgen von Letzterem noch etwas behalten, mußte, da wir kein
Wasser hatten mitführen können, mit diesem haushälterisch verfahren
werden. So unangenehm zuweilen auch ein unbefriedigter Magen sein mag
-- und ich kann sagen der Hunger ist ein schlimmer Gast, wo er sich
ungebeten einstellt -- kann man es nicht immer auf solchen Expeditionen
damit sehr genau nehmen, es muß dann eben den Verhältnissen Rechnung
getragen werden, und findet man immer noch so viel, die Kräfte sich zu
erhalten, ist es noch nicht schlimm bestellt.

Am nächsten Morgen aus erquickendem Schlummer zeitig erwacht, aber
von der empfindlichen Kühle durchschauert, eilte ich, die zitternd
um die Feuer hockenden nackten Menschen auf die Beine zu bringen;
rasche Bewegung allein konnte das Blut auf dieser luftigen Höhe wieder
schneller kreisen machen. So naß vom nächtlichen Thau auch Gras und
Halm war, dessen wurde nicht geachtet -- im Sturmschritt ging es
vorwärts, um nur das Schauergefühl, das jede Fiber zittern machte,
durch körperliche Anstrengung los zu werden. Geradeaus ohne Steigung
verlief der Weg und, als erst die Lichtfluth der über die Berge
scheinenden Sonne auf das weite Waldgebiet ausgegossen war, der Thau
wie Millionen Diamanten an Blatt und Gräser blitzte, fühlte sich auch
der Geist in dieser morgenfrischen herrlichen Natur wie neu belebt! Die
Gewißheit, heute noch am Weihnachts-Heiligabend unter dem Christbaum,
vereint mit den Gefährten, stehen zu sollen, -- wo das »Stille Nacht,
o heilige Nacht« von deutscher Zunge in einem fremden fernen Lande
erklingt und die kleine Schaar deutscher Pioniere unter dem Sinnbild
der Christenheit den Treuschwur erneut -- festzuhalten an das heilige
Wort -- festzustehen im Tode und Gefahr, wie es deutscher Männer Art,
bis das große Werk vollendet, wozu unser kühner Führer uns alle berufen
-- diese Gewißheit beflügelte meine Schritte und fast wie Sehnsucht zog
es mich zum Ziele!

Der bisher lichte Wald ging, als das Steingebilde in schroffen
Bergspaltungen wieder mehr zu Tage trat, in einen dichten Busch über;
wildromantisch wucherte Strauch und Baum auf diesem Felsengeröll --
zwischen den Senkungen der Abhänge aber sprudelte das klare Bergwasser
über das Gestein, und in kleinen Mulden angesammelt, bot es dem
Wanderer einen kühlen erfrischenden Trunk dar. In dieser Felspartie
fand ich zuerst wieder die Spuren der fortschreitenden Kultur, denn in
Umzäunungen, auf langgestreckten Beeten, diese gegen die Sonnenstrahlen
mit Gestrüpp bedeckt, waren tausende junger Kaffeepflänzchen gezogen,
die, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, auf freies Feld
verpflanzt werden. Allmählich senkte sich der Weg; der Baumbestand,
hier gänzlich von Menschenhand vernichtet, ließ den Ausblick über eine
gewaltige Thalmulde frei, die fast ganz unter Kultur genommen, mit
abertausenden jungen Kaffeebäumchen bestanden war, und im Gegensatz
zu den bewaldeten Berghöhen, die wie ein mächtiger Kranz diese
umschlossen, wie ein ungeheures Ackerland sich ausmachen.

Blickte man über das nach allen Seiten sanft ansteigende Land,
fielen sofort die darauf gezogenen geraden Linien auf, die meistens
rechtwinklich wieder von anderen durchschnitten wurden; man möchte
sagen die weite Fläche war wie mit einem Zirkel in Parallelogramme
oder Quadrate abgetheilt, so auffallend genau war die Eintheilung
vorgenommen worden. Zu welchem Zwecke dieses geschehen, wurde dem
Beobachter sogleich klar -- ließen doch die breiten Wassergräben zu
denen all diese Furchen hinführten keinen Zweifel, daß hier eine
Berieselung der bebauten Flächen im großen Maßstabe ausgeführt war.
Guter Boden, Wasser und milde Luft sind die Bedingungen, welche
der Kaffeebaum zu seiner Existenz gebraucht, und um dem Boden die
genügende Feuchtigkeit, der Pflanze den Nährstoff zu geben, mußte
dieses künstlich herbeigeführt werden, da in der trockenen Jahreszeit,
unter der auch hier oben noch heißbrennenden Sonne, der Boden ausdörrt
und die jungen Bäume im lockernen Erdreich verwelken müßten. Der
starke nächtliche Thau zwar erfrischt die Natur beständig, ist aber,
für die empfindlichere Kaffeepflanze nicht genügend, und doch würden
wiederum ohne diesen, trotz der herbeigeleiteten Wassermengen,
tausende Pflanzen zu Grunde gehen; mit überaus hoher Weisheit hat
die Natur dafür gesorgt, daß die meisten Tropengewächse, wenn sie
den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt sein müssen, die nächtlicher
Weile reichlich gespendeten Thautropfen in Blatt und Blüthe aufnehmen
können und dadurch befähigt werden, der auf sie niederbrennenden Gluth
zu wiederstehen. Man hat, wie erfahrene Pflanzer zugeben, hier bei
der Kultivirung einen großen Fehler begangen, indem durch gänzliche
Rasirung einer zu bauenden Fläche, dieser dadurch alle Beschattung
entzogen wurde, daß darauf kein Strauch noch Baum stehen geblieben
ist, die von den jungen Kaffeepflanzen die direkte Sonnengluth hätten
abhalten können; nicht, wie irrthümlich angenommen, entzieht der
Baum dem Boden große Mengen Feuchtigkeit, sondern viel mehr, soweit
die obere Bodenschicht in Betracht kommt, wird diese durch denselben
darin erhalten! Geiz ist auch hier die Wurzel des Uebels, indem, wo
tausend Bäume hätten stehen bleiben sollen, an ihrer Stelle nun tausend
Kaffebäumchen mehr gepflanzt worden sind, die nun mühsam im Erdreich
Wurzel fassen und eine unendliche Mühe und Pflege bedürfen. Haben
hingegen die Bäume einmal kräftige Wurzeln getrieben dann bedürfen
sie solchen Schutzes nicht mehr, und wie schon früher gesagt, ist
der Anblick einer gedeihenden Kaffeepflanzung großartig, auch der
Ertrag wird ein überaus lohnender; namentlich die Qualität des auf dem
Schirehochland gewonnenen Kaffees soll eine besonders gute sein. Wir
zahlten z. B. am Orte das Pfund mit eine Mark, während der Marktpreis
in London dafür zwei und darüber beträgt.

Ganz zur Linken von uns, während der Hauptweg, den wir verfolgten
mitten durch die Felder führte und man so eine Uebersicht gewinnen
konnte in wie ausgedehntem Maße die Kaffeekultur hier betrieben wurde,
lag das Haus des Pflanzers, das von weitem gesehen mit der Umzäunung
und Nebengebäuden wie ein einfaches Bauernhaus aussah, über welches
weithin Schatten spendend gewaltige Bäume ihre Aeste ausbreiteten.
Hätte nicht die ganze weite Umgebung den Anblick einer Tropenlandschaft
getragen, man hätte meinen können ein einfaches Gehöft des nordischen
Landmannes vor sich zu sehen.

Es mochte etwa zehn Uhr Morgens sein, als ich mit den ersten Trägern
die Einfriedigung erreichte und an dieser schon von dem Herrn des
Hauses begrüßt wurde, der Empfang war um so freundlicher, als ich ihm
sehnsüchtig erwartete Briefe aus seiner englischen Heimath übergeben
konnte und die als eine Weihnachtsspende angesehen hätte sein können.

Obgleich bereit, mir nach besten Kräften zu helfen, auch meine Leute
auf Kredit auszuzahlen, war der Pflanzer doch höchst überrascht, als
ich ihn ersuchte, durch seine Vermittelung mir neue Leute anzuschaffen,
da ich so schnell als möglich weiter müsse, um noch bis Abend Mpimbi zu
erreichen. Er hatte es nämlich als selbstverständlich angesehen, daß
ich wenigstens für eine Nacht seine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen
würde und sich schon darauf gefreut das »+holly Christmas+«,
Weihnachtsfest nicht so ganz allein verbringen zu müssen; alle
Einwendungen, mich wankend zu machen, blieben fruchtlos, so gerne ich
auch seinen Bitten bei ihm zu bleiben, unter anderen Verhältnissen
nachgegeben hätte, aber die Aussicht, das heilige Fest mit den
Gefährten verleben zu können, war mir denn doch lieber. So gab er denn
schließlich nach und sandte mehrere Diener zu verschiedenen Häuptlingen
der umliegenden Dörfer, dieselben ersuchend, umgehend einige Träger zu
stellen. Allein, nach zwei Stunden kamen die Diener mit der Meldung
zurück, sie hätten keine Träger auftreiben können und auch die
Häuptlinge ließen sagen, die Bewohner trinken Pombe, keiner würde daher
bereit sein, vor dem nächsten Morgen irgend welche Arbeit zu verrichten.

Ein solcher Bescheid ist übrigens nichts Seltenes, auch der Pflanzer
beklagte sich bitter über die Unverfrorenheit, mit welcher die
Dorfbewohner ihn öfters im Stiche ließen, namentlich in der Zeit,
wenn die Auspflanzung der jungen Kaffeebäumchen beginnen muß und er
allein auf den guten Willen dieser Leute angewiesen sei; später,
wenn die Wangoni und Atonga kommen, hat es keine Noth, solange aber
zu warten, sei eine Unmöglichkeit. Etwas Fataleres als diese Absage
konnte mir kaum in den Weg treten, nach entfernteren Dörfern noch zu
senden war Zeitverschwendung auch wohl ebenso erfolglos und nun doch
noch bleiben zu müssen, wozu zwar Mr. White entschieden rieth, das
wollte mir absolut nicht in den Sinn! Mit meinem halblahmen Diener
allein zu gehen, und alles zurückzulassen ging nicht, weil keiner von
uns den Weg kannte; da erzählte nach einer nochmaligen Ausfrage einer
der Abgesandten, daß in dem Dorfe, wohin er geschickt worden sei,
sich zwei Männer erboten hätten mit ihm zu gehen, aber da er mehr
habe bringen sollen und nicht bekommen hätte, so habe er auch diese
beiden nicht weiter zum Mitkommen aufgefordert. Das war, da ich nun
doch einmal entschlossen war unter allen Umständen abzumarschieren,
wenigstens eine kleine Aussicht fortzukommen und unverzüglich mußte der
Mann zurück, um die beiden Träger herbeizuschaffen.

Ein »warum so spät« schwebte mir auf der Zunge, als die Leute endlich
eintrafen, allein bedenkend, daß der Neger es doch nicht begreift wie
ein Europäer es eilig haben kann, verschluckte ich die Worte und hastig
die Instrumente, ein kleines Bündel Wäsche, Gewehr und Jagdtasche den
Leuten gebend, war ich bereit den Marsch anzutreten. Ein kräftiger
Händedruck noch, ein flüchtiger Dank, ein herzliches »+good-by+«
an der Pforte und das gastliche Haus, unter dessen Schutz ich alles
andere zurückgelassen hatte lag hinter mir! -- Es war schon gegen drei
Uhr Nachmittags, als ich etwa zwei Kilometer von der Pflanzung erst
entfernt, den stark aufsteigenden Felspfad betrat, der zur Höhe hinauf
führte, wo um die Bergkuppen tiefhängende drohende Gewitterwolken sich
gesammelt hatten, die, wenn sie ihre Schleusen erst geöffnet, eine
wahre Regenfluth ausgießen würden und mich leicht auf meinen eiligen
Marsch aufhalten konnten.

Wie es vorauszusehen empfingen uns, auf der Höhe angelangt, dichte
Wolkenschichten, deren feuchtkalter Hauch die darin aufgespeicherten
Wassertheilchen an unsern Körpern ablagerte und ohne daß es schon
geregnet hätte trieften wir vor Nässe, ein Zeichen in wie großen Massen
die Wasseratome um diese Bergkegel schweben mußten! Dieser Umstand
nun trieb uns schon zur möglichsten Eile an, theils, um den Körper
durch Anstrengung zu erwärmen, theils, um aus dieser hohen Region, wo
die wogenden Gebilde jede Fernsicht benommen hatten, herauszukommen.
An einem Abstieg angelangt, der so steil in die Tiefe führte, daß es
großer Vorsicht bedurfte, auf dem glatten Gestein nicht auszugleiten
oder gar durch die Neigung des Körpers nach hinten ins Laufen zu kommen
und dann zu stürzen, mußte dieser wohl 800 Fuß tiefe Abhang recht
langsam betreten werden.

Wir mochten aber noch nicht die Hälfte des beschwerlichen Weges
zurückgelegt haben, als das Gewitter mit einer Vehemenz losbrach, die
jeder Beschreibung spottet. Mit dem ersten zuckenden Blitzstrahl,
der über uns das Wolkenmeer zertheilte, dem rollenden Donner, wie
solcher nur in der Gebirgswelt das brausende Echo zu wecken vermag,
war das Signal gegeben die Schleusen des Himmels zu öffnen -- eine
Wasserfluth stürzte hernieder, die in tausend Bächlein Erde und
Steingeröll mit sich führten. In solchem Wetter noch weiter zu gehen
war fast unmöglich, doch nirgends bot sich dem suchenden Blicken der
geringste Schutz, unter Baum oder Busch zu stehen war völlig zwecklos;
bis, nahezu am Fuße des Bergkegels angelangt, der Neubau eines
Pflanzenhauses wenigstens einigermaßen sichere Unterkunft versprach.

Wie festgebannt tobten die Elemente über uns mit ihrer ganzer Kraft,
auch der Regen immerwährend niederstürzend, ließ die Wassermassen als
unversiegbar in der Höhe erscheinen, gerade als sollte der durstigen
Erde das Naß nun im Uebermaß gespendet werden!

Aus Erfahrung wußte ich ja, was es heißt, auf solchen Wegen und in
solchem Wetter im Gebirge marschiren zu müssen, und besorgt sah ich
daher der kommenden Nacht entgegen, die uns auf den einsamen Pfaden
überraschen mußte! Zwar hätte ich warten und schließlich zurückgehen
können, um doch noch durch die Gewalt der Elemente gezwungen, die mir
angebotene Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen -- aber wo blieb dann
der erhoffte Christbaum, dessen Lichterglanz zu schauen mein einziges
Bestreben war! -- Ein Blick auf die auf der nassen Erde hockenden
schwarzen Gestalten, die völlig unbekleidet vor Kälte zitterten,
ließ mich den schon halbgefaßten Entschluß zurückzugehen, verwerfen,
und trotz des Regens folgten die Leute willig der Aufforderung,
weiterzugehen.

Immer bergab, bald auf steilen, bald auf ebener verlaufenden Pfaden,
wollte es mir scheinen, als müßte die Strecke bis zur Ebene schnell
zurückgelegt werden können, allein ein englischer Plantagenaufseher
der von diesem Unwetter auch überrascht seiner Behausung zustrebte,
belehrte mich eines anderen. Es fällt, wie er durch wenige Worte
erläuterte, der Gebirgsstock in drei Terrassen ab, auf der ersten
sind wir jetzt und das Schlimmste liege hinter uns, aber es würde auf
den jetzt äußerst schlechten Pfaden ein schweres Fortkommen sein,
namentlich wenn nach einer Stunde schon die Dunkelheit hereinbricht
und ich dann einzig und allein auf die scharfen Augen meiner Führer
angewiesen sei; vor Mitternacht könne ich sicher nicht Mpimbi
erreichen, außer die beiden Schwarzen mußten ausnahmsweise sehr
tüchtige Kerle sein.

Ein schlechter Trost, eine unangenehme Aussicht -- aber was half
es! Ein kurzer Dank und Händedruck, und zwei Menschen schieden für
immer, die das Schicksal auf eine flüchtige Minute auf einsamen Pfade
zusammengeführt hatte. Es war kaum noch ein Gehen zu nennen, so eilig
und sicher auf dem steinigen und glatten Wege schritten die Leute
dahin, ihnen kümmerte nicht der Regen, der das um die Füße rauschende
Wasser, während mir die triefenden Kleider am Leibe klebten, die
Stiefel voll Wasser das Schritthalten ungemein erschwerten. Keine
Hütte am Wege, kein Dorf in der Nähe, nur Felsen, Busch und Wald,
und schon immer dichter senkten sich die Schatten der Nacht auf
diese wilde Gegend herab, kaum daß ich, als wir den zweiten Abstieg
erreicht, in der schmalen Felsenschlucht noch den Vordermann erkennen
konnte, Stufenweise kletterten wir tiefer und tiefer, mit äußerster
Vorsicht die kurzen aber steilen Abhänge hinab, wo jedesmal zwischen
Bergspalten ein Sturzbach wilddonnernd die schäumenden Wasser über
Felsblöcke hinjagte und nur ein Baumstamm als Brücke hinüberführte.
Solchem unsicheren Steg vertrauten sich selbst die Träger nicht an und
durchschritten, einander helfend, die brausenden Wasser, ich hingegen
versuchte über die ersten zwei hinüberzureiten, was auf den glatten,
schlüpfrigen Stämmen nicht leicht, aber doch auszuführen war.

Und weiter vorwärts ging es in die Dunkelheit hinein, -- durch
hohes Gras, über Steingeröll, durch Bäche und Wasserlachen --,
imstande, den Weg vor mir noch zu erkennen und mußte mich nur auf den
voranschreitenden Führer verlassen.

Die nun inzwischen eingetretene völlige Dunkelheit, durch welche kein
Stern vom Himmelszelt zu dringen vermochte, weil das Wolkenheer wie ein
schwarzer Mantel über die Erde ausgebreitet lag, machte manchmal an
Stellen, wo an den steilen Uferwänden eines Sturzbaches hinabgeklettert
werden mußte und das dichte Gesträuch eine Art Hohlweg nur frei ließ,
die Finsterniß so intensiv, daß nicht die Hand vor Augen zu sehen war,
und ich muß sagen, der Orientirungssinn des voranschreitenden Führers
war bewunderungswerth, in dieser rabenschwarzer Nacht noch den rechten
Weg zu finden. Ein factisches Hinabfühlen, ein Festklammern an Gestrüpp
und Stein oder ein Rutschen auf den Knieen war es, ehe der Fuß an
solcher schon erwähnten provisorischen Brücke wieder Halt gefunden
und der nicht ungefährliche Uebergang über die unterhalb wildtosenden
Gewässer darauf unternommen war.

Keiner, der nicht in ähnlicher Lage gewesen, wird ganz verstehen
können, was es an Selbstüberwindung kostet, immer wieder die müden
schmerzenden Füße vorwärts zu bewegen, gezwungen durch die eiserne
Nothwendigkeit und das »du mußt an das Ziel«.

Wir mußten trotz allem doch schnell marschirt sein, denn etwa nach
acht Uhr erklärten die Leute, wir hätten die Tiefebene nun erreicht
und wenn wir so weiter gingen sei es möglich, nach zwei Stunden in
Mpimbi anzukommen; sechs englische Meilen noch durch Gras und Busch!
Doch vorwärts ging es so gut wie es gehen wollte. Die Nacht, die kurz
nach sechs Uhr Abends in den Tropen hereinbricht, heute aber durch die
schwarzen Wolkenmassen viel dunkler geworden war als sonst, wurde,
nachdem wir eine Strecke zwischen der wassertriefenden Grasfläche
zurückgelegt, wieder klarer, Stern um Stern schimmerte durch das
zerrissene Gewölk, bis der weite Himmelsdom wieder in reiner Klarheit
sich über die Erde wölbte; und die abertausend Sternenkerzen schienen
heller aufzuleuchten, als wären im Weltall die Lichter angezündet, die
in dieser Christnacht freundlicher vom Himmelszelt herniederwinkten.

Der durch die Grasebene führende stark gewundene Fußpfad war nichts
weniger als angenehm zu begehen und durch den Regen in eine solche
Verfassung versetzt worden, daß, wollte man nicht mit dem Erdboden
Bekanntschaft machen, wozu der glatte aufgeweichte Thonboden genügend
Veranlassung gab, mußte die ganze Aufmerksamkeit auf diesem gerichtet
bleiben, um so mehr, als ganze Strecken völlig unter Wasser gesetzt
waren, das einfach durchschritten werden mußte, da es seitwärts kein
Ausweichen gab. Von einem großen Wasser, welches wir noch passiren
sollten, hatten mir die Leute etwas erzählt, doch hatte ich nicht
besonders darauf geachtet was damit gemeint sei, daher war ich
einigermaßen überrascht, plötzlich einen hochgeschwollenen, etwa 25
Meter breiten Fluß vor mir zu sehen. Dumpfbrausend und gurgelnd zogen
die Wasser dahin, ihre schmutziggelbe Farbe glaubte ich selbst im
Dunkel der Nacht erkennen zu können, jedoch von einer sicheren Furth,
wie eine solche zu Zeiten hier wohl vorhanden sein mußte, waren keine
Anzeichen aufzufinden. Hindurch mußten wir, da, wie ich recht vermuthet
dieser ein Nebenfluß der Schire; nur das wie, war die Frage, die umso
schwieriger, als schon einer der Leute ohne Besinnen in die Fluthen
gestiegen und durchzuwaten versucht hatte, aber schleunigst umkehrte,
als das Wasser ihm bis über die Schulter gestiegen war.

Nach kurzer Berathung gingen wir dann eine Strecke flußaufwärts, wo von
Neuem ein Versuch gemacht wurde, der auch gelang, und als die Sachen an
das andere Ufer hinübergeschafft waren, nahmen die beiden Träger mich
auf ihre Schultern und durchwateten den hochgeschwollenen Fluß. Nach
einem halbstündigen Marsch weiter durch mannshohes Gras und zum Theil
an den kultivirten Feldern vorüber, mußte an einer langgestreckten
Einengung Halt gemacht werden, -- die Führer wußten nicht weiter, und
nachdem ich vergeblich an dem Hause eines Europäers gepocht hatte, das
ganz nahe dem Ufer des Schireflusses erbaut war, mußten in daneben
liegenden Hütten die Bewohner herausgetrommelt werden, von denen wir
auch genügenden Bescheid erhielten.

Der Weg führte uns durch das in tiefster Ruhe liegende Dorf Mpimbi;
kein Mensch war darin zu sehen, nur die Hunde heulten auf, dann
noch eine lange Strecke durch tiefen Morast, bis aus der Grasfläche
hinaustretend, ein tiefdunkler Wald dem Weiterdringen ein Ziel zu
setzen schien, -- da, ein dumpfes Murmeln vieler Menschenstimmen, ein
Aufflammen der Feuer und fest bannte den Fuß das »Halt, wer da« des
Postens, -- ich hatte das deutsche Lager erreicht! Fast geblendet von
dem hellen Schein ringsum, folgte ich mechanisch der voranschreitenden
Wache, an Zelten, Hütten und Häuser vorbei; plötzlich eine Art Vorhang
zurückgeschlagen, sah ich an langer Tafel eine Reihe bekannter
Gestalten sitzen, -- im Hintergrund aber herrlich geschmückt, im Glanze
vieler Kerzen leuchtend, den ersehnten Christbaum, »~das Symbol der
Christenheit~«!




           10. Von Mpimbi nach Fort Johnston am Nyassa-See.


Freundlich im kleinen Kreise willkommen geheißen, mochte wohl ein Jeder
mir die ausgestandenen Strapazen ansehen und war bereit, nach Bedarf
das Möglichste zu thun. Bald, nachdem ich noch für die Unterkunft und
Verpflegung der beiden wackeren Führer Sorge getragen, saß ich im
trauten Kreise der Gefährten und all' die Mühen der vergangenen Tage,
alle Müdigkeit waren vergessen beim köstlichen Mahl und fröhlichen
Becherklang; vor allem war es für mich ein erhebendes Bewußtsein doch
noch, trotz aller Widerwärtigkeiten, mein Ziel und meine Absicht
erreicht zu haben. Von dem Christbaum, den anstatt der deutschen Tanne,
hier eine dicht belaubte Tropenpflanze ersetzt hatte, mochte ich den
Blick nicht wenden, immer wieder fuhr es mir durch den Sinn, wie einsam
es wohl um diese Stunde bei dem freundlichen Wirth in Zomba sein müsse.
Sein Anblick mahnte auch an die ferne Heimath, wo zur selben Stunde
abertausend Bäume im stolzen Schmucke prangten und ungezählte Herzen
des herrlichsten Festes sich freuten, an welchem einst das Hallelujah
der Engelschöre die göttliche Botschaft kundgethan! Das aber ist ein
schönes Symbol des germanischen Volkes, das überall auf der weiten
Erde, wo seine Söhne noch nicht der Heimath vergessen, diese, die
Treu' im Herzen und die deutschen Sitten waren, selbst im kleinsten
Kreise sich zu erheben und zu erfreuen suchen unter dem strahlenden
Christbaum, den sie im einsamen Urwald oder auf der entlegensten
meerumrauschten Koralleninsel im Weltmeer aus der üppig sprießenden
Tropenflora zu finden wissen; und im Rauschen altersgrauer Wipfel, im
Brausen der Meereswogen, klingen die Feiertöne der Lieder aus, welche
einst die Mutter auf der Heimathscholle ihnen an der Wiege gesungen.

Lange saßen wir noch in später Nachtstunde beisammen, gedenkend
vergangener und kommender Zeiten, nachdem noch vorher dem Major
von Wißmann, der unpäßlich einsam in seinem Zelte ruhte, für die
gespendeten Gaben der Dank abgestattet und die Versicherung gegeben
worden war, daß wir alle fest zu ihm stehen werden in Noth und Gefahr
und keiner von seiner Pflicht weichen wird, bis das große Werk
vollendet ist; beisammen waren +Dr.+ Bumiller, +Dr.+ Röver,
Lieutenant Bronsardt v. Schellendorf, de la Fremoire, Illich, Maler
Franke, die Zugführer Bauer, Krause, Eben, die Handwerker Knuth und
Riemer.

Die schweren Regengüsse zu dieser Zeit, wie im vorigen Kapitel
beschrieben, können recht unangenehm werden, und klärt sich der
Himmel für eine Reihe von Tagen auf, muß man auf solcher Expedition
bestrebt sein, Versäumtes nachzuholen, darum auch gab es für uns keine
Feiertage. Am ersten Festtag schon begann das Beladen der Boote, die
zur leichteren Unterscheidung für unsere Leute folgendermaßen benannt
wurden: Crocodil, Reiher, Forelle, Pfeil; und an dem Bug eines jeden
war die betreffende Bezeichnung +en miniature+ von Franke angemalt
worden.

Ehe ich mich als einziger Seemann der Auftakelung dieser Fahrzeuge
unterziehen konnte, hatte ich eine eingehende Untersuchung über die
vom Major in Vorschlag gebrachten Plätze am Schireufer, wo eventl.
eine Werft errichtet werden könnte, vorzunehmen; es lag nämlich die
Absicht vor, vielleicht schon hier den Dampfer erbauen zu können,
sofern die Verhältnisse dies gestatten sollten. Ein großer Vortheil
würde es ohne Frage sein, als nicht von neuem der Transport zu Wasser
weiter geleitet werden brauchte, nachdem die so schwierige Ueberführung
aller Lasten über das Gebirge vollbracht war. Meine Bedenken, daß die
Herbeischaffung des benöthigten Baumaterials hier in dieser waldarmen
Gegend vielleicht eine Unmöglichkeit sein würde, auch ob der vollendete
Dampfer später zum Nyassa-See geschafft werden könne, da der Schirefluß
weiter oberhalb oft nicht tief genug und bedenkliche Stromschnellen
habe, schlug der Major durch die Bemerkung nieder: »Wenn wir alles
was wir wünschen, zur Hand hätten, wäre es kein Kunststück und keine
große Aufgabe, das begonnene Werk zu vollenden, übrigens ich will es
und es muß gehen; was die spätere Weiterführung des Schiffes auf den
Fluß anbetrifft, habe ich mich der Expedition zum See anzuschließen und
eingehend den Fluß zu untersuchen, stellt sich dann die Unmöglichkeit
heraus, den Aufbau hier zu unternehmen, ist es etwas anderes, vorläufig
aber bleibt es bei dem einmal aufgestellten Projekt!«

Daraufhin, nach eingehender Besichtigung der in Frage kommenden zwei
Plätze, der Untersuchung des Flußbettes, das hier 12 bis 14 Fuß tief
war, entschied ich mich, den Platz zu wählen der unmittelbar vor dem
Dorfe Mpimbi lag, -- zwar gänzlich von Hütten umschlossen, aber doch
frei und hoch gelegen war; vor allem standen drei mächtige breitästige
Bäume auf demselben, die weithin Schatten gaben, was bei der späteren
Arbeit nicht zu unterschätzen und in Betracht gezogen werden mußte.
Freilich würde die hier nöthige Ausschachtung, das Ufer ist über zehn
Fuß hoch, einen enormen Aufwand von Arbeitskräften erfordern, indes,
es war die gesundeste und beste Lage und verdiente gegenüber dem
anderen Platze, der in der Nähe des Lagers gelegen, in einer sumpfigen,
schattenlosen und ungesunden Niederung unbedingt den Vorzug.

Von einem Vertrage mit dem Häuptling Chikuse, der von der Bevölkerung
im weiten Territorium als Erster anerkannt ist, wurde vorläufig Abstand
genommen, dann waren auch die Verhältnisse für den Schiffsbau hier
einigermaßen günstige, mußte doch erst eine eingehende Untersuchung
des Flußbettes vorgenommen werden, ehe weitere Schritte gethan werden
konnten.

Rastloser Arbeit waren wie erwähnt die Festtage geweiht; ein Jeder
hatte seine bestimmte Funktion zu verrichten, und obgleich zwischen
Kisten und Kasten, Munition, Geschütze, Proviant scheinbar Wirrwarr
herrschte, hatte doch jeder Gegenstand seine besondere Bestimmung. Ein
kriegerisches Bild bot das Lagerleben, Musterung und Exerzitien der
Soldaten, Schießübungen mit Gewehr und Geschützen; Signalhörner und
Trommeln ertönten, -- über alles aber wachte das Auge des Führers,
anordnend, tadelnd und befehlend. Einem Ameisenhaufen gleich,
geschäftig und bestimmt, regten sich die vielen Glieder des Ganzen und
nach jedem Tageswerk war ein bedeutender Fortschritt gethan; müde und
abgespannt legte sich Jeder zur Ruhe, bis in früher Morgenstunde die
Trompete wieder zu neuer Arbeit rief.

Der Abmarsch der Kompagnien nach Fort Johnston, unter Lieutenant
Bronsardt, die aus Mangel an Platz in den Booten den weiten Weg zu
Fuß zurücklegen und sich längst dem Schireufer Bahn brechen mußten,
brachte wieder eine Abwechselung; auch die scheu und ängstlich sich
fernhaltenden Eingeborenen wurden dreister, brachten Mehl, Bataten
und auch Pombe, welche Produkte ihnen, da wir sie benöthigten und
solche auch billig waren, gern abgekauft wurden. Namentlich die Weiber
schleppten auf den Köpfen Gefäße mit Mehl, Bananen und Tomaten heran;
im Kreise oder in einer Reihe auf dem Boden hockend, ihre Waaren vor
sich, warteten sie geduldig, bis eine jede je nach dem Werthe derselben
ein buntes oder weißes Stückchen Zeug erhalten hatte, um dann mit ihren
auf dem Rücken gebundenen Säuglingen, die sich meist immer ganz still
verhielten, im Gänsemarsch das Lager zu verlassen.

Zur Bedienung der Boote waren etwa siebenzig Mann Sudanesen, Suaheli
und der Rest nicht desertirter Zulus zurückbehalten worden, die auf den
beiden großen Booten als Ruderer vertheilt wurden, zudem sechs Europäer
mit Bedienung, Köchen, etc., machte ungefähr diese Expedition neunzig
Seelen aus. Zwei Boote des Dampfers, ohne Besatzung, enthielt das
größere das Gepäck, Zelte und Betten, das kleinere nur Pulver und etwas
Munition und diese nur von einem Steurer gelenkt, sollten im Schlepptau
der großen Fahrzeuge verbleiben. Laut Tagesbefehl vom 27. Dezember, an
welchem Tage alle Arbeiten beendet sein mußten, wurde mir der Befehl
über das größte der Boote übertragen, während Proviantmeister Illich
mit de la Fremoir das zweite führten, d. h. Major v. Wißmann behielt
sich die Leitung der ganzen Flottille vor, nur daß Führer ernannt
wurden, welche die Boote leiten und dafür verantwortlich waren. Als
fünftes Fahrzeug war ein mittelgroßes Canoe dem Maler Franke zur
Verfügung gestellt, der dadurch unabhängig in seiner Holzschale, die
von vier Leuten gerudert wurde, sich trotz des etwas sehr beschränkten
Raumes sehr wohl befand.

So war denn der Tag der Abreise gekommen; um 8 Uhr früh, den 28.
Dezember, lösten sich auf Kommando die Boote vom Ufer ab, drei kräftige
Hurrah, beantwortet von den Zurückbleibenden, +Dr.+ Röver, Knuth,
Riemer, sowie 15 maroden Soldaten, die unter Knuth die Besatzung des
Lagers verbleiben sollten, und kräftig tauchten die Ruder in das
Wasser, gegen Sturm und Wind die kleine Flottille vorwärts treibend.
Wie vorauszusehen, ermatteten die Ruderer bald; die ungewohnte Arbeit,
dazu eine Portion Ungeschicklichkeit, wurde durch einen einzigen
Fehlschlag oftmals die ganze Gesellschaft außer Takt gebracht und
erst wieder eine Gleichmäßigkeit erzielt, wenn ich oder ein anderer
den richtigen Schlag angegeben hatte; das Einüben mittelst Zählen
von »eins, zwei« wurde von uns Europäern abwechselnd ausgeführt und
erklärlich war es deshalb, daß wir nur langsam vorwärts kommen konnten.

Aus diesem Grunde und auch um die Leute nicht zu sehr anzustrengen,
denn die niederglühende Sonne machte den Aufenthalt in den offenen
Booten nicht gerade angenehm, ließ der Major schon gegen Mittag an
einem geeigneten Orte Lager schlagen; meistens an Stellen, wo der
Schatten hoher Bäume ausgiebigen Schutz gegen die recht empfindliche
Hitze bot. Uebrigens war die Vegetation hier an den Ufern insofern eine
reichere zu nennen, als überall zwischen den Gebüschen der Baumwuchs
reichlicher vertreten war, sogar stellenweise in der Nähe des Ufers
kleine Waldungen sich zeigten, die in mir den Wunsch erweckten, an
solchen Stellen den Dampfer erbauen zu dürfen, wo dem Anschein nach
so reiches Material vorhanden war. Eine spätere Untersuchung ergab
jedoch nicht das erwartete Resultat, da die meisten Bäume nur wenig
Nutzholz liefern, weil die Stämme krumm und häufig verwachsen sind. Um
ein Beispiel anzuführen, wie dicht und undurchdringlich der Busch, sei
erwähnt, daß wir uns mit Leichtigkeit die schönsten Lauben herstellen
konnten, indem mit Faschinenmessern nach Belieben ein Gang in diesem
geschlagen wurde, worin wir den schattigsten Aufenthalt während der
heißesten Tagesstunden fanden; Feldstühle und provisorische Tische
darin aufgestellt, und unser Speisezimmer war fertig.

Die Formation der Ausläufer des Schiregebirges, die zur unser Rechten
sich dem Ufer auf einige Meilen Abstand nähern, gaben im Verein mit
der ringsum wilden Natur ein imposantes Bild; ununterbrochen bis zu
den Höhen ist der Pflanzenwuchs ein überreicher und ist einst die
Kultur bis hierher vorgedrungen, wird der jungfräuliche Boden jede Mühe
reichlich lohnen; ein Schatz liegt in diesem verborgen, der nur der
Zeit wartet, wann fleißige Hände sich bemühen ihn zu heben!

Hinziehend auf den im Sonnenlichte glitzernden Fluthen des Schire, den
vielen Windungen des Flusses folgend, die des öfteren so scharf, daß
weit voraus der Wasserweg völlig abgeschnitten erschien, bis eine neue
Biegung wiederum die Aussicht auf den Fluß eröffnete, war es uns nur
an wenigen Stellen möglich, einen freieren Ausblick auf das Land zu
gewinnen, sonst benahmen das dichte Ufergebüsch, zahlreiche Baumgruppen
jeglicher Aussicht. Dahinterliegende ausgedehnte Grasflächen und
lichter Wald ließen die Vermuthung aufkommen, daß, wie am unteren
Schire, auch hier zahlreiche Wildheerden ständigen Aufenthalt hätten,
allein der Umstand, daß eine weit zahlreichere Bevölkerung in der
ganzen Gegend des Stromgebietes ansässig ist, hält das Erscheinen der
Thiere zurück, mithin hätte man weit wandern müssen, ehe ein Jagdzug
lohnenden Erfolg gehabt. Dahingegen boten sich auf diesem fischreichen
Gewässer genügende Zielobjekte, als vorüberziehende Züge wilder Enten
und Gänse, gewandt im Wasser auf- und niedertauchende Kormorane und
der weißköpfige Fischadler, der scharfen Auges, in scheinbar träger
Ruhe auf den Zweigen dicht am Wasser stehender Bäume, der in klarer
Fluth spielenden Beute geduldig harrte. Aber höchstens den genießbaren
Vogelarten, als Enten etc. wurde gelegentlich, wenn sie im Bereich der
Waffen kamen, eine Schrotladung zugesandt, andere Thiere wurden nicht
gestört, vielmehr machte es Spaß, den schnell schwimmenden und höchst
gefräßigen Kormoranen zuzuschauen, wie diese auftauchend einen großen
Fisch im Schnabel sich mit der um sich schlagenden Beute abquälten, ehe
kunstgerecht der Kopf des Fisches im weiten Schlund verschwand, -- eine
kräftige Anstrengung und das lebende Thier war heil und ganz verspeißt.
Man sollte nicht meinen, wie gefährlich dieser Vogel den Fischen wird,
nicht durch seine Gewandtheit im Tauchen und Schwimmen, sondern durch
seine Unersättlichkeit verursacht er großen Schaden; seine Verdauung
ist so enorm, daß man sagen kann, er ist immer hungrig, ein Nimmersatt.

Eine kleine Schar Kormorane, angenommen 20-30, auf eine nicht lange
Flußstrecke vertheilt, wie ich solche häufig genug habe zählen können,
fängt täglich hunderte Fische weg, daneben nun noch die anderen
Vogelarten gestellt, die ebenfalls ausschließlich vom Fischfang
leben, wird es Jedem erklärlich erscheinen, wenn ich sage, daß der
Fluß ungemein fischreich ist; dazu ist noch nicht mal des schlimmsten
Räubers, des Krokodils, gedacht, welches, wenn es, wie doch meistens
der Fall, auf Fischfang angewiesen ist, sicher ein bedeutendes Quantum
braucht, um sich zu sättigen und die Anzahl dieser mächtigen Thiere
ist gewiß keine geringe in diesem Theil des Schireflusses.

In gleicher Weise wie anfänglich brachen wir jeden Morgen in früher
Stunde das Lager ab und nach der dann schnell erfolgten Einschiffung,
die immer beendet sein mußte, wenn der Major das Boot betrat, ging es
im gewohnten Tempo vorwärts. Die Führung hatte immer das größte Boot,
kein anderes durfte vorbeifahren (es hatte sich nämlich herausgestellt,
daß die kleineren im Schlepptau zu hinderlich waren, darum wurden diese
auch bemannt und folgten hinterher); so sehr wir aber auch darauf
bedacht waren nach Möglichkeit tiefes Wasser aufzusuchen, geschah es
doch mitunter, daß das Boot auf Grund lief, und fand sich keine tiefere
Durchfahrt, was durch in das Wasser gesandte Leute festgestellt wurde,
dann sprangen auf Kommando sämmtliche Ruderer ins nasse Element, um mit
Halloh das schwere Fahrzeug über die Untiefe hinwegzuziehen.

Am zweiten Tage schon zeigte es sich, daß die Ufer ziemlich bewohnt
waren, am dritten aber sahen wir streckenweise Dorf an Dorf sich
reihen, deren Bewohner neugierig von der hohen Uferböschung der
vorüberziehenden Flottille zuschauten oder verstohlen durch die
Büsche ihre braunen Gesichter zeigten. Den 30., Mittags, hatten wie
unterhalb und querab des Dorfes Perisi zwei schlechte Stellen im Fluß
zu passiren, wovon die Erstere eine Stromschnelle war, ein felsiges
Bett mit sehr beengter Durchfahrt, durch welche der Strom wirbelnd
hindurchschoß, die ganze Kraft eines Jeden war erforderlich um
überhaupt nur vorwärts zu kommen und die wilde Strömung zu überwinden;
die zweite, eine Barre aus Steingeröll, mit nur zwei Fuß Wasser darauf,
verursachte ungemein viel Arbeit, ehe die Boote, dicht unter das
rechte Ufer, wo eine etwas tiefere Passage, hinübergebracht waren. So
abgespannt waren alle, daß der Major halten und erst nach längerer Ruhe
die Fahrt wieder aufnehmen ließ.

Wenn ich mir in die Erinnerung zurückrufe wie friedlich das Dorf
Perisi, in dessen unmittelbarer Nähe wir Rast gemacht, unter den
breitästigen Bäumen zu dieser Zeit noch dalag, dazu die Bewohner,
die zwar nicht zuvorkommend waren, aber doch noch keine feindliche
Gesinnung gegen die Europäer hegten, so taucht das Bild der
Verwüstung und des Kampfes wieder vor dem geistigen Auge auf, das nur
Brandstätten, Trümmer und Verwüstung zeigte. Wenige Wochen nur sollten
hingehen und die Heimstätten der in die Berge geflohenen Bewohner
wurden ein Raub der Flammen, die Kriegsfurie hatte die Fackel in das
Land geschleudert, Tod und Verderben im Gefolge durcheilte sie die
Lande; weithin hallte der Ngoma-Schlag -- zur Empörung und blutigen
Aufruhr die Männer rufend ....

Der letzte Tag dieses an Arbeit und Mühen für uns so reichen Jahres
war gekommen -- mühsam gegen Strom und Wind, der bisher unverändert
aus nördlicher Richtung wehte, strebten wir vorwärts. Es mochten die
letzten Jahresstunden wohl in Manchem von uns gerade nicht heitere
Gedanken wecken, die stumme Frage an das Schicksal, was birgt die
kommende Zeit, die dunkle Zukunft in ihrem Schooß, konnte wohl ein
Jeder beinahe selbst beantworten, -- Gefahren und Entbehren war das
Mindeste was das neue Jahr uns bringen würde, dieses wußten wir alle
.... ob auch der Erfolg auf unserer Seite, -- wer konnte das behaupten,
und daß für zweien aus unserer kleinen Zahl die Tage gezählt, der
Lebensfaden bald abgelaufen, die Parze bereit stand, diesen zu
durchschneiden, -- wer ahnte dies! Groß und herrlich hat die ewige
Weisheit es vorbedacht, daß wir den Schleier nicht lüften können, der
das Zukünftige birgt und ein Jeder wie vor dem verhüllten Bilde zu Sais
steht, das hinter dem Vorhang die Wahrheit zeigt!, -- aber auch den
Tod, -- und vor dem Geheimnisvollen scheut der Mensch zurück! --

Früher als wir vermutheten, wurde das große Dorf Lionde erreicht, das
an beiden Ufern des Schire gelegen war, und nach der Zahl der Hütten
zu urtheilen, eine beträchtliche Einwohnerzahl haben mußte. Benannt
sind diese Ortschaften meistens immer nach hervorragenden Häuptlingen,
die, wie es hier der Fall, aus dem Lande der Makua stammend, vor Zeiten
diese Völkerschaften unterjocht, sich zur höchsten Würde aufgeschwungen
und solche behauptet haben.

Gleich nach der Landung am linken Ufer, an einem Orte wo sehr wenig
Schatten war, befahl der Major das Lager aufzuschlagen, mit der
Absicht, nicht weiter an diesem Tage fahren zu wollen, sondern der
Rest sollte den Leuten zur Erholung freigegeben sein, damit mit
frischen Kräften das Werk im neuen Jahre fortgesetzt werden könnte.
Bald waren die Plätze, wo die Zelte stehen sollten, von geschäftigen
Händen gesäubert, und diese aufgerichtet, suchte jeder vor den heißen
Sonnenstrahlen in denselben Schutz; als die Soldaten dann ebenfalls
ihre kleinen Leinwanddächer in Reihen aufgestellt hatten, würde dieses
provisorisch errichtete Feldlager, das Leben und Treiben darin, einem
Beobachter manches Interessante vor Augen geführt haben. Jedenfalls
war es für alle ein behagliches Gefühl, vor den später in Strömen
niederstürzenden Gewitterregen Schutz und Unterkunft zu finden, traten
diese doch jeden Nachmittag auf, zuweilen noch Nachts, und nicht immer
waren wir darauf vorbereitet, uns vor dem schnell heraufziehenden
Unwetter zu schützen. Heute nun hatten wir Zeit gehabt, uns vorzusehen.
Als die frühe Nacht hereinbrach, wurde die Frage der Sylvesterfeier
erörtert, die zu dem Ergebniß führte, daß aus den Beständen von
Weißwein, Cognac und Selter ein leichter Punsch gebraut werden
könnte; sollte ein Uebriges geschehen, müßten aus einer Bootsladung
mitgeführte Raketen hervorgesucht werden, um an der Schwelle des neuen
Jahres ein kleines Feuerwerk abzubrennen.

Nur um die liebgewordene Gewohnheit, diese Feier auch hier zu begehen,
aufrecht zu erhalten und nicht ohne Sang und Klang in das neue Jahr
einzutreten, war ein Jeder bereit, das Seine dazu beizutragen; indes,
als alles vorbereitet, -- Franke und ich hatten die Ausführung
übernommen, -- wurde uns die Zeit doch recht lang, jedes Thema kam
ins Stocken, und bald suchte der eine oder andere die Ruhe auf,
legte sich wenigstens angekleidet nieder und überließ es uns, die
letzte Minute nicht zu versäumen. Der Herr Major betheiligte sich wie
gewöhnlich nicht daran, hatte aber natürlich seine Einwilligung zu den
Vorbereitungen gegeben.

Endlich rückte der Zeiger der Zeit auf die letzte Viertelstunde; die
letzte Minute des entschwundenen Jahres fand alle vor dem Zelt des
Majors versammelt, und als die Zeitsekunde der Uhr hinübersprang ins
neue Jahr, erscholl durch die Stille der Nacht aus deutschen Kehlen
ein fröhliches »Prosit Neujahr« -- im selben Moment flammten die
Windlichter auf und zischend fuhr eine Rakete hoch in die Lüfte, ein
buntstrahlender Kugelregen senkte sich zur Erde nieder. Ehe ich aber
eine zweite entzünden konnte, war der Befehl zum Aufhören gegeben. Der
Major wollte nicht, daß die Bevölkerung durch solche ihnen unbekannte
Erscheinung in Aufregung versetzt würde, was nicht so unwahrscheinlich,
wenigstens hätten wir bald genug Zuschauer gehabt -- so hatte denn das
Feuerwerk mit dieser einen Rakete ihr Bewenden. Nicht lange währte
es, dann war auch der letzte Tropfen ausgetrunken, eine fröhliche
Stimmung aber wollte nicht zum Durchbruch kommen -- als lastete etwas
drückendes auf Jedem. Keiner wußte den rechten Ton anzuschlagen.
-- Darum herrschte auch kurz darauf die frühere Stille wieder und
nur, als ich auf meinem harten Lager auf kalter Erde gebettet, den
Schlummer suchte, hörte ich den gleichmäßigen Schritt der Wachtposten
noch, bis der Traumgott auch mir die müden Augen schloß. Ein tiefer
Schlaf mußte mich doch umfangen gehalten haben, denn ich war durch den
niederstürzenden schweren Regen, sowie von dem Geräusch, welches Franke
im Kampfe mit den Ameisen im Zelt verursachte, nicht erwacht, auch
davon, daß die kleinen gereizten Thiere ihn in das Freie und zur Flucht
getrieben hatten, war mir nichts bewußt; umso überraschter aber war
ich, als am Morgen, vom Trompetensignal ermuntert, der Boden um mich
von schwarzen, einen Centimeter langen Ameisen wimmelte, die nach allen
Richtungen hin und wieder liefen und in Schaaren aus einem dicht an
der Wand errichteten kleinen Erdhügel aus- und einströmten. Ich kannte
diese Sorte zu gut, darum vorsichtig die über mich hinwegwandernden
Züge eine andere Richtung zu geben suchend, wollte ich mich erst
nothdürftig ankleiden und dann die Decken aufraffen und ins Freie zu
kommen versuchen.

Allein, schon meine Bewegungen hatten die Thierchen stutzig gemacht --
wild durcheinander im Kreise herum liefen sie und schienen eine Gefahr
zu fürchten, als wollten sie dieser Uebermacht entgegentreten, kamen
tausende aus dem Bau wie auf Kommando hervor .... Sehr beeilen mußte
ich mich, wollte ich nicht meine Sachen von den nun wüthenden Thieren
überlaufen sehen, daher erst halb bekleidet, trat ich entschlossen
mitten hinein, raffte alles auf und warf das große Bündel aus dem Zelt;
war mein Thun aber auch mit Gedankenschnelle vollführt, hatten doch die
Ameisen Zeit gefunden, am Körper hochzulaufen, wovon eine Anzahl den
Weg zur blossen Haut gefunden, die nun, als ich mich durch schnelle
Flucht den Schaaren entzogen und im Freien sie abzusuchen begann, ein
solch höllisches Kneifen auf dem ganzen Körper unternahmen, daß ich
umhersprang als würden mir hundert glühende Nadeln zugleich in die
Haut getrieben; wäre es angängig gewesen, hätte ich mich am liebsten
in den nahen Fluß gestürzt, um diese Quälgeister loszuwerden. Es war
eine entsetzliche Tortur und es dauerte einige Zeit, ehe ich mich von
den festgebissenen Thieren befreien konnte, d. h. jedes Stückchen Zeug
mußte ich ausziehen und die Ameisen aus dem Wollstoff absuchen oder
tödten.

Uebrigens erging es mehreren Herren, die ihre Zelte ganz in der Nähe
aufgeschlagen hatten, nicht besser; noch nie war ein solch Hasten
und Jagen vorgekommen -- der Europäer tanzte und schimpfte, die
schwarzen Diener sprangen wie besessen umher und alle suchten die
Boote zu erreichen. Das Beste aber kam, als die zum Zelteaufrollen
abkommandirten Soldaten diese niederlegten -- zu Hunderten liefen die
Ameisen an den nackten Beinen und Armen hinauf, plagten und bissen
die Leute fürchterlich; grotesk waren die Sprünge, welche die armen
Kerle aufführten, um nur aus dem Bereich der wüthenden Thiere zu
kommen. Obgleich nicht minder geplagt gewesen, konnte man sich doch
bei solchem Anblick nicht des Lachens erwehren, es war wirklich über
die Maßen possirlich, welche Stellungen die Leute einnahmen, wenn die
scharfen Zangen der kleinen Missethäter allerwärts die Haut zwickten
und sie sich, gleich wie bei ihren Feinden, darin festbissen. Wenn Volk
gegen Volk zum Kampfe auszieht, vieltausend Soldaten im Nahkampf gegen
einander wüthen, dann muß solche Ameisenschlacht, sofern die Thiere
empfindliche Gliedmaßen besitzen, etwas furchtbares sein, denn die
Natur hat sie mit Waffen ausgestattet, vor welchen selbst der Mensch
die Flucht ergreift! Was nun die Anwesenheit dieser ungezählten Ameisen
in den Zelten anbetrifft, so liegt die einzige Erklärung dafür darin,
daß die Thiere während der Nacht, als der starke Regen sie aus den
Bauten heraustrieb, auswanderten und natürlicher Weise Schutz suchten,
wo sie ihn fanden. Kennt man die Regsamkeit der Ameise, nimmt es kein
Wunder, daß bereits am Morgen, also nach wenigen Stunden, ein neuer
provisorischer Bau hergestellt war und das erwähnte Umherwandern im
Zelte nur den Zweck hatte, Material herbeizuschaffen, um die in Eile
geretteten Eier und Jungen wieder in warmen Zellen unterzubringen.

Die eigentliche Ursache dazu hatten wir natürlich gegeben, indem durch
das Säubern von Gras und Busch die Hügel der Ameisenhaufen blosgelegt
wurden und, wo solche hinderlich, dem Erdboden gleich gemacht wurden;
selbstverständlich unternahmen die in ihren Bauten verborgenen Thiere
nichts, solange es Tag war, zur Nachtzeit aber suchten sie den Schaden
wieder zu repariren, wobei nun der heftige Regen, der ungehindert
in Gänge und Zellen eindringen konnte, die Arbeiten unterbrach. Aus
der drohenden Ueberschwemmung galt es nun zu retten, was noch zu
retten war, und so ist es erklärlich, daß die klugen Thierchen den
nächstliegenden Schutz wählten, wo die gerettete Nachkommenschaft,
der in solchen Fällen all ihre Sorgfalt zugewendet wird, eine sichere
Unterkunft fand. Dieser Ameise gleich, die wüthend den Störer ihrer
Ruhe anfällt und Mensch und Thier zum Abzug zwingt, ist die in den
Urwäldern hausende Biene, die nur insofern schlimmer ist als man
sich der verfolgenden Schaaren nicht entziehen kann und in kurzer
Zeit furchtbar zugerichtet wird, wenn es nicht gelingt, durch rasch
entzündete Feuerbündel diese Insekten fern zuhalten.

Nicht immer ist es gesagt, daß die Bienen nur angreifen, wenn man
versucht, ihnen den aufgespeicherten Honig zu nehmen! Ein starkes
Geräusch, z. B. ein Schuß genügt, um sie zur äußersten Wuth zu
reizen und wehe dann dem Menschenkinde, das wehrlos ihren Stacheln
preisgegeben ist, -- sie sind im Stande, es vor Schmerzen wahnsinnig
zu machen, selbst es dem Tode zu überliefern --! Will der Eingeborene
einen entdeckten Bienenstock ausrauben, nähert er sich so vermummt
als möglich dem Baume in welchem der süße Schatz verborgen, setzt
ein fortwährend schwelendes Feuer daran nach der üblichen Methode[A]
und zwingt die Bienen dadurch zum Verlassen des Stockes; nach Tagen
vielleicht erst, wenn keine Gefahr mehr vorhanden ist, kann er sich
ungehindert der Arbeit unterziehen und häufig wird seine Mühe durch
eine reiche Ausbeute belohnt.

A: Siehe bei Umpassa.

Erwähnenswerth während unseres kurzen Aufenthalts in Lionde wäre noch
der Besuch des hier ansässigen Arabers Baccari ben Umari; dieser
Vertreter des Islams, der dienstwillig dem Major seine Aufwartung
machte, konnte, sofern er für unsere Sache gewonnen wurde, uns große
Dienste leisten, und wäre es auch nur dadurch, daß er hauptsächlich die
Verproviantirung des bei Mpimbi errichteten Lagers übernahm.

In dieser Voraussetzung wohl, und um zunächst nähere Erkundigungen von
dem wohlunterrichteten Manne einzuziehen, empfing der Major diesen
Araber freundlich; derselbe, ein unabhängiger Handelsmann, der, wie
sich später auswies, nichts besseres als ein Sclavenhändler war, ließ
sich auch gewinnen und mit der Unterwürfigkeit der Araber, welche zur
Schau getragen wird, wenn sie einem mächtigen einflußreichen Manne
gegenüberstehen, wußte auch Baccari den Major für sich einzunehmen,
sodaß selbst unser mit den arabischen Schlichen wohlvertraute Führer
über dessen wahren Charakter im Zweifel blieb.

Von nun an, nachdem in früher Morgenstunde die Reise flußaufwärts,
am 1. Januar 1893 wieder angetreten worden war, sollte es schneller
vorwärts gehen, und nicht mehr wie öfter geschehen, schon frühzeitig
Lager geschlagen werden, sondern nach kurzer Mittagsrast die Fahrt
wieder aufgenommen und möglichst bis zum Abend ausgedehnt werden; waren
doch die Ruderer nun eingeübt, -- auch versprach der umspringende Wind
uns die Arbeit zu erleichtern. Um Mittag dieses Tages, als wir am
rechten Ufer im dichten schattigen Busch zur kurzen Rast uns gelagert
und nach alter Gewohnheit unsere Mahlzeit eingenommen hatten, wurden
wir vom anderen Ufer aus angerufen; ein Boot darauf hinübergesandt, um
die Ankömmlinge abzuholen, hatten wir die Freude, Baccari ben Umari
wieder bei uns zu sehen. Bei der später dann erfolgten Vorstellung,
als ich Gelegenheit hatte, diesem alten Araber ins Auge zu sehen,
konnte ich mir einer Antipathie gegen denselben nicht erwehren und die
Zusicherung, welche er abgab, mir immer, wenn ich erst wieder in Mpimbi
eingetroffen sein werde, Naturprodukte und Vieh, nach Bedarf senden zu
wollen, worüber der Major ein festes Abkommen mit ihm getroffen, wollte
mir als eine Heuchelei erscheinen. Das schlummernde Vorurtheil gegen
diese Menschenrace war es gewiß nicht, was mein Urtheil beeinflußte!
Indeß, die Zukunft mußte es ja ausweisen, -- vorläufig empfing der
Heuchler reiche Geschenke, als einen arabischen Kaftan etc. und nahm
Abschied mit der Würde eines Mannes, dem sein gegebenes Versprechen
unter allen Umständen heilig ist; man hätte meinen können, daß
dieser Mohamendaner dem Giaur (Ungläubigen) gegenüber wirklich sich
verpflichtet fühlte, das gegebene Wort einzulösen!

Das abwechselnd bald weite, bald eingeengte Flußbett, zeigte sich von
nun an je nachdem flach oder tief; die Ufer namentlich das Linke, waren
flacher und niedriger und ließen den Blick über weite Grassavannen,
mit nur vereinzelten Fächerpalmen oder anderen Bäumen bestanden,
darüber hinschweifen, seltener waren Bananen-Anpflanzungen; wo sich
aber solche zeigten, war immer ein kleines oder größeres Dorf dahinter
erbaut. Hingegen das rechte Ufer, meistens hoch und steil, bot ein Bild
üppigster Vegetation, oft war daher von einem verdeckt liegenden Dorfe
nicht eher was zu sehen, als bis wir querab waren, oder die neugierigen
Eingebornen sich am Ufer zeigten.

Die Gefahr auf Sandbänke oder verdeckte Untiefen zu laufen verminderte
sich ebenfalls, und zeitweise mit leichtem günstigen Wind, der unsere
Segel schwellte, kamen wir ungehindert vorwärts. Am Abend dieses ersten
Januars lagerten wir am linken Ufer in der Nähe eines kleinen Dorfes;
kaum jedoch hatten wir notdürftig unsere Zelte aufgeschlagen, als ein
ausbrechendes Gewitter eine solche Regenfluth auf uns niedersandte,
daß in kurzer Zeit alles unter Wasser gesetzt wurde, und wir uns aus
dieser Ueberschwemmung nur zu retten wußten, indem schnell Abzugsgräben
aufgeworfen wurden, in welchen das Wasser ablaufen konnte. Eigentlich
hatten wir das Lager auf einem verfallenen Kirchhof aufgeschlagen, denn
obwohl umgeben von Hütten, zeigten sich beim Niederschlagen des hohen
Grases doch vereinzelte Gräber; auffällig aber war, daß wir hier ein
arabisches Grabmal fanden, dessen flache gemauerte Platte mit erhöhten
Seitenrändern, am Kopf und Fußende hochgewölbt, noch ziemlich gut
erhalten schien. Solche Nachbarschaft kümmerte uns indes wenig, ein
Jeder war nur zufrieden es sich in seinem Zelte für die Nacht so bequem
als möglich zu machen.

Hatten wir bisher auch nur vereinzelte Crocodile bemerken können, weil
diese im dichten Ufergebüsch verborgen lagen, so zeigte es sich am
nächsten Tage, daß sie doch zahlreich hier vertreten waren. Wie wenig
Scheu die Thiere vor den Menschen haben bewies der Umstand, daß wir sie
häufig kaum zwanzig Meter vom Ufer entfernt, einem Dorfe gegenüber,
in aller Ruhe liegen sahen und gemüthlich in heißer Sonnengluth dem
Schlafe sich überließen. Was will der Eingeborne dagegen thun! er muß
die Unholde, die ihm Weiber und Kinder gelegentlich wegrauben, ruhig
gewähren lassen; seine Waffen, welche er besitzt, schaden dem Thiere
absolut nichts, auf der Panzerhaut prallt jeder Pfeil machtlos ab,
selbst sein Speer, wenn er es damit erreichen könnte, wäre nur ein
Objekt mit dem er es verscheuchen würde, dieser ist ihm aber ein zu
werthvoller Gegenstand, als daß er solchen aufs Ungewisse verwerfen
sollte. Den einzigen Schutz, wie wir von nun an häufiger bemerken
konnten, hat er sich gegen die Räuber dadurch geschaffen, daß er ein
mehr oder weniger festes Gehege aus eingerammten Stützen, verbunden mit
Rohr oder dünnen Zweigen, hergestellt hat, durch welches es dem Thiere
nicht leicht wird, hineinzukommen.

Solche abgegrenzte kleine Wasserfläche dient dann als Badeplatz etc.
und verhältnißmäßig sicher kann sich der Eingeborne dem Wasser nähern
und nach Belieben schöpfen, baden und spielen; ihre Sorglosigkeit
aber geht zuweilen doch soweit, daß sie nicht darauf achten, ob
auch nach langer Zeit das Geflecht unter Wasser noch immer fest und
sicher ist, und es dem wachsamen Crocodil nicht doch möglich gewesen
ist hineinzukommen, -- bis unerwartet Einer der Ihrigen verschwindet
auf Nimmerwiedersehn, -- dann ist das Lamentiren groß und dann erst
bequemen sie sich den Schaden auszubessern.

Ein Mittel, wie mir mitgetheilt wurde, giebt es selbst in höchster Noth
noch dem Rachen des Crocodils zu entfliehen, wenn nämlich der Erfaßte
tief im Wasser noch Geistesgegenwart genug besitzt, es anzuwenden,
was bei gefaßten Frauen und Kindern indes ausgeschlossen ist; da in
den meisten Fällen der Räuber sein Opfer an den Beinen wegzureißen
oder auch bei gebückter Stellung einen Arm zu fassen sucht, so kann
namentlich im letzten Falle, wenn dem Verunglückten nicht vor Schreck
die Besinnung verläßt, es diesem gelingen mit der noch freien Hand die
Augen des Unthieres zu suchen, und fest die Finger in eines derselben
hineinbohrend, wird das Crocodil vom Schmerz geplagt den Rachen öffnen
und sein Opfer freigeben. Jedoch nur in den seltensten Fällen wird dem
Kühnen seine Verzweiflungsthat das Leben retten, es sei denn, daß es
ihm gelingt, den Räuber auf beiden Augen zu blenden; aber ob auch dies
einzige Mittel den Eingebornen bekannt ist, habe ich doch nirgendwo
gehört, daß einem Unglücklichen es gelungen sei, auf diese Weise dem
furchtbaren Crocodil zu entrinnen.

Eine Lust war es, im kühlen Schatten des hohen Ufergebüsches und
unter den weit über das Wasser hinwegragenden Zweigen dichtbelaubter
Bäume hinziehen zu können, dazu der günstige Wind, der unsere Segel
füllte und gleichfalls erfrischende Kühle spendete, sodaß wir, da die
Sonnengluth weniger lästig, dies herrliche Bild einer wilden Natur
in seiner ganzen Schönheit aufzufassen vermochten, umsomehr, als
die Aufmerksamkeit nicht durch vorausliegende Untiefen oder anderen
Hindernissen abgelenkt wurde und man den Zauber dieser wilden Urnatur
ganz auf sich einwirken lassen konnte. Herrliche Uferpartien, dicht
verschlungene Gebüsche und Bäume, die wie ein Netz ihre Luftwurzeln
zur Erde senkten, die Maschen von blühenden Lianen gewoben und bis in
die Kronen hinauf gleich lebenden Fäden alles umwunden, zogen vorüber;
selbst idyllische Waldpartien, über die sie umwogende Grasmassen hoch
emporragend, boten viel Anziehendes, sodaß man ungern den Blick davon
abwendete.

Aber bei näherer Anschauung oder einem Versuch durch diese Wildniß
vordringen zu wollen, würde sich die Poesie des schönen Bildes bald
verlieren, die Anstrengungen und Mühen, welche solch Unternehmen
kosten, würden sehr bald dieses des äußeren Reizes entkleiden und
die anfängliche Begeisterung in das Gegentheil umwandeln. Dieses zu
erfahren hatten wir Gelegenheit, als eine kleine Heerde stattlicher
Antilopen (Kudus) zwischen den Waldlichtungen sichtbar wurde, der
nahe zu kommen alle Theilnehmer, des vom Major sofort eröffneten
Jagdzuges, sich vergeblich bemühten; Sümpfe und undurchdringlicher
Busch verhinderten, der sich langsam zurückziehenden Heerde zu folgen;
auch eine von de la Fremoire und anderen unternommene Umgehung erwies
sich als nutzlos; zerrissenes Zeug, voll Wasser gefüllte Stiefel war
das ganze Ergebniß des kurzen aber anstrengenden Jagens.

Ueber die zurückgelegte Distanz im Ungewissen, erwarteten wir bei
jeder Biegung des Flusses die weite Wasserfläche des Malombwe-Sees
vor uns liegen zu sehen, aber ob auch der Eine oder Andere die Masten
hinauf kletterte um Umschau zu halten, wollte doch nicht das gesteckte
Ziel dieses Tages in Sicht kommen, selbst nach der im schattigen
Buschwald verbrachten Mittagspause verging Stunde um Stunde, bis
endlich gegen Abend die Ufer weit zurücktraten, die niedrig und mit
hohem Schilf bewachsen, das bis weit in das Wasser hineinreichend
sumpfige Niederungen vor diesen vermuthen und ein Landen schier
unmöglich erscheinen ließ. Die Station Werra hatten wir schon passirt
-- nun noch eine kleine Flußbiegung und vor uns lag die ruhige Fläche
des Malombwe-Sees! Da aber seine Ausdehnung zu groß ist, um die Ufer
erkennen zu können, so schienen die fast den ganzen See umschließenden
Bergketten direkt aus dem Wasser emporzustreben, deren vielfach
gestalteten Kuppeln auf eine ununterbrochene Felsenmasse angethürmt,
erst in weiter Ferne, wo sie sich senkte, vermuthen ließ, das der
Schire dort vielleicht seine Fortsetzung haben werde.

Eine Landung an dem Orte zu versuchen, an welchem wir uns befanden war
ausgeschlossen, daher ohne einen Versuch zu machen, wurde der Befehl
zur Umkehr gegeben und an der sandigen Uferstelle vor der Station Werra
gelandet, die etwas landeinwärts auf einem erhöhten Punkte, bestanden
mit mächtigen breitästigen Tamarindenbäumen, angelegt ist. Ihren Namen
soll diese von dem eine Strecke flußabwärts liegenden großen Dorfe
Werra erhalten haben; sie ist nur von einigen schwarzen Soldaten und
deren Familien bewohnt und hauptsächlich als eine Uebergangsstation
zu betrachten, denn die kleinen Erdwälle und Gräben ohne jegliches
Verständniß hin und wieder aufgeworfen, verfallen und zur Vertheidigung
ungeeignet, würden einem zahlreichen Feinde schwerlich am Vordringen
abhalten. Eigentlich, wie mir mitgetheilt wurde, ist diese Station
neutrales Gebiet, auf welchem vorkommende Zwistigkeiten zwischen den
umwohnenden Häuptlingen von dem Verwalter der Station Fort Hohnston
geschlichtet werden und die Besatzung vornehmlich die Aufgabe zufällt,
die ausgeschriebenen Kopfsteuern in Landesprodukten einzutreiben.

Den Umständen gemäß hatten wir hier ein bequemes Nachtlager gefunden,
was um so schätzenswerther war, als der nächste Tag voraussichtlich
viel Arbeit bringen würde, da wahrscheinlich kein Landen eher möglich
sein würde, als bis wir den am Nordende des Sees einmündenden Fluß
wieder erreicht hätten, und was das Ungemüthlichste, schwerlich vor
dieser Zeit etwas würden genießen können.

Früher als gewöhnlich blies am Morgen des 3. Januar der Trompeter die
Reveille. Ein Jeder, darauf bedacht, vor der Abfahrt noch einen Becher
voll Kakao oder Kaffee zu erhalten, beeilte sich desto mehr fertig zu
werden, denn Rücksicht wurde auf Keinen genommen. Jeder mußte, sobald
die Musterung der Soldaten vorüber, das Signal zur Abfahrt gegeben,
bereit sein, seinen bestimmten Platz einzunehmen. Laut einer Verfügung
des Majors hatte Leutnant v. Bronsardt, der auf dem Landwege früher in
Fort Johnston eintreffen konnte als wir, von dort nach Werra einige
mit dem Malombwe-See bekannte Leute zu senden, die auch, da selbe sich
sehr beeilt hatten, tagszuvor eingetroffen waren, und nun auf den
Booten als Führer vertheilt, wurden nach ihrer Anweisung die Fahrzeuge
dirigiert. Je näher wir dem See kamen, desto weiter dehnte sich der
Fluß aus und fast gewann es den Anschein, als ergieße sich derselbe
hier in den See -- von einer Strömung war bei der großen Breite und
Tiefe nichts mehr zu bemerken und daher kamen wir auch ziemlich schnell
vorwärts. Eine ganze Strecke bei sich gleichbleibender Tiefe, waren wir
in den spiegelglatten See hineingefahren -- zur Linken, wo das Land im
Halbkreis den See umschließt blieb das Wasser klar und behielt seinen
grünlichen Schimmer, dagegen zur Rechten und Voraus nahm es eine graue
Färbung an aus einem Grunde, der uns noch unbekannt war, bald aber
als ein Hinderniß auftreten sollte, das zu überwinden wir gewaltige
Anstrengungen machen mußten.

Immer dieselbe Richtung nordwärts einhaltend, glaubte ich anfänglich,
daß wir in gleicher Weise quer durch den See hinfahren könnten,
allein, sobald die genaue Färbung des Wassers als darunterliegender
Schlamm erkannt wurde, mußte der Kurs ostwärts, mit dem rechten Ufer
gleichlaufend, geändert werden, in welcher Richtung, nach Angabe
unserer Lootsen, noch das tiefste Wasser zu finden sei. Der Kiel des
Bootes, da die Wassertiefe nur noch zwei und einen halben Fuß betrug,
wühlte die leicht-bewegliche Masse auf, so, daß in der Kiellinie
ein schmutzig gelber Streifen hinter uns verblieb, der mithin
sichtbar den Weg erkennen ließ, welchen wir genommen. Ebenso wurden
mit jedem Ruderschlage die Schlammmassen aufgewühlt, in denen durch
das klatschende Geräusch erschreckt, fortwährend eine beträchtliche
Anzahl großer und kleinerer Fische vor dem Bug des Bootes hin- und
herschossen; konnten diese nicht ausweichen, weil ihre Bewegungen
ziemlich langsam waren, dann vergruben sie sich plötzlich in die
weiche Masse und entzogen sich dadurch dem vermeintlichen Verfolger.
Ausnahmlos war es eine Art Sumpffisch, ähnlich unserem Wells oder auch
dem sogenannten Katfisch; ein flacher breiter Kopf, die Kinnladen mit
Bartfasern besetzt, der Körper langgestreckt von heller gelblicher
Färbung, konnte man diese zu derselben Gattung zählen, welche ich
früher schon im untern Schire oder später im Nyassa-See zu fangen
Gelegenheit gehabt habe. Höchst verwundert über eine solche Versumpfung
des ganzen Malombwe Sees, äußerte sich Major von Wißmann dahin,
daß eine solche erst im Verlaufe der letzten zehn Jahre allmählich
eingetreten sein kann, denn er habe vor dieser Zeit, als er von der
Westküste kommend und den Kontinent durchquert hatte, diesen See tief
und klar gefunden, und diese Angaben bestätigten sich auch, indem
wir überall eine durchschnittliche Tiefe von zehn Fuß fanden. Es war
nämlich leicht genug eine Bambusstange bis auf den Grund durch den
Schlamm hindurchzustoßen, nur das zurückziehen wurde schwerer, weil
die bindende Masse in der Tiefe durch den Druck der oberen Schichten
fester und zäher geworden war. Uebrigens erwies sie sich als eine
Thonablagerung und es liegt die Vermuthung nahe, daß dieselbe in
ihrem Fortbestand im Laufe der Zeiten diesen großen See schließlich
zum größten Theil in festes Land umwandeln muß, durch welches der
Schirefluß sich eine Straße offen halten wird.

Auf die Ursache dieser ungewöhnlichen Erscheinung werde ich später bei
der Beschreibung des Nyassa Sees eingehend zurückkommen, vorläufig nur
sei erwähnt, daß dieses Material von den zahlreichen Gebirgsbächen
und einiger größerer Flüsse, welche in den Nyassa münden, in diesen
hineingeführt wird und durch Strömungen, zum Abschluß des ungeheuren
Sees, dem Schirefluß, geleitet, hier im ausgedehnten flachen Bette des
Malombwe durch wohl unerklärliche Umstände, jedenfalls durch eine zu
schwache Strömung in diesem See in letzter Zeit abgelagert wurde.

Man hätte meinen sollen, die weiche Masse unter uns könne die Boote
am Fortkommen nicht sonderlich hindern, indes, als wir nach einiger
Zeit nur noch zwei Fuß Wasser fanden, mußten wir die Erfahrung machen,
daß dieselbe sich am Boden festsetzte, sodaß durch Rudern oder
Schieben nicht mehr weiter zukommen war. Stundenlang arbeiteten wir
in heißer Sonnengluth mit aller Anstrengung um hindurchzukommen, aber
es wollte nicht gehen, auch der Wind, der in diesem Fall unser bester
Verbündeter hätte sein können, wehte, als er endlich aufsprang, aus der
entgegengesetzten Richtung und, als schließlich um ein Uhr Nachmittags
an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken war, beorderte der Major die
kleineren Boote längsseit, um eine Erleichterung des großen Fahrzeuges
vornehmen zu lassen.

Auch dieses Mittel erwies sich als nutzlos, konnten doch die schon
schwerbeladenen Boote nur noch wenig aufnehmen, selbst das Kanoe wurde
mit Mehlsäcken beladen, um sein Theil zur Erleichterung beizutragen,
-- aber trotzdem blieb ein erneuerter Versuch eine vergebliche Mühe.
Nun erhielten unter meiner Führung die kleineren Boote den Auftrag,
nach allen Seiten hin die Wassertiefe zu untersuchen, ob nicht doch
noch ein Ausweg zu finden sei; die Behauptung der Lootsen, daß es
zu beiden Seiten noch viel flacher wäre, wollte uns nicht recht
einleuchten, -- doch alles Suchen war Zeitverschwendung, es gab nur die
eine Fahrstraße und diese erwies sich für das große Boot als zu flach!

Thatenlos nach so großer Anstrengung hier mitten im See sitzen zu
bleiben und vielleicht auf günstigen Wind zu warten, der allein im
Stande war, uns aus diesem Dilemna zu befreien, war des Majors Absicht
nicht, auch solches geduldige Abwarten seiner Natur entgegen, darum,
nun einmal nicht weiter zu kommen war, beschloß er, das große Boot
unter Aufsicht von Dr. Bummiller und +de la Fremoire+ sitzen zu
lassen und mit den drei kleineren den Versuch zu wagen, ob nicht Land
zu erreichen sein werde. Schwer war dieses Unternehmen nicht; sobald
einmal der Schlammgürtel hinter uns lag, hatten wir freies Wasser, auch
betrug die Distanz bis zum nächsten Ufer höchstens sechs englische
Meilen, aber der Umstand, daß wir am östlichen Ufer überhaupt nicht
landen durften, war das Mißliche unserer Lage. Die feindlich gesinnte
Bevölkerung dieser Gegend, welche sich bisher unter die Botmäßigkeit
der Engländer nicht hat stellen wollen, verwehrte jeden Durchzug durch
ihr Gebiet und wehrte mit Waffengewalt jedes Unternehmen der Art, sodaß
der Malombwe-See nur an der westlichen Seite von Fußgängern umgangen
werden konnte. Gewiß waren wir stark genug, einen Angriff abzuschlagen
und eine verweigerte Landung zu erzwingen, -- doch nur eine zwingende
Nothlage hätte einen Kampf, wie solcher wahrscheinlich unausbleiblich
gewesen wäre, in den Augen der Herrn Engländer rechtfertigen können;
sie hätten sicherlich die Alarmtrommel gerührt und das anmaßende
Benehmen der Deutschen, auf ihrem Gebiet Kämpfe zu führen, mit echt
englischer Unverfrorenheit gegeißelt.

Alle solche unliebsamen Verwickelungen zu vermeiden, war natürlich des
Majors Bestreben, daher auch von vornherein ausgeschlossen, was solche
herbeiführen konnte. --

Wie immer, so wurden auch jetzt die gegebenen Befehle prompt und
schnell ausgeführt; bald lag das große Boot weit hinter uns und wir
folgten jener Richtung, in welcher ich, auf Rekognoszirung ausgesandt,
das tiefste Wasser gefunden hatte, wobei ich einen hohen Bergrücken
in der Ferne, der die Form eines langgestreckten Sattels hatte, als
Richtobjekt im Auge behielt.

Schon nach halbstündigem kräftigen Rudern hatten wir uns
durchgearbeitet und vor uns lag ein tiefer, breiter Wassergürtel, der
nordwärts, wohin unser Weg lag, kein Hinderniß aufwies, ebenso nach dem
Lande zu in gleicher Weise sich ausbreitete, nur, wie es den Anschein
hatte, waren dort die Ufer niedrig und flach, sodaß an den meisten
Punkten ein Landen wohl mit einigen Schwierigkeiten verknüpft gewesen
wäre. Mit der Kursänderung, von Ost nach Nord, hatte ich gehofft,
würde sich Gelegenheit bieten, eine weite Strecke segeln zu können,
aber der frisch wehende Wind änderte seine Richtung nach +NNO+
und durch den schnell aufgewühlten Seegang wurde uns das Fortkommen
sehr erschwert. Die kleinen, tiefbeladenen Boote, die im aufgeregten
Wasser auf- und niederstampften, konnten bald nicht mehr folgen, -- das
Kanoe hatte sich schon dem Lande zugewandt und suchte unter dem Schutz
des Ufers besser fortzukommen, -- da, als die Boote immer mehr Wasser
schöpften und ein Sinken nicht unmöglich schien, weil wir dasselbe
nicht so schnell ausschöpfen konnten, gab ich dem großen Boote, worauf
sich der Major befand, das Nothzeichen, und bald darauf längsseit
gekommen, wurden diese nach Möglichkeit entlastet. Auch dem Kanoe,
das zu tiefbeladen war, sollte Unterstützung werden, allein, dieses
beachtete die abgegebenen Signale nicht, strebte vielmehr nach dem
Lande zu, bis der Major des Wartens überdrüssig, die Fahrt fortzusetzen
befahl. Leider wußten wir es nicht, daß das Kanoe, als es hinter eine
vorspringende Landzunge verschwunden war und im flachen Wasser vorwärts
zu kommen versuchte, von den am Ufer sich sammelnden Eingebornen
angegriffen wurde, die dieses zwangen, aus dem Bereich der feindlichen
Schußwaffen zu bleiben, wodurch es genöthigt wurde, das tiefe Wasser
wieder aufzusuchen und hier selbstverständlich gegen Wind und See nur
äußerst langsam weiterkommen konnte. Die abgegebenen Nothsignale hatten
wir der großen Entfernung wegen nicht gehört, waren daher auch in
völliger Unkenntniß von der Gefahr geblieben, welcher sich unser Artist
Herr Franke ausgesetzt hatte. Nach vierstündiger mühevoller Fahrt
näherten wir uns endlich dem Nordende des Sees und je näher wir der
Einmündung des Schire kamen, die wie ein schmaler blauer Wasserstreifen
von uns sichtbar wurde, desto ruhiger wurden die bewegten Wellen, sodaß
die Boote schneller vorwärts kamen und die ermatteten Leute nicht mehr
so angestrengt zu rudern brauchten. Indeß beim Näherkommen bemerkten
wir erst die im weiten Kreise vorgelagerten Grasinseln, zwischen
denen hindurch zukommen, da sie auf einer vorgelagerten flachen Barre
festlagen, uns nicht gelingen wollte. Um das große Boot zu entlasten,
wurde jeder Mann in das Wasser geschickt, aber ob wir auch mit aller
Anstrengung schoben, selbst den Sand unter dem Boote wegzuschaffen
suchten, mißlang es doch. An jeder freien Stelle, wo Aussicht vorhanden
schien, noch durchzukommen, wurde der Versuch erneuert, jedoch immer
wieder mußten wir zurück. --

Gleich anfangs hatte ich den Auftrag erhalten, die Wassertiefe überall
zu untersuchen, aber mir wollte es auch nicht gelingen, irgendwo
eine Passage aufzufinden, die tief genug gewesen wäre für das große
Boot, bis ich schließlich, innerhalb des weiten Beckens, wo bedeutend
tieferes Wasser, so weit nach Westen zu mit einem der kleinen Boote
vorgedrungen war, daß ich es kaum noch für möglich hielt, hier einen
Ausweg zu finden. Ein abgegebenes Signal hieß mich zum außerhalb der
Barre umhersuchenden Boote zurückkehren und deshalb, die weitere
Untersuchung aufgebend, glaubte ich schon einen Mißerfolg melden
zu müssen, als ich doch noch auf dem Rückwege unter den äußersten
Grasinseln einen schmalen Kanal entdeckte, der sich als tief genug
auswies, hier das Boot hindurchzubringen. Vorher, als alles Suchen und
Mühen vergeblich gewesen war, drängte sich in mir die Ueberzeugung
auf, daß der projektirte Bau des Schiffes in Mpimbi an ein solches
Hinderniß scheitern müsse, -- wie wollten wir wohl das wahrscheinlich
noch tiefer gehende Schiff über solche Barre hinwegbringen, da uns
doch keine Mittel zu Gebote standen, nöthigenfalls einen Kanal durch
diese Barriere graben zu können. Mit der Auffindung einer Fahrrinne
schwand nun diese Besorgniß und zum Boote zurückgekehrt, konnte ich die
Mittheilung machen, daß ein Ausweg gefunden sei.

Längst schon war hinter dem dicht an den See herantretenden Höhenzug,
dessen zerklüftete Gipfel gleich einer starren Felsenmasse kahl in
die Lüfte hineinragten, die Sonne verschwunden, ihre letzten Strahlen
umspielten mit schwachem Scheine nur noch die höchsten Spitzen,
und bald mußte die frühe Nacht hereinbrechen; über uns aber stand
schwarzes Gewölk, das am Horizont graugelb gefärbt dem Kundigen den
heraufziehenden Sturm anzeigte. -- Ueberraschte uns das Unwetter
noch auf dem Wasser mußte die Situation höchst ungemüthlich werden,
wozu alle Aussicht vorhanden, als wegen der schnell hereinbrechenden
Dunkelheit die zahlreichen Untiefen innerhalb der Barre nicht mehr zu
erkennen waren und wir alle Augenblick mit dem großen Boot festsaßen.
Schließlich aber kamen wir doch hindurch, und uns plötzlich in der
tiefen Schiremündung befindend, strebten wir dem rechten Ufer zu,
um auf der äußersten, ganz flachen, mit Rohr und Gras bewachsenen
Landspitze zu landen. Wohl hätte das gegenüberliegende Ufer unserem
Zwecke viel besser entsprochen, weil es bedeutend höher und
trockener war, Baum und Strauch auch Schutz geboten hätten, indeß
die Vorsicht gebot eine Landung hier zu unterlassen, da es immerhin
nicht ausgeschlossen war, daß unter dem Schutze der Dunkelheit von
feindlicher Seite ein nächtlicher Ueberfall ins Werk gesetzt werden
könnte, der uns freilich nicht überrascht, aber doch eine unliebsame
Störung verursacht hätte.

Sofort nach der Landung war die Aufrichtung der Zelte das nächste und
Jeder griff zu, die schützende Leinwand am Erdboden mittelst Pflöcke zu
befestigen, während Soldaten und Diener unter Aufsicht eines Europäers
Kisten und Kasten nach der trockensten Stelle hinschleppten und
aufstapelten, denn laut Befehl des Majors sollten alle Boote möglichst
schnell entlöscht und zu der am nächsten Morgen beabsichtigten Aktion,
dem verlassenen Boote Hilfe zu bringen, bereit gehalten werden.
Schneller aber brach das Unwetter über uns herein! Mit dem ersten
gewaltigen Windstoß, der die erst halb aufgerichteten Zelte wieder
niederriß, stürzte die Regenfluth derartig hernieder, daß wir im
Augenblick vollständig durchnäßt waren und gegen den heulenden Wind die
flatternde Leinewand zu bergen suchten; auch glich der Erdboden um uns
bald einem Teich, es hatte den Anschein, als wäre der Fluß ausgetreten,
weil das mit dem Niveau des Flusses fast gleich hoch liegende Land
schon vollständig durchtränkt, kein Wasser mehr aufnehmen konnte.

Zu all den Widerwärtigkeiten, welche uns dieser Tag schon gebracht
hatte, kam nun noch das Schlimmste, daß wir kein Feuer anzünden
noch irgendwie Aussicht hatten, etwas Warmes genießen zu können,
denn Brennholz hatten wir nicht und schwerlich war auf dieser öden
Landspitze solches zu finden, -- trockenes Rohr und Gras zwar
hätte schon genügt, aber auch dieses war nun durch den heftigen
Regen unbrauchbar gemacht. Endlich, als das Mannschaftszelt wieder
aufgerichtet war, neben das des Majors vorläufig das Einzige, und die
nothwendigsten Arbeiten beendet waren, konnten wir daran denken, dem
knurrenden Magen, der den ganzen Tag gefastet, zu befriedigen; trockene
Bisquits zwar und kalte Konserven, wozu ein gespendeter Cognac kam,
mußten genügen, aber es war doch wenigstens etwas, um die Lebensgeister
wieder anzuregen.

Zum Glück zog mit dem heftigen Wind auch die Regenfluth bald
vorüber, -- und es konnte nun an die Aufrichtung einer Signallaterne
gedacht werden, die dem einsam in dunkler Nacht auf dem weiten
See umherirrenden Canoe als Wegweiser dienen sollte, aber ob auch
Minutenlang das flackernde Licht im Winde aufblitzte, wollte es doch
nicht gelingen, die Laterne brennend zu erhalten, soviel Vorsicht auch
dagegen angewendet wurde, -- unsere Zeltlaternen waren eben nicht dazu
eingerichtet, im Winde zu brennen. Große Besorgniß um das Schicksal der
Insassen des Canoes, von denen immer noch kein Lebenszeichen bemerkt
werden konnte und die unzweifelhaft vom Sturm und Regen überrascht
worden waren, erfüllte Jeden; verschiedentlich patroullirte ich am
Seeufer hin und her, in die Nacht und Dunkelheit hinaus horchend, ob
nicht ein Ruf oder Schuß zu hören sei, -- war es doch kein Kinderspiel,
in einem ausgehöhlten Baumstamm ohne jegliche Seitenstützen auf dem
wildbewegten See umherzuirren. Und wenn ich meiner Befürchtung hätte
Worte leihen sollen, würde ich wenig Hoffnung haben geben können, daß
die Vermißten solches Unwetter glücklich überstehen würden, zumal das
Canoe mit etwa dreißig Säcke Ugali (Maismehl) beladen worden war, fast
unser ganzer Vorrath, auch mußte die Ladung dieses ungelenkig und
ungeeignet machen, Sturm und Seegang zu überdauern.

Stunden voll ängstlicher Spannung gingen hin, jedes entfernte Geräusch
ließ uns auffahren, wenn aber die ausgestellten Posten befragt wurden,
hieß es immer wieder, es ist nichts zu hören, und jeder Rapport, der
dem Major abgestattet wurde, mußte verneinend lauten. Hätte ich nicht
die Nutzlosigkeit, in dieser rabenschwarzen Nacht mit einem Boote auf
den See hinauszufahren, eingesehen, würde ich längst einen Versuch
unternommen haben, -- aber leider war die Aussicht vorhanden, selbst
irre zu fahren, -- in welcher Richtung auch sollte ich die schon halb
Aufgegebenen suchen. Auch Signalschüsse wurden in Zwischenräumen
abgegeben, da wir vergebens bemüht gewesen, Haufen von Rohr zu
entzünden, um Leitfeuer am Seeufer aufflammen zu lassen, -- alles
vergeblich, keine Antwort kam; nur der wieder beginnende Regen war wie
ein leises Rauschen vernehmbar, sonst drang kein Ton durch die tiefe
Stille zu uns herüber.

Es verursacht ein eigenes peinliches Gefühl, solch' unbestimmtes
Warten -- zumal, wenn man mit dem Tode, als einen Faktor zu rechnen
hat, der einmal da ist und sich durch keine findige Klügelei aus
der Lebensrechnnng wegstreichen läßt, und in diesem Falle stand ein
Gefährte zwischen den Faktoren Leben und Tod -- nach welcher Seite
hatte das Zünglein der Wage sich geneigt? Das war eine stumme Frage an
das Schicksal, die die nächste Stunde beantworten mußte; denn entweder
bald oder niemals sahen wir die Vermißten wieder. So floh die flüchtige
Zeit dahin -- im ängstlichen Harren für uns eine Qual -- für die
draußen auf dem weiten See mit der tiefen Dunkelheit noch Kämpfenden
eine Ewigkeit....

Wie eine Erlösung klang endlich der Ruf des äußersten Postens »es seien
drei Schüsse gefallen« zu uns herüber, und zum Ufer eilend, horchten
wir in die Nacht hinaus, konnten aber nichts mehr vernehmen; hätte der
Posten nicht so fest an seine Behauptung gehalten, wir würden geneigt
gewesen sein, es als eine Täuschung anzusehen, die aber hinfällig
werden mußte, wenn man in Betracht zog, daß das Gehör eines Schwarzen,
der Posten war ein Zuluneger, viel feiner ausgebildet ist als das
unsrige, wenigstens durch ein freies Leben in der Natur die schwachen
Laute viel besser unterscheiden konnte wie wir. Zweifellos mußte der
Mann etwas vernommen haben, das nur als ein Nothsignal aufzufassen war,
und von unserer Seite nun drei Schüsse abfeuernd, war es nach einiger
Zeit wieder derselbe Posten, der eine Antwort vernommen haben wollte;
während andere nur ein sehr schwaches Geräusch wie aus weiter Ferne
gehört hatten.

Zunächst nun wurde nochmals der Versuch gemacht, an unserer längsten
Stange die Laterne wieder aufzurichten, hatten auch die Genugthuung,
wenigstens eine Zeitlang dieselbe brennen zu sehen, obgleich das stark
flackernde Licht blos einen unsicheren Schein abgab -- wir thaten
wenigstens, was wir thun konnten, um den Verirrten einen Anhaltepunkt
zu geben, wohin sie, wenn überhaupt das schwache Licht sichtbar für sie
sein sollte, ihr Fahrzeug lenken konnten.

Das unthätige zweifelhafte Warten wollte mir nicht recht in den Sinn
und trotzdem ich nicht gewußt, wohin in solcher Dunkelheit ich mein
Boot hätte lenken sollen, kam doch immer wieder das innere Drängen,
hinausfahren zu müssen und sei es aufs Geradewohl; auch konnte ich
mir es wohl am besten vorstellen, in welcher Verfassung sich die fünf
Menschenkinder befinden mußten, waren es doch bereits fünfzehn Stunden,
daß sie in solcher engen Nußschale Sonne, Sturm und Regen ausgesetzt
gewesen.

Einmal entschlossen, Hilfe zu bringen, wenn es mir gelingen sollte das
Canoe aufzufinden, hatte ich die Erlaubniß dazu vom Major einzuholen;
eine solche wurde mir auch sofort gegeben mit der Bemerkung: Sie wollen
wirklich in dieser Nacht hinaus, -- nun das ist recht, -- aber vor
allen Dingen seien Sie vorsichtig.

Mit dem Boote, mit welchem ich die Fahrt unternehmen wollte, hatte es
übrigens keine Noth; mit Luftkästen versehen, konnte ich in demselben
jedem Unwetter trotzen. In der Voraussicht, daß die gewaltigen Seen
Inner-Afrikas nicht die ruhigen Wasserflächen sind, wie sie nach
Ansicht von Laien aufgefaßt werden, hatte ich neben der Zerlegbarkeit
auf die Sicherheit der Schiffsboote bei der Herstellung derselben
Bedacht genommen, und deshalb alle drei so konstruiren lassen, daß
eine Gefahr des Untersinkens bei gewöhnlicher Belastung so lange
ausgeschlossen war, als die luftdichten Behälter intakt blieben.

Da wie immer bei dieser Expedition alles bereit war, bedurfte
es nur eines Kommandos und in wenigen Minuten schon schwamm ich
auf der dunklen Fluth. Meine Aufgabe war es ja, speziell den
Wasserverhältnissen des Schireflusses genaueste Beachtung zu schenken,
deshalb bei der schwierigen Durchfahrt am Abend, hatte ich mir
verschiedene Objekte, als festliegende Grasinseln, zwischen denen ich
die tiefste Wasserrinne wieder aufzufinden im Stande sein würde, genau
bemerkt. Demnach suchte ich auch in dieser Dunkelheit mich darnach zu
orientiren, wobei die Falkenaugen der Bacharias, von denen ich fünf
Mann mitgenommen hatte, mir wesentliche Dienste leisteten. Ich war
bestrebt nach Süden zu die Barre mit dem Boot zu passiren, indem ich
nach dieser Richtung hin am ersten das Canoe zu finden vermeinte,
allein ein gefallener Schuß, der hier auf dem freien Wasser deutlich
vernommen wurde und ganz von der rechten Seite, also westwärts,
herübertönte, ließ mich diese Absicht aufgeben, obgleich es mir nicht
recht einleuchten wollte, wie das Canoe soweit nach jener Richtung
hin hätte fahren können; es war demnach an der Barre vorbei dem hohen
Gebirgszug, der die westliche Seite des Sees begrenzte, zugesteuert.
Zweifeln konnte ich aber nicht, denn der leichte Wind, der von den
Bergen herüberwehte, hatte mir den scharfen Knall eines Mausergewehres
zugetragen, ich wußte mithin, daß nach jener Seite das Canoe oder
wenigstens die Vermißten zu suchen seien.

Anfänglich noch schimmerte das Laternensignal durch die Nacht und
ich konnte an der geschätzten Entfernung ermessen, wie weit das Boot
ungefähr vom Lande entfernt sei, hatte an dieses, da vom flachen Lande
absolut nichts zu sehen war, wenigstens einen Anhalt, der es mir
ermöglichte, annähernd die Richtung einzuhalten. Plötzlich verschwand
aber auch dieses Licht, und, da kein Stern durch das tiefschwarze
Gewölk zu dringen vermochte, mußte ich so gut es eben gehen wollte,
das Boot zwischen den Untiefen hindurchzuführen suchen. Endlich, ins
tiefere Wasser gelangt, gab ich drei Signalschüsse ab, um mich, wenn
solche beantwortet würden, über die nun einzuschlagende Richtung zu
orientiren, ehe ich mich auf die weite Wasserfläche hinauswagte. Es
verging eine ganze Zeit bis das Signal beantwortet wurde, und darauf
kräftig die Ruder gebrauchend, flog das Boot durch die Nacht über die
dunklen Fluthen hin. In kürzeren Zwischenräumen feuerte ich immer
wieder mein Gewehr ab, doch keine Antwort erfolgte mehr, sodaß ich
annehmen mußte, Franke habe schon seine letzte Patrone vergossen.
Auch als kein Ruf vernommen wurde, wenn ich zuweilen die Leute mit
dem Rudern aufhören ließ, schien es mir schließlich das Beste, ruhig
zu warten; denn, ist das Canoe noch aktionsfähig, würden die Insassen
jedenfalls versuchen, von den Signalschüssen geleitet, das ihnen zu
Hilfe gekommene Boot zu erreichen.

Ich hatte mich in dieser Voraussicht auch nicht getäuscht; zwar währte
es noch eine beträchtliche Zeit, ehe wir Rufe vernahmen und von diesen
geleitet das Boot dahin lenken konnten, woher das Canoe langsam sich zu
nähern schien, doch hatte ich aber die Genugthuung, nicht vergeblich in
die Nacht hinausgefahren zu sein. Wenigstens konnte ich den wohl aufs
äußerste Erschöpften die erste Unterstützung leisten.

Und endlich lagen bald darauf Boot und Canoe Bord an Bord, worauf
dann unverzüglich, so schnell es in der Dunkelheit eben gehen wollte,
sämmtliche Lasten, die in dem Canoe noch vorhanden und zum Theil
halb verdorben waren, in das Boot übergenommen wurden, und dieses
so erleichtert, hatte uns zu folgen. Während der Rückfahrt konnte
ich aus der Erzählung des Herrn Franke entnehmen, daß er alle Phasen
einer solchen Irrfahrt Kampf, Sturm und vermutheten Untergang hat
durchkosten müssen. Er hatte auch unsere Signalschüsse, deren Echo
vom Winde getragen über den See verhallte, vernommen, jedoch aus
keiner bestimmten Richtung, und daher sei es gekommen, daß das Canoe
dem hohen festen Lande zugelenkt wurde, bis er dadurch wieder irre
wurde, als hinter ihm deutlich vernehmbar plötzlich Schüsse abgegeben
wurden. Dann, fast schon an eine Rettung zweifelnd, da das Canoe
immer tiefer sank und sich mit Wasser füllte, welches er nicht allein
mit seiner Mütze auszuschöpfen im Stande war, sei es ihm wie eine
Erleichterung gewesen, als er durch die immer näher kommenden Signale
die Ueberzeugung gewann, ein Boot sei ausgesandt worden, um ihn zu
suchen. -- Gewiß nicht beneidendenswerth ist die Situation gewesen, in
welcher er sich seit der Stunde befunden, als wir ihn aus den Augen
verloren hatten und konnte von großem Glück sagen, daß das Unwetter so
schnell vorüberzog und der Wind das Canoe nicht weit auf den erregten
See hinausgetrieben hatte, wo in solcher Nacht jede Aussicht auf Hilfe
schwinden mußte.

Sobald wir uns der Barre wieder genähert und flacheres Wasser fanden,
saßen wir mit dem Boote bald auf Grund und es wollte nicht glücken, von
den Untiefen freizukommen; durch Stromversetzung höchst wahrscheinlich,
waren wir auf die südlichen Bänke gerathen. Eine ganze Zeit währte es,
ehe ich darüber im Klaren war, wo wir uns eigentlich befanden, bis das
Hin- und Hersuchen uns schließlich den tiefen Strom ausfinden ließ und
wir glücklich, nachdem noch ein Regenschauer die letzte Strecke höchst
ungemüthlich gemacht hatte, zu Lande kamen. Hier war es inzwischen
doch gelungen, ein spärliches Feuer im Zelte zu unterhalten und nach
abgestatteter Meldung beim Major von Wißmann erwartete uns ein warmer
Trunk, wobei nun die Tagesereignisse im kleinen Kreise noch erörtert
wurden, ehe alle zur kurzen Rast sich zur Ruhe legten, um im festen
Schlummer sich zur neuen Anstrengung zu stärken. Der Befehl, daß am
nächsten Morgen das Sektionsboot und das von mir bei der nächtlichen
Fahrt benutzte Boot zur Abfahrt bereit liegen sollten, wurde, als der
Trompeter die Schläfer weckte, schleunigst ausgeführt, sodaß, als der
Major zur Abfahrt bereit, die Boote segelfertig bereit lagen. Neben
der Mannschaft sollte ich allein den Major auf dieser Fahrt nach dem
verlassenen Boote begleiten, das am vorigen Tage mit seiner ganzen
Besatzung von einigen vierzig Mann hatte im Schlamm zurückgelassen
werden müssen, und das nun durch Entlöschen aus seiner Lage mitten im
See befreit werden sollte. Trübe, nicht wie sonst vom freundlichen
Sonnenstrahl erhellt, war der Morgen angebrochen, das schwere Gewölk
hing noch immer düster drohend über uns; die endlosen Wolkenscharen
ballten sich Unheil verkündend, zusammen, und jene gelbliche Färbung
derselben im Norden war wieder das Zeichen, daß der Sturm heraufgezogen
kam, vor dessen Hauch die Dunstgebilde in die Höhe umherflohen. Ein
Warnungszeichen war uns hierdurch gegeben, -- jedoch mit unseren
guten Booten jedem Unwetter Trotz bietend, erachteten wir es als
einen besonders günstigen Umstand, vor dem Winde laufen zu können
und desto schneller unser Ziel zu erreichen; deshalb traten wir auch
ohne Bedenken die weite Reise an, obgleich der mit dem Sturm zugleich
niederprasselnde Regen uns keine angenehme Fahrt bereiten würde.

Sobald die Barre passirt war, setzten wir Segel und vor dem immer
stärker wehenden Wind flog das Boot mit dem kleineren im Schlepptau
über die schwarzen schnellerregten Wogen hin. Bald war der breite und
tiefe Wassergürtel, der das mächtige Schlammmeer umfaßte, durchquert,
und wir konnten dann auf der gelblich schmutzigen Masse den Weg genau
verfolgen, den wir gekommen waren. Es lag in des Majors Absicht, den
geraden Weg zu nehmen, indem wir voraussetzten, daß der Schlamm für die
leeren Boote kein sonderliches Hinderniß sein würde; demnach lenkte ich
das Boot jener Richtung zu, in welcher das große Fahrzeug liegen mußte,
hoffend, daß es gelingen, und wir Wasser genug unter dem Boote behalten
würden, um dieses manövrirfähig zu erhalten.

Bald wuchs der schon starke Wind zum Sturm, die Luft ebenso gelb wie
die aufgewühlten Wasser unter uns, dazu der niederströmende Regen
machte es unmöglich, auch nur wenige Meter voraus oder um uns irgend
etwas zu unterscheiden; eingehüllt von einem undurchdringlichen
Schleier waren wir völlig den rasenden Elementen preisgegeben. Vor
dichtgerefften Segeln raste das Boot durch die Fluthen, -- trotzdem
aber war die geführte Leinewand noch zu viel, da die Masten den
gewaltigen Druck des wilden entfesselten Sturmes nicht auszuhalten
vermochten, und mit Mühe nur konnten wir diese bergen, sodaß, so
zu sagen vor Topp und Takel laufend, die Gewalt des Sturmes allein
auf die Fahrt des Bootes ihren Einfluß ausübte. Die Schnelligkeit
des Bootes wurde naturgemäß dadurch vermindert, und wir erkannten
nun, da dieses nicht mehr mit Allgewalt durch den Schlamm vorwärts
getrieben wurde, daß wir kaum noch einen halben Fuß Wasser hatten;
in der weichen Masse mußte das Boot sitzen bleiben, wenn der Wind
so plötzlich wie er gekommen, auch wieder aufhörte, denn sehr weit
waren wir vorgedrungen, und rings um uns nur das gelbliche vom Sturm
aufgewühlte Gewässer. Bekannt mit diesen gewaltigen Gewitterböen, deren
Kraft schnell erlahmt sobald der Hauptstoß vorübergezogen, fürchtete
ich sehr, daß die gewöhnlich nachfolgende Stille uns in einer der
peinlichsten Situationen finden würde, aus der wir uns, selbst mit
Hilfe des kleineren Bootes nicht zu retten vermochten, wenn der Wind
uns nun im Stiche ließ; auf die Frage des Majors »was fangen wir nun
an, um hier wieder herauszukommen und das freie Wasser zu gewinnen!«
konnte ich nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Wind lange genug
anhalten möge und seine Kraft uns aus dieser bedenklichen Lage
befreien möchte. In dem Augenblick als die Gefahr erkannt worden war,
wurde das Boot auch sofort nach links soweit aus seinem bisherigen
Kurse abgelenkt, daß dieses vom Sturm nun mehr seitwärts gefaßt,
unter der zulässigen Segellast schneller wieder durch den Schlamm
fortgetrieben wurde. Mit der abnehmenden Stärke des Windes wurde immer
mehr Segeltuch gesetzt, soviel, als das Boot irgend nur tragen konnte
und dadurch dessen Geschwindigkeit gesteigert, die jedoch im Verhältniß
zur anfänglichen nur sehr gering war, weil die Schlammmassen zu großen
Widerstand entgegensetzen. Immer näher an den Wind je schwächer
dieser wurde steuerte ich das Boot so, daß dessen Bug schließlich
ganz dem Lande zugekehrt war, welches uns die mittlerweile darüber
hinweggefegte Dunstmasse wieder erkennen ließ, und konnten nach kurzer
Zeit die erfreuliche Beobachtung machen, daß wir auf etwas tieferes
Wasser gekommen waren. Mit Hilfe der Ruder, an denen die Mannschaft
mit allen Kräften arbeitete, wurde die allmählig erlahmende Kraft des
Windes einigermaßen ersetzt und wir hatten denn alsbald die Freude,
das tiefere Wasser von der graugelben Masse, in der wir so weit und so
lange umhergesegelt, unterscheiden zu können.

Schnell beruhigt waren die Fluthen, nachdem die überaus heftige
Gewitterböe vorübergezogen, auch die durch das düstere Gewölk siegreich
durchdringende Sonne ließ ihr Silberlicht auf die kräuselnden Wogen
tanzen; das Boot aber glitt unter den taktmäßigen Ruderschlägen über
diese hin, dem noch entfernten Ziel entgegen.

Nach zweistündiger Fahrt, etwa gegen 8-1/2 Uhr morgens, hatten wir,
begünstigt durch wieder aufspringenden Wind endlich das Boot erreicht
und fanden die Besatzung dabei, die Spuren zu verwischen, welche
der über dasselbe hingefegte Sturm zurückgelassen hatte. Hatten wir
im Lager schon eine ungemüthliche Nacht gehabt, so war dieselbe für
die Insassen des Bootes, die auf den engsten Raum beschränkt den
Unbillen der Witterung völlig ausgesetzt gewesen, gewiß nicht minder
unangenehm verlaufen, aber ungeachtet dessen wurde die Entlöschung
sofort vorgenommen und bereits nach Verlauf einer Stunde konnte die
Rückfahrt angetreten werden. Die Führung des größten Bootes, das trotz
der bedeutender Erleichterung noch halb beladen geblieben und deshalb
schwerfällig war, hatte ich zu übernehmen, während Major von Wißmann
das zweite führte, und unter diesen Umständen auch schneller vorwärts
kommen konnte als ich. Vergebens sehnten wir einen auffrischenden Wind
herbei, der uns die Arbeit erleichtert und auch die niederglühenden
Sonnenstrahlen etwas gemildert hätte, aber erst nach fünfstündigem
unausgesetzten Rudern kamen wir zur Barre. Häufig genug noch saßen wir
in der schmalen Durchfahrt fest und mußten die Leute in das Wasser
schicken, um das Boot zu erleichtern, bis wir schließlich nach drei
Uhr Nachmittags den Lagerplatz wieder erreichten.

Da die Weiterfahrt auf den nächsten Morgen in aller Frühe festgesetzt
worden war, gab es nun Arbeit vollauf, doch ehe die Nacht hereinbrach,
war auch diese beendet, und beim Scheine der Lagerfeuer, wozu von einer
bewaffneten Abtheilung, von den nächsten Hügeln an der anderen Seite
des Flusses das Material inzwischen herbeigeschafft worden war, konnten
wir uns eines herrlichen Abends und einer friedevollen Nacht erfreuen.

Wie erwähnt, war die Stelle wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten,
nur wenig höher gelegen, als das Niveau des Wasserspiegels, und
dieselbe Beschaffenheit zeigte mit wenigen Erhöhungen auch das ganze
umliegende Terrain, das dicht mit hohem Rohr und Gras bewachsen, aus
einer allmählichen Anschwemmung entstanden war. Diese weite Fläche
nun, mußte, sobald der Schirefluß im Steigen begriffen war, zu
gewissen Zeiten fast ganz unter Wasser gesetzt sein, was der Fall,
wenn die ungeheure Wasserfläche des Nyassa-Sees plötzlich durch
große Regenmassen, welche aus den diesen See umgebenden Gebirgszügen
zuströmten, um ein weniges erhöht wurde. Zwar steht das Steigen des
Flusses hier, gegen seinen Unterlauf, wo er oft bis 10 Fuß Höhe
sich anstaut, in gar keinem Verhältniß; einen Fuß oder noch etwas
mehr über den gewöhnlichen Wasserstand, ist hier schon ein hoher zu
nennen, und einzig davon abhängig, ob dem See während der Regenzeit
große Wassermassen zugeführt werden oder nicht. Diese zeitweiligen
Ueberschwemmungen machen das erwähnte Terrain für eine Ansiedelung
völlig ungeeignet, obgleich der Boden als ertragreich bezeichnet
werden kann, denn dessen Zusammensetzung aus Thon, Sand und Erde
versprechen mancher Kulturpflanze ein gedeihliches Fortkommen. Aber
der Eingeborne braucht ja nicht zu kargen, er hat Land im Ueberfluß
und aus diesem Grunde wohl war in weiter Runde von einer menschlichen
Ansiedelung auch nichts zu sehen. Desto reicher war diese Niederung von
Wasservögeln bevölkert, wenn hier auch nicht so zahlreich und vielartig
vertreten, wie auf den Bänken des unteren Zambesiflusses, so konnten
doch neben dem schwerfälligen Pelikan, verschiedene Reiherarten, wilde
Enten und Gänse etc. bemerkt werden, die in ungestörter Ruhe hier ein
beschauliches Leben führten.

Das Gesammtbild der weiten Umgebung trägt den Charakter der Urwildniß
mit dem Unterschied nur, daß rechts und links die Gebirgszüge den im
Sonnenlicht blitzenden Malombwe-See umziehen; nach Norden hin streben
die Felsenmassen höher und kompakter auf, die somit einen anderen
Eindruck hervorbringen, als wenn einzig die üppige Vegetation dieser
Scenerie ihren Stempel aufgedrückt hätte.

Zur festgesetzten Stunde, am 5. Januar, sagten wir dem Malombwe-See
Valet; die nächste Krümmung des Flusses benahm bald die freundliche
Aussicht auf diesen und zwischen den Ufern des tiefen Stromes
hinziehend, die zur Rechten höher und stark bewaldet sind, wurde
manchem Krokodil, das zu spät erwacht oder durch unsere Annäherung sich
nicht hatte stören lassen, die tödtliche Kugel zugeschickt. Längere
Zeit blieb das Ufer zur Linken so niedrig, wie es am See gewesen, auch
dieselbe Eintönigkeit blieb vorherrschend, bis mit einem Male, als
wir die Mündung eines Nebenflusses des Schire passirten, der stark
strömend, sich in diesen ergoß, die Gestaltung der Ufer eine ganz
andere Form bekam, denn fortan blieb dieses steil und hoch, oft 15-20
Fuß, sodaß jeder Einblick in das hinterliegende Gelände benommen wurde.

Die Gewißheit an diesem Tage noch Fort Johnston erreichen zu können,
aber über die eigentliche Entfernung im Zweifel, hielten wir bei jeder
Biegung des Flusses scharfe Ausschau, ob über Busch und Bäumen nicht
irgend etwas zu entdecken sei.

Gegen elf Uhr Morgens, querab vom Dorfe Towowo, glaubte ich wider
Erwarten die englische Flagge voraus zu erkennen und als etwas später
auch die Masten des Dampfers »Domira« über die Büsche zu erkennen
waren, wußten wir, daß das Endziel dieser langen beschwerlichen Reise
nun nicht mehr allzu weit entfernt sei. Bald tauchten, als auch Busch
und Wald zurücktraten, rechts von uns eine weite Grasebene freie
Umschau gestattete, die langgestreckten Bauten der Garnisongebäude auf,
denselben gegenüber aber viel hundert Hütten der Eingebornen, sodaß
beide Ufer aus der Ferne gesehen, wie ein einziges mächtiges Dorf sich
ausnahmen, über welches vom Fort Johnston die buntgestreifte englische
Flagge zu wehen schien. Näher und näher gekommen, zu guterletzt noch
von einem günstigen Wind getrieben, landeten wir endlich am Fuße dieser
kleinen Festung; wonach wir aber vergeblich Ausschau gehalten -- uns am
Anblick des gewaltigen Nyassa-See zu erfreuen, das sollte uns vorläufig
verwehrt bleiben. --




                  10. Von Fort Johnston nach Mpimbi.


Fort Johnston, unter dessen Wällen Major Wißmann vom Kommandanten
Kapitän Johnston, einigen Zivilpersonen, unter denen vornehmlich Mr.
Nikol, Leutnant Bronsardt v. Schellendorf und einer militärischen
Ehrenwache empfangen wurde, entsprach bei Weitem nicht der Vorsetzung,
welche wir uns von einer so isolirt liegenden Festung gemacht hatten,
wenigstens konnte es dem Beobachter erscheinen, als mußten diese
niedrigen Sandwälle, nur von einem nicht tiefen, etwa sechs Fuß breiten
Graben getrennt, von einem energischen Feind im ersten Anlauf genommen
werden können. Aber so beschränkt auch der Raum, der geringen Zahl der
Besatzung angemessen, mußte doch dieser Vorposten der englischen Macht,
inmitten einer unruhigen und zweifellos feindlich gesinnten Bevölkerung
den Anforderungen genügen, da bisher jeder Ansturm abgeschlagen werden
konnte und die Feinde sich solche Lektionen geholt hatten, daß sie es
nicht mehr wagten, gegen die Verderben speienden Wälle vorzugehen.

Eine günstige Lage hat dieses Fort insofern, als es, am Ufer des
Flusses erbaut, die weite Ebene, nur hin und wieder von einigen
Gebüschen bestanden, beherrschen kann, also ungesehen ein zahlreicher
Feind sich nicht nähern könnte, was aber besonders beachtenswerth,
ist das hohe, aus den faserigen Stämmen der Fächerpalme erbaute
Gerüst, von welchem aus der Wachtposten im Stande ist, die Ankunft
eines jeden Bootes, sowie eines jeden Dampfers auf dem Nyassa-See zu
bemerken, nebenbei kann ihm in der Ebene keine auffallende Bewegung
entgehen. Ein Maximgeschütz ist auf diesem Wartthurm aufgestellt und
würde einer feindlichen Kolonne jedenfalls einen recht warmen Empfang
bereiten. Unmittelbar am anderen Ufer, unter den Kanonen des Fort
und beherrscht von der so hoch postirten Kugelspritze, liegt das
gewaltige Dorf Mponda, dessen Einwohner, etwa 20000 an Zahl, die größte
Bevölkerung ausmachten, die wir auf unserem weiten Wege, an einem Orte
zusammengedrängt, angetroffen haben.

Nicht immer so friedlich, wie zur Zeit unserer Ankunft haben sich
die Bewohner dieses Dorfes verhalten, denn die jeder Zeit 5000
kampfbereiten Krieger sind eine Macht, mit der die vordringenden
Engländer zu rechnen hatten; erst allmählich konnten sie Herr einer
Bewegung werden, die mit allen Kräften sich gegen die aufgenöthigte
Protektion sträubte und die unwillkommenen Eindringlinge aus dem
Lande zu jagen versuchte. Anlaß zu verschiedenen Empörungen gab
auch die Eintreibung der ausgeschriebenen Steuern, die jedesmal
niedergeschlagen, den Eingebornen Freiheit, Rechte und Besitz gekostet
hat, und heute ruht die Verwaltung und Gerichtsbarkeit in den Händen
der Engländer.

Anders hingegen verhält es sich mit den Volksstämmen hinter Fort
Johnston, die sich in die schwer zugänglichen Gebirge zurückgezogen
haben, hier hat englischer Einfluß und Macht ein Ende gefunden, denn
die noch unbezwungenen Stämme haben sich ihre Freiheit bewahrt,
benutzen aber jede Gelegenheit, durch kleine Einfälle die Garnison
in Aufregung zu erhalten. Einen Unterschied zu machen sind sie
freilich wenig fähig, denn es gilt ihnen gleich, gegen wen sie die
Angriffe richten; den Unterschied der Nationalitäten vermögen sie
nicht zu fassen, der weiße Mann ist ihr Feind und wo sie diesem
Schaden zufügen können, versuchen sie es. So waren auch später bei
Anlegung der deutschen Station »Port Maguire«, die ersten Ankömmlinge
gezwungen, solche Ueberfälle blutig zurückzuweisen, ehe sie vor den
umherstreifenden Banden endlich Ruhe fanden.

Das kameradschaftlich-freundliche Entgegenkommen des Kommandanten
Kapitän Johnston gegen Major v. Wißmann und Dr. Bumiller erleichterte
nicht unwesentlich unsere Aufgabe; dazu konnte es auch als ein
glücklicher Umstand betrachtet werden, daß wir zur rechten Zeit
hier eintrafen, um mit der Unterstützung des englischen Dampfers
»Domira« die Reise nach dem Norden des Nyassa-Sees fortsetzen zu
können. Die anfängliche Absicht des Majors, die Reise mit den offenen
schwerbeladenen Booten zu unternehmen, kam zum Glück durch das
Entgegenkommen des Führers dieses Schiffes nicht zur Ausführung,
denn gänzlich unbekannt mit diesem unruhigen, zu Zeiten gefährlichen
Gewässer, würde es eine unglaubliche Leistung gewesen sein, die Boote
zum Ziele zu bringen; viel eher würden diese durch die Wogen an den
felsigen Küsten zerschellt worden sein und die Vorexpedition hätte
aufgegeben werden müssen oder ihren Untergang gefunden.

Einmal nun entschlossen mit Hilfe der Domira die Reise fortzusetzen,
wurden die dahinziehenden Anordnungen des Majors schleunigst
ausgeführt, und der nächste Tag fand Europäer und Soldaten in vollster
Thätigkeit, die nothwendigen Vorkehrungen zur schleunigen Abreise zu
treffen.

Viele fleißige Hände regten sich, die Einschiffung der Geschütze,
Munition und sonstige Bestände der Expedition auszuführen, der
Befehl, daß am Nachmittage des 6. Januar alles beendet sein mußte,
gestattete auch kein langes Besinnen. Eine Revue, verbunden mit einer
militärischen Uebung, über die gesammte Streitmacht, welche der Major
noch abnahm, zeigte, daß unsere Soldaten noch nichts von der Exaktheit
im Dienst verloren hatten, und im Vergleich zu den englischen Soldaten,
angeworbenen Makua-Leuten, in jeder Weise diesen überlegen waren. Die
strenge Disziplin, der Drill, welcher den Leuten beigebracht worden,
erweckten die Ueberzeugung, daß in jeder Lage auf eine solche Truppe
unbedingter Verlaß ist, was sie später in so manchem heißen Kampf
bewiesen, -- eine Söldnertruppe zwar, bluteten und starben sie, und
ließen niemals ihre Führer oder die deutsche Fahne im Stich. Wie viele
ihrer auch die kühle Erde im Herzen Afrikas decken sollten, immer waren
sie bereit, ihrem Führer willig zu folgen, und keine Noth, Gefahr noch
Entbehrung konnte sie in der Ausübung ihrer Pflicht wankend machen.

Klar und schön, nach einer stürmischen Gewitternacht, brach der Morgen
des 7. Januar 1893 an, mit dem ersten Strahlengruß der über die
Berge emporsteigenden Sonne schmetterten auch die Trompetensignale,
alle mahnend, daß die Stunde gekommen, in welcher die schwankenden
Planken des Schiffes betreten und von diesem in die weite Ferne einem
unbestimmten Schicksal entgegengeführt werden sollten. Kompagnieweise
ging die Einschiffung der Soldaten mit unsern Booten gemäß der
Bestimmung vor sich; um zehn Uhr war alles beendet, zum letzten
Abschied schüttelten sich brave Deutsche und Engländer die Hände, unter
einem brausenden Hurrah stießen darauf die Boote ab und wandten sich
dem seeklar liegenden Schiffe zu.

Allein am Ufer zurückgeblieben, mit mir nur unser Artist Herr Franke,
dessen Hoffnung, die Expedition begleiten zu können, vereitelt worden
war, wurde in mir nicht minder der Wunsch lebendig, das Schicksal
jener Kameraden theilen zu können, die jetzt wohlgemuth über die
glitzernden Wogen hinzogen und bald auf den Fluthen des Nyassa-Sees
die Herrlichkeiten einer unbekannten Ferne schauen durften. Aber die
ernste Pflicht war ein strenger Mahner, und zurück mußte ich, das mir
anvertraute große Werk zu beginnen und auszuführen, um dessen Willen
diese ganze gewaltige Expedition begonnen und ins Werk gesetzt worden
war. Lange im Zweifel, ob ich über die Tiefenverhältnisse des oberen
Schire, auf welchem der Dampfer später bis zum See geführt werden
mußte, mit voller Ueberzeugung ein günstiges Urtheil abgeben könnte,
da ich für diese Ueberführung ungeheure Schwierigkeiten voraussah,
entschloß ich mich, doch die Möglichkeit dafür einzuräumen, schon aus
dem Grunde, als eine entgegengesetzte Ansicht beim Major wenig Anklang
gefunden hätte, ich auch nicht zum zweiten Male hören mochte, daß es
»keine große Aufgabe und kein Kunststück sei, das Werk auszuführen,
wenn wir alles fänden wie wir es wünschten!« Nun aber die Entscheidung
gefallen, der Auftrag, den Dampfer in Mpimbi zu erbauen, mir als Befehl
mitgetheilt worden war, mußten gehegte Bedenken schwinden; für die
glückliche Ausführung hatte ich fortan die Verantwortung zu tragen und
sollte bald beweisen, daß für mich kein Hinderniß zu groß, keine Mühe
zu schwer, um das auf mein Können gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.

Bis die Mastspitzen des Schiffes hinter Busch und Baum den Blicken
entschwunden, solange schauten wir in ernste Gedanken versunken diesem
nach, dann trat die Pflicht in ihre Rechte und mit der Wirklichkeit
uns abfindend, beschlossen wir zwei nun ebenfalls unsere Abreise zu
beschleunigen. Den freundlichen Vorschlag des Mr. Nikol, uns mit einem
Boote flußabwärts senden zu wollen, wenn wir uns zwei Tage gedulden
wollten, schlug ich aus und wollte, wenn ein Boot nicht zu bekommen
sei, lieber mit einem größeren Kanoe unverzüglich die Reise antreten,
als unthätig hier zu warten, auch konnte mit solchem leichten obschon
unsicheren Fahrzeug der Weg bedeutend schneller zurückgelegt werden.

Nach kurzer Zeit lag denn auch, auf Anordnung des freundlichen
Engländers, ein Kanoe mit fünf Mpondaleuten bemannt zu unserer
Verfügung, und während ich im +store+ (Magazin des Fort's) noch
Einiges, als Kochgeschirr und namentlich Streichhölzer zu kaufen
suchte, besorgte Herr Franke das Einladen unserer Effekten. Unserm
Bedarf entsprechend, konnte ich auch einen passenden Topf auftreiben,
aber von Zündhölzern war auch nicht eines zu bekommen, vielmehr bot
der Manager (Verwalter) für eine einzige Schachtel den enormen Preis
von 3 Penni = 28 Pfennigen, wenn aus den Beständen der Expedition ihm
solche würden abgelassen worden sein, und unter 6 Penni = 50 Pfennig
würde er im glücklichen Besitz von einer Anzahl Schachteln keine wieder
verkaufen. So abgebrannt wie die Engländer waren wir zwar noch nicht,
wir wollten unsern geringen Vorrath nur etwas ergänzen, aber deshalb
auch außer Stande den großen momentanen Mangel an Zündwaare abzuhelfen.

Ehe ich mich den Ereignissen wieder zuwende, welche uns auf der
Rückfahrt nach Mpimbi entgegentraten, will ich zur Erläuterung erst
etwas über die militärische Expedition des Majors von Wißmann anführen,
eine Ergänzung aber gelegentlich später, als ich über deren Verlauf
besser orientirt war, folgen lassen.

Zuerst wurde in Monkeybai, nahe der nördlichen Spitze der Halbinsel
Levingstonia, dem besten Hafen am ganzen See, geankert. Dieser
Hafen von mächtigen Felsenmassen eingefaßt und durch vorgelagerte
Granitinseln geschützt, ist abgesehen von seiner guten Lage der einzige
Punkt im Süden, wo eine größere Menge Brennmaterial für die Schiffe
erhältlich ist, und deshalb ein Anlaufen hier nothwendig, weil auf
eine Strecke von über 150 Seemeilen keine weitere Holzstation angelegt
werden konnte. Von hier über das Vorgebirge Kap Maclair hinaus, in
nordnordwestlicher Richtung, erscheint von diesem etwa 30 Seemeilen
entfernt, der isolirte Bergkegel Rifu, dessen mächtige Felsenmassen die
flache und offene Leopardbai abschließen.

Die Boote im Schlepptau, die nothwendiger Weise stark bemannt wurden,
weil es an Deck des Dampfers für so viele Menschen an Raum gebrach,
war bis hierher die Reise gut verlaufen, denn die Winde, in dieser
Jahreszeit unbeständig, wühlen den See seltener auf, wodurch dieser in
seiner erhabenen Ruhe wie ein ungetrübtes klares Gewässer erscheint,
das den Anschein erweckt, als würden diese Fluthen niemals vom Winde
erregt im wilden Tanze umhergeworfen und gefährlich werden können.
Hinter diesem hohen Bergkegel -- Kap Rifu -- tritt das flache Land,
umkränzt nur von niedrigen Hügeln weit zurück und hinter Busch und Baum
verborgen, vom See aus schwer zugänglich, liegt hier das Dorf Katuru,
von welchem aus nach dem anderen Ufer des Sees, dem Orte Losefa, im
Lande Makangilas, eine arabische Fähre mittelst Dhaus unterhalten wird,
hauptsächlich zum Zwecke im Dorfe Katuru angekommene Sklavenkarawanen
über den See zu führen.

Dem Major war es bekannt, daß sämmtliche arabische Fahrzeuge auf dem
Nyassa-See allein nur dem Zwecke dienen, die aus dem fernen Innern
Afrikas herangeschleppten armen Sklaven meistens in das portugiesische
Gebiet überzuführen, von wo sie dann weiter bis zur Küste des indischen
Ozeans gebracht werden, deshalb griff er, als unvermuthet eine solche
Sklavendhau hinter Kap Rifu in Sicht kam, sofort ein und nahm die
Verfolgung mit seinem großen Boote, in dessen Bug wir noch in Fort
Johnston eine kleine Schnellfeuerkanone angebracht hatten, auf. Die
Besatzung dieser Dhau, unter Land von Windstille befallen, suchte mit
allen Kräften noch zu entrinnen und ihr leichtes Fahrzeug vorwärts
zu bringen, was bei der beträchtlichen Entfernung zwischen Boot und
Dhau auch wohl gelungen wäre, wenn nicht eine vor deren Bug auf dem
Wasser einschlagende Granate, als Warnungsschuß, dem Bestreben ein
Ende gemacht hätte. Wie auf Kommando stürzte die Besatzung vollständig
kopflos sich auf die eine Seite und in das Wasser, wobei durch das
plötzliche Uebergewicht die Dhau zum Kentern gebracht wurde und ihr
Inhalt, von welcher Beschaffenheit auch immer, verloren ging, während
die Leute sich durch Schwimmen an das Ufer zu retten suchten.

Eine nähere Untersuchung ergab, sobald das kieloben treibende Fahrzeug
erreicht war, daß nichts weiter übrig blieb, als es zum Gebrauch
unschädlich zu machen, es aufzurichten und eventuell mitzuschleppen,
wäre eine unnütze Mühe gewesen; darum, nachdem einige Planken
durchgeschlagen waren, zum Sinken konnte es nicht gebracht werden,
überließ man es dem Spiel der Wogen. Die Zerstörung dieser Dhau vom
Standpunkt des internationalen Vorgehens gegen das schändliche Gewerbe
der Sklaverei betrachtet, müßte man diesen Akt unbedingt billigen,
schon aus dem Grunde, als den verschlagenen Sklavenhändlern sonst
so schwer beizukommen ist; die Vernichtung ihrer Hilfsmittel, wo
immer solche zu erlangen sind, aber als ein Gebot der Nothwendigkeit
ansehen, um ihnen das Handwerk, wenn auch nicht gänzlich zu legen,
so doch nach Möglichkeit zu erschweren. Indes ist die Verurtheilung
der Sklaverei auch im Bund der Völker eine allbekannte Thatsache, und
werden Anstrengungen aller möglichen Art zu deren Unterdrückung ins
Werk gesetzt, so muß man doch sich fragen, ob auch alles Nebeninteresse
dabei ausgeschlossen ist. Daß die Leiter der verbundenen Staaten
mit redlichem Willen das Ihre thun, ist selbstverständlich, nur
wo die Ausführung nicht in bewährte Hände gelegt ist als z. B. im
portugiesischen Gebiet, wird auch die beste Verfügung illusorisch --
was aber weit auffälliger ist, daß die erfahrene und selbstbewußte
englische Verwaltung das Vorgehen des Majors von Wißmann als einen
Eingriff in ihre Rechte auszulegen suchte, ohne jemals vorher die
ernste Absicht und Mittel gehabt zu haben, auf dem weiten Gebiet des
Nyassa-Sees den Sklavenhandel zu steuern.

Freilich das Prinzip auf dem Handelswege möglichst weit die
Vorposten vorzuschieben und dadurch sich das allmählige Uebergewicht
in unbekannten Ländern anzueignen, hat sich als sehr vortheilhaft
bewährt, dabei aber nur auf sehr beträchtlichen Entfernungen einzelne
Militärstationen als Stützpunkte anlegend, mußte die unglaubliche
Gier nach Länderbesitz das Näherliegende außer Acht lassen und wie
weit sich auch im Laufe weniger Jahre das englische Protektorat, was
in den Augen des Engländers gleichbedeutend mit Besitz bezeichnet
werden kann, über ungeheure Ländermassen ausgedehnt, blieben doch
aus Mangel an geeigneten Machtmitteln die bekannten Sklavenausfuhren
eine ungehinderte Thatsache. Und hätte nicht der Neid, mehr noch
die Besorgniß, das Vorgehen der deutschen Expedition und die in
Dienststellung des Dampfers »Herrmann v. Wißmann« könnte dem englischen
Einfluß Abbruch thun zu einem energischen Vorgehen Veranlassung
gegeben, hätte sich in den letzten beiden Jahren die Sachlage wohl
unwesentlich geändert. England, Alleinherrscher auf diesem weiten
Gebiet, Portugal kommt garnicht dabei in Betracht, sieht in dem
Erscheinen der jungen deutschen Macht einen überaus gefährlichen
Konkurrenten und wacht daher um so eifersüchtiger über seine angemaßten
Rechte!

Was nun speziell den erwähnten Vorfall betrifft, der auf dem freien
Gewässer des Nyassa-Sees stattgefunden, so wurde nach Bekanntgabe
des Vorganges darauf von Seiten der englischen Verwaltung Gewicht
gelegt, daß das durch die Verfolgung gekenterte Fahrzeug überhaupt
keine Sklavendhau, vielmehr ein mit werthvollem Elfenbein beladenes
Fahrzeug gewesen sei, und dadurch eine Schädigung englischer Interessen
stattgefunden habe. Diese Behauptung zweifelhaften Ursprungs aber fällt
in sich zusammen sobald man bedenkt, daß weder das Dorf Katuru noch
Losefa in Makangilas Land von einem Engländer betreten werden durfte;
diese kriegerischen feindlich gesinnten Volksstämme hatten bisher jeden
Eingriff blutig abgewiesen, und, als im Jahre 1894 die englische Flotte
aus drei Schiffen bestand, da erst wurde vorgegangen und am selben
Orte, wo Major Wißmann die Dhau zerstören ließ, wurden zwei andere voll
Sklaven und vielem Elfenbein abgefangen. Dieser große Erfolg schwellte
natürlich den englischen Stolz, -- aber, als sie noch machtlos waren,
solche Dhaus abzufangen, da mußten sie ein gleiches Vorgehen von
deutscher Seite einer abfälligen Kritik unterziehen, -- würden wir in
den Herzen unser uns äußerlich freundlich gesinnten Vettern schauen
können, würden wir auf tiefem Grunde wohl herzlich wenig Wohlwollen für
uns entdecken können, -- dieses ist die ausgesprochene Meinung aller,
welche in der weiten Welt auf gleichem Terrain mit den Engländern den
Kampf um die Güter der Erde aufgenommen haben. Der englische Leu fühlt
die Krallen des deutschen Adlers und sucht ihn vergeblich von sich
abzuschütteln, -- nicht mehr blos mit dem Volke der Denker, das seinen
Idealen nachgestrebt, hat er es heute zu thun, die geistige Erstarkung,
verbunden mit der erwachten selbstbewußten Kraft des deutschen Volkes
tritt ihm hindernd auf allen Gebieten entgegen, er wehrt sich, aber
seine Klauen sind stumpf geworden.

Im weiteren Verlauf der Reise machte zwischen den Bentje-Inseln und
Kota-Kota die Expedition auch die Erfahrung, daß der Nyassa-See auch
ein anderes Gesicht zeigen kann, wenigstens gab er eine kleine Probe
wie ungemüthlich seine Gewässer gelegentlich werden können. Von Bandawe
der schottischen Missionsstation, nach Deep-Bai (Pankanga) und von dort
querüber nach Amelia-Bai, heute Wind-Hafen, wo anfänglich der Major
beabsichtigte, eine Station anzulegen, wurde über Karonga der einzig
günstige Platz im Norden des Sees, die Landzunge Kambira, nach großen
Schwierigkeiten erreicht. Hier wurde dann die Station Langenburg vom
Major v. Wißmann errichtet, die für die weiteren Unternehmungen der
Stütz- und Ausgangspunkt sein sollte, später als dann unter diesem
Schutz die etwa sechs englische Meilen nördlicher gelegene deutsche
Missionsstation Ikombe erbaut war, wurde auch das friedliche Werk der
bis hierher vorgedrungenen Missionare gefördert.

Lange Monate später erst gelangten diese erwähnten Vorgänge zu meiner
Kenntniß, nachdem ich schon selbst Gelegenheit gehabt hatte, mit dem
See und dessen Umgebung mich etwas vertraut zu machen, und werde ich
weiterhin bei der Beschreibung des Sees und der Bevölkerung eingehender
auf die einzelnen Punkte, sowie auf den weiteren Verlauf der vom Major
von Wißmann geleiteten Expedition zurückzukommen suchen.

Indem also nun im Moment der Abfahrt von Fort Johnston die große
Expedition thatsächlich getheilt worden, war es der wegen des
gewaltigen Materials nur langsam vordringenden Transportexpedition
überlassen, die Verfügungen und Befehle des Majors, der von allen
Vorgängen nach Möglichkeit unterrichtet werden mußte, nach bestem
Können und Wissen auszuführen.

Zwölf Uhr Mittags mochte es geworden sein, als wir das zur Abfahrt
bereitliegende Kanoe betraten, um die Rückfahrt zu beginnen. Da mir die
nähere Untersuchung des ganzen Flußbettes zur Aufgabe gemacht war, war
ich bestrebt, die Tiefenverhältnisse eingehender zu untersuchen, als
wie es auf der Fahrt zum See hatte geschehen können, und gleicherzeit
möglichst genaue Karten und Entwürfe vom ganzen Flußgebiet anfertigend,
brachte mich diese Beschäftigung über das Beschwerliche dieser Reise
hin; namentlich bestand das Letztere darin, daß man in solchem
schmalen, ausgehöhlten Baumstamm viele Stunden lang ganz still sitzen
mußte, höchstens den Oberkörper und die Arme bewegen konnte.

Unkenntniß in der Handhabung eines Kanoe oder Unvorsichtigkeit nur,
bringen Gefahr, leicht mit solchem runden Stamm umzukippen, jedoch hat
eine Kanoefahrt in den Händen bewährter Leute nichts Besonderes auf
sich; wir freilich mit unserer tiefbeladenen Nußschale mußten etwas
vorsichtiger sein.

Die Absicht, an diesem Tage nur bis zum Malombwe-See zu fahren,
ließ uns Zeit finden, unter dem Berathungsbaum, einer mächtigen
Tamarinde, inmitten des Dorfes Towowo (Fumo Towowo) längere Rast zu
halten, eigentlich nur aus dem Grunde, eine Zeit lang den glühenden
Sonnenstrahlen zu entrinnen. Die Scheu, welche sonst die Eingebornen
Europäern gegenüber an den Tag legen, war bald überwunden und dem
Beispiel des weißhaarigen Fumo folgend, der neugierig allerlei zu
wissen begehrte, kamen selbst Frauen und Mädchen und boten bescheiden
ihre geringen Landprodukte an, von denen wir um ein Geringes auch
unsern kleinen Vorrath ergänzten; wir stellten auch die schwarzen
Schönen durch den Ankauf zufrieden, was hingegen bei den Männern
weniger der Fall, als diese von uns Pulver begehrten, welches wir nicht
besaßen, auch nicht als Tauschartikel hätten benutzen dürfen.

Späterhin dem Malombwe-See näher gekommen und bis zur Mündung des
bereits erwähnten Nebenflusses angelangt, nahm ich mir die Mühe,
denselben näher zu untersuchen, war es doch gleichgültig, wo wir zur
Nacht unser Quartier aufschlugen, jeder trockene Platz eignete sich
dazu, sofern ein solcher nur frei gelegen war und nicht allzu viele
blutdürstige Mosquitos uns lästig wurden. Gegen den starken Strom
trieben wir also das Kanoe vorwärts und sahen zur Linken bald eine
üppige Bananenpflanzung vor uns, hinter welcher, wie wir aus Erfahrung
wußten, meistens immer ein Dorf, zum Mindesten einige Hütten verborgen
liegen. Bedacht darauf, die in Aussicht stehende Annehmlichkeit,
anstatt unter freiem Himmel, die Nacht in einer selbst räuchrigen Hütte
verbringen zu können, uns zu Nutze zu machen, suchten wir das kleine
verborgen gelegene Dorf auf und hatten auch wirklich den Erfolg, die
Gastfreundschaft über Erwarten ausgeübt zu sehen, indem uns die beste
Hütte mit zwei Kitanden darin, zur Verfügung gestellt wurde.

Da es noch nicht allzu spät am Nachmittage war, lenkte ich
meine Schritte zum Flusse zurück, um hier die mir aufgefallene
Fischfangvorrichtung der Eingebornen, wie mir ähnliche schon begegnet
waren, näher in Augenschein zu nehmen. Da ich nämlich in dieser
Erzählung später auf solche Einrichtungen hinweisen muß, wenn vom
Fischfang im Urwald die Rede sein wird, so erachte ich eine kurze
Beschreibung hier am Platze....

Fast alle Flüsse, klein oder groß, haben in diesem Theile Afrikas
ein starkes Gefälle, was eine rasche, zum Theil wirbelnde Strömung
verursacht, die zu Zeiten so stark sein kann, daß die flinken Fische
diese selbst nicht überwinden können, auf der Oberfläche aber selbst
die leichten Kanoes nur mit größter Mühe und unter dem Schutze der Ufer
fortzubringen sind. Diese Strömung nun ist auch die Ursache, daß nach
jedem Hochwasser, d. h. der Regenzeit, ein Flußbett anders gestaltet
ist, als es vor demselben war, eine Verschiebung der Sandbänke oder
Anhäufung solcher, sowie ein Auswühlen tiefer Rinnen sich in solcher
Periode beständig vollzieht. Wollen nun die Eingebornen, besser
die Uferbewohner, die von dem Zuzug vieler Fische zur Laichzeit
unterrichtet sind, ohne Netze und ohne viele Mühe reichen Fang machen,
so suchen sie den möglichst weit flußaufwärts gezogenen Schaaren den
Rückweg zu verlegen. Zu diesem Zwecke stecken sie an Stellen, wo die
Strömung recht stark über flacheren Grund hinzieht mit gespaltenen
Bambusstäben den Fluß von Ufer zu Ufer ab, oder auch in einem Bogen,
sobald eine vorhandene Rinne dies nicht zuläßt. Die Stäbe, die fest in
den Sand eingedrückt und untereinander verbunden werden, widerstehen
dem Anprall der Wasser, weil sie dem Durchfluß derselben genügend
Spielraum lassen, aber einen größeren Fisch verhindern, zu entweichen.
Der Zweck ist, die Fische aufzuhalten, die sich beständig gegen die
starke Strömung wenden müssen und auf flacheres Wasser gerathen, immer
wieder versuchen durch die Barriere zu entkommen.

Dieses Aufhalten der Fische würde nun eigentlich wenig Zweck haben,
wenn nicht innerhalb und zum größeren Theil außerhalb der Barriere
aus dünnen Zweigen geflochtene Reusen ausgelegt wären, die ähnlich
der in Europa verwendeten, das Herauskommen des eingelaufenen Fisches
verhindern können. Die äußeren liegen so versenkt, daß die kleine
Oeffnung mit der in der Barriere belassenen zusammenfällt, und der
solche entdeckende Fisch wird, vermeinend frei zu kommen, sicher darin
gefangen. Auf eines aber wird noch Bedacht genommen, die Fischer
nämlich achten stets darauf, immer einen Fisch in jeder Reusen zu
belassen, der als eine Art Lockvogel dienen muß; das Wegtreiben der
Reusen verhindern sie, indem einzelne Stäbe oder Gabeln durch das
Geflecht in den Grund getrieben werden.

Obgleich die Flüsse alle sehr fischreich sind, so ist es doch
erstaunlich, welche Anzahl großer schöner Fische auf diese Weise
zuweilen gefangen werden und fast immer, wo ich gelegentlich Zeuge
gewesen bin, war die Ausbeute eine ergiebige zu nennen.

Noch lagen wallende weiße Nebel, durch das tiefe Sinken der Temperatur
während der Nacht erzeugt, über die seitwärts des Dorfes liegende
große Grasfläche und über den Schirefluß gebreitet, als ich mit dem
ersten Tagesgrauen schon zur Weiterfahrt rüsten ließ. Waren bei
unserer Ankunft die wenigen Bewohner des Dorfes versammelt gewesen,
um die seltene Erscheinung weißer Männer mit Muße betrachten zu
können, so hielten sich am frühen Morgen, der Kälte wegen, alle zum
größten Theil noch in ihren Hütten auf, außer einigen alten Frauen,
die wohl Stammmütter, die geringsten Dienste verrichten mußten, und
unserm freundlichen Wirthe, der auch nicht mit leeren Händen ausgehen
wollte. Ein weiter Weg war es den wir zurückzulegen hatten, ehe der
Malombwe-See durchschifft und wir den Schirefluß wieder erreichen
konnten, darum beschleunigte ich auch die Abfahrt nach Möglichkeit,
sodaß wir schon die Barre passirt hatten, als siegend die warmen
Sonnenstrahlen die kalten Nebel verscheucht hatten.

In Silberfluth gebadet lag die ruhige spiegelglatte Fluth vor uns,
durch die das Kanoe von kräftigen Armen getrieben leicht hindurchschoß.
Sechszehn englische Meilen hatten wir bis Mittag zurückgelegt und
ungefähr noch zehn vor uns bis zur Station Werra; indes wie flott
die Fahrt auch Anfangs über das tiefe Wasser gegangen, als höher und
höher der Sonnenball stieg und immer heißere Strahlen niedersandte,
die Atmosphäre ein Gluthhauch, der Aether eine blendende Lichtfluth
war, da erlahmten auch allmählich die Kräfte der Leute. Denn auf dem
Schlammmeer kreuz und quer fahrend, theils um die tiefste Wasserrinne
aufzufinden, theils um vermittelst eines Taschenkompaßes die
verschiedenen Punkte zur späteren Orientirung festzulegen, geriethen
wir öfter in so flaches Wasser, daß es Mühe und viel Zeitverlust
erforderte, um wieder frei zu kommen. Meine Ansicht, daß dicht
unter Land tiefes Wasser sein müsse, was die Anwesenheit einzelner
Flußpferdfamilien unzweifelhaft machten, wurde von Seiten der Leute,
die die einzige Fahrstraße kennen wollten mit der Behauptung widerlegt:
es gäbe nur den einen eingeschlagenen Weg! Ich hätte mich jedoch
schwerlich davon abbringen lassen, wenn die Entfernung nicht so
bedeutend gewesen und die Aussicht, dann die Nacht im Kanoe verbringen
zu müssen nicht zur Gewißheit geworden wäre.

Als die Sonne im Westen niedersank, die fernen Bergkuppen noch im
flüssigen Golde getaucht vor uns lagen, während hinter uns auf dem
weiten See schon die Nacht heraufgezogen kam, hatten wir endlich
nach vielen Mühen wieder tieferes Wasser unter uns und konnten nach
Schätzung vielleicht um 8 Uhr Abends Land erreichen. Die eingetretene
Kühle erfrischte die Glieder, das köstlich klare Wasser, nicht mehr
lauwarm und widerlich wie am Tage, war zu der trockenen Kost ein
Labetrunk, und so in der Hoffnung, das Schlimmste hinter uns zu haben,
strengten wir uns alle an, im gleichmäßigen Takte mit den kurzen
Paddeln das Kanoe durchs Wasser zu treiben.

Arglos, ohne an Gefahr zu denken, hing jeder seinen Gedanken nach,
höchstens ein Ruf des Kapitaos, der die Leute zu größerer Thätigkeit
anspornte unterbrach die Stille, bis plötzlich, Keiner von Allen
hatte das Geringste bemerkt, neben dem Kanoe das dumpfe Brüllen einer
Anzahl Flußpferde vernommen wurde, und in der Dunkelheit neben und vor
uns die mächtigen Thiere auftauchten, die wuthschnaubend zum Angriff
übergingen. Diese große unvermuthete Gefahr lähmte für einen Moment
alle unsere Energie, bis mein Ruf »vorwärts, vorwärts« die Arme der
Leute wieder in Bewegung brachte und das Kanoe mit äußerster Kraft
durchs Wasser getrieben wurde.

Es war die höchste Zeit, fünf oder sechs der mächtigen Köpfe, soweit im
Dunkeln zu unterscheiden, waren schon so nahe, daß es sich nur noch um
Sekunden gehandelt hätte, bis sie heran waren, und ein einziger Stoß
unser leichtes Fahrzeug dann umgeworfen hätte und dieses mit allen
Insassen der Wuth der Thiere preisgegeben wäre.

Gleich im selben Augenblick als die Thiere so erschreckend nahe den
Angriff unternahmen, hatten Franke und ich zu den Waffen gegriffen und
mit dem Rufe »Vorwärts« krachten auch die Schüsse den Kibokos entgegen.
Die Waffen auf die nächsten Köpfe gerichtet, war ein Fehlgehen der
Kugeln trotz der herrschenden Dunkelheit und der wohl nicht sehr
sicheren Hände, ausgeschlossen. Ich nahm mir nicht die Zeit, die
abgeschossene Kugel zu ersetzen, sondern den beiden nächsten Thieren,
die halb von vorne herankamen, die Schrotläufe entgegenfeuernd,
bezeugte ihr Aufbrüllen, daß, selbst die kleinen Kugeln auf den harten
massiven Schädeln nicht ohne Wirkung geblieben waren, untertauchen und
verschwinden war eins.

Dieses Schnellfeuer, freilich nur fortgesetzt, hätte uns aber nicht
vor dem Verderben bewahren können, wenn das Kanoe nicht so schnell
fortbewegt worden wäre wie es geschehen, denn nur dadurch entgingen wir
der Gefahr, auf dem breiten Rücken eines der Kolosse festzukommen; wäre
es geschehen, keinen von uns hätten die verwundeten Thiere, da jede
andere Hilfe ausgeschlossen war, verschont, auch schwerlich wäre jemals
bekannt geworden, wo und wie wir geendet, die Krokodile, noch weit
zahlreicher hier vertreten, hätten bald jede Spur verwischt. --

Geraume Zeit noch, als wir das bald nutzlose Feuern schon längst
eingestellt hatten, arbeiteten wir mit den Paddeln vorwärts, um uns
von der Heerde so schnell als möglich zu entfernen; das Brüllen und
Grunzen hinter uns war eine gute Anfeuerung, alle Kräfte einzusetzen
um fortzukommen. Wie gewandt das mächtige Thier auf dem Grunde laufen
kann, dies wußte ein Jeder; es kann sehr schnell verfolgen, und wird
nur dadurch Zeit verlieren, wenn es hoch kommt um Luft zu schnappen,
oder Umschau hält nach dem verloren gegangenen Gegner. Die Dunkelheit
begünstigte in dieser Hinsicht unsere Flucht besonders, aber als wir
eine Stunde später die Schire-Einfahrt gewonnen und bald darauf das
Kanoe bei Werra auf dem Strande laufen ließen, wußten wir alle, was
wir geleistet und wie mit knapper Noth wir dem Tode entronnen waren!
Nach einer guten Mahlzeit, die wir uns am Ufer noch bereiteten, der
Magen wollte trotz aller Abspannung das Mahnen nicht lassen, muß ich
bekennen, daß ich nicht mehr Lust hatte, die Strecke bis zur Station
zu gehen, um in eine der Hütten das Lager für die Nacht herrichten zu
lassen, sondern es vorzog, in ein hoch auf den Sand geholten Kanoe
allein zu schlafen, die Ruhe in der freien, stillen Natur, war auch
verlockend; ebensowenig aber kam mir dabei der Gedanke, daß nächtlicher
Weile Flußpferde ans Ufer steigen und ihre Spaziergänge unternehmen
könnten, viel weniger noch kamen mir die Krokodile in den Sinn.

In tiefem festen Schlaf gefallen, wie solchen körperliche Ermattung
herbeiführt, mochte es wohl bereits in den ersten Morgenstunden sein,
als ich durch ein Geräusch am Kanoe ähnlich einem Hin- und Herscheuern
an der Außenwand, aufgeweckt wurde; halbaufgerichtet und unter der
überhängenden Decke durchschauend, konnte ich aber auf der vom
Mondlicht beschienenen Sandfläche nichts Auffallendes entdecken, und
denkend, mag es sein was es will, ich liege ja sicher genug mit den
Waffen zur Seite, schlief ich wieder ein. Am frühen Morgen aber, der
dämmernde Tag war schon heraufgezogen, kam mir sofort die nächtliche
Störung in den Sinn, und vorsichtig über die Brüstung des Kanoe
hinwegschauend, gewahrte ich auch die Ursache. Nämlich drei mächtige
Krokodile, nur wenige Meter entfernt, lagen, die Köpfe dem Lande
zugekehrt auf dem Strand, und schienen dem Anschein nach die Morgenluft
zu genießen, wenigstens waren ihre Bewegungen recht bedächtig und die
halbgeöffneten mächtigen Rachen mit den furchtbaren Zähnen klappten in
Wohlbehagen auf und zu.

Die Aufmerksamkeit der Thiere schien von mir abgelenkt zu sein,
sie beachteten zum wenigsten das Geräusch nicht, welches ich beim
Ergreifen meiner Büchse verursachte, und in der sichern Voraussicht,
daß ich gewiß einem dieser nächtlicher Wächter einen derben Denkzettel
aufbrennen könnte, war ich etwas langsam. In noch liegender Stellung,
im engen Kanoe war ein Zurechtsetzen so schnell nicht gut möglich,
bemerkte ich, daß irgend etwas die Thiere erschrecken müsse, denn sie
wandten sich und krochen zum ganz nahen Wasser. Schnell warf ich die
Decken ab und aufspringend, suchte ich für meine Kugel ein Ziel ...
schneller aber waren die Krokodile in ihrem Element und nur die Furchen
im Wasser zeigten an, wohin jedes sich gewandt hatte. Erst eine Minute
später zeigte sich der Rücken des einen auf der Oberfläche, der von der
zugesandten Kugel gestreift, das Thier wild aufbäumen machte und einmal
mit dem Schwanze das Wasser peitschend, in die Tiefe verschwand.

Zu beiden Seiten des Kanoes fand ich die Abdrücke der Füße der
Krokodile und die glatten Furchen, welche der schwere nachschleppende
Schwanz derselben auf dem Sande zurückgelassen hatte. Es war
zweifellos, die Unholde hatten die Beute gewittert und den Versuch
gemacht, sich derselben zu bemächtigen, daher auch das Geräusch,
welches mich in der Nacht ermuntert hatte. Jedenfalls aber hätte die
unmittelbare Nähe solcher unheimlichen Gesellschaft, wenn mir die
Gefahr zum Bewußtsein gekommen wäre, mich doch nicht wieder in so
sicherer Ruhe einwiegen lassen; konnte mir auch nichts geschehen, so
lange ich nur still liegen blieb, so glaube ich doch, mit dem Schlaf
wäre es wohl vorbei gewesen. --

Beim schnell bereiteten Morgentrunk, der aus einem Becher ungesüßtem
Kakao bestand, wurde der abendlichen Affaire mit den Flußpferden und
dieses nächtlichen Besuches nochmals kurz gedacht, und dann ging es,
sobald die Leute mit dem Einpacken fertig waren, wieder wohlgemuth
flußabwärts, den träge auf Bänken oder am Ufer liegenden Krokodilen
aber, schenkten wir ganz besondere Beachtung, und weckten manches so
unfreundlich aus süßer Ruhe, daß ihm solch warmer Morgengruß Schmerzen
und Tod eintrug.

Für diesen Tag war unser Ziel das Dorf Lionde, wo wir, wenn nicht
die Gastfreundschaft des Arabers Baccari ben Umari in Anspruch
genommen werden konnte, zu rasten gedachten, doch jedenfalls aber
wollten wir diesen aufsuchen, um ihn an sein Versprechen zu mahnen,
damit er uns recht bald Proviant in das Lager zu Mpimbi sende. Es
bedurfte von Seiten der Leute keiner besonderen Anstrengung mehr, die
Fahrt des Kanoe zu beschleunigen, der Strom allein trieb es schon
etwa in der Stunde eine deutsche Meile flußabwärts, sodaß ich einen
Mann zum Auspeilen der Tiefe anstellen und mit Gemüthlichkeit meine
Aufzeichnungen ausführen konnte. So an Dörfern, Wald und Grasebenen
vorüberziehend, war es eine höchst angenehme Fahrt, auch wo wir Einkehr
hielten, wurden wir von den Dorfbewohnern freundlich aufgenommen; war
noch etwas Pombe irgendwo in einer Hütte aufzutreiben, wurde dieses uns
gegen eine angemessene Entschädigung überlassen, denn gewöhnlich geben
sie nicht gerne ihr Bier weg, da sie es in dieser Gegend nicht zum
Verkauf bereiten; wir aber zogen es bei weiten dem warmen Flußwasser
vor.

Gegen Abend, als immer noch nicht das Ziel voraus in Sicht kommen
wollte, beschleunigten wir doch etwas unsere Fahrt, denn fern rollender
Donner und schwarze Gewitterwolken mahnten uns bei Zeiten an eine
sichere Unterkunft zu denken, ehe wir von dem schnell heraufziehenden
Unwetter überrascht werden möchten. Die höchste Zeit war es, daß wir
Schutz und Obdach fanden; denn als das Kanoe an der Landungsstelle
beim Dorfe Lionde am rechten Ufer in das Schilfgras einlief, und wir
das steile Ufer hinaufsprangen und unter der nächsten Hütte zu treten
suchten, deren überhängendes Dach uns Schutz versprach, prasselte der
Regen schon in Strömen hernieder.

Gewohnt, als Europäer von der Hütte eines Eingeborenen nicht
weggewiesen zu werden, solange nicht offene Feindschaft ausgebrochen
und der Neger der Stärkere ist, war der Empfang, den uns ein altes
zeterndes Weib bereitete, etwas überraschend, zumal wir noch keine
Miene gemacht hatten, ihre verräucherte schmutzige Hütte zu betreten,
und uns nur vor dem ersten heftigen Anprall des Gewittersturms zu
decken suchten. Ihr Lamentiren, für uns unverständlich, hatte nur den
Erfolg, daß aus den umliegenden Hütten Männer und Frauen hervorkamen,
die, wie es schien, diese boshafte Alte, nebenbei ein Urbild von
Häßlichkeit, noch mehr aufreizten. Wir ließen uns freilich nicht
stören, hatten aber genügend Grund, über die Ursache solcher scharfen
Abweisung Betrachtungen anzustellen, um so mehr, als einer unserer
Leute das Kauderwelsch der alten Migäre dahin aufklärte, daß wir uns
entfernen sollten, sie wolle keinen weißen Mann unter ihrer Hütte
haben, auch die Reden der anderen Bewohner waren nichts weniger als
freundliche.

Dieser Dolmetscher hatte darauf der Alten zu erklären, daß es von ihr
gescheiter wäre den Mund zu halten, wir wollten von ihr nichts, da wir
aber nun einmal hier seien, so würden wir auch bleiben, woraufhin sie
von der Bildfläche verschwand und in ihren vier Pfälen den angefangenen
Prolog mit etwas gedämpfter Stimme fortsetzte. Der Gedanke, daß etwas
im Werke sein könne, was Europäern zum ernsten Nachdenken Veranlassung
geben könnte, kam uns nicht, so auffällig dieser Vorgang auch war,
stand es doch allein dem Dorfhäuptling nur zu, uns wegzuweisen und, daß
von dieser Seite uns nichts in den Weg gelegt werden würde, nahmen wir
als selbstverständlich an.

Als der erste schwere Regenguß vorüber gezogen war, ließ Herr Franke
unsere Sachen heraufschaffen, während ich einen Abgesandten zum
Häuptling abfertigte, der denselben unsere Ankunft melden und ihn um
Ueberlassung einer Hütte für die Nacht ersuchen sollte.

Die jüngere Generation des Dorfes, die inzwischen sich zu Haufen
angesammelt hatte, starrte neugierig die weißen Ankömmlinge in einer
Weise an, als hätte diese halbwüchsige schwarze Gesellschaft noch
nie Gelegenheit gehabt, einen Europäer zu sehen und müßte sich deren
Gebahren und Handeln fest ins Gedächtniß einprägen; im Hintergrunde
dagegen standen die erwachsenen Männer, fast nicht minder neugierig als
ihre Sprößlinge.

Der zurückkehrende Bote, der sich nur mit Mühe durch die gaffende Menge
Bahn brach, brachte mir die überraschend unwillkommene Nachricht,
daß der Häuptling mir sagen lasse, er habe für uns keine Hütte zum
Nachtquartier und rathe uns sein Dorf lieber zu verlassen! In solch
mißlicher Lage war nun guter Rath theuer. Hätte der persönliche Stolz
uns nicht verboten, den gegebenen Rath nicht zu befolgen, vielmehr
durch unser Bleiben nun zu zeigen, daß wir uns nicht einschüchtern
lassen, so hätten wir vielleicht noch am anderen Ufer bei dem Araber
Baccari Unterkunft finden können, aber einfach abziehen und das Feld
zu räumen, weil die übliche Gastfreundschaft verweigert wurde, hätte
den Schwarzen gegenüber wie eine Art Flucht erscheinen können, und ich
wenigstens war dagegen, der schwarzen Gesellschaft diesen Gefallen zu
thun, wiewohl ich mir den Grund zu einem so unfreundlichen Benehmen,
das einer Drohung nicht unähnlich, absolut nicht erklären konnte.

Entschlossen, auf jede Gefahr hin zu bleiben, nahm ich die Gelegenheit
wahr, der gaffenden Menge eine Probe von der Treffsicherheit
unserer Waffen zu geben; als zufällig inmitten des Flusses auf der
Wasseroberfläche ein Krokodil träge sich vorbeitreiben ließ, schoß
ich auf dieses und ein Ruf der Verwunderung ging durch die Menge, als
das verwundete Tier den mächtigen Rachen weit aufreißend in die Tiefe
sank, darauf ohne das Gewehr abzusetzen gab ich noch zwei Schrotschüsse
nach einem näheren Gegenstand ab und jetzt prägte sich das Erstaunen
der Umstehenden in deren Blicken aus, die sie auf die schnellfeuernde
Waffe gerichtet hielten. Diese kleine Schießprobe sollte nur dazu
dienen, den bewehrten Männern zu zeigen, daß wir nicht wehrlos ihnen
gegenüberstehen und es nicht rathsam sei, uns eventuell zu einem Abzug
zu zwingen.

Bei dem Versuche, aus unsern wasserdichten Decken ein Zelt aufzurichten
kam uns als unwillkommener aber doch bester Helfer der Ausbruch eines
neuen Gewittersturms zu Hilfe; die Wasserfluth machte freilich unser
Vorhaben zu Nichte, vertrieb aber gleichfalls auch die gaffende lästige
Menge und suchten wir wieder unter dem Dach Zuflucht, wo uns der erste
unfreundliche Empfang zu theil geworden war.

Da die Dunkelheit und die Nacht mit diesem Unwetter heraufzog, hatten
wir, durch Decken nothdürftig geschützt, nahe der runden Lehmwand der
Hütte Platz genommen, um die Koffer und Sachen, die frierenden Leute
dazu, nach Möglichkeit der Regenfluth zu entziehen, und mit Geduld uns
in das Unvermeidliche fügend, trafen wir die Vorkehrungen, eine lange
ungemüthliche Nacht hier zu verbringen.

Nicht eher als bis die furchtbar rollenden Donner sich in die Ferne
verloren hatten, die zuckenden Blitze nicht mehr die dunkle Nacht
erhellten, fanden wir erst gegen Mitternacht die ersehnte Ruhe; so
lange währte der Aufruhr der Elemente, deren ganze Gewalt sich über
diese Gegend entladen hatte. Am frühen Morgen des 10. Januar rüsteten
wir uns zur schnellen Abfahrt, mit der Absicht, bis gegen Abend
noch Mpimbi zu erreichen, um die müden Glieder mal wieder auf ein
Feldbett ausstrecken zu können, wurden aber länger aufgehalten, weil
die Regenströme unser Kanoe fast voll Wasser gefüllt hatten, das
die Leute mit den Händen, in Ermangelung eines geeigneten Apparats
erst ausschöpfen mußten, und als wir schließlich von den zahlreich
herbeigeströmten Bewohnern umdrängt, das Ufer verlassen hatten,
stand am andern der Araber Baccari und wollte uns sein Salam sagen.
Genöthigt, nun doch die Abreise etwas zu verzögern, hätte ich gerne
etwas Proviant gleich mitgenommen, zumal ein gewisses Quantum bei
meiner Rückkehr bereit liegen sollte, aber wir erhielten nichts, nur
versprach Baccari uns in den nächsten Tagen einige Kanoes mit Mehl,
Bataten und Ziegen senden zu wollen. Seine Einladung, in seine weit
zurückgelegene Behausung einzutreten, schlug ich aus Mangel an Zeit
ab. Erhalten hätte ich doch nichts, und uns von dem schlauen Patron
ausfragen zu lassen, der, wenn nicht die Seele des ausbrechenden
blutigen Aufstandes, so doch der Berather der Häuptlinge war, dazu
hatten wir keine Veranlassung.

Jetzt, noch vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten, von denen uns
von Seiten der Bevölkerung ein kleiner Vorgeschmack gegeben worden,
stand, wie schon früher erwähnt, das Dorf Lionde auf beiden Ufern des
Schire; von den Hütten war die weitaus größere Zahl auf dem rechten
Ufer erbaut worden und nach den dichtgesäten beliebig durcheinander
errichteten Behausungen zu urtheilen, mußte die Eingebornenzahl eine
ganz beträchtliche sein. Darum auf die große Zahl ihrer Krieger
pochend, die theilweise mit Vorderlader bewaffnet waren, mochten doch
die Häuptlinge, unterstützt von der Bevölkerung des ganzen Distrikts,
sich kräftig genug fühlen, den von den Engländern eröffneten Kampf
anzunehmen. Aber an Zahl auch noch so groß und überlegen, fehlt
die einheitliche Leitung, und anstatt dem vordringenden Feinde die
Hauptmacht entgegenzustellen, sucht jeder Fumo allein die geschlossene
Macht der Europäer aufzuhalten, wird natürlich geschlagen und die
Fliehenden, zwar die Zahl der zurückstehenden Haufen vermehrend,
entmuthigen mehr oder weniger die noch kampfbereiten Krieger.
Zurückzuführen ist solche Kampfweise auf persönliche Eifersucht unter
den Häuptlingen selbst, da jeder wohl zu kämpfen sich bereit erklärt,
aber keiner dem andern die Leitung überlassen mag.

Ebenso vermeiden diese Krieger möglichst den offenen Kampf, was der
Fall, sobald sie die überlegene Waffe der Weißen zu fürchten haben.
Auch werden sie nie ihre Heimstätten und Dörfer energisch vertheidigen,
sondern, da Weib und Kind und alles Eigenthum meistens vorher in
Sicherheit gebracht worden ist, diese dem vordringenden Feinde
überlassen, der die Grasdächer in Brand setzt und in kurzer Zeit ein
noch so großes Dorf in einen Aschenhaufen verwandelt, obgleich die
labyrinthartigen Wege, gedeckt und geschützt durch den Wirrwarr der
Hütten, dem Vertheidiger ein nicht unwesentliches Uebergewicht, dem
Angreifenden gegenüber, geben würden.

Wie der spätere Kampf zeigen wird, ist Lionde auch auf diese Weise ein
Raub der Flammen geworden und hat das Schicksal aller zwischen hier und
Mpimbi liegenden Dörfer getheilt, so daß, als ich diesen Ort wieder
sah, von dem mir in der Erinnerung haften gebliebenen Bilde auch nicht
das Geringste übrig geblieben war, was an das einstige Lionde erinnert
hätte! Nachdem wir uns von dem geschwätzigen Araber frei gemacht
hatten, setzten wir unsere Fahrt flußabwärts fort und rasteten erst
im Dorfe Perisi; hier mit der gewohnten Freundlichkeit von seiten der
Bewohner aufgenommen, konnte ich eine Art Vertrag mit dem Häuptling
abschließen, der sich auf Lieferung von Naturalien und Vieh beziehend,
wenigstens einige Aussicht bot, von hier unsere Bedürfnisse zu decken.

Auffallend, wie ich bisher noch nirgend bei diesen Völkerstämmen
Gelegenheit gehabt zu beobachten, war hier unter dem Schatten eines
gewaltigen Baobobbaumes einem verstorbenen Häuptling eine Art
Grabmonument errichtet worden, in der Weise, daß über dem flachen
Grabhügel eine viereckige Hütte erbaut worden, deren Dach über der
Grasbedeckung noch verschwenderisch mit blauem und weißem Zeug
bekleidet war und als Zierrath noch Bänder aus diesem und rothem
Zeuge an allen Seiten herniederhingen. Die Verschwendung des für den
Eingebornen besonders werthvollen Stoffes ließ darauf schließen, daß
ein reicher Mann von besonderem Einfluß hier bestattet worden sei,
weil sonst nur auf den Trümmern einer über einem Grabe eingerissenen
Hütte wenige Fähnchen als Schmuck angebracht zu werden pflegen. Später,
nach dem Aufstand, habe ich mich vergebens bemüht, diese Stätte wieder
aufzufinden; die sonst heilige Stätte der Todten war von Feindeshand
beraubt und entweiht worden.

In den Nachmittagsstunden verhinderten recht schwere Regengüsse,
verbunden mit plötzlich hereinbrechenden Sturmböen, verschiedentlich
unsere Weiterfahrt und entweder mußten wir unter dem Dache einer Hütte
Schutz suchen, oder hinter den mächtigen Stämmen altersgrauer Bäume uns
zu decken suchen.

Gegen Abend jedoch passirten wir die eine Strecke oberhalb Mpimbi
liegende große Insel im Schire, auf welcher der Häuptling Tschikusi
seinen beständigen Wohnsitz aufzuschlagen im Begriff war; denn selbst
kein Freund der Engländer, verließ er sein Dorf Mpimbi, um hier
unbelästigter seiner üblen Gewohnheit, dem Pombetrinken, fröhnen zu
können, man sagte von ihm, daß er niemals nüchtern anzutreffen sei.

So erreichten wir denn nach fünfzehntägiger Abwesenheit, nach mancher
Fährlichkeit und Strapazen, glücklich das deutsche Lager wieder, wo ich
nun das Hauptwerk beginnen, und die deutsche Thatkraft beweisen sollte,
daß auch ihr nichts unmöglich ist.




                           12. Der Aufstand.


Das deutsche Lager, das etwa vier Minuten vom Flusse entfernt war,
hatte eine so versteckte Lage, daß es, von zwei Seiten, links und
geradezu, von dichtem Wald umgeben, in der Front und rechts, lichter
Busch, erst bemerkt werden konnte, wenn man vor der aufgethürmten
Dornhecke stand. Als ein trockener und vorzüglicher Lagerplatz hätte
in ruhigen Zeiten dieser geschützte Ort nicht besser gewählt werden
können. Aber wie es sich in Folge der Ereignisse auswies, die nicht
erwartet und nicht vorhergesehen werden konnten, war die Wahl dieses
Ortes in Bezug auf Vertheidigung keine glückliche gewesen, obgleich de
la Fremoire und Illich, die den Auftrag zur Auswahl gehabt, den besten
und einzigen Ort gewählt hatten, der nahe Mpimbi überhaupt gefunden
werden konnte.

Betreffs des Platzes, welcher zur Anlage der Werft in Aussicht
genommen war, hatte bereits Herr von Eltz von Katunga aus sich mit
dem Kommissar Mr. Johnston in Zomba in Verbindung gesetzt, um dessen
Genehmigung zum Aufbau einer solchen zu erhalten; ich erfuhr aber von
einem Deutsch-Engländer, Mr. Berenger, der, als Manager die Plantage
unterhalb des Dorfes Mpimbi, für die Firma Scharrer & Co. verwaltete,
daß die ganze Uferstrecke einschließlich dieses Dorfes dem in Blantyre
ansässigen Herrn Scharrer gehöre und diesem allein das Verfügungsrecht
über dieses Terrain zustehe, und würde blos die Genehmigung des
Häuptlings Tschikusi darüber einzuholen sein, ob wir auch sein Dorf
ungehindert passiren könnten.

Hatte ich mir damals auch noch keine rechte Vorstellung machen können
wie die Verhältnisse in Mpimbi lagen, so war mir jetzt die Erklärung
dieses Vertreters -- es würde kein Anstand genommen werden, uns den
Platz für die Zeit des Schiffsbaus unentgeltlich zu überlassen -- eine
hochwillkommene, auch Schwierigkeiten, die der Häuptling allenfalls
machen könnte, würden von dieser Seite beigelegt werden; ich hätte nur
die Eitelkeit des Fumo durch einige Geschenke zu schmeicheln und der
sofortigen Inangriffnahme des Werftbaues stände nichts mehr im Wege.

Unterrichtet nun, in welcher Weise ich mit dem Häuptling Tschikusi
zu verfahren hatte, schickte ich zu diesem einige Abgesandte mit dem
Ersuchen, bald möglichst zu mir ins Lager zu kommen und, da dessen
Willfährigkeit von dem Werthe des überbrachten Geschenkes abhängig
war, so hatte ich ein ganzes Stück weißes Zeug als vorläufige Gabe
überreichen lassen. Etwas erstaunt und verlegen war ich aber doch, als
mir die Boten die Meldung brachten, daß der Fumo sie mit dem Geschenke
zurückgewiesen, mit dem Bemerken, weißes Zeug sei für einen großen
Häuptling keine würdige Gabe, verlegen insofern, als mein Vorrath
überhaupt nur sehr gering war, denn bunte Tücher und Taschentücher
wollte ich eigentlich erst nach dem Schauri herausrücken. Ein
Nichtwillfahren hieß jede Verhandlung abbrechen und die Konsequenzen
tragen, die in endlosen Weitläufigkeiten und Hinderung meiner Absichten
bestehen würden, darum meinen ganzen Reichthum überschlagend, wählte
ich ein halbes Stück blaues Zeug, einige bunte große Tücher, eine Decke
und eine Anzahl recht grell gefärbte zusammenhängende Taschentücher
und sandte die Boten sofort zurück mit der Anweisung, dem Häuptling
verstehen zu geben, er würde noch ein ähnliches Geschenk erhalten,
wenn er zugestehen würde, was ich von ihm wünsche. Diese ganze Gabe,
deren Werth in Europa nur gering, muß hier, wo dieselbe einige hundert
Prozent mehr gilt, doch als eine recht werthvolle angesehen werden,
zumal in den Augen des Schwarzen das Bunte immer den Vorzug erhält;
die Güte der Waare kommt dabei weniger in Betracht, obwohl er auch
hier schon durch die herrschende Konkurrenz gewitzigt, einen kleinen
Unterschied zu machen weiß.

Nun dieses Mal hatte ich mit den Geschenken Erfolg, und die überbrachte
Botschaft, der Fumo würde am nächsten Morgen zur Verhandlung in das
Lager kommen, ließ mich wenigstens einen günstigen Ausgang erhoffen;
weniger angenehm war die Mittheilung für mich, daß Tschikusi wieder
vollständig betrunken sei und seine Umgebung eigentlich die Zustimmung
gegeben habe! Daher sah ich denn auch dessen Ankunft mit begreiflicher
Spannung entgegen, namentlich in welcher Verfassung der Fumo sich
präsentiren würde! --

Am 14. Januar im Laufe des Vormittags meldete der Wachposten die
Ankunft einer Anzahl Kanoes, und bald darauf, die Insassen seien
Tschikusi und sein Gefolge, vom hochgelegenen Lager den Weg zum Flusse
überschauend. Nicht wenig erstaunt war ich, eine ganze Kalwakade
bedächtigen Schrittes sich nähern zu sehen, mehr noch, als fast
ebensoviel Weiber folgten, von denen jedes bis auf eine, vor der
her ein Ziegenbock getrieben wurde, eine große Schale voll Mehl,
Bataten, Bananen oder Tomaten auf dem Kopfe trug. Solch einen Aufzug,
dessen Bedeutung mir zwar nicht fremd, als damit eine besondere Ehre
erzeigt werden sollte, hatte ich doch nicht erwartet und bekannt
mit dem üblichen Gebrauch, daß keine Person leer ausgehen durfte,
überschlug ich in Gedanken was mir diese zum größten Theil unnöthige
Gesellschaft kosten würde. Nachdem die allseitige Begrüßung vorüber
war, während welcher die Frauen im Halbkreise sich auf den Erdboden
niederhockten, die vornehmste in Front, die Ziege zur Seite, geleitete
ich den Häuptling, für den ein Sprecher alles nöthige sagte, in meine
Behausung, wo derselbe sich ohne weiteres in eine Ecke niederhockte
und stumm wie ein Fisch seinem Gefolge alles weitere überließ. Die
Verhandlung von meiner Seite sodann durch einen Dollmetscher eröffnend,
wurde mir erst, ehe irgend eine Erwiderung erfolgte, bekannt gegeben,
daß unter den nun vor dem Eingang meines Hauses wieder im Halbkreis
sitzenden Frauen die Gattin des Häuptlings sich befinde, die als
besonderes Geschenk für mich die mitgebrachte Ziege überreichen wolle.
Natürlich erforderte es nun die Höflichkeit, diese schwarze Dame
auch zu begrüßen und die Gabe von derselben in Empfang zu nehmen,
auch die nun angebotenen Naturalien des Gefolges durften ebensowenig
zurückgewiesen werden. Daraufhin bestimmte ich die auszutheilenden
Gegengeschenke und ließ durch Knuth einer jeden ein ganz gleiches Stück
Zeug verabfolgen, einerlei, ob das Ueberbrachte gering oder werthvoller
war, nur mit der Häuptlingsfrau machte ich eine Ausnahme, indem ich den
Werth der Ziege mit sechs Faden weißes Zeug und einem größeren bunten
Tuch bezahlte.

Diese gleiche Vertheilung der Gegengeschenke schien alle zu
befriedigen, und soweit ich die Ausdrücke der zuschauenden Männer
beurtheilen konnte, auch diese mit Genugthuung zu erfüllen; sah doch
ein Jeder, daß keiner unter ihnen zu kurz kommen würde, wenn die Frauen
das erhaltene ihnen wieder abgeben würden. Als die Frauen und Fräulein,
halb in Evakostüm, abgefertigt waren, wandte ich mich dem stupide
dreinblickenden Häuptling wieder zu und legte der still zuhörenden
Versammlung meine Wünsche vor. Es schien, daß über das Für und Wieder
meines Anliegens der Sprecher nichts zu erwähnen habe und der Häuptling
stillschweigend zu allem seine Zustimmung gebe, nur als ich noch um
Stellung einer Anzahl Arbeitskräfte antrug, wurde mir dieses mit dem
Bemerken abgeschlagen, die Männer und Frauen sind jetzt in den Matama-
und Maisfeldern beschäftigt.

Das absolute Stillschweigen Tschikusis zu allem Gesagten, der
übrigens keinen besonders imponirenden Eindruck machte und dessen
Kopf vom letzten Rausche noch bedenklich schwer erschien, indem er
sein würdevolles Haupt zeitweilig tief sinken ließ, wollte mir nicht
gefallen und ob auch der Sprecher die Zusicherung gab, der Fumo ist mit
allem einverstanden, so wollte ich doch auch aus diesem schwarzbärtigen
Munde selbst die Bestätigung hören, vorausgesetzt, daß er überhaupt
sprechen wollte, was wie ich gehört, zeitweise ganz vernehmlich und
nachdrücklich geschehen könne. Daher kehrte ich mich nicht weiter an
das plappernde Faktotum sondern rückte Tschikusi direkt zu Leibe, und
siehe da, die stummen Lippen öffneten sich und ich hörte die Zusage
von diesem gefürchteten Häuptling selber -- das genügte mir. --

Eigentlich wider Erwarten rasch war diese Angelegenheit von den
Betheiligten erledigt worden, nur meinerseits hatte ich den bekundeten
guten Willen noch dadurch zu belohnen, daß ich jedem der Männer nun
gleichfalls ein Geschenk überreichen ließ; des Häuptlings und seines
Ministers selbstverständlich ganz besonders gedenkend. Immerhin waren
diese gering anzuschlagen gegenüber der Thatsache, daß hierdurch vielen
Scherereien aus dem Wege gegangen war.

Am andern Morgen, als ich zum zehn Minuten vom Lager entfernten
Bauplatze mit Handwerkzeug und einigen Suaheli auszog, kamen wir den
unter den hohen Bäumen dort Matama stampfenden Weibern etwas ungelegen,
denn widerwillig schienen sie nur weichen zu wollen und uns den Platz,
worauf sie so lange unbeschränkt ihren häuslichen Verrichtungen hatten
nachgehen können, zu überlassen. Unangenehmer noch war es ihnen, von
der so bequem gelegenen Wasserstelle ablassen zu sollen, die unter dem
Schatten zweier mächtiger Bäume an der hier seichten Uferstelle sich
befand; sonst fiel das Ufer überall steil ab und bot sich in der Nähe
kein Zugang weiter zum Flusse.

Als Schöpfapparat bedienen sich die Frauen des weitverbreiteten
Flaschenkürbis, dessen Form und feste Schale sich ganz besonders
dazu eignet; wagen sie es nicht der Krokodile wegen hiermit Wasser
zu schöpfen, so wird in dem ebenfalls hohlen Stengel eine Stange
eingeschoben und sie können nun damit nach Belieben und mit Sicherheit
klares Wasser erlangen; ihre Wasserbehälter sind aus Thon gebrannte
Töpfe und werden stets mit Geschick auf den Köpfen getragen.

Ehe ich nun die Reinigung des Platzes vornehmen ließ, der übrigens
zum größten Theil mit hohem Grase bestanden war, hatte ich die
Grenzen desselben abzustecken, wobei ich, um Raum zu gewinnen die
Linie so dicht an einzelnen vorstehenden Hütten entlangführte, daß
der projektirte Zaun diese berühren mußte. Zur Linken, dem Flusse
zugekehrt, hätte ich wohl Terrain gewinnen können, da hier die Hütten
weit genug zurück lagen, aber meine Absicht, soviel zu nehmen als nur
möglich, wurde durch den Widerspruch der Dorfbewohner vereitelt, indem
sie eine eingerissene Hütte worunter ein Todter begraben lag, nicht
in der geplanten Umzäunung eingeschlossen wissen wollten. Auch die
Entfernung einiger Hütten, die mir landeinwärts äußerst hinderlich,
konnte ich aus diesem Grunde nicht durchsetzen; sie wollten absolut
nichts davon wissen, obgleich ich strenge Schonung der Grabstätten
zusagte, wenn diese in unserem Bereich verblieben.

Die Länge des Platzes, etwa 150 Fuß hätte mir genügt, nur die Breite
von 85´ nicht, denn die tiefe Rinne welche ich graben lassen mußte
würde 110´ landeinwärts betragen. Vorläufig jedoch ließ ich mir daran
genügen, um Verwickelungen aus dem Wege zu gehen, die sehr leicht
durch ein schroffes Auftreten entstehen konnten, zumal es mir nicht
unbekannt geblieben, daß auch hier die Gesinnung der Bevölkerung gegen
die Engländer keine günstige war, gewährt und hervorgerufen durch die
zwangsweise Eintreibung der ausgeschriebenen Kopfsteuer.

Um die Arbeiten nun nach Möglichkeit zu fördern, namentlich die
Umzäunung vorzunehmen, suchte ich die Dorfbewohner dazu heranzuziehen
in der Weise, daß, wenn sie sich nicht in Tagelohn (d. h. per Woche
bekam hier der Arbeiter zwei Faden = 12 Fuß Zeug) annehmen lassen
wollten, sie mir alltäglich auf ihrem Rückwege von den Feldern
Rohrbündel mitbringen sollten, die ich ihnen à zwanzig Stück, mit
einem Faden Zeug bezahlen wollte; aber aus der beträchtlichen Zahl
Männer und Frauen fanden sich nur wenige, die auf dieses Anerbieten
eingingen, und das Herbeischaffen von Rohr ganz unterließen, als ihnen
der ausbedungene Preis nicht schon bei acht oder zehn Bündel voll
ausgezahlt wurde. In sumpfiger Niederung oder am Flußufer wächst dieses
Rohr in so großer Anzahl, daß es wirklich den Leuten keine Mühe machte
es zu schneiden und mitzubringen, allein, jede unnöthige Arbeit hassen
sie und machten sich daher nichts aus dem Verdienst; ihre Ansprüche so
äußerst gering, -- fühlen sie nicht das Bedürfniß nach mehr.

Eifrig bestrebt nach Möglichkeit die angefangenen Arbeiten zu fördern,
zog ich mit wenigen Leuten öfter in den das Lager umgebenden Wald, um
in diesem passende Hölzer zum Bau der Häuser auszusuchen und zu fällen,
hauptsächlich weil das Herbeischaffen der benöthigten Baumstämme von
den Bergen für meine paar Leute sehr zeitraubend und schwierig war,
konnte ich doch nur des Morgens eine Abtheilung hinaussenden, die um
Mittag zurückgekehrt, dann Ruhe haben mußten, damit die Leute Nachts
den Postendienst versehen konnten. Der das Lager umgebende Wald,
bestand meistens aus hohen Bäumen, jedoch das Untergebüsch war so wild
und dicht, daß man nur mit der Axt einen Weg hindurch bahnen konnte
und fast kein Sonnenstrahl durch die hohen dichten Kronen der Bäume
und diesem Blättermeer zu dringen vermochte, -- die vorherrschende
Dämmerung, die tiefe Einsamkeit in diesem erweckten das Gefühl, als
wäre man entrückt und fern aller menschlichen Wohnstätten, oder
befände sich auf einem Kirchhof, auf welchem die gestürzten modernen
Waldriesen der Natur den Tribut zahlten. Hier war auch die Behausung
der Panther und Hyänen, die nächtlicher Weile das Lager umschlichen;
solche die zwar vor den Menschen flohen und nur selten sich blicken
ließen, dagegen in der Dunkelheit ohne Scheu die hindernden Dornhecken
des Lagers übersprangen um nach Beute Umschau zu halten. Viel Schaden
haben uns die Räuber dadurch zugefügt, daß sie trotz der wachsamen
Posten uns manche Ziege raubten, oder die Wildkatze in den Hühnerstall
eindrang und Verheerungen anrichtete.

Einen Fall von der Kühnheit eines Panthers will ich hier anführen: Im
Lager, das von Dr. Röver später bedeutend ausgebaut wurde, verblieben
die Soldatenwohnungen an der Waldliesère, wie ich sie hatte aufführen
lassen bestehen. Diese langgestreckten Hütten nach der Innernseite
zu fast ganz offen, im Hintergrund so niedrig aber, daß das Dach
fast den Erdboden berührte, waren für jede Abtheilung in besondere
Räume getheilt und mit den provisorischen Schlafstätten der Soldaten,
selbsterrichtete Kitandas so angefüllt, daß in der That nur schmale
Gänge übrigblieben. So gezwungen immer auf den Kitandas zu sitzen oder
zu liegen, wurden im Vordergrund meistens kleinere Feuer unterhalten,
die während der meisten Nachtstunden, so lange die Leute noch munter
oder sich unterhaltend umherlagen, das dunklere Innere etwas erhellen
sollten. Eines Abends also, alles hatte sich zur Ruhe gelegt, wurden
die mitten im Lager angebundenen Ziegen unruhig und ein Posten, der
es bemerkt, verscheuchte durch seine Annäherung das Raubthier; der
auf dasselbe abgegebene Schuß aber alarmirte sofort das ganze Lager.
Es war ein Panther, der nun, da er nicht im Stande war, den Ausweg zu
ereichen, sich in eine der Soldatenhütten einschlich und unter eine
Kitanda verkroch. Der betreffende Schläfer durch den Alarm ermuntert,
bemerkte, daß unter seiner Schlafstelle etwas nicht in der Ordnung
sein mußte und sich niederbückend, sah er beim Scheine des in der
Nähe glimmenden Feuers vor sich die glühenden Augen des gefährlichen
Raubthiers. Er folgte dem ersten Impulse das Thier zu verscheuchen,
erfaßte einen glimmenden Holzscheit und schlug nach den funkelnden
Katzenaugen.

Der Panther, von dem plötzlich entstandenen Lärm nun wohl schon
ängstlich gemacht, wich dem Schlage aber aus, und die dünne Graswand
durchbrechend, gewann er das Freie. Ein junger Teckel, der einzige den
wir noch besaßen, hatte sich zu nahe gewagt und wurde von dem Panther
erfaßt, während dieser den Gang zwischen Häuser und Hütten durchlief,
hier über die Dornhecke setzte und im Walde verschwand, aus welchem das
ängstliche Geheul des Hundes noch vernehmbar, allen anzeigte, welchen
Weg der Räuber mit seiner auf der Flucht erfaßten Beute eingeschlagen
hatte.

Sehr oft haben auf diese Weise die kühnen Panther uns die Nachtruhe
gestört und meistens immer ein Zicklein oder größere Ziege erbeutet;
weite Streifzüge sind unternommen worden oder den Räubern Hinterhalte
gelegt, nie aber gelang es eines der gewandten Thiere bei der
herrschenden Dunkelheit zu erlegen, höchstens wurde ihnen, die durch
einen Schlag mit der mächtigen Tatze getödtete Ziege wieder abgejagt.

Den Wald, den ich wie gesagt nach passenden Baumstämmen absuchte,
lernte ich auf diesen Streifzügen genügend kennen ohne jedoch
reichliches Material an jungen schlankgewachsenen Stämmen vorzufinden,
im Gegentheil die Ausbeute war nur gering zu nennen, auch fand ich nur
brauchbares Material an den hohen Ufern des jetzt trockenen Wildbaches
vor, der diesen Wald durchschnitt und in der Regenzeit die Bergwasser
dem Schireflusse zuführte.

Im tiefsten Walddunkel, wo das Unterholz weniger dicht und nur Farne
unter den hohen Bäumen wucherten, fand ich auch unvermuthet eine
Grabstätte, etwa fünfzig Gräber dicht an dicht gereiht. Kein Fuß eines
Eingeborenen verirrte sich je hierher -- selbst meine Leute vermieden
diese Stätte zu betreten, wenn ich den einen oder anderen der kürzeren
Entfernung wegen von dem Wildbache aus zum Lager sandte, und machten
lieber einen Umweg. Einladendes hatte diese Grabesstille gerade nicht,
so versteckt lag der Ort und so düster war die ganze Umgebung; jedes
Grab war mit Topfscherben übersät, die den einzigen Schmuck der Hügel
bildeten, soweit solche noch zwischen Gras und Kräuter erkennbar waren,
sonst zeigte nichts an wer wohl unter einem der Hügel die Ruhe gefunden
hatte. Genöthigt beständig zwei Leute, die der Sprache der Eingeborenen
mächtig waren, zum Einkauf von Proviant auszusenden, -- den Einkauf
besorgte der Suaheli Hamissi, -- sandte ich diese vorerst immer nach
Perisi in welchem Dorfe mir die Zusage gegeben worden war meinen Boten
Proviant verkaufen zu wollen. Durch diese Leute nun, die meistens auf
solcher Tour zwei Tage ausblieben und Gelegenheit hatten Verschiedenes
zu hören und zu sehen war ich einigermaßen von der Gesinnung der
Bevölkerung unterrichtet und konnte aus den gemachten Mittheilungen
entnehmen, daß die überall verbreitete Unzufriedenheit einen schlimmen
Ausgang nehmen würde.

Am 21. Januar wieder nach Perisi zurückgekehrt, berichtete Hamissi,
er sei durch zugezogene Leute im Dorfe während der Nacht überfallen
worden und hätte nur dadurch die Angreifer von sich abgehalten,
weil er gedroht habe zu schießen, am Morgen hätte er dann eiligst
den Rückmarsch antreten müssen und von den eingekauften Vorräthen
wenig mitnehmen können. Dieser Vorfall war um so bedenklicher, als
die beste Quelle, woher ich Lebensmittel erhalten konnte, fortan für
uns verschlossen war; es blieb mir daher nichts anderes übrig, als
die Leute nun in die flußabwärts liegenden Dörfer zu senden, die
weit zerstreut und wenig bevölkert, nur in geringem Maaße Naturalien
abzugeben vermochten. Im Dorfe Mpimbi selbst war nichts zu erhalten
waren auch Ziegen, Schafe und Hühner reichlich vorhanden, so weigerten
sich die Bewohner doch, uns das Geringste abzulassen.

Die im Umlauf befindlichen Gerüchte ließen auf eine immer mehr
wachsende Erregung schließen, nur wußte man nicht, woher solche kamen,
auch fehlte dafür ein bestimmter Anhaltspunkt; so hatte ich auch
persönlich das Gefühl, wenn ich auf dem Wege zur Werft oder im Dorf
einem Trupp Männer begegnete, daß die schwarzen Gestalten sicher nichts
Gutes im Schilde führten und diesen gegenüber Vorsicht geboten wäre.

Etwas freie Hand bekam ich erst durch die Ankunft eines Transportes von
Katunga, der mir unter Führung des Maschinenmeisters Spenker und des
Zimmermanns Ottlich Schiffsmaterial brachte, allein auch die Sorge für
die Verpflegung erhöhte, denn ich hatte eine Verstärkung der Besatzung
nicht gewünscht, schon aus dem Grunde nicht, weil es so schwierig
war, genügende Lebensmittel zu erhalten; das nur war mir lieb, einen
Vertreter jetzt im Lager zu haben, denn nun konnte ich daran denken, am
anderen Schireufer eine Exkursion zu unternehmen, um im dichten Urbusch
einige Bäume auszusuchen, die gefällt, zu Balken behauen werden mußten.

Auf dem linken Ufer fand ich solche hohen und geraden Bäume die dem
Zweck entsprochen hätten nicht, waren doch zur Kielunterlage 200 Fuß
Balken nöthig, welche das Gewicht des eisernen Körpers zu tragen
hatten, auch mußte jeder Balken möglichst lang sein, um ein Einsinken
in dem theils vom Flußwasser, theils vom Regen aufgeweichten Grund zu
verhindern. Lange Wochen würde diese Arbeit in Anspruch nehmen und
hatte ich mir deren Beendigung mit der Fertigstellung der Ausgrabung
auf der Werft zusammenfallend gedacht, sofern das drohende Unwetter
sich verziehen würde und ich in Ruhe meinen Plan zur Ausführung bringen
könnte, der darin bestand, mit allen verfügbaren Kräften vorzugehen,
sobald die nothwendigsten Arbeiten im Lager beendet sein würden. Es
sollte freilich ganz anders kommen. --

Ich hatte den Abmarsch zum anderen Ufer nun einmal geplant, deshalb
führte ich diesen am Morgen des 24. mit einer kleinen wohlausgerüsteten
Truppe auch aus. Hätte mir ein Boot oder Kanoe zur Verfügung gestanden,
würde der Marsch sehr verkürzt worden sein, indem ich dann direkt
über den Fluß gesetzt wäre und versucht haben würde, durch das hohe
Ufergebüsch einen Weg in das hinterliegende Terrain zu bahnen, so aber
waren wir gezwungen, weit unterhalb Mpimbi die einzige Kanoefähre zu
benutzen, welche von dem der Station Scharrer gegenüberliegenden Dorfe
unterhalten wurde. Gegen eine Bezahlung in Zeug setzte uns auch der
schwarze Fährmann mit seiner Nußschale hier über den stark strömenden
Fluß, dann durch die Irrwege dieses ausgedehnten Dorfes, angekläfft
von den höchst unansehnlichen Hunden, folgten wir einer bestimmten
Richtung, bis wir schließlich, weithin sich erstreckende Maisfelder
hinter uns lassend, an das hohe Ufer eines Nebenflusses des Schire
gelangten und hier auf einem schmalen Fußpfad, durch Büsche und hohes
Gras, vordrangen.

Rasch marschirend, hatten wir bald ein welliges Terrain erreicht
und konnten von freier gelegenen Punkten bessere Umschau halten,
jedoch vergeblich suchten wir auf der weiten Fläche nach passenden
Bäumen. Nur zur Linken, wo das tieferliegende Gelände weithin mit
undurchdringlichem Gebüsch und Rohr längs dem ganzen Flußufer bedeckt
war, ragten die Kronen hundertjähriger Baumriesen empor, deren Stämme
schlank in die Lüfte strebten.

Vereinzelt freilich standen diese Bäume inmitten einer Wildniß,
wie solche nicht großartiger gedacht werden kann; ein fester Wall,
eine lebende Mauer schien hier aufgethürmt zu sein, die sich kein
Menschenkind unterfangen konnte zu durchbrechen. Meilenweit schon
hatten wir den einzigen Pfad verfolgt, der zu einer bewohnten Stätte
führen mußte, aber auch vergeblich versucht, links durch das Dickicht
zu dringen, immer wieder mußten wir zurückweichen. Endlich, in einer
Senkung sahen wir eine Lücke, wo das Dickicht zurücktretend, einer
ausgedehnten saftigen Wiese Raum gelassen hatte und hier gelang es erst
einem der mächtigen Bäume nahezukommen. In 50 Fuß Höhe begannen die
fast wagerechten Aeste sich erst auszubreiten, die Krone des Baumes war
gewaltig, der Stamm wohl zwölf Fuß im Umfang und fast wollte es mir
als zu schwer erscheinen, aus solchem Riesen einen passenden Balken zu
behauen, aber waren alle anderen im dichten Gebüsch nur annähernd so,
dann blieb nichts anderes übrig, als rüstig an die Arbeit zu gehen.

Beim weiteren Suchen fanden wir auch einen Flußpferdpfad, und da
dieser sicherlich zum Wasser führt, bot sich die einzige Möglichkeit
in das Dickicht vorzudringen; schnell entschlossen folgte ich diesem,
hoffend, jenen Bäumen näher zu kommen, die für uns sonst unreichbar
waren. Auf ausgetretenem schlammigen Grund, den die Füße der mächtigen
Thiere zerstampft hatten, schritten wir fort, über uns Strauch, Busch
und Rohr, gleich einer festverbundenen Decke und im Gange selbst tiefe
Dämmerung, nur zuweilen brach ein schwacher Lichtstrahl durch die grüne
Wölbung. Ueber Wurzeln und wie Hanftaue starke Schlingpflanzen zu
stolpern, war kein angenehmes Wandern, Zweige, die einem Kiboko nicht
hinderten, sperrten uns den Weg und mancher empfindliche Schlag traf
dazu das Gesicht. Indes nach längerem Vordringen kamen auch freiere
Stellen, wo man sich besser bewegen konnte und weniger dichtes Gebüsch
eine Umschau gestattete. Es gelang auch mit Buschmessern eine Bahn zu
hauen und zu mehreren Bäumen heranzukommen, jedoch wider Erwarten waren
deren Stämme zu krumm, oder ihr Umfang zu gewaltig und nur zwei hätte
ich als brauchbar bezeichnen können.

Da nun der Zweck erreicht war, so folgten wir den Spuren der
Flußpferde, nur um unsern Durst am frischen Wasser zu löschen und
standen endlich nach vielen Mühen am Ufer des Flusses, den wir am
frühen Morgen nahe seiner Einmündung in den Schire bereits gesehen
hatten. Das Flußbett schien an dieser Stelle eine Strecke auf- und
abwärts tief zu sein, was in mir den Wunsch erweckte, dasselbe genauer
zu untersuchen, denn vielleicht wäre es möglich, die Balken später
flußabwärts zu flößen, das einfachste und bequemste Mittel, uns die
schwere Arbeit zu erleichtern. Gesagt, gethan -- an der Uferböschung
entlang ging es vorwärts, nicht achtend der spitzen Stacheln, des
messerscharfen Schilfgrases und der Stiche blutdürstiger Insekten und
möglichst mit dem Flusse Fühlung haltend, bemerkten wir bald flacheres
Wasser und indem wir nun den strapaziösen Weg im Gebüsch aufgaben,
schritten wir auf dem Flußgrunde und über freiliegende Sandbänke fort.

Der Ausdehnung nach zu urtheilen, welche das größtentheils jetzt
trockene Flußbett hatte, mußten hier zeitweise gewaltige Wassermassen
dem Schire zugeführt werden und wo wir jetzt trockenen Fußes gingen,
sich wilde Wogen wälzen, was aus dem starken Gefälle zu schließen war.
Ich hatte mich auch bald überzeugt, daß es eine Unmöglichkeit war, zur
Zeit diesen Fluß zu benutzen, selbst sein seichtes Bette bot nicht mal
einen bequemeren Weg; darum, sobald das dichte Ufergebüsch hinter uns
lag, kletterten wir die steilen Uferwände wieder hinauf und setzten
unsern Weg quer landeinwärts fort.

Zwar hatten wir am anderen Ufer eine Strecke ins Land hinein, wo ein
unabsehbarer Urwald sich ausdehnte, hunderte der schönsten Bäume
erkennen können, doch nahm ich vorläufig davon Abstand, dieses näher
zu untersuchen, einestheils weil der Fluß zu überschreiten war,
anderntheils auch der Weg dorthin noch schwieriger erschien. Keinen
Augenblick im Zweifel, wie groß die Schwierigkeiten sein würden, welche
das Schlagen breiter Wege in solchem Terrain verursachen mußten, war
mir das Eine klar, daß dieses Werk nur mit Energie begonnen und mit
festem Willen zu Ende geführt werden könne. Major von Wißmann selber,
in dessen Lexikon das Wort »Unmöglich« nicht verzeichnet steht, würde
solcher Aufgabe seine Anerkennung nicht versagt haben, hätte er
persönlich sich von den Mühen und Fährlichkeiten überzeugen können; so
schwierig wenigstens hätte sich der große Kenner Afrikas diese Arbeit
auch nicht vorgestellt. Und doch war es nur erst der Anfang!

In später Nachmittagstunde den Weg wieder kreuzend, den wir am Morgen
verfolgt, nahm ich mir einen Mann mit und schritt rüstig dem Schire
zu, um mit dem Häuptling jenes Dorfes nähere Vereinbarung zu treffen,
uns die Fähre und Wege durch sein Dorf benutzen zu lassen, während
Ottlich mit den Leuten weiter vordringen sollte, theils das Terrain zu
erkundigen, theils Bäume noch auszuwählen, damit der vorläufige Bedarf
an Balken gedeckt würde.

Um das einmal begonnene Werk nun auch fortzusetzen, da es das
schwierigste war, welches vorläufig unternommen werden mußte, so
suchte ich mir die besten Leute aus, die eine eigene Kolonne bilden
und beständig für die Arbeiten im Urbusch verwendet werden sollten,
wenigstens so lange, bis die erbetenen schwarzen Zimmerleute,
ausgebildete Missionszöglinge, von Blantyre durch Dr. Röver
übersandt werden konnten. Zunächst jedoch führte ich noch selber
diese Abtheilung, bis im Dickicht gangbare Wege zu jenen Baumriesen
geschlagen waren, dann überließ ich das weitere Ottlich, der nach
Bedarf die Leute vertheilen und anstellen konnte. Wäre nicht die
schwierige Frage der Proviantirung gewesen, hätte ich den Leuten in der
Wildniß Hütten bauen lassen, um diesen den beschwerlichen Marsch von
zehn englischen Meilen täglich zu ersparen und durch so verlorene Zeit
die Arbeit zu fördern gesucht.

Die deutsche Expedition, in friedlicher Arbeit auf englischem Gebiet,
hätte keine Ursache haben sollen, die Verwicklungen weiter zu beachten,
welche den Engländern mit den Eingeborenen dadurch entstanden, daß
sie deren Häuptlinge zur Botmäßigkeit zwingen wollten, die Ausdehnung
der englischen Macht sollte mit dem Wunsche nach Landbesitz gleichen
Schritt halten.

So war es möglich, daß zwischen Zomba und Fort Johnston der Aufstand
ungehindert ausbrechen konnte, selbst wir Deutsche uns selber schützen
mußten, ja mehr, die völlig unzureichende Macht mit allen Kräften zu
unterstützen hatten, um von ihr und uns großes Unheil abzuwenden. Die
Ursachen zu der allmählich sich entwickelnden großen Unzufriedenheit
in der Bevölkerung liegen unzweifelhaft tiefer; zieht man aber die
Methode der Engländer in Betracht, wie sie ihren Kolonialbesitz zu
mehren suchen, geht man nicht fehl, zu behaupten, daß oft absichtlich
der böse Same ausgestreut wird, der aufschließend die Empörung bringt,
dann aber den Engländern nach der Niederwerfung eines Aufstandes auch
das gewünschte Recht giebt, um den Empörern alles zu nehmen. Was nicht
kaufmännische List und diplomatische Kunst fertig gebracht, vollbringt
die Gewalt!

Ich greife zurück auf die unter der Asche glimmende Gährung in der
Bevölkerung, die nur eines Anstoßes bedurfte, um blutig aufzuflammen;
vielleicht war dieser zu früh gegeben, vielleicht auch nicht.
Einzugreifen sah sich der englische Kommissar Mister Johnston
genöthigt, als Sklavenjäger vom portugiesischen Territorium einfallend,
selbst bei Zomba, dem Sitze der Regierung, einen Mann wegraubten, und
später, oberhalb des Flusses bei Lionde mit der Bevölkerung gemeinsame
Sache gemacht hatten. Unter dem Vorwande nun, daß ein Halbaraber
in einem Dorfe am rechten Ufer einen Knaben als Sklaven erstanden
habe, dieser wenigstens mit Wissen des Dorfhäuptlings verkauft
sei, sandte der Kommissar eine kleine Abtheilung unter Befehl des
Sergeanten Hoarse aus, den Sklavenhändler festzunehmen. Hoarse, der
während unserer Anwesenheit in Mpimbi bisher die neben unserem Lager
befindliche Station vorgestanden und eigentlich nur als Expedient für
die mit offenen Booten nach Fort Johnston zu schaffenden Briefschaften
und Regierungswaaren fungirt hatte, gleichwohl aber auch in Mpimbi
Steuererheber etc. war, brach am 23. Januar auf.

Auf dem Marsche nach seinem Bestimmungsort traf es sich, daß der
Kommandant von Fort Johnston, Capitän Johnston, flußabwärts kommend,
im Begriff, eine Erholungsreise nach Blantyre zu machen, diese kleine
Expedition am Schireflusse begegnete, daher die Weiterreise aufgab,
um die Führung zu übernehmen. Es gelang dem Kapitän auch, des Arabers
habhaft zu werden, aber, ob mit Recht oder Unrecht, er ließ zur Strafe
das von den Einwohnern verlassene Dorf niederbrennen und die wohl
hierdurch zur Wuth gereizten Eingeborenen eröffneten den Kampf.

Auf dem Rückmarsch im hohen Grase, wo auf schmalem Fußpfad nur Mann
für Mann marschiren konnte, ging der wohlgedeckte, an Ueberzahl viel
stärkere Feind zum Angriff über; im ersten Angriff zersprengte er die
langgezogene Linie, schnitt die Fliehenden von dem Führer ab und die
Nachhut unter Hoarse, ein aufgelöstes Häuflein, rettete sich durch
Schwimmen an das andere Ufer. Nur eine kleine Zahl Makualeute blieb dem
Führer treu, der, seiner Waffen und Patronen durch die Flucht seines
Dieners beraubt, stundenlang die Feinde abwehrte und langsam mit den
Verwundeten vordrang, während die Gefallenen liegen blieben. Die That
und Opfermuth eines Mannes hebt Capitän Johnston besonders hervor.
Umringt von Feinden sieht ein Makua im hohen Grase einen im Anschlag
liegenden Feind, die Gefahr erkennend, in welcher sein Führer schwebt,
springt dieser Mann vor und jagt dem Feinde einen Handspeer in die
Brust, sinkt aber auch, von dessen Kugel getroffen, schwerverwundet
nieder. Seinen braven Retter hatte Capt. Johnston nun auch noch
mitzuschleppen. Dennoch müssen die Verluste der Angreifer durch das
gutgezielte Feuer beträchtlich gewesen sein, denn der Feind zog sich
schließlich langsam zurück und verschaffte dadurch den Bedrängten
wieder Luft. Unzweifelhaft war es eine tüchtige Schlappe, welche den
Engländern beigebracht worden war, es waren weniger die Verluste, die
zu beklagen -- die meisten der anfänglich Vermißten fanden sich wieder
ein -- als daß der zweifelhafte Erfolg nun den Aufstand mit einem
Schlage ausbrechen ließ.

Entblößt von allen Soldaten -- Fort Johnston durfte um keinen Preis
geschwächt werden -- lag es nun nicht mehr in der Macht des Kommissars,
den einmal entfachten Brand zu dämpfen. Ueberraschend schnell waren die
Ereignisse gekommen, unerwünscht für jetzt und unerwartet; die hundert
längst schon erwarteten Soldaten eines indischen Regiments der Sikhs
wollten noch immer nicht eintreffen, daher war es nicht zu verwundern,
daß die schutzlosen Bewohner Blantyres den Maßnahmen des Gouvernements
keine besonderen Sympathien entgegenbrachten.

Von allen Vorgängen unterrichtet, da solche unter meinen Augen sich
abspielten, war es meine Pflicht, auf den Schutz des großen Lagers, das
noch reiche Vorräthe der Vorexpedition enthielt, bedacht zu sein, daher
ließ ich alle Außenarbeiten auf der Werft und im Urbusch aufgeben, im
Lager aber an geeigneten Punkten Erdwälle und Bastionen aufwerfen,
ebenso auch Schußlinien in den dichten Wald hauen, während hinter der
englischen Station das Terrain rasirt wurde, um uns und dieser frei
Feld zu schaffen.

Dem Gebote der Nothwendigkeit folgend, mußte ich auch den Holz und
Bambusrohr aus den Bergen holenden Leuten Waffen mitgeben, hatten
sie doch stundenweit bis zu diesen zu gehen, in deren Walddickicht
und Schluchten sich Aufständige verborgen hielten, um gelegentlich
Leute wegzurauben. Das Schicksal derselben war nächst Mißhandlung die
Sklaverei, und manchem der frei Aufgewachsenen wurde hierdurch ein
trauriges Loos bereitet.

Höchst überrascht wurde ich eines Morgens durch die Ankunft des Arabers
Beccari ben Umari, der von Lionde kommend bei mir vorsprach, ehe er
weiter nach Zomba und Blantyre marschirte. Mir wollte es scheinen,
als wenn der schlaue Fuchs sich hier nur orientiren, in Zomba nur
seine Ergebenheit bezeigen und den Verdacht ein Sklavenhändler zu
sein von sich abwälzen wollte. Wie dem nun auch sei, er ist mit
seinem Gefolge unbelästigt wieder nach Lionde zurückgekommen, betrat
aber das deutsche Lager nicht wieder, weil ich ihm Vorhaltungen
über seine Wortbrüchigkeit gemacht hatte, erwiederte er doch dreist
darauf, ich hätte ihm Boote oder Kanoes sowie den Kaufpreis schicken
sollen, dann hätte er das Versprochene übersandt, -- ebenso hatte
die nicht besonders höfliche Aufnahme seiner werthen Person es ihm
gerathen erscheinen lassen schleunigst wieder abzuziehen. Am 26.
Januar traf die Nachricht ein, die Aufständigen hätten ein Boot der
African Lakes-Komp. genommen, die Besatzung, die vom Nyassa-See
zurückgekehrt sei aufgegriffen und getödtet worden. Zwei Tage später
kamen zwei arg zugerichtete Leute zu mir ins Lager und baten um
Hilfe, sie gehörten ihrer Aussage nach zu dieser Bootsbesatzung und
berichteten, daß nur einer getödtet sei, ihnen beiden aber es erst
gelungen wäre zu fliehen, nachdem man sie so zugerichtet und halbtodt
hätte liegen lassen. Der eine war sehr schwer am Fuß verletzt, sein
Rücken durch die Mißhandlungen eine offene Wunde, der andere hatte
zwei Speerstiche in der rechten Seite, die Kopfhaut und das rechte
Ohr waren stark verletzt, im übrigen hatte er wie sein Kamerad einen
ebenso zerschlagenen Rücken. Vollständig nackt durch Blutverlust und
Schmerzen aufs Aeußerste erschöpft hatten sich die Kerle zwei Tage lang
in glühender Sonne und gequält von den gierigen Insekten bis hierher
geschleppt. Es scheint fast übermenschlich, was diese Leute haben
aushalten müssen, -- ein Europäer wäre sicherlich mit solchen Wunden
nicht weit gekommen, er hätte erliegen müssen; die Negernatur dagegen
ist anders geartet, das Nervensystem zum mindesten nicht so ausgebildet
und feinfühlend, wie das des weißen Mannes.

Da die englische Station in dieser Zeit tagelang nicht besetzt war,
denn nach dem Kampfe war alles mit den Verwundeten nach Blantyre
marschirt, hatte ich die Sorge für die verstümmelten Leute zu
übernehmen. Aber auf alle Fälle vorbereitet, hatte ich die Mittel zur
Hand, ihre schlimmen Wunden zu reinigen und zu verbinden; in der That
von den schwarzen Körpern blieb nicht mehr viel zu sehen übrig, nachdem
die Prozedur beendet war!

Durch solche Vorgänge wurde natürlich die Besorgniß immer mehr
gesteigert; schlimme Gerüchte über die Grausamkeit der Feinde waren
im Umlauf und in Folge dessen wurden auch alle Stationen bis Matope
verlassen, sodaß wir vier Deutsche mit unserer kleinen Anzahl Leute
allein in all dem Aufruhr standen. Ich sandte auch bewaffnete
Abtheilungen bis zu den nächsten Dörfern, theils um Proviant zu kaufen,
theils um Nachrichten zu sammeln, und diese benachrichtigten denn auch,
daß die Sachlage nicht so schlimm sei wie die Gerüchte sie machten;
erst wenn die Bevölkerung hinter uns in den Aufstand mit eingriff
konnte es gefährlich werden, denn dann gänzlich abgeschnitten von allen
Verbindungen, wäre die Proviantirung eine heikle Frage geworden, -- gab
es doch jetzt schon Tage, an welchen ich den Leuten kaum mehr die halbe
Ration austheilen konnte! --

Die Macht im deutschen Lager mußte aber doch auf die nächste
Bevölkerung eine gewisse Wirkung ausüben, denn ungehindert konnte ich
wieder die Suaheli unter Ottlich in den Urbusch senden, wobei täglich
die Eingeborenen sich davon überzeugen konnten, daß wir Waffen genug
haben, uns zu wehren, und obgleich diese nur mehr zur Schau getragen
wurden, da die Nothwendigkeit es einmal bedingte, so sollte doch unter
keinen Umständen davon Gebrauch gemacht werden. Nur ein Mal ist der
Fall eingetreten, daß eine kleine Abtheilung in den Bergschluchten
angegriffen wurde, aber einige aufs Geradewohl abgegebenen Schüsse
schon genügten die Angreifer zu verscheuchen.

Am 4. Februar kamen in den Nachmittagsstunden gegen 30 Leute in das
Lager und berichteten mir, zwischen Lionde und Perisi sei ein Europäer
ermordet worden, sie, seine Träger und Diener hätten vor den Feinden
fliehen müssen und alle Sachen, Gewehre etc. seien diesen zur Beute
gefallen. Mir fielen die unsicheren Angaben des Kapitaos auf, und
eingehender die Leute examinirend, da es für mich von Wichtigkeit
war, über die Stellung der Aufständigen genaue Auskunft zu erhalten,
wurde es mir klar, daß schon bei den ersten Schüssen die feige
Gesellschaft geflohen und ihren Herrn im Stiche gelassen hatte. Ich
übergab darauf die Kerle, welche steif und fest behaupteten ihr Herr
sei todt, dem Sergeanten der englischen Station, der sie nach Blantyre
expedirte, wo später, nachdem der Todtgeglaubte wiederkam, den Händen
der Feinde glücklich entronnen, der Kapitao und einige andere bestraft
worden sind. Jedenfalls aber setzte diese Nachricht und die Nähe der
Aufständigen alles in Alarm, und als mir gemeldet wurde, die Straße
nach Blantyre sei nicht mehr sicher, ebenso der Weg nach Zomba, auf
ersterer seien schon Träger überfallen worden, durfte ich nicht
länger zögern, sondern fertigte Eilboten nach Katunga ab, die dort um
schleunigste Unterstützung nachsuchen sollten.

Der Sachverhalt dieses Vorganges war folgender: Vor Monaten waren
zwei Sportsleute, englische Offiziere, ein Mister Wetterly und Koe
in dieses Land gekommen, um der Jagd nach unsern größten Vierfüßlern
den Elephanten obzuliegen. Ich kann nicht behaupten, ob sie Erfolg
gehabt, nur soviel ist gewiß, daß sie der mit solcher Jagd verbundenen
Strapazen überdrüssig, sich auf dem Rückmarsch befanden, sich aber
getrennt hatten und Mister Koe, ohne vielleicht eine Ahnung von dem
kürzlich ausgebrochenen Aufstand zu haben, hatte sich sorglos dem
Schirefluß genähert. In dieser heißen Gegend empfindet man es als eine
Wohlthat, wenn nach beschwerlichem Marsche oder der Tagesgluth ein Bad
den erschöpften Körper erfrischen kann, und dieser Gewohnheit gemäß
hatte sich Mister Koe verleiten lassen, am Nachmittag des 2. Februar
im Schirefluß zu baden, ahnungslos, daß verborgene Feinde nur eine
Gelegenheit abwarteten, den Ueberfall in dem Augenblick zu wagen, wenn
der weiße Mann wehrlos sein würde.

Er hatte sich weiter vom Ufer entfernt als es nöthig, und der Krokodile
wegen wohl rathsam gewesen wäre, da plötzlich umsausten ihn die Kugeln
und das Ufer von Feinden besetzt, blieb ihm nichts anderes übrig als
durch Tauchen den feindlichen Geschossen zu entgehen. Lieber wollte er
dem gefräßigen Krokodil zur Beute fallen, als wehrlos und verwundet den
martervollen Tod von den Händen unbarmherziger Menschen sterben. So
nackend wie er war mußte er nun am rechten Ufer seinen Verfolgern zu
entgehen suchen; durch Gras und Busch, zerschnitten von dem scharfen
Schilf und geschunden von Dornen und Hecken in wegloser Oede wandte er
sich landeinwärts.

Was die Kälte der Nacht für einen Europäer in solchem Zustand auf sich
hat, ist wohl kaum zu beschreiben, noch weniger die glühende Hitze am
Tage, die blutgierigen Mosquito und andere Insekten hatten ihn dazu
furchtbar geplagt. Wollte er nicht elend verkommen, mußte er am anderen
Morgen in der Sonnengluth vorwärts und auf unbetretenen Wegen mühsam
sich auf gut Glück weiterschleppen, bis er schließlich vollständig
erschöpft an einem Fußpfad niedersank und seine eventuelle Rettung
aus dieser qualvollen Lage dem Schicksal anheimstellte. Halb schon
bewußtlos schreckte ihn das Geschrei einiger wasserholenden Weiber der
Angoni, an deren Landesgrenze er angelangt, aus seiner Apathie auf,
wohl flohen diese, als sie den weißen Mann im elenden Zustande liegen
sahen, brachten aber doch ihrem Häuptling Nachricht, und dieser, so
gut er es vermochte, hat ihn gekleidet und gepflegt bis ein Bote von
Mpimbi schleunige Hilfe herbeigebracht hatte. Was für Strapazen, welche
Empfindungen dieser Mann durchgemacht, kann wohl keiner nachfühlen, er
weiß es nur allein, was es heißt nackend in kalter Nacht, in glühender
Sonne, geschunden, bis zum Tode matt vor einem grausamen Feinde fliehen
zu müssen; bleich und still verblieb er tagelang auf der Station, ehe
er transportfähig war, und ich habe von den verschlossenen Lippen nur
wenig vernommen. --

Dieser Vorfall nun, der keineswegs die Gefährlichkeit des Aufstandes
mehr unterschätzen ließ, brachte Leben und Bewegung in die englische
Verwaltung, vor allem, da es sich noch um das unbekannte Schicksal
des Mister Weterly handelte, der ebenso abgeschnitten und vielleicht
getödtet werden konnte. Alles was an Makua, Suaheli und Atongaleuten
aufzutreiben war, etwa 200 Mann, wurde bewaffnet nach Mpimbi geführt
und hier vor dem deutschen Lager unter Kommando von Kapitän Jonston
und von anderen, als Mister Sharp, Steavenson und Hoarse gedrillt. Es
war eine bunt zusammengewürfelte Mannschaft, von der etwa 30 Makua
das beste Material, mit der ein Kriegszug eröffnet und der Aufstand
niedergeworfen werden sollte.

Die Feinde, deren Zahl nach den Nachrichten zu urtheilen beständig
anwuchs, hätten leicht, wenn eine einheitliche Führung vorhanden
gewesen wäre, alles überlaufen können, und ich bezweifle, ob ich mit
meiner kleinen Schaar gegen solche Uebermacht, abgeschnitten von
aller Hilfe, hätte Stand halten können, sobald die Bewohner Mpimbis
mit ihren Freunden gemeinsame Sache gemacht hätten. Mir wäre nichts
anderes übrig geblieben, als bis zum Letzten zu kämpfen und mich unter
den Trümmern des Lagers begraben zu lassen. Aber wie ich schon früher
erwähnt, liegt die Schwäche dieser zahlreichen feindlichen Krieger in
der Uneinigkeit ihrer Häuptlinge, ihre Macht und Stärke kennen sie eben
nicht und lassen durch unnütze tagelange Schauri die günstigste Zeit
verstreichen. Schon ein kleiner Erfolg versetzt alle in Extase, und ob
sie auch nicht feige, werden sie doch, durch Uneinigkeit getrennt, von
dem sehr viel schwächeren Gegner geworfen.

Obgleich die Lage in diesen Tagen bedenklich genug war, kann ich doch
ohne Rühmen behaupten, daß die deutsche Vorhut, deren Macht der Feind
zum Glück sehr überschätzte, das einzige Bollwerk gewesen ist an
welchem der Aufstand sich brach, insofern als die Bevölkerung diesen
Vorposten zu sehr gefürchtet hat; sonst, da der Aufstand lawinengleich
anwuchs, hätten, die Völker zu den Waffen gerufen, ob uneinig oder
nicht, solche Schaaren die wenigen Engländer erdrücken müssen!

In dieser Zeit war ich gezwungen alle meine Leute im Lager zu
behalten und alle Arbeiten außerhalb aufzugeben, es wurden nur noch
Proviantpatrouillen ausgesandt sonst aber tüchtig exerzirt. In dunkler
Nacht, worauf es hauptsächlich ankam, ließ ich durch Schüsse öfter das
ganze Lager alarmiren, und fand ich jeden Mann auf seinem Posten, dann
rief die Trompete auch wohl zum Rückzug oder schnellem Avanciren --
so übte und drillte ich mir die Leute, um allen Eventualitäten nach
Möglichkeit gewachsen zu sein. Ottlich zwar, der nun einige Zimmerleute
zur Verfügung hatte, Eingeborene dieses Distrikts, ließ ich immer
noch in den Urbusch hinausziehen und das Behauen der gefällten Bäume
fortsetzen. Diese Leute, die bei freier Station gut bezahlt wurden, 15
bis 20 Rupien den Monat pro Mann, dazu für längere Zeit engagirt waren,
konnte ich nicht unthätig im Lager behalten, auch lag mir viel daran
der Dorfbevölkerung zu zeigen, daß wir unbeachtet aller Vorgänge weiter
oberhalb des Flusses, uns nicht abhalten lassen friedlicher Arbeit
nachzugehen.

Mehrmals berichteten mir die Zimmerleute und namentlich Ottlich, der
es vorzog öfters im Urbusch Streifzüge zu unternehmen, unter anderen
verfolgte er jenen von uns früher begangenen Fußpfad und fand an dessem
Ende ein Wangonidorf, auch überschritt er den Nebenfluß des Schire
und untersuchte jenen schönen Waldbestand, den wir früher gesehen und
der herrliche Bäume aufzuweisen hatte aber eine Begräbnißstätte war,
daß sie nebst anderen wilden Thieren Löwen gesehen hätten, auch einst
den Thieren unvermuthet nahe gekommen wären und nur durch schnelle
Flucht sich ihnen entzogen hätten. Mir war es nichts Neues das zu
hören, machte ich doch später selber in jener Gegend die unliebsame
Bekanntschaft mit dem König der Thiere, aber die Besorgniß wollte mir
etwas übertrieben erscheinen, ich beschwichtigte diese jedoch indem ich
einige Leute mehr und alle gut bewaffnet, mit hinausziehen ließ.

Fataler war ein Vorfall der am 6. Februar passirte: Ottlich war wie
gewöhnlich am frühen Morgen mit seinen Leuten ausgezogen, und bereits
an das andere Ufer des Schire mit der Kanoefähre gesetzt worden, als
ihm beim Durchmarsch durch das Dorf von den Bewohnern der Weg verlegt
wurde, die drohend die Waffen schwangen und denen er schließlich
weichen mußte ohne sich erklären zu können aus welcher Ursache diese
feindliche Haltung hervorgegangen war. Er verstand leider kein Wort
der Landessprache ebensowenig Suaheli und brachte daher diese Haltung
der Dorfbewohner in Zusammenhang mit dem Aufstand, die Zimmerleute
indes, die den Sachverhalt erkannten, suchten auf gütlichem Wege den
Streit beizulegen und brachten es dahin, daß zwei Abgesandte mit zum
Lager gesandt wurden, die mir ihre Beschwerden vorbringen sollten. Als
diese ins Lager gekommen waren beklagten sie sich darüber, daß der
weiße Mann ihren geheiligten Todtenhain betreten hätte mit der Absicht
Bäume zu fällen, worunter ihre Todten begraben liegen, dieses aber
würden sie nicht dulden, und voraussetzend meine Leute wollten nochmals
dorthingehen, haben sie es verhindert. Obwohl ich wußte, daß Ottlich
ohne Auftrag gehabt zu haben jenen Hain betreten hatte, stellte ich
mich doch so, als wenn mir dieses neu wäre, konnte aber den Abgesandten
die Versicherung geben, daß kein Baum angerührt noch irgend ein Grab
beschädigt worden sei, in Zukunft auch Niemand mehr jenen Waldtheil
betreten werde. Ein kleines Geschenk stellte sie denn ganz zufrieden.
Die Abtheilung aber ließ ich sofort wieder mit ihnen gehen, indem ich
die Abgesandten aufforderte sich von jenen Orten zu überzeugen, wo
wirklich Bäume gefällt sind und gearbeitet wurde.

Dieser Vorfall bewog mich indes, da ich in dieser Zeit der Aufregung
dem geschlossenen Frieden nicht mehr recht traute, an diesem Tage
die Leute zum letzten Male hinauszusenden, denn ich konnte mir nicht
verhehlen, daß die Abtheilung im Urbusch gelegentlich mal leicht
gefährdet sein könne. Auch durch die jetzt schnell heranstürmenden
Ereignisse wurden wir verhindert vorerst daran denken zu können diese
Arbeit wieder aufzunehmen. --

Eigenthümliche fast kuriose Anschauungen fördert der Ahnenkultus
zu Tage, der von allen diesen Völkern geübt wird. Der krasse tief
eingewurzelte Aberglaube ist es, der fast immer die Handlungen der
Einzelnen sowie der Gesammtheit leitet, auch zu bestimmten Gebräuchen
hat dieser die Veranlassung gegeben, namentlich bei den Todtenfesten.
Der Medizinmann (Zauberer), die geachteste Persönlichkeit in jedem
Dorfe, ist sozusagen die Verkörperung des Unbegreifbaren für Jedem, und
achtungsvoll lauscht Jung und Alt seinen Worten, wenn er gelegentlich
seine prophetische Gabe zum besten giebt oder Beschwörungen vornimmt.
So bannt z. B. dreitägiger toller Lärm den Geist eines Verstorbenen
in der Hütte, die über dessen Grab eingerissen wurde; Grabstätten
vornehmerer Todten aber, die an einsamen Orten unter den schönsten
Bäumen errichtet wurden, dürfen nie zerstört werden damit die dort
weilenden Geister nicht vertrieben und umherwandernd Unheil anrichten,
namentlich an dem Lebenden sich rächen können, die diesen einst Uebels
gethan. Solcher Aberglaube hat mir später noch genug Scherereien und
manche schlaflose Nacht bereitet -- doch ich will nicht vorgreifen,
sondern die Ereignisse wie sie auf einander folgten, aufzählen.




                            13. Der Kampf.


In Mpimbi also wurden nun die in größter Eile von den Plantagen
zusammengerafften Leute von den Engländern einexerzirt so gut es
eben gehen wollte. Einem Offizier, wie Kapitän Johnston, konnte es
natürlich nicht zweifelhaft sein, daß mit solchem Menschenmaterial
so gut wie nichts anzufangen sei, vielmehr im ersten Kampf schon die
Gefahr nahe lag, es würde die größte Unordnung vorherrschen, war doch
zu befürchten, daß Leute, die nie an Ordnung gewöhnt, nie ein Gewehr
in Händen gehabt, mit den Waffen Freund und Feind leicht verletzen
konnten. Die Exerzitien liefen denn auch nur darauf hinaus, den
Abtheilungen beizubringen, auf das Kommandowort ihres Führers zu hören,
den Gebrauch der Gewehre zu erklären und Zielübungen vorzunehmen.

Damit auch Freund und Feind zu unterscheiden sei, wurden den Atonga
rothe Turbans und Armbinden, den Makua und Suaheli aber gleiche weiße
Abzeichen gegeben; die Kapitaos der Atonga, von denen jeder 10-20
Mann hatte, trugen dazu als Abzeichen hinten herabfallende Decken,
in allen Farben schillernd, und bunten Federschmuck in den wolligen
Haaren. Uebereifrig und kampfbegierig wie diese Leute waren, machte es
einen imposanten Eindruck, die so geschmückten Krieger vor der Front
hin und her springen zu sehen; führten sie aber ihre Kriegstänze auf,
bot die bunt durcheinander, bald im langsamen Tempo, bald im wilden
Ansturm tanzende und laufende Menge ein groteskes Bild. Angefeuert
durch einen wilden, unharmonischen Gesang, konnten die Leute sich bis
zur Wuth dadurch aufreizen lassen -- die Wildheit ihrer Bewegungen, das
Geheul und Waffenschwingen, wenn sie urplötzlich gegen die Zuschauer
anstürmten und kaum einige Zoll vor den Europäern dieselben parirten
und zurücksprangen, mußte in Jedem, der nicht mit solchem Waffentanz
vertraut war, ein etwas unbehagliches Gefühl erwecken.

Am 8. Februar, Nachmittags, kaum daß etwas Disziplin in die
ungeordneten Haufen gebracht war, brach der Kommissar Mr. Johnston
mit seiner Kolonne auf und in langen Zügen, voran die Krieger, denen
die Träger-Abtheilung folgte, marschirten alle durch unser Lager, um
durch den Wald den freien Fußpfad nach Perisi zu gewinnen. Man kann
sich kaum denken, wie stolz und selbstbewußt der Neger einherschreitet,
sobald sein Lieblingswunsch erfüllt ist, ein Gewehr zu besitzen,
unüberwindlich dünkt er sich -- obwohl er die Waffe kaum zu hantiren
versteht -- Pfeil und Speer in seiner Hand sind viel gefährlichere
Dinge als das beste Gewehr. Gebräuchlich ist es heute bei den
kriegführenden Parteien, die Macht nach der Anzahl vorhandener
Gewehre abzuschätzen; der Kampf wird dadurch weniger blutig, weil sie
mit diesen Waffen noch nicht recht umzugehen verstehen, allein das
Bewußtsein schon, dem gleichartigen Gegner überlegen zu sein, verbürgt
oft den Sieg. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr aber erwächst den
Europäern, sofern nicht der Gewehrhandel, der im Geheimen trotz aller
Verbote schwungvoll betrieben wird, nach Möglichkeit unterbleibt --
der Neger lernt schließlich auch das Schießen -- und wo heute noch
eine Handvoll Europäer gefürchtet wird, ist diese späterhin nicht
mehr zureichend, schreitet auch die Kultur unaufhaltsam vorwärts,
wird doch der Kampf immer heftiger entbrennen! Ich kenne Volksstämme,
deren Unterwerfung sehr viel Blut gekostet hat, ehe die Schuld Weniger
ausgetilgt wurde; sicherer noch im Gebrauch der Waffen wie der
Europäer, waren die Eingeborenen furchtbare Gegner, -- ich will hier
nur der Anstrengung Erwähnung thun, welche es den Spaniern gekostet
hat, die Carolinen-Inseln zu unterwerfen.

Ich kann wohl sagen, als die kampfesmuthigen Schaaren im Lager an
mir vorüberzogen, stieg doch ein leiser Zweifel in mir auf, ob nicht
dieser zur Schau getragene Enthusiasmus sehr bald schwinden würde! Mir
wollte es scheinen, als könnten solche Leute nur zum Niederbrennen der
Dörfer, Marodiren etc. gut genug sein, zu einem geordneten Widerstand
gegen einen energischen Feind aber nicht tauglich wären. Meine Leute,
in deren Augen die Atonga namentlich, nicht für voll galten, meinten:
bwana, diese laufen beim ersten Bumbum weg, indes beide Theile hatten
noch kein Pulver im Ernstfall gerochen und es kam erst auf eine Probe
an, ob die Atonga nicht besser seien als ihr Ruf. Ich habe freilich im
Kampfe sehr schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht, in allem Uebrigen
sie aber viel höher schätzen gelernt als jeden anderen Volksstamm. In
ihrer Heimath am Nyassa sind sie ein kleines aber tapferes Volk, das
seine Unabhängigkeit gegenüber mächtigen Stämmen bis heute gewahrt hat.

Vorläufig noch mit dem Schicksal der kleinen englischen Truppe
unbekannt, die allem Anscheine nach auf einen gewissen Sieg rechnend,
so frohgemuth dem Kampf entgegengezogen, war ich in den nächsten Tagen
nur darauf bedacht, durch scharfe Wachsamkeit bei Tag und Nacht jeden
Angriff oder plötzlichen Ueberfall, wie ich einen solchen auf gewisse
Nachrichten hin erwarten konnte, unmöglich zu machen. Aufreibend war
der Wachtdienst, namentlich für uns Europäer, da in jeder Nacht eine
scharfe Kontrole ausgeübt werden mußte; wußten die Posten auch, was
bei einer Sorglosigkeit ihrerseits auf dem Spiele stand, so war doch
die unausgesetzte Gegenwart eines Europäers nöthig, damit jeder seine
Pflicht erfüllte.

Am 10. Februar traf in den Abendstunden die erbetene Verstärkung von
Katunga im Lager ein, es waren drei Europäer, 14 Sudanesen und worauf
ich nicht gerechnet hatte, ein Schnellfeuergeschütz. In Gewaltmärschen
hatte diese Abtheilung die beträchtliche Entfernung von Katunga bis
Mpimbi zurückgelegt und glaubte, nach dem was in Blantyre über den
Aufstand erzählt worden war, hier sofort in den Kampf eintreten zu
müssen, sämmtliche Neuangekommene waren demnach im gewissen Sinne etwas
enttäuscht, alles äußerlich so ruhig zu finden, sie hätten sich dann
nicht so furchtbar beeilen brauchen, um einer Katastrophe vorzubeugen,
die man stündlich in Mpimbi erwartet.

Von den eingetroffenen Handwerkern, als Brückner und Grünhagel, erfuhr
ich unter anderem, daß der ganze Schiffstransport bereits in Katunga
eingetroffen sei und wohl selbst schon die Etappestation um diese Zeit
aufgegeben sei. Die Schwierigkeiten um mit dem Transport zu beginnen,
seien aber noch immer dieselben; wohl sind bereits leichtere Sachen
bis Blantyre befördert worden, jedoch weigern sich die Träger aus der
Umgegend von Katunga weiter als bis dorthin zu gehen und muß daher
mit dem Beginn des ganzen Transports gewartet werden, bis tausende
Wangoni-Träger ins Land gekommen sind, was erst nach der bevorstehenden
Ernte der Fall sein wird.

Ich hatte nun 6 Europäer und 35 Soldaten und konnte den kommenden
Dingen ruhiger entgegensehen, wäre nur nicht die leidige Frage gewesen,
woher für so viele Menschen, mit Diener, Köchen und den Zimmerleuten
über fünfzig, genügend Proviant zu beschaffen sei! Während wir Deutsche
im Lager nun die Lage von einer besseren Seite betrachteten, ahnte
Niemand in welche äußerst bedrängte Situation die Engländer seit ihrem
Abmarsch gerathen waren -- bis wenige Stunden später, um zwei Uhr,
in dieser selben Nacht ein Abgesandter, der Sergeant Inge, im Lager
eintraf und mit der dringenden Bitte um Unterstützung für die gänzlich
von Feinden umschlossene englische Kolonne, ein Bild entwarf, das auf
eine trostlose Lage schließen ließ. Dieser Bote, der sich beherzt im
Schutze der Nacht von Perisi, wo die Engländer fest umschlossen waren,
in einem Boote flußabwärts geschlichen, erzählte Folgendes: Die Truppe
sei am nächsten Morgen, nachdem sie das Lager von Mpimbi verlassen
hatte, von zahlreichen Feinden angegriffen worden, die gedeckt durch
das hohe Gras sich unbemerkt nähern konnten. Unausgesetzt wären die
feindlichen Kugeln in ihre Reihen eingeschlagen, kein Vorstoß und
kein Feuern hätte genützt -- der unsichtbare Feind wäre unvermuthet
gekommen und wieder verschwunden, ehe daran zu denken gewesen, die
ausgedehnte Kette der eigenen Leute zum ersten Angriff zu formiren.
Die Zahl der Schwerverwundeten sei zwar nicht groß, hätte aber doch
so demoralisirend auf die Atonga und Makua eingewirkt, daß an einen
ernstlichen Widerstand nicht mehr zu denken sei. Die Kolonne wäre
schließlich zum Flusse abgedrängt worden und nun der Weg durch die
verlassenen Dörfer gewählt worden, um allenfalls in diesen Rückhalt zu
gewinnen. Jedes Dorf wurde beim Verlassen den Flammen preisgegeben, was
die Wuth der Feinde, die durch solche Vernichtung ihrer Heimstätten
beraubt wurden, nur noch steigerte, und diese setzten alles daran, ein
weiteres Vordringen zu verhindern.

Nunmehr nur von einer Seite angegriffen, hätten sie am zweiten Tage
Perisi erreicht, wo, wie sie wußten, seit mehreren Tagen schon der
Dampfer »Domira« festsaß. Ein weiteres Vordringen war mit solcher
Mannschaft ausgeschlossen und das Rathsamste, sich an diesem Ort
gegen die Uebermacht der Gegner so gut es ging zu decken, da auch
im schlimmsten Falle das Schiff einen gewissen Rückhalt bot. Bisher
seien außer einer Anzahl Schwarzer auch Mr. Steavenson sehr schwer
verwundet worden und selbst der Kommissar, sowie Kapitän Johnston
nur wie durch Zufall schweren Verletzungen entgangen. Tag und Nacht
greife der Feind an, der durch Baum und Gebüsch gedeckt, ungesehen
heranschleiche und ihre Stellungen beschösse; die unausgesetzte
Wachsamkeit habe die Europäer schon so erschöpft, daß bei einem
energischen Vorstoß der Feinde das Schlimmste zu befürchten stehe.
Selbst vom gegenüberliegenden Ufer würden sie beschossen und wären
zeitweise ohne jeden Schutz dem hartnäckigen Feuer der Feinde
ausgesetzt. Der Kommissar bitte daher dringend um schleunige Hilfe,
und wären es auch nur zehn Sudanesen, die ich abgeben könnte -- diese
Soldaten würden wenigstens Stand halten und er würde sich, selbst mit
so kleiner Zahl Luft zu schaffen suchen. Bisher hätten sie nur aus
Zweigen und Büsche eine leichte Hecke errichten können hinter welcher
sie Deckung gefunden -- die wenigen Hütten, die stehen geblieben
bieten ihnen vor den feindlichen Geschossen auch nur wenig Schutz!
-- Der Bote nun, dessen Begleiter der Maschinist Fairbrain von der
Domira war, machte nebenbei noch allerlei Versprechungen in Bezug
auf abzusendende Soldaten; ich habe später nie darnach geforscht, ob
derselbe dazu autorisirt gewesen oder nicht, was aber jedenfalls der
Fall, da derselbe als dienstlich Untergebener des Kommissars nicht
aus eigenem Antrieb Handeln und Zusagen machen konnte, sondern gemäß
seiner Instruktion nur den erhaltenen Befehl auszuführen hatte. Ich
muß es heute als eine politische Klugheit ansehen, daß der englische
Kommissar selbst in seiner bedrängten Lage seine Bitte um schleunige
Unterstützung nicht schriftlich aussprach, denn solches Dokument in
meinen Händen würde ihn verpflichtet haben für die gemachten Zusagen
seines Abgesandten einzustehen. Allein in jener Stunde, wo die volle
Verantwortlichkeit der zu treffenden Entscheidung auf mir lag, habe
ich allem Nebensächlichen keine Beachtung weiter geschenkt, sondern
nur die Gefahr erwogen in welcher sich die Engländer befanden und
in welcher ich gerathen mußte, sobald es den Feinden gelänge die
Eingeschlossenen zu vernichten oder sie nur zum Rückzug zu zwingen. Ich
mußte mir sagen, daß in solchem Falle die feindliche Macht riesengroß
anwachsen würde, und hätte ich auch den Ansturm der siegesgewissen und
übermüthigen Feinde widerstehen können, so hätte der Umstand, daß mir
die Lebensmittel abgeschnitten worden wären, meine Leute doch zu einem
längeren Widerstand bald unfähig gemacht.

Es war ein harter Entschluß, meinen Posten zu verlassen, denn da ich
Niemand hatte, der die Sudanesen kommandiren konnte, mußte ich selber
gehen, oder die Bitte abschlagen. Auch erwägend, daß zwei starke
Posten, Perisi und Mpimbi, eine Conzentrierung der feindlichen Macht
unmöglich machen mußten, für die eigene Sicherheit es auch gerathener
war, wenn ich die erbetene Hilfe nicht abschlug, -- so entschloß ich
mich kurz und sagte meinen Beistand zu.

Einmal entschlossen den Weg zu gehen, der in dieser Lage mir der einzig
richtige erschien, theilte ich den inzwischen versammelten Europäern
meinen Entschluß mit und forderte zwei derselben auf, freiwillig mich
zu begleiten. Hatte ich aber auf eine freudige Zustimmung auch nicht
rechnen können, so waren mir die vielen Einwendungen dagegen, daß
ich das Lager verlassen wolle, in Gegenwart der Engländer doch etwas
unangenehm, zumal Fairbrain etwas deutsch verstand, und die Bemerkung
der Handwerker, daß sie sich nicht berufen fühlen, »für die Engländer
sich die Knochen zerschießen zu lassen«, wenigstens dem Sinne nach
verstanden worden war. Die Leute hatten freilich Recht und ich befahl
auch Keinem folgen zu müssen; als ich ihnen aber alle Eventualitäten
klar gelegt hatte, meldeten sich doch zwei gediente Pommern und
erklärten sich zu allem bereit.

Die fünfzehn Sudanesen dagegen, trotzdem sie von dem beschwerlichen
Marsche über das Gebirge noch ermüdet waren, begrüßten die Aussicht
auf einen Kampf mit Freuden und hätten, wenn es angängig gewesen wäre,
sofort den Marsch angetreten.

Versetze ich mich heute zurück in jene Zeit der Kämpfe und Sorgen,
in jene Rohrhütte, deren Dunkelheit nur vom flackernden Kerzenlicht
erhellt, wo ich im Kreise der kleinen Schaar den Entschluß gefaßt,
meinen Posten zu verlassen und diese selbst aufforderte zum ernsten
Kampfe, selbst mit Blut und Leben zu schützen, was uns anvertraut, dann
kommen sie wieder, die quälenden Gedanken jener Nacht und Stunde, in
welcher ich den heißen blutigen Kampf der Ungewißheit vorzog und auf
jede Gefahr hin einer andern Nation Hilfe und Beistand zugesagt hatte,
zur Sicherung der eigenen Lage und für fremde Noth das Blut meiner
Leute opferte!

Die wenigen Stunden bis zum frühen Morgen vergingen mit Anordnungen
und Vorbereitungen sehr schnell, während dessen die Engländer ein
von Matope gekommenes Boot mit welchem der Sergeant Inge von Perisi
gekommen, in Stand setzten. Unser Schiffsboot, das mit der am Abend
vorher eingetroffenen Abtheilung zerlegt mitgebracht worden war, konnte
ich nicht so schnell zusammensetzen lassen, um die anderen Boote, die
durch eine während der Nacht noch von Blantyre angekommene Kolonne von
40 Atonga stark besetzt werden mußten, zu entlasten. Den Wasserweg
zu nehmen, war ich mit den Engländern nach eingehender Berathung
übereingekommen, da es das Sicherste schien, diesen zu wählen, denn
zu Lande hätten wir uns Perisi, ohne vorher die feindliche Linie zu
durchbrechen, schwerlich ohne heftigen Kampf nähern können, was zu
Wasser jedenfalls leichter möglich war.

Nachdem nun noch zum Zweck etwaiger Vertheidigung die Aufwerfung
eines Schützengrabens im Lager angeordnet war, der sofort durch die
zurückbleibende Besatzung der englischen Station in Angriff genommen
wurde, die werthvollen Instrumente, die ich zurückließ, sicherer Obhut
anvertraut waren, ließ ich zum Apell blasen. Das Kommando übergab ich
dem ersten Maschinisten Herrn Spenker und ermahnte die zurückbleibenden
Soldaten den striktesten Gehorsam zu leisten, auch in einem Kampfe
nicht feige von der Seite der Europäer zu weichen, ihre Pflicht sei
es, als Soldaten des Majors von Wißmann zu stehen oder zu fallen. Die
Europäer aber mahnte ich nochmals, unter allen Umständen das Lager zu
halten, ein Rückzug, wenn es wirklich zu einem Angriff kommen sollte,
könnte allen nur verderblich werden. Ich sah zwar keine unmittelbare
Gefahr, dennoch wollte mir scheinen, als wäre die Kampflust, nachdem
es nun bitterer Ernst geworden, nicht allzu groß, und nicht gerade
leichten Herzens schied ich von meiner Station, vielleicht alles für
eine fremde Sache aufs Spiel setzend. Viel schwerer aber wäre es mir
geworden meine Zusage einzulösen, hätte ich ahnen können, daß schon in
der nächsten Nacht der Muth der Besatzung auf die Probe gestellt werden
sollte, die aber von allen, sobald die ersten Schüsse der wachsamen
Posten das Lager alarmirt hatten, glänzend bestanden wurde.

Gegen 8 Uhr früh am 11. Februar, nachdem Geschütz, Soldaten und die
Atonga eingeschifft waren, konnte endlich der Befehl zur Abfahrt
gegeben werden, und fort ging es einem gewissen Kampf entgegen. Die
Führung des größten Bootes, das außer der Mannschaft mit 35 Atonga,
vier Sudanesen, dem Geschütz und zwei Europäern, Ottlich und Fairbrain,
besetzt war, hatte ich übernommen, das kleinere mit 10 Sudanesen,
15 Schwarzen, Knuth und Mister Comaran besetzt, führte der Sergeant
Inge. Gegen Wind und Strom die schwerbeladeten Boote mittelst langer
Bambusstangen vorwärts zu bringen war für die Besatzung keine leichte
Arbeit, dazu thaten die glühenden Sonnenstrahlen das Ihrige. So viel
als möglich hielten wir die Mitte des Flusses, wenn nicht Untiefen
uns zwangen, den Ufern näher zu gehen, beobachteten auch namentlich
die linke Uferseite, da gedeckt durch dichtes Gebüsch die Feinde
ungesehen uns folgen und bei gezwungener Annäherung an diese, leicht
in die Boote hineinfeuern konnten. Es war aber nichts zu sehen; wo
sonst eine friedliche Bevölkerung am Flußufer ein sorgloses Dasein
geführt und durch freundliche Zurufe ein vorüberziehendes Boot begrüßt
hatten, herrschte jetzt tiefes Schweigen, die Hütten und Dörfer waren
rauchgeschwärzte Trümmer -- kein menschliches Wesen weilte mehr in den
Ruinen, kein Hahn rief mit lauter Stimme sein Volk zusammen und am
steilen Uferrand suchte keine Ziege sich saftige Kräuter -- todtenstill
war es ringsumher, selbst am rechten Ufer, wo die Kriegsfurie noch
nicht gewüthet und die Dörfer unversehrt geblieben, war alles in tiefes
Schweigen gehüllt.

Die vielen kurzen Windungen des Schireflusses verhinderten jede
Aussicht vor und zurück, daher war es mir nicht besonders auffällig,
daß ich das zweite Boot aus Sicht verlor und in der Meinung, dasselbe
könne nur eine kleine Distanz hinter uns sein, fuhr ich bis Mittag
ruhig weiter. Schließlich als die Bootsleute durch die Sonnengluth und
angestrengte Arbeit ermattet waren, gab ich dem wiederholten Dringen
des Kapitaos nach und landete am rechten Ufer an einer Stelle wo ein
Flußpferdpfad durch das dornige Gestrüpp führte, mit der Absicht, hier
die Ankunft des zweiten Bootes abzuwarten. Den ausgetretenen sumpfigen
Pfad, der in der Regenzeit den Wassern als Abfluß dienen mochte,
durch das Dorngebüsch folgend, öffnete sich hinter diesem eine weite
Grassavanne ohne Baum noch Strauch in der Nähe, worunter wir gegen die
glühenden Sonnenstrahlen hätten Schutz finden können. Wollten wir eine
kurze Erholungspause machen, war dieser Ort zufällig am ungeeignetsten
dazu, und als das Boot immer noch nicht kam, ließ ich wieder
einschiffen, um einen besseren zu suchen. Ich wollte eigentlich ungern
am linken Ufer landen, sah mich aber doch dazu genöthigt, wenn ich im
Schatten hoher Bäume den Leuten kurze Ruhe gönnen wollte; deshalb,
als weiter flußaufwärts an steiler Uferwand einige niedergebrannte
Hütten in Sicht kamen, wo das Ufer frei von Gebüsch erschien und eine
freie Aussicht auf den Fluß vorhanden war, ließ ich das Boot an einer
Stelle, die vom Flußschilf nicht bedeckt wurde anlegen. Wohl war es ein
schattiger Ort von breitästigen Bäumen bestanden, den wir betraten,
auch genügend Aussicht vorhanden, so gut wie man sie an solchen Ufern
eben finden konnte, allein landeinwärts rings um uns, was ich erst
zu spät erkannte, war ein hohes mächtiges Maisfeld, bereits soweit
ausgewachsen, daß in kurzer Zeit die Ernte hätte beginnen können.

Alles schien ruhig und die Gegend verlassen zu sein, selbst eine
ausgesandte Patrouille von zwei Mann, welche die nähere Umgegend
absuchte, hatte nichts bemerkt. Die Atonga nun, deren Sprache leider
keiner verstand, konnten trotz einem Verbot das Marodieren nicht
lassen, der Reiz war zu groß, als daß sie die schönen reifen Maiskolben
in unmittelbarer Nähe hätten ungebrochen gelassen. Sie widerstanden
nicht der Versuchung, die begehrliche Frucht, wonach sie nur die Hände
auszustrecken brauchten, zu pflücken und einzelne, die sich ins Feld
geschlichen, kehrten nach wenig Minuten mit Beute beladen zurück. Bald
loderte ein lustiges Feuer, an den halbverkohlten Ueberresten einer
Hütte entzündet, empor, in welches die Kolben zum Rösten gelegt und
dann so heiß wie sie waren von den Leuten verzehrt wurden. Den Gewehr
bei Fuß stehenden Sudanesen, die ebensowenig etwas zu beißen hatten,
da der geringe Proviant, den wir überhaupt besaßen im anderen Boot
sich befand, ließ ich denn auch durch einen der Ihrigen einige Kolben
rösten, sonst aber die zuverlässigen Leute nicht von ihren Posten
weichen.

In Ermangelung von etwas Besserem suchten wir Europäer schließlich
auch den knurrenden Magen mit frischen Maiskörnern zu befriedigen bis
Fairbrain mit einigen Bisquits und einer Dose Jam, die er unter seinen
Sachen vermuthete, aufwarten konnte. Während wir nun auf der Erde saßen
und die frugale Mahlzeit uns schmecken ließen, dabei erörternd aus
welchem Grunde wohl das zweite Boot noch immer nicht sichtbar wäre,
das wir doch nicht allzuweit hinter uns vermuthet hatten -- stieg in
mir plötzlich das Gefühl einer drohenden Gefahr auf und der Gedanke
an einen Ueberfall wurde so lebendig, daß ich besorgt die Augen im
Kreise herumlaufen ließ und hinter der grünen Wand, die uns umgab, fast
mit Gewißheit heranschleichende Feinde vermuthete. Wie durch einen
übermächtigen Impuls gezwungen sprang ich auf, ehe ich aber den Befehl
geben konnte die Gewehre zu ergreifen, sausten im selben Moment die
feindlichen Geschosse auf uns.

Als wenn ein geistiges Empfinden vor einer unmittelbaren Gefahr warnen
will, so urplötzlich stellt sich die Gewißheit vom Vorhandensein einer
solchen dem Geiste vor; es ist als ob das seelische Leben fähig ist,
bei abnormen Fällen eine große Gefahr zu erkennen und zum Bewußtsein
bringen kann d. h. mit einem für uns unbegreifbaren äußeren Empfinden
in Verbindung tritt. Es scheint mir, als wenn diese unmittelbar
gegebenen Warnungen zur Erhaltung des Lebens dienen sollen und dem
Seelenleben die Möglichkeit gegeben ist, selbst die Fessel, welche die
Seele bindet, zu erhalten. Dieses Unfaßbare, das in ungewöhnlichen
Momenten nur zum Bewußtsein kommt, muß zur Erkenntniß führen, daß
wir ein Theil des gewaltigen Urgeistes sind, mit dem der unsrige,
obgleich nur im beschränktesten Maße, zuweilen in Verbindung treten
kann. Ich vermag außer diesem noch auf zwei Fälle hinzuweisen, wo in
gefährlicherer Lage zwar, doch in gleicher Weise solche Vorwarnung, wie
ich das Empfinden nennen möchte, mir das Leben gerettet hat.

In diesem Falle entging ich der tödtlichen Kugel, indem ich aufsprang
und dadurch einen neben mir stehenden Sudanesen veranlaßte einen
Schritt vorzutreten, dem im selben Moment das auf mich gerichtete
Geschoß auch traf, dessen rechte Hand zerschmetterte sowie durch den
rechten Oberschenkel noch hindurch fuhr. Der Feind hatte sich tollkühn
von einer Seite herangeschlichen von der wir ihn nicht erwarten konnten
und trotz der Wachposten ungesehen aus sicherem Hinterhalt feuerte.
Dem dumpfen Schall nach zu urtheilen war die Salve mit Vorderlader
abgegeben worden, und da nun ein schnelles Laden dem Feinde nicht
möglich war, so mußte sich dieser zurückziehen, während wir sofort ein
Schnellfeuer nach jener Richtung hin von welcher die Schüsse gefallen
waren eröffneten.

Eine große Verwirrung herrschte im ersten Moment, verursacht durch die
wilde Flucht der Atonga, die Ottlich und Fairbrain mit sich reißend,
vom Ufer in den Fluß sprangen und zum größten Theil hinter dem hohem
Schilf Deckung suchten; erst von dort aus feuerten sie ihre Gewehre ab
und gefährdeten die unvernünftigen Kerle, denen ich mich vergeblich
entgegengestellt hatte, die Zurückgebliebenen derartig, daß ich mit den
Sudanesen weichen mußte, wollten wir nicht von den um uns pfeifenden
Kugeln der Atonga getroffen werden. Diese zügellosen Kerle, auf keinen
Zuruf achtend, feuern blind drauf los, und ehe sie abdrücken wenden sie
den Kopf weg oder machen die Augen zu.

Die Absicht der in das Boot geflüchteten Atonga, die dasselbe vom Ufer
abzustoßen suchten, veranlaßte mich, wenn ich nicht mit den Sudanesen
abgeschnitten werden wollte, ebenfalls hineinzuspringen und die
vergeblich gegen das kopflose Hantiren der Atonga ankämpfenden Europäer
zu unterstützen. Sofort entriß ich den Atongas die Waffen, trieb die
im Boot zusammenhockende Besatzung auf und ließ, nachdem Fairbrain den
Schwerverwundeten hineingeholfen hatte, dasselbe abstoßen.

Während nun das Boot langsam abtrieb kamen die im Wasser und Schilf
sitzenden Atonga, die ich erst mit drohend erhobener Waffe zum Gehorsam
zwingen konnte, heran, klammerten sich fest und ließen sich mit in die
Tiefe des Wassers reißen. Es währte wohl acht Minuten, ehe der Kapitao
alle über das Heck ins Boot geschafft hatte; ich lud sie zwar auch
nicht mit sanften Worten ein sich zu beeilen, denn aufgebracht durch
solche Feigheit, dazu behindert das wieder eröffnete feindliche Feuer
erfolgreich zu erwiedern, half ich den Zögernden handgreiflich nach.

Sobald wir indes aus dem Bereich der feindlichen Geschosse gekommen
waren, die meistens über das Boot hinweg sausten, brachte ich erst
wieder unter die von der Panik erfaßten Leuten Ordnung, dann aber hieß
es abermals vorwärts. Möglichst schnell suchte ich mich alsdann, da mir
zwei Gewehre als verloren gemeldet wurden, darüber zu vergewissern,
ob die Waffen am Lande zurückgelassen seien, weil ich den Angaben der
Leute, sie hätten solche schwimmend fallen lassen müssen, nicht recht
glaubte, so beschloß ich denn an derselben Stelle nochmals zu landen.

Das zweite Boot, wie ich bald erfahren sollte, hatte nicht allzuweit
von uns entfernt ebenfalls Station gemacht und die Insassen sich an
dem mitgeführten Proviant gütlich gethan, ohne weiter daran zu denken,
daß im ersten absolut nichts zu beißen sei; sie wurden durch das nahe
heftige Gewehrfeuer aus ihrer Mittagsruhe dann plötzlich aufgeschreckt
und so sah ich dasselbe um die nächste Flußbiegung herumkommen, als
ich gerade im Begriff war wiederum zu landen. Als dann beherzte Leute,
gedeckt durch schußbereite Waffen, auf den Kampfplatz zurückgesandt
waren, brachten diese nichts weiter als einen vergessenen Riemen mit;
daraus wollte ich im Wasser weitersuchen lassen, konnte aber keinen
rechten Erfolg erzielen und mußte, um nicht zu viel Zeit zu verlieren,
das Suchen nach den Waffen aufgeben.

Die nächste Sorge war den Schwerverwundeten zu verbinden, der leise
stöhnend auf meinen Sachen niedergelegt worden war; der Mann ertrug
die großen Schmerzen wie ein echter Soldat und hatte während der Zeit,
wo sich niemand um ihn kümmern konnte kaum einen Schmerzenslaut hören
lassen, nur ein leises Klagen, vom Gewehrfeuer übertönt, konnte ich
mitunter vernehmen. Aus Vorsicht genügend mit Verbandstoffen versehen,
hatte ich die Hand, die in ihrer ganzen Breite durchschossen war, bald
verbunden und sah dann erst, als der Mann sich nicht erheben konnte,
daß die Kugel durch das dicke Fleisch des Oberschenkels gegangen war;
konnte aber anfänglich nicht verstehen wie eine Bleikugel so glatt
durch diese Körpertheile hindurchgehen konnte -- eine solche hätte eine
viel schwerere Wunde am Ausgangspunkt verursachen müssen -- bis mir die
Gewohnheit der Eingeborenen, mit eisernen Kugeln zu schießen, einfiel.

Noch mit dem Sudanesen beschäftigt, der so gut als es der Raum im
Boote gestattete gebettet wurde, hatte der Feind, unsichtbar für uns,
vom hohen Busch und Gras gedeckt, das Feuer wieder eröffnet und den
Kampf aufs Neue begonnen. An Zahl uns bedeutend überlegen, was aus den
zahlreich auf uns abgegebenen Schüssen zu vermuthen war, in sicherem
Hinterhalt hinter Baum und Strauch wohl geborgen, blieb uns nur übrig
auf solche Punkte zu zielen, wo der Pulverdampf aufstieg, und unsere
sicheren Kugeln belehrten dem Gegner bald, daß es nicht rathsam sei
sich bis zum Uferrande vorzuwagen.

Die Erfahrung mit den Atongas hatte mir gezeigt, wie ungeschickt
diese Leute mit dem Gewehre hantirten und um Unheil zu verhüten,
ließ ich allen die Waffen, bestehend aus englischen Schneiderbüchsen
und Martini-Henry-Gewehre, abnehmen, nur die Europäer und Sudanesen
feuerten. Zwar hatte das Salvenfeuer aus beiden Booten, die nun
möglichst dicht nebeneinander blieben und der Mitte des Flusses
vorgingen, immer den Erfolg, daß das feindliche Feuer zum Schweigen
gebracht wurde, sobald aber die Vorderlader wieder geladen und sichere
Deckung dem Feinde sich darbot, ward es so heftig, daß wir große
Verluste hätten haben müssen, wenn die Kerle hätten besser schießen
können. Die Kugeln hißten und pfiffen zwar von allen Seiten um uns,
dennoch gingen dieselben meistens zu hoch oder setzten zu kurz auf das
Wasser auf und sausten hinter oder vor den Booten vorüber.

Daß wir im Stande gewesen dem Feinde das Feuern aus einem rechten
Winkel zu verleiden, bewahrte uns vor schweren Verlusten, denn derselbe
konnte nur selten mehr breitseits auf uns schießen, was er anfänglich
hinter dicken Bäumen gedeckt, voll ausgenutzt hatte. Um besser zielen
zu können stand ich die erste Zeit im Boote noch ungedeckt, wurde
indes bald inne, wie die meisten Kugeln auf mich gerichtet waren, und
der Kapitao neben mir klappte jedesmal zusammen, wenn ein pfeifendes
Geschoß in unheimlicher Nähe vorüberflog. Schon um die Leute nicht so
zu gefährden, die, wenn das Feuer heftiger wurde sich niederduckten
und das Boot nicht vorwärts brachten, mußte ich unter das Grasdach
des Bootes zu den anderen treten, damit ich dem Feinde nicht mehr als
direktes Zielobjekt diene; obgleich dadurch nicht viel geändert ward,
denn die Feinde wußten, daß unter dem Sonnendach die Europäer verborgen
waren und richteten nur die Geschosse auf dieses.

Es war ein Glück, daß die Waffen der Feinde so schlecht und sie mit
diesen so wenig ausrichten konnten, sonst hätten sie uns, wenn wir
bald auf der einen, bald auf der anderen Seite des Flusses tieferes
Wasser suchend, den feindlichen Stellungen unheimlich nahe kamen,
schweren Schaden zufügen können; auch schienen sie es nicht zu wissen,
wie leicht man durch Durchlöchern der Boote diese zum Sinken bringen
kann! Nur einige Kugeln, ohne direkte Absicht wohl, streiften mein
Boot. Indes nicht alle Kugeln verfehlten ihr Ziel, manche fand ihren
Weg durch die Grasdächer aufs Geradewohl hingeschickt, Knuth und manch
anderer von uns entging den tödlichen Geschossen nur durch Zufall.

Unendlich langsam kamen wir vorwärts, wie sehr die Leute auch
angetrieben wurden, immer suchten sie sich zu decken und manchmal,
wenn der Feind uns stark beschäftigte, trieben die Boote mit dem
Strom und boten diesem die Breitseite dar; unaufhörlich mußte ich die
Leute anfeuern und aufmuntern und meine Aufmerksamkeit nach allen
Seiten richten. Mehrmals auf Grund gerathen, da wir uns dem rechten
Ufer nicht nähern durften, weil auch von dorther schon auf die Boote
gefeuert worden war, mußte ich stets mit gutem Beispiel vorangehen
und energisch die Besatzung, die kopflos geworden, zur Pflicht
zurückbringen.

So dem Feuer der Feinde in den offenen Booten preisgegeben, der
unsichtbar für uns am Ufer entlang lief und immer wieder Deckung suchte
und fand, wurde uns die Zeit zur Ewigkeit -- die verflossenen zwei
Stunden, seitdem wir dem Feuer so ausgesetzt, waren namentlich für
die zitternden Atongas, die unthätig im Boote wie eine Heerde Schafe
übereinanderlagen, eine physische Qual. Nach einem äußerst heftigen
Angriff, der Feind hatte vorzügliche Deckung gefunden und uns den Weg
verlegt, den wir aber glücklich durch Salvenfeuer abschlugen, machte
ich mich während der darauf folgenden kurzen Gefechtspause daran,
das Geschütz aufzustellen, aber soviel ich mich auch abmühte, es war
nicht möglich dasselbe in dem überfüllten Boote in eine feste Lage zu
bringen; nur für den Feind gut sichtbar, konnte es als Schreckmittel
dienen. Noch damit beschäftigt, erneuerte der Feind den Angriff, und
jetzt von zwei Seiten beschossen, wurde die Situation etwas unheimlich,
zumal auch die Bootsleute den Gehorsam verweigerten. Der Kapitao,
dem ich mich allein nur verständlich machen konnte, war vollständig
gebrochen, sodaß er keine Aufforderung noch Befehl an seine Leute
abzugeben im Stande war und als dazu die Atonga in den Fluß springen
wollten, zweifelte ich fast an ein Weiterkommen; für eine kurze Zeit
schien es, als sollte unser Vordringen ein Ende haben. Wäre es nicht
die Furcht vor den Feinden gewesen, welche die Leute abhielt zu
fliehen, ich glaube wir Europäer und die Sudanesen wären bald allein
gewesen. Ich hatte das linke Ufer dem anderen Boote überlassen und
wandte mich, selbst das Boot lenkend, dem rechten zu, wo ich einen an
Zahl nur schwachen Gegner vermuthete, den ich mit unsern sechs Gewehren
leichter beizukommen gedachte um wenigstens das eine Ufer frei zu haben
und das andere, wenn es nicht anders ging mit Granaten zu säubern.

Zu einer Landung freilich hätte ich mich erst in der äußersten Noth
entschlossen, wenn absolut keine Aussicht mehr vorhanden gewesen wäre,
die Leute vorwärts zu bringen, denn, der Bootsleute und der Atonga
durchaus nicht sicher, wäre es ein gefährliches Wagstück gewesen das
Ufer zu betreten. Je näher wir nun dem Ufer kamen und die Salven
in das dichte Gebüsch hineinsandten, jeden aufblitzenden Schuß mit
einem Kugelhagel beantworteten, desto schwächer wurde das feindliche
Feuer, und wir hatten die Genugthuung von der einen Seite fernerhin
unbelästigt zu bleiben. Mit neuem Muth beseelt nahmen die Bootsleute
wieder ihre Stangen auf und brachten das Fahrzeug vorwärts, woraufhin
das andere Boot auch folgte und ein vereintes Vorgehen möglich wurde.
Die Nothwendigkeit, vorzugehen, überwog alle Bedenken, zurück durften
wir um keinen Preis, sollte nicht das Schicksal der eingeschlossenen
Engländer besiegelt sein, auch unsern Verwundeten mußte schleunige
Hilfe werden, sollten die Armen nicht noch viele Stunden ihrer Qual
ausgesetzt bleiben. -- Vor uns lag die einzige Hilfe für uns alle! denn
wäre es dem Feinde gelungen uns zurückzutreiben, für die schlimmsten
Folgen hätten wir nicht sorgen brauchen.

Wohl unter dem Einfluß übergroßer Furcht und in der Hoffnung
vielleicht, die Boote würden umkehren, wurde mir auf meine Frage,
wie weit ist es noch bis Perisi, die ich des öfteren an den Kapitao
richtete, immer das Gleiche geantwortet »+Mbale sana bwana+«
(sehr weit Herr). Will der Neger einen Abstand zwischen zwei Orten
näher bezeichnen, die beträchtlich weit von einander entfernt liegen,
wird er die Bezeichnung »sehr weit« mit entsprechenden Gesten
begleiten und man kann dann voraussetzen, daß es wirklich eine nicht
unbedeutende Entfernung ist, die er andeutet; hingegen wird man aber
auch getäuscht, wenn er einen Abstand nur als klein bezeichnet; denn
schnell zu Fuß legt der Neger ganz andere Distanzen zurück und ich habe
öfter gefunden, daß ein Weg für mich sehr lang war, der mir als kurz
bezeichnet wurde. Das Sicherste ist sich von einem Eingeborenen, der
keinen Begriff von einer gemessenen Entfernung hat, den Stand der Sonne
beschreiben zu lassen, wie dieser sein wird, wann der betreffende Ort
erreicht ist, darnach läßt sich dann ungefähr eine Distanz abschätzen.

Wir waren an einem Wendepunkt gekommen, der glücklich überwunden war,
sobald die Boote wieder vorwärts gingen; und namentlich als die beiden
heftigsten Angriffe des Feindes abgeschlagen waren, der die letzten
Versuche gemacht hatte uns zum Rückzug zu zwingen. Nicht die eigenen
Verluste waren es, die ihn das Feuer allmählich einstellen ließen,
sondern, sobald wir eine Strecke weiter gekommen, traten Baum und
Busch mehr vom Ufer zurück und boten keine genügende Deckung mehr;
auch begünstigte das breiter werdende Fahrwasser unsere Stellung und
ein Boot voraus, das andere dahinter, so folgend, daß freies Schußfeld
gehalten wurde, ließ ich mit unseren weitreichenden Gewehren die
einzelnen Gebüsche unter Feuer nehmen, um ein Ansammeln des Feindes zu
verhindern. Der Erfolg war gut, und nur verhältnißmäßig schwaches Feuer
erhielten wir fortan. Viel haben wir von unsern Gegnern nicht zu sehen
bekommen während des dreistündigen Kampfes; manch ein schwarzer Bursche
aber, der sich aus dem Bereich unser Waffen wähnend, vorwitzig hinter
einem Baumstamm hervortrat oder auslugte ob sein abgefeuerte Kugel das
Ziel getroffen, zahlte theuer für seine Kühnheit, wenn ihn nicht ein
fehlendes Geschoß belehrte, schleunigst sichere Deckung zu suchen und
für die Europäer unsichtbar zu bleiben!

Nun endlich konnten wir freier athmen -- uns kümmerten nicht mehr die
vereinzelt aus größerer Entfernung zugesandten Geschosse, wenn sie
hinter uns her auf dem Wasser tanzten -- und vorwärts ging es mit
allen Kräften; die Leute, die wie umgewandelt waren, trieben sich
gegenseitig an, ein Kontrast wie ihn nur eine Negernatur aufweisen
kann; »Verzweifelnd in Momenten der Gefahr, ist aber die Noth vorüber,
wieder die Sorglosigkeit selbst.«

War das Terrain, das von den flacheren Ufern jetzt in eine weite
Grassavanne überging, dem Feinde nicht mehr günstig und hatte ihn
zum Aufgeben des nutzlosen Kampfes gezwungen, so war die Nähe des
englischen Lagers wohl die Ursache, daß er sich nicht eine Strecke
weiter flußaufwärts festsetzte, wo wiederum dichtes Gebüsch einen
vorzüglichen Hinterhalt geboten hätte, und hier wo der Fluß nur 80
Meter breit, auch die Stromschnelle zu passiren war, auf welcher die
Domira sich festgerannt, aufs Neue und gewiß mit besserem Erfolge
den Kampf eröffnet haben würde. Eine Viertelstunde später, nachdem
der letzte Schuß gefallen, um 4-1/2 Uhr Nachmittags, sahen wir über
die Büsche vor uns die Masten der Domira. Waren die Boote noch nicht
eilig durchs Wasser getrieben worden, so begann jetzt eine tolle
Wettfahrt um zuerst an das Ziel zu gelangen und man hätte nicht meinen
sollen, daß vor Schmerzen stöhnende Leute in den Booten gelegen wären
-- mit solchem Halloh trieben die Bootsleute, die kurz vorher nicht
aufzubringen gewesen, die Fahrzeuge dem Ziel entgegen.

Zum englischen Lager gekommen, bot sich uns ein interessantes Bild dar,
und wären nicht die vielen Wachtposten, die in Pyramiden aufgestellten
Gewehre dem Beobachter sofort aufgefallen, hätte es scheinen können,
die hunderte Menschen seien hier nur zu dem Zwecke versammelt, das
festgelaufene Schiff wieder frei zu machen. Es wimmelte im Wasser von
auf- und niedertauchenden Gestalten, die ringsum das Schiff vertheilt,
den Sand unter dasselbe wegzuschaffen versuchten, während an Deck
etwa fünfzig Mann von Bord zu Bord liefen und den Schiffskörper in
Bewegung brachten, und zu gleicher Zeit mit der Ankerwinde die nach
vorne ausgebrachten Taue, aufs Aeußerste straffgespannt, einzuhieven
versuchten. Zehn Tage befand sich das Schiff in solcher kritischen
Lage und alle Anstrengungen waren bisher vergeblich gewesen; obgleich
über sechzig Mann sich an Bord befanden, meistens für die Plantagen
angeworbene Atongas, war es den vereinten Kräften doch nicht gelungen,
den schweren Körper freizumachen.

Nachdem wir ans Land gekommen waren, wurden wir von dem Kommissar
Mister Johnston und den anwesenden Europäern freundlichst begrüßt.
Man sah es ihnen an, wie jedem die Hilfe gelegen kam, stand doch die
körperliche Abspannung allen auf der Stirn geschrieben; was nicht
zu verwundern, da sie während dreier Tage und Nächte kaum die Augen
geschlossen, sondern unausgesetzt den Feind abgewehrt hatten, der nur
zu gut durch Busch und Baum gedeckt, die tödlichen Kugeln in das fast
offene Lager hineingeschickt hatte und niemand die ersehnte Ruhe finden
ließ. Ich glaubte es den Engländern gern, was mir im Vertrauen erzählt
wurde, daß sie nicht mehr lange hätten Stand halten können: nicht der
Feind, gegen diesen hätten sie sich bis zuletzt gewehrt, würde sie zum
Nachgeben gezwungen haben, vielmehr der physischen Ermattung hätte
jeder schließlich erliegen müssen.

Als ich kurz berichtete, wie heiß der Feind uns zugesetzt, wie schwer
es gehalten hatte, die ersehnte Hilfe zu bringen, wurde die Anerkennung
dadurch bethätigt, daß den Verwundeten sofort Hilfe gebracht und
alle in das provisorische Lazareth geschafft wurden, wo sie neben
anderen Leidensgefährten gebettet, von dem Kommissar in Person, der
gleicherweise als Arzt fungirte, verbunden und gepflegt werden konnten.
Hatte unsere Ankunft allen schon neuen Muth eingeflößt, war es doch
vornehmlich das Geschütz auf welches aller Augen mit Spannung gerichtet
waren und von dem man sich den besten Erfolg versprach. Schnell war
auch eine Position für dasselbe gefunden, indem wir es auf die stumpfe,
eilig abgeflachte Spitze eines Termitenhügels hinaufschafften, und
dort versicherten, hier konnte es die ganze Gegend beherrschen, die
todtbringenden Granaten in die Reihen der Feinde senden, wenn diese
noch kühn genug sein sollten den Kampf wieder aufzunehmen.

Bis auf 1500 Meter etwa schätzten wir die Distanz zum nächsten Dorfe,
dessen einzelne Hütten über die niedrigen Büsche hinweg sichtbar waren
und nachdem ich das Geschütz geladen und gerichtet hatte, hallte der
Geschützdonner, hundertfaches Echo weckend, über Fluß und Wald. Die
erste Granate schlug mitten in das Dorf hinein. Das krepirende Geschoß
mußte die Feinde schnell allarmirt haben, denn diese, die noch nie ein
solches Geräusch gehört, wie es eine platzende Granate verursacht,
müssen sich sehr gewundert haben, wie der weiße Mann auf so große
Entfernung solche gefährlichen Kugeln schießen kann. Die Wirkung des
Schusses konnten wir mit unsern Gläsern genau unterscheiden, denn
die Dächer der Hütten belebten sich mit Menschen, die neugierig nach
dem Lager hinüberschauten. Eine solche Gelegenheit, den Feinden eine
derbe Lektion zu ertheilen, ließen wir uns nicht entgehen und da
ich die genaue Distanz nun kannte, schickte ich die zweite Granate
hinein. Der aufsteigende Pulverdampf bewies uns, das Geschoß sei im
Dache der ersten besetzten Hütte geplatzt und ein einstimmiger Ruf von
allen Umstehenden erschallte, als die Kerle wie die Fliegen von ihrer
luftigen Stellung herunterpurzelten; kaum wohl weil einzelne getroffen
waren, sondern mehr aus Furcht und Schreck. Wissen sie auch des weißen
Mannes Donnerbüchsen sind gefährliche Dinger, vor denen sie heillosen
Respekt haben, so konnten sie nun ein Lied davon singen, und daß es
nicht wohlgethan ist im Bereiche der weitfliegenden Kugeln zu bleiben.

Noch mehrere Geschoße hineinzuschicken war zwecklos, mußten wir doch
mit unserer werthvollen Munition haushälterisch umgehen, auch lag uns
nur daran dem Feinde zu zeigen, daß wir im Stande sind auf großer
Entfernung ihn zu beschießen.

Das Lager befand sich noch im primitivsten Zustande und war nur durch
eine aus Dorngebüsche und Baumzweigen eilig aufgeworfene Barriere
geschützt; einzig um das Zelt des Kommissars hatte man einen stärkeren
Verhau aus eingegrabenen Pfählen errichtet, der im Nothfall etwa
fünfzig Mann als letzten Zufluchtsort hätte dienen können, aber auch
noch nicht vollendet war. Der Feind hatte es immer verhindert Holz
herbeizuschaffen, und weiter nichts war erreicht worden als, daß das
Terrain auf etwa hundert Schritt im Umkreis von Busch und Gras geklärt
war und diese Arbeit hatte erst am Tage unserer Ankunft geschehen
können, da aus irgend einem Grunde der Feind seit diesem Morgen den
Angriff nicht erneuert hatte.

Die Vorbereitungen zur Nacht, um einen plötzlichen Angriff erfolgreich
abzuschlagen, die Vertheilung der Postenkette etc. nahmen die kurze
Zeit bis zur völligen Dunkelheit vollständig in Anspruch, und da es
beschlossen war, unter dem Schutze der Dunkelheit die Schwerverwundeten
flußabwärts nach Matope zu senden, wurden ganz unauffällig die nöthigen
Vorkehrungen für deren Transport getroffen, denn einzelne, namentlich
der Engländer Steavenson und mein Sudanese, lagen so schwer danieder,
daß unter allen Umständen ihnen ärztliche Hilfe zu theil werden mußte.
Der Transport wurde auch um 11 Uhr Nachts unter sicherer Bedeckung
ausgeführt und im Schutze der Nacht glitt das Boot flußabwärts,
begleitet von den Wünschen aller, es möge unangefochten durch das
feindliche Gebiet hindurchkommen. --

Verstärkt durch sechs Europäer und der Kerntruppe von Sudanesen,
auf deren Zuverlässigkeit unbedingt gebaut werden konnte, war die
Lage der Engländer jetzt eine bedeutend bessere und, als alle an der
provisorischen Tafel, aus Feldtischen und Kisten aufgebaut, versammelt
waren, konnte man wahrnehmen, wie die Stimmung jedes einzelnen eine
gehobene war. Jeder blickte auf das weiße Tischtuch so vergnügt,
als erwartete er hier in der Wildniß die Freuden eines lukullischen
Mahles und knabberte an den herumgereichten Bisquits und einem harten
Stückchen Käse mit einem Wohlbehagen, das die Leere der Tafel, die
Armseligkeit dieser Hauptmahlzeit nicht zu beachten schien. Von
Sattwerden konnte überhaupt keine Rede sein -- interessante Themata
nur vorübergehend die Gedanken von dem Empfinden ablenken, welches
ein knurrender Magen verursacht -- ich wenigstens und die mit mir im
Boot gewesen, waren sehr enttäuscht, so wenig Eßbares vorzufinden,
jeder mußte darauf bedacht sein, auch seinem Nachbar noch etwas übrig
zu lassen und man begnügte sich aus diesem Grunde schon mit Wenigem.
Aber ein Schelm, der mehr giebt als er hat. Was sonst auf Streifzügen
der Fall, daß Ziegen und Hühner erbeutet, Bataten und andere Erdfrüchte
vorgefunden wurden, dies fiel alles bei den eingeschlossenen Engländern
fort; der Feind hatte sein ganzes Hab und Gut in die sicheren Berge
entführt, und nur die fast reife Ernte, Mais und Mtama, preisgeben
müssen. Haufen dieses Getreides lagen im Lager aufgestapelt an welches
die Leute sich gütlich thaten, Noth brauchten die nicht zu leiden, mit
den Vorräthen für Europäer dagegen sah es aber sehr traurig aus, was an
Konserven vorhanden war, damit mußte sehr sparsam umgegangen werden.
Indes so lange nur noch Genießbares vorhanden, wird der Mangel nicht
allzusehr empfunden; in der afrikanischen Wildniß darf man es nicht
so genau nehmen. Zu Zeiten lebt man im Ueberfluß d. h. an Wild und
einheimischen Naturalien, zuweilen muß aber auch der Leibgurt fester
geschnürt werden, nach der Methode wie es der Neger macht, der sich den
Magen zusammenpreßt, um den Hunger weniger zu empfinden.

Außer der zum Lazarett eingerichteten Hütte waren nur noch zwei
vorhanden, in denen die Europäer so gut es ging Unterkunft gesucht
hatten, aber für die Hinzugekommenen mußte nun noch Platz geschafft
werden, deshalb, wer es sich leisten konnte, schlug seine Lagerstätte
außerhalb unter den überhängenden Dächern auf, was entschieden
vorzuziehen war, da in den rauchgeschwärzten Hütten der Aufenthalt
für Europäer durchaus kein angenehmer war. Nicht allein die widrige
Luft war belästigend, vielmehr machten die ungezählten Ratten ihr
Recht geltend und suchten die ungebetenen Eindringlinge zu vertreiben.
In dem Erntevorrath, Matamabüscheln in Schaaren hausend, war es
ein Jagen, Quieken und Rascheln und man mußte gute Nerven haben,
um dabei Ruhe zu finden; doch nicht genug damit, im Uebermuth oder
gegenseitigem Verfolgen sprangen die Nager auf die Schläfer herab und
nahmen im tollen Spiel ihren Weg über Gesicht und Hände. Im Besitze
einiger schön weichgekochter Maiskolben, die mir der Sudanesenschausch
(Unteroffizier) als Nachkost gebracht hatte, legte ich mir den
Ueberrest am Kopfende mit der Absicht, am Morgen daran noch ein
Frühstück zu haben; jedoch hatte ich nicht die ungenierten Gäste in
Betracht gezogen, die im Eifer, von der köstlichen Frucht zu naschen,
mein Gesicht als Tummelplatz erwählten und, als ich den Schaden recht
besah, mich um meinen kleinen Vorrath gebracht hatten. Es wimmelt in
jeder Hütte von diesem Ungeziefer und hätte man sich von dieser Plage
befreien wollen, wäre nichts anderes übrig geblieben, als solche
Behausung niederzubrennen!

Da der Feind allnächtlich die Belagerten in Aufregung erhalten hatte
und vorausgesetzt werden konnte, derselbe würde im Schutze der
Nacht seine Angriffe erneuern, so gebot schon die Vorsicht äußerste
Wachsamkeit; deshalb kontrolirten die Europäer unausgesetzt die lange
Postenkette und führten Patrouillen bis außerhalb des Lagers, wo auf
einem hohen Termitenhügel, der von den Ameisen um den Stamm eines
mächtigen Baumes aufgebaut worden, eine Art Verhau errichtet war,
besetzt von einer starken Wache. Eine Nothwendigkeit, wie solche bei
dem unzuverlässigen Neger angewendet werden muß, denn mag der Posten,
zu dessen Schutze er aufgestellt ist, noch so gefährdet sein, er wird
es nicht begreifen, warum er nicht schlafen soll, wenn er müde ist!
Die Folge war, daß jeden Morgen eine Anzahl Atonga und Makua bestraft
werden mußte, um es den Leuten begreiflich zu machen, daß sie auf
Posten die Augen aufzuhalten hätten. Am nächsten Morgen, Sonntag den
12. Februar, zogen schon in aller Frühe starke Patrouillen aus, die
das waldige Terrain zu sondiren hatten, eventuell auch, wie es Tags
zuvor dem Mister Sharp, Sekretär des Kommissars, bei einem Ausfall
gelungen, im Hinterhalt liegende Feinde zu überraschen. Diesen wieder
folgten starke Arbeiterkolonnen unter Aufsicht von Sudanesen, die
das vorliegende Terrain zu säubern und Material zum Palisadenbau
heranzuschaffen hatten; weiter vorgeschobene Piquets sicherten diesen
Abtheilungen einen allenfalls nöthig werdenden Rückzug.

Zurückkehrende Leute brachten unter anderem in verlassenen Hütten
gefundene Holztafeln mit, auf denen in kunstloser Schrift arabische
Coransprüche gemalt waren, die als ein Glaubensbekenntniß solcher
Einwohner anzusehen sind, die sich zu Mohamed bekennen, obwohl sie von
dessen Lehren herzlich wenig verstehen. Die meisten dieser Bekenner des
Islams sind entlaufene Sklaven, die bei fremden Stämmen eine Zuflucht
gefunden haben, sie werden, da sie intelligenter und gewitzter sind, im
gewissen Sinne die Träger dieser in Afrika so weit verbreiteten Lehre.
Mit den Gewohnheiten ihrer ehemaligen Herrn vertraut und nun bestrebt
in der wiedergewonnenen Freiheit selbst die Herren zu spielen, ist ihr
Einfluß auf niederer Kulturstufe stehenden Bewohner dieser Distrikte,
nicht zu verkennen; leider aber sind es meistens solche Charaktere,
die rücksichtslos gewonnene Vortheile ausnützen und nur zu oft die
harmlosen Bewohner in Schwierigkeiten verwickeln, die dann dafür büßen
müssen. Der Suaheli z. B. blickt mit tiefer Verachtung auf diese
Volksstämme herab, wird aber stets eine dominirende Stellung unter
ihnen einnehmen, sobald er gezwungen oder freiwillig seinen Aufenthalt
hier im Lande wählt. Deserteure dieser Art hatten wir unter unsern
Suahelis ebenfalls; bei den mächtigen Häuptlingen am Nyassa willkommen
geheißen, zogen sie ein Herrenleben im fremden Lande der Abhängigkeit
vor!

Im Vergleich zu den in das Lager gebrachten Tafeln habe
ich verschiedentlich in Dörfern, Häuser mit arabischen und
Suaheli-Schriftzeichen verziert gefunden, die den Namen des Besitzers
oder Sinnsprüche darstellten, dagegen auch wiederum Hütten, deren
Lehmwände mit Arabesken beschmiert waren, denn anders kann man die
darstellenden Gebilde von Crocodilen, Vögeln und Menschen nicht
bezeichnen. Unschwer läßt sich zwar erkennen, was diese Zeichnungen
darstellen sollen, allein sie genügen nicht Mal den bescheidensten
Anforderungen als solche, auch einen Sinn oder Zusammenhang habe ich
nicht ermitteln können, wenn sie nicht als Sinnbilder heidnischen
Aberglaubens zu deuten sind; übrigens muß man nach solchen Anzeichen
suchen, einem flüchtigen Beobachter fallen sie nicht auf.

Um 10 Uhr Morgens etwa traf ein Boot mit wichtiger Nachricht für
den Kommissar im Lager ein, das sich während der Nacht von Mpimbi
flußaufwärts gearbeitet hatte und nach Aussage der Bootsleute wären sie
noch unterhalb Perisi beschossen worden. Dasselbe brachte mir auch eine
Nachricht vom deutschen Lager, wonach dort alles gut stehe, nebenbei
einen Brief, der vergessen worden war an mich abzugeben, denn erst nach
meiner Abfahrt von Mpimbi hatte Brückner sich desselben erinnert. In
diesem theilte mir der Transportführer v. Eltz aus Katunga mit, daß ich
den Engländern in keiner Weise Unterstützung gewähren möchte, vor allem
ihnen das Geschütz nicht überlassen solle. Würde der Fall eintreten und
sollten die Engländer unserer Hilfe bedürfen, wäre Dr. Röver, der von
Blantyre nach Mpimbi unterwegs ist, mit näherer Instruktion versehen
auch über unsere Zwecke unterrichtet.

Dieser Brief, der vom 2. Februar datirt war, hätte meine
Entschließungen in der Nacht zum 11. beeinflussen müssen, wenn mir
derselbe zur rechten Zeit übergeben worden wäre, wenigstens hätte ich
nicht der mündlichen Aufforderung des englischen Abgesandten, Hilfe
zu bringen, so schnell nachgegeben und, wenn ich auch um der eigenen
Sicherheit willen Unterstützung gesandt haben würde, so wäre doch
weder ein Europäer noch das Geschütz mit den zur Verfügung gestellten
Soldaten abgegangen. Der Zufall hat es aber anders gefügt. Die Kenntniß
davon, ich solle keine Hilfe aus mir unbekannten Gründen leisten,
würde mir nur die Entscheidung noch schwerer gemacht haben, und doch
glaube ich, zwischen Pflicht und Selbsterhaltung hätte ich die letztere
gewählt, zumal ich in der schnellen Befreiung der Engländer aus ihrer
Bedrängniß, die Sicherheit der eigenen Lage ersah. Zufrieden mit dem
wie es gekommen, hatte ich nur den Wunsch, nach Mpimbi zurückkehren
zu können. Aber zum Grübeln und Nachdenken blieb mir keine Zeit, die
Kräfte eines Jeden im Lager waren voll in Anspruch genommen und während
andere Europäer starke Verhaue errichteten, oder mit Patrouillen
auszogen, hatte ich den Aufbau einer Pallisadenwand übernommen. Auch
schwand bald die Besorgniß, der Feind, der hier bei Perisi eine
zu starke Macht gefunden, könne sich rückwärts gewandt haben und
vielleicht mit überlegener Zahl mein Lager gefährden. Noch beschäftigt
damit das Lager mit allen Kräften gegen einen feindlichen Ueberfall zu
sichern, wurden wir kurz nach Mittag durch einen plötzlichen Angriff
der Gegner alarmirt; am anderen Ufer nämlich hatte sich der Feind
im dichten Ufergebüsch festgesetzt und die »Domira« beschossen. Wir
erwiderten das Feuer sogleich, indem wir alle schnell mit eingriffen,
auch das Geschütz gebrauchten und eine vom Ufer zurückliegende Hütte,
in welcher der Feind vermuthlich Schutz gesucht hatte, mit Granaten
beschossen, der sich auch bald aus dem Bereich der gefürchteten
Geschosse zurückzog.

Da wir mit Recht vermuthen konnten, die Bewohner des schon am vorigen
Tage mit Granaten überschütteten Dorfes wären über den Fluß gesetzt
und hätten den Angriff unternommen, so wurden schnell sämmtliche
Atonga beordert, einen Ausfall dorthin zu machen, mit der Ordre das
Dorf im ersten Anlauf zu nehmen und in Brand zu setzen. Hierbei war
in erster Linie die Absicht, den festen Halt des Feindes zerstören
zu lassen, maßgebend, sollte es nicht gelingen, dann ließe sich der
Gegner vielleicht verleiten, die Atonga zu verfolgen und würde, ehe
er sich zur Flucht wenden könne, durch das sichere Feuer der Europäer
schwere Verluste erleiden. Ohne jeden Beistand, geführt nur von den
Kapitaos, war es den aufziehenden Atongas überlassen, die Methode ihrer
Kriegsführung in Anwendung zu bringen. Mit begreiflicher Spannung
erwarteten wir Europäer den Ausgang des kommenden Kampfes und, als es
übermäßig lange still blieb, bemächtigte sich unser die Ungeduld. Bis
plötzlich dumpf herüberhallende Schüsse anzeigten, die durch Gras und
Maisfelder schleichenden Atonga hätten den Feind erreicht, der wachsam
und noch zahlreich zu sein schien, den Angriff abzuwehren. Es schien
anfänglich, als hätten sich die Atonga zur Flucht gewandt und würden
verfolgt, was auch der Fall gewesen ist, sie haben sich aber schnell
gesammelt und trieben nun ihrerseits durch ihre bessere Bewaffnung
den Feind zurück in das Dorf, begnügten sich indes eine Zeitlang aus
sicherem Hinterhalt zu schießen, ohne das Dorf zu nehmen. Bald nachdem
das Feuern eingestellt worden war, erscholl ihr Triumphgeschrei, auch
währte es dann nicht mehr lange, bis sie, ihren Kriegsgesang heulend,
in langer Linie anmarschirt kamen.

Als Siegestrophäen überbrachten sie Bogen und Pfeile, sowie das auf
einen Speer gesteckte Ohr eines gefallenen Feindes; diese Beute legten
sie zu Füßen des Kommissars nieder und schickten sich dann an, ihren
Kriegstanz aufzuführen. In langer Linie aufgestellt, von den Kapitaos
schnell geordnet, sprangen einige Vorsänger vor die Front und begannen
unter grotesken Sprüngen, die Waffen schwingend, ihre Kampfweise
aufzuführen, wobei der ganze Chor mit in den Gesang einstimmte. Waren
die Tänzer ermattet, sprangen immer wieder andere vor, die jedes Mal
einen anderen Gesang anstimmten; klang die Melodie auch etwas eintönig,
so lag in manchen Strophen doch ein harmonischer Zusammenhang, der
selbst für das Ohr eines Europäers etwas Angenehmes hatte. Man gewann
aber doch einen Einblick, wie diese Volksstämme, wenn sie zu tausenden
von einem siegreichen Zuge heimkehren, endlos ihre wilden Tänze
aufführen und Siegesfeste feiern. -- Endlich erschöpft, hielten die
Atonga inne und im Bewußtsein, große Krieger zu sein, erzählten sie
sich an ihren Feuern im Lager ihre Heldenthaten.

Der Commissar Mister Johnston, der vorläufig einen größeren Ausfall
nicht beabsichtigte, bevor nicht der Pallisadenbau in einer Weise
fertig gestellt war, daß die aufzuführenden Befestigungen einem kleinen
aber starken Fort entsprächen, hatte, als ich ihm meine Absicht mit der
an diesem Tage freigekommenen »Dormira« abzureisen, mittheilte, nur den
Wunsch, Soldaten und Geschütz für einige Tage noch behalten zu dürfen.
Die Lage habe sich ja auch so weit geklärt, daß der Feind es nicht mehr
wagen werde, gegen seine bedeutend stärkere Position anzustürmen und so
könne er die von Katunga erwartete Verstärkung getrost abwarten.

Am 14. Mittags war die »Dormira« endlich bereit. Die Abfahrt des
Schiffes hatte sich durch Herbeischaffung von Feuerholz, sowie
durch die vorgenommenen Befestigungen an Bord, (namentlich war die
Kommandobrücke mit allem möglichen Material geschützt worden,) sehr
verzögert. Aus dem Grunde, weil im Lager für die Europäer herzlich
wenig zu essen war, hätte ich die Handwerker, die ungern zurückbleiben
wollten, gerne mitgenommen, aber den Engländern Soldaten und Geschütz
ohne spezielle Aufsicht zu überlassen, das ging nicht, darum mußten
diese bleiben.

Beim Abschied versicherte mir der Kommissar noch seiner vollen
Unterstützung in allen Fällen, wo wir solche bei unserm großen
Unternehmen bedürfen würden, sonst aber that er keiner der Zusagen
Erwähnung, die vor wenig Tagen sein Abgesandter im deutschen Lager
gemacht hatte und was erstere anbetrifft, so haben wir späterhin jede
Gefälligkeit überreich vergolten.

Gleich anfänglich, sobald das Schiff die Anker gelichtet hatte und mit
dem Strome flußabwärts glitt, wurde die beträchtliche Anzahl Schwarzer
an Bord in den Vorder- und Hinterräumen untergebracht, damit sie den
feindlichen Kugeln nicht ohne Schutz ausgesetzt wären, während die
Europäer auf der Kommandobrücke mit Waffen bereit standen und scharfe
Ausguck nach den Ufern hielten. Mit Strom und Dampfkraft ist es auf
solchem Fluß ein schlechtes Fahren und große Aufmerksamkeit nöthig,
den vielen Untiefen sicher aus dem Wege zu gehen; läuft das Schiff
aber fest, kostet es viele Mühe es wieder frei zu bekommen. Indes
während der Zeit, daß wir auf feindliche Schüsse gefaßt sein konnten
ging alles gut, auch ließ sich kein Feind blicken und das linke Ufer
schien vollständig verödet zu sein. Erst weit unterhalb Perisi sahen
wir auf dem rechten Ufer wieder Menschen, die jedoch friedlich das
vorbeiziehende Schiff betrachteten und kein Zeichen irgend welcher
feindlichen Gesinnung gaben; nebenbei war unter allen an Bord
ausgemacht, daß, sollten sich Leute am Ufer zeigen, keiner eher Feuer
geben solle, als bis genügende Veranlassung dazu vorhanden sei, es wäre
zum wenigsten nicht hübsch gewesen wehrlose Feinde niederzustrecken.

Etwa eine halbe Stunde oberhalb Mpimbi, liefen wir, da der Führer im
Glauben war, er habe freies Wasser vor sich und deshalb mit voller
Dampfkraft fuhr, plötzlich so fest auf eine Untiefe auf, daß es
stundenlanger Mühe bedurfte, das Schiff wieder frei zu bekommen. Mit
vereinter Dampf- und Menschenkraft, und allen in das Wasser gesandten
Schwarzen, die den Sand unter dem Schiff wegschafften, gelang es denn
doch schließlich, den Dampfer wieder in tieferes Wasser zu bringen,
so daß wir, wozu anfänglich wenig Aussicht vorhanden war, doch noch
gegen Abend Mpimbi erreichten. Ehe wir noch die Insel, auf welcher der
Häuptling Tschikusi seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte, etwa eine
Viertelstunde oberhalb Mpimbi gelegen, erreicht hatten, sahen wir
mächtige Rauchwolken hinter dem das Lager verdeckenden Wald aufsteigen,
und unwillkürlich drängte sich mir die Besorgniß auf, das deutsche
Lager müsse in Brand stehen. Diese Annahme, von allen getheilt, da
sich keine andere Erklärung dafür finden ließ, war keine angenehme
Empfindung für mich, meinen Posten als einen Trümmerhaufen wiedersehn
zu sollen und die Befürchtungen, immer von der Hoffnung niedergehalten,
der Feind werde nicht so kühn sein und das Lager angreifen, lebten
doppelt wieder auf. Mit großer Erwartung näherten wir uns endlich
dem Walde -- welch' eine Erleichterung aber war es für mich, als
ich das Lager unversehrt vor mir liegen sah und wir erkannten, daß
hinter demselben die weite trockene Grasebene nur in Flammen stehe,
die wahrscheinlich von Feindeshand angezündet, die Vermuthung erweckt
hatte, alles sei zerstört! --

Im Lager angekommen fand ich daselbst unsern Expeditionsarzt Dr. Röver
schon vor, der wenige Stunden vor mir von Matope eingetroffen war, und
bald von allem unterrichtet, erfuhr ich Folgendes:

Mit der Absicht direkt von Blantyre nach Mpimbi zu marschiren, hatte
Dr. Röver auf die Zusicherung hin, der Weg durch die Ebene sei von
Feinden besetzt, sich genöthigt gesehen nach Matope abzubiegen und
von dort zu versuchen, ob er die Reise zu Wasser fortsetzen könne. An
diesem Orte war es, wo am Nachmittag des 12. Februar der Transport mit
den Schwerverwundeten eintraf und die halbtodten Menschen von Dr. Röver
in Behandlung genommen wurden, der auch eine Ueberführung nach Blantyre
mittelst Maschilla als gefährlich erklärte und das Boot nach Mpimbi
zurückzubringen befahl.

In meinem Hause hatte Mister Steavenson Unterkunft gefunden mit dem ich
das einzig darin vorhandene Zimmer fortan theilte; für die Schwarzen
wurde so gut es ging anderweitig gesorgt bis alle so weit hergestellt
waren, daß sie nach Blantyre geschafft werden konnten.

Weiter erfuhr ich, der nächtliche Alarm am 11. Februar sei dadurch
hervorgerufen, daß die Posten herumschleichende Feinde gesehen hatten,
die gedeckt unter dem Schutze der Dunkelheit wohl einen Handstreich
auszuführen gedachten, aber die Wachsamkeit der Soldaten unterschätzten
und mit Gewehrfeuer begrüßt wurden, ehe sie ihre Absicht ausführen
konnten. Die sofort unter die Waffen getretene Besatzung gab dann
auf solche Punkte Salvenfeuer wo man den Feind vermuthete, der aber,
als er sich entdeckt sah, hatte schleunigst das Weite gesucht. Das
heftige Feuern in der stillen Nacht hatte auch die Bewohner des Dorfes
aufgeschreckt, selbst Herr Scharrer und Berenger, die zufällig die
Nacht in ihrer Station anwesend waren, kamen mit den bewaffneten
Dorfbewohnern herbeigeeilt, um die Gefahr abwenden zu helfen. Diese
Willigkeit von seiten der Einwohner der Aufforderung des Herrn Scharrer
zu folgen und das deutsche Lager zu schützen ist um so auffälliger, als
sich die Bevölkerung bisher zwar neutral verhalten, doch entschieden
mit den Aufständigen harmonirte, und ist es nur dem persönlichen
Einfluß dieses Herrn zuzuschreiben, wenn die schwankenden Bewohner
Mpimbis anderen Sinnes wurden und insofern die Lage änderten, als sie
die Sache des Feindes nicht mehr zu der ihrigen machten. Ihr Häuptling
Tschikusi, freilich ganz anderer Meinung, hatte sich aber bisher ruhig
verhalten, wenigstens deutete nichts daraus hin, daß er seine Leute zu
beeinflußen getrachtet hätte.

Am Abend des 15. Februar kam bei strömenden Regen die vom Commissar
von Katunga herbeigerufene Hilfe unter Führung des Kapitän Car und Dr.
Harper im deutschen Lager an; es war die Besatzung der Kanonenboote
»Herald« und »Mosquito«, 36 Marinesoldaten und 2 Feldgeschütze nebst
einigen in Blantyre ansässigen Händlern und Beamten, sowie 200 Träger.
In Gewaltmärschen hatte diese Truppe den weiten Weg in wenigen Tagen
zurückgelegt; unter der Sonnengluth und Regen dazu viel zu leiden
gehabt, sodaß alle aufs Aeußerste erschöpft, froh waren als sie unser
Lager erreicht hatten.

Die weite Ebene am Fuß des Schiregebirges war durch die furchtbaren
Regengüsse in einen See verwandelt worden, daher mußten die Leute viele
Stunden durch fußhohes Wasser waten und dazu die Geschütze auf den
aufgeweichten Boden fortschleppen; der große Nebenfluß des Schire, den
ich in der Weihnachtsnacht durchquerte war jetzt ein reißender Strom
geworden, den zu durchwaten es der größten Anstrengung gekostet hatte.
Mithin war es kein Wunder, daß die Hälfte der Mannschaft zu jeder
weiteren Aktion vorläufig unfähig geworden war und mehrere sich recht
böses Fieber weggeholt hatten.

Wir Deutsche thaten denn auch was in unsern Kräften stand, um der
augenblicklichen Noth zu lindern und halfen mit Zeug und Kleidern nach
Möglichkeit aus, was freilich bei so vielen Bedürftigen nicht viel
sagen wollte. Bei der herrschenden Dunkelheit in dieser so stürmischen
Nacht passirte es dazu einigen Europäern, die zum englischen
Stationshause, worin die Marinesoldaten Unterkunft gefunden, Ordre zu
überbringen hatten, daß sie des schmalen Pfades über dem aufgeworfenen
Schützengraben nicht achteten und seitwärts zu Fall kamen, wobei sie,
wenn sie nicht ein kühles Bad in dem mit schmutzigen Wasser angefüllten
Graben nahmen, so doch sich die Stiefel gehörig vollfüllten; derbe
Ausrufe des Unwillens und höchsten Unbehagens zeigten jedesmal an,
wenn Jemand, der allzueilig dem Regen sich entziehen wollte, dafür ein
nasses Bad eintauschte! Es stellte sich auch als eine Nothwendigkeit
heraus, den erschöpften Leuten möglichste Ruhe zu gönnen, um sie nur
wieder so weit herzustellen, damit sie fähig würden die Strapazen des
Weitermarsches zu ertragen und in den bevorstehenden Kämpfen ihre
Kräfte nicht durch körperliche Ermattung versagten. Somit blieben
die Engländer zwei Tage noch unsere Gäste. Am 17. traf auch unser
Transportführer Herr v. Eltz mit dem Proviantmeister v. Liebermann
und noch vier englischen Marinesoldaten als Begleitung von Katunga
ein, sodaß nun über fünfzig Europäer in Mpimbi versammelt waren, die
sich rüsteten, um die kleine Macht des bei Perisi sich verschanzenden
Kommissar Meister Johnston zu verstärken und von dort aus dann die
Offensive gegen Lionde zu eröffnen. In diesem Theile Afrikas war noch
nie eine so zahlreiche englische Macht versammelt gewesen, zu der
wir Deutsche außer den in Perisi weilenden noch ein Kontingent von
15 Soldaten und 3 Europäern, v. Eltz, Dr. Röver und v. Libermann,
stellten, sodaß ich, nachdem am 19. früh alle abmarschirt waren, zum
Schutze des Lagers nur etwa 20 Mann behielt.

Hatte Mister Johnston auch einmal, als er in große Bedrängniß gerathen,
um deutsche Hilfe gebeten, so war ihm die jetzt freiwillig zugeführte
doch höchst ungelegen, was ich später aus englischem Munde mehrfach
vernommen; es mußte ihm erstens unwillkommen sein, für noch ungebetene
Gäste sorgen zu müssen und zweitens die deutsche Hilfe mit in
Rechnung zu ziehen, deren er nicht mehr bedurfte. Kam doch hierbei der
Nationalstolz in Betracht und fühlte sich verletzt dadurch, daß es nun
den Anschein gewann, als könne auch jetzt noch nicht die englische
Macht die Situation beherrschen und wäre nicht stark genug ohne fremde
Hilfe sich der Feinde zu erwehren. Wie dem nun auch sei, der Kommissar
war höflich genug, diese neue Unterstützung nicht zurückzuweisen; mit
deutscher Hilfe wurde der Vormarsch auf Lionde angetreten und dieses
große Dorf nach kurzem Kampf zerstört. Man war übereingekommen, mit
der deutschen Macht auf dem einen, mit der englischen auf dem anderen
Ufer vorzudringen, damit der Feind, gleichzeitig angegriffen, nur
geringen Widerstand zu leisten im Stande sei; jedoch vertheidigte er
sich aber gegen die deutsche Truppe hartnäckiger und der Verlust betrug
mehrere verwundete und einen gefallenen Atonga. Mit der Zerstörung von
Lionde war auch der Kampf beendet, denn mit dem Verlust des letzten
Haltes waren die Feinde auch zersprengt und flohen auf dem linken Ufer
meistens in die unzugänglichen Berge, auf dem rechten hingegen nach
rückwärts in die längs dem Schire oder landeinwärts unzerstörten Dörfer.

Wohl erforderte es noch manchen starken Druckes, ehe die besiegten
Häuptlinge sich ergaben und zu Friedensverhandlungen sich herbeiließen;
vor allem die unbedingte Auslieferung der Waffen war eine Forderung,
der sie sich nur mit größtem Widerstreben fügten. Auch die geraubten
Waffen und das Eigenthum des Mr. Koe, sowie die des später ebenfalls
überfallenen Mr. Wetterly mußten wieder herbeigeschafft werden. Die
Führer jener Banden aber, welche die Ueberfälle geleitet hatten, büßten
ihr Vergehen mit dem Tode.

Die Engländer hatten durch den heraufbeschworenen Kampf nun ihren
Zweck erreicht, die Widerspenstigkeit der Häuptlinge war gebrochen und
die englische Macht über ein bisher noch freies Land entfaltet. War
der Druck der englischen Herrschaft vorher unangenehm, wurde jetzt
den Unterlegenen der Fuß in den Nacken gesetzt und harte Bedingungen
machten die Macht der Häuptlinge fortan illusorisch.

Auch dem Araber Baccari ben Umari, der seine Hand mit im Spiele gehabt
hatte, aber zu schlau war, um gänzlich überführt werden zu können,
wurde der Prozeß gemacht; als einflußreicher Mann war er gefährlich,
als vermutheter Sklavenhändler wurde er schleunigst des Landes
verwiesen.




                      14. Die Erbauung der Werft.


Auf wie schwachen Füßen die englische Herrschaft hier in Central-Afrika
steht ist aus der Anstrengung zu ersehen, welche es gekostet hat,
diesen Aufstand niederzuwerfen und hätte nicht die Besatzung der in
Katunga liegenden Kanonenboote herangezogen werden können, denen es
möglich geworden, soweit den unteren Schirefluß hinaufzudampfen,
würde wohl, sofern nicht die gesammte deutsche Macht thatkräftige
Unterstützung geleistet, der Kommissar zum Abschluß eines faulen
Friedens gezwungen gewesen sein, denn den Kampf fortzusetzen, wäre
gegen die zunehmende Siegeszuversicht der Feinde mit so unzureichenden
Kräften eine Thorheit gewesen. Die Folge davon war eine beständige
Unsicherheit auf allen Land- und Wasserwegen; ist doch der Neger ein
unleidliches Subjekt und zeigt seinen Charakter im schlechtesten
Lichte, sobald nur ein Schein von Macht in seinen Händen ist und er
weiß, daß er ungestraft sich frech und ungebührlich betragen darf. Es
wäre auch von englischer Seite zur unbedingten Nothwendigkeit geworden,
die Uebergriffe der Häuptlinge zu strafen und den Kampf abermals zu
eröffnen in dem Augenblick, wenn die sehnsüchtig erwarteten Sikhs in
Blantyre eingetroffen sein würden.

Politische Klugheit und die Einsicht, selbst mit der momentan starken
Macht den Kampf nicht lange fortsetzen zu können, bewogen den
Kommissar auch nach dem letzten Schlage Unterhandlungen mit dem Feinde
anzuknüpfen, der, eingeschüchtert, sich nun zu solchen herbeiließ
und willig das Joch der englischen Herrschaft auf sich nahm. Der
Feind, wäre er einig gewesen, hätte durch seine Stärke die Kräfte
der Engländer schließlich aufgerieben, und daher mußte der Friede
geschlossen werden so lange noch die imposante versammelte Macht
beisammen und dem Gegner imponirte.

Es ist ein Glück, daß die Bewohner des schwarzen Erdtheils die Macht
des Europäers als eine unbegrenzte noch ansehen und solche leicht
anerkennen, sobald sie im Guten oder Bösen eine Probe davon erhalten
haben, ist aber dieser Nimbus einmal zerstört, dann wehe der kleinen
Schaar, die sich in ihrer Mitte wagt, nur ein Aufgebot starker Macht
zwingt dann den grollenden Gegner wieder zur Unterwerfung.

Während nun die geschilderten Vorgänge bei Lionde sich abspielten, die
Feinde vor der eilig vordringenden Macht in die Berge oder rückwärts
flohen, wurde meine Stellung in dem schwachbesetzten Lager gefährlicher
als früher insofern, als ich mich viel eher auf einen ernsten Kampf
gefaßt machen konnte und gezwungen war, namentlich Nachts die größte
Wachsamkeit zu üben. Nach den gemeldeten Nachrichten, es haben sich
auf beiden Ufern des Schire Feinde um Mpimbi gesammelt, konnte ich
einen Angriff auf meine schwache Stellung erwarten, sobald irgend eine
Kunde vom Kampfplatz eintraf, die geeignet war, die im Rücken der
Engländer versammelten Haufen mit neuem Muth zu beleben. Ich exerzirte
daher meine paar Leute täglich ein, um auf alle Eventualitäten diese
möglichst sicher zu haben, ohne jedoch irgend jemand von meiner
Voraussetzung auch nur etwas mitzutheilen, denn was so den Anschein
einer Uebung hatte, wäre, wenn alle die Besorgniß erfüllt hätte,
plötzlich überfallen zu werden, bei den maroden Abessiniern und zu
Soldaten untauglichen Suaheli nur von nachtheiliger Wirkung gewesen.

Um die Mittagsstunde des 21. Februar, ein jeder hatte, sofern er nicht
durch Ausübung seiner Pflicht davon abgehalten wurde, in Hütte und Haus
vor den glühenden Strahlen der Sonne Schutz gesucht und sich im kühlen
Schatten der Ruhe hingegeben, ertönten plötzlich in dem das Lager
umschließenden Buschwald dumpfe Schüsse aus Vorderladern abgefeuert und
so nahe, daß es schien, als habe der unsichtbare Feind die Absicht,
aus dem deckenden Dickicht hervorzubrechen. Im Moment war das Lager
alarmirt, jeder Mann auf seinen Posten und den Heranziehenden wäre
ein schlimmer Empfang bereitet worden, wenn ich nicht jedes voreilige
Schießen verboten hätte und keiner eher Feuer geben sollte bis es von
einem Europäer befohlen worden war. Diese Instruktion verhinderte zum
Glück sofortiges Schießen, auch war ich schnell genug herausgesprungen
um noch ein voreilig gegebenes Kommando an der Ausführung zu hindern;
kurz nach den Schüssen erschallte auch das deutsche Hornsignal, woraus
ich entnahm, daß kein Feind im Anzug war. Gleich daraus erschienen vor
der verschanzten Waldpforte die erste Kolonne Atonga, denen in langer
Linie viele andere folgten, die Einlaß begehrten.

Der führende Offizier, Leutnant Bronsardt v. Schellendorf, war nicht
wenig erstaunt, das Lager so kampfbereit zu finden; klärte aber schnell
das Mißverständniß auf, das so leicht sehr üble Folgen hätte haben
können, wenn nicht auf beiden Seiten mit Ueberlegung gehandelt worden
wäre. Es hatten nämlich gegen sein striktes Verbot einzelne Kapitaos
nicht unterlassen können, ihre Vorderlader abzufeuern aus Freude
darüber, endlich am Ziel angelangt zu sein, und um die Wirkung dieser
unzeitig gegebenen Schüsse sofort abzuschwächen, ließ er schnell das
deutsche Signal blasen, was das einzige Mittel noch war, da er nicht
so schnell nach vorne springen und dem Feuern Einhalt gebieten konnte.
Diese Atonga, 275 an Zahl, waren auf Befehl des Major von Wißmann
durch v. Bronsardt in Bandawe angeworben worden, zu der Zeit, als
die Vorexpedition an jenem Orte für einige Tage mit der Domira dort
gerastet hatte, und von hier, vom Westufer des Nyassa-Sees, durch
diesen Offizier bis nach Mpimbi geführt wurden. Der Major, bestrebt,
für seine Expedition möglichst viele Kräfte heranzuziehen, da die
Trägerfrage der Transport-Abtheilung große Schwierigkeiten bereitete,
hatte diese Anwerbung vornehmen lassen, um einen Arbeiterstamm zu
beschaffen, der für die Dauer des Schiffbaus zur Verfügung stehen
würde und erst entlassen werden sollte, wenn das ganze Werk vollendet
wäre. Es war keine kleine Aufgabe und eine nicht zu unterschätzende
Leistung mit nur wenigen Soldaten diese Kolonne den weiten Weg von der
Mitte des Sees, durch Grassavannen und Gebirgsland, durch das Gebiet
unzuverlässiger Häuptlinge, in dieser Zeit des allgemeinen Aufstandes
zu führen und obwohl die feindlichen Stämme verschiedentlich den
Weitermarsch zu verhindern gesucht, einige Male ernste Rekontre auch
stattgefunden hatten, wagten sie doch keinen ernsten Widerstand zu
leisten, da der großen Truppe genügend Gewehre mitgegeben worden waren.
Anders verhielt es sich mit der Verproviantirung so vieler Leute und
es ist sehr erklärlich, daß in den langen Wochen öfters empfindlicher
Mangel an Lebensmitteln vorgeherrscht hat, wenn der Verkauf derselben
verweigert wurde oder tagelang unbewohnte Gegenden zu durchziehen waren.

Ein tüchtiger Jäger, schaffte v. Bronsardt immer Wild herbei, wo
solches zu finden war, und diesem Umstande hatte er es zu danken, daß
er oft der Noth gesteuert und noch so viele Leute hatte mitbringen
können, denn die Aussicht auf frisches Fleisch hielt in Tagen der
Entbehrung die Leute zusammen, die sonst dem Beispiel vieler anderer
gefolgt und desertirt wären, so lange es noch Zeit und nicht feindliche
Stämme dem einzelnen den Rückweg abgeschnitten hatten.

Erwähnen will ich hier gleich, daß die Kultur des Tabakbaues von den
Atongas am Nyasse-See als Spezialität besonders betrieben wird und
sie dadurch ein Mittel in Händen haben, die weite Wanderung von ihrem
Heimathland bis nach Blantyre und weiter unternehmen können, ohne
besonders Mangel zu leiden, denn der in Rollen mitgeführte Tabak, in
kleinen Stücken verkauft, giebt ihnen die Möglichkeit Lebensmittel
einzutauschen, was sonst unmöglich wäre, da sie an anderen Dingen
ebensowenig besitzen wie alle umwohnenden Stämme, auch der Neger gegen
den Angehörigen eines fremden Volkstammes nicht gerade freigiebig sich
erweist, er reicht dem Hungrigen nichts umsonst. Die Atonga, die kurz
nach der Ernte ihre Wanderung nach dem Schirehochland antreten, um bei
den Europäern sich auf den Plantagen oder als Träger zu verdingen,
versuchen es auch häufig gleich Vagabonden sich durchzuschlagen und
wo es angängig aus den Feldern sich Lebensmittel holen, theils um
ihren Vorrat an Tabak zu schonen, theils weil der Hunger sie dazu
treibt. Freilich laufen sie Gefahr, von den wachsamen Besitzern
niedergeschossen zu werden, die diese Selbsthilfe in Anwendung bringen,
ohne je für solche That zur Rechenschaft gezogen zu werden, wie es
bei Mpimbi vorgekommen und oft geschieht, um die Langfinger, die das
Mausen nicht lassen können, abzuschrecken.

Die Atonga behandeln auf folgende Weise den Tabak: die stattliche
Pflanze, wie schon früher erwähnt, erreicht oft die Höhe von fünf Fuß
und darüber, die Blätter, die lang und breit sind, werden, sobald
die Zeit der Blühte vorbei ist, noch grün abgepflückt, um sogleich,
ohne eine Art von Fermentierung vorzunehmen, in dicken Strähnen
aufgeflochten zu werden, dann in Rollen, die oft von 30 bis 50 Pfund
schwer, gewickelt und in Bananenbast gut verpackt, lassen sie den Tabak
allmählich trocknen, der aber in sich selbst Feuchtigkeit genug enthält
und nicht, wie wohl anzunehmen, von den heißen Sonnenstrahlen ganz
ausgetrocknet wird. Gewiß ist solches Kraut etwas kräftiger Natur und
erfordert, wenn man dieses zu rauchen sich gewöhnen will, einen gerade
nicht empfindlichen Magen, giebt aber in Ermangelung von etwas Besserem
doch eine leidlich schmeckende Pfeife Tabak.

Auch starke Schnupfer sind diese Atonga und würde manchem
Gewohnheitsmenschen in Europa, für dessen Riechorgan kein genügend
kräftiges Fabrikat mehr gefunden werden kann, das noch zum Niesen
reizt, der von den Atonga bereitete Schnupftabak als ein Mittel dazu
zu empfehlen sein. Sie bereiten sich denselben aus den Blättern ihres
Tabaks, indem kleine Stücken desselben gewöhnlich auf einem Stückchen
Blech überm Feuer geröstet und durch die Hitze pulverisirt werden, und
gerade diese feinen Körnchen, von der Schärfe des Pfeffers, bewirken,
wenn sie sich in den Schleimhäuten der Nase festgesetzt haben, ein
urkräftiges Niesen, derart, daß der Körper durch diesen übermächtigen
Reiz gewaltig durchgeschüttelt wird und ein Nichtschnupfer sobald nach
einer zweiten Dosis kein Verlangen trägt.

An den beiden folgenden Tagen, den 22. und 23. Februar kehrten v. Eltz
und Dr. Röver mit den Soldaten zum Lager zurück und wurde nun, was mir
sehr lieb, das Kommando des Lagers Dr. Röver übertragen. Die soweit
getrennt liegenden Orte, Lager und Werft hätten sich doch nur schlecht
unter ein Kommando vereinigen lassen, da jedes für sich eine gesonderte
Leitung nöthig machte, weil an beiden vorläufig große Arbeiten
ausgeführt werden mußten. Entlastet war ich insofern, als die gesammte
Verpflegung laut Befehl des Majors, der Kommandant das Lager zu
übernehmen hatte, ich mich mit dieser leidigen Angelegenheit fernerhin
nicht mehr zu befassen brauchte.

Sobald die Atonga nun abgetheilt waren, von denen ich 30 als beständige
Werftarbeiter behielt, wurde die ganze Schaar möglichst schnell nach
Katunga geführt, um von dort mittelst der Karren unsere schwersten
Lasten über das Gebirge nach Mpimbi zu schaffen; und schwerlich hätten
wir für diese mühselige und zum Theil auf den in der Regenzeit sehr
schlechten Gebirgswegen bessere und willigere Leute finden können wie
es diese Atonga waren. Der übliche Lohn für jeden Arbeiter beträgt
hier zu Lande monatlich 6 Faden gleich 36 Fuß Calico (weißes Zeug)
geringerer Qualität, im Werthe von 4 Mk. 80 Pf. Ortspreis, dazu
wöchentlich zur Verpflegung noch 3 Fuß Zeug gleich 40 Pf. mithin würde
der Monatslohn für einen guten Arbeiter 6 Mk. 40 Pf. betragen. Bedenkt
man, daß den englischen Firmen die Yard gleich 3 Fuß, direkt von Bombay
bezogen, mit Fracht und Trägerkosten, selbst Schädigung eingerechnet,
auf 18-20 Pf. zu stehen kommt, wird man zugeben müssen, daß die Arbeit
doch noch recht billig ist. Die Träger, sofern sie nicht im Monatslohn
stehen, erhalten zwar mehr z. B. für die Tour von Katunga-Blantyre
einen Faden, Katunga-Mpimbi zwei Faden Zeug, gemeinhin dann aber
keine Poscho, d. h. Verpflegung. In Fort Johnston stellt sich der
Preis einer Yard auf 6 Pence, etwas mehr als 50 Pfg., aber im Norden
des Nyassa-Sees schon auf 8 Pence gleich 80 Pf., am Tanganjika-See
auf einen Schilling gleich 1 Mk. Diese Vertheuerung des gangbarsten
Artikels hat seinen Grund darin, daß die African-Lakes-Comp. das
Privilegium des ganzen Transportes bis in letzter Zeit ausschließlich
in Händen gehabt hat und für jede Tonne Güter gleich 20 Centner, von
Chinde bis Blantyre 20 Lstr. gleich 400 Mk. forderte; den gleichen
Preis für einen Reisenden und dessen Handgepäck. Im Jahre 1892 noch
kostete jedem Reisenden, der kein Abkommen mit der Compagnie getroffen
hatte, eine Tour Chinde-Karonga (Nordende des Nyassa-Sees) etwa 1200
Mk. Jetzt jedoch zahlt man nur etwa noch die Hälfte dieser Summe,
weil die Konkurrenz der Gesellschaft das Monopol durchbrochen hat.
Alle andern Artikel wie bunte Zeuge, Seife, Taschentücher etc. stehen
entsprechend der Grundtaxe dann auch in einem viel höheren Preise und
nimmt ein Arbeiter nach sechsmonatlicher Dienstzeit seinen Verdienst in
diesen verschiedenen Artikeln, kann er bequem die Auszahlung unterm Arm
nehmen und den Heimweg antreten.

In Gegenden, wo die Europäer sich festgesetzt haben, ist es nur
naturgemäß, daß auch der Neger seine Produkte vertheuert, er merkt
es sich sehr schnell, wenn ihn jemand besser bezahlt und wird den
erhaltenen Preis alsbald am zweiten Orte fordern und erhält er ihn
nicht, seine Hühner, Ziegen, Bataten, etc. ruhig wieder mit nach Hause
nehmen; es sind also die Europäer sich nicht einig, sie vertheuern
sich selbst die täglichen Bedürfnisse. Gewöhnlich zahlte ich in Mpimbi
für eine ausgewachsene Ziege oder Schaaf an Zeugwerth Mark 3.20 bis
4.80, für ein großes Huhn 20 bis 30 Pfennige. Ziegen und Hühner sind
das einzige Fleisch was man erhalten kann, Wild wird je weiter man
vordringt an den Ufern des Schire immer seltener, am Nyassa schon eine
Delikatesse, weil natürliche Hindernisse es zu schwer machen an die
sonst zahlreichen Thiere heranzukommen.

Mein Wunsch war es nach Uebergabe des Lagers sobald als möglich
gänzlich zur Werft überzusiedeln und mit den mir vorläufig zur
Verfügung stehenden Leuten 30 Atonga, 14 Bacharias (Suaheli) und 12
Sudanesen, letztere als Posten, die Arbeiten zu fördern. Nöthig war
es vor allem, mein Wohnhaus zuerst zu beenden, das ich gleicherzeit
als Bureau benutzen wollte und deshalb ein Schlaf- und ein Vorzimmer
herstellen ließ. Als Beispiel für alle weiteren Bauten, die nur für
die Zeit unseres Aufenthalts und unserer Arbeit berechnet waren, will
ich hier den Aufbau eines Hauses beschreiben. Je nach der Länge des
Gebäudes wurden 4 oder mehr Mittelträger von 14 bis 16 Fuß Länge, jeder
oben mit einer Astgabel versehen, etwa 2 Fuß tief in die Erde gesetzt,
die Träger für die Seitenwände aus ebensolchen Stämmen bestehend,
aber nur 7 bis 8 Fuß über dem Erdboden, und je nach der geplanten
Breite des Hauses etwa 6 bis 8 Fuß von den großen Stämmen entfernt,
wurden gewöhnlich in einem Abstand von 6 Fuß von einander aufgestellt.
Die Zwischenräume dann ringsum mit schlankem Rohr ausgefüllt, das
im Erdboden dicht an dicht eingegraben und zwischen den Pfeilern,
um solcher Wand Halt und Festigkeit zu geben, durch querliegende
Rohrsparren verbunden wurde, ergab eine genügend feste und luftige
Einfassung. Auf den Gabeln der Mittel- und Seitenpfeiler ruhten
passend lange Stämme, die mit Bambusrohr als Dachsparren verbunden auf
diesen wieder querliegende Streifen gespaltenen Rohrs festgemacht,
vervollständigten das Dach; die Bedachung selbst bestand aus langem
Gras, das in Bündeln, von unten angefangen, schichtweise aufeinander
gelegt und an den Sparren mit auf diesem gelegten Flußrohr befestigt
wurde. Oben am Giebel wurden über dem Längsbalken feste Graskappen
gelegt, die über die an diesem heranreichende Grasschicht so über
faßte, daß kein Wasser hindurch dringen konnte.

Die Schräge des Daches gestattet dem Regenwasser schnellen Abfluß
und solch ein gut gearbeitetes Dach widersteht lange Zeit d. h. hat
solch ein Dach zwei Regenperioden überdauert, legt man um eine weitere
Verwitterung vorzubeugen, wieder eine neue Grasschicht oben auf bis es
nach Jahr und Tag schließlich nöthig wird die Bedachung gänzlich zu
erneuern. Als Bindemittel diente uns der Bast verschiedener Baumarten
und gewöhnlich brachten schon die Leute solche Stämme aus den Bergen
herunter, deren zähe Borke das gewünschte Mittel abgaben; war solches
aber schwerer zu erhalten, dann sandte ich einige Leute aus, um die
Blätter der astlosen hohen Fächerpalme herbeizuschaffen, diese für eine
Nacht in Wasser gelegt und dann gespalten wurden, ersetzten uns den
Bindfaden.

Der vorläufig abgeschlossene Waffenstillstand, der auch zum Frieden
führte, sowie die Niederwerfung der Aufständigen, hatte auch die
Gemüther der um Mpimbi wohnenden Eingeborenen etwas beruhigt, deshalb
konnte ich es wagen die im Urbusch aufgegebene Arbeit, das Fällen und
Behauen der Baumstämme, wieder fortsetzen zu lassen. Der Sicherheit
halber ging ich selbst mit einer starken Bedeckung hinaus, um mich von
allem erst persönlich zu überzeugen und die nöthigen Anordnungen zu
treffen, namentlich wie für die nächste Zeit die Aufstellung der Posten
gehandhabt werden sollte, da es nicht ausgeschlossen war, daß die von
Lionde bis hierher geflohene Bevölkerung doch wider Erwarten einen
Ueberfall ins Werk setzen konnte; deshalb schon war es meine Pflicht,
die im unzugänglichen Gebüsch Arbeitenden vor einer Ueberrumpelung nach
Möglichkeit zu schützen. Daraufhin überzeugt, es sei keine direkte
Gefahr vorhanden, ließ ich denn auch die Zimmerleute unter anfänglich
starker Bedeckung ihre Arbeiten wieder aufnehmen und sie täglich in
den Urbusch und Wald hinauswandern. Auf der Werft, wo inzwischen mit
allen verfügbaren Kräften an die Ausschachtung des langen Grabens
herangegangen wurde, gelang es mir neben den Atonga und Suaheli
auch andere Arbeiter aus dem Dorfe heranzuziehen, wenn auch vorerst
nur Weiber und größere Kinder, und rüstig konnte die Abgrabung der
Erdmassen, die flüchtig geschätzt, viele tausend Centner betrugen,
gefördert werden. Vom Ufer ab, wo eine Wand von 8 Fuß Höhe abzutragen
war, die auf 120 Fuß Länge bis auf 4 Fuß abnahm, bei einer Grundbreite
von 20 Fuß, sollte diese so gebildete schräge Fläche der Schlipp als
feste Lage dienen, zu welcher bereits im Urbusch die Balken behauen
wurden.

Ausgerüstet mit reichlichem Handwerkzeug, als Spaten und Pickaxten,
nebenbei war der schwere Boden sehr fest und lehmhaltig, war es
verhältnißmäßig noch ein leichtes Arbeiten und nur das Wegschaffen
der Erde vermittelst flacher Körbe war schwieriger, zumal diese etwas
unterhalb der Werft am hohen Uferabhang ausgeschüttet werden mußte.
Neben dieser Arbeit konnten indes andere aber auch nicht vernachläßigt
werden, namentlich war die Vollendung des schon vor dem Aufstand
begonnenen Zaunes, der im ganzen Umkreis über 320 Fuß lang war,
dringend geboten; ebenso ein Wachhaus für die Posten am Haupteingang
und ein großes geräumiges Magazin.

Hunderte Hände hätte ich anstellen können, um nur genügend Baumaterial
aus den Bergen und der Ebene herbeizuschaffen und dann wäre doch noch
alles langsam fortgeschritten, das aber lag daran, daß der Weg bis zu
den Bergen so weit war und konnte höchstens zweimal am Tage eine Tour
dorthin gemacht werden; sollte aber Bambusrohr geholt werden, kehrten
die Leute fast immer erst am späten Nachmittage wieder zurück. Anstatt
nun aber die Arbeitskräfte zu haben, die zu einer schnellen Förderung
nöthig gewesen wären, hatte ich nur die aus dem Lager zur Arbeit auf
der Werft abkommandirten Soldaten, deren Zahl nie 20 überstieg, und was
die Abessinier anbelangte, dazu eine faule Gesellschaft.

Im Lager, das Dr. Röver nach den Entwürfen unseres Artisten, Herrn
Franke, ausbauen ließ, hatte man mit der Zeit auch eine beträchtliche
Zahl Arbeiter angestellt, die Häuser und Pavillons aufführten, daß es
eine Lust war; zu solcher bequemen Arbeit ließen sich die Bewohner
Mpimpis herbei, auf der Werft aber mit schweren Eisenstücken zu
hantiren, davor scheuten sie zurück.

Das rege Leben auf der Werft entfaltete sich mehr und mehr -- die
Erde schleppenden Frauen und Kinder, die mit Spaten und Äxten
hantirenden Männer, die Gras- und Rohrbündel, sowie Baumstämme
herbeischleppenden Soldaten, dazu von Katunga ankommende Träger der
Wangoni, die Handwerkzeug, Feldschmieden, den Kiel des Schiffes und
die eisernen Rippen desselben auf Kopf und Schultern über das Gebirge
getragen, gaben ein buntbewegtes Bild. Jeder Europäer fand reichliche
Beschäftigung, der eine beaufsichtigte den Häuserbau, der andere die
Ausschachtung, ein dritter sollte beim Lager nochmals einen Hochofen
aufstellen etc., denn ehe noch nicht der Kiel des Schiffes gelegt und
ein Mittel gefunden worden war, auf welche Art wir schnell Kohlen
brennen konnten, war es zwecklos, die wenigen bisher eingetroffenen
Spanten mit den drei Handwerkern zusammenzunieten.

Aus Katunga, wohin der Transportführer Herr von Eltz gleich nach
Abmarsch der Atonga zurückgekehrt war und von wo der Transport des
gewaltigen Materials über das Gebirge geleitet wurde, trafen immer
zuerst nur solche Sachen ein, die auf der Werft nach meinen Angaben
benöthigt wurden, und dort von Sachverständigen, als der Schiffbauer
Zander und Maschinist Engelke, zusammengestellt wurden; hingegen
verpackte der erste Steuermann Gerloff mit anderen wieder die kleineren
Sachen, da sich die Träger entschieden weigerten, das Material in der
ursprünglichen Verpackung anzunehmen. In Blantyre, als Zwischenstation,
leitete erst Wedler, später der zweite Steuermann Wissemann, die
Beförderung und diese wurde mit solcher Genauigkeit ausgeführt, daß
ich jeder Zeit darüber orientirt war, welche Gegenstände auf der Werft
eingetroffen und welche noch unterwegs waren. Kein Kapitao der Träger,
wie es doch mehrmals vorgekommen, erhielt seine Bescheinigung von mir
eher, als bis die ihm anvertraut gewesene Stückzahl zur Stelle war.
Diese strenge Aufsicht war nöthig, einestheils, weil ein verlorenes
Stück schwerlich zu ersetzen wäre, anderntheils, weil die englische
African Lakes Comp., die 2000 Lasten zur Beförderung übernommen hatte,
nicht für Verluste hätte haftbar gemacht werden können.

Hatte ich geglaubt, daß wir, so lange noch unser Stahlboot von den
Engländern nicht zurückgegeben worden war, unbehelligt die Canoefähre
unterhalb Mpimbi würden benutzen können und der Häuptling die
getroffenen Abmachungen respektieren würde, so sollte ich eines schönen
Tages nun eines anderen belehrt werden. Schon um das Uebersetzen zu
ermöglichen, mußte den Fuhrleuten ein Gratisgeschenk verabfolgt werden,
welches in einem Stückchen bunten Zeug bestand und zu geringfügigen
Werth hatte, um dieserhalb die Leute widerwillig zu machen; aber der
Neger, sobald er sieht, seine Forderungen werden durch eine gewisse
Nachgiebigkeit erfüllt, wird er diese bald derart hoch schrauben,
daß sein Benehmen an Unverschämtheit grenzt. Verschiedentlich waren
schon Verzögerungen eingetreten und, wenn ich die Zimmerleute längst
schon am anderen Ufer wähnte, saßen sie noch wohlgemuth auf der linken
Flußseite und warteten geduldig, bis es den Fährleuten gefällig war,
sie überzusetzen; kam ich dann selbst, von Ottlich benachrichtigt,
zeigten diese noch ein unwilliges Nachgeben und kehrten sich an die
Vorhaltungen durchaus nicht.

Wenige Tage später kehrte des Morgens die ganze Abtheilung zurück mit
der Nachricht, ihr sei der Durchgang durch das Dorf von mit Speeren
und Flinten Bewaffneten verlegt und sie ernstlich bedroht worden, als
der führende Europäer ohne weiteres sich nicht fügen wollte. Klug
war es von Ottlich gehandelt, in solcher Lage scheinbar nachzugeben,
denn ein Konflikt von unabsehbaren Folgen wäre durch irgend eine
Gewaltthat sofort heraufbeschworen worden und dadurch zum Mindesten
unsere Arbeit in jenem Gebiet für lange Zeit in Frage gestellt
gewesen. Die Eingeborenen sympathisierten nur zu sehr mit ihren im
Aufstand unterlegenen Freunden, von denen sehr viele in diesen vom
Schauplatz entfernt gelegenen Dörfern Schutz und Zuflucht gefunden
hatten, und fühlten sich scheinbar stark genug, dem einzelnen Europäer
gegenüberzutreten.

Auf solche ernste Nachricht hin mußte etwas Entscheidendes geschehen
und zwar bald, denn nur zu leicht giebt sich der Neger einem
momentanen Erfolge hin und triumphiert, läßt sich dadurch verleiten,
oft Thorheiten zu begehen, deren Folgen er nicht im Entferntesten zu
beurtheilen vermag.

Schnell entschlossen brach ich daher mit wenigen Soldaten und einem
Dolmetscher auf, um nun allen Ernstes mit dem Häuptling ein Wort
deutsch zu reden, nicht etwa, daß ich Gewalt anzuwenden gedachte, was
doch nur zu sehr unliebsamen Verwickelungen geführt hätte, so lange
noch irgend eine Aussicht zu einem gütigen Ausgleich vorhanden war,
sondern vielmehr sollte er mir die Motive erklären, die ihn und seine
Leute bewogen hätten, eine friedliche Kolonne aufzuhalten, der laut
früherer Abmachungen freier Durchzug durch sein Dorf zu gewähren sei.

Zur Fähre gekommen, fand ich am diesseitigen Ufer mehrere Abgesandte
des Häuptlings im Hause des Herrn Scharrer versammelt, die dessen
angezeigte Ankunft abwarten und demselben ihre Beschwerden
verschiedener Art vorlegen sollten. Dieser Umstand bewog mich, nun
auch meinerseits zu warten und erst die Ansicht des mit den Sitten
und Gebräuchen der Eingeborenen wohlvertrauten Herrn anzuhören, ehe
ich kurzer Hand den Häuptling selbst zur Rede stellte. Eine schnelle
friedliche Lösung konnte durch die Vermittelung dieses Herrn, der als
Besitzer weiter Länderstrecken in diesem Gebiet allen wohlbekannt und
vielfach als Schiedsrichter angerufen wurde, viel eher herbeigeführt
werden, als wie ich es durch lange Schauris und Geschenke hätte
fertig bringen können, um so mehr, als ich sicher war, daß mir ein
solcher Gefallen sehr gerne erwiesen werden würde, da gegenseitige
Gefälligkeiten schon früher uns einander gut bekannt gemacht hatten.

Bald nach erfolgter Ankunft desselben und der allseitigen Begrüßung
wurde nach dem Begehren der am Boden hockenden Abgesandten, meistens
ältere Männer, die ihre Vorderlader zwischen die nackten Beine
gestemmt, in stoischer Ruhe auf eine Anrede warteten, gefragt.
Unwesentliche Beschwerden, bei welchen es mehr darauf ankam, die
Meinung des weißen Mannes zu hören, als der Wunsch, diese durch
denselben beseitigt zu sehen, waren es nur, welche der Sprecher
vorzubringen hatte und fanden nach vielem Hin und Her ihre Erledigung.
Hierauf ließ ich die Abgesandten fragen, welche Gründe den Häuptling
bewogen hätten, die Verträge zu brechen und in so drohender Weise gegen
eine von mir abgesandte Arbeitskolonne aufzutreten, hätte ich doch für
die Benutzung der Fähre und für die Freigabe der Wege durch ihr Dorf
reichlich Zahlung geleistet.

Nie indes wird der Neger zu bewegen sein, eine direkte Frage kurz und
bündig zu beantworten, so lange ihm noch ein Ausweg offen bleibt, und
weitschweifig, indem er immer neue Argumente hervorsucht, antwortet
er stets ausweichend. Dadurch erfordern die Schauri von Seiten eines
Europäers auch eine gute Portion Geduld und nur zu oft muß er sich in
die Weitschweifigkeiten einer Verhandlung fügen, will er seine Absicht
nicht vereitelt sehen, namentlich wenn keine Macht ihm zur Seite steht,
die von vornherein seinen Wünschen Nachdruck giebt.

In diesem Falle wich der Sprecher auch den direkten Fragen gewandt
aus, sodaß es Herrn Scharre schließlich überdrüssig wurde, noch länger
mit diesen Querköpfen zu verhandeln, die dadurch nach ihrer Meinung
dem Europäer zu imponiren glauben, wenn sie ihre fade Weisheit in
recht viele nichtssagende Worte kleiden oder in Vergleichen und halben
Räthseln stundenlang sprechen. Es wurde ihnen noch nahegelegt, das
Benehmen der Dorfbevölkerung den Europäern gegenüber könne schlimme
Folgen haben und solches möchten sie ihrem Fumo mittheilen, wenn
derselbe es nicht vorziehen sollte, sich mit mir ins Einvernehmen zu
setzen. Auf jeden Fall aber würden sie klug thun, am folgenden Tage
eine entscheidende Antwort mir zu überbringen, wenn sie unangenehmen
Folgen wollten aus dem Wege gehen; ich aber befolgte den Rath, geduldig
die Entscheidung des Häuptlings abzuwarten, ehe ich weitere Schritte in
dieser Angelegenheit unternahm.

Am folgenden Morgen hatte ich denn auch das Vergnügen dieselben
Abgesandten mit dem dazu gehörigen Gefolge, alle der Würdigkeit
der Sendung gemäß geschmückt und ein etwas feierliches Gepräge zur
Schau tragend, auf der Werft zu begrüßen. Ich eröffnete hierauf das
Schauri mit der kurzen Frage, welches die Gründe sind, um derenwillen
sie plötzlich eine so feindliche Stellung meinen Leuten gegenüber
eingenommen hätten, sogar mit Waffengewalt gedroht wurde, wenn die
Abtheilung nicht freiwillig das Feld geräumt hätte. Eine lange Rede des
Wortführers war die Antwort, aus der mein Dolmetscher sich nur so viel
zusammen reimen konnte, daß das Ergebniß Unsinn, der Sinn Widerspruch
sei. Ich forderte sie nach einer Stunde unnützen Parlierens auf, mir
eine bestimmte Antwort endlich zu geben, und legte die Fragen so klar
und kurz, daß es unmöglich schien, anders als ein Ja oder Nein darauf
zu erhalten; aber konnten oder wollten sie mir nicht Rede stehen,
ich erreichte nichts und ließ ihnen, als meine Geduld zu Ende ging,
erklären, daß, wenn ein gütiges Verhandeln zwecklos wäre, ich Soldaten
genug habe und viel mehr Gewehre wie sie, um nöthigenfalls der Gewalt
Gewalt entgegenzusetzen; ich würde morgen früh selbst die Truppe führen
und jeden Widerstand zu beseitigen wissen.

Solcher Bescheid war entschieden nicht nach ihrem Sinn und zögernd
schickten sie sich an, die Werft zu verlassen, nachdem ich jedes
weitere Verhandeln abgebrochen hatte, sie konnten sicherlich nicht den
weißen Mann begreifen, der so würdige Abgesandte nicht mal mit dem
üblichen Geschenk bedachte. Hätte ich mich dazu herbeilassen wollen,
würde ich das gewünschte Resultat wohl erzielt haben, aber ich sah
nicht ein, warum ich noch eine Art »Hongo« (Zoll) zahlen und die
schwarze Gesellschaft erst ködern sollte, wenn ich schon mehr als genug
gegeben hatte und nur darauf bestand, daß die früheren Abmachungen zu
Recht bestehen blieben.

Nach reiflicher Ueberlegung aber beschloß ich doch meinen am ersten
Tage gefaßten Vorsatz, den Häuptling persönlich aufzusuchen, zur
Ausführung zu bringen, erstens erschien es mir gerathener auf
friedlichem Wege diese Schwierigkeit zu lösen, zweitens mit Bewaffneten
hätte man mich nicht über den Fluß gesetzt und solche Wichtigkeit legte
ich der Sache noch nicht bei, um weitgehendere Maßregeln zu treffen.
Daher nur in Begleitung von zwei Mann und ohne jegliche Waffen, ging
ich am nächsten Morgen zur Fähre, darauf rechnend, der Fährmann würde
keinen Anstand nehmen uns überzusetzen. Allein vergeblich wartete ich,
kein Fährmann folgte der Aufforderung überzusetzen und ebensowenig ließ
sich etwas von dem im dichten Ufergebüsch versteckten Kanoe entdecken.
Erst nach geraumer Zeit bequemten sich ein paar junge Leute das
Fahrzeug aus dem Uferschilf herauszuschaffen und uns, nachdem sie den
Zweck meines Kommens erfahren hatten, der durch Boten wahrscheinlich
erst ihrem Fumo mitgetheilt wurde, mit vielem Geschick durch die
reißende Strömung am anderen Ufer abzusetzen.

Vertraut mit den Irrgängen eines Negerdorfes, dessen schmale Pfade
labyrinthartig zwischen Hütten, hohem Gras, durch Busch und Unrat
führen, war ich, gefolgt von nur wenigen Bewohnern, durch das Gras zu
dem großen freien Platze gelangt, der als Versammlungsort diente und wo
unter dem Schatten eines gewaltigen Baumes die Berathungen abgehalten
werden. Einer Tenne gleich so fest und meistens sauber ist der Boden
um solchen Baum, eigentlich auch nur der einzige Ort von dem man sagen
kann er werde reinlich gehalten; heute aber und fast zu jeder Tageszeit
befanden sich hier nur Mais und Matama stampfende Weiber, umgeben
von einer Schaar Kinder, die beim Erblicken des weißen Mannes theils
schreiend zu ihren Müttern liefen, theils in den naheliegenden Hütten
verschwanden.

Die Prozedur des Mais- und Matamastampfens wird nur von den Frauen
vorgenommen, die Geräthe sind ein Holzgefäß und zwei Stampfer, ersteres
ist aus einem etwas über zwei Fuß hohem Holzklotz gefertigt, dessen
Aushöhlung oben weit nach unten zu aber spitz zu läuft, der Stampfer
ist ein einfacher Pfahl von hartem Holz an beiden Enden zugespitzt. Ist
ein Quantum des Getreides in ein solches Gefäß geschüttet, wird dieses
dann meistens von zwei Frauen derart bearbeitet, daß, indem sie die
Stampfer abwechselnd in rascher Folge mit aller Kraft hineinstoßen,
die Körner auf diese Weise zermalmt werden. Es erfordert eine gewisse
Ausdauer stundenlang solche Arbeit zu verrichten, und sehr häufig sieht
man, daß die Mütter ihre Säuglinge auf den Rücken gebunden haben, die
mit jedem Stoß in eine hüpfende Bewegung gerathen und mit den Köpfen
gegen den Körper schlagen. Aber der Negerschädel ist fester gebaut, die
Kinder finden in solcher Lage Schlaf und Ruhe, selbst den unbedeckten
kleinen Köpfen schadet nicht mal der glühende Strahl der Sonne.

Sind die Körner fein genug gestampft, und bestimmt zu Mehl verrieben zu
werden, kommen sie unter die Mühle d. h. sie werden in kleineren Mengen
zwischen zwei Steinen gerieben, von denen der größere auf einer reinen
Matte gelegt wird, der kleinere mit den Händen gefaßt, durch Hin- und
Herschieben das Mehl herstellt. Zur Bereitung des Pombe (Bier) genügt
schon das Stampfen; auf ein Quantum zermalmter Körner wird kochendes
Wasser gegossen, dann abgekühlt, geht die Masse in Gährung über und
nach einigen Tagen noch mehrmals aufgekocht, giebt sie ein braunes
ziemlich dickes Gebräu, das, wenn gut und reinlich zubereitet, auch von
Europäern gern getrunken wird und selbstverständlich viel Nährstoff
enthält.

Zerstreute Körner, welche durch die Wucht, mit welcher die Stampfer
aus und eingetrieben werden, herausfallen, dienen der gackernden
Schaar von Hühnern und Tauben, die gierig jedes zur Erde fallende
Körnchen aufpickten, zur Nahrung. Diese Thiere lassen sich nicht
verscheuchen noch zeigen sie irgend welche Scheu vor den herumlaufenden
Kindern. Eigentliche Verschläge für das Federvieh giebt es nicht,
Bäume, Sträucher und Dächer der Hütten dienen diesem zum nächtlichen
Aufenthalt; besser ist es auch, die Thiere sind frei, denn in schlecht
gebauten Ställen gelingt es der Pantherkatze gar leicht einzubrechen
und richtet diese dann gewöhnlich eine starke Verheerung unter den
eingeschlossenen Thieren an; ich habe es zweimal erfahren, wie
unersättlich solche Katze morden kann.

Da der Weg zur Behausung des Häuptlings vom Berathungsplatze mir
unbekannt war, suchte ich diesen bei den Frauen zu erkundigen, indes
aus Furcht oder Scheu gaben sie keine Antwort auf meine Fragen, bis
sich ein kleiner kouragirter Bursche meldete, der sich erbot uns den
Weg zu weisen. Weiter nun zwischen Hütten und Gras, durch Busch und
über Gräben, vorbei an Maisfeldern, näherten wir uns der Behausung
des Fumo, die in sich selbst abgegrenzt, außerhalb des Dorfes gelegen
war. Eine ausgedehnte Rohrumzäunung umfaßte sowohl das Wohnhaus
des Häuptlings, als auch eine Anzahl Hütten in denen die nächsten
Angehörigen desselben wohnten. Und zwar leben die nächsten Verwandten
immer zusammen, weil es Sitte ist, daß der Schwiegersohn sich stets
an der Hütte oder im Gehöft seines Schwiegervaters ansiedeln muß,
dessen Arbeitskraft und Besitz fortan der ganzen Familie zugehört. Die
Nachfolge in der Häuptlingswürde ist auch hier keine direkte, nicht der
Sohn sondern der Neffe, also dem Schwester- oder Tochtersohn fällt die
Würde zu; es ist auch gleichgültig ob der Mann einer Häuptlingstochter
im gleichen Range steht oder nicht, durch Heirath wird dieser zu dem
Stande der Frau erhoben; auch für die Rangstufe eines Kindes aus
solcher Verbindung entscheidet nur die Abstammung der Mutter. Weil die
Erbfolge eine weibliche ist, haben die Frauen einen gewissen Einfluß,
aber auch nur in dieser Hinsicht, sonst im Uebrigen ist ihre Stellung
eine wenig beneideswerthe.

Den Eingang zum großen Vorhofe hatten wir bald gefunden, und hatte ich
erst die Absicht selbst zum Hause des Häuptlings zu gehen, um nicht
zu lange den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt zu sein, allein auf
dem ganzen Platze waren so viele große und kleine Pombetöpfe zerstreut
umgeworfen, daß man Mühe hatte hindurchzukommen, wollte man nicht
mit solchen jetzt schmutzigen Gefäßen in näherer Berührung treten.
Zwar gewohnt, die Umgebung einer Negerhütte schmutzig zu finden, zum
mindesten für einen Europäer nicht einladend, war dieser Platz doch
geradezu zu unsauber, dazu der widerlich saure Geruch, der den Töpfen
entströmte, machte ein Verweilen in dessen Nähe unmöglich. Ein großes
Gelage war hier abends vorher gefeiert worden -- die Ngomatrommel hatte
ich bis spät in die Nacht hinein auf der Werft hören können -- dafür
gaben die vielen zum Theil noch mit Bierresten versehenen Thongefäße
beredtes Zeugniß, und dieser üblen Sitte, sich in Unmassen Pombe zu
berauschen, opfern die Eingeborenen oft den besten Theil ihrer Ernten.

Ein weiteres Vordringen oder längeres Verweilen in dieser von üblen
Gerüchen geschwängerten Atmosphäre blieb mir erspart, da auf dem Rufe
des kleinen Führers ein einzelner Mann erschien, der sich nach unserem
Begehr erkundigte; unterrichtet davon, brachte er bald darauf den
Bescheid, der Fumo ließe ersuchen nur ein wenig zu warten.

Hat ein Pomberausch gemeinhin auch keine nachhaltigen Folgen, so ist
es doch erklärlich, daß die Zecher weit in den hellen Tagen hinein
schlafen und sich träger Ruhe überlassen um gestärkt, am Abend
vielleicht schon, die Fortsetzung zu machen; liegt doch kein Bedürfniß
zu irgend einer Arbeit vor, die nicht aus freiem Willen unternommen
wird, denn was häusliche Beschäftigungen oder Feldarbeit anbelangt, so
sind ja die Frauen dazu da; darum konnte es mir weiter nicht Wunder
nehmen, wenn noch um die Mittagsstunde alles im tiefen Schlafe lag.

Ich zog es also vor, außerhalb des Gehöftes die Ankunft des Häuptling
abzuwarten, bis mir schließlich das Verweilen in der heißen Sonne
etwas unbequem wurde und schon hatte ich einem Boten Ordre gegeben den
Fumo zu fragen, ob ich noch lange auf seine Ankunft warten müße, als
derselbe mit seiner Begleitung von einer Seite erschien, von wo ich
ihn nicht erwartet hatte. Etwas überrascht, den Häuptling und seine
männliche Verwandtschaft in halbeuropäischer Kleidung zu sehen, die
freilich nur aus bunten baumwollenen Hemden bestand, konnte ich mir
leicht die Verzögerung dadurch erklären, daß allerdings der Eingeborene
zu solcher Ausstaffirung etwas mehr Zeit gebraucht als der Europäer.

Nach der üblichen Begrüßung konnte ich die mehrfache Aufforderung des
Fumo, ihn zum Berathungsplatz zu folgen, als besondere Höflichkeit
ansehen, aber mich zu einem Schauri zu bequemen, damit war mir nicht
gedient und lehnte ich solches Ansinnen entschieden ab, aus dem Grunde
schon, weil mir zur Genüge bekannt war, welche Bewandtniß es damit
hat und auch, wenn erst das halbe Dorf sich dazu eingefunden, erstens
viel Zeit verloren gehe, zweitens, ich nur wenig oder nichts erreichen
würde. Darum den Zweck meines Kommens mit wenig Worten erklärend,
drang ich darauf, mir die Gründe anzugeben, warum meinen Leuten der
Durchzug durch das Dorf verwehrt worden sei und die Fährleute, die
doch reichlich bezahlt würden, uns Schwierigkeiten bereiteten! Die
Verlegenheit, in welcher der Häuptling durch diese bestimmten Fragen
versetzt wurde, war natürlich groß, als er mit der Wahrheit, das
Auftreten der Dorfbewohner ist nur eine Agitation gegen die Europäer
gewesen, nicht herausrücken konnte, wußte sich aber zu helfen und gab
mir den unerwarteten Bescheid, daß allein nur deshalb seine Leute, ohne
seinen Befehl nebenbei, so gehandelt haben, weil sie einen geschlagenen
Weg im Urbusch gefunden hätten, der vermuthen ließ, daß doch in ihrem
Todtenhain der Europäer Bäume schlagen wolle und einige bereits
zertretene Grabstätten gesehen haben wollten. Daß diese Angaben unwahr
sind, wußte ich, hatte ich doch seinerzeit selbst, unter Wahrung der
mir bekannten Gewohnheit der Eingeborenen, ihre vornehmeren Todten am
Fuße der schönsten Bäume zu begraben, alle Anordnungen getroffen und
war überzeugt, gegen diese ist nicht verstoßen worden.

Es war das zweite Mal, daß in gleicher Weise vorgegangen und die
gleichen Beschwerden vorgebracht wurden; darum ließ ich den Häuptling
fragen, warum er denn zur Selbsthilfe geschritten und den Anschein
aufkommen lasse, als suche er Streit mit den Europäern, er wisse doch
was ich mit ihm abgemacht hätte, und wirkliche Ungehörigkeiten durch
eine Anzeige seinerseits sofort abgeholfen wären? Darauf wußte er aber
nichts zu antworten. Meine Meinung, sagte ich ihm, hätte ich gestern
seinen Abgesandten zu verstehen gegeben, komme er aber nicht mit vielen
Gewehren und drohe wie seine Leute, sondern ganz allein, obgleich ich
viele Waffen und viele Soldaten (Askaris) habe. Die Wege durch sein
Dorf wolle ich nur benutzen, weil sie bequem und gut sind und auch
keine anderen durch das Dickicht führen; ferner wiederhole ich es, kein
Weißer noch Schwarzer soll das anrühren, was ihnen heilig ist, kein
Baum noch Grab soll berührt werden. Wir sind nur hier, um unser Schiff
zu bauen, ist das vollendet gehen wir zum Nyassa-See und kehren nie
mehr hierher zurück, wir sind keine Engländer und unser Dorf erbauen
wir sehr weit von hier, viel weiter noch als Makangilas Land -- diesen
aufrührischen Häuptling am Nyassa erwähnte ich deshalb, weil dessen
Name wohlbekannt war und um klar zu machen, wie weit fort von hier wir
gehen würden. --

Unsere gute Absicht schien dem Fumo schließlich einzuleuchten, er gab
wiederholt seine Zustimmung zu erkennen mit der Zusicherung, daß ich
überall Bäume schlagen könne, so weit sein Gebiet reicht, wenn nur die
Grabstätten verschont bleiben. Zufrieden mit dieser Zusage schieden wir
dann im besten Einvernehmen und da von unserer Seite streng auf die
Abmachungen gehalten wurde, kamen auch weiter keine Mißhelligkeiten vor.

Nun auf diese Weise das alte Verhältniß wieder hergestellt worden
war, ließ ich auch sofort die schon drei Tage unterbrochene Arbeit
wieder aufnehmen, mit der Absicht, sobald mir nur erst unser Boot zur
Verfügung stehen würde, lieber selbst einen Weg durch das Dickicht zu
hauen, sei es auch mit noch so großen Schwierigkeiten, als noch länger
gewissermaßen von dem guten Willen der Eingeborenen abhängig zu sein
und meine werthvolle Zeit zur Schlichtung von Streitigkeiten opfern zu
müssen, denn nur der Mangel eines Bootes hatte mich gezwungen, solche
Maßregeln zu ergreifen, und der Zeitverlust, der entstanden wäre, hätte
ich mir ohne genügende Mittel einen meilenlangen Weg durch Gebüsch und
Rohr hauen wollen.

Indes ehe ich an die Ausführung dieser Arbeit denken konnte, mußten die
Erdarbeiten nahezu beendet, auch von Katunga der erste Wagentransport
eingetroffen sein, da ich mit zwei derselben die schweren Balken
aus dem Dickicht herauszuschaffen gedachte; namentlich mir leichter
Wege bahnen konnte, wenn ich, wo es angängig war, mit den Wagen
durch Dick und Dünn fuhr. Auf der Werft ging alles seinen geregelten
Gang, soweit es mit den vorhandenen Kräften möglich war, auch jedes
Unternehmen hatte sichtlichen Fortgang und im Anfang März waren
schon die Schmiedeschuppen mit Haus, sowie das große Lagerhaus nebst
der Umzäunung beendet. Jetzt aber, wo schon die Feldschmieden und
Handwerkszeug, Schiffsrippen und viel anderes Material durch immer
zahlreicher eintreffende Wangoni-Träger herbeigeschafft wurden, galt
es auch daran zu denken möglichst bald mit dem Zusammennieten der
einzelnen losen Theile zu beginnen und die Frage, wie nun Kohlen
beschaffen, drängte sich immer unabweislicher auf. Jeder Versuch, den
ich hatte unternehmen lassen, war bisher mißglückt, zum wenigsten nicht
dem entsprechend, daß wir hätten reichlich auf Vorrath rechnen können
und der auch unter der beständigen Aufsicht eines Europäers hätte
ausgeführt werden müssen.

So suchte ich denn nun selber eine Methode zur Ausführung zu bringen,
die ich mir als praktisch ausgedacht, und die auch schon ein Handwerker
früher im Lager ausführen sollte, aber verfuscht hatte, nämlich in
Erdlöchern Kohlen zu brennen. Der feste thonhaltige Boden auf der Werft
schien mir besonders dazu geeignet den Versuch zu wagen, nebenbei
der letzte, da mir sonst keine bessere Idee kommen wollte; Steine
brennen und mit Mühe einen Hochofen erbauen, dazu hatten wir kein
genügend gutes Material, erst dann hätte ich von Blantyre Ziegelsteine
herbeischaffen lassen müssen, verbunden mit vieler Mühe und bedeutenden
Geldkosten, wenn dieser Versuch auch mißglückt und sich als unpraktisch
erwiesen hätte.

Zuversichtlich ging ich ans Werk mit der Ueberzeugung es müsse gehen
und ließ an jener Stelle, wo zwischen Ufer und der Grabstätte, die ich
hatte von der Werft ausschließen müssen, noch reichlich Platz vorhanden
war zuerst ein mannstiefes Loch graben, das oben eine möglichst kleine
Oeffnung hatte, auf zwei Fuß Tiefe aber so erweitert wurde, das es
die Form eines richtigen Kessels erhielt; damit dem Feuer aber der
genügende Luftzug nicht fehle, ließ ich anfänglich einige Fuß davon
noch ein kleineres gerade herunterführen und unten beide in Verbindung
setzen, da letzteres als Luftzufuhr jedoch nicht genügte, so wurde noch
ein zweites ausgehoben.

Bedacht darauf nur hartes trockenes Holz zu verwenden, mußten für
einen Tag sämmtliche Atonga in die Berge und nach Möglichkeit Stämme
herbeischaffen, die zerkleinert im Hauptloch aufgestapelt und in
Brand gesetzt wurden. Sobald die Gluth groß genug war, wurde schnell
jede Oeffnung mit Aesten, Gras und Erde zugedeckt damit kein Rauch
mehr entweichen konnte, und die große Hitze noch nicht durchgebrannte
Kloben als Kohle zurücklassen mußte. Der erste Erfolg entsprach noch
nicht der Erwartung, die gewonnene Kohle wenigstens nicht der Menge
des verbrannten Holzes, aber so viel war gewiß, ich hatte mit der
Herstellung eines solchen Ofens keinen Fehlgriff gethan. Die Erfahrung
zeigte mir bald, worin der Fehler lag, für die Folge konnte ich denn
aber auch mit dem Ergebniß sehr zufrieden sein. Die Nothwendigkeit,
noch einen zweiten und später einen dritten Ofen herzustellen, erwies
sich als unabweisbar und zwar deshalb, weil die Abkühlung 36 Stunden
dauerte, ehe sich ein Mann hineinwagen und die Kohlen herausschaffen
konnte, in Folge also umschichtig jeden Tag einer geöffnet und wieder
angezündet wurde, um den Bedarf an Kohlen zu decken.

Sehr gelegen kamen mir in diesen Tagen eine Abtheilung Wangoni 21 Mann
und eine Frau, die um Arbeit anfragten; unter anderen seien hier einige
Namen derselben genannt: Angola, Singano, Aligara, Tarejenji, Kamalami
und die Frau Njapine. Diese Leute, die stets fleißig und bescheiden,
hatte ich viele Wochen im Dienst, aber ob sie auch täglich Brennholz
herbeischafften reichte ihre Zahl mitunter doch nicht aus, den Bedarf
für die Oefen zu decken. Unter diesen Wangoni fand ich zuerst Leute
mit spitzgefeilten Zähnen, die ihr sonst wirklich prächtiges Gebiß,
auf diese Weise verunziert hatten; übrigens wird dies bei den Wangoni
als eine Zierde betrachtet, und erfordert es gewiß eine gute Portion
Geduld, wenn man bedenkt, mit welchen einfachen Mitteln diese Prozedur
ausgeführt wird.

Das Leben auf der Werft war gewissermaßen für mich ein recht
eintöniges, sofern ich als einziger Europäer dort lebte und jeder
Gesellschaft entbehrte, denn auch Spenker, der anfänglich mit mir
übergesiedelt war, wurde durch den Höllenlärm, den die Eingeborenen
jede Nacht mit ihren Ngomas machten, vertrieben. Nach des Tages
schwerer Arbeit, wenn ich müde und marode geworden, hatte ich auch
kaum mehr Lust, den Weg zum Lager zu machen um dort Unterhaltung zu
suchen, schon der weite Weg zurück in dunkler Nacht zwischen mannshohem
Grase, durch tiefen Schlamm, abgesehen davon, daß um Lager und Dorf
nächtlicher Weile der Panther und die Hyäne schlich, wog das Vergnügen
nicht auf. Gewöhnlich nach einem erfrischendem Bade, dem frugalen
Abendessen, das mein Koch und Diener bereitete, suchte ich schon früh
das Lager auf, denn das Feldbett in Ermangelung von Stühlen, bot den
bequemsten Ruhesitz, arbeitete ich denn meistens noch stundenlang bei
flackerndem Kerzenlicht, bis die Abspannung den Schlaf herbeiführte.
Hatte ich aber die Ruhe im traumlosen Schlaf gefunden und war trotz der
durch die Stille der Nacht herübertönenden Ngomaschläge aus anderen
Orten, fest eingeschlafen, dann antwortete im Dorfe bald eines, bald
mehrere dieser dumpf dröhnenden Instrumente und rief an mehreren
Plätzen zugleich die träge vor ihren Hütten sitzenden Einwohner zum
Tanz und Spiel, und nur zu willig folgt Jung und Alt der lockenden
Trommel und jeder nimmt Theil am nächtlichen Reigen, unbekümmert darum,
ob sie die Ruhe anderer stören oder nicht.

Der eintönige Gesang, von der Ngoma begleitet, schwillt mehr und mehr
an -- man kann füglich, wer die Tanzweise der Eingebornen kennt, an
den rascheren und lauten Schlägen, sowie an dem Gesange erkennen,
in welchem Stadium der Aufregung sich die Tänzer befinden -- bis
ohrbetäubend, in schrillen Mißtönen plötzlich der wilde Tumult
abbricht, um nach kurzer Pause in anderer Tonart, aber in gleicher
Weise, als Reigentanz wieder zu beginnen. Wie bei den Volksstämmen am
unteren Schire, so ist auch hier das Singen kein eigentlicher Gesang,
also wirkliche Lieder, sondern ein Vorsänger leiert irgend eine Idee
oder einen Vorgang, eigentlich mehr Erzählung, in roher Versform
ummodelirt in singendem Tone her; ein Improvisator also, zu dessen
Sing-Sang der Chorus mit Ngomaschlag und Händeklatschen Takt hält und
entweder den Vorsang immer wiederholt, oder einen passenden Refrain
dazu anstimmt.

Die Ngoma ist ein ausgehöhlter Holzblock mit Ziegenhaut überspannt
und giebt einen weittönenden Klang; wunderbare Fertigkeit besitzen
die Eingebornen im Schlagen derselben, sowie einen nie fehlenden
Takt; durch dieselbe sprechen sie auf große Entfernungen, sie ist der
Telegraph, der jede Kunde durch die Lande trägt und man kann sich nicht
mehr wundern, wie so sehr schnell Nachrichten unter den Eingebornen
verbreitet werden, wenn die Ngoma in Betracht gezogen wird. Es ist ein
Instrument, womit sich die Völker zum Krieg und Frieden rufen, sowie
zum Klagen und Weinen, zur Freude und Lustbarkeit.

Anfänglich hielt der Lärm fast bis zur frühen Morgenstunde an und
kann ich sagen, daß ich kaum eine Nacht habe ruhig schlafen können,
wenigstens nicht eher, als bis der Skandal aufhörte oder mich die
Müdigkeit übermannte; im Laufe der Zeit jedoch habe ich mich auch daran
gewöhnt und waren diese nächtlichen Aufführungen auch unangenehm mit
anzuhören, so hatten sie doch nicht mehr den unleidlichen Klang wie im
Anfang.

Sehr oft aber, in mondhellen Nächten, in denen die Eingebornen am
liebsten ihre Tänze aufführen, übertrieben sie es derart, daß schon
lange Gewohnheit oder recht kräftige Nerven dazu gehörten, um solchen
Höllenlärm zu ertragen, namentlich, wenn sie unvermuthet in meiner
Nähe ihre Ballerbüchsen abfeuerten, die sie hervor holten, sobald ihre
Lustigkeit den Höhepunkt erreicht, oder wenn das in Mengen getrunkene
Bier ihnen zu Kopf gestiegen war. Wurde mir der Spektakel zu bunt,
dachte ich öfter, solchen durch die Wachtposten verbieten zu lassen,
aber ich unterließ es stets, denn mit welchem Rechte hätte ich die
Freude dieser Naturmenschen stören dürfen? Zeigten sie sich uns
gegenüber auch nicht sehr freundlich, so hinderten sie uns auch nicht,
und sehr lieb war es mir, daß ich nur allein auf der Werft wohnte, denn
die Handwerker hätten doch Anlaß zu Klagen gegeben, und ich wäre dann
genöthigt gewesen, um den Leuten die nöthige Ruhe zu verschaffen, die
in unmittelbarer Nähe der Werft stattfindenden nächtlichen Aufführungen
zu verbieten.

Oft aber giebt es noch ein Nachspiel, indem die Betrunkenen ihre Weiber
prügeln, die dann ins Freie laufen und vor jeder Hütte durch Weinen
und Heulen jedem der es hören will, ihr Leid klagen; durch die Stille
der Nacht hallt ihr Wuthgeschrei solange bis sie nicht mehr können,
dazu Gezänk, Kindergeschrei, mäckernde Ziegen und aufgescheuchte Hühner
verursachen einen Lärm, vor dem man davonlaufen könnte, und mehrmals
bei solcher Gelegenheit, wenn sie es gar zu toll trieben, schickte ich
den Sudanesen Effendi (Wachtoffizier) hinaus und ließ Ruhe gebieten.
Uebrigens soweit ich zu beobachten Gelegenheit gehabt habe, sind die
älteren Frauen den Männern gegenüber nicht blöde, sie ertheilen recht
derbe Lektionen und ihr Redefluß bringt selbst wehrhafte Männer zum
Schweigen. Widerwärtiger ist es, wenn zwei alte Weiber sich zanken;
wie überall, so kehren sie auch hier die Furie heraus und ich glaube,
verstände man ihre Sprache gut genug, würde man finden, sie drücken
sich nicht höflicher aus, als wenn z. B. in Europa Xantippen aneinander
gerathen; eine Vorstellung aber kann ein Laie sich kaum davon machen,
wie solch' ein altes wüthendes Weib in schwarzbrauner Färbung aussieht!

Es war in diesen Tagen auch, als man mir die Mittheilung machte, in
einer der nächsten Hütten liege ein schwerkranker sterbender Mann,
der sehr alt und schwach sei und kaum mehr genesen würde. Ich sah
auch den Medizinmann des Dorfes ein- und ausgehen, der seine Kunst
mit Beschwörungen an dem Kranken versuchte, ihm aber zu helfen doch
nicht imstande war. Die mir gemachte Mittheilung vom Zustand des
Mannes zielte darauf ab, ich sollte mich herbeilassen, mittelst Daua
(Medizin), wie solche nach dem Glauben der Eingebornen der weiße Mann
besitzt, zu helfen, allein ich hütete mich wohl, dem würdigen Dorfarzte
ins Handwerk zu pfuschen, denn das ist bei dem Aberglauben dieser
Bevölkerung ein kritisches Unternehmen, namentlich wenn es nichts mehr
zu helfen und zu verderben giebt. Auch die Hütte betrat ich nicht und
sah mir nur im Vorübergehen den im Todeskampfe liegenden Mann an, davon
überzeugt, es sei bei diesem keine menschliche Hilfe mehr möglich.
Hätte ich hier wirklich, wie sonst bei vielen anderen, helfen wollen
und der Mann wäre, was augenscheinlich war, bald darauf gestorben, so
hätte ich nur dem Ansehen des Europäers geschadet, denn daß die Medizin
des weißen Mannes nicht mehr hätte helfen können würden die Angehörigen
nicht begriffen haben. So war es besser ich hielt die Hände davon und
überließ alles dem Zauberer, der möglicherweise, wenn er seine Kunst
mißachtet sah, durch seinen Einfluß mir hätte schaden können, und wäre
es auch nur dadurch, daß die Arbeiter aus dem Dorfe von der Werft
ferngehalten worden wären.

Schon um Mitternacht des nächsten Tages, während ich noch durch die
Ngoma und das laute Geräusch im Dorfe wachgehalten wurde, hörte ich
wie mehrere Männer und Frauen die Posten baten, sie einzulassen,
sie wollten zu dem weißen Mann, der kommen und helfen solle, der
Kranke sterbe sonst. Die Sudanesen aber öffneten nicht und sagten
ich schliefe; einer aber kam doch und machte mir Mittheilung von dem
Begehren der Leute und fragte an, ob er öffnen solle oder nicht. Ich
war aber schon auf und dachte, wenn es nicht anders sein kann, um
wenigstens den Bittenden den guten Willen zu zeigen, kann ich auch
zusehen wie der Mann stirbt, denn ich war überzeugt, nur der letzte
Kampf, der für den Sterbenden recht schwer sein mochte, hatte sie zu
mir getrieben, und weil sie sich nicht mehr zu helfen wußten.

Wenige Minuten später, noch hatte ich das Thor nicht erreicht, tönte
aber schon ein Schuß durch die Nacht und gleicherzeit ein wildes
Klagegeheul, das Gesang und Ngoma übertönte; nun wußte ich, es sei
alles vorbei und hatte, als ich wieder auf meinem Lager lag, nur den
stillen Wunsch, das überlaute Klagen und Weinen der Weiber möchte ein
Ende nehmen. Aber im Gegentheil, der Spektakel ging erst los, als die
schnell versammelten Bewohner sich anschickten, vor jeder Hütte, in
welcher meines Erachtens ein Anverwandter des Verstorbenen wohnte,
eine halbe Stunde lang zu klagen und zu heulen; dazu feuerten dann noch
die glücklichen Besitzer eines Gewehrs fortwährend ihre Donnerbüchsen
ab, daß es wirklich das tollste Beginnen war, welches ich bisher in
Afrika gehört.

Bei solchem Lärm zu schlafen war einfach unmöglich, recht heiter
wurde es aber erst, als in der an meinem Hause anstoßenden Hütte, nur
durch den Rohrzaun von einander getrennt, ein paar kleine Kinder mit
einstimmten, die von den am Umzuge im Dorfe theilnehmenden Eltern
allein gelassen, aus vollen Hälsen brüllten. So ging es mit wenig
Unterbrechung zwei Tage und Nächte hindurch, bis am dritten der
Spektakel einfach übertoll wurde. Wie schon früher erwähnt, glauben
die Eingebornen durch solchen Höllenlärm den Geist des Todten im Grabe
zu bannen, Ngomaschlagen, lauter Gesang, Weinen und Heulen sollen ihn
zurückscheuchen, damit er auch mit in das Grab hinabsteigt und bei dem
Körper verbleibt. Während der ganzen Zeit, in welcher das Grab in der
Hütte noch offen ist, spricht der Medizinmann seine Beschwörungsformeln
oder jagt phantastisch in Affen- und Pantherfellen gekleidet, wie
toll um die Hütte mit dem Rufe +üich, üich+, als habe er den
Geist erblickt und verfolge und jage ihn wieder zum Grabe zurück; hört
er endlich athemlos auf, und erklärt, der Geist sei wieder in den
Körper oder ins Grab gebannt, dann soll durch noch wilderen Lärm sein
Wiederentweichen verhindert werden. Bei alten Leuten bricht gewöhnlich
der Geist drei oder vier Mal aus und macht dem Zauberer, der ihn nur
allein sehen kann, viel zu schaffen, bis er diesen schließlich, wenn
alles bereit ist, zum letzten Mal in das Grab scheucht und dann eilig
zuschütten läßt, damit er nicht mehr entweichen kann.

In kluger Berechnung, nur um sein Ansehen zu fördern, unterzieht sich
der Zauberer gerne solcher Anstrengung, denn von klingendem Lohn
kann überhaupt keine Rede sein; er betreibt den Hokuspokus mit einer
Raffinirtheit, die unglaublich ist, damit alle in ihm den klugen
Mann erblicken, der Geister sehen und mit ihnen verkehren kann, der
einfach Dinge versteht, die für den beschränkten Verstand des Negers
als übernatürliche gelten müssen. Diese Gabe der vorgespiegelten
Hellseherei vererbt sich, indem der Nachfolger immer wieder aus der
Familie des Zauberers hervorgeht und die streng gewahrten Geheimnisse
somit zu keines Fremden Kenntniß gelangen. Der eigentliche Todtengesang
vor und nach dem Begräbniß tönt aus in leiser, harmonischer Klage,
ein Rhythmus, von allen gesungen, kommt die Melodie unsern lieblichen
einfachen Liedern nahe und unwillkürlich lauschte ich, wenn dieser
leise melodische Gesang ertönte, der in all dem tollen Lärm das einzig
Erhebende war.

Nach der Ceremonie beginnt erst das Fest und die zuweilen recht
zahlreiche Verwandtschaft des Verstorbenen singt und tanzt unter
Anleitung des unermüdlichen Medizinmanns, sie trinken solche Mengen von
Pombe bis alle, öfter mitsammt den Weibern, so betrunken sind, daß sie
nach so langem Wachen und so großer körperlicher Anstrengung in einen
festen langen Schlaf verfallen.

Jetzt wo auf der Werft mehr und mehr körperliche Arbeit von den
Europäern verlangt wurde, da ja ausschließlich, was Nieten, Schmieden
etc. anbelangte, solche nur von den Handwerkern ausgeführt werden
konnten, zeigte es sich bald, daß die aus der bisher eigentlich
geringfügigen Arbeit herausgerissenen Leute den Anstrengungen nicht
gewachsen waren. Die Folge war, die jetzt ungewohnte Arbeit verursachte
Störungen im körperlichen Wohlbefinden, die sich in Fiebererscheinungen
und Schwäche äußerten, und von den bis jetzt Anwesenden lag die Hälfte
immer krank im Lager. Ich will gewiß keinem den guten Willen am
endlichen Gelingen des großen Werkes absprechen und bin überzeugt, es
ist keiner ohne Grund von der schweren Arbeit ferngeblieben, nur das
muß ich erwähnen, es wären nicht so viele Krankheitsfälle an Fieber
eingetreten, wenn nicht bei jedem kleinen Anfall schon die Betroffenen
die Arbeit niedergelegt und sich körperlicher Ruhe überlassen hätten,
sondern mit festem Willen dem Fieber entgegen getreten wären.

So kam es dahin, daß ich verschiedene Male, als bereits mit dem
Zusammennieten der Spannten begonnen worden war, mit nur einem
Handwerker auf der Werft diese Arbeiten allein ausführte. Gewiß
bedingte es einer eisenfesten Natur, um ohne Schaden am Körper zu
nehmen, bei einer Hitze von 10° R. am Morgen aufsteigend meistens bis
38° R. um 11 Uhr Vormittags im Schatten, angestrengt zu arbeiten, dabei
häufig der Sonnengluth noch ausgesetzt, die um letztgenannte Zeit 48°
R. betrug und um Mittag in der Sonne so enorm groß war, daß man sich
als Europäer nicht mehr den glühenden Strahlen aussetzen durfte, ohne
Gefahr zu laufen vom Sonnenstich befallen zu werden.

Die Arbeitszeit war so eingetheilt worden: Morgens um 6 Uhr Beginn
der Arbeit, um 8 Uhr bis gewöhnlich 8-3/4 Frühstückszeit, um 11 Uhr
Aufhören. Nachmittags von 2 bis 5 Uhr; dabei ist aber zu erwähnen, daß
während der Zeit von 10 bis 11 und 2 bis 3 Uhr meistens nur leichtere
Arbeiten im Schatten der kühleren Schuppen vorgenommen werden konnten
und seltener nur, wenn kühle Winde von den Bergen herüberwehten eine
Ausnahme gestatteten. Gewaltige Gewitterregen, die in dieser Zeit
häufig auftreten und während ihrer Dauer jede Arbeit unmöglich machten,
kühlten zwar die heiße Luft ein wenig ab, jedoch so unmerklich, daß
sobald die Sonne wieder hinter den Wolken hervortrat, die Hitze eine
empfindlichere Wirkung hatte als vorher.

In den ersten Tagen des Monat März machte mir Ottlich die Mittheilung
er habe annähernd 200 Fuß Balken im Urbusch fertig behauen und glaube
in einer Woche die benöthigten 26 schweren Klötze, die je zwei
übereinander gelegt zur Aufklotzung dienen sollten, fertig stellen
zu können und schlug vor, hierfür von ihm näher dem Schirefluß
aufgefundene Bäume fällen zu dürfen, deren Stämme zwar nur kurz aber
doch die genügende Dicke hätten. Nach persönlicher Ueberzeugung
pflichtete ich diesem Vorschlage auch bei um so eher, als uns die
Arbeit erspart blieb abermals mehrere Baumriesen, die mit ihren
Pfeilerwurzeln 5 Fuß über den Boden noch 16 bis 18 Fuß Umfang hatten,
zu fällen, Bäume die ich ihrer Dicke und krummer Stämme wegen bei der
Durchforschung des weiten Gebiets als ungeeignet übergangen hatte.
Nun hieß es nur noch, ehe ich die gewaltige Arbeit unternahm, um
die schweren Balken aus dem Dickicht herauszuschaffen, die Ankunft
der Wagen abzuwarten, die als ersten Transport, die Kielplatten,
Hintersteven des Schiffes und noch fehlende Theile des Kiels (der im
Ganzen in sechs Theile des leichteren Transport wegen zerlegt worden
war), über das Schiregebirge bringen sollten.

Alle Wagen bis auf zwei, seinerzeit in Hamburg hergestellt, waren
mit ihrer eisernen Unterlage so eingerichtet, daß bequem darauf die
Schiffsplatten befestigt werden konnten, die zwei mit geraden Achsen,
aber ohne Unterlage und 6 Fuß hohen Rädern, sollten die unhandlichsten
Theile des Schiffes, als Hintersteven und Ruder befördern. Es wäre
jetzt ohne diese Karren ein furchtbares Stück Arbeit gewesen, die
Schiffsplatten, Cylinder und andere Maschinentheile über das hohe
Gebirge zu schaffen; an Trägerkräften hätte solcher Transport eine
enorm größere Zahl bedurft, da schon jede Platte mit weniger als 8
Mann, die sich auf so weitem Wege abwechseln konnten, nicht gut hätte
befördert werden können.

In den späteren Nachmittagstunden des vierten März vernahmen wir auf
der Werft laut tönenden Gesang vieler Menschen und konnten bald das
Halloh der heranziehenden Atonga unterscheiden. Eine Wagenkarawane von
10 Karren, schwer beladen mit Platten, Kesseltheilen etc., begleitet
von Soldaten und geführt von zwei Handwerkern, Eikershoff und Dohmann,
kam darauf durch das Dorf gezogen, zu der sich eine große Schaar
Eingeborener gesellt hatte und einschwenkend zur Werft fuhren sie mit
wildem Gesang in Reihen auf. Sobald der letzte Wagen zum Stillstehen
gekommen war, schaarten sich die Atonga zusammen und stimmten einen
dreimaligen Ruf an, daß einem die Ohren gellen wurden, dann erst
begann die Begrüßung und die auf der Werft arbeitenden Stammesgenossen
hatten einen wahren Sturm auszuhalten, so drängten sich alle heran und
bekundeten ihre Freude ob des Wiedersehns.

Nur ein armer Teufel lag auf einem der Wagen, zur Sicherheit noch
festgebunden, dieser allein konnte nicht an der Freude aller
theilnehmen, denn mit zerquetschten Beinen war er unfähig sich zu
rühren. Wie mir die Europäer mittheilten, war er von einem der schweren
Wagen überfahren worden; und sobald die Atonga sahen, daß ich mich dem
Verletzten zuwandte, erklärten sehr viele, mit solchen ungeschickten
Dingern, die von selber laufen, wollten sie nicht mehr nach Katunga
zurückkehren, lieber die schweren Eisentheile tragen. Jedoch
besänftigte ich sie bald, indem ich ihnen ein Poscho versprach, wofür
sie sich Mais kaufen sollten, und stellte alle zufrieden, als mein
Diener einige Faden Zeug unter die Kapitaos vertheilte; bald konnte ich
sie danach zum Lager absenden, wo sie Verpflegung und einen Ruhetag
nach so großer Anstrengung finden sollten.

Für die Bewohner Inner-Afrikas ist ein Wagen auf welchem man mit
Leichtigkeit Lasten transportiren kann, die sonst keine 40 Mann
tragen würden, ein kurioses Ding; überaus viel Spaß macht es ihnen
anfangs damit herum zu fahren und ausgelassen wie Kinder haben sie
ihre helle Freude daran. Nur wie mit allem womit der Europäer sie
beglückt, außer Waffen, verlieren sie, wenn die Sache ihnen über
den Spaß geht, sehr leicht die Lust daran und der Gegenstand wird
ihnen gleichgültig, sobald sie sich ihr Urtheil gebildet haben, das
meistens sehr oberflächlich ist und bei unverständlichen Dingen auf
die geheimen Kräfte, die der Europäer ihrer Meinung nach besitzen
muß, zurückgeführt wird. So lange auf ebenen glatten Wegen mit einer
Last von durchschnittlich 12 Zentnern gefahren wurde, waren auch die
Atonga frohen Muthes, da von den je 16 bis 24 Mann, die jedem Wagen
zugetheilt waren die Hälfte gemüthlich nebenher gehen konnte; anders
aber kam es sobald sie auf den ausgewaschenen Gebirgswegen alle Kräfte
anspannen mußten um die Wagen in die Höhe zu bringen und den Führern
des Transportes glaubte ich es gerne, daß sie an steilen tiefen
Abgründen ihre ganze Kraft zusammen nehmen mußten, um einen Absturz
zu verhindern; namentlich, wo an gefährlichen Stellen der Weg etwas
abfiel und die Wagen durch ihre Last von selbst in Bewegung gesetzt
sehr leicht abweichen konnten, da die Leute es nicht begreifen wollten
wie ein solcher durch Gegenstemmen gehemmt werden kann. Konnte ein
Wagen auch nicht, wegen der vielen Bäume und Sträucher in einen Abgrund
stürzen, wäre solcher doch sicherlich mit seiner Last zerschellt,
wie es mit einem geschah, der mit den langen schweren Schiffsmasten
beladen, auf scharfen Krümmungen des Weges nicht zu halten gewesen
war und abstürzte; die Masten mußten liegen bleiben, den zerbrochenen
Wagen aber brachten sie mit. Von Blantyre bergabwärts, hatten sie den
Weg über Matope genommen, der recht beträchtliches Gefälle hat, hier
aber wußten die Atonga sich nicht zu helfen, anstatt zu halten ließen
sie die Wagen laufen und wer dann, wenn an ein Aufhalten nicht mehr zu
denken, nicht flink genug beiseite sprang, der Wagen ihm auf den Fersen
saß, konnte schweren Schaden erleiden. Keine Tour ist ohne Unfall
vorüber gegangen, bei der zweiten sogar wurde ein Atonga todtgefahren.
Ich weiß aus Erfahrung, welche Mühe es dem Europäer kostet den Leuten
es beizubringen, damit sie vorsichtig handeln, denn als ich später
40 Zentner schwere Balken steile Abhänge hinabfahren mußte war meine
Gegenwart unerläßlich, um nur ein Unglück zu verhüten.




           15. Der Aufbau des Dampfers »Hermann v. Wißmann«.


Wieder im Besitze unseres Stahlbootes gelangt, das die Engländer nicht
mehr zum Provianttransport benöthigten, beschloß ich nun mit der ganzen
verfügbaren Mannschaft aufzubrechen, und vorerst querüber der Werft
einen Weg durch das Dickicht zu hauen, der, wenn es möglich wäre, in
gerader Richtung bis zu einem Hügelplateau führen sollte, nach welchem
ich zuerst die Balken aus dem Urdickicht heraus, hinzuschaffen gedachte.

Mit 60 Mann, 2 Europäern und vorläufig einem Wagen, setzte ich über
den Fluß und suchte, da es unmöglich war, direkt durch das Gebüsch
vorzudringen, längs dem Ufer im hohen Schilf und Rohr einen Weg zu
bahnen. Aber ob auch mit langen Buschmessern alles niedergemäht wurde,
war es in der immer heißer brennenden Sonne doch eine beschwerliche
Arbeit; dazu kam das messerscharfe Schilfgras, das die nackten Leute
an den Beinen und am Körper verletzte, auch traten sich viele die
scharfen Dornen dazwischen wuchernder Sträucher in das Sohlleder ihrer
Füße ein und erst nach Stunden angestrengter Mühe waren wir etwa 100
Meter vorwärts gekommen. Daß es so nicht weiter gehen konnte, wenn das
Dickicht so überaus dicht bleiben würde, sah ich bald ein und gab es
daher auf, einen breiten Weg zu schlagen, der uns als Straße dienen
sollte. Einzeln, Mann hinter Mann ließ ich die Leute Bahn brechen und
auf diesem schmalen Pfade dann den Wagen mit Gewalt hinterher ziehen,
höchstens räumten wir noch Hindernisse weg, wo es absolut nicht anders
gehen wollte.

Schließlich auf freies Feld gekommen, das mit unzähligen Erdhaufen und
Löchern bedeckt war, sah ich erst recht ein, daß wir niemals im Stande
sein würden, über diese brachliegende Fläche einen schwerbeladenen
Wagen zu schaffen. Die Nothwendigkeit, die Felder uneben zu machen,
bedingt darauf gepflanzter Mais und Mtama, weil diese mächtigen Stauden
zur Zeit der Blüthe gehäuft werden müssen, nach Art, wie in Europa
die Kartoffel etc. und da jede Staude 5-6 Pflanzen zusammenfaßt,
die mehrere Fuß voneinander entfernt sind, nach Belieben hier und da
gesät, wird zur angegebenen Zeit mit der denkbar primitivsten Hacke
so hoch als möglich gehäuft, was äußerst praktisch ist, weil dann das
Regenwasser nirgends abfließen kann, auch sehr leicht die Wurzeln
der Pflanzen erreicht und diese trotz der glühenden Sonne frisch und
fruchtbar macht.

In der Weise, wie wir unsere Spargel, werden auch die Bataten
gepflanzt. Die oft 1-1/2-2 Fuß langen Wurzeln erhalten so nur genügend
Feuchtigkeit zum Gedeihen. Verliert der Erdboden, der niemals gedüngt
oder umgearbeitet wird, schließlich seine Kraft, dann sucht sich der
Neger ein neues Feld, das Feuer und Hacke urbar macht und läßt das
verlassene einige Jahre unbebaut liegen, bis Gras und Gebüsch, sowie
verwesende Pflanzen den Boden neugestärkt haben. Ein solches war es,
worauf wir jetzt hinschritten, stolperten und fielen, weil hohes Gras
und Strauch alle Unebenheiten verdeckten. Bemüht, nicht zu weit aus
der Richtung zu kommen, mußten wir bald rechts bald links kleinere
Schambas ausweichen, doch sah ich mich schließlich genöthigt, die
weit ausgedehnten vor uns liegenden Maisfelder zu durchqueren, wenn
ich nicht einen gewaltigen Umweg machen und in glühender Sonne längs
denselben vordringen wollte. Um nun nicht viele Pflanzen mit dem Wagen
zu knicken und nieder zu brechen, ließ ich diesen auseinander nehmen
und hindurch tragen; auch um den Eingebornen keinen Anlaß zur Klage zu
geben, wenn, was nicht zu vermeiden war, doch einzelne Beschädigungen
vorkommen sollten, fertigte ich einen Boten zum Häuptling ab, der
diesem die Mittheilung machen sollte, daß ich mit vielen Leuten nur
dies eine Mal durch die Schambas ziehe.

Erfrischend ist der Aufenthalt in solchem grünen Hain, kühlen
Schatten spendet das Blättermeer, das über einem wie ein Baldachin
ausgebreitet ist und seltsame Melodien hervorbringt, wenn leise der
Wind hinüberweht, die schlanken biegsamen Rohre niederbeugt, sonst
aber ist das Wandern des unebenen Bodens wegen ein äußerst mühevolles.
Als endlich die weite Grassavanne wieder vor uns lag, suchte ich links
ab, Rohr und Busch so viel als möglich meidend, den bekannten Fußpfad
zu erreichen, auf welchem wir ungehinderter vorwärts kommen konnten;
war es im Grunde genommen auch eigentlich eine Thorheit gewesen, einen
neuen Weg mit so großer Mühe zu suchen und theilweise zu schlagen, da
mir der bequeme Weg durch das Dorf offen gestanden hat und eigentlich
die Leute nutzlos angestrengt worden waren, so hatte ich mich doch
orientirt und wußte nun, welche Schwierigkeiten überwunden werden
mußten und welche Richtung ich einzuschlagen hatte, um eine möglichst
gerade Straße bis zum Schirefluß durchzubrechen, die oberhalb an den
Maispflanzungen vorbei, an dem Ufer des Flusses ausmündete.

Sobald die Hütte erreicht war, die Ottlich sich am Rande des
Urdickicht, worin die mächtigen Bäume gefällt und zu Balken behauen
lagen, sich errichtet hatte, traf ich erst die nöthigen Vorkehrungen
zum Lagerplatz, nach der Vertheilung der Posten aber sorgte ich dafür,
daß genügend Proviant, Mais, Mehl und Bataten für die Leute in dem
weiter landeinwärts liegenden Wangoni-Dorfe aufgekauft wurde, denn
jeden Tag zur Werft zurückmarschiren und dann mit abgespannten Leuten
an die schwierige Arbeit zu gehen, das wäre zwecklos gewesen. Ich
wollte auch nicht eher wieder aufbrechen, als bis die Balken aus dem
tiefen Gelände und aus dem Dickicht, das wie eine lebende Mauer jedes
Eindringen wehrte, zur freieren Höhe, wo wir rasteten, geschafft worden
wären.

Das nächste war, die bereits im Dickicht geschlagenen direkten Pfade
nun zu breiten Wegen zu erweitern und zwar zunächst bis zum ersten
Balken, unter dessen Last die Räder alles zermalmen sollten, was die
Menschenhand verschont hatte. Wo nun ein Baumriese gefällt lag, hatte
dieser im Sturze alles mit sich gerissen, Baum, Busch und Rohr mit
seiner Wucht zerschmettert und so den Zimmerleuten viel Arbeit erspart,
da sie nur aufräumen brauchten und nicht genöthigt wurden, sich erst
Platz zu schaffen, um den Riesenleib zu zersägen und mit Aexten zu
bearbeiten.

Glaubte ich genügende Kräfte zu haben, die über 30 Fuß langen Balken
hantiren und heben zu können, sah ich mich denn doch getäuscht; das
Holz war so fest und schwer, wie das unserer Eichen, dazu bei weitem
noch nicht so behauen, wie es hätte sein müssen. Deshalb kostete es
sehr großer Anstrengung, solchen Balken auf sehr beschränktem Raum
erst handgerecht hinzubringen, ehe er auf den Wagen gehoben und an
Achse und Deichsel befestigt werden konnte um ihn dann bergaufwärts
zu ziehen, auf einem Grund, worin die Räder unter der schweren
Last tief einsanken; das war in der sengenden Sonnengluth über 45°
+R.+ eine Arbeit, wie solche selten wohl ausgeführt worden ist.
Nimmermehr hätten wir solches vollbringen können, wenn wir nicht unsere
vorzüglichen Karren gehabt hätten, nicht hundert Leute wären im Stande
gewesen, auf solchen Wegen diese Balken zu transportiren; freilich,
dann hätte ich mich auch nie an solche Arbeit wagen dürfen! Wenn auch
noch viel schwierigere Aufgaben vor uns lagen, so sah ich bei dieser
schon ein, daß nur unbeugsame Energie das Werk vollenden konnte. Die
Anforderungen, welche ich an meine Leute stellen mußte, waren große,
den sinkenden Muth suchte ich aber stets durch das eigene Vorgehen
aufzurichten.

Nur vier lange Balken waren es, die wir aus dem Dickicht
herauszuschaffen hatten, aber je weiter wir in dieses hineindrangen
und Bahn brachen, desto schwieriger gestaltete sich der Transport
derselben. Nach Mühen und schwerer Tagesarbeit geschah es oft
genug, daß wir kaum halb gesättigt und allem Comforts bar, in der
luftigen offenen Grashütte uns zum Schlummern niederlegten, geplagt
von den blutdürstigen Mosquitos, wachgehalten von dem Lachen der
umherschleichenden Hyäne, dem lauten Knurren der Panther und dem
Brüllen des Löwen, dessen Stimme grollend durch die Stille der Nacht
herübertönte und Ruhe gebietend, in seinem Reiche die nächtlichen
Räuber zum Schweigen brachte.

Zwei Tage genügten diese schwere Arbeit in der glühenden Sonne zu
vollenden, dann aber galt es durch die Grassavanne, durch Dorngebüsch
und Busch, durch Niederungen mit mächtigem Sumpfrohr bestanden,
über ein welliges Terrain, aufs Neue in solchem Urgebüsch einen Weg
zu finden und zu bahnen. Die ganze Kolonne von 60 Mann theilte ich
deshalb so, daß, wo nicht Aexte und Buschmesser voraus, mußten die
Soldaten mit breitgelegten Gewehren Rohr und Gras Schritt für Schritt
niederdrücken, das hinter denselben möglichst niedergehauen und von
den schwerbeladenen Karren, unter Aufsicht von zwei Europäern, Ottlich
und Knuth, niedergefahren wurde. Kilometer weit sahen wir uns von
solcher Wand umgeben, die nur einen Ausblick zum Himmel gestattete, der
im bläulich weißen blendenden Glanze strahlte so, daß das den Aether
durchfluthende Licht die Augen schmerzen machte.

Manchmal ging uns der Athem aus bei solcher Arbeit -- nur auf gut Glück
drang ich vor, gefolgt von den Soldaten und sah, als das erste mächtige
Rohrfeld durchbrochen war, außer diesen keinen Weißen noch Schwarzen
mehr, alle lagen am Wege im Schatten oder schleppten sich mühsam fort.
Es war eine heiße übermenschliche Arbeit, aber vorwärts mußten wir;
das Einzige was ich thun konnte, wollte ich bis zum Abend den Fluß
erreichen, war, daß ich die Wagen im Dickicht verlassen stehen ließ
und mit abwechselnder Mannschaft, wo die Hindernisse zu groß waren,
vorging. Oft traten Verzögerungen dadurch ein, daß streckenweise die
Dornengesträuche überreich wucherten, die dann für die nackten Beine
und Füße der Leute eine Qual wurden; 5-10 Mann hockten sich oft mit
einem Male hin und ließen sich die eingetretenen Dornen von ihren
Kameraden aus den harten Fußsohlen herausziehen, ging dies nicht, wurde
mit einem scharfen Stückchen Rohr, das mit den Zähnen schnell spitz
gebissen war, so lange die harte Haut erweitert bis der schmerzende
Gegenstand entfernt war.

Schmachtend nach Wasser, wir Europäer nicht minder, als unsere mit
Blümchenkaffee gefüllte Feldflaschen längst leer geworden, konnte
ich den bewunderungswürdigen Instinkt der Atonga daran erkennen, daß
sie selbst in dieser Wildniß in solchem Urgebüsch die Wildpfade der
Antilopen entdeckten und diesen nachgehend auch Wassertümpel fanden,
woraus wir alle unsern brennenden Durst löschten, obwohl das labende
Naß nichts weniger als rein war oder gar angenehm schmeckte. So bahnten
wir uns die Straße zum Schirefluß, und wenn auch todtmüde und matt
hatte ich doch auf fast geradem Wege, noch ehe um 6 Uhr die Sonne
hinter den fernen Bergen zur Rüste ging, das Ufer erreicht. Querüber
dem Lager, nur wenig oberhalb, waren wir herausgekommen gerade wie ich
es gewünscht hatte und so konnte die Mannschaft mit herbeigerufenen
Kanoes übergesetzt werden, während ich mit wenigen Leuten nochmals
den Kampf mit dem Urgebüsch aufnahm und am rechten Ufer flußabwärts
vordrang um mich zu überzeugen, ob es möglich sein werde eventuell die
Wagen solchen Weg zu führen, damit die Balken bis gegenüber der Werft
geschafft würden. Aber nie wieder habe ich solchen Weg in der Dämmerung
unternommen, Wassergräben und Tümpel, Morast und Sumpf, Gestrüpp mit
zolllangen Dornen, die Kleider und Haut zerrissen, mußten übersprungen
und durchwatet werden, bis schließlich die Körperkraft versagte und mir
nichts anderes übrig blieb, als landeinwärts zu dringen. Endlich das
Boot und endlich die Werft erreicht, weckte mich in dieser Nacht kein
Ngnomaschlag, noch Gesang -- Körper und Geist nach solchen Strapazen
aufs Aeßerste ermattet, fand ich auf hartem Lager im festen, tiefen
Schlaf die stärkende Ruhe. --

Für den nächsten Morgen hatte ich die Bestimmung getroffen, daß
alle Leute direkt vom Lager über den Fluß gesetzt würden und auf
dem neuen Wege die verlassenen Wagen erreichen sollten, während ich
mit der Werft-Mannschaft durch die Pflanzungen den Ort erreichen
wollte. Bei meiner Ankunft fand ich aber niemanden vor, konnte mir
solche Verzögerung auch nicht zu erklären, bis ein Bote die Nachricht
brachte, daß während der Nacht sämmtliche Kanoes von den Eingeborenen
weggenommen wären und nur mit einem kleinen, das nur wenige Mann zur
Zeit zu fassen vermochte, die Uebersetzung ausgeführt würde. Es war
mir nichts Neues zu hören, es haben die Bewohner jener Dörfer, die im
Aufstand zerstört worden waren, die ihnen einst abgenommenen Fahrzeuge
sich heimlich wiedergeholt; waren sie doch so dreist gewesen, selbst
von der Werft ein solches sich anzueignen. Erklärlich ist es ja,
daß die früheren Eigenthümer bestrebt waren durch List die für sie
ungemein werthvollen Kanoes wieder zu erhalten, denn abgesehen von dem
Nutzen hat solch ein ausgehöhlter Baumstamm einen sehr hohen Werth,
erstens, als die Verfertigung nur vorgenommen werden kann an Orten,
wo ein passender Waldbestand vorhanden ist, und zweitens, wenn man
bedenkt, welche Mühe es macht, mit dem primitivsten selbstgefertigten
Handwerkszeug Riesenbäume zu fällen und deren Stämme dann so gut
auszuhöhlen, daß die Wandung 1-1/2-2 Zoll nur beträgt; freilich ist bei
solcher Arbeit das Feuer der beste Helfer, allein es erfordert doch
Geschick und unermüdliche Ausdauer.

Da der Morgen kalt war und wallende Nebel noch über die Wildniß
gebreitet lagen -- Gras und Strauch war vom Thau der Nacht getränkt und
erfrischt, daß jede Berührung einem die Kleider durchnäßte -- war das
unthätige Warten höchst unangenehm und kalte Schauer durchrieselten
den Körper, bis die Gluth der Sonne erwärmend durchdrang. Nach Ankunft
der Mannschaften wurde mit frischer Kraft die am Nachmittage vorher
unterbrochene Arbeit wieder ausgenommen; die Wagen wurden so geführt,
daß sie alles niederfahren mußten, was uns an Rohr und Strauch
entgegenstand. Auf diese Weise bahnten wir uns einen breiten Weg, der
zwar alles zu wünschen übrig ließ, indes wenigstens passirbar war. Am
Ufer des Schire angelangt, wurden die Balken abgeladen, dann kehrte
ich den etwa 12 Kilometer langen Weg sofort zurück, um die beiden
schwersten Hölzer noch so weit zu führen, bis ich den Pfad, den ich
am Morgen gekommen war, wieder erreicht hatte und erst dann ließ
ich die Handwerker von hier aus den Transport weiter führen, da ich
nothgedrungen zur Werft zurück mußte.

Die Ausgrabungen waren nämlich so weit vorgeschritten daß die genaue
Planierung des Bodens vorgenommen werden mußte, sollte nicht die
Arbeit ins Stocken gerathen, auch wollte ich bestimmt am 9. März 1893
den Kiel des Schiffes legen lassen. Uebereiltes Hasten war nicht der
Grund dafür, vielmehr der Umstand, die Arbeiten außerhalb so viel als
möglich zu beschleunigen, da die Handwerker schon mißmuthig geworden
waren, weil sie der glühenden Sonne und dem empfindlichen Regen, der
fast jeden Nachmittag für kurze Zeit aus schweren Gewitterwolken
niederströmte, schutzlos ausgesetzt gewesen und über Fieberanfälle
klagten.

Mühselig und langsam, auf dem primitivsten aller Wege, ging die
Fortschaffung der schweren Hölzer vor sich; zu jedem der weit zerstreut
liegenden Baumstämme mußten neue Wege gebahnt werden. Und nicht immer
war es die heiße Sonne, welche uns die Arbeit so erschwerte, auch
die in dieser Jahreszeit häufiger auftretenden Gewitterstürme thaten
das ihre. Urplötzlich wälzten sich schwarze Wolkenmassen am Horizont
herauf, die, erst von der graugelben Dunstmasse, welche der Sturm
vor sich herfegt, verdeckt, sich über das ganze Himmelsgewölbe mit
unglaublicher Geschwindigkeit ausdehnen. Schlangen gleich zuckten die
Blitze aus den tiefhängenden Massen hernieder. Als schaute man in eine
Gluth von zuckendem Feuer, so erhellt erschienen momentan die Wolken
und mit einer Gewalt rollte der Donner durch die Lüfte, wie wenn das
Firmament zerspringen sollte. Nur die Tropenwelt erzeugt solchen
Aufruhr in der Natur, den man im fernen Norden kaum zu beurtheilen
vermag. Kurz darauf strömt dann eine Regenmasse hernieder, als würden
in der That Eimer Wasser auf die Erde ausgegossen, die alle Wege in
Bäche verwandeln, Ebenen in große Wasserteiche.

Empfindlich kalt ist die Nässe, im Gegensatz zu der kurz vorher
glühenden Luft und vor ihr sucht alles Schutz und Deckung, wenn es
irgend möglich ist. Von solchen Ungewittern wurden wir mehrmals
in der freien Wildniß überrascht und waren aller Unbill schutzlos
preisgegeben; ich versuchte zwar anfänglich, da es doch nutzlos war,
unthätig die Kälte auf sich einwirken zu lassen, die Leute zu einer
energischen Thätigkeit anzuspornen, jedoch mein »Vorwärts, Atonga«
hatte bei den frierenden Leuten wenig Erfolg. Es ist mit dem Neger,
wenn er naß und kalt geworden ist, namentlich im Regen absolut
nichts anzufangen; kann er keinen Schutz finden, dann löst er sein
Lendentuch, wenn er eins besitzt, hängt es über Kopf und Schultern und
wartet vor Kälte zitternd, bis die warme Sonne wieder hervorbricht
und ihn trocknet und erwärmt; ist er nackend, kreuzt er die Arme
über der Brust, sodaß die Hände auf den Schultern ruhen, hockt sich
nieder und den Kopf zwischen die Knie gesenkt, ergiebt er sich in das
Unvermeidliche.

Schlimmer war es für uns Europäer, so durchnäßt und kalt unthätig
zu warten, da jedes Mal ein Fieber hiernach zum Ausbruch kam; wenn
solches auch durch Chinin beschränkt werden konnte, so war es doch
höchst unangenehm, denn es bricht gar zu leicht die Willenskraft und
Energie, wie ich es so oft bei den Handwerkern Gelegenheit gehabt habe
zu beobachten. Zweimal ließ ich, als keine Aussicht vorhanden war, daß
der Regen schnell vorübergehen würde, die Wagen auf dem Wege verlassen
stehen, und kaum war der Befehl zum Aufbruch gegeben, als gleich
gehetztem Wilde die Leute davon eilten, um unter irgend einem dichten
Strauch oder Baum einigermaßen Schutz zu suchen, zum Theil aber auch
mit wildem Halloh zum Flusse liefen.

Als die Balken alle zum Fluß geschafft worden waren, mußte ich an der
Abladestelle das Ufer vom dichten Gebüsch erst säubern lassen, auch
die hindernden Wasserpflanzen möglichst entfernen, ehe das Boot nahe
genug herankommen konnte. In der Meinung, die Hölzer würden sicherlich
im Wasser schwimmen, ließ ich eines der längsten vom steilen Ufer
abrollen und ohne Befestigung in die Strömung fallen; aber der Balken
rollte wie ein Stein in die Tiefe und hätte nicht Wurzelwerk diesen
aufgehalten, der starke Strom würde ihn aus unserem Bereiche bald
entführt haben; so aber gelang es doch noch nach vieler Mühe ihn wieder
aus zehn Fuß Wassertiefe empor zu bringen.

Mit je zwei Balken, die an den Seiten befestigt wurden, trieb ich dann
stromabwärts und hatte, bei der Werft angekommen, nur aufzupassen, daß
der Strom das nun ungelenke Boot nicht vorbeiriß; mit aller Kraft
strebten die Ruderer um die vorstehende Schilfwand herum zu kommen und
das Ufer zu gewinnen, wo mit bereit gehaltenen Leinen die Werftleute
aufzupassen hatten. Einmal nur schlug der Versuch fehl; Boot und
Balken vom Strom breitseits gefaßt, trieben wirbelnd vorbei, kein
Mann war fähig, so weit sie auch am Ufer mitliefen und Taue zu werfen
versuchten, wegen des hohen Ufergebüsches das Boot zu erreichen, bis
ich mich mit aller Anstrengung unter Land gearbeitet hatte und einen
guten Schwimmer aufforderte, eine Leine zwischen die Zähne zu nehmen
und solche an irgend einem Strauch zu befestigen. Gefährlich war das
Unternehmen schon der Krokodile wegen, doch der muthige Atonga schwamm
aus Leibeskräften und brachte das Boot zum Stehen. Stundenlang in
heißer Mittagsgluth, fast betäubt von der furchtbaren Hitze, arbeiteten
wir uns mühsam wieder aufwärts; es gelang aber erst vollständig, als
ich die Ordre zur Werft geschickt hatte, es solle irgendwo ein Kanoe
aufgetrieben und solches mit langen Leinen abgeschickt werden. Ich
hätte um keinen Preis die werthvollen Balken mögen fahren lassen, die
dann unfehlbar verloren gewesen wären; hatte es doch wochenlanger Mühen
bedurft, vieler Arbeit und Entbehrung, um solche fertig zu stellen.

Am 8. März hatte ich endlich alles glücklich ohne besonderen Schaden
zur Werft geschafft, höchstens ein oder zwei der schweren Klötze waren
verloren gegangen, die nun eiligst von den Zimmerleuten aus noch im
Urbusch liegenden Stämmen ersetzt werden mußten; schlimmer war, daß
mir Ottlich als einziger Zimmermann abging, weil ihn und Knuth das
Fieber gepackt hatte und ich nun gezwungen war, mit den Blantyre-Leuten
die noch rückständigen Holzarbeiten allein anzufertigen. Der
Schiffszimmermann Riemer war längst schon krankheitshalber nach Europa
zurückgesandt worden und die beste Kraft zum Aufbau der Schlipp etc.
war durch ihn verloren.

Die Erdarbeiten waren inzwischen soweit ausgeführt, daß in der ganzen
Länge des Grabens, 110 Fuß, eine glatte Fläche von 15 Fuß Breite
hergestellt war, ich ließ die steilen Erdwände nur noch an einer Seite,
links, vom Fluß aus gesehen, abtragen, um dort einen stufenweisen
Abstieg herzustellen, der es ermöglichte leichter hinabzukommen,
ich begnügte mich also mit der hergestellten Basis, da solche nach
Bedürfniß immer noch erweitert werden konnte. Nur ein Umstand gab
zu Bedenken Anlaß: nämlich das Steigen und Fallen des Flusses, der
in dieser Regenzeit, um einige Fuß gestiegen, seine Wasser über 20
Fuß in die Ausschachtung hineindrängte und nicht allein den Boden
durchweichte, sondern mich zwang noch 10 Fuß weiter vorzugehen. Es
mußte deshalb der Zaun wieder eingerissen und der Steven des Schiffes
dicht an das Grab aufgestellt werden, das sich rechts hinter meiner
Wohnung befand und welches die Bewohner Mpimbis sich standhaft
geweigert hatten, an mich abzutreten, jetzt aber weiter keinen
Einspruch erhoben, als ich nun den Zaun einfach vorrücken ließ.

Das Legen der beiden Balkenreihen war in sofern mühevoll und schwierig,
als erstens der Grund nicht so genau geebnet, zweitens die Hölzer auch
ungleich behauen waren, so daß bald ein Balken etwas versenkt, der
andere erhöht werden mußte und dabei war Bedacht darauf zu nehmen, daß
die Balken fest und sicher lagerten; genaue Ausrichtung mit Leinen und
Pfählen, namentlich die von mir aus Vorsorge mitgeführten Wasserwagen,
erleichterten aber die Arbeit wesentlich. Schwieriger noch war es die
Aufklotzung und die Keillagen auszurichten, da die Klötze, worauf der
Kiel gelegt werden sollte (der mithin 3-1/2 Fuß über den Erdboden zu
liegen kam, um auch unter dem Schiffe später nieten zu können) von
den schwarzen Zimmerleuten nicht so genau gearbeitet werden konnten,
denn jeder derselben mußte eine ganz bestimmte Höhe haben; es war
deshalb so schwierig, als der aus 4 Theilen bestehende eigentliche
Kiel, zusammengestellt und aufgerichtet, durchaus nicht die geringste
Biegung haben durfte, sondern schnurgerade in seiner ganzen Länge
verlaufen mußte. Viel Geduld und Umsicht war dabei erforderlich, um bei
Zeiten alles zu bedenken, denn später, wenn erst der eiserne Körper
aufgestellt sein würde, hätte ein Versehen oder begangener Fehler sich
schwer gerächt. Trotz allem aber wurde es doch erreicht, daß am Abend
des 9. März 1893 der Kiel des »Hermann von Wißmann« gelegt werden
konnte! --

Wie erwähnt, war der Fluß beträchtlich gestiegen, überfluthete sogar
den unteren Theil der Balkenlage und das Wasser durchweichte den Boden
derartig, daß es mir sehr bedenklich scheinen wollte, den Hintersteven
eher aufzurichten, als bis fester sicherer Halt gefunden war. Leicht
könnte die schwere Last später die Balken wegdrücken, und wäre es
auch nur um ein sehr Geringes, so würden die oberen Platten bei der
Zusammenstellung nicht genau passen können. Den Gedanken, das Wasser
durch einen Erdwall abzudämmen, der mir das Praktischste schien,
mußte ich wieder aufgeben, da das Untergrundwasser doch durchdringen
würde, ein Feststampfen des Bodens hätte auch wenig genutzt; darum die
doppelte Arbeit zu vermeiden, riß ich lieber die letzten Balken auf
und rammte, um eine feste Unterlage zu gewinnen, starke Pfähle in den
Grund auf welchen wieder Querhölzer gelegt wurden, bis schließlich nach
tagelangen Mühen ein fester Halt gefunden war.

Nun ich die gesammte Mannschaft wieder auf der Werft zur Verfügung
hatte, vertheilte ich diese so, daß ein Stamm Atonga bei der
Aufstellung des Schiffskörpers beständig verblieb, die übrigen, etwa
15, tagtäglich aber in die Berge gesandt wurden, um passende Stämme
herbeizuschaffen, von denen wir nach und nach eine große Anzahl und von
jeder Größe benöthigten, um das Gerippe des Schiffes zu stützen. Die
Suaheli hingegen mußten die Feldschmieden bedienen und den Handwerkern
nach Möglichkeit beim Nieten der Spannten zur Hand gehen. Ich hatte es
zwar mehrfach versucht das Nieten einfacherer Stücke von den Suaheli
ausführen zu lassen, indes, nicht intelligent genug, war ihnen die
Handhabung eines Niethammers nicht beizubringen. Uebrigens von Natur
träge, häufig widerspenstigen Charakters und eigenwillig, habe ich
diese Suaheli oft mit Strenge behandeln und im Gegensatz zu den Atonga,
Masaua und Wangoni haben sie häufig bestraft werden müssen, wo hingegen
bei den letzteren, wenn Ungehörigkeiten vorkamen, eine einfache Rüge
schon genügte. Namentlich hielt ich streng darauf, daß die Suaheli,
welche die anderen Arbeiter als Sklaven betrachteten und deshalb
verachteten, nicht, wie sie es beliebten, den Herrn herauskehrten, ich
nahm ihnen den thörigten Glauben, daß sie mehr seien wie diese freien
unabhängigen Menschen. Kamen mir Klagen zu Ohren, oder sah ich eine
unwürdige Behandlung eines Eingeborenen Inner-Afrikas von seiten der
Suaheli, die jedem mit den verachteten Namen »Waschensi« bezeichneten,
dann entging der Attentäter seiner Strafe nicht, und sie hüteten sich
in Folge, als einige Male Strafen in Gegenwart der Beleidigten sofort
verhängt wurden, ihrer Mißachtung und Herrschsucht die Zügel schießen
zu lassen; an den Beschützten aber hatte ich treue und ergebene
Arbeiter, die sich willig jeder Mühe unterzogen und zum nicht kleinen
Theil habe ich die schnelle Ausführung der schwierigsten Arbeiten,
dieser Bereitwilligkeit und der gerechten Behandlung zu verdanken. Rief
um 6 Uhr Morgens die Trompete zur Arbeit, wurden durch das gegebene
Signal die noch auf der Werft beschäftigten Dorfbewohner, sowie
die in der Nähe angesiedelten Wangoni und Masaua zusammen gerufen;
die Leute kamen dann meistens zitternd vor Kälte in kleineren oder
größeren Trupps an und standen in Reih und Glied bis ich alle gezählt
und ihnen die Tagesarbeit zugewiesen hatte. Auch mit den Atonga mußte
ich gleicherweise verfahren, da einzelne sich gelegentlich zu drücken
gesucht hatten, sie merkten aber bald was die Glocke geschlagen, wenn
durch Namensausruf die Fehlenden leicht herausgefunden wurden und ein
abgesandter Wachtposten sie herbeischaffte. Zweimal aber kamen sie mit
tiefbetrübten Mienen und erklärten, nachdem der Fehlende herausgefunden
war, daß eine Mal Gabbujab, ein andermal Tasikana, beim Wasserschöpfen
von einem Krokodile weggeraubt sei. Es war hier seltener der Fall,
daß solche Unglücksfälle vorkamen, da wegen der belebteren Ufer diese
Untiere sich nicht recht sicher fühlten, mehr aber, da keine Sandbänke
vorhanden waren, worauf sie in träger Ruhe sich sonnen konnten. Manch
einen auf der Oberfläche des Wassers schwimmenden Räuber habe ich, wenn
er arglos mit dem Strome sich treiben ließ, vom Ufer aus die tödtliche
Kugel zugesandt, wollten wir aber mal auf Krokodiljagd gehen, dann
fuhren wir Sonntags gelegentlich flußabwärts und verleideten den
gefährlichen Thieren die süße Ruhe auf den von zwei Nebenflüssen des
Schire gebildeten Bänken.

Das Erste war von seiten der Atonga, ehe sie zur Arbeit antraten,
sofort nach Ankunft auf der Werft ein Feuer irgendwo anzufachen, um
welches sie sich niederhockten und die nackten Glieder zu erwärmen
suchten, und hatte ich allen die Arbeit zugewiesen, so war ich sicher,
daß solche, welche über den Fluß oder in die Berge gesandt wurden,
nicht allzuweit gingen, sondern sobald sie sich im hohen Grase oder
Busch befanden, sich gemüthlich um warme Feuer niederließen, und nicht
eher an ihre Arbeit gingen, als bis die Sonne ihre heißen Strahlen
niedersandte und die Luft durchwärmt hatte. Mehrmals, wenn sie
glaubten, daß ich ihnen nicht folgen würde, um die Arbeiten zu leiten,
und sie sicher vor Ueberraschung ein Stündchen am Feuer verplaudern
konnten, dabei die primitivste aller Pfeifen im Kreise umgehen ließen
oder schnupften, versetzte sie mein unerwartetes Erscheinen in nicht
geringe Verlegenheit und aufspringend jagten sie in wilder Hast davon.
Es war ja natürlich, daß ich solche Schwänzereien nicht dulden durfte,
zumal die Leute oft einen weiten Weg zurückzulegen hatten, aber ich
begnügte mich auch nur damit sie aufzutreiben, denn trotz warmer
Kleidung fror ich selbst, und durchnäßt vom kalten Thau, konnte ich
es wohl begreifen wie empfindlich die Kälte auf den nackten Körper
einwirken mußte.

Wir empfinden es in Europa als unangenehm, wenn die Temperatur bis auf
+ 5.7 und 8° R. herabsinkt und hüllen uns in warme Kleidung ein, wie
viel mehr aber muß der Unterschied empfunden werden, wenn Morgens um 7
Uhr die Luft nur 8° Wärme hat und erst rapide steigt, sobald die Sonne
die kalte Luftschicht durchwärmt und bis Mittag eine Gluth erzeugt hat
die unerträglich wird, im Schatten 38° R., in der Sonne weit über 50°
R. Solche große Abkühlung während der Nacht, im Gegensatz zur Hitze
des Tages, bedingt es auch, daß die Wassertheilchen in der Atmosphäre
sich zu Tropfen verdichten und gleich Regen niederfallen und die
ganze Natur erfrischen. Erde und Wasser noch von den Sonnenstrahlen
erwärmt, erzeugen, sobald die kalte Luftschicht auf sie herabsinkt,
ein gewaltiges Nebelmeer so, daß über die weiten Ebenen, in einer
Höhe von ungefähr 15 Fuß, -- nach Mitternacht bis zum Morgen, selbst
oft bis nach 7-1/2 Uhr früh, -- alles wie ein weißes wallendes Meer
erscheint und vom Fluß und Grassavanne, vom niedrigen Gesträuch und
Busch absolut nichts zu erkennen ist; nur in der Ferne ragen die blauen
Spitzen der Berge in die klare Luft, deren Fuß von weißen Dunstgebilden
umhüllt ist, auch jedes Thal noch so hoch gelegen wird mit solcher
Nebelschicht überdeckt. Nicht eher, als bis die Sonne etwa 25° über
dem Horizont gestiegen und ihr Strahl die kalte Luft durchwärmt,
wichen gleich Gespenster die Nebel und hoben sich zusehends, bis sie in
beträchtlicher Höhe in ein Nichts verschwanden.

Erklärlich ist es, wie solch' ein Temperaturwechsel auf die weniger
widerstandsfähigen Europäer einwirken muß; die Naturen, solchen Wechsel
nicht gewöhnt, bieten dem Fieberbacillus, der in den aufsteigenden
Miasmen enthalten ist und sich verbreitet, (wie es namentlich in den
sumpfigen Niederungen um Matope und Mpimbi der Fall) keinen genügenden
Widerstand, häufige Anfälle von minderer oder heftigerer Art sind die
Folge; selbst die Eingebornen werden nicht verschont und vielfach
habe ich solche Krankheitserscheinungen bei diesen beobachten können.
Empfindlich ist die Kälte namentlich in den ersten Morgenstunden,
und die oben angeführten Temperaturen habe ich durchschnittlich in
den Monaten März und April verzeichnen können; wußte man bei Tage
sich nicht vor der Hitze zu retten, fand man in den luftigen Häusern
wiederum nicht genügend Schutz vor der nächtlichen Abkühlung. Sogar
zwischen 6 und 7 Uhr Morgens waren mir öfters die Finger noch so steif,
daß ich mit Mühe nur schreiben konnte. Natürlich war es deshalb, daß
morgens in der ersten Arbeitsstunde nicht viel gefordert wurde, da
sowohl Weiße wie Schwarze erst das unbehagliche Gefühl, verursacht
durch die feuchte Kühle der Luft, von sich abschütteln mußten.

Die Wangoni-Träger, die jetzt immer zahlreicher mit allerhand
Schiffsmaterial eintrafen, nahmen meine Zeit auch beträchtlich in
Anspruch, zumal eine scharfe Kontrolle geübt werden mußte; ebenso
das Sortiren der vielerlei Sachen, die meistens sofort unter Dach
gebracht und geöffnet werden mußten, da sie vielfach während des
langen Transportes dem Regen ausgesetzt gewesen und nachzusehen
und zu reinigen waren. Spenker mit seinen Arbeitern hatte sich der
Einrichtung der Schmieden und der Werkstätten unterzogen, während
die schon anwesenden Handwerker, soweit sie nicht krank lagen, die
Spanten zusammen nieteten und ich nach vorhandenen Zeichnungen die
Kielplatten nach Nummern aussuchte, reinigen und mit Farbe an solchen
Flächen streichen ließ, wo nach Anlegen derselben später nicht mehr
anzukommen war. Erwähnenswerth ist es, daß auf der Werft in Hamburg
alle Platten und überhaupt jedes Stück mit Nummern versehen wurde,
die auf den Eisentheilen extra noch nachgekörnt und so unverwischbar
gemacht waren, auch wenn die Farbe der Zahl längst verschwunden war,
und trotzdem haben wir oft lange suchen müssen, ehe die Nummer eines
unbekannten Theils gefunden wurde und bis wir wußten, wohin es gehörte.
Nach der Aufrichtung des Hinter- und Vorderstevens, begannen wir mit
dem Anlegen der Kielplatten, die am Kiel mit starken Schrauben fest
angezogen und vermittelst Ueberschienen in sich verbunden wurden. Das
Festnieten der Platten und Schienen sofort ausgeführt, würde uns die
Arbeit wesentlich erleichtert haben, da an vielen Stellen anfangs
bequem anzukommen war, allein das durfte nicht sein, wir hätten, obwohl
jedes Stück passen sollte, beim Weiterbau sicherlich die oberen Platten
nicht in die richtige Lage bringen können; die ganze Masse würde steif
und ungelenkig dadurch geworden und wir schlecht damit gefahren sein.
Vielmehr mußte der ganze Körper so aufgeführt werden, daß er beweglich
blieb und wo Theile nicht passen wollten, wurden sie mit Gewalt in ihre
Lage gebracht. Tausende Heftschrauben, die wir zu diesem Zwecke mit
uns geführt, dienten dazu, alles erst in dieser Weise fest, aber doch
nachgiebig aufzubauen, ehe, mit wenigen Ausnahmen, ein einziger Niet
angezogen wurde.

Allmählich nieteten wir Spant um Spant zusammen, über welchen die
Decksbalken als Verbindung gelegt wurden, wodurch diese den Anschein
langer Rippen erhielten und dann auf den Kielplatten festgeschraubt,
gestützt durch lange Pfähle, sah man schon nach 14 Tagen, welchen
Umfang das Schiff haben würde.

Höchst unlieb war es mir, daß die schwarzen Zimmerleute, nach Ablauf
ihres zweimonatlichen Kontraktes, die Arbeit niederlegten und einen
neuen nur eingehen wollten, wenn ihnen ihr Lohn bedeutend erhöht würde.
Darauf aber wollte ich mich nicht einlassen, weil die Forderung nach
Negerart unverschämt war. So ließ ich sie lieber ihres Weges ziehen,
da doch, wenn ich erst wieder hinaus in den Urwald mußte, um Bäume zu
suchen, diese von den Atongas ebenso schnell gefällt werden würden,
wie von den von der Civilisation beleckten und auf ihr bischen Können
übermäßig eingebildeten Leuten. Freilich hätte ich nicht lange zögern
dürfen, da es mir wohl bekannt war, daß ich die Balken, zur Schlipp
und Schlitten nebst Zubehör noch 360 Fuß, nicht so leicht wie die
ersten 200 Fuß würde herstellen lassen können, sondern sehr weit ins
Land hineinziehen müßte, um passende Bäume dazu zu finden, auch, daß
mit der Entfernung die Schwierigkeiten wachsen würden. Weite Touren
landeinwärts, gelegentlich Sonntags unternommen, hatten mir eine
Wildniß gezeigt, durch die ich kaum hoffen konnte durchzudringen, es
aber doch schließlich versuchen mußte, sobald ich irgend wieder einige
Tage von der Werft abkommen konnte. Die Leute allein auszuschicken war
zwecklos und da auch Ottlich krank war, so hätte ich an seiner Stelle
keinen anderen Handwerker hinaussenden können.

Mit dem nächsten Wagentransport, der um diese Zeit von Katunga her
eintraf, verstärkte sich meine Mannschaft bedeutend, als neben einer
Anzahl Suaheli auch vier Europäer Zander, Eikershoff, Wedler und
Dohmann ankamen, sodaß außer dem Maschinenkonstrukteur Spenker nun acht
Handwerker auf der Werft waren und nur der zweite Maschinist Engelke
und die beiden Steuerleute Gerloff und Wissemann fehlten.

Leider waren jedesmal nach so anstrengendem Marsche über das Gebirge
und durch die fußhoch mit Wasser überschwemmte Matope-Ebene, alle so
marode, auch theils fieberkrank, daß sie acht Tage und länger erst im
Lager sich erholen mußten, ehe sie die schwere Arbeit auf der Werft
beginnen konnten.

Mit diesem zweiten Transport waren auch die schweren Kesselböden
angekommen, ebenso die zu den beiden Dampfkesseln gehörenden Platten,
16 an der Zahl, die nun zu je acht mit zwei Böden zusammengestellt
werden sollten, was für die vier Kesselschmiede keine leichte Arbeit
war, abgesehen von der viel schwierigeren, das Einziehen der zölligen
Niete, deren zu jedem Kessel annähernd tausend nöthig waren. Die
Kesselböden, jeder fünf Centner schwer, hätten wir unmöglich auf den
Gebirgswegen fortschaffen können, wenn ich nicht schon seinerzeit
in Hamburg darüber ernstlich nachgedacht und auf eine Möglichkeit
gesonnen hätte, wie es wohl am praktischsten wäre, diese, außer unseren
Dampfcylindern, schwersten Eisentheile, bequem und leicht fortbewegen
zu können. Die Idee, solche als komplette Wagen zusammen zu stellen,
war das einzige, und wurde auch vermittelst angeschraubter Lager,
eiserner Achse und Deichsel ausgeführt.

Eifrig bemüht, nach besten Kräften vorwärts zu streben, suchte ich
auch die Europäer, wenn Mißmuth und Unlust sich ihrer bemächtigt,
wenn sie an das Gelingen des großen Werkes zweifelten und ihren
schwachen Kräften es nicht zutrauten, die ungeheure Arbeit glücklich
zu vollenden, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem ich immer wieder
darauf hinwies, daß jeder seine Kraft und Können dem nationalen Werk
weihen muß; die kleine Schaar, die wir hier versammelt sind, darf nicht
wanken noch weichen, wir sollen es beweisen, wie deutsche Energie und
deutscher Muth auch vor dem Schwersten nicht zurückschreckt. Viel
Tausende zwar zweifeln in Deutschland an das Gelingen des Werkes --
wir aber dürfen nicht zagen, nicht zurückschrecken und sei es noch so
schwer. Ich konnte den Leuten Muth und Zuversicht zusprechen, als ich
fest davon überzeugt war und nie gezweifelt hatte, daß ein fester,
muthiger Wille alles überwindet -- mehr aber noch suchte ich den
Ehrgeiz zu wecken, jedem es als eine besondere Ehre und Auszeichnung
darstellend, wenn es heißt, auch er gehört zu jener kleinen Zahl, die
unentwegt Großes gewollt und kaum Glaubliches ausgeführt hat.

Alle Bauten, selbst der große nachträglich noch errichtete
Zimmermannsschuppen, waren bis Ende März aufgeführt und vollendet,
ebenso war die Aufrichtung des Schiffsgerippes nahezu beendet und
mit dem Anlegen der Versteifungen, der vielfachen Verbindungen und
dem Einsetzen der wasserdichten Schotten konnte begonnen werden. Je
weiter der Aufbau aber vorschritt, und mehr und mehr die Arbeiten,
welche bisher im Schatten der Schuppen hatten vorgenommen werden
können, wegfielen, ausschließlich nun am Körper selbst gearbeitet
werden mußte, ergab sich die Nothwendigkeit, um die Leute vor der
Sonnengluth zu schützen, daß Vorkehrungen getroffen werden mußten, ein
Schutzdach über die ganze Länge des Schiffskörpers zu errichten. Ich
trug mich erst mit dem Gedanken, ein mächtiges Grasdach aufzubauen, was
jedem anderen vorzuziehen war, da immer unter solchem eine angenehme
Kühle vorherrschend ist, ich machte auch Anstalten dazu und ließ die
Atonga lange Baumstämme herbeischaffen. Indes bald sah ich ein, daß
solch kolossaler Bau nicht aufzuführen war, schon aus dem Grunde,
als ich dem Dache keine Mittelstützen geben konnte; daher auch nicht
genügende Festigkeit erzielen würde, welche unbedingt nothwendig war,
damit das Dach den starken Gewitterstürmen, die wöchentlich mehrmals
heranbrausten, widerstehen könnte. In anderer Weise nun vorgehend,
errichtete ich einen starken hohen Baumstamm, einige Fuß vor dem
Schiffe und zog von den starken Aesten der beiden hohen Bäume, die
dicht am Ufer standen, eine lange Kette in der Kielrichtung des
Schiffes dorthin, sodaß diese straffgezogen, imstande war, unterstützt
durch einige auf den Decksbalken stehende Stützen, eine beträchtliche
Last zu tragen. Rings um das Schiff wurden dann hohe Stämme errichtet,
auf deren Gabeln dann wieder Verbindungsstangen lagen, die an der Kette
befestigt wurden. Darüber nach beiden Seiten hin Segel oder unsere
getheerten Wagentuche ausgespannt und befestigt, war ein provisorisches
Dach hergestellt, das genügend Schatten gab und selbst den heftigen
Winden widerstand. Wollten wir uns aber noch, was später beim Nieten
nothwendig wurde, gegen die schrägen Sonnenstrahlen schützen, zogen wir
bewegliche Segel zwischen den Baumstämmen auf.

Furchtbare Gewitterregen, wie solche in der gemäßigten Zone fast
unbekannt sind, behinderten in den Monaten März und April nicht selten
die Arbeit, und mancher Nachmittag war für uns verloren, wenn Schauer
auf Schauer folgte und in kurzer Zeit die weite Ebene, Dorf und
Werft, in einen See verwandelt waren. Die Wassermassen, von der Erde
nicht so schnell aufgesogen, setzten sich naturgemäß in Bewegung nach
tiefergelegenen Stellen; aus Rinnen wurden schließlich wilde Bäche,
die alles mit sich rissen, was ihren Lauf hindern wollte. Unmerklich,
aber doch etwas höher als die Werft lag das Dorf und das hinter diesem
liegende Terrain, und so kam es, daß nach jener Rinne hin, die früher
schon vorhanden gewesen, ehe ich mit der Ausschachtung begonnen hatte,
sich die Wassermassen einen Abfluß zum Flusse suchten, mit Gewalt durch
den schwachen Zaun brachen und sich in dieser ergossen. Der anfängliche
Schaden war nicht groß, auch suchte ich das Wasser abzulenken und
einzudämmen, aber als eines Nachmittags in den letzten Tagen des
März ein furchtbares Gewitter sich entlud und ein wolkenbruchartiger
Regen niederstürzte, waren gegen die abfließenden Regenmassen alle
Vorkehrungen Kinderspiel. Immer wilder strömte das Wasser in die
Ausschachtung hinein, riß die feste Erde weg, unterspülte die Balken,
worauf das Schiff erbaut wurde und rief die drohende Gefahr dadurch
hervor, daß der schwere Körper durch das Nachgeben der Balkenlagen
sich neigen und gar umfallen könnte. Die Wasser abzulenken, daran
war nicht mehr zu denken, nur so viel konnte ich mit den eiligst
zusammengetrommelten Leuten, Soldaten und Dienern thun, um einen
Ausstich zu machen, der das Wasser nicht mehr neben die Balken, sondern
seitwärts davon ablenkte. Der entfesselte Sturm peitschte dazu das
ausgespannte Segeltuch und bog die schlanken Stämme, woran dieses
befestigt war, wie Weidenruthen.

In mancher finsterer Nacht auch heulte der Wind, strömte der Regen und
die angesammelte Elektrizität entlud sich mit furchtbarer Gewalt --
dann stand ich wohl stundenlang und schaute besorgten Blickes hinüber
zum Schiff, prüfte, vor Kälte bebend, die Stützen, ob diese sich nicht
gelöst oder nachgegeben hätten, denn die Erschütterungen des Körpers
waren stark genug, solche in dem aufgeweichten Erdboden weichen zu
lassen. Ein Glück ist es oft, das die entfesselten Naturgewalten, je
heftiger sie auftreten, von nur kurzer Dauer sind, sonst würde die
schwache Menschenhand wohl nicht im Stande sein, ein zerbrechliches
Werk zu schützen; im Aufruhr der Elemente erst erkennt der Mensch, daß
es doch noch Gewaltigeres giebt, als sein Wollen und sein Wille.

Einen nicht minder gefährlichen Feind, als die zeitweiligen Fluthen,
fand ich in einem unsicht- und unscheinbaren Thierchen, das vieltausend
an der Zahl sich in die noch kaum ausgedörrten Balken eingenistet und
sein Zerstörungswerk begonnen hatte. Jeden Morgen war die Erde längs
den Hölzern mit Häufchen Holzmull bestreut, die von den scharfen
Zangen der kleinen Käfer herausgestoßen waren, kleine, oft noch wieder
verkittete Löcher zeigten an, wo sie sich ein Luftloch geschaffen
hatten. Wer die Wuth kennen gelernt hat, mit welcher die weißen Ameisen
und auch die Käfer die verschiedensten Holzarten in unglaublich
kurzer Zeit zerstören, wird sich erklären können, daß ich dem Treiben
dieser kleinen Nager mit Besorgniß zusah, ohne ein Mittel zur Hand zu
haben solcher Zerstörung Einhalt zu thun; diese konnte nach Monaten
soweit vorgeschritten sein, daß ich mit Bestimmtheit die vollständige
Werthlosigkeit der Balken voraussetzen mußte. Zwar schaute ich diesem
Werke der allmählichen Zerstörung nicht unthätig zu, und den Beweis
zur Hand habend, das solche Nager saures oder bitteres Holz, wie unser
Teakholz, nicht angehen, machte ich freilich zu spät einen Anstrich
mit schwedischem Theer, verdünnt mit Petroleum, erreichte aber damit
nur das Eine, nicht mehr sehen zu müssen wie auch äußerlich das Holz
zerfressen wurde.

Woher diese Thierchen kommen und wie zahllos sie sich vermehren können
blieb mir ein Räthsel; so viel nur beobachtete ich, daß, wo durchaus
keine Anzeichen von der Anwesenheit dieser Nager in der Erde vorhanden
waren, sie sofort in Thätigkeit traten, sobald ein Stück Holz in ihrem
Bereiche kam. Der Erdboden in meinem Hause, gewiß hart und trocken,
barg diese gefährlichen Thierchen aber doch in solcher Menge, daß ich
nie auch nur für eine Nacht eine Kiste auf der Erde stehen lassen
durfte, wollte ich nicht am Morgen den Boden halb zerstört vorfinden.
Vollständig feucht und klebrich war der Fleck, wo eine solche Kiste
gestanden hatte und abertausend weißer Thierchen eilten beim Tageslicht
besehen ängstlich hin und her, wenn sie plötzlich gestört und ihre in
Bildung begriffenen Gänge freigelegt wurden.

Von unsern vier Transportleichtern hatten schon im September 1892
die Engländer zwei davon als eine Art Abschlagszahlung für die der
deutschen Expedition geleisteten Dienste erhalten, über die uns
verbliebenen zwei sollte laut Bestimmung des Majors von Wißmann, nach
Beendigung des ganzen Transportes, so verfügt werden, daß einer auf
dem unteren Schire verblieb, der andere aber zerlegt über das Gebirge
geschafft und in Mpimbi wieder zusammengesetzt werde. Demgemäß trafen
dann auch nach und nach die Leichtertheile auf der Werft ein und mir
fiel auch die Aufgabe zu, die Zusammensetzung derselben in die Wege zu
leiten. Die Hauptfrage aber war, wo einen Platz zum Aufbau finden; das
zehn Fuß hohe steil zum Fluß abfallende Ufer nochmals an einer anderen
Stelle abtragen zu lassen, war schier unmöglich; querüber dem Lager, wo
das Ufer flach, eine provisorische Schlipp herzustellen, war deshalb
ungünstig, weil eine solche so weit von der Werft entfernt und auch in
der Grasebene ohne jeglichen Schutz gelegen sein würde. Schließlich
fand ich etwa 100 Meter oberhalb der Werft einen vollständig mit
Gebüsch und Bäumen ausgefüllten Graben, der vor langer Zeit den
Dorfbewohnern als Vertheidigungslinie gedient hatte, geschützt durch
einen vorgelagerten Erdwall. Lange bevor die Europäer sich in diese
Gegenden festgesetzt hatten und naturgemäß die Volksstämme zu schützen
suchten, mit denen sie in Verbindung getreten waren, ist hier oft hart
und heiß gekämpft worden; die Wangoni, ein mächtiges Volk, suchten
sich der Ufer des Schire zu bemächtigen, hatten auch schon durch ihre
Ueberzahl manches Dorf genommen; ehe sie aber in jahrelangen Kämpfen
Herr des weiten Gebietes werden konnten wurden sie mit europäischer
Hilfe und Waffen zurückgetrieben, sodaß sie heute nicht mehr wagen, den
ungleichen Kampf zu eröffnen. Man kann sich jetzt von dem wilden Leben
keine Vorstellung mehr machen; plötzliche Ueberfälle, gegenseitiges
Rauben, Zerstören der Felder und Dörfer, war viele Jahre lang der Ruin
der Eingeborenen, und ihre Zahl schmolz sichtlich zusammen, mehr durch
die Zahl derer, die geraubt und in die Sklaverei geführt, als durch
die, die im Kampfe erschlagen wurden. Die heutige Generation wächst in
Frieden heran, es kann von einem Kampfe nur noch die Rede sein, wenn
die Häuptlinge sich nicht fügen und im Vertrauen auf ihre Macht gegen
die immer zahlreicher eindringenden Europäer die Waffen erheben, wie es
der kürzlich niedergeschlagene Aufstand gezeigt hat. -- So recht für
meine Zwecke passend, war dieser Graben angelegt worden, da ich ihn
nur zum Theil vom Gebüsch reinigen, ebenen und etwas erweitern lassen
brauchte. Hätte ich von dessen Vorhandensein im Anfang unserer Arbeit
Kenntniß gehabt, würde ich entschieden hier die Werft angelegt haben
und mit Benutzung mancher natürlichen Vortheile mir viel Arbeit erspart
haben können.

Nach Einverständniß mit den Dorfältesten, Tschikusi selbst ließ
sich nicht sehen, nahm ich unverzüglich die Arbeit in Angriff und
in Ermangelung geeigneter Vorkehrungen, auf welchen der Aufbau des
Leichters sich hätte bewerkstelligen lassen, hatte ich mich aufs
Erfinden zu verlegen, insofern, als eine erhöhte Stellage hergestellt
werden mußte, damit man unter dem Boden des Fahrzeuges auch arbeiten
konnte, denn der ganze Leichter in seinen einzelnen Theilen nur mit
Schrauben verbunden, mußte vor allem darauf Bedacht genommen werden,
daß dieselben auch fest und wasserdicht eingesetzt würden. Der Mensch
muß sich zu helfen wissen, heißt es, und in diesem Falle machte ich
es so: eine ganze Anzahl parallel sich gegenüberstehende Hölzer, oben
mit Gabeln versehen und in gleicher Höhe fest in die Erde gesetzt,
sollten mit starken Winkeleisen, welche in Reserve für das Schiff
mitgeführt waren, verbunden und so auf diesen eisernen Balken der Boden
des Fahrzeuges zusammengesetzt werden. Zum späteren Ablaufen hatte ich
die beiden langen Schiffsmasten inmitten der Stellage legen lassen;
der Leichter nach seiner Vollendung darauf niedergeführt, konnte somit
leicht auf Rollen ablaufen.

Diese Arbeit ging natürlich nicht leicht von Statten, da der Werft
selbst kein Abbruch an Kräften gethan wurde, und ich nur solche Leute,
namentlich Suaheli, hier anstellte, die sonst zu anderem wenig nützlich
waren; gleicherweise konnte der Aufbau auch erst dann begonnen werden,
sobald Brückner sich wieder so weit hergestellt fühlte, daß er,
vertraut mit dem Bau der Leichter, die Aufsicht übernehmen konnte.

Zurückgreifend auf jene Zeit, als die deutsche Seen-Expedition ins
Werk gesetzt wurde, haben auch die Engländer, eifersüchtig auf das
deutsche Unternehmen und besorgt, ihre Weltherrschaft in Central-Afrika
könne gefährdet werden, sogleich den Plan gefaßt, in derselben Weise
vorzugehen und dem deutschen Machtobjekt ein Aequivalent zur Seite
zu stellen, und zwar nicht blos mit einem, sondern gleich mit zwei
Kanonenbooten und einem Flußdampfer. Ihr Streben ging dahin, wenn
irgend angängig, ihre Schiffe mit den deutschen zu gleicher Zeit in
Dienst zu stellen, und sie setzten demnach alles daran, mit uns Schritt
zu halten. Allein war der Transport ihres Schiffsmaterials gegen dem
unsrigen auch ein Kinderspiel zu nennen, als alles so fein und dünn, z.
B. die Platten nur 1-1/4 +mm+ stark, so konnten sie den Transport
über das Gebirge doch nicht eher unternehmen, d. h. der schwereren
Schiffs- und Maschinentheile, bis ihnen unsere Wagen zur Verfügung
gestellt wurden. Ebenso große Verlegenheit bereitete ihnen die Wahl
eines praktischen Bauplatzes, und nichts konnte dem Leiter dieser
englischen Expedition, Kapt. Robertson, willkommener sein, als die
Ueberlassung jenes Werftplatzes, den ich für den Bau unseres Leichters
hatte herrichten lassen und der für den Aufbau der kleinen englischen
Schiffe wie geschaffen war.




                            16. Im Urwald.


Die tägliche Arbeit auf der Werft, die meine ganze Zeit und Kraft in
Anspruch nahm, nicht nur soweit die Aufsicht und Leitung des Ganzen es
erforderte, sondern auch das Mithandanlegen ans Werk, war es schwer,
mich einige Tage freizumachen, um endlich die nunmehr anfangs April
unaufschiebbare Expedition ins Innere des Wangoni-Landes vorzunehmen,
denn zur Herstellung der noch benöthigten Balken und anderer Hölzer
konnte ich mindestens zwei Monate rechnen. Leicht würde es nicht sein,
passende Bäume zu finden, das hatten von mir unternommene Streifereien
in die Wildniß schon erkennen lassen, und recht verlangende Blicke
warf ich jedesmal nach jenem herrlichen Waldbestand, der von den
Eingeborenen zum Begräbnißplatz auserwählt war und der dadurch für uns
unnahbar geworden, als ich strikte die eingegangene Verpflichtung,
den Ruheplatz ihrer Todten nicht zu betreten, einhalten mußte;
folglicherweise hieß es die Hände davon lassen! So war ich denn darauf
angewiesen aufs Neue in der weg- und steglosen Wildniß vorzudringen,
und vielleicht viele Meilen weit zu wandern, ehe ein Terrain gefunden,
worauf die Jahrhunderte alten Waldriesen in genügender Anzahl vorhanden
waren.

Zur Genüge bekannt mit dem Leben und den Mühsalen in der afrikanischen
Wildniß, mußte ich auch darauf bedacht sein, daß nunmehr die Leute
viele Wochen lang, abgeschlossen von allem Verkehr in einer Gegend
leben sollten, wohin sich keines Menschen Fuß je verirrt hatte.
Darum entschlossen, auf keinen Fall zwecklos zurückzukehren und vor
keinem Hinderniß zurückzuschrecken, ließ ich gleich die nöthigen
Vorbereitungen treffen, allenfalls Tage lang abwesend sein und meine
Begleiter zurücklassen zu können. Der Mannschaft, bestehend aus 10
Atonga und Ottlich, hatte ich, um sie auf dem höchst wahrscheinlich
sehr beschwerlichen Marsche zu entlasten, den auf der Werft vorhandenen
Wagen, worauf das nöthige Handwerkszeug geladen werden sollte,
mitgegeben, und zur frühen Morgenstunde uns einschiffend, wollte ich
auf den früher von uns geschlagenen Wegen vordringen. Langsam zwar,
aber durch nichts behindert, erreichten wir jenes mir noch unbekannte
Wangonidorf mit dessen Häuptling sich Ottlich schon bekannt gemacht,
als er noch vor dem Aufstand die Aufsicht über die im Urbusch gefällten
Bäume führte.

Heiß und glühend brannte die Sonne auf die weite baumlose Grassavanne
nieder und herzlich froh war jeder, als wir nach dreistündigem,
gewiß nicht einen Spaziergang zu nennenden Marsch, im Schatten des
gewaltigen Baobabbaumes in mitten des kleinen Dorfes ausruhen konnten.
Idyllisch im Urbusch versteckt, umgeben von kleinen Schambas mit
Mais, Mtama und Bataten bepflanzt, lagen hier etwa 15 elende Hütten;
rauchgeschwärzt, vom Wetter zerzaust, paßten sie so recht zu dieser
wilden Umgebung. Gewiß hatte sich bis hierher selten der Fuß eines
Europäers verirrt, und neugierig, halb furchtsam, lugten Frauen und
Kinder aus den niedrigen Eingängen ihrer Hütten, während die Männer
um ihren Häuptling, einem weißköpfigen Greise, versammelt, aufmerksam
den Verhandlungen folgten, welche ich mit diesem angeknüpft hatte.
Bald wurden auch die Kinder zutraulicher, aus respektvoller Entfernung
starrten sie die ihnen fremden Erscheinungen an, und was sie am
meisten, namentlich an meine Person, bewunderten, war der lange blonde
Vollbart, wenigstens war aus den Zeichen, die sie sich machten zu
entnehmen, daß sie Vergleiche zwischen mir und Ottlich anstellten, der
einen solchen in den Tropen lästigen Gesichtschmuck nicht besaß.

Erwähnenswerth ist der Haarschmuck der Wangoni, es kann dieser als
besonderes Merkzeichen des ganzen Volksstammes betrachtet werden; ein
leichtes Unterscheidungsmal jedenfalls, nämlich: sie tragen auf dem
Kopfe 4-6 festgewickelte, gerade abstehende Strähnen; die 3-4 +cm+
lang am Ende mit einem kleinen erbsgroßen Erdkügelchen abschließen. Die
krausen Haare werden so um ein kleines Stäbchen oder Stückchen Rohr
festgewickelt und durch die klebrige Thonkugel am Ende festgehalten,
daß sie in dieser Lage bleiben müssen, und dienen wie erwähnt als
besonderer Schmuck und Kennzeichen. Ob solche Haarfrisur für lange
Zeit nicht erneuert wird, kann ich mit Bestimmtheit nicht sagen,
denn ich habe nur sehr selten Gelegenheit gehabt solcher Toilette
beizuwohnen und kann nur so viel behaupten, daß, nach dem schmutzigen
Aussehen des Kopfhaares zu urtheilen, höchst selten eine neue Frisirung
vorgenommen wird. Ihre primitive Kleidung, die meistens nur aus einem
3-4zölligen Zeugstreifen besteht, dient noch dazu ihre Habseligkeiten,
eine Schnupftabakdose und ein kleines selbstgefertigtes Messer zu
bergen, indem diese Gegenstände an einem Ende dieses Bekleidungsstückes
eingewickelt werden und handgerecht vorne am Bauch herunterhängen,
jedoch wird letzteres auch am linken Oberarm in einer aus Ziegenhaut
gefertigten Scheide getragen, dieses Messer, eine äußerst rohe
Zusammensetzung aus Eisenstücken, ist ihnen so handgerechter.

Ein sorgloseres Leben, wie es diese Eingeborenen führen, ist kaum
denkbar, keine Pflicht, keine Arbeit rüttelt sie aus ihrer trägen Ruhe
auf, und während meines Aufenthalts hier konnte ich beobachten, wie sie
sich die Zeit vertrieben. Mit Vorliebe dem Spiel und Tanz ergeben, hat
der Neger eine besondere Zuneigung zu den bunten Karten gefaßt, und
kann er sie von den Europäern erlangen, wird er meistens nach seiner
Kombination ein Spiel veranstalten; hat er aber die Glücksblätter und
ihre Bedeutung noch nicht kennen gelernt, behilft er sich mit anderen
Methoden. In diesem Falle lernte ich eine Art Spiel kennen, das nach
meiner Auffassung dem Damspiel zu vergleichen ist, und zwar: der flache
Erdboden als Brett benutzt, stellten kleine Löcher dicht an dicht
die Felder vor, nur daß das provisorische Brett hier kein Quadrat,
sondern ein großes Parallellogramm war; eine Anzahl kleiner Steine
ersetzten den Spielenden das nöthige Zubehör. Klug bin ich nicht daraus
geworden, da kein geeigneter Erklärer zur Hand war, fand es aber doch
interessant genug und konnte es mir erklären, daß solche Spieltische
eigenartiger Konstruktion vor Beschädigung bewahrt wurden; als nämlich
das Hühnervolk mit Eifer nach Beendigung des Spiels die zahlreichen
gleichmäßigen Löcher aus- und durcheinander zu kratzen begann, wurde
ein Wachtposten in Gestalt eines kleinen Jungen dabeigestellt, der mit
perfekter Sicherheit jedes vorwitzige Huhn ein Steinchen zusandte, das
dieses zur eiligen Flucht veranlaßte.

Die Unterhandlung mit dem alten Häuptling betreffs einiger Führer hatte
dahin geführt, daß er willig mir solche stellen wollte und auch sich
erbot die gesammten männlichen Dorfbewohner mir zu überlassen, wenn
sie beim Fällen der Bäume benöthigt würden; kleine Geschenke nämlich
hatten seine Begierde nach mehr gereizt, und mit kluger Berechnung
sah er voraus, daß kaum jemals wieder eine solch günstige Gelegenheit
sich bieten würde, so leicht und bequem sich zu bereichern, er war
daher auch, als ich seinen Antrag, der mir höchst willkommen, annahm,
von ganz besonderer Liebenswürdigkeit und plapperte mir so viel vor,
als ich nur mit anhören wollte, obgleich ich selbst mit Hilfe eines
Dolmetschers schwer daraus klug werden konnte.

Daraus, daß die bestellten beiden Führer durch eine tüchtige Mahlzeit
sich erst stärkten, konnte ich schon entnehmen, der Weg würde lang und
beschwerlich sein, was sich auch bestätigte, als wir nach halbstündiger
Rast das hinter dem Dorfe ansteigende Gelände betraten und mühsam die
schmalen Fußpfade verfolgten. Bald ging es über durch wildrasende
Waldbäche zerrissenes Terrain, auf- und abwärts durch Schluchten und
über Hügel, bis schließlich in der wegelosen Wildniß unser Wagen durch
die immer dichter zusammenstehenden Sträucher und Bäume nicht mehr
fortzubringen war. Proviant und Handwerkszeug mußte vertheilt werden
und ich bedauerte nur, aus dem Dorfe nicht mehr Leute mitgenommen
zu haben, die die ziemlich stark belasteten Atonga, von denen 6 den
zerlegten Wagen theilweise zu tragen hatten, hätten erleichtern können,
aber zu spät und schon zu weit entfernt, mußte es eben so gut als
möglich vorwärts gehen. Reich an Widerwärtigkeiten war der Weg, bald
durch dichtes Gebüsch, bald an steilen Abhängen hinziehend, zerstachen
und zerrissen Dornhecken uns die Haut und unsere dünnen Kleider;
die nackten Menschen nicht imstande, sich gegen die scharfen Dornen
zu schützen, krochen oftmals mehr als sie aufrecht gingen hindurch.
Die Wege, welche die Führer verfolgten waren nur Wildpfade und ganz
angethan darnach, daß diese der Löwe und Panther, wie mir die Wangoni
versicherten, zur nächtlichen Streife benutzten; war doch die ganze
zerklüftete Umgegend so recht geeignet den gefährlichsten Raubthieren
als sicherer Zufluchtsort zu dienen. Dazu kamen wir durch Dickichte, in
welchen eine bienengroße Fliege förmlich Attacke auf unsere unbedeckten
Körpertheile machte, deren Stich so empfindlich und schmerzhaft war,
daß wir vorwärts eilten, so gut und schlecht es gehen wollte, um nur
diesen Quälergeistern zu entgehen.

Nach mühevollem Wandern am Fuße eines steilen Hügels angelangt, wo
das Terrain wieder in eine Art Lichtung überging, hieß ich den Wagen
hier zusammensetzen, und nun die Mannschaft davor, suchten wir den
bewaldeten Höhenkamm zu erreichen. Oben angelangt und im Schatten
knorriger aber breitästiger Bäume stehend, eröffnete sich vor unsern
Augen eine wilde, doch in ihrer Eigenart herrliche Gegend. Rechts
strebten die Hügel immer höher an, bis zu den fernen Bergen mit
Wald und Busch bestanden. Vor uns in der Tiefe lag eine Grassavanne
ausgebreitet, unterbrochen mit größeren Weideplätzen, auf denen
ungestört in kleineren Trupps verschiedene Antilopenarten, selbst das
Kudu, weideten, und weiter, an deren Grenze, mächtiges Rohrgebüsch, das
den Uferrand des uns schon bekannten Flusses einfaßte. Links von uns
aber, fiel das Terrain in sanfter Wellenlinie ab; es breitete sich ein
Waldidyll vor uns aus, wie ich solches in der afrikanischen Wildniß
noch nie erblickt hatte. Schlank und hoch, gleich einem herrlichen
Dom, unter dessen Schatten grüne Grasmatten ausgebreitet lagen, hoben
Baumfarren und Kaktusbäume ihre stolzen Kronen in die Lüfte und als wir
in diesem lichten prächtigen Wald wandernd, die ganze Herrlichkeit der
jungfräulichen Natur um uns bewundern konnten, war der Wunsch in uns
lebendig, an solcher Stätte verweilen und ruhen zu dürfen.

Von jener Höhe, von der ich herniederschaute auf diese sonnenbeglänzten
Gefilde, erschien die weite Ferne näher gerückt, aber es war nur ein
Trugbild der Reflexion, denn stundenweit dehnte sich das Waldgefilde
aus, ehe wir dieses durchzogen, wieder in die Grassavanne hinaustraten
und in der vollen Sonnengluth durch das mannshohe Gras vorwärts
strebten, die steilen Ufer eines jetzt nur wenig bewässerten Baches
hinab und hinauf, standen wir vor einer undurchdringlichen Mauer jener
Rohrmassen, wie solche hier allerwärts die sumpfigen Niederungen an
den Flüssen ausfüllten; dem Urbusch gleich, verwoben mit Schling- und
Dorngesträuch, war nur das plumpe Flußpferd und das Warzenschwein
fähig, hier hindurch sich Bahn zu brechen; auch die scheue Antilope
folgt in nächtlicher Stunde diesen Spuren, um zum frischen, klaren
Wasser zu gelangen, das sie während der heißen Tagesgluth vielfach
entbehren muß.

Ehe ich mich nun entschloß, aufs Geradewohl den dunklen Gängen, deren
mehrere in nächster Umgebung hier ausmündeten, zu folgen, fragte
ich die Führer, welche selbst nicht mehr wußten, wohin sie uns den
Weg zeigen sollten, (da ich solche Bäume, die sie für dick und hoch
bezeichnet hatten, für unbrauchbar erklärte,) ob nicht an dieser Seite
des Flusses irgendwo noch stärkere und geradere Stämme zu finden
seien. Dieses verneinend, wiesen sie in die Ferne nach den Bergen hin
und meinten, dorthin allein könnte es möglich sein, zu finden was
wir suchten. Nun solch einen weiten Weg durch die offene Grassavanne
auf gut Glück in glühender Sonne zu machen, das hielt ich denn doch
für zwecklos, und wie hätten wir wohl allenfalls dort gefundene
Bäume auf solchen Wegen, wie wir sie anfänglich durch Dickicht und
Busch uns gebahnt, zum Schire schaffen sollen? Also vorwärts -- der
Wagen zerlegt, die Leute, wie schon einmal, mit den Lasten bepackt,
ging es in einem der dunklen Gänge hinein. Kühl und feucht, selbst
modrig war die Luft da drinnen, und unwillkürlich schärften sich die
Sinne bei dem Gedanken, daß nächtlicher Weile der König der Wildniß
und der blutgierige Panther hier auch hindurch schlichen, um die
wehrlose Antilope, wenn sie vom Durst geplagt, zum Wasser eilte, nach
Katzenart zu beschleichen. Es war ja nicht das erste Mal, daß ich in
solche Reviere eindrang, wo unumschränkt die Gewaltigen der Thierwelt
herrschten, und an die Einsamkeit sowohl, wie an die Schrecken der
Wildniß gewöhnt, war die Beklemmung, die selbst den Muthigsten erfaßt,
wenn er auf solchen Pfaden geht, längst geschwunden, obgleich man doch
das Herz klopfen fühlt, sobald in der Dämmerung solcher Gänge das
lauschende Ohr irgend ein unerklärliches Geräusch vernimmt.

Nach halbstündigem Hindurchwinden, wobei es mit den Wagentheilen recht
mühsam vorwärts ging, traten wir wieder hinaus in hellen Sonnenschein
und silberglänzend lag der Fluß vor uns. Wissend, daß überall, wo
Flußpferde ihre Ausgänge im Uferdickicht gebrochen haben, sich
tiefes Wasser befindet, wollte ich hier gleich, da eine Messung nur
Mannstiefe ergab, den Uebergang versuchen, dagegen aber erhoben die
Führer Protest, indem sie erklärten nicht folgen zu wollen und dadurch
auch die Atonga zaudern machten. Es seien, wie sie behaupteten, an
solchen Stellen in diesem sonst seichten Flußbett immer Krokodile
gefährlichster Art vorhanden. Ich konnte mich hiervon auch bald
überzeugen, denn nach kurzer Umschau hatten die Leute drei mächtige
Thiere entdeckt, die nur mit dem Oberkörper über Wasser, halb im
Ufergebüsch verborgen lagen. Gleichzeitig feuernd, störten wir sie aus
ihrer behaglichen Ruhe auf, sahen auch dann, wie durch das Echo der
Schüsse erschreckt, eine ganze Anzahl im Wasser verschwand; selbst wie
ein Flußpferd weiter unterhalb den Kopf neugierig über Wasser hob und
dumpf grunzend sein Mißbehagen ausdrückte. Es blieb also nichts anderes
übrig, als nun längs dem Ufer vorzudringen, bis wir das Ende des tiefen
Beckens erreicht, eine seichte Stelle fanden, wo mit Ausnahme einer
tieferen Rinne der Uebergang leicht bewerkstelligt werden konnte.

Hier im Waldesschatten, dessen tiefes Dunkel sich endlos vor uns
auszudehnen schien, veranlaßte mich die überstandene Anstrengung
kurze Rast zu halten, und nun drängte sich mir der Zweifel auf, ob
ein weiteres Vordringen von Nutzen sei, da auch die Führer erklärten,
sie wüßten in dieser Wildniß sich nicht weiter zurecht zu finden;
rings um uns sei undurchdringlicher Urwald -- einen anderen Weg
zurück wären sie nicht imstande anzugeben. Doch bald entschied ich
mich zum Vorwärtsgehen, die Nothwendigkeit war ein Zwang, der alle
Bedenken beseitigte. Und weiter wanderten wir in der Walddämmernng
westwärts durch Urdickicht und lichteren Urwald, bis wir in später
Nachmittagstunde uns schließlich von undurchdringlichem Busch umgeben
fanden.

Wildromantisch war die nächste Umgebung, die dichte lebende Wand,
von Luftwurzeln und Lianen gebildet, die tausendfältig durcheinander
gewoben, jedes Eindringen gewehrt hätten, erschien wie eine Mauer,
durch die hindurch noch nie eines Menschen Hand Bahn gebrochen hat.
Und wo niemals vorher der müde Fuß eines Europäers Rast gehalten,
schleichend nur der Panther auf Beute ging, die Hyäne das sterbende
Wild zu finden weiß, das in tiefster Waldeinsamkeit sein letztes Lager
bettet, der Ruf der Nachteule die Stille unterbricht, rasteten wir, um
nach einem langen ermüdenden Marsche auszuruhen.

Recht lang schon wurden die Schatten der Bäume, wenn die scheidenden
Sonnenstrahlen vereinzelt durch das dichte Laub zu dringen vermochten,
als wir längs diesem Dickicht nach einer Stelle suchten, wo es weniger
schwierig war, durchzukommen, und die westliche Richtung wieder
eingeschlagen werden konnte. Nicht möglich war es, auch nur auf kurze
Distanz etwas genau zu unterscheiden, bis es zwischen den Bäumen nach
längerer Zeit plötzlich heller wurde, und eine Lichtung sich vor uns
aufthat, die zu einem ehemaligen breiten, jetzt aber trockenen Flußbett
führte. In diesem der Richtung folgend, wohin einst die Wassermassen
geflossen sein mußten, verengte sich das Bett mehr und mehr, bis wir
vor einer wildverwachsenen Schlucht weiteres Vordringen aufzugeben
gezwungen waren. Erst als wir links über die einstigen hohen Ufer einen
Weg uns suchten, kamen wir unverhofft zum Laufe eines kleinen Flusses
mit kaltem kristallhellem Wasser, und hier sahen wir zu unserer Freude
über den etwas niederen Urwald die Kronen riesenhafter Bäume hoch in
die Lüfte emporragen.

Zu spät, um mich noch von der Beschaffenheit jener Waldriesen zu
überzeugen, da mit der scheidenden Sonne zugleich sich tiefe Dunkelheit
über diesen endlosen Urwald lagerte, beschloß ich hier Halt zu machen
und auf einem freien Platze für die Nacht Lager zu schlagen, d. h.,
wir hatten nämlich nichts weiter zu thun, als das gesammelte Holz zu
entzünden und im Scheine der Feuer zu lagern, denn ohne jeden anderen
Schutz, als die Gipfel der Bäume über uns, mußten wir uns eben damit
begnügen. Nach einem über fünfzehn englische Meilen langen Weg, auf
einem Terrain, wie es schwieriger kaum gedacht werden konnte, sehnten
wir uns alle nach Ruhe, und bis auf den Posten, der die leuchtenden
Feuer der wilden Thiere wegen zu unterhalten hatte, lagen bald alle
nach einer frugalen Mahlzeit im tiefen Schlafe. Schlummernd in süßer
Ruh auf harter Erde, entrückt der Wirklichkeit, hallte plötzlich
die leise Stimme des Postens, der, mich rüttelnd, die Worte zurief:
+bwana, simba+ (Herr, ein Löwe), mir wie ein Donnerwort ins
Ohr! Die Waffe ergreifen und aufspringen, konnte ich kaum, vom Frost
geschüttelt, die Frage »wo ist er« hervorbringen und fast athemlos
starrte ich in die tiefe Finsterniß hinein. Erst nach einigen Minuten
war in der angegebenen Richtung wirklich ein dumpfes Brummen, mehr
grollendes Knurren, zu vernehmen, jedoch entfernt genug, um noch
eine böse Absicht des hier herumschleichenden Panthers, denn solch
ein Raubthier war es, nur voraussetzen zu können, obgleich ich der
Versicherung des Postens wohl Glauben schenken konnte, daß er das Thier
ganz nahe gehört habe.

Eine angenehme Ueberraschung hatte mir der Mann gerade nicht bereitet,
dennoch war ich zufrieden, daß er mich aus tiefem Schlaf geweckt
hatte, da ich, naß vom nächtlichen Thau, der gleich Regentropfen auf
der dünnen Kleidung lag, bei längerem Liegen auf der jetzt kalten und
nassen Erde, sicherlich mir ein schweres Fieber zugezogen hätte.
Längst ermuntert, kauerten nun auch die schwarzbraunen nackten
Gestalten, zitternd wie Espenlaub, um die halberloschenen Feuer.
Die Kälte der Nacht, dazu ein befürchtetes Renkontre mit solcher
gefährlichen Katze, hatte alle aus der Ruhe aufgeschreckt, und ich
glaube, wäre das Raubthier kühn genug gewesen, einen der Schläfer zu
überfallen, mit seiner Beute wäre es wahrscheinlich im Dunkel des
Waldes entkommen; die aufs Geradewohl abgegebenen Schüsse hätten den
Panther schwerlich daran gehindert.

Als nun zunächst die Feuer wieder angefacht worden, war über deren
Schein hinaus nichts zu unterscheiden, gelblich hell nur schimmerte
es im Kreise, und feuchtkalt wehte es vom Flusse herüber; ein weißer,
dichter Nebelschleier hatte sich über die weiten Gefilde ausgebreitet,
der selbst, als nach wenigen Stunden der junge Morgen anbrach, uns
verhinderte, unsere nächste Umgebung zu erkennen.

Erst als wieder goldenes Sonnenlicht durch das Dunkel des Waldes brach,
die wärmenden Strahlen die Nebel hob und zugleich den Körper neu
belebte, machte ich mich trotz des nassen Grases auf, um die nächste
Umgebung zu besichtigen. Ueber den Fluß hinweg, der in den am Tage
vorher durchschrittenen Nebenfluß des Schire münden sollte, erkannte
ich auf einige Kilometer Entfernung ebenfalls hohe, passende Bäume in
genügender Zahl, aber bis dorthin vorzudringen, da das tiefer liegende
Terrain ein einziger dichter Rohrbusch war, hätte enorme Anstrengung
gekostet; auch wollte ich höchst ungern den Fluß wieder verlassen, da
wir hier so bequem das benöthigte Wasser zur Hand hatten. Aus diesem
Grunde schon zog ich es vor, am rechten Ufer des Flusses zu bleiben,
selbst wenn sich hier noch größere Schwierigkeiten uns entgegenstellen
sollten.

Glück muß der Mensch haben, das hätte ich sagen können, als wir kaum
200 Fuß vom Flusse entfernt, rings umgeben vom mächtigen Wald, eine
kleine, mit nur wenigen Bäumen bestandene Lichtung fanden, und dazu,
wie der nähere Augenschein ergab, in der Nähe vier jener Baumriesen,
wie solche unserm Zwecke nicht besser entsprechen konnten. Ohne langes
Zaudern, beschloß ich hier das Lager zu erbauen, denn schwerlich hätte
sich ein gleich günstig gelegener Ort im Urwald gefunden, der nicht
erst von Menschenhand mit Axt und Messer gesäubert werden brauchte.
Zwar blieb die Frage betreffs eines geeigneten Rückweges noch offen,
aber ich dachte, auch hier wird sich ein Ausweg finden müssen, da
niemals daran gedacht werden konnte, die Balken auf dem Wege zum Schire
zu schaffen, auf welchem wir bis hierher vorgedrungen waren.

Passende dünne Baumstämme fanden sich zum sofortigen Aufbau der
Hütten nicht vor und mußte sich Ottlich solche später erst, wenn
er genügende Kräfte zur Hand habe, beschaffen; vorläufig mußte ein
provisorisches Unterkommen genügen, sowohl für die Schwarzen als auch
für den Europäer, und ein schnell gefällter Baum, dessen Aeste dem
Zwecke entsprachen, gab uns das nöthige Bauholz dazu. Man lernt es
in der Wildniß, sich mit den geringsten Mitteln zu behelfen. Auch
in diesem Falle waren von Zweigen, die mit bindfadengleichen Lianen
zusammengehalten wurden, mit Gras und Strauchwerk, bald von den
Atongas das Nothwendigste geschaffen. Schon vorher hatte ich unsere
Wangoni-Führer nach ihrem Dorfe zurückgesandt, mit der Weisung,
möglichst schnell Mehl, Bataten und Hühner herbeizuschaffen, und auch
ihrem Häuptling zu sagen, er möchte mir die angebotenen männlichen
Einwohner nun senden, je mehr desto besser.

Bestrebt, nun das weite Revier kennen zu lernen, namentlich einen
besseren Rückweg zu finden und nach mehr Bäume Umschau zu halten,
brach ich, begleitet von dem Zimmermann und einigen Leuten, bald
darnach auf, um im weiten Umkreis, so gut als dies möglich, den Wald
abzusuchen. Unglaublich schwierig aber ist ein Marsch in solchem
Urdickicht, tausend Hindernisse stellen sich einem entgegen. Besser
vorwärts ging es nur, wenn wir den Wildpfaden folgten, führten solche
aber entgegen unserer Richtung, dann waren die Schwierigkeiten wieder
da und die Faschinenmesser bahnten uns Wege durch Dornhecken und mit
Schlingpflanzen unzerreißbar durchwobene Luftwurzeln der Bäume.

Anfänglich westlich, nachher südlich vordringend, mochten wir wohl eine
halbe deutsche Meile vom Lagerplatz entfernt sein, als plötzlich ein
ausgetretener Fußpfad, nordwestlich nach den fernen Bergen führend,
vor uns lag. Es war keine Frage, durch den Urwald führte dieser Weg zu
menschlichen Wohnungen, aber rück- oder vorwärts, das war schwierig zu
sagen. Indes verfolgten wir diesen in der angegebenen Richtung eine
Strecke weit und kamen bald auf freieres Terrain mit zwischenliegenden
Grasebenen, durch welche aber der Weg wieder nach Südwesten abschwenkte
und uns in Zweifel ließ, ob dieser, der sich bald wieder im Dickicht
und Urwald verlief, uns nicht gerade in die entgegengesetzte Richtung
führte, da, soweit ich mich orientiren konnte, der Schirefluß
südöstlich von hier liegen mußte. Sehr schwer ist es, auf Vermuthungen
hin die Richtung eines gewundenen Negerpfades zu bestimmen, als nicht
selten, nur um Hindernisse zu umgehen, ein solcher rechtwinklig abbiegt
und man leicht auf die Idee verfällt, derselbe führe ganz wo anders
hin. Aus freien Stücken wird der Schwarze nie einen anderen Weg wählen,
als den ihm bekannten, selbst gewaltige Umwege ändern daran nichts.
Freilich ein tüchtiger Fußgänger ist der Neger, er liebt glatte Wege,
auf denen er ungehindert schnell fortschreiten kann und wird solche
auf jeden Fall eher vorziehen, als daß er bedeutend kürzere benutzen
sollte, auf welchen er Dornen und Gesträuch vorfinden könnte, die ihm
seiner nackten Füße und Körpers wegen unangenehm sein würden, ihn auch
zwingen vorsichtiger zu sein, welche Eigenschaft, wenn sie nöthig und
überflüssig erscheint, gerade nicht seine Passion ist.

Mit dem festen Vorsatze, an diesem Tage noch, wenn die Führer
zurückgekehrt sein werden, auszuforschen, wohin dieser Weg führe,
traten wir den weiten Rückweg wieder an an der Stelle, wo wir
vorsichtshalber den Austritt aus dem Dickicht mit unsern Handbeilen an
Baumstämmen gekennzeichnet hatten, indes wir merkten uns nur solche
Bäume, die schlank und hoch, zu schönen Balken sich am besten eigneten,
da hiervon gerade keine große Auswahl vorhanden war. An einer Stelle,
zu der wir mühsam uns durchgerungen, fanden wir ein paar prächtige
Stämme, gleich zwei Zwillingen, die ihre prächtigen Kronen hoch in die
Lüfte wiegten. Ihr Anblick erweckte in mir den Wunsch, diese beiden
zum Ersatz unserer durch das lange Liegen und den Transport reduzirten
Schiffsmasten zu verwenden; aber als die Zeit dazu gekommen und ich
nach Wochen ausging, sie wieder aufzusuchen, war es mir nicht möglich,
sie wieder aufzufinden. Wie manches Mal ich Leute darum aussandte,
wie oft ich auch selber zum Suchen ausging, es war vergeblich, jede
Spur verwischt, konnte im dichten Urwald, der sich überall gleich
blieb, jene Stelle nicht wieder aufgefunden werden, und die Folge war,
da keine gleich passenden Bäume aufzufinden waren, daß das Schiff
keine neuen Masten erhielt. Großer Achtsamkeit bedurfte es übrigens,
um in einem solchen Walde sich wieder zurechtzufinden, war doch das
Untergebüsch und zum Teil auch das Gras so dicht, daß es jede Aussicht
benahm und sehr aufmerksam mußte auf die Zeichen geachtet werden,
welche wir uns durch Knicken von Zweigen, Anhauen der Stämme, oder
Wegschlagen den Weg sperrender Luftwurzeln gemacht hatten. Die Zahl der
brauchbaren Bäume, welche ich auf dieser Streife gefunden hatte, war
noch unzureichend, doch hoffte ich, wenn Ottlich erst näher mit der
Umgebung bekannt sei, würde er dann noch einige finden; obwohl manch
anderer Baum sich wohl geeignet hätte, so waren doch die meisten nur
von kurzem Stamm und ergaben von den untersten Aesten ab, selten mehr
brauchbares Kernholz. Die größte Zahl der ungezählten Tausenden aber
war verkrüppelt, d. h. der Stamm kurz und gedrungen, meistens krumm
dazu, was erklärlich, da es dem jungen Bäumchen an Platz, Luft und
Licht zur Entwickelung gefehlt hat.

Zum Lagerplatz zurückgekommen, trafen bald darauf die sehnlichst
erwarteten Wangoni mit dem Proviant ein; sie hatten in 7 Stunden den
weiten Weg hin und zurück gemacht und waren doch noch bereit, gegen
eine Entschädigung sofort mit mir aufzubrechen, um den gefundenen Weg
zu erforschen, der nach ihrer Ansicht ein aus den fernen Bergen nach
Matope führender Angoni-Pfad sein müsse.

Den zurückbleibenden Leuten, unter Ottlichs Aufsicht, gab ich den
Auftrag, vorerst möglichst gerade Wege nach den aufgefundenen Bäumen
durch Dick und Dünn zu schlagen; solche hätten strahlenförmig vom
Lager auszugehen und könnten später, wenn die Bäume gefällt wären, von
den Wangoni nach Bedarf erweitert werden. Ich würde auch unverzüglich
Nachricht senden und fehlendes Handwerkzeug, sobald ein besserer Weg
und vielleicht eine nähere Verbindung zwischen hier und der Werft
gefunden sei.

Als das Nothwendigste geordnet war, brach ich mit den Führern,
einem Diener und einem Atonga auf, um den gefundenen Weg nun in der
entgegengesetzten Richtung zu verfolgen, mit der stillen Hoffnung, daß
derselbe durch ein weniger schwieriges Terrain führen werde, wie wir es
Tags zuvor durchwandert hatten. Und es war wirklich so, der Weg führte
Anfangs etwas bergauf, dann aber, nachdem der dichte Urwald hinter uns
lag, schlängelte er sich bald von durch Busch umsäumte Grasebenen, bald
durch lichten Waldbestand hin, auf einem gleichmäßigen Plateau. Hin und
wieder nur wurde der Weg schlechter und, zerrissen durch abgeflossene
Wassermassen, unebener.

Ueberraschend war es weiter, daß wir in später Nachmittagsstunde unter
schattigen Bäumen und provisorisch am Wege hergerichtetem Grasdach,
am lustig flackernden Feuer, eine Truppe Angoni, Männer und Frauen,
letztere selbst mit kleinen Säuglingen auf dem Rücken, antrafen, die
erschreckt und verwundert zugleich die Erscheinung des weißen Mannes
anstarrten, der unverhofft ihnen hier entgegentrat. Schnell orientirt
über das Wohin und Woher, erhielten wir von den Führern der Truppe den
Bescheid, diesen jetzt westlich laufenden Weg nur zu verfolgen, bis
sich ein Arm nach Süden, der andere flußaufwärts abzweigen würde, der
letztere führe uns am diesseitigen Ufer des Schire nach Mpimbi.

Nach einer Stunde etwa, immer durch lichten Wald marschirend, standen
wir endlich am Scheidewege und schauten von hier aus in die gewaltige
Niederung des Schireflusses, die von unserm erhöhten Standpunkt
terrassenförmig abfiel. Wie abgeschnitten war der Wald, der das weite
Plateau umsäumte -- vor uns lag die wilde undurchdringliche Ebene,
bestanden mit Busch und Rohr, die allein nur das Flußpferd und der
Büffel zu durchbrechen vermochte. Müde und ermattet vom weiten Marsch,
rastete ich hier im Schatten des Waldes und überlegte, wie ich wohl
später die schwer beladenen Wagen die steilen Abhänge hinabbringen
könnte. Es waren soweit keine unüberwindlichen Schwierigkeiten uns
entgegengetreten, der Weg würde für Wagen nur zu erweitern sein,
ob es aber möglich sein würde, die Abhänge und tiefen Gräben, wie
solche durch abfließende Wasser entstanden, zu passiren, schien eine
fragliche Sache, denn das Erdreich zu ebnen, eventuell abzutragen,
würde eine ungeheure Arbeit kosten, die jedoch ausgeführt werden mußte,
da sich bis jetzt kein anderer Ausweg darbot.

Meine Leute, nicht minder durstig als ich, waren ausgegangen, den
hier nach der Angabe jener am Wege lagernden Wangoni vorhandenen
Wassertümpel aufzusuchen und, allein zurückbleibend, wurde ich
plötzlich von einer Anzahl mit Schildern, Speer und Bogen bewaffneter
Angoni-Krieger überrascht, die aus dem Gebüsch herauskamen und eiligen
Schrittes Mann hinter Mann den Waldpfad betraten. Wie angewurzelt
standen sie, als sie mich erblickten und ihre geschulterten Waffen
senkten sich unwillkürlich, aus Furcht, der ihnen hier unvermuthet
entgegengetretene weiße Mann führe vielleicht Böses im Schilde. Scheu
wichen sie zurück, als ich auf sie zutrat und machten mir Platz, dabei
starr die Augen auf meine Waffe gerichtet, auf der ich mich stützte.
Selbst meine freundliche Anrede verscheuchte ihren Zweifel nicht,
da sie mich nicht verstanden, und wären ihrer so viele nicht dem
einen gegenüber gewesen, sie hätten, glaube ich, am liebsten Reißaus
genommen, zumal ein schriller Pfiff aus meiner Signalpfeife, der meine
Begleiter herbeirufen sollte, sie erst recht erschreckte, soviel
begriffen sie nur, daß ich die Absicht hegte, sie aufzuhalten. Scheu
und Furcht war aber ebenso schnell geschwunden, sobald sie von den
beiden Führern begrüßt und um Auskunft gefragt wurden, welcher von den
drei Wegen hier, anstatt der uns angegebenen zwei, nach Mpimbi führe.

Die Leute erzählten, sie hätten, auf der Jagd begriffen, ein Kudu,
die größte Antilopenart, am Wasser überrascht und schwer verletzt,
es sei ihnen aber, dessen Spur sie sehr weit verfolgt, im Dickicht
abhanden gekommen und von der nutzlosen Verfolgung absehend, wollten
sie sich wieder an einen großen Wassertümpel im Hinterhalt legen, zu
dem nächtlicher Weile das Wild zur Tränke komme. Ich habe später an
jenem Wasser selber gestanden und muß bezeugen, daß der Ort nicht
schlecht gewählt war. Aber da dorthin nicht blos die harmlose Antilope
kam, um ihren Durst zu stillen, sondern ich auch die Panther- und
Löwenspur, des Büffels und Zebras fand, so kann man wohl den beherzten
Jägern persönlichen Muth zutrauen, zumal nur List und Verschlagenheit
einen Erfolg verspricht, die entschieden dazu gehören, um sich an
die vorsichtigen Thiere heranzumachen. Ihre Waffen, im Nahkampf so
gefährlich, waren doch nutzlos, sobald sie solche nicht auf nur ganz
kurze Entfernung schleudern konnten, auch daß sie sich nie damit an
Raubthiere wagen dürften, war selbstverständlich.

Sehr zufrieden, daß uns der richtige Weg bezeichnet worden war --
ich hätte ohne diese Begegnung den falschen gewählt und wir hätten
sicherlich, da der Tag zur Neige ging, in der Wildniß umhergeirrt
-- brachen wir sogleich auf und verfolgten den wenig begangenen
Fußpfad, der uns durch hohes Gras und Gebüsch führte. Drei Terrassen
niedersteigend, erkannte ich erst, wie ungeheuer schwierig es sein
würde, hier die Balken hinabzuschaffen und welche zeitraubende Arbeit
es sein müßte, durch solches Gehege einen Weg zu bahnen.

Schon nahte der Abend, als wir Anpflanzungen und Felder der
Eingeborenen vor uns liegen sahen, und bald darauf ein von einer
Rohrwand umgebenes kleines Dorf betraten. Nur wenige Frauen fanden
wir in der Umzäunung, die eiligst bei unserm Anblick in den Hütten
verschwanden, nur ein altes Mütterchen stand uns Rede und Antwort;
mürrisch zwar, ob der unliebsamen Störung, gab sie uns doch den
Bescheid: wir sollten nur den hinter dem Dorfe zum Flusse führenden
Weg verfolgen, den Fluß durchschreiten, so würden wir in einer
halben Stunde etwa nahe Mpimbi sein. Und wirklich standen wir bald
am hohen Ufer desselben Nebenflusses, den wir meilenweit oberhalb
durchwatet hatten und auch hier, ebenso flach, bot der Uebergang keine
Schwierigkeit. Hätte dieser Fluß nur durchweg einige Fuß Wassertiefe
gehabt, so wäre es trotz allem der bequemste und kürzeste Weg gewesen,
mittelst eines Bootes die Hölzer herunterzuflößen, so aber war dieses
leider unmöglich und nichts anderes blieb übrig, als den erkundeten Weg
für den Transport zu wählen.

In der Dunkelheit durch Gras und Busch folgten wir den einsamen Pfaden,
kamen schließlich zu den Mais- und Mtamafeldern, die die Dörfer jenes
Häuptlings umgaben, der uns einst den Durchzug verwehrt hatte; hier
besser orientirt, drangen wir bis querüber der Werft vor, und bald
scholl aus dem dichten Ufergebüsch in dunkler Abendstunde das »Boot
ahoi!« hinüber.

Höchst zufrieden mit dem schönen Verdienst, welchen ich den beiden
Führern auszahlen ließ, waren sie sehr bereit, mehrere Tage lang als
Boten zwischen dem Lager im Urwald und der Werft zu dienen. Sie hatten
demnach Proviant und Handwerkszeug tragende Atonga, sowie einzelne von
Blantyre neu engagirte Zimmerleute den unbekannten Weg zu führen, auch
die Verbindung mit ihrem Häuptling aufrecht zu erhalten und dafür zu
sorgen, daß die 30 Mann schnell zur Unterstützung abgesandt würden.
Mit der Verproviantirung so vieler Leute, die an und für sich schon
schwierig war, hielt ich es dort im Lager ebenso, wie auf der Werft;
jeder Mann mußte für das ihm ausgezahlte Poscho seinen Bedarf selber
kaufen und, um diesen zu decken, hatten zwei Mann den Einkauf zu
besorgen.

Da meine Anwesenheit auf der Werft nun für längere Zeit nöthig war,
konnte ich die Arbeiten im Urwald keiner regelmäßigen Kontrolle
unterziehen, höchstens eine Verständigung auf schriftlichem Wege
erzielen, oder jeden Sonnabend, wenn Ottlich zur Werft kam und über
seine Arbeit berichtete. Wohl hatte ich mich anfänglich, wenn die
Nothwendigkeit vorzuliegen schien, auch Sonntags früh aufgemacht und
die weite Wanderung bis zum Lager angetreten; indes einen Weg von
nahezu 45 Kilometern in heißer Sonnengluth an einem Tage zurückzulegen,
um zur rechten Zeit wieder am Platze zu sein, solcher Anstrengung war
der Körper doch nicht recht gewachsen, und schon darum, weil sich
jedesmal nach solchem Marsche Fieber einstellte, das mich für den
nächsten Tag fast zur Arbeit unfähig machte, mußte ich mir an den
Berichten genügen lassen.

Der Monat April, ein wetterwendischer Geselle, wie er mit Recht in
der gemäßigten Zone bezeichnet werden kann, zeigte auch hier kein
allzufreundliches Gesicht. Gewitter, Regengüsse, kalte Nächte und
heftige Winde bildeten den Uebergang zur trockenen Jahreszeit. Solcher
Witterungseinfluß war auf die Gesundheit der Europäer nicht günstig
und ob nach Möglichkeit ein jeder Handwerker sein Theil an der
schweren Arbeit auf der Werft zu thun suchte, war es doch den meisten
nicht möglich; sehr selten nur konnte ich einen Tag bezeichnen, an
welchem alle gesund und ihr Tagewerk zu schaffen im Stande waren. Eine
eigentliche Verzögerung fand aber nur bei dem Aufbau der Dampfkesseln
statt, insofern, als das Einziehen der Niete die Kräfte der Leute bei
dieser schweren Arbeit stark mitnahm, während am Schiffe, wo schon mit
dem Anlegen der Stahlplatten begonnen war, die Schwarzen hilfreiche
Hand leisten konnten, und unter meiner und Zanders Aufsicht, namentlich
die Atonga-Abtheilung, mit Geschick arbeiteten.

Im Anfang Mai, mit dem letzten Wagentransport und den letzten Trägern,
war das ungeheure Schiffsmaterial über das Gebirge geschafft; also
in weniger als drei Monaten annähernd 7000 Lasten, wenn das mit
eingerechnet wird, was die Wagen an Arbeitskräften erspart haben, und
das auf Wegen und zu einer Jahreszeit, die gewiß die ungünstigsten
waren. Kein Stück der tausenden Theile, dank der scharfen Kontrolle,
war verloren gegangen, nichts in der Weise ruinirt, daß es hätte
verworfen werden müssen und was an minderwerthigen Sachen verdorben
war, konnte dem Einfluß der Witterung und den gefährlichen Termiten
zugeschrieben werden. Wie schon erwähnt, waren alle wesentlichen
Holztheile aus Teakholz gefertigt, an das die weiße Ameise nicht
heranging, und waren Beschädigungen, namentlich an den langen
Decksplanken auch vorgekommen, so waren doch so viele in Reserve, daß
der Ausfall uns keinen Abbruch that.

Um diese Zeit nun wurde mir die Aufsicht über alles wesentlich dadurch
erleichtert, daß, nach erfolgter Ankunft in Mpimbi, der Führer der
Transport-Expedition, Herr v. Eltz, den Aufbau unseres Leichters
übernahm und diesen mit den Sudanesen vollendete. Als das Fahrzeug
zu Wasser gebracht war, sollten mit demselben alle Gegenstände,
welche erst später zur Vollendung des Schiffes gebraucht wurden, zum
Nyassa-See geschafft werden, da es nicht rathsam erschien, den Dampfer
mehr als nöthig zu belasten. Doktor Röver, nun auch vom Lagerkommando
entbunden, erhielt den Auftrag, mit Unterstützung von etwa 30 Soldaten
und des Artisten Herrn Franke, am Südende des Sees die Station Port
Maguire anzulegen, damit nach vollendetem Stapellauf des Schiffes und
dessen Ueberführung zum See dort alles vorbereitet wäre. Eile, um diese
gewiß sehr umständlichen Arbeiten auszuführen, war um so mehr geboten,
als es galt, in einem eigentlich feindlichen Lande sich festzusetzen,
und die Schwierigkeiten, welche sich der Gründung einer Station
entgegenstellen konnten, nicht vorher zu beurtheilen waren.

Zur Zeit als der Leichter nach seinem Bestimmungsort abgesandt wurde,
waren auch alle Arbeiten am Schiffskörper soweit vollendet, daß mit dem
Nieten begonnen werden konnte und jeder Europäer wurde herangezogen,
um mit tausenden von Nieten die Schiffsplatten in sich und an den
Spanten zu befestigen. Lustig klangen auf der Werft Hammer und Ambos,
loderten die Feuer der Schmieden, und viel fleißige Hände regten sich,
das große Werk der Vollendung näher zu bringen. Ging aber auf der
Werft auch alles mit regem Eifer vorwärts, so wollte es mir scheinen,
daß im Urwald das Fällen der Bäume, das Behauen derselben, nicht so
rüstig gefördert würde, denn wiederholt lauteten die Berichte sehr
unklar, so daß ich zweifeln mußte, ob die Arbeit auch zur rechten Zeit
würde beendet werden. Auch zeigte Ottlich, des einsamen Lebens im
Urwald überdrüssig, nicht mehr so viel Eifer für die Sache, da ihm ein
Gefährte nicht beigegeben werden konnte.

So war ich denn gezwungen, sollte nicht eine unliebsame Verzögerung
eintreten, die Aufsicht der Werft an Herrn v. Eltz abzutreten, was um
so eher angängig war, als beim Nieten des Schiffes keine speziellen
Anordnungen getroffen werden brauchten. Dringender noch wurde meine
Anwesenheit im Urwald, als mir die Nachricht zu Ohren kam, daß der
Zimmermann, aus Furcht vor einem Ueberfall von Seiten der Wangoni,
wohl mehr noch vor den dreister werdenden wilden Thieren, zu dem
uns bekannten Wangoni-Häuptling geflohen sei und das Lager während
verschiedener Nächte schon preisgegeben habe; darum zögerte ich nicht
mehr und siedelte mit dem zweiten Steuermann über, um für Wochen im
Urwald ein einsames, abgeschlossenes Leben zu führen.

Da die Regenzeit vorüber war, deren Dauer die Natur verjüngt hatte,
machte die glühende Sonne, von keinem Wölkchen mehr getrübt, nun ihren
ganzen Einfluß geltend, und was ihr heißer Strahl aus der vom vielen
Regen getränkten Erde zum Leben geweckt, das versengte sie jetzt wieder
mit ihrer Gluth. Das mannshohe Gras in der Savanne war gereift;
trocken und gelb hingen die Blüthenähren und die weiten Massen, wie ein
ungeheures Kornfeld anzusehen, harrten nur des Feuerfunken, um sie zu
vernichten. Auch Baum und Strauch, versengt, ließen die fahlen Blätter
hängen. Wie ein Herbstgemälde war das Waldrevier anzuschauen, als wäre
nicht mehr fern die Zeit, wann alles Leben unter dem Gluthhauch der
Tropensonne ersterben würde, nur die Schmarotzer und Lianen prangten
noch im frischen Grün und ließen mit ihrem Blüthen- und Blätterschmuck
den Baumriesen, den sie umschlungen hielten, voll von Kraft strotzend
erscheinen, während ihm doch schon der Lebenssaft zu schwinden begann.

Das Unangenehmste aber war der befiederte Grassame; federleicht, vom
Windhauch hinweggeführt, setzte sich derselbe in den Kleidern fest,
und, nadelscharf, zu hunderten das dünne Zeug durchdringend und die
Haut spickend, verursachten die Körnchen eine höchst unangenehme Pein.
Fast unerträglich wurden sie aber dann, wenn man gezwungen war, durch
das Grasfeld selbst zu marschiren, jede Berührung schon schüttelte den
Samen ab, und hätte ich es wagen dürfen, ich hätte mich gleich dem
Neger aller Kleidung entblößt, um nur solcher Qual zu entgehen.

Sobald der Waldbestand auf dem Plateau erreicht war, fand ich hier,
soweit es nöthig gewesen, überall solche Bäume aus dem Wege geräumt,
die dem Wagentransport hätten hinderlich sein können, ebenso die
zwischen den Waldflächen liegenden Grasmassen waren vom Feuer zerstört.
Die Wangoni, um sich die Arbeit zu erleichtern, hatten alles was
brennen wollte, in Flammen gesetzt, und im weiten Umkreis, wohin man
sonst nicht wegen der wogenden Grasmassen hatte blicken können, war
alles vernichtet und viele tausend Baumstämme standen geschwärzt bei
einander, um welche die Feuersgluth getobt hatte.

Der gerade Weg, der auf diese Weise bis zum dichten Urwald geführt
worden war, zeigte erst hier, welch eine Arbeit Axt und Buschmesser
verrichtet hatten. In dem undurchdringlichen Gebüsch, das geradezu wie
eine Mauer von Luftwurzeln und Schlingpflanzen verwachsen war, waren
über 30 Meter lange Gänge geschlagen worden, in denen bei hellem Tage
Dämmerung herrschte, und modernde Stämme gestürzter Baumriesen waren
weggeräumt, um einen Weg für die Wagen zu schaffen. Breite, lange Wege,
wie ich es angeordnet, waren von dem Lagerplatz aus nach den gefällten
Bäumen geführt, und hatten solche auch nicht der dichtstehenden Bäume
wegen in gerader Linie geschlagen werden können, so waren sie doch
wenigstens so beschaffen, daß ein beladener Wagen passiren konnte.
Vier lange Wochen hatten 30 Wangoni tagein und -aus gearbeitet, um
solches Werk zu vollbringen und nur wer sich einen Begriff von der
Beschaffenheit eines afrikanischen Urwaldes machen kann, wird eine
solche Arbeit beurtheilen können, wie sie hier ausgeführt worden war.

Indes war nun auch alles Mögliche geschehen, geeignete Verbindungswege
herzustellen, so war doch die Arbeit, worauf es hauptsächlich ankam,
das Behauen der bereits gefällten Bäume, sehr vernachlässigt und
thatsächlich fand ich von den benöthigten 400 Fuß Balken kaum 40
fertiggestellt vor. Die schwarzen Zimmerleute, in letzter Zeit sich
selber überlassen, hatten ohne genügende Aufsicht nach Gutdüncken
gearbeitet und wenn auch die Stämme durchschnittlich 3-4 Fuß
Durchmesser hatten, aus denen Balken von einem Quadratfuß behauen
werden sollten, so war doch bei weitem während so langer Zeit nicht
genug geschaffen worden. Auf solche Weise konnte es nicht weitergehen
und unbedingt nothwendig wurde es, daß ich selber die Leitung der
Arbeiten in die Hand nahm, denn sonst wäre der Schiffskörper viel eher
fertiggestellt gewesen, ehe noch an das Legen der Schlipp gedacht
werden konnte.

Die Furcht vor den Wangoni, die zwar jetzt oft in das Lager kamen, um
Lebensmittel zu verkaufen, war grundlos, wahrscheinlich, was ich nicht
recht erfahren konnte, hatten die Zimmerleute Streit mit den Verkäufern
gehabt, der zu einer Drohung von Seiten der Wangoni die Veranlassung
gewesen, dagegen war die Furcht vor den dreister gewordenen wilden
Thieren wohl berechtigt, allen eine gewisse Scheu einzuflößen; hatte
ich doch vorher schon oft genug Nächte im Urwald verlebt, um genügend
bekannt zu sein mit den nächtlichen Stimmen, die bald fern bald nah
ertönen, die Anwesenheit unheimlicher Gäste zur Gewißheit machten,
abgesehen von denen, die bei Tage aufgejagt, vor den Menschen scheu
schnell im Dickicht und Gras verschwanden.

Da die 30 Mann starke Hilfstruppe der Wangoni-Arbeiter nun entbehrlich
war, ließ ich die Leute mit schönem Verdienst wieder in ihr
Heimathsdorf abziehen; dafür aber soviel Atonga von der Werft kommen,
als zum Fällen noch benöthigter Bäume und zum Anschlagen derselben
gebraucht wurden. Auch mehr Zimmerleute und Brettschneider mußten von
Blantyre herbeigeschafft werden. Jeder der eine Axt nur zu handhaben
verstand (und wer es nicht konnte, dem wurde es dutzend Mal gezeigt)
fand als Vorschläger eine Anstellung d. h. die Leute mußten die Stämme
nach vorgezeichneter Linie so einkerben, daß die Zimmerleute mit
Leichtigkeit das überflüssige Holz abschlagen konnten und eigentlich
nur das Beputzen auszuführen hatten. Weithin hallte der Urwald wieder
von den Axtschlägen, die auf 6-7 Stellen zugleich ertönten, und die
sonst hier herrschende feierliche Stille wurde von dem Gesang der immer
lustigen Atonga unterbrochen.

Tagsüber hatte ich unablässig zu kontrolliren und anzuordnen, damit
nur die Balken nicht verhauen wurden, kam es doch den Atonga garnicht
darauf an, oft viel tiefere Kerben einzuhauen, als sie sollten; warum
ihnen eigentlich der Strich vorgezeichnet war konnten einige absolut
nicht begreifen. Ebenso hatte Ottlich genug zu thun Axtenstiele zu
verfertigen oder Sägen zu schärfen; wurde am Abend das Handwerkszeug
abgeliefert und überzählt, fanden sich jedes Mal verschiedene Beile und
Äxte die unbrauchbar waren.

Mit allen Kräften ging es nun an das Behauen der bereits vorher
gefällten Bäume. Auch eine Abtheilung Atonga, 8 Mann stark, mußte
die aufs Neue ausgesuchten Bäume fällen und, da eigenthümlicher
Weise solche Riesen nur im dichtesten Gebüsch aufgewachsen waren,
galt es erst, um solchen mächtigen Stamm Raum zu schaffen, was
nicht so leicht war, als ein Netz von Luftwurzeln und Lianen eine
Annäherung verhinderte. Von den oft 40-50 Fuß wagerecht nach allen
Seiten vom Stamme abstehenden Aesten, in deren dichtem Laubwerk viel
andere minder hohe Bäume verwachsen, waren die das ganze wie eine
wirre Masse verbindenden Schmarotzerpflanzen nicht herabzureißen,
und nur in Mannshöhe zu entfernen. Armdicke Pflanzen, die den Stamm
schlangengleich umwunden und bis zur Krone hinauf ihre endlosen Fühler
ausgebreitet hatten waren oft so mit dem Holz verwachsen, daß nach
ihrer Entfernung, solcher Baumstamm von tiefen Furchen durchzogen
war; übrigens im unglaublich dichten Dickicht konnte nur so weit Raum
geschaffen werden, daß mit Aexten und Sägen ein freies Hantiren möglich
wurde.

Die 4-6fach vom Stamme abstehenden, oberhalb des Erdbodens befindlichen
Stützwurzeln eines solchen, oft über 12 Fuß Umfang haltenden Baumes,
machten uns viel Arbeit; sie behinderten sehr das Durchschlagen des
Baumes, dem nur wenige Fuß über der Erde anzukommen war. Zäh und fest
gleich Eichenholz, konnte mit unsern Baumsägen wenig erreicht werden,
und war nach 3-4tägiger schwerer Arbeit der Baum wirklich durchhauen,
wollte einige Male, gehalten durch andere Baumkronen, solch Riese
nicht stürzen; bei zweien gab ich den Versuch schließlich auf sie
herunterzubringen, da sie sich in den Zweigen ebenso mächtiger Bäume
verwickelt hatten und vom Stumpf abgleitend, aufrecht stehen blieben.
Stürzte aber solch ein Riese, dann war es wie das Rauschen eines
Wirbelwindes und mit furchtbaren Krachen Bäume, Aeste und Sträucher
niederreißend im Fallen, war es für die Arbeiter rathsam sich eiligst
aus der näheren Umgebung zu entfernen.

Zwei am Rande steiler Abhänge gefällte Baumriesen stürzten trotz
angewandter Vorsicht doch in die Tiefe und mußten, so wie sie
niedergestürzt waren, behauen werden, da keine Menschenkraft im
Stande war, die mächtigen Stämme in eine andere Lage zu bringen. Den
einen dieser Balken gelang es uns mit vieler Mühe mit 50 Mann und
einem Wagen doch noch zur Höhe zu schaffen, den zweiten aber mußte
ich liegen lassen, weil wir ihn nicht regieren konnten. Um nun aber
die langwierige Arbeit nicht vergeblich gethan zu haben, wollte ich
den noch 2-1/2 Fuß im Quadrat haltenden Koloß an Ort und Stelle zu
Planken zersägen lassen. Zu diesem Zwecke wurde dicht daneben ein
mannstiefer Graben aufgeworfen, dann der Balken auf starke Unterlagen
gewälzt, mit dem Auftrennen begonnen. Diese Arbeit wurde den von
Blantyre beorderten Brettschneidern übertragen und freute ich mich,
daß aus einem einzigen Stamm fast der ganze Bedarf an Planken gedeckt
werden konnte, auch achtete ich besonders darauf, daß die Schnitte
möglichst gerade ausgeführt wurden. Als bis auf 2/3 der Länge jede
Planke aufgetrennt war, glaubte ich nun getrost die weitere Aufsicht
andern überlassen zu können, aber von der Werft zurückgekehrt, wohin
eine nothwendige Anordnung mich gerufen hatte, auch dort zwei Tage
vom Fieber festgehalten wurde, fand ich die ganze Arbeit verdorben
vor. Nämlich: es nicht für nöthig haltend, die Leute anzuleiten und
zu kontroliren, hatte der mit der Aufsicht beauftragte Europäer
dieselben nach Gutdünken lustig darauf los schneiden lassen, sodaß
die Säge in jedem Schnitt nicht mehr senkrecht, sondern unter einem
Winkel von schließlich 20 Grad geführt worden war, und in Folge dessen
sämmtliche Planken auf ein Drittel ihrer Länge fast unbrauchbar
wurden. Den Leuten, die zwar auch ihre Arbeit verstehen sollten,
konnte ich eigentlich weniger Vorwürfe machen, weil sie gewohnt
sind, unter Anleitung und Aufsicht zu arbeiten, sie hatten aber auf
meine Hinweisung, daß sie doch gar zu dumm wären, nur die lakonische
Ausrede: wir machen es in Blantyre immer so! Es ist schwer, die vielen
Widerwärtigkeiten, die ich mit den Blantyre-Leuten hatte, zu schildern,
vor allem war ihre angeborene Trägheit und Gleichgültigkeit schwer
zu überwinden; ich kann sagen, wenn ich mich nicht auf Ueberraschung
verlegte, fand ich jeden Mann sehr eifrig bei der Arbeit, vorher aber,
wenn sie mich weit entfernt wußten, hatten sie herzlich wenig gethan.
Dennoch zwang ich sie ein bestimmtes Pensum fertig zu machen, das mir
als Tagesarbeit genügend schien; hatten sie es vollendet, waren sie
frei, wenn nicht, mußten sie bis zur Dunkelheit arbeiten. Dieses Mittel
einige Male angewendet, half, sie wußten sich dann schon für die Folge
einzurichten.

Panther, Hyäne, Leopard und selbst die Pantherkatze, die unserm auf
Pfählen erhöhten Hühnerstall vergebliche Besuche abstatteten, waren
beständig unsere nächtlichen Gäste; lautlos schlichen diese Raubthiere
um Hütten und Lager, aber nie wollte es uns gelingen, auch wenn wir
einen Theil der Nachtruhe opferten, einem dieser Besucher einen
Denkzettel aufzubrennen. Nur eines Abends, als um die helllodernden
Feuer die Zimmerleute versammelt lagen, gelang es einem der Kapitao,
einer langsam und vorsichtig heranschleichenden Hyäne eine Kugel
zuzusenden. Aufs Blatt getroffen, brach das Thier unter Feuer zusammen,
schleppte sich aber doch noch eine Strecke weit und war verendet, ehe
wir es erreichten. Sprichwörtlich ist die Feigheit der Hyäne, doch
glaube ich, nach der Größe dieses ausgewachsenen Thieres und nach
dessen furchtbarem Gebiß zu urtheilen, ist es kein zu verachtender
Gegner, wenn es in die Enge getrieben, zur Gegenwehr gezwungen wird.
Im Uebrigen aber verdient es die Nichtachtung als Leichenräuber und
betrachtet man die kräftigen, mit großen Krallen versehenen Pfoten,
nimmt es nicht Wunder, daß es schnell Gräber aufwühlen und tiefe
Höhlen sich graben kann. Ungemein widerlich ist der Anblick solchen
langhaarigen zottigen Thieres, mehr noch der Aasgeruch, der von diesem
ausgeht.

Entfernt genug vom Lager ließ ich das todte Thier wegschleppen, ohne es
zu verscharren. Ich war neugierig, ob nicht andere Hyänen es aus Hunger
anschneiden würden, das war aber nicht der Fall, nur Geier konnte ich
beobachten, die daran ihre ekelhafte Mahlzeit hielten.

Etwas anderes, als mit diesen schon gefährlichen Raubthieren, die doch
eigentlich eine gewisse Scheu vor dem Menschen zeigten, war es mit
dem König der Thiere, dem furchtlosen Löwen; drang dessen Stimme auch
nächtlicher Weile durch den Urwald und machte alles verstummen, wenn
er grollend sein dumpfes Brüllen erschallen ließ, das das Echo des
Waldes weckte, so war es noch unheimlicher, sobald der Beherrscher des
Thierreichs in unsere unmittelbare Nähe kam. Schon in der vierten Nacht
meiner jetzigen Anwesenheit im Urwald, hatte uns die Stimme des Löwen
geschreckt und nur wenige Tage später, in früher Morgenstunde, war
einer im Lager selbst.

In tiefdunkler Nacht, die glimmenden Feuer von der schlafenden Wache
vernachlässigt, schreckte uns plötzlich das mächtige Brüllen des Königs
der Thiere aus tiefem Schlafe empor. Halb betäubt noch, hallte im
ersten Moment seine Stimme wie ein grollendes Brausen uns in die Ohren
und wie ich eigentlich von meinem harten Lager heruntergekommen bin
und dann mit der Waffe schußbereit durch die Oeffnungen in die tiefe
Dunkelheit hinausspähte, wußte ich und die Gefährten kaum; wenigstens
war der erste Impuls, dem Ruhestörer entgegentreten zu müssen.
Totenstill war es ringsumher, als erzitterten Mensch und Thier vor der
Stimme des Gewaltigen, bis alles wieder aufathmete, als erst von ferne
das Brüllen durch den Urwald drang.

Erkennbar war in solcher Dunkelheit nichts, und als ich aus meiner
Hütte in die Nacht hinaustrat und vergeblich mit lauter Stimme nach dem
Posten gerufen hatte, fand ich alle Leute wie eine Heerde Schaafe in
ihren Behausungen zusammengedrängt vor, nicht einer hatte sich getraut,
die Feuer wieder anzufachen. Bald darnach wurde es wieder laut im
Urwald, und, als wäre ein Alp von allen genommen, so munter schrieen
die Nachteulen und viele andere nächtliche Wanderer, als Leopard,
Panther etc., das kreischende Lachen der Hyäne vollendete das Konzert.

Beim Durchwandern des weiten Waldes fanden wir auch eine vereinsamte
im Dickicht verborgene menschliche Wohnstätte; niedergebrannt war das
Dach und rauchgeschwärzt die Lehmwände. Eine aus einem Dorfe verstoßene
Familie, wie mir die Wangoni erklärten, hätte hier eine Zufluchtstätte
gesucht, bei der Abwesenheit des Mannes aber sei einst ein Löwe
eingedrungen und habe ihm sein Weib und seine Kinder getödtet und
geraubt, und nun als ihm sein Alles genommen, habe er Feuer an diese
Hütte gelegt und der friedlichen Stätte den Rücken gekehrt.

Daß der Wald mit seinem vielfach undurchdringlichen Untergebüsch eine
Zufluchtstätte für allerlei Raubgesindel sei, wozu neben anderen
der blutdürstige Panther, Leopard und die mit der Schnauze immer
am Boden umherwitternde Hyäne gerechnet werden muß, erfuhren wir
mehrmals, denn namentlich in den Morgenstunden, wenn ich zu einer
besonderen Arbeit eine Kolonne auf wenig betretenen Wegen, die uns als
Richtsteige dienten, hinausführte, sprang plötzlich über Gras und Busch
hinwegsetzend, ein Leopard vor uns auf und verschwand im dichten Grase;
an den schwankenden Halmen konnten wir dann nur noch erkennen, welchen
Weg, in kurzen Sätzen springend, das Raubthier genommen hatte.

Bevölkert sind die weiten Ebenen mit einem großen Wildstand, als
Kudu, Busch- und Riedbock, Zebra, Büffel, Warzenschwein, Tauben,
Perl- und Waldhühner etc., aber die Dringlichkeit unserer Arbeit
machte es, außer Sonntags, unmöglich, Leute auf die Jagd zu schicken,
um Fleisch herbeizuschaffen, so sehr wir solches auch entbehrten.
Mit unserem Proviant war es übrigens auch nur spärlich bestellt,
ohne Brot, das wir seit langen Monaten nicht mehr gesehen, ohne süße
Kartoffeln, die Zeit der Ernte war noch nicht dafür gekommen, wollten
uns allein mit Tomaten die Hühner nicht schmecken. Meine zum Einkauf
ausgesandten Leute kehrten erst immer nach zwei bis drei Tagen aus den
fernen Angoni-Bergen zurück, oft dann nur für wenige Tage Proviant
mitbringend; weniger schwer war es für die Arbeiter, Matamamehl,
welches durchziehende Wangoni in Körben oder Ziegenfellen zum Kauf
anboten, zu erhalten.

So anregend die Jagd auch war, so war es doch eine zu große Strecke und
ein zu beschwerlicher Weg, ehe das Ende des Urwalds erreicht werden
konnte, wo das Wild in Heerden auf der Savanne gefunden wurde, außer
einem Büffel, übrigens ein nicht zu verachtender Gegner, wenn das
mächtige Thier verwundet den Jäger annimmt, einem Schwein und ein paar
Antilopenarten, wurde nichts geschossen.

Eines Sonntags Morgens ging ich allein, nur begleitet von einem Angoni,
zur Jagd; ich fand auch im mannshohen Grase, durch das ich stundenweit
wanderte, eine große Menge Hühner, die meist unter den Füßen erst
aufflogen, um sofort mit heiserem Geschrei wieder einzufallen. Mir
schien es leicht zu sein eine Ausbeute zu erhalten, aber ich pürschte
auf Großwild und wollte mir durch Schießen solches nicht verjagen.
Am Rande eines Buschwaldes, aufmerksam geworden durch das Wiehern
eines Zebras, überraschten wir drei dieser stattlichen Thiere, die
auf einer Lichtung grasend, uns bald bemerkten und mit den Hufen den
Boden stampfend, abgaloppierten. Angeschossen stürzte eines der Thiere
nieder, sprang aber sofort wieder auf und jagte mit den anderen, die
nicht wußten, was mit ihrem Gefährten passirt war, weiter, vergeblich
folgte ich im hohen Grase der Spur der Fliehenden, aber selbst der
Spürsinn meines Begleiters reichte nicht aus, das schwerverletzte Thier
aufzufinden.

Ich mußte den Gedanken an weitere Verfolgung schließlich aufgeben,
schon darum, weil Gefahr vorlag, uns in dieser endlosen Wildniß zu
verirren, denn nirgends Weg noch Steg, das Gras zu hoch, um eine
Orientirung zuzulassen, gebot schon die Vorsicht den Thieren nicht
weiter zu folgen. Nur um jenen Buschwald wieder zu erreichen, sah ich
mich mehrmals genöthigt, auf die Schultern des Angoni zu klettern,
damit ich über die Grasfläche hinblicken konnte.

Sobald im Urwald einige Balken fertig behauen waren, schafften die
Atonga diese auf dem jetzt in seiner ganzen Länge erweiterten und
ausgehauenen Wege mittelst der Karren, etwa 8 englische Meilen vom
Lager entfernt, zum ersten Abhang. Weiter zu fahren, gestattete ich
nicht, da es die steilen Abhänge hinab mit den 30 bis 40 Centner
schweren Hölzern zu gefährlich war, solche Arbeit von den Leuten allein
ausführen zu lassen. Nur Planken und Klötze (von letzteren gebrauchten
wir eine ganze Anzahl, um sie auf dem Schlitten, als mächtige Keile
verarbeitet, dem Schiffskörper anzupassen), ließ ich bis zum Flusse
gelegentlich durchbringen, mit der Weisung, dabei gleicherzeit den Weg
so viel als möglich bei kleineren Schluchten zu ebnen.

Es wurde immer so eingerichtet, daß die Leute bis zum Abend
zurückkehren konnten, dennoch fanden diese auf solchen Transporten noch
Zeit, gelegentlich mit den ihnen zum Schutze beigegebenen Waffen auf
eigene Faust im Busch und Wald umher zu pürschen und kamen manchmal
mit der Nachricht im Lager an, da und dort auf saftigem Weideplatz
stehe eine Heerde Busch- oder Wasserböcke; sonst war ihre Beute nur
ein Vorder- oder Hinterviertel von einer in der Nacht vorher vom Löwen
oder Panther zerrissenen Antilope. Solche aufgefundenen Ueberreste,
welche das Raubthier sich für eine spätere Mahlzeit aufgespart hatte,
waren mehrmals so frisch und gut, daß wir uns insgesammt das Fleisch
schmecken ließen, selbst die starken Knochen wurden von den Leuten
ihres Markes wegen zerschlagen und ausgekocht.

Ebenso pfiffig waren die Atonga beim Fischfang. Leider etwas spät
erfuhren wir von einigen Wangoni, daß der kleine Fluß weiter unterhalb
sehr fischreiche Bassins habe, was denn auch nach Möglichkeit
ausgenutzt wurde; die Atonga, als geborene Fischer, machten sich diesen
Umstand in der Weise zu Nutze, wie ich es in einem früheren Kapitel,
gelegentlich meiner Rückkehr vom Nyassa-See, beschrieben habe, sodaß
wir fortan fast täglich große schöne Fische zur Verfügung hatten.

Eigenartig und reizvoll, trotz der Entbehrungen und Gefahren ist
doch solch Urwaldleben in dieser freien und ungebundenen Natur, es
gestattet einem viele Einblicke zu thun in das geheimnißvolle Leben und
Weben, auch der kleinsten und größten Geschöpfe und wie flüchtig man
auch darüber hinsieht, so fordert doch der vor Augen liegende Kampf
um das Dasein, den selbst die kleinsten Lebewesen um ihre Existenz
zu unternehmen gezwungen werden, zum Nachdenken auf. Wie viel mehr
würde der ernste Forscher hier finden, der gewohnt ist, mit klarem
Verständniß in die Tiefen der Natur einzudringen, und auch das Kleinste
nicht unbeachtet läßt, so weit Menschenwissen eben dringen darf und
dazu befähigt ist! Der Reichthum der Fauna ist hier ein übergroßer
-- ein solches Leben in so reicher Vielfältigkeit zu betrachten, ist
für den denkenden Menschen schon ein Leben in der freien ungestörten
Gottesnatur werth -- die Natur in ihrem Wirken und Streben betrachten
zu können, wiegt allein schon die Einsamkeit und das Entbehren auf.
Wundervoll und unfaßbar sind die Werke des allmächtigen Schöpfers, der
mit gleicher Liebe auch das Kleinste und uns Unscheinbarste umfaßt! --

War auch das Leben im Urwald besonders durch die Vielfältigkeit
der Fauna recht anregend, so trugen die Atonga, die immer lustig
und zufrieden, solange nur ihren leiblichen Bedürfnissen Rechnung
getragen und sie gut behandelt wurden, auch das Ihre dazu bei, die
Einsamkeit zu beleben. Beim Abgang mit schwer beladenen Wagen oder bei
ihrer Rückkehr, stimmten sie stets den Nationalgesang ihres Stammes
an; wollte es aber mal nicht recht vorwärts gehen, begeisterten sie
sich durch ihre Kriegsgesänge und weithin hallte der Wald wider,
wenn sie ihr »ho, ho, Atonga« erschallen ließen. Diese Atonga, wie
schon mehrfach erwähnt, waren mir die liebsten Arbeiter; man kann
ihnen gewisse Intelligenz nicht absprechen, und schon durch ihr
Wesen und Auftreten stellen sie sich über alle anderen Stämme mit
denen ich im Innern Afrikas bekannt geworden bin. Persönlichen Muth
freilich haben sie in einigen Fällen gerade nicht gezeigt, indes wie
ich sie später in ihrer Heimath am Nyassa-See kennen gelernt habe,
sind sie dem mit gleichen Waffen kämpfenden Gegner immer überlegen,
und unbesiegt bisher, gaben sie noch niemals Fersengeld. Es ist ein
schöner Menschenschlag, mit regelmäßigen Gesichtszügen; sie stechen
gegen andere Stämme auffallend ab, obgleich auch unter ihnen viele
Mißarten vorkommen, da viele die sich Atonga nennen, namentlich in der
Gesichtsbildung eine andere Abstammung vermuthen lassen, was auf die
Unsitte der Sklavenhaltung naturgemäß zurückzuführen ist.

Nur passionirte Schnupfer, sind die Atonga keine starken Raucher;
gelegentlich nur am Feuer, wo sie meist immer eine animirte
Unterhaltung pflegen, kreist die Pfeife, d. h. ein Stückchen Rohr
oder ein abgekörnter Maiskolben, dessen Herz mit einem Stäbchen Holz
ausgestochen und mit Tabak gefüllt wird, dient als Pfeife, die dann
von Hand zu Hand geht und aus der jeder ein paar kräftige Züge thut.
An ihren Schnupftabaksdosen, die meistens aus Bambusrohr gefertigt und
mit Schnitzereien versehen sind, kann man einen gewissen Schönheitssinn
auch erkennen. Der glückliche Besitzer einer Dose aber hat auch, so
weit ich beobachten konnte, die Verpflichtung, dieselbe mit dem starken
Reizmittel zu versehen, das er gewissenhaft in der Ruhepause austheilt.
Mit Vorliebe aber benutzten sie auch dazu unsere abgeschossenen
Metallpatronen; sie waren dadurch des geduldigen Wartens überhoben und
konnten eine frische Priese sich leisten, wann immer es ihnen beliebte.

In rastloser Arbeit waren nahezu 3 Wochen hingegangen und nur das
letzte Auftrennen zweier 28 Fuß langer Balken hielt mich noch zurück,
da ich nicht zum zweiten Male so mühsam hergestellte Hölzer ruiniren
lassen wollte. Als aber auch dieses Werk beendet war, nahm ich Abschied
von der Stätte, wohin mein Fuß nie wieder zurückkehren sollte; der
letzte wilde Gesang der Atonga, die unter den Wipfeln uralter Bäume
noch ihren Kriegstanz aufführten, hallte durch die Stille des Waldes,
wo fortan Axt und Hammerschlag verklungen waren. So schwer es aber auch
alles gewesen, es hat doch einen eigenen Reiz, in dieser Einsamkeit
zu leben, die Natur in ihrer wilden Schönheit zu beobachten und das
Bewußtsein, fern aller zivilisirten Stätten, in einem jungfräulichen
Urwald zu streifen, wo kaum je eines Menschen Fuß gewesen, lockt
zu einem weiteren Forschen, auch die Jahrhunderte alten Riesen des
Urwaldes zu schlagen und mit donnerndem Krachen stürzen zu sehen,
gefällt von schwacher Menschenhand, ist auch eine eigene Lust. --

Welchen Kontrast bilden doch die stolzen Paläste der Heimath und aller
Comfort gegen die elende Grashütte im Urwald und gegen die Entbehrungen
und Gefahren! -- Unsere Hütten werden noch eine zeitlang den wandernden
Wangoni eine Rast- und Zufluchtstätte bieten, bis sie zerfallen; bald
werden die gewaltigen Gänge und Wege, die wir gehauen, von sprießendem
Gras und Strauch verdeckt und unkenntlich werden, und wo deutscher
Fleiß rastlos geschafft, um ein großes Werk zu fördern, rastet wieder
des Waldes und der Thiere König, wenn er sein weites Gebiet, Beute
jagend, durchzieht. -- --




     17. Der Stapellauf des »H. v. Wißmann« und dessen Vollendung.


Unbehindert noch durch andere Arbeiten, da das Nieten am Schiff noch
nicht ganz beendet war, begann ich den Transport der an dem ersten
Abhang lagernden Balken und nachdem die Kronen der Abhänge etwas
geebnet waren, wodurch der Steilheit derselben ein wenig abgeholfen
wurde und auch das dichte Gebüsch für den Fahrweg niedergehauen war,
konnte der erste Versuch gewagt werden. Der Balken wurde auf die
Achse des Wagens so festgebunden, daß er mit seinem Hauptgewicht
am Boden schleifen mußte, dann zwei gewandte, flinke Leute an die
Deichsel postirt, die ein Ablenken verhindern sollten, fuhr der Wagen
in wilder Hast in die Tiefe; wurde jedoch durch die Steilheit des
Weges die Schwere des Balkens hinten aufgehoben, lief der Wagen mit
solcher Gewalt in das dichte Gebüsch, daß es viel Mühe machte, ihn
wieder herauszubringen. Tiefe Gräben auf unserem Wege wurden meistens
in vollem Laufe genommen; es zogen oft dreißig Mann, um den Wagen
nicht zum Stillstand kommen zu lassen. So ging alles gut, und nur der
Durchzug durch das Flußbett, das Hinaufschaffen der steilen sandigen
Ufer hinan, wohinein die Räder bis an die Achsen versanken, erforderte
ungemein viel Arbeit, selbst 50 Mann schleppten den Wagen nicht
hindurch, und erst auf herbeigeschaffte Planken war es möglich, die
schweren Lasten durch- und hinaufzubringen.

Eine beträchtliche Zeit, bis zum Anfang Juni, erforderte es, diese
Arbeit zu vollenden und mit den verfügbaren Kräften die Hölzer über
den Schirefluß und zur Werft zu schaffen. Hier nun wurden die Balken
und Bohlen von allen Handwerkern, die irgend ein Verständniß dafür
zeigten, bearbeitet und beputzt; darauf legte ich, gut und fest im
Erdboden versichert, die Bahn, auf welcher mittelst des Schlittens das
Schiff zu Wasser laufen sollte. Nichts was irgendwie zur Sicherheit
dienen konnte, unterließ ich, mit eisernen Bolzen, Schienen und
Klammer wurde alles so in sich, namentlich der Schlitten verbunden,
daß nach menschlicher Berechnung ein Nichtgelingen unmöglich schien.
Und doch, nicht an dem Gelingen des Werkes, welches ich vor Augen
hatte, zweifelte ich, vielmehr erfüllte mich ein Umstand mit geheimer
Sorge, gegen den ich völlig machtlos war. Ich hatte nämlich lange
vorher, bald nachdem der Fluß wieder auf sein gewöhnliches Niveau
zurückgegangen war, durch Auspeilen gefunden, daß sich langsam zwar,
aber doch beständig, gerade vor der Werft eine Sandbank zu bilden
beginne, die während dreier Monate die Tiefe von 12 Fuß bis auf 9
bereits vermindert hatte. Es war deshalb beim Stapellauf zu befürchten,
der Hintersteven des Schiffes könnte sich eventuell festlaufen,
bevor dieses soweit von der Schlipp abgeglitten, daß das Wasser es
hinten hochheben konnte; somit halb im Wasser, halb auf Land in eine
schwierige Lage gerathen mußte. Auch konnte die Schlipp nur bis zum
Wasser gelegt werden und nicht wie üblich, in dasselbe noch hinein, da
gleich am Ufer eine beträchtliche Tiefe dies nicht gestattete. Ebenso
konnte, wenn wirklich wider Erwarten etwas verkehrt gehen sollte, auch
der starke Strom, der den Schiffskörper sofort abdrängen mußte, recht
bedenkliche Folgen haben.

Allein nur mit dieser voraussichtlichen Gefahr bekannt, von deren
Vorhandensein Niemand sonst eine Ahnung hatte, überdachte ich in
manchen schlaflosen Stunden, wie dem Uebelstand abzuhelfen sei. Wohl
gab es Mittel, aber solche hatte ich nicht zur Hand; so mußte ich
es denn eben auf gut Glück ankommen lassen, mehr als gethan worden
war, konnte nicht geschehen. Am Sonnabend den 10. Juni 1893 war alles
vorbereitet, sodaß das Schiff nur auf der seitlichen Keilklotzung
des Schlittens ruhte; von dem Gerüst und Stützen befreit, war es
fertig zum Stapellauf. Wohl wäre es angängig gewesen, in den späteren
Nachmittagsstunden dieses Tages das Schiff noch laufen zu lassen,
allein ich widerstand der Versuchung und geduldete mich, beherzigend,
daß der Wahrspruch: +procautia mater sapientiae est+ (Vorsicht ist
die Mutter der Weisheit) sicherer ist, als eine unzeitige Ueberhastung;
ein kleines Versehen nur konnte hierbei schlimme Folgen haben.

Der 12. Juni also wurde für den Stapellauf des »Hermann Wißmann«
festgesetzt, und würdig einer solchen Feier, die den ersten Abschluß
für ein deutsch-nationales Werk bilden würde, woran eine kleine Zahl
Männer ihr ganzes Können und Wollen gesetzt, sollte auch die Umgebung
dieser entsprechen. Zum letzten Male sandte ich die Atonga hinaus in
die Berge, mit der Weisung, hoch in den Schluchten und Thälern des
Schiregebirges das längste Bambusrohr zu schlagen, welches zu finden
sei. Zweierlei Zweck war damit verbunden, erstens sollten die über 30
Fuß langen Stangen vorerst als Flaggenstangen, dann aber zum Staken
dienen, um, wo nöthig, mittelst diesen das Schiff bei der Ueberführung
zum Nyassa-See gegen den Strom den Schire hinauf vorwärts bringen zu
können.

Der Morgen des 12. Juni tagte. Ein viel regeres Leben als sonst
entfaltete sich auf Werft, wollte doch keiner fern bleiben und sich
ein Schauspiel entgehen lassen, wie solches hier nie zuvor gesehen
worden war. Was die Umgegend an Eingebornen aufweisen konnte, war am
Ufer des Flusses oder an der Umzäunung der Werft zu Haufen versammelt.
Schon die Aufrichtung der vielen Flaggenstangen, an denen die bunten
Signalwimpel wehten, die Ansammlung aller in Mpimbi anwesenden
Europäer, erregte die Neugierde der Bevölkerung auch ohne daß sie
gewußt hätte, welcher Vorgang sich hier in Kürze abspielen sollte.

Die letzte Inspizirung war beendet, jede Klammer nachgetrieben,
die Bahn mit grüner Seife und Talg gut geschmiert, unsere starken
Daumkräfte zum sofortigen Gebrauch fest am Schlitten angesetzt, konnte
in Gegenwart aller Europäer, Deutsche wie Engländer, zum Taufakt, den
Herr von Eltz als Vertreter des Majors von Wißmann vornehmen wollte,
geschritten werden. »Zur Ehre des deutschen Namens führe stolzes Schiff
allezeit in Ehren die deutsche Flagge auf den Fluthen des Nyassa-Sees,
sei es im Krieg, sei es im Frieden, zeige dich würdig des Namens, den
du trägst immerdar -- fahre hin in dein Element« -- und schallend
zerschellte am Bug die Champagnerflasche, ein edles schäumendes Naß
netzte die Stahlplatten, die später in manchem wilden Sturm durch die
aufgeregten Wogen des gewaltigen Sees sich Bahn brechen sollten.

Die Fallreep aufenternd, gefolgt nur von wenigen Atonga, die den
Anker zu bedienen hatten, gab ich den Befehl zum Laufen -- rasselnd
fielen die Ketten, die das Schiff gehalten, zitternd rückte es durch
den schweren Körper, als die starken Schrauben angedreht wurden und
langsam, wie wenn es sich zum Anlauf rüsten wollte, glitt es wenige
Fuß auf der glatten Bahn herunter, aber ehe es im Laufen kam, scholl
mein Kommando »hol Atonga« und an beiden Seiten legten sich wohl 50
Mann mit aller Kraft in die am Schlitten befestigten Taue. Schnell und
schneller die steile Bahn hinab, das Heck tief in das aufschäumende
Element drückend, das brausend um die Seiten des Schiffes aufwallte,
glitt der »Hermann v. Wißmann« hinab, umbraust von dem Hurrah viel
hunderter Kehlen. Rasselnd fiel der Anker in die Tiefe und auf den
Strom schwingend, lag das Schiff nahe dem Ufer vor seinem ersten festen
Halt.

Der kritische Moment bei dieser rapiden Fahrt abwärts war, als der
Hintersteven des Schiffes im Sande der angeschwemmten Bank sich
durchwühlte, mehr noch, als der mit Ketten am Schiffe aufgefangene
Schlitten den Grund berührte und mit Krachen die Ketten entzwei
sprangen. Aber zu gewaltig war der Andrang des schweren Körpers, um
durch diesen Widerstand aufgehalten werden zu können; nur so viel
geschah, die schwere am Grunde liegende Holzmasse hemmte den starken
Rücklauf des Schiffes und brachte es, mit dem Vordersteven keine 15 Fuß
vom Ufer entfernt, zum Stehen, der Anker fiel zwischen die Hölzer des
gesunkenen Schlittens, sonst, von den schweren Hölzern befreit, hätte
das Schiff weit in den Fluß hinein laufen müssen.

Sekunden nur waren es, doch dünkten mir solche lang, und erst mein
Kommando, »fallen Anker« löste die spannnende Erwartung! In diesem
Augenblick, als der Stapellauf nun so glücklich beendet war, wollte mir
alles Kommende nichtig und gering erscheinen gegenüber dem was hinter
mir lag, was auch die Zukunft bringen mochte an Mühen und Arbeit, die
Krönung des Werkes sah ich mit diesem glücklichen Ausgang als vollendet
an. -- --

Schon bald nach dem Osterfeste hatten die Engländer, mit aller
Kraft den Bau ihrer kleinen Schiffe fördernd, mit der Aufstellung
des Flußdampfers »Dove« begonnen, der auch zu dieser Zeit soweit
fertiggestellt worden war, daß die Probefahrt abgehalten werden konnte;
der Bau eines ihrer Kanonenboote war auf unserer Leichterwerft erst
soweit vorgeschritten, daß sie uns nicht gut mehr überholen würden,
obgleich ihre Arbeiten im Vergleich zu unseren eine Kleinigkeit genannt
werden konnte.

Die nicht zur Ausführung gekommene Absicht des Majors von Wißmann, sein
Schiff, am Tanganjika-See zu erbauen, ließ dem Leiter des englischen
Unternehmens, Kapt. Robertson, nun seinerseits den Entschluß fassen,
mit dem zweiten Kanonenboote dieses Projekt zur Ausführung zu bringen,
welches, wenn es vonseiten der englischen Regierung genehmigt worden
wäre, für die an diesem See längst eröffneten Handelsbeziehungen
Englands ein starker Stützpunkt sein mußte, und der zu dieser Zeit
schon stark in Vorbereitung befindliche Plan, den englischen Einfluß in
der Längsaxe Afrikas zu entfalten, würde durch die Stationirung eines
solchen Machtobjekts auf dem Tanganjika-See nur gefördert worden sein.
Aber aus politischen Gründen wohl wurde die Ausführung dieses Planes
vereitelt und es mußte auch das zweite Fahrzeug in Mpimbi erbaut werden.

Die Beziehungen zu einander, welche von Eltz und Kapitän Robertson
verbanden, waren überaus herzliche, und schon in Anbetracht unserer
den Engländern so vielfach geleisteten Dienste, war es wohl kein zu
großes Entgegenkommen, wenn, um uns viel Zeit und Arbeit zu sparen,
der Raddampfer »Dove« unser Schiff bis nach Fort Johnston schleppte.
Zur Abfahrt wurde der 14. Juni festgesetzt; die Zwischenzeit aber
benutzen wir, um mit vieler Mühe den auf Grund liegenden Schlitten
wieder herauszuholen, weniger des Holzes, das immerhin gewissen Werth
besaß, als der eisernen Bolzen und Klammern wegen, die verwendet worden
waren; denn der Werth dieses Metalles wächst je weniger davon vorhanden
ist. Unsere beiden Dampfkessel, der eine noch nicht ganz vollendet,
mußten, da sie durch ihre Schwere das Schiff zu sehr belasten würden,
zurückbleiben und sollten von dem kurz vor dem Stapellauf noch Port
Maguire abgegangenen Leichter später nach Fort Johnston, wo deren
Einsetzen stattfinden sollte, übergeführt werden.

Wesentlich nur leichte Sachen, als vorräthig gebrannte Kohlen etc.
wurden an Bord genommen. Ich war mehr darauf bedacht das leere Schiff,
das hinten 3 Fuß 4 Zoll, vorne 2 Fuß Tiefgang hatte, auf ebenen Kiel zu
bringen, und erreichte dieses auch, weniger durch Anhäufen vorläufig
unnöthiger Gegenstände, als durch eine Anzahl Leute, diese waren
wenigstens eine nach Willkür bewegliche Masse, und auch nöthig, weil
wir über die Stromschnellen nicht mit leichter Mühe würden hinwegkommen
können.

Die Fahrt flußaufwärts, dank des geringen Tiefgangs unseres Schiffes,
ging gut von Statten, erst die Stromschnelle bei Perisi wurde ein
Hinderniß über das hinweg wir nach schwerer Arbeit das leere Schiff
zu schaffen vermochten; wieder in tiefes Wasser gelangt, war die
Kraft der »Dove« nicht ausreichend, den wirbelnden Strom der nächsten
Stromschnelle zu überwinden, und von den Strudeln gefaßt, wurden
beide Schiffe auf die Sandbänke geworfen. Mit Warp- und Buganker die
Schiffe wieder abgeholt, erforderte es am nächsten Morgen die äußerste
Anstrengung mit Dampf und Menschenkraft vorwärts zu kommen, namentlich
lag beim Mißglücken die Gefahr vor, auf die unter Wasser liegenden
Felsblöcke getrieben zu werden, und um nicht Gewonnenes zu verlieren,
mußten mittelst Anker und langen Leinen die gefährlichsten Stellen
passirt werden.

An Lionde vorbei, das von den einst an beiden Ufern des Flußes
liegenden großen Dörfern, nichts mehr aufwies, als nur zerstreute
Hütten, mitten darin die beiden englischen Forts, bot dieses nur den
Anblick einer gewaltsamen Zerstörung. Ungehindert, da auch der Wind
zu unseren Gunsten war, erreichten wir Werra. Am dritten Tage aber im
Malombwe-See, führte Kapitän Robertson, meinend, es müsse eine gerade
Durchfahrt geben, sein Schiff so in den Schlick hinein, daß es Stunden
währte, bis der flachgehende Dampfer wieder frei war, unser Schiff aber
mußte rückwärts aus der zähen Masse geschleppt werden. Am Nordende des
Sees, wo wir einst, durch die vorgelagerten Sandbänke behindert, mit
den Booten der Vorexpedition viel Scherereien gehabt hatten, gelang
die Durchfahrt besser, als ich gedacht. Als wir aber den Schirefluß
wieder erreicht hatten, gaben die Engländer aus Mangel an Feuerholz es
auf, uns weiter zu schleppen, und den ganzen vierten Tag gebrauchte ich
mit unsern langen Bambusstangen das Schiff bis in die Nähe von Fort
Johnston zu bringen.

Weit unterhalb des Forts, an sumpfigen Wiesen hatten wir eine
Anlegestelle angewiesen erhalten, und meine erste Arbeit war es neben
der Herstellung eines Dammes, für Europäer und Schwarze eine Unterkunft
am Lande zu beschaffen. Aber wie schon früher erwähnt, war es nicht
rathsam sich aus dem Bereich des Fort zu entfernen, da die feindlich
gesinnte Bevölkerung in den nicht allzufernen Bergen Gelegenheit
suchte und fand kleinere Trupps zu zerstreuen und abzufangen. Holz
in der weiten Umgegend war nicht erhältlich, so war ich gezwungen
unsern Bedarf vom Fuße der Berge holen zu lassen und die zu diesem
Zwecke ausziehenden Leute zu bewaffnen oder denselben zum Schutz eine
starke Eskorte mitzugeben. Als der Damm dann auf sumpfigen Wiesengrund
fertiggestellt worden war, wurde es noch nöthig, auch für den aus
unsern Masten später aufzurichtenden Bock, mit dem die schweren
Dampfkessel eingesetzt werden sollen, festen Halt und Untergrund zu
schaffen, mußte doch diese schwere Arbeit hier vorgenommen werden,
weil das Seeufer bei unserer Station zu flach war. Schon waren etwa 14
Tage verflossen und noch immer nicht war der Leichter, der zunächst
die Kessel und Schiffsmasten bringen sollte, eingetroffen. Sonst
brauchte Brückner von Mpimbi bis zum See nur 7 bis 8 Tage und jetzt
mußte der heftig wehende Süd-Ost-Passat um so mehr die Reise fördern,
als er auf der ganzen Strecke fast den Gebrauch der Segel gestattete.
Um so auffälliger war es, daß der Leichter, längst nun fällig, nicht
ankam, statt dessen aber traf Ottlich mit einigen Leuten am 16. Tage
ein und brachte die Nachricht, das Fahrzeug sei vorne im Malombwe-See
festgerathen, aber schon, als er mit einem vorüberfahrenden Boote seine
Kameraden verlassen habe, hätten sie es frei gehabt, in spätestens zwei
Tagen müßten sie ankommen. Die Zeit aber verrann und kein Leichter
kam -- am zwanzigsten Tage von Besorgniß nun erfüllt, daß irgend
etwas passirt sein mußte, da auch in den letzten Tagen ein äußerst
stürmischer Wind geweht hatte, machte ich mich mit unseren Booten auf
und fuhr zum Malombwe-See. In heißer Mittagsgluth, um welcher Zeit ich
den See erreichte, brütete eine Dunstmasse über die weite spiegelglatte
Fläche, und daher konnte ich, so weit ich auch mit scharfen Gläsern
die sichtbaren Ufer absuchte, nichts entdecken. Am späten Nachmittag
nach Fort Johnston zurückgekehrt, beschloß ich, mit genügend Proviant
versehen, am nächsten Morgen, wenn es nothwendig werden sollte,
selbst bis zur Station Werra zurückzufahren, um dort Erkundigungen
einzuziehen, denn nun hegte ich nur noch wenig Hoffnung, das Fahrzeug
unversehrt auffinden zu können. Desto überraschender war es für mich,
am nächsten Tage -- noch hatte ich nicht den Malombwe-See erreicht --
den Leichter vom starken Winde getrieben, herankommen zu sehen und auf
demselben alles in guter Ordnung und alle wohl und munter zu finden.

Als Grund der Verzögerung und des langen Ausbleibens erfuhr ich nun
Folgendes: Nochmals inmitten des Sees festgekommen, hatte die Besatzung
mit hereinbrechender Nacht die Versuche, das Fahrzeug wieder aus dem
Schlick herauszubringen, aufgeben müssen; eine Sturmböe von langer
Dauer habe den Leichter dann in der Dunkelheit abgetrieben und,
machtlos gegen die Gewalt des Windes, wären sie immer weiter, dem
südöstlichen Ufer zu, fortgedrängt worden und hätten am nächsten Morgen
nicht mehr gewußt, wo sie sich eigentlich befanden. Nun, gänzlich
vom Schlammmeer umgeben, war selbst der starke günstige Wind nicht
im Stande, den Leichter fortzubringen, und was das Schlimmste, auf
solche unliebsame Verzögerung nicht rechnend, wäre ihnen der schon
knappe Proviant ausgegangen. Um nun die beträchtliche Zahl der Soldaten
und der Besatzung bei Kräften zu erhalten, hatten sie sich aus den
Schiffsmasten, den Deckplanken etc. ein Floß herstellen müssen und
damit versucht, das nicht allzuferne Land zu erreichen. Nach gelungener
Landung sei dann eine Zahl Bewaffneter aufgebrochen und habe, von der
Noth getrieben, in der weiten Wildniß nach menschlichen Wohnstätten
gesucht, und in einem am Fuß der östlichen Berge aufgefundenen Dorfe
zum Glück reichlichen Proviant aufkaufen können.

Nach der Rückkehr der Ausgesandten hatten sie dann soviel Lasten
als das Floß zu tragen fähig gewesen auf dieses geschafft, um ihr
Fahrzeug zu erleichtern, und am Abend vorher erst, nach vieler Mühe,
sei es gelungen, tiefes Wasser aufzufinden; dann die Nacht hindurch,
mit günstigem Winde segelnd, hätten sie alles daran gesetzt, um nur
vorwärts zu kommen. Zufrieden, daß meine Besorgniß, der Leichter
könne mit seiner werthvollen Ladung eventuell verloren gegangen sein,
unbegründet gewesen war, sandte ich sofort nach unserer Ankunft einen
Eilboten zum Lager, der die Anzeige zu machen hatte, der Leichter sei
angekommen, denn dessen langes Ausbleiben hatte auch dort bei allen
schon Besorgniß erregt.

Die Aufrichtung und Auftakelung des aus den beiden Masten hergestellten
Bockes, mit dem die schweren Kessel nun eingesetzt werden sollten,
erforderte große Umsicht, da an diesem ein Gewicht von über 80 Centner
mit starken Flaschenzügen (Taljen) hochgezogen und in das Schiff
niedergeführt werden mußte. In nahezu senkrechter Stellung mußte dem
Bock ein starker Stützpunkt vom Lande aus gegeben werden und, da nichts
in der Nähe war, woran die Drahttaue befestigt werden konnten, sah ich
mich genöthigt, den gewünschten Halt durch einen vergrabenen Anker
herzustellen. Da das Schiff nicht nahe genug an das Ufer heranzubringen
war, mußte ich, wenn erst ein Kessel aufgehißt sein würde, dem Bocke
eine beträchtliche Neigung geben können, wodurch aber auch eine sehr
straffe Anspannung der nach dem Lande führenden Taue verursacht wurde,
und es lag die Gefahr vor, der Anker könne in dem losen Wellsand, der
hinter dem sumpfigen Uferstreifen angehäuft lag, nachgeben. Dies zu
verhüten, ließ ich so tief graben, bis fester Grund gefunden war und
hier durch Einrammen von Pfählen eine Art Verhau herstellen, hinter
welchem der schwerste Buganker einen starken Halt finden konnte.

Mit großer Vorsicht und dem vorhandenen Material, wie ich solches
seinerzeit zu diesem besonderen Zweck beordert hatte, wurde die Arbeit
beendet; das Einsetzen der Kessel begann und war nach zwei Tagen,
verzögert nur durch die ungünstige Lage des Schiffes, glücklich, ohne
besondere Zwischenfälle, ausgeführt.

Donnerstag, den 6. Juli, nachdem unser kleines Lager bei Fort
Johnston aufgegeben war, brach ich ganz früh mit dem Schiffe auf, um
es zum Südufer des Nyassa-Sees, nach unserer Station Port Maguire
überzuführen. Das Fort passirt, streckte sich zur Rechten das mächtige
Dorf Mponda längs dem hier höher gelegenen Ufer aus, zur Linken
hingegen nur sumpfige Niederung mit Schilf, Busch und Rohr bestanden,
die landeinwärts bis zum Fuße der Berge zu einem mächtigen Dickicht
überging über das hinweg nur zahlreiche Fächerpalmen ihre stolzen
Kronen in den Lüften wiegten. Bald lag die letzte Krümmung des Schire
hinter uns, und noch ehe wir die Barre erreicht, öffnete sich schon
ein Ausblick auf den See. Ein Bild voll Schönheit und Eigenart lag vor
unseren Augen ausgebreitet; erhebend wirkte die weite, nach Norden zu
unbegrenzte Wasserfläche. Als sähe man den Spiegel eines gewaltigen
Meerbusens im Sonnenglanz und tiefster Ruhe vor sich liegen, eingefaßt
von gewaltigen Bergmassen, die in weiter Ferne verschwindend, wie
Inseln auf den Fluthen des Sees erschienen. So weit das Auge reicht,
sieht man noch die Ufer an beiden Seiten; die hohen Bergketten, höher
und höher anstrebend, treten scheinbar zurück, und am Horizont, wie
Punkte verschwindend, scheint ein Meer ohne Grenzen ausgedehnt zu
liegen.

Und in der That, hunderte englische Meilen weit erstreckt sich diese
Wassermasse -- den Wunsch, auf diesen Fluthen gewiegt unbekannten
Fernen zuzustreben, erweckt der Anblick jener gewaltigen Bergformen,
wie die Natur sie hier aufgebaut hat -- unabsehbar verschmelzen Land
und Wasser, und lassen ahnen, daß dieses +terra incognita+ für uns
noch Schönheiten aufzuweisen hat, die bei weitem das übertreffen, was
hier vor unseren Augen ausgebreitet liegt.

Am Ausfluß des Sees fand ich die vorgelagerte Barre flach und schwer
passirbar, daher mußten sämmtliche Leute in das Wasser, theils um
das Schiff zu erleichtern, theils um es mit Leinen an aufgefundenen
tieferen Stellen durchzubringen. Nach viel Mühen und stundenlanger
Arbeit gelang auch dies, und darauf längs dem Seeufer hinziehend,
erreichten wir am selben Tage die deutsche Station.

Unsere Station Port Maguire in 14° 24´ 26´´ S. Br. und 35° 23´ 30´´
Östl. Länge, dicht am Südufer des Sees gelegen, macht, wenn man die
Verhältnisse, unter denen sie erbaut worden, in Betracht zieht, einen
guten Eindruck; entschieden besser als das Fort der Engländer, Fort
Johnston. Die nach Norden gelegene hohe Bastion, die tiefen Gräben,
welche zum Schutz aufgeworfen und deren Ränder dichte Dorngebüsche
einschließen, sowie der hohe künstlich aufgeführte Wachtthurm sind
ganz imposant. Ein hoher breitästiger Tamarindenbaum mitten im Fort,
in dessen Schatten Zelte und Hütten aufgebaut sind, trägt auch
viel dazu bei, das Fort einladend zu machen. Ringsum, namentlich
landeinwärts, ist der dichte Busch niedergehauen, selbst lange Wege in
diesem gelichtet, um freie Aussicht zu haben. Da die Fächerpalme hier
in bedeutenden Mengen vorhanden ist, deren schlanker astloser Stamm
(eigentlich nur ein dichtes Zellengewebe, umgeben von harter Rinde)
sich besonders zu den Bauten eignet, so wurden solche für die Bastionen
so verwendet, daß Stamm an Stamm aufgerichtet einer Mauer glich, hinter
welcher die Sandmassen angeschüttet und mit Dornhecken gekrönt wurden
und selbst dem verwegensten Feinde das Eindringen verwehrt hätten; denn
die scharfen Stacheln halten fest was sie gefaßt und zerreißen dem
die Haut der hindurchzudringen wagt, wofür die nackten Eingeborenen
natürlicherweise berechtigte Scheu haben.

Es sollen nach Aussage, als Doktor Röver dieses Fort anzulegen begann,
anfänglich von den feindlich gesinnten Bergbewohnern, mehrere Versuche
unternommen worden sein, den Anbau hier zu verhindern. In größeren
Trupps zum Angriff vorgegangen, gelang es ihnen auch, einige der
angeworbenen Arbeiter abzufangen, natürlich um solche armen Teufel
als Sklaven zu verkaufen; sonst aber war die anwesende Militairmacht
stark genug sie immer zurückzuschlagen, bis sie durch Verluste klug
gemacht weitere Belästigungen aufgaben und sich in ihre Gebirgsheimath
zurückzogen, wohin ihnen zu folgen bis jetzt noch kein Europäer gewagt
hat und vorzudringen vermochte. Es wäre auch wohl nicht rathsam
gewesen, ohne eine starke Macht hinter sich zu haben, die kriegerischen
Stämme anzugreifen. Die Engländer nach der Besitzergreifung dieses
weiten Gebiets haben es unternommen, sind aber gründlich mit Verlust
von einem Geschütz und Waffen zurückgeschlagen worden; selbst einige
Europäer sind zeitweilig gefallen und seither alle weiteren Versuche,
die Gebirgsstämme unter Botmäßigkeit zu stellen, aufgegeben worden,
wenigstens so lange, bis die Engländer kräftig genug sein werden, die
Feinde zu Paaren zu treiben und ihre Macht zu brechen. Für jetzt ist
Fort Johnston der einzige Stützpunkt, über dessen Umkreis hinaus die
englische Macht aber illusorisch.

Zur Sicherheit, solange die Besatzung noch schwach war, hielt Dr.
Röver seine kleine Macht im Fort, um aber in dieser entlegenen wilden
Gegend nicht gänzlich des Amüsements zu entbehren, hatte er und Herr
Franke sich mit einheimischen Hausthieren umgeben, als Hühner, Ziegen,
Tauben und Hunden, sowie verschiedene Arten zahmer Affen. Alle diese
Thiere im Fort in Freiheit gesetzt, waren es die Affen, die immer die
unglaublichsten Dinge ausführten, und durch ihre Possirlichkeiten eine
ganze Gesellschaft unterhalten konnten. Spielten die Hunde zusammen,
waren auch bald die Affen dazwischen, sie entrissen flink und gewand,
diesen ihre Spielsachen, als Stücke Zeug oder Papier, um dann damit von
den Hunden verfolgt, auf einen erhöhten Gegenstand zu springen, wohin
diese ihnen nicht folgen konnten. Aus dem Bereich der bellenden Hunde
gekommen, kehrten die Affen diesen ihr Hintertheil zu und kratzten
sich, sprangen aber sofort, sobald die Hunde sich abwandten, auf deren
Rücken und die Balgerei ging von Neuem los; lief einer der Hunde, hing
sich ein Affe an dessen Schwanz und ließ sich mitschleppen, bis der
Hund wüthend gemacht den Affen zu fassen versuchte, aber gewand sprang
dieser über und unter dem Hunde und spottete dessen Bemühen.

Wollten die Hunde sich nicht zum Spielball der unbegreiflichen
Affenlaunen hergeben, begnügten die Affen sich mit den Hühnern; ganz
leise heranschleichend, faßten sie die Schwanzfedern derselben und
ließen sie erst los, wenn die Hühner Zeter schrien. Auch die Tauben,
die auf dem Baume nisteten und sich gerne zwischen den Hühnern
aufhielten, verschonten sie nicht.

Aber nicht genug damit, war niemand in der Nähe, holten die Affen
sich von unserm im Freien unter dem Baume aufgeschlagenem Tische
alles mögliche herab oder rissen gar das Tischtuch sammt allem was
darauf war in den Sand. Wurden kleine Flaschen, Saucen, oder Pickels
vermißt, konnten wir sicher sein, daß einer der Affen diese irgend
wohin verschleppt hatte. Unangenehmer aber noch war es, wenn es einem
der Affen einfiel in einem Zelt oder Behausung Unordnung zu schaffen;
nichts war vor ihrer Neugierde sicher, und hatte ein Affe Zeit und Muße
gehabt, sich mit den Habseligkeiten eines Europäers vertraut zu machen,
dann ade Gemüthlichkeit, der Betroffene war zum Mindesten fuchswild und
schwor dem Uebelthäter das Genick zu brechen, wenn er ihn nur hätte
bekommen können!

Höchst possirlich und zum Lachen reizend, waren die Vorstellungen,
häufig aber doch die Dreistigkeit der Affen lästig, stand z. B. jemand
vom Stuhle auf, so lag derselbe entweder im nächsten Moment umgeworfen
im Sande oder der Sitz der Feldstühle war verzerrt. An Strafen und
Greifen war kaum zu denken, die Thiere sind zu gewand und schnell,
sie lesen auch im Auge des Menschen was dieser für Absicht hat; kein
Schmeicheln, kein Locken hilft, sobald der Affe etwas merkt, was ihm
nicht geheuer scheint, und keinem gelang es, eines der Thiere zu
fassen, wenn die Absicht vorlag, für ausgeführte Streiche ihnen das
Fell zu gerben.

Die Arbeiten am Schiffe wurden nach der Ueberführung sogleich wieder
aufgenommen und sobald die Aufrichtung der Verschanzung beendet
war, konnte ich mit dem Einlegen des Decks beginnen, während
Maschinenmeister Spenker mit seiner Kolonne ausschließlich die Maschine
und Kessel montirte. Wochen harter rastloser Arbeit waren es, bis alles
soweit vollendet, daß ich mit dem Einsetzen der Masten anfangen konnte,
und ohne jegliche seemännische Unterstützung auch die Auftakelung
beendete, wobei nur ein ehemaliger schwarzer Matrose mir nennenswerthe
Hilfe zu leisten im Stande war.

Der Auf- und Ausbau der Kajüten, die vielen hundert Theile, die zur
Ausrüstung eines Schiffes gehören, dies alles an seinen Platz gebracht,
nahm auch viel Zeit in Anspruch; doch einer Arbeit, das Abdichten des
Deckes, wurden wir durch die Gefälligkeit von Kapitän Robertson, der
seine schwarzen Zimmerleute uns zur Verfügung stellte, überhoben. Die
Ausführung aller dieser Arbeiten nach Gebühr zu beurtheilen vermag
nur ein Fachmann und kann ich es füglich unterlassen in Details näher
einzugehen, da hier nicht mehr wie es in Mpimbi der Fall war, große
Nebenarbeiten auszuführen waren, obwohl auch diese nicht minder
Besonnenheit erforderten und an Mühen gewiß kein Mangel war. Die
Temperatur während der Monate Juli, August am Lande glühend heiß,
wurde auf dem See theils durch das Wasser, theils durch zeitweilig
abwechselnde Winde in etwas abgekühlt, namentlich wenn die frische
Brise von den Bergen herabwehte. Aber auch sehr heftige Böen, die
plötzlich über die sonst ruhige Wasserfläche hinfegten, wirbelten
die Fluthen auf und an Deck des Schiffes, wo die Feldschmieden in
Thätigkeit waren, fegte der Wind die glühenden Holzkohlen herab und
versetzten die nackten Arbeiter in nicht geringer Aufregung, sobald die
heißen Kohlentheilchen ihnen auf der Haut brannten.

Die Luftströmung, (Passatwinde) die vom indischen Ocean herüberwehte,
wurde hier schon durch die fast parallel laufenden hohen Gebirgszüge,
die den großen Nyassa-See einfassen, abgedrängt und nahm schließlich
eine Süd-Nord-Richtung an, so daß die zu Zeiten sehr heftigen Winde,
längs dem ganzen See fegten und die Fluthen gleich Meereswogen
aufwühlten. Seltener nur in dieser Zeit, wenn für ein oder zwei Tage
heftiger Nord-Ostwind geweht hatte, trat gegen die Regel, nachts keine
Stille ein, sondern der Wind sprang nach Norden über, der dann die
Wassermassen gegen das südliche Ufer warf, und langrollende weißköpfige
Wogen brausten heran. Hätte jemals der Nordwind solche Stärke erreicht
wie aus süd- und nordöstlicher Richtung, alle unsere vom Ufer bis zum
Fort errichteten Bauten würden unter Wasser gesetzt und vernichtet
worden sein. Schon gegen die im Verhältniß doch nur schwachen Wellen
waren wir nicht imstande unsere mit Mühe hergestellte Werft, die bis
zum tieferen Wasser hinausgebaut worden war, zu schützen; in den drei
eingetretenen Fällen wurde diese jedesmal theils ganz oder theilweise
zerstört d. h. die Sandmassen zwischen den eingerammten Pfählen wurden
weggewaschen. Gleich beim ersten Auftreten dieser ungewöhnlichen Winde,
mußte das Schiff weiter vom Lande verankert werden, da es durch die
Wellen gehoben, den Grund berührte.

Jedesmal beim Wechsel des Mondes, Voll- oder Neumond, traten in der
Atmosphäre Veränderungen ein, und zwar wehte der Passatwind, der
vorher von Windstillen unterbrochen gewesen, zu diesen Zeiten stets
sehr heftig auf, oder wurde durch ebenso starken Gegenwind aufgehoben.
Die Wissenschaft hat in Abrede gestellt, daß auf noch so großen
Binnengewässern die Erscheinung von Ebbe und Fluth möglich sei, ich
kann aber auf meinen Beobachtungen fußend, die positive Behauptung
aufstellen, der Nyassa-See weist zu den angeführten Perioden Fluth
und Ebbe auf! Die Fluthwelle stieg und fiel während 2 bis 3 Tagen
regelmäßig, das Niveau des Sees am Südufer hob und senkte sich 6 Zoll
in 12 Stunden, es trat die Fluth stets um 3/4 Stunden später ein, und
zwar in dem Verhältniß später, als der Mond um diesen Zeitunterschied
später im Zenith eintrat; nur das Auffallende war bei dieser
Erscheinung, daß, wenn der Zeitpunkt des direkten Zusammenwirkens von
Sonne und Mond gekommen, erst genau sechs Stunden später Hochwasser
war, also eine Verspätung eintrat, die ihre Erklärung darin finden
würde, daß die bekannte Einwirkung der Sonne und namentlich die des
Mondes auf der Erdoberfläche, die Wassermassen des unergründeten Sees
in der Mitte, wo derselbe die größte Breite hat, aufhielte und deren
Zurückfluthen dann, namentlich am Südende, die Fluthwelle erzeugte, um
wiederum nach Verlauf von 6 Stunden Ebbe eintreten zu lassen.

Ich war bei dem ersten beobachteten Auftreten dieser Erscheinung
geneigt, den stark wehenden südlichen Winden solche Einwirkung
zuzuschreiben, da diese naturgemäß die Wassermassen nordwärts treiben
mußten und eine Zurückfluthung derselben erst nach eingetretener
Windstille, also mit Sonnenuntergang, gestatteten. Längeres Beobachten
aber, und nicht immer zu diesen Zeiten mitwirkende Winde zeigte, daß
diese Vermuthung falsch war; und sofern noch nicht bekannte Ursachen
diese auffällige Erscheinung einer Ebbe und Fluth hervorbringen, muß
der Einwirkung der Sonne und des Mondes diese zugeschrieben werden,
als sich schlechterdings keine andere Erklärung dafür finden läßt,
so auffällig es auch ist und mit der Annahme, daß ein Binnengewässer
von beschränkter Ausdehnung keine Flutherscheinungen haben kann,
in Widerspruch steht. Einmal aufmerksam darauf geworden, sind von
englischer Seite an verschiedenen Punkten die gleichen Beobachtungen
gemacht und wenn später die englischen Kanonenboote wegen ungenügender
Wassertiefe auf der Barre ein Einlaufen in den Schire unmöglich fanden,
wurde der Eintritt des Voll- oder Neumondes abgewartet, dann machte die
für zwei, selbst drei Tage zu bestimmter Zeit auftretende Fluthwelle
erst ein Passiren möglich.

Wie sich übrigens bei der Beschreibung des Sees ergeben wird, zeigt
dieser in seiner ursprünglichen Bildung sowohl, wie auch noch in seiner
heutigen Beschaffenheit soviel Auffälliges, daß er jedem ernsten
Beobachter zu tiefem Nachdenken Veranlassung geben muß.

Das Lagerleben, wie solches nur natürlich war, bot auf die Dauer
herzlich wenig Abwechslung und jeder, dem eine ernste zweckmäßige
Thätigkeit zugewiesen war, konnte sich glücklich schätzen; denn die
Langeweile, ohne geistige Anregung, wie es hier der Fall, mußte zu
einer Plage werden. Auch lag eine Beschränkung gewissermaßen darin, daß
dem Jagdsport, es waren Elephantenspuren und Antilopen gesehen worden,
nicht nachdrücklich gehuldigt werden konnte, da die feindlich gesinnte
Bergbevölkerung dem einzelnen Jäger eine Annäherung zu den nicht
fernen Wildständen unmöglich machte. Nur Sonntags, wenn das einzige
Boot, das wir zur Verfügung hatten, frei war, konnten Jagdausflüge
unternommen werden, wobei es einmal Herrn Wyneken gelang, ein mächtiges
weibliches Flußpferd zu erlegen, das auch, wie gewöhnlich nach drei
Stunden an die Wasseroberfläche gekommen, von den Leuten zur Station
bugsirt wurde, und hier, als selbst mit langen Tauen der Fleischkoloß
nicht aufgeschleppt werden konnte, sämmtliche Atonga und Soldaten bei
Feuerschein und Laternen das Thier langsam strandaufwärts kugelten. Der
Ueberfluß an Fleisch, das in Streifen geschnitten am Feuer oder in der
glühenden Sonne getrocknet wurde, diente, trotzdem über hundertfünfzig
Mann sich in das Thier getheilt, noch als Tauschartikel und die im
Lager verkehrenden Mpondaleute schleppten mächtige Erdtöpfe voll Pombe,
Mehl und andere Erzeugnisse heran, um sich gleichfalls an der selten
gebotenen Delikatesse gütlich thun zu können.

Die Krokodile, die hier in den größten Exemplaren vertreten sind
und niemals gestört werden, waren auf den fischreichen Gründen in
beträchtlicher Zahl vorhanden, und zogen die Eingebornen mit ihren aus
Baumbast gefertigten Netzen zum Fischen aus, mieden sie wohlweislich
Stellen, wo die gepanzerten Unthiere zu vermuthen waren. Nie gejagt und
verfolgt, waren diese Thiere anfänglich sehr dreist, erst als sie vom
Schiffe aus mit heißem Blei recht unangenehme Bekanntschaft gemacht
hatten, hielten sie sich von diesem und dem Ufer etwas fern.

Der See, der überhaupt an seinen Ufern äußerst fischreich ist,
namentlich im Süden beherbergt er neben dem stark vertretenen Pelikan
auch eine ganze Anzahl Fischreiherarten, ebenfalls bemerkten wir
mehrmals am Ausfluß des Sees die äußerst vorsichtige Fischotter; es
gelang, jede Thierart, wenn wir es ernstlich wollten, zu erlegen, nur
das kostbare Fell dieser großen Otternart haben wir nie zu erlangen
vermocht.

Gelegentlich habe ich früher erwähnt, daß unsere Soldatentruppe
aus verschiedenen Völkerstämmen zusammengesetzt war unter denen in
gewisser Beziehung eine strenge Absonderung sich bemerkbar machte, was
namentlich in Bezug auf den Glauben, soweit bei einigen überhaupt von
Religion die Rede sein kann, der Fall war. Abessinier als Christen,
Egypter, Sudanesen und Somali als strenggläubige Mohamedaner, Suaheli
auch zu solchen gerechnet, nur mit dem Unterschied, daß sie die
Lehren ihres Propheten weniger streng beachteten und +last not
least+ Angehörige einiger Stämme Inner-Afrikas, die dem Ahnenkultus
zugethan waren. Selbstverständlich mußten unter so verschiedenen
Typen Gegensätze zu Tage treten, die nur durch strenge Handhabung
der Disziplin in etwas ausgeglichen werden konnten, was auch immer
gelang, nur in einem Falle waren Strenge und selbst Strafen zwecklos.
Bedacht darauf, daß die Umgebung eines Lagers, oder wie hier unser
Fort, durch die Exkremente so vieler Menschen nicht verunreinigt würde,
was an und für sich schon unangenehm, mehr aber noch Krankheitsstoffe
hervorbringen konnte, wurden stets zur allgemeinen Benutzung Latrinen
erbaut. Indes wie sehr den Leuten auch die Nothwendigkeit derselben
nahegelegt wurde, sie umgingen doch das strenge Gebot. Da durch Zwang
nun keine allgemeine Benutzung einzuführen war, weil der strenggläubige
Mohamedaner nicht denselben Ort besuchen wollte zusammen mit dem Giaur,
so wurde für jeden Stamm eine besondere Latrine erbaut; diese aber
wurden doch nur so lange benutzt, als scharfe Aufsicht ein Umgehen
unmöglich machte.

Hier in der Umgebung des Forts nun, wo gleichwohl solche Vorkehrungen
getroffen wurden, war es für die Leute leicht sich dem Zwange zu
entziehen, da dichter Busch eine strenge Aufsicht vereitelte, und die
Folge wäre eine Verpestung der Luft gewesen, wenn nicht ein kleiner
Käfer sich der schnellen Beseitigung der Exkremente unterzogen hätte.
Diese äußerst zahlreich hier vertretene Käferart, wühlte nämlich unter
jedem Abfall den Boden fort, sodaß derselbe in eine Höhlung versank,
die wieder mit Erde verschlossen, nun den Thieren als Brutstätte
diente. Aber wie sehr am Lande hierdurch auch einer Verseuchung
vorgebeugt wurde, gegen die Verunreinigung des Wassers war schwerer
anzukämpfen. Ich kann die in den letzten Wochen unseres Aufenthalts
vorgekommenen Fälle schwerer Dyssentrie, die mehrere Europäer, darunter
auch mich befallen, bei einigen Schwarzen sogar tödlich verliefen,
nicht direkt darauf zurückzuführen, als sofort beim Auftreten dieser
gefährlichen Krankheit alle Vorsichtsmaßregeln getroffen wurden, indes
die Keime mußten doch in dem benutzten Wasser, welches wir nur aus
dem See selbst schöpfen konnten, gelegen haben, und wie nöthig eine
strenge Aufsicht war, erhellt daraus, daß unsere Diener und Köche
aus Faulheit und Bequemlichkeit dicht am Strande Wasser schöpften,
sobald sie sich unbeobachtet glaubten, wurden sie ertappt und es gab
für solche grobe Nachlässigkeit gelegentlich Strafe, kam es ihnen
noch sonderbar vor, daß der weiße Mann sie zwang, möglichst weit vom
Ufer entfernt reines Wasser zu schöpfen. Jedenfalls war es unablässig
nothwendig bei der Zubereitung unserer Speisen den schwarzen Köchen und
ihren Gehülfen scharf auf die Finger zu sehen.

Mittlerweile war unser Dampfer soweit fertiggestellt, daß wir an die
zu unternehmende Probefahrt denken konnten, die gleich bis Monkey-Bai
am Nordende der Halbinsel Livingstonia gelegen, nebenbei der sicherste
Hafen im ganzen Nyassa-See, ausgedehnt werden sollte. Ich stimmte
diesem Plane auch zu, namentlich weil schon wenige Tage später der
größte Theil unserer Handwerker, die doch auch gerne vorher noch eine
kleine Fahrt mit dem Schiffe machen mochten, an dessen Herstellung
sie mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft so brav gearbeitet hatten, zur
Entlassung kommen sollten.

Ein Aufschieben war also nicht gut mehr möglich und am 10. August,
einem gerade sehr unfreundlichen Morgen, als mit Sonnenaufgang schon
ein äußerst heftiger Nord-Ostwind eingesetzt hatte, lichteten wir die
Anker. So lange wir noch im Schutze der Ufer uns befanden, wo der
starke, halb von vorne wehende Wind die Fluthen des Sees noch nicht
aufzuwühlen im Stande war, ging es auch einige Meilen mit halber
Dampfkraft gut vorwärts, aber als wir erst freies Wasser gewonnen und
uns den felsigen Boazuru-Inseln genähert hatten, rollten die Wogen
so mächtig gegen den Bug und die Seite des Schiffes, daß das Wasser
gleich Sprühregen über die hohe Kommandobrücke gefegt und dieses, so
leicht wie es noch war, ein Spiel der Wellen wurde. Es rollte und
stampfte in die aufgeregte See, daß Jeden, der nicht ganz taktfest war,
die Seekrankheit heimsuchte. Die anfänglich fröhlichen Gesichter der
meisten wurden blaß und bleich und Gott Neptun forderte unerbittlich
den ihm schuldigen Tribut. Hätte nur mit dem schlechten Feuerholz eine
größere Dampfspannung erreicht werden können, Wind und Wellen hätten
uns nicht abgehalten, doch noch Monkey-Bai zu erreichen; aber je weiter
wir kamen, desto schwerer wurde die See und hemmte die an und für sich
nur mittelmäßige Geschwindigkeit des Schiffes so, daß, wollten wir die
36 Meilen lange Distanz zurücklegen, wir bei solchem Wetter erst am
späten Nachmittag den Hafen hätten erreichen können.

Ungünstig zwar, unter solchen Witterungsverhältnissen, und keineswegs
zufriedenstellend war, als wir gegen 2 Uhr Nachmittags die Station
wieder erreicht, die Probefahrt verlaufen; ein jeder aber war doch
davon überzeugt, daß der Nyassa-See, wenn der Sturm seine Fluthen
aufgewühlt hat, kein ganz ungefährliches Gewässer sein müsse. Nach dem
zu urtheilen, was er uns in dem langgestreckten Golf gezeigt, mußte
inmitten des Sees selbst, bei südlichem Sturm, eine wilde gefährliche
See laufen. Die englischen Kanonenboote haben denn auch, da sie nur
darauf berechnet waren, auf wenig bewegtem Wasser zu laufen, nie sich
hinauswagen dürfen, um mit Wind und Wellen den Kampf aufzunehmen; in
der Periode der heftigen Winde, die vor und nach der großen Regenzeit
auftreten, mußten sie immer erst ruhiges Wetter abwarten, ehe sie
eine Fahrt unternehmen konnten, denn in bewegter See rollten sie so
heftig, daß es nicht rathsam war, mit ihnen irgend welches Risiko zu
unternehmen; war doch selbst der »H. v. Wißmann« oft nicht im Stande,
gegen die hohe See anzudampfen.




      18. Die Fahrten auf dem See und die Ankunft in Langenburg.


Auf dem Nyassa-See nun, bereit dessen weitgezogene Grenzen zu
erforschen, stark und bewehrt jedem Feind zu trotzen und den Kampf
aufzunehmen mit den Elementen, lag das schöne Schiff und harrte der
Stunde, wo es die Fluthen durcheilen und die entfaltete deutsche
Flagge zu fernen Küsten und zu unbekannten Volksstämmen tragen sollte.
Das große Werk, unternommen und vollbracht von einer kleinen Schaar
deutscher Männer, die keine Gefahren und Entbehrungen scheuend, ihr
ganzes Können für die Ehre des deutschen Namens eingesetzt, war
vollendet. Das größte Schiff auf den Binnengewässern des gewaltigen
Kontinents lag im Sonnenglanz auf der silberglänzenden Fluth und stolz
wehte im Sturm, wie im Hauch des Zephyr-Windes, von seinen Masten nun
die stolze deutsche Flagge, die unüberwunden vor keinem Feinde je sich
senken möge!

Auf den Fluthen des in trügerischer Ruhe schlummernden Sees, dessen
Grenzen in unabsehbare Ferne gerückt erscheinen, wiegt sich das
schöne Schiff, bestimmt, ein Schrecken zu sein dem gewissenlosen
Sklavenräuber, den unter dem harten Joche aber seufzenden Völkern
ein starker Schirm und Schutz; es soll die Fesseln zerreißen, in die
Willkür und Despotenmacht der Araber die wehrlosen Stämme zum Hohn und
Schmach der Menschheit geschmiedet haben. Ein Träger der Zivilisation,
soll es den in tiefster Lethargie versunkenen Völkern eine neue Aera
und einen Morgen goldener Freiheit verkünden! Groß zwar werden auch
hier noch die Opfer sein und gewaltig der Kampf, aber auch die Zeit
wird kommen, wo in den fruchtbaren Thälern der mächtigen Gebirge und an
den sanften Abhängen bewaldeter Höhen friedlich und ohne Furcht auf
saftigen Gründen der schwarze Hirte sein Vieh wird weiden können, nicht
mehr sorgend, daß er einem heimtückischen Ueberfall erliegen kann und
Weib und Kind dem harten Sklavenloos verfallen weiß.

Alle Europäer nun, zu deren beschleunigten Abreise zur Heimat eilige
Vorbereitungen getroffen wurden und die am 13. August mit unserem
Leichter abreisen sollten, waren bitter enttäuscht, als mit der am
11. eingelaufenen »Domira« Major von Wißmann nicht ankam. Die meisten
hatten ihren Führer seit Beginn der Expedition nicht wieder gesehen
und gewiß verständlich war es, daß jeder gerne für sein Streben und
seine Mühen ein Wort der Anerkennung mit auf den Weg genommen hätte;
manches wäre geklärt und manch bitteres Empfinden wäre zerstreut
worden. Nach den Nachrichten zu urtheilen, die vom Norden des Sees, wo
Leutnant Bronsart von Schellendorf als derzeitiger Chef der Station
Langenbuch fungirte, sollte Major von Wißmann sich auf dem Rückmarsch
vom Tanganjika-See befinden; laut einer schriftlichen Ordre hatte der
Major auch die bestimmte Absicht, selbst zu kommen, denn der Befehl,
keine Fahrt mit dem Schiffe zu unternehmen, bevor er nicht eingetroffen
sein würde, bestätigte dies.

Die Abreise der Steuerleute und der Handwerker, sowie einige unserer
Soldaten, die gleichfalls mit entlassen wurden, erfolgte am bestimmten
Tage unter Leitung von Dr. Röver, der den Transport übernommen und
gleichfalls die Heimreise angetreten hatte. Zurückgeblieben und in
Gouvernementsdiensten übergetreten waren von Eltz, als Stationschef,
die beiden Maschinisten Spenker und Engelke, ebenso Zander und ich als
Führer des »H. v. Wißmann«. Also aufs Aeußerste eingeschränkt und nur
das absolut nothwendige Personal zurückbehalten, war nach der Abreise
der Herren Wyncken und Prince mit der »Domira«, die entschlossen waren
auf der Steavenson-road, die Straße zum Tanganjika-See, dem Major
entgegen zu gehen, unser Fort »Port Maguire«, im Gegensatz zu der
früher vorherrschenden Lebendigkeit, todt und still, vor allem, als ich
erst mit der Schiffsbesatzung mich an Bord heimisch eingerichtet hatte.

Eine wenige Tage später unternommene zweite Probefahrt, ergab ein
ganz anderes Resultat, als die erste, unter ungünstigen Verhältnissen
ausgeführte. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Schiffes betrug 9
Seemeilen die Stunde, keines der englischen Schiffe hat diese Fahrt
erreicht, sodaß der »H. v. Wißmann« nicht nur der größte, sondern auch
an Schnelligkeit unerreicht geblieben ist. Der Befehl des Majors, der
Dampfer habe seine Ankunft abzuwarten und soll keine Fahrt vorher
unternommen werden, gab mir nach so langer schwerer Arbeit nun Muße,
das Schiff erst recht in Stand zu setzen, vor allem strebte Spenker
dahin, unsere elektrische Maschine in Betrieb zu bringen und alle
Räume mit Glühlampen zu versehen.

Auch unsere Atonga, soweit sie noch in einer Stärke von annähernd 100
Mann im Fort beschäftigt worden waren, drängten nun, da ihre Zeit
abgelaufen war, immer entschiedener in ihre Heimath zurückbefördert
zu werden, was eines Theils nicht möglich, als ich keine Fahrt machen
durfte, anderen Theils weil für ihre Abbezahlung nicht genügend Zeug
und andere Stoffe vorhanden waren und damit erst begonnen werden
konnte, nachdem von Blantyre das Bestellte eingetroffen war. Die Leute,
die nun schon ein halbes Jahr lang brav für uns gearbeitet hatten,
nun noch länger zu halten, dafür lag kein Grund vor, und so wurde
beschlossen, die 500 Mark Passagegeld, die eine Beförderung der Leute
mit der »Domira« gekostet hätte, unser Schiff verdienen zu lassen.

Am 29. August lichteten wir die Anker, um die erste längere Tour bis
zur Mitte des Nyassa-Sees anzutreten. Erst nachdem die niedrigen, eng
aneinander liegenden Felsenmassen der Boazuru-Inseln passirt waren,
die, kahl und unfruchtbar, nur Seevögeln und zeitweilig Fischern
zum Aufenthalt dienten, war es möglich, einen Ueberblick über die
zum Theil dicht an den See herantretenden Bergmassen zu gewinnen.
Die vorspringenden Bergkegel, als Satobe, Mwmama, im Norden von
Livingstonia, die nur durch sehr enge Passagen vom Festlande getrennten
Inseln Mbibue, Domwe, 2000 Fuß hoch, fallen besonders auf. Das Innere
der Halbinsel, von Höhenzügen durchzogen, die vielfach durchbrochen
sind und dadurch den Anschein erwecken, als wären es verschiedene
Bergketten, zeigt von der Tiefe der langgestreckten Thäler bis zu
den Höhen der höchsten Berge überall eine üppige, wilde Vegetation,
selbst die Niederungen am See, als die ausgedehnte Malabwe-Bai etc,
umschließen dichter Urbusch. Rechts erscheinen die Ufer flacher, sind
aber in ihrer ganzen Länge von ansteigenden Hügelketten eingefaßt,
die landeinwärts höher und höher aufstreben, bis sie als mächtiger
Gebirgskamm sich dem Ufer des Sees allmählich wieder nähern.

Näher zur Nordspitze von Livingstonia gekommen, erscheinen hier die
steil aus dem See aufstrebenden Felsenmassen eng zusammengedrängt ein
kompaktes Ganzes zu bilden von 1500 bis über 2000 Fuß Höhe, selbst die
vorgelagerten Felseninseln, 200 bis 300 Fuß hoch, scheinen auf geringe
Entfernung noch mit den waldgekrönten Höhen verbunden zu sein, so dicht
liegen diese unter Land. Die Wassertiefe inmitten des Golfs ist eine
beträchtliche und nimmt von den Boazuru-Inseln, wo diese 60 bis 100 Fuß
beträgt, schnell zu, schon an der Nordspitze der Domwe-Insel ist sie
150 bis 200 und über Kap Maclair hinaus 300 bis 600 Fuß.

Wie ein ausgesprengter schmaler Durchstich, der die hohen Bergmassen
von einander trennt, in welchem Felstrümmer umhergestreut liegen,
erscheint die tiefe Einfahrt zur Monkey-Bai; sie öffnet sich erst
sobald man die vorgelagerte Insel Pundsi querab peilt und man sich
inmitten der etwa 150 +m+ breiten Oeffnung befindet. Die
Kursänderung von West nach Süden läßt dann das Schiff in der etwa 60
+m+ breiten Einfahrt zwischen Land und der Insel Pundsi gelangen,
und die vielleicht 600 +m+ tiefe Bai, rechts von einer 1500 Fuß
hohen steilen Bergwand eingefaßt, liegt wie ein herrliches Bassin vor
dem erstaunten Auge offen da. Die Wassertiefe von 60 Fuß vermindert
sich erst, wenn man dicht unter dem flacheren Strand, der nach Süden
zu den Ausblick auf eine sich ausbreitende dicht mit Baum und Busch
bestandene Ebene freigiebt, angelangt ist, der Anker fällt dann auf
eine Tiefe von 24-30 Fuß.

Ein stillerer abgeschlossener Ankerplatz, wie diese kleine Bai läßt
sich kaum denken. Umschlossen von Felsen, ist fast allen Winden der
Zutritt verwährt, höchstens bei starkem Südwind fegt derselbe stoßweise
von den Bergen herab und kräuselt die sonst immer ruhige Fluth. Am
aufsteigenden Strande und zum Theil dicht unter die kahlen Felsmassen
liegen die zerstreuten Hütten der Eingebornen, die um nichts besser
oder schlechter wie alle anderen Behausungen der Einwohner dieses
Landes sind, trotzdem hier die Bewohner als reich gelten müssen. Sie
haben, seitdem überhaupt die Schifffahrt auf dem Nyassa-See eröffnet
und als Feuerungsmaterial Holz benöthigt wurde, hier eine Holzstation
errichtet und betreiben den Verkauf der aufgestapelten Holzmassen an
die einlaufenden Schiffe; nebenbei sind sie noch gute Seeleute und
jedes Schiff, das eingeborene Besatzung braucht, rekrutirt solche in
dieser Bai.

Das Erscheinen eines so großen neuen Schiffes rief nicht geringe
Verwunderung bei den Eingebornen hervor. Ein förmlicher Ansturm
erfolgte aber, als ich den von hier stammenden Kapitao Kambajalika
mit dem Auftrage an Land sandte, er solle einige tüchtige Leute,
namentlich Heizer (Leute die schon mit der »Domira« gefahren hätten)
aussuchen und an Bord bringen. Viele nun, zum größten Theil aus
Neugierde, wollten sich anwerben lassen und immer mehr kamen, so viel
ihrer auch abgewiesen wurden. Die zwei vorhandenen Kanoes reichten
nicht aus, die Stellung suchenden zwischen Land und Schiff hin- und
herzubefördern, und mehrere, kurz entschlossen, schwammen einfach an
Bord; namentlich 8-10jährige Jungens, wenn sie mit Mühe das hohe Schiff
erklommen hatten, präsentirten sich, pudelnaß und die scharzbraune Haut
von Wasser triefend, in Adamskostüm und baten darum als Boy (Diener)
angenommen zu werden, und nicht eher gab sich die kleine Gesellschaft
zufrieden, bis sie Gelegenheit fanden ihr Anliegen mir vorzubringen,
erst wenn ich ihnen gesagt, ich brauche keinen Boy, waren sie
befriedigt und verschwanden.

Ich war einzig zu dem Zwecke nur in Monkey-Bai angelaufen, um für die
Reise Brennholz anzukaufen, fand aber wider Erwarten nicht genügend
Holz am Strande vor und mußte mir an sieben Bootsladungen, für die ich
70 Yard Zeug bezahlte, genügen lassen. Es ist nur ein Tauschhandel, der
Besitzer eines Holzstapels erhält stets so viel Zeug als dieser Stapel
lang ist, und von Rechtswegen muß das Holz so hoch aufgeschichtet
sein, als das Zeug breit ist. Der Bequemlichkeit halber hatte ich den
Atongas erlaubt, für die Nacht an Land zu logiren. Um uns nun am Abend
das Treiben am Strande etwas näher zu besehen, ließ ich ganz plötzlich
den elektrischen Scheinwerfer auf die zerstreut umherliegenden Gruppen
richten. Das helle Licht, das blitzschnell erstrahlte, erleuchtete die
dunklen Hütten, aus denen Weiber aufkreischten und Kinder schrien,
selbst die Ziegen und Hühner vom blendenden Strahl getroffen,
schreckten aus ihrer Ruhe auf. Furcht war das erste Empfinden, das
diese noch nie gesehene Erscheinung auf Mensch und Thier hervorbrachte,
und hätten die Atonga die Einwohner nicht beruhigt, diese hätten der
Ursache dieses Lichtes irgend welche dämonischen Kräfte zugeschrieben;
so aber bald aufgeklärt darüber, daß nur der weiße Mann solches Licht
erzeuge, blieb wohl nicht ein Bewohner in den Hütten; mit staunender
Bewunderung sahen sie sich vom Licht umstrahlt, das im nächsten Moment
wieder einen anderen Gegenstand taghell erleuchtete. Das Licht vom
Dorfe fort zu den Berghöhen geleitet, wo jeder Baum zu unterscheiden
war, über Wasser und an den Ufern lang huschend, und wieder
blitzschnell über die erstaunten Gesichter fliegend, machte auf diese
unwissenden Naturkinder einen nachhaltigen Eindruck.

Unser nächstes Ziel, welches ich am anderen Tage zu erreichen hoffte,
war Kota-Kota, wo einige Polizeisoldaten des englischen Gouvernement
abgesetzt werden sollten, die die Eintreibung der fälligen Steuern
bis zu meiner Rückkehr vorzunehmen hatten. Da nämlich das weit
ausgedehnte Gebiet des mächtigen Häuptlings Jumbe unter englischen
Protektorat gestellt ist, war auch hier schon eine Art Abgabe
eingeführt worden, die wie überall nicht gutwillig gezahlt wurde,
sondern erst eingetrieben werden mußte, deshalb hatte die Bevölkerung
als Kopfsteuer, ein gewisses Quantum Reis, der in den sumpfigen
Niederungen am Fuße der Berge in vorzüglicher Qualität kultivirt wurde,
zu entrichten.

Monkey-Bai (14° 4´ S. Br., 35° 4´ 0´´ Öst. Länge) verließ ich am
nächsten Morgen und dicht unter den steil aus dem Wasser aufstrebenden
Felsmassen hinfahrend, erweiterte sich bald, als Kap Maclair passirt
war, der mächtige See und der Livingstonia-Golf mit den vereinzelt
umhergestreuten Inseln, als Elephanten-Island, Tumbi, Malere,
Mamkowa-Inseln, lag vor uns offen. Von hier setzten wir den Kurs
auf den weithin erkennbaren Berg Risu, ein vereinzelter Bergkegel,
der scheinbar wie abgetrennt von der kompaktem Gebirgsmasse, am See
lagerte und erreichten jenen Ort, wo Major v. Wißmann seiner Zeit die
Verfolgung einer Dhau aufgenommen hatte, welche durch ihre Besatzung
in dem Augenblick zum Kentern gebracht, als ein Warnungsschuß die
Fliehenden zum Streichen des Segels aufforderte. Kap Rifu, so kann
ich den Felsvorsprung nennen, lag bald hinter uns und direkt auf die
Bentje-Inseln steuernd, sahen wir plötzlich im klaren Wasser Grund
unter dem Kiel; die Tiefe von 90-24 Fuß abnehmend, zeigte es sich, daß
die weit zurückliegende Kuturu-Bai sehr schnell abflachte. Ich hätte
mich zu einer näheren Untersuchung wohl nicht sogleich eingelassen,
wenn nicht weit in die Bucht hinein eine Dhau in Sicht gekommen wäre,
die offenbar mit dem leichten Winde das Ufer zu erreichen suchte und
zu entkommen strebte. Leider unbekannt mit den Tiefenverhältnissen,
mußte ich, als immer flacheres Wasser gelothet wurde, vorsichtshalber
die Fahrt des Schiffes mindern und sah mich schließlich genöthigt,
da ich mit dem Geschütz die Dhau noch nicht erreichen konnte, die
Verfolgung aufzugeben. Das Fahrzeug, unzweifelhaft mit einer lebenden
Fracht nach Losefa, dem Sklavenhafen am gegenüberliegenden Seeufer,
bestimmt, entkam und lag wohlgeborgen in einem der sumpfigen Creeks,
ehe ich mich mit langsamer Fahrt dem Ufer beträchtlich genähert hatte.
Zwischen Kuturu und Losefa befindet sich eine bekannte Araberfähre; vom
ersteren Ort werden die weit aus dem Innern herbeigeschleppten Sklaven
nach Losefa übergeführt und von dort durch portugiesisches Territorium
weiter bis zur Küste.

Mit schlauer Berechnung sind auch hier im Nyassa-See von den Arabern
die flachsten verborgensten Winkel ausgesucht, um das schmähliche
Gewerbe ungehindert betreiben zu können; die Schleichwege über die
Untiefen hinweg sind nur den Führern der Sklavendhaus bekannt, und
gelingt es nicht, auf freiem Wasser die Menschenräuber zu überraschen,
entkommen sie unbelästigt.

Ich sah die Unmöglichkeit ein, mit dem großen Schiffe dem Ufer näher
zu kommen, deshalb suchte ich mir den Weg ins tiefe Wasser zurück und
den felsigen Bentje-Inseln näher gekommen, nahm die eigenthümliche
Beschaffenheit derselben meine Aufmerksamkeit ganz in Anspruch.

Die Hauptinsel, ein runder 500 Fuß hoher, vollständig kahler Kegel,
scheint nach allen Seiten hin wie abrasirt; am Fuße nur befindet
sich ringsum ein Kranz verkrüppelter Bäume und Sträucher und zeigt
wie wenig die Vegetation hier hat Fuß fassen können. Auch die nach
Südost abliegenden zwei niederen kaum 100 Fuß hohen Massen bilden,
getrennt von einander durch schmale Passagen, ein Conglomerat von
übereinander gethürmten Felsmassen. Was aber das Eigenthümlichste
ist, diese niedrigeren Inseln erscheinen auf jeder Entfernung wie
mit Schnee bedeckt, und Baum und Strauch spärlich vertreten, bieten
das Bild einer eintönigen Winterlandschaft dar. Der Grund dafür
ist der, jedes Felsstück, jeder Baum ist mit einer Guanoschicht
überdeckt und infolgedessen erscheint alles weiß. Tausende Vögel,
als Cormorane, Pelikane, Fischadler, Gänse und Enten etc. haben hier
ihren Aufenthalt und Brutstätte. Keines Menschen Fuß betritt diese
Inseln, kein Geräusch, als die nur oft wild gegen die steilen Felsen
anstürmenden Wogen des Sees, stört die Thiere hier; da Nahrung in
Ueberfluß vorhanden ist, so konnten sich die friedlich bei einander
hausenden Vogelarten keinen gelegeneren Ort auswählen. Aus großer Tiefe
aufstrebend, sind diese Felsen eine starre todte Masse und es war dicht
unter Land kein Ankergrund zu finden; erst später als Forschungsreisen
gemacht wurden, gelang es mir an der Nordseite, geschützt gegen den
südlichen Wind, einen sicheren Zufluchtsort zu finden.

Die Gebirgszüge, die unterhalb Kap Rifu schon weiter zurücktreten
und erst einige Meilen landeinwärts schnell bis 6000 Fuß ansteigen,
lassen infolgedessen die ganze Küste auf eine beträchtliche Strecke
nordwärts flach verlaufen und ebenso verflacht auch der See, obwohl
auf einer Seemeile Abstand immer noch genügend Wassertiefe ist. Von
12 Fuß schnell zunehmend, bis 60, fällt der See bis zu hunderten von
Fuß plötzlich steil ab und meine über 500 Fuß lange Lothleine hat
selten nur den Grund berührt. Da das Wasser klar ist, so läßt sich
jede Veränderung in der Tiefe leicht wahrnehmen, was für mich vorerst
von großem Vortheil war, weil ich auf diesen unbekannten Gewässer
vorsichtig sein mußte.

Schon dunkelte es, als wir uns den weitausliegenden Sandbänken vor
Kota-Kota, die im Laufe der Zeiten niedrige Inseln geworden sind,
näherten, und als diese nach Weisung des Kapitaos Kambajalika, der
mehrmals hier schon gewesen war, umsteuert waren, mußte der geringen
Tiefe wegen, wohl 2 Seemeilen vom Ufer entfernt, geankert werden.
Wie überall im Nyassa-See, der seit seiner Entstehung eine sehr
beträchtliche Tiefe hat, wo solche Verflachungen sich finden, sind
diese Anschwemmungen durch im See mündende Flüsse, die das Material von
den Bergen herabschwemmen, entstanden. Und wie bedeutend die Zufuhr
sein muß erhellt daraus, daß, wo immer sandige Ufer oder sumpfige
Niederungen sich finden, diese im Laufe der Jahrtausende auf dieselbe
Weise gebildet wurden.

Obgleich es ganz dunkel geworden war, ehe das Schiff sicher zu Anker
lag, wollte ich dennoch für die Landung der schwarzen Polizeisoldaten
nicht den Morgen abwarten, sondern, um Zeit zu gewinnen, ließ ich
sogleich das Boot in Bereitschaft setzen, und geleitet von dem
Wunsch, den berüchtigten und gefürchteten Häuptling Jumbe bei dieser
Gelegenheit auch kennen zu lernen, übernahm ich die Führung des Bootes
selber.

Jumbe's Residenz, sowie das ganze Dorf Kota-Kota ist durch hohe
Bäume und Gebüsch verdeckt und deshalb auch dieser verborgene
Sklaventransport für jeden Unkundigen schwer aufzufinden. Zwischen hier
und dem am anderen Seeufer gerade gegenüberliegenden Orte, Mluluka
wurde seit langer Zeit die Sklavenausfuhr mittelst mehrerer Dhaus
aufrecht erhalten; und ob auch englischerseits das Verbot erlassen
war, der Menschenhandel habe aufzuhören, so waren die Sklavendhaus den
Eigenthümern doch nicht genommen worden, vielmehr setzte Jumbe unter
dem Schutze der englischen Flagge das schmähliche Handwerk fort. Denn
wohl Protektor des weiten Gebiets, waren die Engländer doch nicht
Beherrscher des gewaltigen Sees geworden, einfach aus dem Grunde, weil
es ihnen bisher an Schiffen gefehlt hatte. Meine Unkenntniß des Weges
und die Dunkelheit machten eine genaue Orientirung unmöglich, bald
saßen wir auf Grund, bald befanden wir uns in tiefem Wasser und erst
nach einer Stunde, als die scharfen Augen meiner Leute drei auf den
Strand geholte Dhaus entdeckten mußten wir nahe Kota-Kota sein, wir
hörten auch bald menschliche Stimmen am Strande, die das sich nähernde
Boot anriefen.

Als wir mit dem Boote landeten, war ich sofort von einer Anzahl
schwarzer Gestalten umzingelt, die meine Frage nach der Behausung des
Häuptlings mit der Gegenfrage beantworteten, was das für ein Schiff
sei, was da draußen liege; erst als hinter mir die bewaffneten Soldaten
herangekommen waren, änderte sich das Benehmen der Kerle und mehrere,
jetzt aufgefordert uns den Weg zu weisen, weigerten sich nun nicht
mehr. Das Gerücht von der Ankunft eines weißen Mannes hatte sich mit
Blitzesschnelle im Dorfe verbreitet und von allen Seiten strömten die
Bewohner herbei. Dem Hause des Häuptlings nahe gekommen, waren vor und
unter der vorgebauten Veranda schon hunderte Eingeborene versammelt,
sodaß ich durch eine Phalanx von Neugierigen mußte, geleitet von
entgegengesandten Boten, die den Weg freihielten. Zum Eingang gelangt,
stand unter dem Vorbau, umgeben von seinem Hofstaat, der Häuptling,
ein alter schwarzbrauner Araber, der meinen Gruß, »Jambo, Fumo«, mit
dem Gegengruß »Jambo sana, bwana« erwiderte und mir die Hand reichend,
lud er mich ein, neben ihm auf ausgebreiteten Matten und schmutzigen
Polstern Platz zu nehmen.

Erst jetzt, beim flackernden Lichte einiger von Sklaven
herbeigebrachten Talgkerzen, konnte ich mir diesen Sultan näher
anschauen, der mit untergeschlagenen Beinen, umgeben von seiner ganzen
Pracht, würdevoll auf seinem Throne saß. Alt und verfallen, das Gesicht
voller Runzeln, der vorstehende Oberkiefer mit den schmutzigen, von
immerwährendem Betelkauen rothen Zähnen, saß die zusammengedrückte
Gestalt, fortwährend von hohlem Husten geplagt, vor mir und suchte sich
einen Anstrich von Würde und Macht zu geben. Nicht die abschreckende
Häßlichkeit, vielmehr der lauernde, trotz des matten Auges noch
grausame Blick war es, der mich abschreckte, und das Vorurtheil,
welches ich gegen diesen Menschenhändler gefaßt hatte, noch bestärkte.
Auch später, wenn ich durchaus mit diesem Halbaraber verhandeln
mußte, schwächte sich der erste Eindruck nicht ab. Seine geriebene
Pfiffigkeit, mit welcher er mich später bewegen wollte, ihm Zucker,
Mehl und Salz für einen Elfenbeinzahn zu überlassen, als wenn ich den
Werth eines solchen nicht zu schätzen wüßte, wirkte unangenehm. Dieses
Lockmittel, ein Wink mit dem Zaunpfahl, das Gewünschte ihm als Geschenk
zu überlassen, beachtete ich aber nicht, worauf er mir wüthend sagte:
»Die Engländer geben es mir dafür, warum giebst Du es nicht?«

Peinlich berührt durch die versammelte Menschenmenge, die dicht um uns
zusammengedrängt, jedes Wort auffing und mich neugierig anstarrte,
beeilte ich mich, ohne viel Worte zu machen, dem Häuptling das für ihn
bestimmte Schreiben zu übergeben. Die 15 Minuten, welche vergingen,
ehe von den Schriftkundigen die arabischen Zeichen entziffert
wurden, waren eine Tortur. Während des darauf folgenden Disputs mit
den Polizeisoldaten spielte Jumbe, der alle werthvolleren, ihm von
Europäern gemachten Geschenke neben sich liegen hatte, anhaltend mit
einer Weckeruhr, deren Glocke er erklingen ließ; er setzte diese bald
vor, bald neben sich, und mir wollte es scheinen, als sollte dieses
Hantieren eine Aufforderung für mich sein, auch mit meinem für ihn
bestimmten Geschenk herauszurücken.

Endlich, als nach meiner Ansicht alles was nöthig gesagt war, auch
meine Frage, ob die Soldaten hierbleiben sollten, bejaht wurde, übergab
ich dem Häuptling zwei Maskattücher und empfahl mich, um aus dieser
Gesellschaft fortzukommen. Mit wiederholtem Händedruck begleitete mich
der alte Sünder bis zum Ausgang; die Höflichkeit schien sich nach dem
Werthe des Geschenkes zu richten, denn auch die Vornehmsten streckten
ihre schwarzen Patschen aus und wollten diese gedrückt haben. Sicher
durch das Labyrinth von Hütten zum Strande geleitet, war ich froh, als
ich mit meinem Boote in die Dunkelheit hinaus fahren und den Weg wieder
zu dem fernab ankernden Schiffe suchen konnte.

Am nächsten Morgen setzte ich die Reise fort und folgte nordwärts
steuernd, der niedrigen, landeinwärts mit dichtem Busch und
Gras bestandenen Küste. Die weite tiefe Bucht von Marenga Sanga
abschneidend, war ich gegen 3 Uhr Nachmittags in die Nähe der felsigen,
steil aus dem See aufsteigenden Makusa-Hügel, die isolirt von dem
weit zurückliegenden Gebirge abgetrennt liegen, angelangt und ankerte
hier am Bestimmungsort Bandawe, in der sehr flachen Bucht zwischen
dem Festland und einigen großen Granitblocks. Da diese Bucht offen
und ungeschützt ist, so bieten die vorspringenden Felsen nur Schutz
gegen den südlichen Wind; die westlichen Winde, die seltener und nur
zur Regenzeit zuweilen mit einer Böe auftreten, sind fast immer
schwach. Gefährlich nur wird der zu Zeiten äußerst heftige Südost-Wind.
Fast immer ist eine langgezogene Dünung wahrzunehmen, die schnell zu
hoher See anläuft, sobald aus der genannten Richtung der Wind zu wehen
beginnt, und dann ist es nicht rathsam mehr, in Bandawe zu ankern, da
es auch völlig ausgeschlossen ist, den Versuch zu wagen, hier landen
zu wollen. Zugänglich für Boote ist nur ein schmaler Uferstreifen,
denn große Steinblöcke, die durch das stetig anspülende Wasser stark
zerklüftet sind und am Strande liegende Felsmassen machen bei Seegang
eine Annäherung gefährlich.

Beim Betreten des Strandes fällt es einem auf, daß der freie Sand
vollständig mit Glimmertheilchen durchsetzt ist, und namentlich wenn
die Strahlen der Sonne darauf fallen, sieht es aus, als wären Millionen
Silberstäubchen umhergestreut, die im Sonnenlichte blitzen und funkeln,
ein Zeichen, daß die vom Zahn der Zeit oder anderen Einwirkungen
allmählich zerstörten Felsmassen Glimmer in Mengen enthalten haben.

Wie überall, wo der »H. v. Wißmann« zuerst erschien, erregte das Schiff
das Staunen der Eingeborenen und was Beine hatte, war am Strande
versammelt. Fast mehr noch stieg die Verwunderung, als die gelandeten
Atonga, mit reichen Schätzen heimgekehrt, ihren Landsleuten erzählten,
woher das große Schiff gekommen sei und wie sie dieses hätten mit
erbauen helfen. Umlagert von der Menschenmenge konnte ich mich am
Strande kaum derer erwehren, die Lust bezeugten, an Bord zu arbeiten,
und nur, wenn ich ihnen bedeutete, daß sie mitkommen könnten, wenn
sie für die Engländer arbeiten wollten, dämpften die meisten ihre
Neugierde, das wollten sie doch nicht. Hauptsächlich um Feuerholz zu
erhalten, welches an Bord stark abgenommen hatte und womit ich nicht
nach Monkey-Bay zurückkommen würde, war ich schon mit einem der ersten
Boote an Land gegangen, um mit den Eingeborenen zu unterhandeln, damit
sie mir solches in genügender Menge beschafften. »Kumi, Kumi« (Holz,
Holz), hallte der Ruf, und bald stürzten Frauen und Kinder fort, aus
dem Dorfe Holz herbeizuschleppen. Meine Andeutung, sie möchten die
Knüppel, denn anderes Holz brachten sie nicht, nur aufzustapeln, ich
würde ihnen dann am andern Tage mit Zeug bezahlen, war ihnen neu. Bald
sah ich ein, daß solche Art Bezahlung hier nicht angebracht sei und so
mußte ich mich bequemen, jedem Einzelnen sein bischen Holz mit Salz
abzukaufen.

Wäre mir die Methode, für Salz oder Perlen Holz aufkaufen zu können,
bekannt gewesen, hätte ich mir von ersterem einen Vorrath mitgenommen,
und zwar nicht unser gutes Kochsalz, sondern von dem Erdsalze, wie
es im Süden die Mpondaleute aus einer salzhaltigen Erde zu gewinnen
wissen, das sie verhältnißmäßig billig verkaufen. So aber war ich nun
gezwungen, für jedes Stückchen Holz eine Prise Salz zu bezahlen, das
alle Weiber und Kinder gleich Zucker aufleckten. Raffinirt aber gingen
sie dabei doch noch zu Werke; denn anstatt für ein ganzes Bündel Holz
dem entsprechend eine Quantität Salz zu empfangen, mußte für jedes
einzelne Stückchen ihnen eine Prise bezahlt werden, und meistens, da
meine Leute es nicht so genau nahmen, kamen sie besser dabei weg.

Für zehn Pfund Salz kaum drei Boote voll schlechtes Holz zu erhalten,
das war mir denn doch ein Bischen zu wenig, und hier wenigstens habe
ich nie wieder mich zum Ankauf von Feuerholz verleiten lassen. Die drei
Tage, welche ich hier in Bandawe bleiben mußte, um die Anwerbung neuer
Atonga abzuwarten, die von schwarzen Kommissionären für das englische
Gouvernement ausgeführt werden sollte, benutzte ich dazu, um der
schottischen Mission, oben auf den Makusa-Hügeln erbaut, einen Besuch
abzustatten. Von einem Führer geleitet, stiegen wir anfänglich durch
verkrüppeltes Gebüsch auf schmalen Fußpfaden aufwärts und kamen bald
zu einem langen regelrechten Weg, der zur Höhe des Bergkammes führte.
Das erste, was sich hier den Augen darbot, war eine lange Reihe nach
europäischer Art ausgeführter Häuser.

Etwa 400 Fuß auf dem zur Straße erweiterten Weg fortgeschritten, stand
ich vor dem gefälligen Wohnhause des Leiters der Mission, Dr. Elmslie,
einer netten schottischen Cottage, wie die Engländer ihre Landhäuser zu
bezeichnen pflegen. Aufs Freundlichste von dem Doktor und dessen Gattin
begrüßt, erkannte ich bald, wie die Nachfolger Livingstons unermüdlich
und muthig vorwärts schreiten auf der Bahn, die der große Forscher sie
gewiesen, das Wort des Heils verkündend den Völkern, die, in Nacht und
Unglauben befangen, so schwer Christi Wort und Lehre begreifen können.
Bereitwillig und mit berechtigtem Stolz konnte Dr. Elmslie mir sein
seit etwa zehn Jahren begonnenes Werk zeigen und erklären; gab die
beträchtliche Anzahl der Missionszöglinge schon Zeugniß von seinem
Wirken auf geistlichem Gebiet, so erregte seine Vielseitigkeit, als
Lehrer, Arzt und Bauleiter, ebensoviel Bewunderung. Alles was man sah,
nur aus den Mitteln hergestellt, die das Land bot, war hier mit großem
Verständniß eine kleine Industrie geschaffen worden. Jeder Ziegel
ist selbst gebrannt, jedes Fenster (außer Scheiben), Thür, Tisch und
Schulbänke ist aus dem Holze gefertigt, das vom Gebirge herbeigeschafft
und in der Säge- und Tischlerwerkstatt bearbeitet worden war; alle
Bücher, Lehr- und Schulhefte, sowie Bibel und Gesangbücher sind in
der Sprache der Atonga gesetzt und gedruckt, und das alles ist unter
Aufsicht weniger Europäer von den Zöglingen der Mission ausgeführt
worden; man muß zugeben, daß der Leiter solcher Anstalt wirklich
Großes gewollt und geschaffen hat. Aber nicht auf Bandawe allein, der
Zentrale, ist das Wirken beschränkt, sondern weit landeinwärts im
Gebirge liegen die kleineren Stationen zerstreut. Ausgebildete Lehrer
und Prediger lehren in den Dörfern ihren schwarz-braunen Brüdern, was
sie von den weißen Männern gelernt und begriffen haben. Langsam zwar,
aber mit nie erschlaffender Energie, wird das Christenthum eingeführt
und verbreitet.

Mit ganz besonderem Geschick weiß Dr. Elmslie das Interesse der
Eingeborenen auch dadurch zu wecken, daß er alljährlich eine
Ausstellung im Schulgebäude veranstaltet, zu der ein Jeder berechtigt
ist beizusteuern, und zwar alles was von den Händen der Eingebornen
selbst gefertigt ist, als Bogen, Pfeile, Speere, Pfeifen, Thongefäße,
Messer etc. wird geordnet und wer seine Sachen verkaufen will, dem
steht es frei. Die besten Arbeiten aber werden prämiirt, und mit wie
großem Interesse die Bevölkerung sich solch nützlicher Beschäftigung
hingiebt, wie jeder bestrebt ist, mit Geschick etwas Originelles und
Schönes anzufertigen, das habe ich später selbst auf einer solchen
Ausstellung gesehen und beurtheilen können. Ein wahres Museum von
hunderterlei Dingen, lernt man erst hierdurch die Kulturstufe, auf
welcher die Bevölkerung steht, recht beurtheilen.

Die Atonga, die ebenso wie alle anderen Stämme am Nyassa-See dem
Ahnenkultus huldigen, haben vielfach die Gewohnheit, in ihren im Urwald
angelegten Totenhainen, die Verstorbenen fest in Matten genäht, im
Gezweige mächtiger Baumriesen aufzuhängen, und abergläubisch, glauben
sie, daß die Grabstätten von den Geistern der Todten belebt werden,
daher ist das Betreten derselben nur den Medizinmännern und Zauberern
gestattet, die auch nur allein es wissen, wo solche Leichen verbleiben;
kann freilich die Hyäne, die die frischen Gräber aufzuscharren liebt,
nicht herankommen, so sind es die Raubvögel, die ihre scharfen Schnäbel
daran versuchen.

Am Fuße der Berge, die etwa acht Seemeilen nördlich von Bandawe zum
See herantreten und von Cap Chirambo in Gebirgsformation übergehend,
eine hohe ununterbrochene Felsenkette bis Cap Mschewere 10° 25´ S. Br.
bilden, haben die Atonga auf fruchtbarem Boden ihre Tabakpflanzungen
angelegt, deren Erträge es ihnen gestattet, wie früher erwähnt, so
weite Wanderungen bis nach Blantyre zu unternehmen, wo sie sich als
Arbeiter und Träger verdingen; auf dem ganzen langen Wege also nur
durch Austausch gegen Tabak sich ihren Lebensunterhalt erwerben können.

In der Nacht vom 2. zum 3. September unternahm ich die Einschiffung der
neu angeworbenen Atonga, 176 Mann, verließ mit Tagesanbruch Bandawe
und wollte noch am selben Tage Kota-Kota, von wo die dort gelandeten
Polizeisoldaten wieder abgeholt werden mußten, erreichen. Der südliche
Wind, der während der letzten Tage frisch geweht, hatte aber den See
ziemlich unruhig gemacht, sodaß das Schiff gegen Wind und Wellen
nur mit mäßiger Geschwindigkeit vorwärts kam und wir daher zu der 65
Seemeilen langen Strecke nahezu 11 Stunden gebrauchten. Soviel ich noch
am selben Abend vom Ankerplatz aus erkennen konnte und was mir die
von Kota-Kota zurückkehrenden Bootsleute bestätigten, lagen anstatt 3
Dhaus deren 2 nur noch vor dem Dorfe und so war ich etwas überrascht,
am anderen Morgen etwa zwei Meilen nördlich vom Schiffe, die dritte
Dhau vor Anker liegen zu sehen. Nun wurden mir die unauffälligen
aber eingehenden Erkundigungen, welche Jumbe an jenem Abend an mich,
mehr noch an die Polizeisoldaten gerichtet hatte, klar, denn ihm
schien besonders daran gelegen zu sein, genau zu erforschen, wann ich
wohl zurückkommen würde und wann wohl die »Domira« passiren könnte.
Wahrscheinlich also wollte der alte Fuchs sich vor Ueberraschung
sichern, was ihm leider auch gelungen ist, da sicherlich die Fracht,
welche er nach Mluluka mit seinem Fahrzeug befördern wollte, gewiß
nicht zollfreie Waare gewesen sein mag.

So oft ich auch den Nyassa-See kreuz und quer durchfahren, wie scharfe
Ausguck ich auch nach Sklavendhaus gehalten habe, niemals gelang es mir
oder einem anderen Schiffe eine solche aufzubringen, immer fand ich die
Dhaus wohl geborgen am Strande liegen und keine Handhabe war gegeben,
dieselben wegzunehmen oder zu zerstören.

Mein erster Impuls war, die zwar auf neutralem Gebiet liegende
Dhau Jumbes einer eingehenden Besichtigung zu unterziehen und sie
wegzunehmen, wenn sich irgend ein Anhalt dafür bieten sollte, daß mit
derselben Sklaven befördert worden wären. Allein als ich den Kurs des
Schiffes auf diese richtete und meine Absicht erkannt war, ging die
englische Flagge hoch, und mir bekannt, daß Jumbes Fahrzeuge unter
solchen Schutz gestellt waren, durfte ich nicht fremdes Eigenthum
anrühren. -- Welchen Lärm hätten wohl die Engländer geschlagen, wenn
ihre selbst auf einem Sklavenschiff geführte Flagge, als was ich diese
Dhau wohl mit Recht ansehen mußte, niedergeholt worden wäre; zu sehr
unliebsamen Erörterungen mindestens hätte solcher Gewaltakt geführt.
Diese Bedenken, mehr noch, daß eine Untersuchung der Dhau jedenfalls
resultatlos verlaufen würde und namentlich der große Holzmangel an Bord
ließen mich davon abstehen.

Als der Kurs wieder südwärts gegen die hohe See gerichtet war, mußte
ich nun mit der Thatsache rechnen, daß in wenig Stunden unser Holz
verbrannt sein würde und unbedingt ein Ort gefunden werden mußte,
wo es möglich war, solches zu schlagen, betrug doch die Distanz bis
Monkey-Bai noch 75 Seemeilen und gegen Wind und See lief das Schiff,
ohne genügend Ballast, kaum 5 Knoten Fahrt.

Einige meiner Leute, die den See schon befahren hatten, bestätigten
mir, daß an den steilen Bergabhängen der Ostküste, deren Conturen am
fernen Horizont sich abhoben, viel Holz zu finden sei, aber keiner
wußte einen einzigen Ort anzugeben, wo mit Sicherheit könnte geankert
werden. Soviel nur wußten sie, daß am Fuße der Felsenmassen kein Grund
zu finden sei, kein Schiff, weder die »Domira« noch »Ilala«, jenes
kleine Dampfboot, welches noch Livingston selbst zum See gebracht
hat, liefe jene Gebiete an, und niemals hätte mit dem feindlichen
Volksstamm der Yao, der die ganze weite Küstenstrecke und Gebirge
bewohne, eine Verbindung stattgefunden. Auch ein Heizer, ein gepackter
strammer Neger, ein Yao, Katiolola mit Namen, konnte mir keine Auskunft
geben, und bestätigte nur die Angaben des Kapitao Kambajalika, daß mit
seinen Landsleuten im Guten und Bösen nicht viel anzufangen sei, wir
jedenfalls mit einem feindlichen Empfang zu rechnen hätten.

Schon weit in den See hineingesteuert mit der festen Absicht auf gut
Glück die Ostküste anzulaufen, machten mich die Aussagen der Leute
doch stutzig, und obwohl ich nichts zu fürchten hatte, da hinlängliche
Vertheidigungsmittel, Geschütz und Gewehre an Bord waren, so war das
Risiko doch zu groß, denn vorläufig wußte ich nur, daß die Wassertiefe
dicht unter Land 180-600 Fuß betrug.

Kurz entschlossen -- es blieb mir auch nichts anderes übrig --
richtete ich den Kurs des Schiffes nun direkt auf die Westküste zu
und im flacheren Wasser, auf eine Seemeile Abstand vom Lande südwärts
laufend, fand ich endlich gegen 1 Uhr Nachmittags einen einigermaßen
guten Ankerplatz. Daß ich mit dem Schiffe nicht eher hatte herankommen
können, lag daran, weil die ganze Strecke, von 5 Meilen unterhalb von
Kota-Kota bis wo die Bentje-Inseln in Südost-Richtung gepeilt wurden,
also 12 Meilen lang, mit tausenden ober- und unterhalb der Wasserfläche
liegenden Rocks und Steinen besäet war und es den Anschein hatte, als
hätte der Zahn der Zeit oder eine andere Naturkraft hier eine einst
kompakte Felsenmasse in Trümmern gelegt. Selbst die Ankerstelle war von
solchen großen Steinen umgeben und nur Raum genug, daß das Schiff vor
seinem Anker schwoien konnte. Sobald eine genügende Zahl der Atonga an
Land gesetzt war, unternahm ich mit den Leuten eine Streife durch die
nähere Umgebung, fand auch an den Ufern eines in der Nähe befindlichen
kleinen Flusses viele Bäume, jedoch zu wenig trockenes Holz. Weiter
landeinwärts, in einem mehrere Acker großen dichten Buschwald fanden
wir zwar mächtige abgestorbene Bäume, allein das Unterholz war zu
dicht, um an ein Fällen geeigneter Stämme denken zu können, auch war
es aus dem Grunde schon nicht rathsam, in diesem zu verweilen, weil
Schlangen und giftiges Ungeziefer den Beinen und nackten Körpern der
Atonga gefährlich werden konnten. Besser gelang es uns außerhalb des
Busches aufgefundene Stämme niederzulegen und zu zersägen, sodaß wir
bis zum Abend einige Boote voll Holz am Strande aufgestapelt hatten.
Während an Ort und Stelle das Zerkleinern des Holzes vorgenommen wurde,
was bei hellen Feuern geschah, die genährt und unterhalten wurden durch
herbeigeschleppte trockene Blätter der Fächerpalme, kam eine Kolonne
von etwa 100 Atonga anmarschirt, die für die Nacht hier rasten wollten.
Es waren Leute, die den weiten Weg von Blantyre zu Fuß zurückgelegt
hatten, um in ihre Heimath zurückzukehren, und uns stolz ihre Schätze
zeigten, den Lohn halbjährlicher Arbeit. Was mir besonders aber
auffiel, war, daß sämmtliche Capitaos mit neuen Vorderlader-Gewehren
abbezahlt waren, somit von den englischen Händlern, für die diese Leute
gearbeitet hatten, das bestehende Verbot, »an keinen Eingeborenen
Waffen zu verkaufen«, wieder einmal umgangen worden war.

Auf meine Erkundigungen hin erfuhr ich auch den Namen dieser Ortschaft:
»Molomba«; es habe hier einst, wie ein Capitao mir versicherte, ein
größeres Dorf gestanden, das von Sklavenhändlern überfallen, die die
Bewohner getödtet oder weggeführt haben, von den Flammen zerstört wurde.

Unsere Feuer, hell in der sternklaren Nacht über die Wasser
aufleuchtend, hatten wohl einige Flußpferde herbeigelockt, die ihr
dumpfes Grunzen ob der Störung in ihrem sonst so stillen Gebiet ertönen
ließen und nicht übel Lust bezeugten, das zwischen Schiff und Land
hin und herfahrende Boot anzugreifen, auch als ich um 9 Uhr Abends an
Bord zurückkehrte, tauchten mit dieser löblichen Absicht zwei Kolosse
neben dem Boote auf und erst einige zugeschickte Kugeln ließen die
aufgeregten Thiere in die Tiefe verschwinden.

Am nächsten Tage, der See war ruhig und die im Sonnenlicht blitzende
Wasserfläche spiegelglatt, dachte ich die Bentje-Inseln zu umlaufen
und direkt nach Monkey-Bai zu fahren, doch da Spenker, der
Maschinenmeister, im Zweifel war, ob unser Holzvorrath ausreichen
würde, so hielt ich auf Leopard-Bai, wo mehr Holz zu finden sein
sollte. Wir ankerten hinter dem Berge Rifu auf 300 Meter Entfernung vom
Lande, auf 12 Fuß Tiefe, weil die langgesteckte kleine Bai versandet
und flach, eine weitere Annäherung für den Dampfer nicht gut gestattete.

Kap Rifu ist durch eine Ebene, etwa 2000 Meter breit, von dem über
2000 Fuß hohen Gebirgsstock Mont Isenga und dessen Ausläufer getrennt
und erhebt sich dicht am See in felsigen Massen; hinter diesem Kap
aber liegt das feindliche Dorf Kuturu, daher war es eigentlich etwas
gewagt, hier zu landen, zumal der Dorfbevölkerung, Freunde und
Verbündete des am andern Seeufer herrschenden mächtigen Häuptlings
Makangila, nicht zu trauen war; denn immer besorgt, ihr Hauptgeschäft,
die Sklavenausfuhr zwischen Kuturu und Losefa, durch die Europäer
gefährdet zu sehen, standen sie gegen die Engländer stets in Waffen.
Waren doch bei Pandimba, wenig unterhalb Losefa, wo früher die Domira
einmal mit Streitkräften landete, um die Macht Makangilas in dem
Sklavenport zu brechen, die Engländer unter Verlusten zurückgeschlagen
worden (Kapitän Maguire wurde hier getödtet). Sobald alle verfügbaren
Leute an Land geschafft und Vorkehrungen getroffen waren, etwaige
feindliche Absichten der Bewohner Kuturus zu verhindern -- die an
Bord befindlichen Suaheli standen Vorposten -- ging ich mit der
Mannschaft, den Gängen der Flußpferde im dichten Rohr und Gebüsch
folgend, vor, bis die vorgelagerte Niederung durchschritten, wir am
Fuße der gewaltigen Felsmassen nach trockenen Bäumen Umschau halten
konnten. Nirgends habe ich solch ein Chaos von Steinmassen gesehen,
wie hier, die zu tausenden dicht am Fuße dieser Felswände zerstreut
lagen. Ueber und nebeneinander gethürmt, schienen diese Granitmassen
wie von Gigantenhänden umhergeworfen zu sein; haushohe Blöcke,
durch die ungeheure Kraft der Sonne in Verbindung mit Feuchtigkeit
senkrecht durchspalten, ließen erkennen, wie allmählig im Laufe der
Zeiten das Zerstörungswerk vorgeschritten ist. In klaffende Spalten
dieser riesigen Steinblöcke zwängte ich mich hinein und konnte dann
sehen, wie schnurgerade diese harte Masse durchspalten war, und kühn
behaupten kann ich, daß kein Sprengstoffe im Stande gewesen wäre, in
gleicher Weise solche gewaltigen Blöcke mitten durch zu sprengen. Dies
Conglomerat von umhergestreuten Felstrümmern, von der 2000 Fuß hohen
steilen Gebirgswand abgesprengt, konnte nicht ein Produkt der alles
zerstörenden Zeit und der einwirkenden Sonnenkraft sein, vielmehr,
worauf ich eingehend zurückkommen werde, hat hier, wie überall an den
Felsmassen, die den See umgeben, in grauer Vorzeit eine ungeheure
Gewalt ihre Kraft erprobt.

Leopard-Bai hat der Forscher diese kleine Bucht benannt und mit Recht,
denn in dieser Steineinöde, in den labyrinthartigen Gängen giebt es für
das gefährliche Raubtier keinen besseren und sicheren Zufluchtsort. Die
Ebene zwischen Rifu und Tsenga, von allerlei Wild belebt, das diesen
einzigen Zugang zum See offen hat, um nächtlicher Weile zur Tränke zu
kommen, ist für den Leoparden und Panther ein ergiebiges Jagdgebiet.
Dumpf hallte in mancher Nacht das zornige Knurren dieser großen Katzen
an der Felswand wieder, und habe ich auch nur einmal hier am Tage den
schleichenden Räuber gesehen, so vernahm ich zu Zeiten, wenn ich hier
vor Anker lag, in den stillen Stunden der Nacht doch immer jene, vom
Echo über das Wasser getragenen Laute.

Nach längerem Suchen fanden wir in genügender Zahl trockene Bäume, nur
Schwierigkeit machte es, das Holz von der Höhe herab und zwischen die
Steinmassen hindurch zum Strande zu schaffen, aber viele Hände machen
der Arbeit bald ein Ende -- so war auch bis zum Abend unser Bedarf
reichlich gedeckt.

Die Methode der Atonga, im freien Wasser Fische zu fangen, lernte ich
hier auch kennen; erblickten sie einen Schwarm abertausend kleiner
Fische im flachen Wasser, die vor dem Boote herflohen, sprangen sie,
wenn zahlreich genug, in das Wasser und sich schnell im Halbkreis
vertheilend, trieben sie solche vor sich her, indem sie gleicherzeit
ihre Lendentücher als eine Art Netz benutzten, sie fingen auf diese
Weise eine beträchtliche Zahl fingerlanger Fische. Primitiv, oder gar
nicht gereinigt, wurden die getödteten Thiere dann auf dünnen Stäben
aufgespießt und meistens sofort an Feuern geröstet. Die Eingeborenen
sind stets sehr begierig nach Zündhölzern, die ihnen die Mühe
ersparen, auf ihre Weise Feuer zu machen, darum bieten sie auch für
eine Schachtel einen beträchtlichen Gegenwerth; haben sie aber keine
Zündhölzer, wird auf einem weichen Stückchen Holz ein zugespitzter
Stab von hartem Holz senkrecht aufgesetzt und dieser dann zwischen den
flachen Händen schnell gequirlt, es erzeugt die rasche Reibung Rauch
und Feuer auf dem weichen Holz und eine Hand voll trockenes Gras ist
schnell in Flammen gesetzt. Auf dem Marsche haben sie meist immer
einen glimmenden Holzscheit, der zum Bedarf mitgeführt, die Mühe des
Feuermachens ihnen erspart, droht die schwache Gluth zu erlöschen,
schwingt der Träger das Holz durch die Luft und facht es so von neuem
an.

Da unsere Expedition von Kolonialfreunden mit manchem Gegenstand
bedacht worden war, worunter auch große Fischnetze, so habe ich später
solche häufig benutzt, um, wo es angängig, prachtvolle Fische uns zu
fangen. Karpfen, Bleie und andere, unsern besten Fischen in der Heimath
zu vergleichen, wählten wir am liebsten aus der großen Zahl aus, was
nicht verzehrt werden konnte wurde geräuchert; nur darauf mußten wir
achten, ehe jede Art uns bekannt war, daß wir keine giftigen Fische
wählten. Waren es auch nur wenige Arten, so war es doch rathsam bei der
Auswahl jedesmal einen Eingeborenen hinzuzuziehen. Einst vom Norden des
Sees zurückkommend, hatte ich fast 200 Eingeborne verschiedener Stämme
an Bord, für die ich nirgends genügend Proviant hatte aufkaufen können,
auch wider Erwarten durch Wind und Seegang aufgehalten, erreichte ich
erst Leopard-Bai, als ich mit dem Schiffe schon vor Port Maguire sein
sollte. Da die Leute hungrig waren (seit zwei Tagen hatten sie nichts
mehr zu essen gehabt) äußerten sie den Wunsch an Land gehen zu dürfen,
sie wollten versuchen sich Fische zu fangen. Ich hatte kaum Zeit und
Gelegenheit gehabt, in dieser Bai fischen zu können, daher glaubte ich,
ein Versuch würde nicht schaden und mit 26 Mann im Boot begann ich
unser Netz im weiten Bogen auszustellen. Darauf wurden alle Leute ins
Wasser geschickt, damit sie an den Flügeln des Netzes aufgeschlossen,
dieses an Leinen strandaufwärts ziehen sollten, und bald sah ich, daß
eine Unmasse Fische gefangen waren.

Eitel Jubel und Freude war es, solch einen Reichthum durch einen
einzigen Zug erhalten zu haben; bei der Vertheilung an Bord ergab eine
flüchtige Zählung 530 Fische, die zum größten Theil noch am selben
Abend verzehrt wurden.

Nachdem Monkey-Bai am nächsten Tage erreicht worden war, wurde dort so
viel Feuerholz als möglich aufgekauft, auch überzeugte ich mich auf
welche Weise die Eingebornen so viel trockenes Holz gewinnen können,
da in so wenig Tagen eine beträchtliche Masse herangeschafft worden
war. Ihre Methode ist einfach genug. Sie wissen nämlich, daß grünes
Holz ihnen nicht abgenommen wird, deshalb lösen sie die Borke von
vielhundert Bäumen und lassen diese absterben und dann erst, wenn die
Stämme ausgetrocknet sind, werden sie gefällt. Zurückgekehrt nach Port
Maguire, warteten wir unthätig auf die Ankunft des Majors von Wißmann,
der nach den letzten Nachrichten bestimmt mit der Domira eintreffen
wollte. Indes als am 15. September die Domira zurückkam war der Major
nicht an Bord, vielmehr nur der Befehl, der »H. v. Wißmann« sollte so
viel als möglich von den Beständen des Lagers an Bord nehmen und dann
die Reise nordwärts nach der Station Langenburg antreten.

Zwei Tage später, am 17. September, mit mehreren Passagieren an
Bord, unter denen ein deutscher Missionar, Herr Wolf, der für die
Missionsstation Wangemannshöhe bestimmt war, verließ ich die Station
und über Monkey-Bai direkt weiter, fuhr ich unter der hohen steilen
Felsenküste an der Ostseite des Sees entlang, der größten Insel im
Nyassa-See Likoma zu. Die ganze Küstenstrecke von Malambe Point 13°
25´ S. Br. bis Cap Mala 12° 12´ S. Br. erscheint, wenn man geraden
Weges, ohne den Einbuchtungen zu folgen, auf einige Meilen Abstand
vorbeifährt, als eine mächtige Gebirgskette, die immer höher nach dem
Innern zu ansteigt, bis solche zu dem 6-7000 Fuß hohen Plateau übergeht.

Einen reizvollen Anblick gewährt es im hellen Sonnenlicht über die
tiefblaue unergründete Fluth hinsegeln zu können; der See, vom frischen
Ostwinde leicht bewegt, der die schneeweißen Segel des Schiffes straff
aufbläht, war es gewiß nicht zu verwundern, wenn, wo immer wir dem
Lande nahe kamen, die Eingebornen in hellen Haufen herbeiströmten, um
dieses noch nie gesehene Schauspiel näher zu betrachten. Auch auf den
Beobachter macht die wechselvolle großartige Scenerie einen erhebenden
Eindruck; gleich einem gewaltigen Meerbusen liegt der See ausgebreitet
da, Nord und Süd eine unbegrenzte Wasserfläche und nur nach Westen
heben sich die Bergmassen des Angoni-Hochlandes in schwarzblauer
Färbung über dem Horizont empor.

Da auch ich noch ebenso unbekannt war mit der ganzen Küste wie der
Kapitao Kambajalika, der mir nur den Hafen von Likoma 12° 7´ S. Br.
und 34° 45´ O. Lg. näher zu bezeichnen wußte, so mußte ich in der
Dunkelheit, 6-1/2 Uhr Abends über Cap Mala hinaus weiter dampfen und
versuchen, die von diesem Punkte aus erst sichtbare Insel Likoma
noch zu erreichen. Tiefe Nacht war es, als das Schiff zwischen Rocks
und vorliegende Felseninseln hindurch langsam in die ziemlich offene
Bai einfuhr, und erst dicht unter Land fiel der Anker auf 30 Fuß
Wassertiefe.

Im Sonnenlichte des neuen Morgens aber zeigte sich dem erstaunten Blick
ein neues Bild voll eigenartiger Gestaltung; nicht hohe aber desto
zerrissenere Felsmassen, bestreut mit bröckelndem Gestein, kegelförmige
Hügel, deren Kronen abgerundet, die alle ein gleichmäßiges Aussehen
hatten, ließen die Inseln fern und nah wie ein großes Trümmerfeld
erscheinen. Jahrtausende haben hier wenig Einfluß geübt, als auf den
kahlen Felsen nur eine kümmerliche Vegetation Fuß gefaßt und ein
spärlicher Baumwuchs seine Wurzeln im harten Gestein geschlagen hat.
Auffällig waren nur nahe dem Strande einige mächtige Baobab-Bäume,
Zeugen grauer Vorzeit, die ihre viele Jahrhunderte alten Kronen in den
Lüften wiegten.

Vom Ufer aufwärts führte ein primitiver Weg zu der nach Norden von
hohen Felsen geschützten Mission »Universities Mission«. Der flache
große Platz ist von einer Felssteinmauer umgeben; hin und wieder nur
einige Büsche und niedrige Bäume, bietet er dennoch dem Besucher einen
überraschenden Anblick dar, ganz anders als wie man sich die Anlage
einer großen langjährigen Missionsstation denken würde. Vollständig
unregelmäßig, ohne jeglichen Plan oder Symmetrie, liegen die aus
Baumstämmen mit Rohrwänden und Grasdächern kunstvoll errichteten Häuser
der Missionare zerstreut umher, jedes Haus, mit Absicht getrennt, für
sich allein, ebenso das Schulhaus, die Zimmer- und Schmiedewerkstatt,
die Druckerei und ganz zurück die große, aus Steinen aufgeführte
Kirche mit einem mächtigen Grasdach über die starken, aber primitiven
Mauern. Die ganze Anlage wird auf Jeden anfänglich einen unschönen
Eindruck machen, aber bedenkt man, daß auf der Insel kein anderes
Material vorhanden ist, vor allem, wie in Bandawe kein Lehm- und
Thonlager, so muß man doch zugeben, es ist mit großem Geschick und
Benutzung der gebotenen Mittel viel gethan worden. Seit Begründung
der Mission im Jahre 1876 war die Lage der Häuser von vornherein eine
andere gewesen, aber seitdem im Jahre 1892 eine Feuersbrunst die ganze
Station, einschließlich der Kirche bis auf den Grund zerstört hatte,
hat namentlich der Archdiakon Mapple eine möglichst getrennte Lage
aller Bauten eingeführt, um so dem verheerenden Element nicht wie
früher ein schnelles Umsichgreifen zu ermöglichen. Jeder Tropfen Wasser
muß durch die weiblichen Zöglinge vom See heraufgeholt werden, die mit
Gefäßen auf den Köpfen, das köstliche Naß, wie es klarer und reiner
kein Brunnen liefern könnte, aus der Fluth schöpfen, und so ist es wohl
erklärlich, daß aus Mangel an Wasser ein einmal ausgebrochenes Feuer
nicht mehr eingedämmt werden kann.

Aufs Freundlichste jetzt und zu jeder Zeit, so oft auch der »H. v.
Wißmann« in Likoma zu Anker lag, von den Missionaren begrüßt, war es
mir ein um so lieber Aufenthalt, als eine gewisse Herzlichkeit und
gegenseitiges Wohlwollen uns Deutsche mit den englischen Missionaren
verband. Wochenlang haben später der Bischof Hornby, Dr. Robinson und
andere mit dem deutschen Schiffe Erholungsreisen auf dem See gemacht,
und dem uneigennützigen Streben, der für das Christenthum hier in
so weltentlegener ferner Gegend wirkenden Männer kann man nur alle
Hochachtung zollen.

Wie schon beim ersten Anblick Felsen und Felstrümmer ins Auge fallen,
so bleibt diese Erscheinung auf der ganzen großen Insel sich überall
gleich. Der wenig fruchtbare Boden verspricht nur einen mäßigen
Ertrag, und etwas erstaunt war ich, zu hören, daß diese doch über
2500 Einwohner zählt; freilich, ein großer Theil der Bedürfnisse
wird mittelst Canoes von dem 6 Seemeilen entfernten Festlande
herübergebracht und zu Zeiten, wenn die Ernte kümmerlich ausgefallen
ist, soll sich ein enger Handelsverkehr zwischen Insel und Land
entwickeln. Auch mächtige Häuptlinge am Festlande üben eine gewisse
Oberhoheit noch über die Bevölkerung aus und öfter haben die Missionare
unerhörte Ansprüche derselben ernstlich zurückzuweisen. Schlimm für die
Bewohner der Insel ist es, daß eine Unmenge giftiger Schlangen, denen
im Felsgestein nicht beizukommen ist, hier sich aufhalten, und keine
Woche soll vergehen, in welcher nicht mehrere gebissen werden. Das Gift
der Schlangen ist unbedingt tödtlich, dennoch werden viele von den
Missionaren gerettet, wenn sie sich sofort zur Mission bringen lassen;
vernachlässigte Fälle ziehen manchen, sobald sie zu spät einsehen, daß
die Kunst ihrer Zauberer sie nicht retten kann, ein langes Siechthum
zu. Zum Beispiel, wenn Giftzähne in der Wunde geblieben, versucht der
Medizinmann solche auf folgende Weise zu entfernen: zuerst nimmt er
von vier verschiedenen Wurzelarten kleine Stückchen, kaut diese mit
etwas Holzkohle und Salz zu einem Brei und saugt dann, die Mischung im
Munde behaltend, so lange an der bezeichneten Stelle, wo die Giftzähne
sitzen sollen, bis durch Beißen und Quetschen mit den Zähnen diese
herausgedrückt sind. Die Giftzähne hebt der Medizinmann sorgsam auf,
um sie mit irgend einer Daua (Medizin) zu vermischen, die als ein
Mittel gegen den Schlangenbiß betrachtet wird. Die Thätigkeit der
Missionare beschränkt sich nicht auf Likoma allein, vielmehr an der
portugiesischen Küste, den Orten Kaango, Utonga, Umba, Panzo, Pachia,
Msomba und andere sind Kirchen und Schulen errichtet, wo Zöglinge als
Lehrer und Prediger schon fungiren. Die nothwendige Verbindung mit der
Hauptstation unterhält der kleine Missionsdampfer »Charles Janson«, ein
flinkes Fahrzeug, mit dem der Prediger, Mr. Johnson, immerwährend von
Station zu Station unterwegs ist.

Mit der ganzen Küste weiter nordwärts völlig unbekannt, konnten mir
auch die Missionare keine nähere Auskunft geben, als nur den Rath,
da ihres Wissens nirgendwo Feuerholz zu erlangen sei, das Schiff mit
solchem genügend zu versehen. Den mir in Vorschlag gemachten Plan,
lieber einen Tag zu versäumen und nach dem Festlande, dem Orte Kaango
hinüber zu laufen (12° 5´ S. Br. 34° 51´ 45´´ O. Lg.) und dort gegen
Salz und Perlen Holz einzutauschen, acceptirte ich um so lieber, als
dort der Bedarf reichlich gedeckt werden würde und wir dem aus dem Wege
gingen, vielleicht irgendwo an der Küste Holz suchen zu müssen.

Am 20. früh setzten wir die Reise fort und fuhren unter der hohen
steilen Felsenküste auf einen Abstand von etwa 5 Meilen entlang,
möglichst direkt von Cap zu Cap, wie ich die vorspringenden Bergmassen
bezeichnen kann. Einen schönen Anblick gewährten die Conturen der über
7000 Fuß hohen Gebirge, tiefe Schluchten und Thäler öffneten sich, von
steilen Felswänden stürzten aus gewaltiger Höhe Wasserfälle herab,
die im Sonnenlichte gleich Silberfäden erglänzten, durch den Sturz in
die Tiefe aber Wasserdämpfe erzeugten, in denen sich die Farben des
Regenbogens in reinster Klarheit spiegelten. Zwar Berg und Höhen mit
dichtem Busch und Baumwuchs bestanden, zeugte dennoch die Oberfläche
der Felsen von der gewaltigen Zerstörung der Wassermassen; die
reißenden Sturzbäche, die im wilden Laufe alles mit sich nehmen, haben
tiefe Furchen in die ursprünglichen Formen gegraben und nur die Spitzen
der Granitmassen zeigen noch die uralte Formation. Bis zum Abend
hatten wir 90 Seemeilen zurückgelegt und auf 10° 50´ S. Br. angelangt,
suchte ich an verschiedenen Stellen, wo eine kleine oder größere Bucht
einigen Schutz versprach, einen Ankerplatz, allein meistens auf ein
bis zwei Schiffslängen dem Ufer nahe gekommen, lotheten wir noch 25,
20, 15 Faden Wassertiefe (1 Faden = 6 Fuß) und völlige Dunkelheit
war eingetreten, ehe an einem ungeschützten Platz weniger Wasser
gefunden wurde. Wo immer das Schiff so nahe dem Ufer kam, liefen die
Eingebornen, die furchtsamen Wampotto, mit ihrem geringen Hab und Gut
in die Berge und verbargen sich hinter Felsblöcke; sie haben wohl noch
nie einen weißen Mann, noch nie vorher ein Schiff gekannt, das gleich
einem grauen Ungethüm so schnell daher kam, darum scheuchte der erste
Anruf auch die waffenführenden Männer hinweg und alles Winken und Rufen
war vergeblich. Von Furcht und Schrecken aber wurden sie erst erfaßt,
als ich einsehend, alle Liebesmüh sei vergeblich, die dumpfheulende
Dampfpeife zog, deren mächtiger Ton ein hundertfaches Echo an den
Felsen weckte. Auch aus dem Dorfe, vor welchem wir schließlich
Ankergrund gefunden hatten, flohen die Bewohner.

Hier zuerst zogen die Pfahlbauten, von denen viele Ueberreste im
nördlichen Theil des Sees noch vorhanden sind, die Aufmerksamkeit auf
sich; viele im Wasser eingebohrte lange Pfähle dienten früher dazu,
die Hütten der Eingebornen zu tragen, die dicht aneinander gedrängt,
ein ganzes Dorf ausmachten. Ein solches war für die von ihren Feinden
hart bedrängten Küstenbewohner dann eine sichere Zufluchtsstätte, da
der herankommende Gegner im Wasser ungeschützt, den Pfeilen und Speeren
der Vertheidiger ausgesetzt, sich nicht weiter vorwagen durfte und sich
mit dem aufgegriffenen Vieh, einigen Gefangenen, die in die Sklaverei
geschleppt wurden, begnügen mußte.

Seit der Zeit, daß die mächtigen Wagwangwara, die armen Wakissi und
Wampotto tributpflichtig gemacht haben, sind die Pfahlbauten in Verfall
gekommen, wenigstens selten nur findet man noch eine Hütte auf solchen
erbaut. Um die aberhundert Pfähle, die zu einem Dorf benöthigt wurden,
im harten Grunde fest einzubohren, bedienten sich die Eingebornen
folgender Methode: der oft nicht gerade Baumstamm wurde nach unten
zu angeschärft, dann fest aufgesetzt und mit primitiv an diesem
befestigten Hebeln fortwährend gedreht, bis der Pfahl fest und sicher
stand.

In der Voraussetzung, daß der nächste Tag uns bei guter Zeit nach
der Rambira-Bai, Station Langenburg bringen würde, die Distanz von
annähernd 70 Seemeilen glaubte ich bequem zurücklegen zu können,
eilte ich am nächsten Morgen nicht zu sehr, sondern, nicht allzu weit
von Amelia Bai, heute Wiedhafen, suchte ich, vorsichtiger unter Land
laufend, die große Bai und ihre Umgebung näher in Augenschein zu
nehmen, zumal ich ohne Karten, ohne jeglichen Anhalt mich vorläufig auf
flüchtig, im Vorüberfahren aufgenommene Skizzen zu orientiren suchen
mußte. Von Cap Bango tritt das hohe Livingstone Gebirge unmittelbar zum
See heran und von hier in ununterbrochener Linie heben sich die 2 bis
3000 Fuß hohen Felsmassen steil und direkt aus dem See empor. Manche
Bucht und mancher Felsvorsprung unterbricht die Küstenlinie, aber
nirgends findet sich ein geschützter Punkt, außer in der Kaiser Bai,
wo ein Schiff mit Sicherheit ankern könnte, wenn die Wassertiefe unter
Land nicht zu groß wäre.

In reicher Abwechslung zogen die Berg- und Gebirgsformationen vorüber,
vom Fuß bis zum Gipfel mit Busch und Baum bestanden; an Stellen,
wo tiefe Bergschluchten sich aufthaten, aus welchen donnernd die
Sturzbäche in Cascaden ihre Wasser über Fels und Stein springen ließen,
konnten wir im Schutze mächtiger Baobab- und Tamarindenbäume auch
Hütten Eingeborner bemerken, die idyllisch am Fuße majestätischer
Bergriesen in einer großartigen erhabenen Natur hingestreut lagen.
Schon war der Nachmittag weit vorgerückt und noch immer wollte die
Station Langenburg nicht in Sicht kommen, bis endlich, als ich noch
im Zweifel war, ob es nicht besser sei mit dem Schiffe weit von Land
abzulaufen und die Nacht auf dem See zu verbringen, öffnete sich,
als wir eine Strecke weiter gelaufen waren, plötzlich eine weite
Thalschlucht; die Gebirgsmassen schienen wie durchgespalten, und mit
Recht vermuthete ich, daß die vorausliegende Landzunge die Mündung
des Rambira-Flusses verdecken könne. Immer weiter öffnete sich das
Thal, ein Wald von mächtigen Bäumen bedeckte die niedrige Landmasse
und bald darauf erblickten wir am Ende derselben das starke Fort
Langenburg. Dicht unter Land auf die jetzt auch offene Mündung des
Rambira-Flusses zusteuernd, fand ich, als überall das Loth keinen Grund
erreichte, daß an der südlichen Seite ein Ankern unmöglich sei und
erst als die Sandspitze passirt war öffnete sich die eigentliche Bai.
Dem Fort gegenüber, das hier dicht am Ufer aufgebaut ist, vermeinte
ich, müsse sich hier auch Ankergrund vorfinden, allein nur noch 120
Fuß vom Strande entfernt, fand ich noch 100 Fuß Wassertiefe vor, so
sah ich mich genöthigt, hier das Anker fallen zu lassen. Dieses konnte
natürlich an dem steilen, gleich dem Abhang eines Berges, abschüssigen
Grund keinen festen Halt finden, und sollte nicht jeder Wind außer dem
Nord-West-Wind das Schiff abtreiben können, mußte es mit starken Leinen
vom Heck aus am Lande festgehalten werden, zu welchem Zwecke auch schon
festeingerammte Pfähle vorhanden waren. Solche Lage, das Schiff hatte
hinten 2 Fuß, vorne 65 Fuß Wasser unter dem Kiel, war nicht angenehm,
und manche schlimme Nacht, wenn aus dem Rambira-Thal stürmische
Ostwinde von den Höhen niederbrausten, oder der Nord-West-Wind das
Schiff auf den Strand drängte und dieses in der aufgewühlten See
stampfte, habe ich hier mit der Mannschaft in Sturm und Unwetter
durchgemacht. Die Behauptung, die gewaltigen Binnenseen Inner-Afrikas
seien flach, wenigstens die Annäherung für Schiffe meistens unmöglich,
ist hier auf dem Nyassa-See völlig unbegründet.

Bald darauf kam auch der derzeitige Kommandant des Fort, der Sergeant
Bauer, an Bord, in dem wir einen Gefährten begrüßen konnten, der über
ein Jahr von uns getrennt, in blutigen Kämpfen am Tanganjika-See
und anderen Orten mit dem Major weite Gebiete durchzogen hatte. Er
benachrichtete mich auch, der Major und sein Adjutant, Dr. Bumiller,
seien nicht allzufern, vielleicht in der neu angelegten deutschen
Missionsstation Ikombi oder in deren Nähe, darum wurde sofort ein Bote
abgesandt, der den Herren die Ankunft des Schiffes melden sollte. Die
Veste Langenburg ist eine Staketenpalisade, ein umfangreiches Viereck
besetzt mit dreifach hintereinander im Boden eingesetzten 20 Fuß
langen Pfählen, von denen 7000 Stück verwendet worden sind. An den
ausliegenden Bastionen, bewehrt mit Schnellfeuer- und Maximgeschützen,
den vielen natürlichen und angebrachten Schießscharten, würde es jedem
Feinde schwer fallen, heranzukommen. Was übrigens die Sicherheit der
Station anbetrifft, so ist, wie ich mich später überzeugen konnte,
bei der geringsten Vorsicht ein Ueberfall ausgeschlossen, die zu der
Landzunge führenden Pässe im Rambira-Thal sind im Nothfalle schon mit
wenigen zuverlässigen Leuten bequem zu halten; ein Angriff auf die
Station selbst, wie sie von Major von Wißmann erbaut worden, würde mit
einer kleinen entschlossenen Schaar stets zurückgewiesen werden können.
Auch liegt eine Gefahr vor den im Gebirge und am See wohnenden Wakinga
und Wakissi nicht vor, viel zu armselig und nicht sehr zahlreich sind
diese kleinen Stämme, als daß sie je an einen ernstlichen Widerstand
denken könnten.

Eine prächtige Lage hat die Station auch in sofern, als zwei mächtige
breitästige Tamarindenbäume sehr viel Schatten spenden durch deren
dichtes Gezweig die glühenden Pfeile der Sonne nicht hindurchdringen;
in der Messe oder im Hause des Majors war immer ein kühler und
angenehmer Aufenthalt. Uebrigens sind nach der Methode der Wakonde alle
Häuser erbaut, die Wände bestehen nicht aus Gras oder Rohr, sondern
zwischen horizontal gelegtes Bambusrohr, sind breite Bananenblätter
eingezogen wodurch dem Aeußeren der Bauten ein gefälliges Aussehen
gegeben wird. Auffällig war, alle Soldaten mit verbundenen Füßen
umhergehen zu sehen, und erfuhr ich durch Nachfrage bald, daß hier der
gefährliche Sandfloh stark vertreten sei, dessen Eindringen in die Haut
nur durch eine dichte Umhüllung verhindert werden kann. Kein Schuhzeug
sei dicht genug; das mit bloßem Auge nicht sichtbare Thier, setze sich
mit Vorliebe unter den Zehen fest, und wird nach Eintreten des anfangs
geringen Schmerzes dieses nicht sofort entfernt, vermehrt sich unter
der Haut das Thierchen derartig schnell, daß häufig der Verlust eines
Zehen, selbst des Fusses die Folge der Vernachlässigung ist. Ohne
Ausnahme, trotz großer Vorsicht und Reinlichkeit, haben wir Europäer
alle daran zu leiden gehabt; mit Sicherheit konnte man nur über den
Sand gehen, wenn derselbe naß oder feucht war, und jeden Morgen wurde
im Fort gesprengt. Ein schöner Anblick war es, die stattliche Heerde
Kühe, Ziegen und Schaafe aus den Bergen herabkommen zu sehen, zum
großen Theile Geschenke der Wakonde Häuptlinge an den Major. Frische
Milch, die reichlich vorhanden, war ein köstlicher Labetrunk, der nach
so langer Zeit uns gespendet wurde.

Um Mittag des nächsten Tages den 22. September 1893 traf Major
von Wißmann auf der Station ein und sah hier zum ersten Male sein
Schiff, das nach Jahr und Tag nun doch vollendet, nach so vielen
Widerwärtigkeiten und Hindernissen sich stolz auf den Fluthen des
Nyassa-Sees wiegte. Die Hauptaufgabe der großen Expedition war glänzend
gelöst, eiserner Wille und und unermüdliche Thatkraft bezeugten an
diesem Werk wiederum mit wie weitschauendem Blick der beste Kenner
Afrikas die Aufgaben einer nationalen Kolonialpolitik aufzufassen und
auszuführen verstand! Mit berechtigtem Stolze konnte unser Führer
auf den Abschluß seines großen Unternehmens schauen und, um seiner
Freude den würdigsten Ausdruck zu geben, befahl er das Schiff im
Schmucke seiner Flaggen und in duftiges Grün zu kleiden, die glückliche
Vollendung und die Ankunft des H. v. Wißmann sollte gebührend gefeiert
werden.

Die Masten und Raaen mit Grün geschmückt, darüber im Sonnenlichte die
Flaggen, Deck und Kommandobrücke ein einziger Laubwald, nahm sich das
Schiff in solchem Schmucke ungemein prächtig aus. Lichtkronen aus
Laub gewunden erhellten die auf der Brücke errichtete Tafel und was
an Vorräthen noch vorhanden war wurde herbeigeschafft, selbst die
Restbestände an Cognac und Wein wurden nicht geschont und davon eine
duftende Annanasbowle gebraut. Eine kleine Zahl aus den Mitgliedern
der Expedition war es nur, die sich hier um ihren Führer versammeln
konnte, eine kleine Schaar Deutscher lauschte im Sternenschimmer der
Tropennacht den Worten und dem Dank, welchen Major v. Wißmann allen,
die treu in jeder Lage ihm zur Seite gestanden, aussprach, er schloß
mit einem Hoch auf den Schutz- und Schirmherrn der Deutschen im In-
und Auslande und jubelnd hallte unter dem Hurrah, der Donner der
Geschütze, das Hoch auf den deutschen Kaiser an den Felsenwänden des
Livingstone-Gebirges wieder, ein mächtiges Echo weckend, wie solches
über die Fluthen des Nyassa-Sees noch nie zuvor gebraust! --




         14. Die Küste und das deutsche Gebiet am Nyassa-See.


In Verbindung mit den nach wenigen Tagen schon aufgenommenen
Entdeckungsfahrten längs der ganzen Küste des deutschen Gebietes, will
ich versuchen alles zusammenzufassen, was mir über Land und Völker
bekannt geworden und was ich aus eigener Erfahrung während der Zeit
kennen gelernt und beobachtet habe, während welcher ich den »H. v.
Wißmann« auf dem Nyassa-See führte. Die gewaltige, großartige Natur,
hier in hehrer Majestät entfaltet, birgt soviel des Unbekannten, daß
man mit vollem Interesse den Schöpfungen einer vorweltlichen Periode
nachzuforschen bestrebt ist; nicht die unerforschten Tiefen des
mächtigen Sees, die noch kein Senkblei ergründete, in dessen klarem
Gewässer sich das Azurblau des wolkenlosen Tropenhimmels widerspiegelt,
nicht die senkrecht aufstrebenden Felsenwände, die gigantisch in
kolossalen Massen aufgethürmt, sich in die weite Ferne verlieren,
allein sind es, welche Bewunderung und Staunen hervorrufen, vielmehr,
da viele Jahrtausende noch nicht die Spuren einer einst gewaltigen
Umwälzung, wie wir solche wohl ahnen, aber nicht erfassen können,
verwischt haben, bieten sich dem Auge des Beobachters Räthsel auf
Räthsel dar, zu deren Lösung darum die rechte Handhabe fehlt, weil alle
Behauptungen auf ungewisse Vermuthungen aufgebaut sind und mit Recht
kann in wissenschaftlicher Beziehung Afrika noch immer als der dunkle
Erdtheil bezeichnet werden. Ehe ich mich aber auf das Feld ungewisser
und unbewiesener Thatsachen begebe, eine bloße Theorie aufstelle, will
ich vorerst die Wirklichkeit zu schildern suchen.

In südwestlicher Richtung von Langenburg in 10° 0´ S. Br. liegt am
Westufer des Sees der Haupt-Handels- und Stapelplatz Karonga; eine
einfache Niederlassung, wie alle in das Innere Afrikas vorgeschobene
Posten, von gewöhnlich nur zwei Europäern ohne sonstigen militärischen
Schutz besetzt. Am Strande erbaut, ist die Anlage und Wahl des Ortes
keine glückliche zu nennen, schon deshalb nicht, weil die Annäherung zu
Wasser für Schiffe und Boote eine schwierige und zu Zeiten unmögliche
ist; weitabliegende Riffe, mit nur wenigen Ausläufern, auf denen ein
Schiff ankern kann, findet es nirgends vor der von heftigen Süd-
und Südost-Winden aufgewühlten gefährlichen See hier Schutz, und
das Sicherste ist es, wenn keine zwingende Nothwendigkeit vorliegt,
in der Periode der Passatwinde lieber die offene See während einer
stürmischen Nacht zu halten, als vor Anker einen plötzlich auftretenden
Sturm auszureiten. Zweimal war ich gezwungen es thun zu müssen, solche
Situation ist aber in dunkler Nacht, wenn die schwere See über das
Schiff hinwegbrüllt, die Ankerketten aufs Aeußerste durch den Anprall
der Wogen straff gespannt werden und der Bug des Schiffes in die
schäumenden Wellen unablässig eintaucht, keine angenehme.

Der »Domira« erging es hier einst bei heftigem Südwind sehr schlecht;
nachdem die Ankerketten gebrochen waren, wurde das Schiff aufs Riff
geworfen und wochenlanger Arbeit mit hunderten von Schwarzen bedurfte
es, das gänzlich leere Schiff, zum Glück nicht schwer beschädigt,
wieder abzubringen. Die ganze nördliche Küste des Sees, von der
Pankanga-Bucht bis herum nach Langenburg bietet gegen die einzig zu
fürchtenden Südwinde keinen Schutz. Die Wogen des tiefen, über 325
Seemeilen von Nord nach Süd sich erstreckenden Sees, brüllen, vom
Sturme aufgewühlt, mit furchtbarer Gewalt gegen das nördliche Ufer
und schützten nicht hohe natürliche Dämme die weite mit dem Niveau
des Sees gleichliegende Konde-Ebene, die Wellen müßten sich über
das fruchtbare Land ergießen. Cap Mshewere, 10° 30´ S. Br., der
letzte nördliche Felsvorsprung des Angoni-Hochlandes, das oberhalb
Pankanga-Bucht steil aus dem See aufstrebt, bildet den Abschluß der am
See vorgelagerten Felskette dieses Gebirgsstocks. Nördlich von diesem
Cap tritt es weiter und weiter zurück und vom Ufer des Sees bis zum
Fuße der Berge erstreckt sich eine wellenförmige hügelige mit dichtem
Busch bestandene Ebene. Gleichwie überall an der Westküste des Sees, wo
die Gebirgsmassen zurückliegen, die verflachenden Ufer eine Annäherung
nur auf 2 bis 500 Meter gestatten, so sind auch hier von der oberhalb
Cap Mshewere liegenden Mdoka-Bucht nordwärts bis zum Kiwira-Fluß, auf
dieser Küstenstrecke mehr oder weniger Sandanhäufungen vorgelagert,
entstanden und gebildet durch das Material, welches die Flüsse und
Bäche aus den Bergen herabschwemmen. Die bedeutendsten befinden
sich bei Kaiguni, Karonga und an der Mündung des Saisi-Flusses. Das
landschaftliche Bild dieser wilden, pitoresken Gegend, von den armen
Wakamanga bewohnt, deren Dörfer vereinzelt am Seeufer oder im dichten
Busch versteckt liegen, bietet als Urwildniß nichts erfreuliches für
das Auge, zumal von einer Kultur noch keine Rede sein kann, wiewohl
die ziemlich gut bewässerte Ebene und die Abhänge der Berge einen
ertragreichen Boden vermuthen lassen.

Erst unterhalb Karonga, einige Kilometer von der englischen Station,
finden sich von Arabern angelegte Schambas, namentlich eine ausgedehnte
Pflanzung dem uns befreundeten Araber Mirambo gehörend, von welcher
wir, wenn Zeit und Umstände es gestatteten, unsern Bedarf an
Zwiebeln, Salat etc. deckten. Major von Wißmann hatte Mirambo als
Dolmetscher und Führer in seine Dienste genommen und soweit ich diesen
Araber beurtheilen kann, konnte ein begrenztes Vertrauen in dessen
Gesinnung uns Deutschen gegenüber gesetzt werden, besonders da er
den Major schon früher und nicht nur von Hören-Sagen kennen gelernt
hatte. Uebrigens sind die Araber seit Jahrzehnten hier ansässig und
haben sich etwa 8 Kilometer hinter Karonga einen festen Stützpunkt
errichtet, der im Jahre 1880-81 von den vordringenden Engländern
vergeblich berannt wurde; war auch nach dem Friedensschluß die Macht
derselben gebrochen und die Sklavenausfuhr von dem westlichen Ufer,
von Pankanga aus nach Amelia-Bai unterbrochen, so leiteten sie nun
die Karawanen doch ungehindert durchs Gebiet der Wakonde, am Fuße des
Livingstone-Gebirges entlang, dann im Rambirathal aufwärtssteigend,
gewannen sie portugiesisches Territorium, in welchem sie eine noch
heute mit ihnen sympathisirende Bevölkerung und Schutz und Beistand bis
zur fernen Küste am indischen Ocean finden. Die Engländer, ohnmächtig
dem schändlichen Gewerbe zu wehren, auch als Händler nur darauf
bedacht ihre Stationen soweit als möglich nordwärts den Tanganjika
hinauf vorzuschieben, um den Elfenbeinhandel möglichst nach Karonga
abzulenken, haben erst vor Kurzem, seitdem ihre Kanonenboote den
Nyassa-See befahren, mit der unbequemen Nachbarschaft hinter Karonga
aufgeräumt und den Arabern wenigstens den Sklavenhandel auf dem See
selbst verleidet.

Wie ertragreich und lohnend der Handel mit Elfenbein ist, der neben
anderen Produkten meistens am Westufer des Tanganjika-Sees, ja selbst
von der Ostseite aus deutschem Gebiet, von den vereinzelt auf der
weiten Strecke vertheilten Händlern eingetauscht wird, erhellt daraus,
daß ich selbst 1893 theils in Karonga, theils in Fort Johnston, nach
meiner Schätzung 15 Tons = 300 Centner prachtvoller Elfenbeinzähne
habe zur Verschiffung gelangen sehen und kann nicht umhin darauf
hinzuweisen, mit welchem Vortheil das englische Kapital auch in den
entlegentsten Theilen Afrikas zu arbeiten versteht. Es ist die deutsche
Bedächtigkeit, die ein langsames aber sicheres Vorgehen empfiehlt, und
man will nicht erkennen, daß, wo andere Nationen mit Riesenschritten
vorwärts dringen, wir auch gleichberechtigt eintreten können und
theilnehmen müßten an den Früchten, die jene ernten. Wie ganz anders,
mit wie viel großartigerem Erfolge würde die koloniale Bestrebung, die
Länder im Innern Afrikas uns zu erschließen, gefördert worden sein,
wenn der geniale Gedanke des Majors von Wißmann, auf den gewaltigen
Binnenseen Afrikas die deutsche Macht durch starke Schiffe vertreten
zu sehen, die allmählich dem aufblühenden Handel bahnbrechen und
schirmen sollten, nicht durch zagende Bedächtigkeit fast illusorisch
geworden wäre; die Wege hat er wohl gewiesen und gezeigt, daß es
vollbracht werden kann. Da der deutsche Besitz ein werthvolles Objekt
ist, worauf so oft und leider so vergeblich die besten Kenner Afrikas
hingewiesen haben, so ist es gewiß an der Zeit uns der Erkenntniß,
das Versäumte doppelt eifrig nachzuholen, nicht mehr zu verschließen.
Durch bedächtige Zögerung finden wir auf allen Wegen erstarkte Gegner
vor, die sich das Errungene nicht leicht streitig machen lassen; aber
vielleicht ist dieses erst nöthig, um für die deutsche Energie ein
Sporn zu sein auch hier thatkräftig einzutreten in den Kampf mit der
Konkurrenz, und es erkannt wird, daß sich auch hier im Ringen und
Streben für des deutschen Volkes Wohl ein weites Feld eröffnet.

Die Thatsache, daß ein deutsches Schiff auf den Seen Inner-Afrikas
vielen nur als ein geringes Werthobjekt bis jetzt erscheint, da wir
leider unsere Handelsbeziehungen mit den Völkern des inneren Afrika
noch nicht eröffnet haben sondern anstandslos den Engländern freies
Feld lassen, Handel und Macht ihrerseits immer weiter auszudehnen, so
ist es wenigstens ein Machtobjekt, das schirmen und schützen kann, was
wir besitzen, und würdig die Flagge des deutschen Reiches, die über
weite ausgedehnte Gebiete entfaltet ist, repräsentirt. Bezeugt die
deutsche Energie aber auch hier einst, wie sie es im Dienste fremder
Völker und Nationen so oft glänzend bewiesen, daß der befähigste
Kulturmensch der Deutsche ist, dann, und die Zeit liegt nicht so
fern, wird das Hochplateau des Central-Afrikas, die Gebirge, Thäler
und Höhen, dem deutschen Fleiße ihre Schätze erschließen, eine Kultur
entfalten, wie wir solche uns nicht haben träumen lassen.

Die Steavenson-road, die alte vom Nyassa- bis zum Tanganjika-See
führende 225 englische Meilen lange Karawanenstraße, windet sich, etwa
5 Meilen hinter Karonga, auf heute bequemeren Pfaden zum Hochplateau,
das zwischen diesen Seen gelagert liegt, hinan, und soll der einzige
gangbare Weg sein, da vom deutschen Gebiete aus, durch die am Fuße des
Gebirgsstocks zerstreut liegenden Felsentrümmer, kein geeigneter Pfad
zur Höhe führt. Indes es würde sich wohl doch von der Konde-Ebene aus
ein Weg finden lassen, längs den, von demselben Plateau entspringenden
Flüssen Songwe, Saisi und Kiwira, die sich durch die Felsenmassen einen
Weg gebahnt haben. Es kommen vorläufig nur Träger in Frage -- also
ein deutsches Handelsunternehmen würde unabhängig von den Engländern
und wahrscheinlich unter viel besseren Bedingungen ins Leben treten
können, wenn, was die erste Vorbedingung ist, eine sichere Straße vom
Nyassa-See bis zur Küste am indischen Ozean eröffnet sein wird. Die
gut bewässerte Ebene oberhalb Karonga, welche von den Flüssen Kukuru,
Lufira, Kaporra durchzogen wird, zeigt schon bei flüchtiger Beobachtung
eine äußerst reiche Vegetation, welche einestheils auf den fruchtbaren
Boden zurückzuführen ist, anderntheils darauf, daß hier die Unsitte,
Grasflächen durch Feuer zu zerstören, wie es sonst überall üblich und
wodurch weite Waldbestände mit vernichtet werden, nicht gebräuchlich
ist.

Die englische Missionsstation Njerenya, auf einem dem weit
zurückliegenden Gebirge vorgelagerten hohen Hügelrücken erbaut,
zeugt als Kulturstation auch in agrikultureller Hinsicht von der
bedeutenden Ertragfähigkeit des Bodens, und ohne Frage eignen sich die
Gebirgsabhänge zur Anlage von tropischen Pflanzungen und Plantagen,
zumal auch auf den Höhen ein für den Europäer leidlich gutes Klima
gefunden wird. Eine Gebirgswelt voll wilder Schönheit ist es, die der
Fluß Songwe, der als deutsche Grenze festgesetzt ist, durchzieht;
durch die granitenen mit Feldspat stark durchsetzten Felsenmassen
sich hindurchwindend, ist er gleichfalls eine Scheidegrenze der
hier in der Ebene vorhandenen Volksstämme. Während die an seinen
Ufern zahlreiche Bevölkerung durch den Ansturm der verwüstenden
Araberhorden auf beständige Abwehr bedacht sein mußte, ist diese in
den Gebieten der heutigen Häuptlinge Makirime, Makjembe, Makinsa
weniger der völkervernichtenden Plage ausgesetzt gewesen. Auch
haben die eingewanderten kriegerischen Zulustämme nach allmählicher
Eroberung des Nyassa-Hochlandes vor dieser Barriere Halt gemacht, und
die Urbevölkerung, ein muskelöser schlanker Volksstamm von dunklerer
Hautfarbe als die Zulu, hat die reiche Ebene behaupten können und ist
nicht durch scheußliche Sklavenjagden dezimirt worden.

Was im Allgemeinen von den Wakonde gesagt werden kann, so haben sie
neben der markanten kriegerischen Eigenschaft einen hervorragenden Sinn
für Ackerbau; der fruchtbare Boden lohnt hundertfach die geringe Mühe
und Arbeit, welche seine Bearbeitung erfordert. Die Gärten in schöner
Gleichmäßigkeit angelegt, zeugen von Kunstsinn und Fleiß, der darauf
verwendet ist. So auch sind die Hütten, eigentlich kleine, bunt bemalte
Häuser, von angenehmen Aeußern und peinlicher Reinlichkeit im Innern,
was man sonst in den Negerhütten nirgendswo findet. Mit Vorliebe in
einem Bananenwald erbaut, bieten die Häuschen ein idyllisches Bild und
dort wo die Bevölkerung eine dichtere, an den Ufern der Flüsse, reiht
sich Haus an Haus zu beiden Seiten, und auffällig ist die Symmetrie,
die in der Anlage langer Straßen vorherrscht. Das Weib steht auch
bei den Wakonde auf einer höheren Stufe, es ist nicht wie bei den
übrigen Volksstämmen die Sklavin und Arbeiterin des Mannes, sondern
nimmt hier einen gleichberechtigten Platz ein und theilt die meisten
legalen Rechte des Mannes, vor Allem steht die Frau eines herrschenden
Häuptlings, »Mwehe« genannt, in hohem Ansehn und besitzt einen
beträchtlich ausgedehnten Einfluß.

Auf Grund solcher gesitteten Anschauungen fällt dem männlichen Theil
denn auch eine beträchtliche Arbeit zu; als besondere Spezialität
mag die Verfertigung von Waffen erwähnt werden, die, neben anderen
hervorragenden Eigenschaften dieses Volkes, von künstlerischer
Fertigkeit Zeugniß geben. Die Nkonde-Speere sind berühmt und mehr
als 20 verschiedene Arten von auffallend schöner Arbeit in Gebrauch.
Schon bei flüchtiger Untersuchung findet man, daß die Gebirgsmassen
sehr eisenhaltig sind, es liegt so zu sagen auf der Oberfläche und
mit leichter Mühe sammeln es die Bewohner, denn eisenhaltige Steine,
wie ich mich selbst habe überzeugen können, liegen in großer Zahl
an den Abhängen des Livingstone-Gebirges zerstreut umher. Einfache
Hochöfen sind es, die zur Gewinnung von reinem Eisen zur Anwendung
kommen. Aus Thon fest aufgeführte Röhren, die mit einem starken Mantel
umgeben sind, werden solche zum Theil mit zerkleinertem Eisenstein,
zum Theil mit Holzkohle angefüllt; am Boden befinden sich meistens
drei Feueröffnungen, die die Luftzirkulation ermöglichen. Die in Gluth
gerathene Kohle entwickelt solche enorme Hitze, daß in verhältnißmäßig
kurzer Zeit das flüssig gewordene Eisen abfließt. Erkaltet, muß der
Ofen meistens niedergebrochen werden; die Ausbeute an Eisen aber, wenn
auch nicht groß, verlohnt doch die gehabte Mühe.

So primitiv wie diese Prozedur, ist auch die Bearbeitung des Eisens;
zum Schmiedehammer dient ein Stein, zum Ambos ebenfalls, der Blasebalg
aber ist ein Ziegenfell. Einer getödteten Ziege wird das ganze Fell
so abgezogen, daß nur die Hals- und Beinöffnungen vorhanden sind; in
eine der letzteren wird dann ein kurzes Bambusrohr befestigt und damit
dieses an der Feuergluth nicht so leicht verbrennt mit Eisen umgeben,
alle anderen aber werden fest zugebunden. Die Halsöffnung nimmt der
Bläser so in die Hand, daß er die Luft nach Belieben eintreten lassen
kann und zwar, wenn geschmiedet wird, drückt er mit Knie und Armen den
Balg zusammen, wodurch die Luft schnell durch das Bambusrohr austritt
und das Feuer schnell anfacht. Geschick und Uebung mit Ausdauer,
machen es möglich das zähe Material selbst auf so einfache Weise zu
bearbeiten. Man sollte meinen ein aus weichem Eisen hergestellter
Gegenstand, Speer oder Messer, könne keine scharfe Schneide erhalten,
jedoch durch das unausgesetzte Hämmern der so kleinen aneinander
geschweißten Eisentheilchen wird doch eine beträchtliche Härte erzielt,
obschon die Methode, auf einfachere Art Eisen zu härten, den Bewohnern
dieser Gegend noch unbekannt ist.

Weiter nördlich, in das Gebiet des Kiwira und Mbaka-Flusses steigt die
tiefliegende Konde-Ebene allmählich an und man gelangt in die Region
der Krater, die amphitheatralisch sich über die ganze weite Strecke von
der Felsenwand des Livingstone-Gebirges bis zu den genannten Flüssen
erstrecken; hier hat die zersetzte Lava einen überaus ertragfähigen
Boden hinterlassen und die denkbar reichste Vegetation blüht auf dem
Trümmerfeld erloschener Vulkane. Zudem fördert reichlicher Regen selbst
in der eigentlichen Trockenperiode das Wachsthum der Flora ungemein,
Bananen, Palmen (Fächerpalme), Bamboo, Schlingpflanzen etc. bedecken
überall den Boden. Durchfurcht von langgestreckten Thälern, die sich
zum Nyassa-See erweitern, hebt sich zu einer Höhe von 4000´, vielfach
in Kegelform und umgeben von zerklüfteten Massen, das vulkanische
Plateau über die Konde-Ebene empor; Lavaströme, Aschenfelder, heiße in
Thätigkeit befindliche Schwefelquellen geben der ganzen, im Schmucke
überreicher Vegetation erscheinenden Gegend einen ausgesprochenen
plutonischen Charakter.

Im Innern der erloschenen Krater, deren weite ausgedehnte Oeffnungen
heute mit Wasser ausgefüllt sind, haben sich mehr oder weniger
umfangreiche Seen gebildet, belebt mit Fischen, wilden Enten etc.,
sogar auch Flußpferde haben sich in diese abgelegene in wilder
Schönheit prangende Einsamkeit zurückgezogen. Die bedeutendsten
dieser Seen sind der Kiangururu, Itende, Kisiwa, neben einer ganzen
Anzahl kleinerer von unbedeutender Ausdehnung, die jedoch nach Lage
der einzelnen Kraterkegel über das weite vulkanische Gebiet zerstreut
liegen. Gleich Zwergen aber, müssen diese einst Feuer und Flammen
speienden Berge, gegenüber den Vulkanen Rungwe und Kieyo, erscheinen
die heute wie alle anderen todt und erloschen, ihre mächtigen bis zum
Gipfel dicht mit Bamboo und anderen Pflanzen bewachsenen 9000´ hohen
Häupter, als isolirte Bergkegel, über ihre weite Umgebung empor heben,
und versetzt man sich zurück in die graue Vergangenheit, müssen hier
plutonische Kräfte in ausgedehntestem Maße gewirkt haben.

Wie erwähnt bewohnen die weite Ebene die Wakonde und zu diesen gehörig
die Awanzakuisa und Wundale, näher dem Livingstone-Gebirge die
Wa-Tukwa, in deren Gebiet die deutsche Missionsstation Wangemannshöhe
erbaut ist.

Sitten und Gebräuche dieser hier lebenden Volksstämme weichen von
einander wenig ab und was ich anführen will, gilt im Allgemeinen
für alle. Bemerkt wurde schon, daß die Bevölkerung ein schlanker,
muskulöser Menschenschlag ist, in ihrer Weise der harten Arbeit
zugethan, dabei treu und offenherzig; freimüthig geben sie Versprechen
ohne sich bewußt zu sein, daß solche gehalten werden müssen. Dem Gaste,
der Einkehr hält, bringt der Wirth ein Bananenbündel, das er zur
Sättigung herbeiholt. Zum Abhacken der oft recht schweren Fruchtbündel
bedienen sie sich eines eigenartig geformten Handmessers, dessen
praktische Anwendung jeder Europäer zugestehen muß. Verstümmlungen an
Armen, Beinen, Ohren oder Lippen, wie solche barbarische Strafen bei
fast allen afrikanischen Völkern in Gebrauch sind, findet man unter
diesen Stämmen kaum, obgleich sie auch nicht gänzlich von diesen
Gebräuchen frei zu sprechen sind. Vorgekommen soll es sein, und
wahrscheinlich wohl öfter, daß beim Tode eines großen Häuptlings mit
diesem Leute lebendig begraben worden sind, jedoch ist diese Unsitte
zumeist auf den verhängnißvollen Einfluß ihrer Zauberer zurückzuführen,
die neben den Priestern (Waputi) unbeschränkte Macht besitzen.

So zum Beispiel üben an einigen Orten alte Zauberer eine extraordinäre
Gewalt über die Bevölkerung aus; ihr Thun und Treiben im Dunkeln
gehüllt, sprechen sie in Versammlungen nur des Nachts, zu denen allein
die Ersten des Stammes Zutritt haben. Während einer solchen, vorher
bestimmten Zusammenkunft müssen alle anderen Stimmen schweigen und
jedes Feuer ausgelöscht sein. In Wundale glaubt die Bevölkerung, daß
ein Zauberer sogar die Macht besitzt, Löwen als Boten des Uebels
auszusenden, wohin es ihm beliebt. Haben Streitigkeiten stattgefunden
und eine Partei verweigert eine gütliche Beilegung, so sendet er die
Löwen, die nach dem Glauben in dem hohen Grase, welches die Behausung
des Zauberers umgiebt, gleich Hunden leben sollen, aus und läßt
den Viehstand der Unfolgsamen zerreißen. Natürlich ist dies nur
eine berechnete Spekulation des unnahbaren Weisen, der mit seinen
Helfershelfern in Löwenfelle gekleidet, Uebels zu thun imstande ist,
zumal der krasse Aberglaube der Eingebornen ihm kein Hinderniß in den
Weg legt. Uebrigens bedienen sich auch die Zauberer bei anderen Stämmen
mit Vorliebe des Hyänenfelles und führen nächtlicher Weile in solcher
Verkleidung ungehindert ihre meist bösen Absichten aus.

Die alten Begräbnißstätten »Isyeta« genannt, dichte und
undurchdringliche Waldreviere, deren Dickicht kein Sonnenstrahl zu
durchdringen vermag, sind geheiligte Orte, wo ihre Voreltern begraben
liegen sollen; diese werden nur von den Waputi (Priestern) betreten, um
dort in Zeiten der Bedrängniß zu den Geistern der Vorfahren zu beten.
Antwort bringen ihnen die Awa-raghusi (Propheten), denen, wenn Krieg
oder Seuche den Stamm heimgesucht hat, von den Priestern das Blut und
der Kopf eines Bullen geopfert wird.

Eine eigenthümliche Art, sich über den Tod eines ihrer Angehörigen
Gewißheit zu verschaffen, ist bei allen Stämmen im Norden des
Nyassa-Sees Sitte, mit Ausnahme der im Kriege Gefallenen, nämlich:
ist jemand verstorben, wird von einem schon älteren Angehörigen des
Todten diesem sogleich mit einem scharfen Bamboohölzchen der Leib
soweit aufgeritzt, daß die Eingeweide hervortreten, dann nach einer
eingehenden Inspiezirung derselben wird der Verstorbene sofort vor dem
Hause in sitzender Stellung vergraben. Selbstverständlich weichen dabei
die Zeremonien von denen anderer Volksstämme wenig ab. Treten Seuchen
auf, namentlich die gefürchteten Pocken, werden die Todten bei größerer
Sterblichkeit außerhalb der Dörfer an entlegenen Orten begraben, aber
schon nach Verlauf eines Jahres werden die Gräber von den betreffenden
Angehörigen wieder in einer gewissen Nacht geöffnet und die Gebeine
in dichten Gebüschen zu Haufen umher gestreut, sodaß hauptsächlich in
Wundale, überall die Gebüsche mit bleichenden Menschenknochen voll sind.

Haben diese Stämme, vor allen die Wakonde, ihre Geschicklichkeit
in der Bearbeitung von Eisen bewiesen, so sind sie doch nie darauf
verfallen ihre Kleidung zu verbessern, sofern überhaupt von solcher die
Rede sein kann, da die Frauen allein nur im bescheidensten Maaße des
Feigenblattes sich bedienen, wenn auch nicht gerade dieses, weil es
nicht erhältlich, so doch mit feinen Geweben, welche die Fächerpalme
und auch Bananenstämme ihnen liefern, und die ganze Bekleidung
ausmachen.

Besonderer Erwähnung verdient noch die Aufführung eines Hochzeitsreigen
bei den Wakonde. Die Braut wird von den jungen Mädchen und Frauen am
Hochzeitsmorgen am Bache, nachdem ihr die Haare abgeschoren worden, was
mit so primitiven Werkzeugen als ihre Messer es sind, eine ziemlich
schmerzhafte und umständliche Prozedur ist, gebadet und mit Oel
eingerieben. Der einzige Schmuck, da von einem Brautgewand aus Mangel
an einem solchen Abstand genommen werden muß, die Braut sich also fast
in Eva-Kostüm präsentirt, ist ein Kranz von rothen Blumen um den Kopf
gewunden. Darauf hält aus dem Kreise der Frauen eine würdige Matrone
an die Braut eine Ansprache, die dieser die ihrer wartenden Pflichten
aufzählt; dann rangiren sich die Brautjungfern, meistens zehn an der
Zahl, vor und hinter der Braut, nachdem dieser vorher ein Körbchen mit
Korn, in welchem ein kleineres, ebenso gefüllt und auf dieses wieder
ein Topf mit Erde steht, überreicht und auf deren Kopf gesetzt worden
ist. Alle legen die Hände auf die Schultern der Vorstehenden, und
so umgeben von Palmenblätter tragenden Frauen setzt sich der Zug im
Gänsemarsch nach dem Dorfe in Bewegung. Ein leiser Gesang, nach dessem
Rhythmus marschirt wird, wobei die Körper in taktmäßiger Bewegung sich
hin und her wiegen, ertönt; die mitziehenden Weiber aber suchen rechts
und links umher um die Braut und den Zug vor einem vermeintlichen Feind
zu schützen.

Zum Dorfe gelangt, geht der leise Gesang in ein anhaltendes
ohrbetäubendes Geschrei über, bis aus dem Dorfe eine Schaar bewaffneter
junger Männer auf die Gruppe einstürmt, die, geführt von dem Bruder der
Braut, sich zu derem Schutze, die Speere schwingend, bereitstellt. Eine
andere Schaar, geführt von dem Bräutigam, stürmt nun auf erstere ein
mit der Absicht durchzubrechen und sich der Braut zu bemächtigen; ein
unblutiger Kampf mit wildem Kriegsgeschrei beginnt nun, alle wehren den
Bräutigam ab, bis die Weiber die Braut in Sicherheit gebracht haben,
dann erst stellt ihr Bruder den umhersuchenden jungen Mann mit den
Worten: Wen suchst du? -- Meine Braut! ist die Antwort. -- Wenn du sie
findest, willst du mit ihrem Volke leben und ernten? -- Der Bräutigam
antwortet: Laß mich suchen meine Braut und finde ich sie, will ich mit
ihrem Volke leben, ich will kämpfen vereint mit diesem und als Beweis
gebe ich dir meine Waffen. Die beiden Führer tauschen die Speere, heben
sie über ihre Köpfe und brechen sie entzwei, die Stücke in das Gras
werfend. Nun verbinden sich beide Parteien und ein endloses Suchen nach
der Braut, die von den Weibern gut verborgen gehalten wird, beginnt,
das oftmals bis in die sinkende Nacht fortgesetzt wird; bei Tanz und
Gelage feiern sie dann die Nacht hindurch. Am anderen Morgen aber gehen
die jungen Mädchen von Haus zu Haus und sammeln Geschenke für das junge
Paar ein.

Was ich Näheres über die große Konde-Ebene gesagt, der Beschaffenheit
und Fruchtbarkeit des Landes, so ist diese für uns ein nicht zu
unterschätzender Besitz; reich an Erzeugnissen afrikanischer Kultur,
kann man solche als eine Vorrathskammer betrachten. Die Ackerbau
treibenden fleißigen Stämme daselbst haben auch, was für viele andere
der Untergang gewesen, bisher die Sklaverei von sich fernzuhalten
gewußt, selbst die Araber gewannen keinen bedeutenden Einfluß, auch
nicht mit Waffengewalt, und heute unter deutschem Schutz verspricht das
Kondeland für die Zukunft, nach friedlicher Entwicklung der gesegneten
Fluren, in Wahrheit eine Perle unserer Besitzungen zu werden.

Nicht nur an Naturerzeugnissen reich, als mehrere Arten Bananen,
Erbsen, Bohnen, Bataten und Gartenfrüchten, war früher, ehe die durch
Afrika ziehende furchtbare Viehseuche den Viehbestand mit Einschluß
der gewaltigen Büffelheerden fast vernichtet hatte, in der Konde-Ebene
der Reichthum an Rinder ein sehr großer; mächtige Heerden weideten
an den Abhängen der Gebirge, wo heute fast nur Ziegen und Schafe zu
sehen sind. Eine geraume Zeit wird es währen, bis durch sorgsame
Nachzucht der Viehbestand sich wieder gehoben hat; sonst war ein Stück
Rind den Bewohnern von sehr geringem Werthe, für ein wenig Kupfer-
oder Messingdraht schon erhältlich, jetzt aber sind einem glücklichen
Besitzer seine Rinder nicht mehr wohlfeil.

Wie eine von mir mit Sorgsamkeit aufgenommene Karte zeigt, erheben sich
die Sanddünen, ein Schutzwall für die dahinter tiefliegende Ebene, erst
in der eigentlichen Wißmann-Bay aber so hoch, daß, vom Mastkorb des
»H. v. Wißmann« aus, diese nicht zu überblicken waren, höchstens sind
die Dächer der in grünen Bananenhainen zerstreut liegenden Häuser und
Hütten und die Kronen gewaltiger uralter Baobobbäume zu erkennen.

Steil zur großen Tiefe fallen die Ufer ab, und es kann schon an den
Mündungen des Mbaka- und Lufirio-Flusses kein Ankergrund mehr gefunden
werden, auch unter den mit ganz schmalem Vorland fast senkrecht
aufstrebenden Felsenmassen des Livingstone-Gebirges ist es möglich,
auf nur ganz geringem Abstand vom Lande mit dem Schiffe entlang zu
laufen. Ueberall aber auf dem verwitterten Gestein zeigt sich eine
reiche Vegetation, vor allem an den Ausflüssen einiger Sturzbäche, die
sich aus gewaltigen Felsenschluchten in den See ergießen; entsprungen
dem höchsten Felsengebiet, stürzen sich die Wasser die steilen
Granitwände herab und bilden auf Terrassen kleine Seen und Strudel,
in welchen Fische und andere Thierarten zahlreich leben. Vornehmlich
die Felsschlucht, vor welcher die deutsche Missionsstation Ikombe im
Schatten mächtiger Tamarinden- und Baobobbäume erbaut ist, bietet
einen wildromantischen Anblick; herausgerissen, abgesprengt, gleichsam
als hätten Gletschermassen in grauer Vorzeit hier ihre Kraft erprobt,
thürmt sich Fels auf Fels, die Schlucht verengend, in welcher das kalte
kristallklare Wasser eines Baches brausend hinfließt.

Neben dieser ist oberhalb Langenburg, 3/4 Stunden von der Station
entfernt, eine ähnliche Schlucht, tief und weit ragen die Felsen
in mächtiger Form empor, Giganten, an deren Fuß abgestürzte Blöcke
zerstreut liegen. Eine Exkursion mit dem Major hierher einst
unternommen, zum Zwecke, in dem hohen Waldbestand, der die steilen
Höhen krönt, einen schönen schlanken Flaggenmast für die Station
auszusuchen, trat uns hier so recht die erhabene, großartige Natur
vor Augen. Die Felsenwand in der Nähe von Langenburg geht mehr zur
abgerundeten Bergform über; durchschnitten vom Rambirathal, erheben
sich die Granitmassen keine tausend Fuß von der Station entfernt,
fast senkrecht bis zu einer bedeutenden Höhe, dicht bestanden mit
Bäumen, zwischen denen grüne Matten sich leuchtend hervorheben, saftige
Weidegründe für das Vieh. Ein grausig-schönes Bild aber ist es, in der
Rambiraschlucht aufwärtssteigend, tief unter sich die braunen Fluthen
des Flusses wilddonnernd von den Bergwänden herabstürzen zu sehen;
mit rapider Schnelligkeit wirbeln sie dahin und färben zur Regenzeit
weit hinaus in den See dessen klare Wasser, daß der meinen könnte, auf
eine Sandbank laufen zu müssen, welchem die Ursache dieser Erscheinung
unbekannt ist.

Die ausgedehnte Landzunge, von der Felswand bis zur äußersten Spitze
ist 1500´ lang und etwa 600´ breit, querdurch bis zum Flusse, ist
sie einzig nur gebildet durch das Material, welches der Fluß aus dem
Gebirge zugeführt und abgelagert hat; es haben Lehm und Thonschichten,
vermengt mit Granitgeröll, allmählich dieses Vorland entstehen lassen.
Die Frage, wieviel Jahrtausende hat wohl der Rambirafluß gebraucht,
diese Erdmassen hier abzusetzen, muß unbeantwortet bleiben, da solche
einen Zeitraum umspannen würden, der für die für die Ewigkeit erbauten
Felsenmassen ein Nichts, für das Fassungsvermögen des Menschen aber ein
ungeheurer sein muß!

Die ganze Fläche, die 6 bis 8 Fuß über dem Niveau des Sees liegt,
bedecken verschiedenartige Bäume und Sträucher, wovon einzelne,
Tamarinde etc. für die Bewohner willkommene Früchte bieten. Der kleine
Bananenwald aber, am Ufer des Flusses auf sehr fruchtbarem Erdreich
angelegt, thut das Seine dazu, das schöne Bild, wie es hier die Urnatur
geschaffen, zu vervollständigen.

Am Strande und weit aufs Land haben Wind und Wogen Sandflächen
gebildet, wo spärlich dürftige Kräuter und Gras nur fortkommen können;
jedoch der Untergrund muß ein kompakter sein, was aus dem hinter der
Station aufgefundenen thon- und lehmhaltigen Erdreich zu schließen ist.
Diese Funde, wovon heute Ziegel gebrannt werden, um die Station und
Wohnungen aus Stein zu erbauen, sind von vorzüglicher Qualität und vor
langer Zeit, als der Fluß noch eine nordwestliche anstatt wie jetzt
südwestliche Richtung gehabt, abgelagert worden.

Die Verbindung mit der sehr reichen Konde-Ebene, die meistens mit
den Booten oder Kanoes hergestellt wurde, hat es bis jetzt noch
nicht nothwendig erscheinen lassen, nur auf den Ertrag des Landes
angewiesen zu sein, gleichwohl sind bereits Anpflanzungen und Gärten
angelegt worden, doch an eine Ernte ist wegen der alles zerstörenden
Heuschreckenschwärme, die das ganze Central-Afrika überfluthet
haben, in diesem Jahre (1894) nicht zu denken, nur die wenigen auf
Rambira ansässigen Wakissi gewinnen ihre geringen Bedürfnisse dem
zum Theil spärlichen Boden ab. Ich hatte hier auch Gelegenheit, die
Geschicklichkeit der Wakissi-Frauen zu beobachten, wie sie kunstgerecht
aus freier Hand ihre großen Vorrathtöpfe aus Thon formen, und nach dem
dazu verwendeten Material zu urtheilen, mußten ihnen Thonlager von
überaus guter Qualität bekannt sein, die sie uns aber weder zeigen,
noch deren Lage angeben wollten. Obgleich die Station Langenburg
zwar geschützt gelegen ist, haben doch die Winde freien Zutritt, ihr
kühlerer Hauch lindert die erdrückende Hitze und während der Nächte
weht häufig ein kalter Luftstrom von den hohen Bergen herab, zuweilen
brechen auch sturmartige Böen aus dem Rambirathal hervor. Das Klima ist
als ein mittelmäßig gutes zu betrachten, obwohl Fiebererscheinungen
nicht ausgeschlossen sind; zwar starben hier in 1-1/2 Jahren zwei
Mitglieder der Expedition, Eben und Zander, beide aber nur infolge
geschwächter Gesundheit und weil sie den ärztlichen Rath, Afrika zu
verlassen, nicht befolgt hatten. Die günstige Lage der Station, am Fuße
des Gebirges, würde es gesundheitlich sehr empfehlenswerth erscheinen
lassen, wenn auf den hohen Bergabhängen, wegen der freieren und
frischen Luft dort oben, Wohnstätten für Europäer errichtet würden; ist
das Felsenterrain auch sehr zerrissen und schwierig zu begehen, so sind
die Vortheile doch nicht zu unterschätzen! --

Bald nach unserer Rückkehr von der ersten Forschungstour beabsichtigte
Major von Wißmann mit dem Schiffe eine Reise südwärts anzutreten, und
so lichteten wir am 26. September die Anker.

Von Rambira südwärts, heben sich die Felsenwände wieder steil aus
dem See empor und man kann auf einen Abstand von weniger als hundert
Fuß ungehindert mit jedem Schiffe längs der Küste entlang fahren;
nur an Stellen, wo Sturzbäche, Kies und Erde im Laufe der Zeiten
angesammelt oder kleinere Schluchten solchen freieren Spielraum zur
Ablagerung dieses Materials gelassen haben, wird durch das so gebildete
Vorland ein größerer Abstand nöthig. An solchen Orten hat aber auch
die Vegetation zur freien Entwicklung genügend Raum gefunden und
hauptsächlich an solchen Stellen haben sich Wakissi ihre Wohnstätten
errichtet. Schutz- und rechtlos, bisher von ihren Feinden hart
bedrängt, lebt dieser Volksstamm zum großen Theil nur von Fischfang;
sie bestellen aber auch an lohnenden Orten, wo sich die Felsabhänge
zur Anlage eignen ihre Felder, in denen als eine Art Wachtposten immer
einzelne Hütten errichtet sind, zum Schutz gegen die räuberischen
Wagwangwara, die das Hochplateau und die Thäler des Gebirges bewohnen.
Häufig genug nehmen diese den armen Wakissi ihre Ernte weg, dazu
zerstören Schaaren großer Affen, welche wir häufig genug auf den Höhen
und am Strande zu sehen bekamen, gelegentlich die Felder. Ueberall an
der Küste, wo abgelagertes Vorland die Anlage größerer und kleinerer
Dörfer gestattet, sowie in zurückliegenden Buchten, haben sich die
Wakissi niedergelassen, sie treten einzig nur mit ihren Nachbarn,
den höher im Gebirge wohnenden Wakinga und Wagogo in Verkehr, die
sich zur Sicherheit und Schutz meistens an isolirt stehende Bergkegel
angebaut haben, um im Fall der Noth auf schwer zugängliche Abhänge sich
zurückzuziehen, sobald die raublustigen Wagwangwara sie heimsuchen,
gegen die sie machtlos sind. Wohl zahlreich genug, sammeln sie sich
doch zur Abwehr der Feinde nur selten, auch meistens erst, wenn den
Wegelagerern ein Ueberfall gelungen ist und solche mit ihrer Beute
längst entkommen sind.

Als die hauptsächlichsten Ortschaften der Wakissi wären Mbimbi,
Waboja, Bifungo (Busse-Hafen), Pamboeja und Bopingo (Kroyser-Bucht)
zu erwähnen, letztere ein tiefer Landeinschnitt von bedeutender
Ausdehnung. Die mächtigen Felsenmassen erscheinen hier getrennt und
weit ins Land erst, über abgerundete hohe Hügel hinweg, steigt das
Gebirge wieder in massiven Massen auf. Eine ruhige stille Bucht, offen
nur gegen westlichen Wind, würde hier ein guter Hafen sein, wenn nicht
die Wassertiefe, 950 Fuß und mehr, bis dicht unter Land 40 bis 50
Meter vom Ufer, so enorm wäre; steil gleich den Felsenwänden fällt das
Ufer ab und ein Anker findet nirgends festen Halt; die Nächte, welche
ich in dieser Bucht gezwungen war zu verbringen, kann ich mit zu den
ungemüthlichsten rechnen.

Erwähnenswerthe Abwechselungen bietet weiter südlich die steile Küste
nicht, außer der wechselvollen Scenerie der Bergformationen, Zeugen
einer vieltausend Jahre zurückliegenden Zeitperiode, der zersetzenden
Kraft der Wasser, die das harte Gestein allmählig tief durchfurcht
haben, wäre nur noch der in Felsschluchten und an den Abhängen wild
und üppig sprießenden Vegetation Erwähnung zu thun. Mit Kap Bango
auf 10° 27´ S. Br. als letzten Felsenpfeiler, schließt die kompakte
Gebirgsmasse des Livingstone-Gebirges plötzlich ab; von hier auf eine
Strecke von 37 Seemeilen südwärts, sind dem (Amelia-Bai Windhafen)
wieder zurückfallendem Hochgebirge, das seine Ausläufer auf 11° 3´
S. Br. erst zum See vorschiebt, zerrissene Hügelketten und Flachland
vorgelagert.

Man muß, wie ich im nächsten Kapitel zeigen werde, auf die Vermuthung
kommen, daß dieses plötzliche Abbrechen der soliden Granitmassen nicht
auf ursprüngliche Bildung zurückzuführen ist, vielmehr ein Ausgleich
zerstörender Kräfte stattgefunden hat, da auch das gegenüberliegende
Kap Mschewere -- der See ist hier am schmalsten, nur 22 Seemeilen breit
-- ebenso abbricht; während von diesem Kap nordwärts Hügel und flaches
Land das Ufer des Sees bilden, ist solches von Kap Bango südwärts der
Fall.

Am Morgen des 28. September, mit dem Schiffe dicht unter die massiven
steilen Felsen hinziehend, das Wasser des Sees hier tiefblau und ruhig,
konnten wir weitab von der Küste die vom heftigen Ostwinde stark
aufgewühlten Fluthen beobachten, während am Kap Bango selbst aus der
tiefen Amelia-Bai ein stürmischer Wind herausfegte, sodaß, als wir auf
keine hundert Fuß Abstand um dieses herumsteuerten, wir plötzlich von
der Gewalt des Windes erfaßt, mit Mühe nur unsere Sonnensegel zu bergen
imstande waren. Stoßweise mit furchtbarer Gewalt gleich Wirbelböen
faßte der Wind das Schiff und erst weit in die tiefe Bucht hinein
wurden die Windstöße minder heftig.

Zur Linken die starren Felsenmassen, lag vor uns ein öder Sandstrand,
der aus zermalmten Granit, Gneis und Feldspat bestand, während halb
zur Rechten, einen Vorsprung in die Bai bildend, hohe abgerundete,
isolirt liegende Bergkegel vorgeschoben waren, die im Gegensatz zu den
zerrissenen Felsenthürmen des Gebirges die Vermuthung erwecken können,
als wären sie hier aufgethürmt worden, oder ihre solide Granitmasse
habe den Ansturm einer verheerenden Gewalt, welcher minderhartes
Gestein hat weichen müssen, erfolgreich widerstanden.

Als wir uns dem Sandstrand näherten, wollte es scheinen, als erstrecke
sich von diesem in die Bai hinein ein flacherer Grund, der auf
genügendem Abstand vom Lande dem Schiffe guten Ankergrund bieten
würde, allein näher und näher gekommen berührte das Loth erst ganz
nahe dem Lande auf 120 Fuß Tiefe den Grund; dicht am Strande noch 6
Fuß Wasser, fiel auch hier das Ufer wie überall bisher, gleich einer
steilen Bergwand ab. Wohl ankerten wir hier, da Major v. Wißmann mit
der Bevölkerung sich in Verbindung setzen wollte, aber nur durch ein
am Strande eingesetztes Warpanker war es möglich das Schiff vor dem
Abtreiben zu bewahren; hätte ein anderer als der starke östliche
Wind geweht, wäre es unmöglich gewesen hier zu verbleiben. So Schutz
verheißend und ruhig die weite Bai auch erschien, nirgendswo in
derselben fanden wir, außer in gefährlicher Nähe des Landes, Ankergrund
und es für rathsam haltend lieber nochmals einen Versuch zu machen, ob
nicht unter dem flach und weit in den See sich erstreckenden Südufer
solcher zu finden sei, lichteten wir nach mehrstündigen Aufenthalt
wieder Anker d. h. nachdem der Halt am Lande dem Schiffe genommen war,
trieb dieses mit 100 Fuß Kette, einfach ab, da das Anker ohne zu fassen
abrutschte.

Günstiger gestaltete sich die Lage unter dem flacher verlaufenden
Südufer der Bai insofern, als Tiefen von 18-45 Fuß auf eine Entfernung
von 100 Meter vom Strande gefunden wurden und darüber hinaus erst das
Loth kein Grund mehr fand, indes für diesmal und später war es nöthig
ein Anker auf flacherem, das andere auf tieferem Wasser fallen zu
lassen, um sowohl gegen südlichen als nordwestlichen Wind gesichert zu
liegen.

Der große Luhobu-Fluß, der in weit größerer Ausdehnung als der Rambira
sich aus einer Felsschlucht des Gebirges herauswältzt, hat ebenso wie
letzterer im Laufe der Zeiten dieses ausgedehnte Vorland gebildet;
Thon, Lehm und Granitgeröll, durch viele Bäche von den Bergen in dessen
Bett geschwemmt, lagerte sich dieses Material immerwährend an der
Mündung des Flusses ab und von keiner Strömung hinweggeführt, konnte
sich solche Landzunge auch hier bilden. Von den starken Südwinden
zusammengeweht, gleich niedrigen Dünen, liegt der leichte Sand am
Ufer der Bai aufgethürmt eine weite Strecke bedeckend, während das
Gebiet, welches der Fluß in der von ihm gebildeten Ebene durchfließt,
viel niedriger ist, hier aber auch die Thon- und Lehmschichten
unbedeckt sind. Wanderungen durch diese mit spärlichem Baumwuchs,
desto reicherem Busch und Gras bestandene Anschwemmung längs dem Ufer
des Luhobu, ließen es mir wegen der von der Sonnengluth zerrissenen
harten Morastschicht als wahrscheinlich erscheinen, daß der Fluß in der
Regenzeit seine Ufer weit überschwemme und dadurch auch die Ablagerung
der zugeführten Thon- und Granitmassen begünstigt werde. Reich bebautes
Land fand ich nur an der Mündung des Luhobu, wo eine Ortschaft Mikamira
von armseligen Wakissi angelegt ist; diese sind den Wagwangwara
tributpflichtig, was aber diese armen Menschen eigentlich zahlen
blieb mir ein Räthsel. In der Bai selbst fand ich noch 3 Pfahldörfer,
verfallen und abgerissen, und habe ich später, um Feuerholz hier zu
erhalten, die über Wasser stehenden Pfähle abschlagen lassen. Die
Wakissi haben also aus den früher schon angeführten Gründen auch hier
ihre Zufluchtsstätten auf dem Wasser gänzlich aufgegeben.

Amelia-Bai, einst der Stapelplatz für die Sklaveneinfuhr, welche,
als die gegenüberliegende Deep-Bai und Pankanga-Bucht noch nicht
den arabischen Händlern verschlossen war, hier in voller Blüthe
stand, eignet sich durch die Verbindungswege mit der Küste nach
Liudi, Mikindani wohl am besten zum Ein- und Ausfuhrhafen, wenn die
zwingende Nothwendigkeit an uns herantritt einen Verkehrsweg zum
Nyassa-See eröffnen zu müssen. Die Route würde uns unabhängig von der
englischen Konkurrenz hinstellen, was freilich erst denkbar, wenn das
deutsche Kapital weniger zurückhaltend, thatkräftig von der Regierung
unterstützt, sich hier ein lohnendes Feld seiner Thätigkeit sucht.
Wohl ist es heute noch schwierig die gedachte Route zu eröffnen, als
feindliche Volksstämme ein großes Hinderniß sind, dennoch, wenn gleich
wie an der Küste des indischen Ozeans, im Hochland am Nyassa-See
starke Positionen diese schützten, würde bald durch die Entfaltung des
deutschen Ansehens dieses beseitigt sein. Empfehlenswerther noch wäre
der Wasserweg im reichen Gebiet des Rowuma-Flusses, dessen Quellen zum
Theil im Gebiet der Wagwangwara liegen. Zwar ist dieser Fluß nicht
allzuweit von seiner Mündung aufwärts schiffbar, auch sind Katarakte
unüberwindliche Hindernisse, die umgangen werden müßten, indes eine
eingehende Untersuchung würde wohl ein besseres Resultat ergeben als
bisher angenommen worden ist, denn kann der Rowuma auch mit dem Zambesi
und Schire nicht gleich gestellt werden, so muß er doch zu Zeiten, wenn
seine Wasser hochgeschwollen sind auf weite Strecken schiffbar sein --
ruht doch selbst auf dem Zambesi und Schire in der trockenen Jahreszeit
die Schifffahrt fast gänzlich und nur Boote halten den Verkehr aufrecht
-- in welcher Ausdehnung und Großartigkeit aber blüht auf diesen
Flüssen der Verkehr und Handel schon empor! --

Arm an Wasserstraßen ist Deutsch-Ostafrika wohl, die vorhandenen
aber werden und müssen der vordringenden Kultur als Verbindungswege
dienen, da naturgemäß in der Zukunft an diesen zuerst der Aufbau
lohnender Niederlassungen sich vollziehen wird. Sind erst die Bewohner
des centralen Afrika zur Kulturarbeit bekehrt, werden und müssen
reiche Gebiete sich erschließen lassen und neben dem jetzt bevorzugten
Hochland von Usambara, Usagara etc. wird sich sowohl im Gebiete der
großen Seen, wie in den Flußgebieten ein reicher, ertragfähiger Handel
entwickeln.

Wie insgesammt alle das Nyassa-Hochland bewohnenden Volksstämme,
Ngoni, Yao, Atonga etc. kein enggefügtes Staatswesen bilden, sondern
in Settlements zusammen gezogen patriarchalisch regiert werden, den
mächtigsten der Häuptlinge, dessen Macht nach seiner Gefolgschaft
beurtheilt wird, als Oberhaupt des Stammes anerkennen, so ist ein
Gleiches im deutschen Gebiet bei den Wagwangwara der Fall. Als
kriegerische Zulustämme, haben sie die Urbevölkerung vertrieben und
vernichtet, oder sie durch das Sklavensystem in sich aufgehen lassen,
die heutigen Ueberreste sind Wakissi und Wampotto, armselige, durch
beständige Furcht verkommene Existenzen. Schnell genug haben die
erobernden Zulu, angelockt durch reichen Verdienst, den gewissenlosen
arabischen Sklavenhändlern Gehör geschenkt und dadurch in gewissem
Sinne weite Strecken entvölkert. Was aber mehr, stark mit Negerblut
vermischte Abkömmlinge der Araber und auch der Ausschuß der
intelligenteren Küstenbevölkerung, als Suaheli und Makua, haben sich
großen Einfluß auf die angestammten Häuptlinge zu erringen gewußt,
eigentlich zu Herren gemacht, als jeder Häuptling zum größten Theil die
Rathschläge seiner verschlagenen Rathgeber befolgt, seinen Stamm und
Volk also der Willkür solcher Fremden dadurch preisgiebt.

Was thun wir jetzt, wo der mächtige weiße Mann den Sklavenhandel uns
zerstört! Die Folge aber ist, daß die schlecht berathenen Stämme sich
auflehnen werden gegen die Herrschaft der Europäer, bis sie zu ihrem
Schaden erkannt haben, daß der weiße Mann doch der mächtigere ist.
Ganz Central-Afrika ist dem Einfluß der Araber unterworfen gewesen,
die ihre Herrschaft mit Geschick gefestigt hatten, sie sind auch
heute noch, wo der Arm des Europäers sie noch nicht erreicht hat,
in Wahrheit die Herren und von den Eingebornen weit mehr gefürchtet
wie dieser, dessen Kommen sie nur als ein Eindringen auffassen und
eben nicht begreifen, mit welchem Rechte der weiße Mann ihren ihnen
liebgewordenen Erwerb durch Sklavenraub zu zerstören kommt. Der echte
Araber, wo er seine Herrschaft bedroht und seinen Einfluß gefährdet
sieht, wird, wenn er sonst nichts zu fürchten hat, sich diese durch
Nachgiebigkeit dem Europäer gegenüber zu erhalten bestrebt sein; es ist
weniger die Existenzfrage, die ihm sich dem Mächtigeren beugen heißt,
vielmehr befürchtet er den Boden unter seinen Füßen zu verlieren, wenn
er die eng durch Jahrhunderte verknüpften Bande mit der Bevölkerung
freiwillig aufgiebt. Mit Recht muß er fürchten, wenn ihm nicht ein
Schein ehemaliger Macht mehr verbleibt, vogelfrei zu werden, sobald die
so lange geknechteten Völker das Joch abschütteln und zum Bewußtsein
ihrer Menschenwürde erwachen. Gerieben und schlau, an Intelligenz dem
Europäer nicht nachstehend, begnügt er sich mit der Hoffnung, die alte
verderbliche Macht wiedergewinnen zu können, da er, doch nicht mit den
Machtverhältnissen der europäischen Nationen so vertraut, diesen von
allen Seiten andringenden Sturm auf seine Herrschaft nicht für dauernd
hält.

Unbewußt macht er den Werdeprozeß, die ihm die fortschreitende
europäische Kultur aufzwingt mit durch, und klug genug, beugt er sich,
gebietet doch die politische Klugheit schon, mit ihm ein Bindeglied
sich zu erhalten, das an Macht und Einfluß beschränkt, durch sein
Ansehen leichter die Kulturaufgaben lösen hilft, bis die Organisation
durchgeführt, der kulturfeindliche Mohamedanismus weichen und
verschwinden muß.

An den vorwiegenden Hauptpunkten der Karawanenstraßen haben die
Araber sich festgesetzt, so auch an der Route Lindi-Amelia-Bai und
als mächtigster Häuptling der Wagwangwara kann der Araber Raschid
bezeichnet werden. Sklavenhändler im eigentlichen Sinne, gewann er
mit seinen Anhängern doch die Herrschaft und hat vielfach zum Verdruß
unabhängiger Häuptlinge seinen Einfluß geltend zu machen gesucht. Er
war Eigenthümer jener Sklavendhau, die Major von Wißmann in Amelia-Bai
unerwartet weggenommen hatte und zu deren Wiedererlangung er alles
Mögliche aufstellte, was aber, so lange der Major am Nyassa-See
weilte, vergeblich war. Erst später, um dessen Gesinnung gegen uns
Deutsche zu ändern, wurde ihm solche von anderer Seite zurückgegeben.
Die Wegnahme seiner Zeit hatte folgende Bewandniß: Major von Wißmann,
in Amelia-Bai gelandet, ging, da ihm hier mitgetheilt wurde, daß
Schaaren großer Affen die Felder der Eingebornen an den Bergabhängen
zerstören, was auch auf Wahrheit beruhte, auf Jagd. Während seiner
Abwesenheit wollte die Besatzung einer im Fluß verborgenen Dhau diese
in Sicherheit bringen, was auch gelungen, wenn sie nicht gesehen worden
wäre und Hornsignale den Major schnell zurückgerufen hätten, der
sofort mit einem Boote die Verfolgung aufnahm und die Dhau mit sich
nach Langenburg führte. Ich habe sie dort später noch aufgeriggt, was
aber wohl unterblieben wäre, wenn der Major das Fahrzeug wieder hätte
zurückgeben wollen.

Das Gebirge fällt hinter Amelia-Bai etwa 15 +km+ zurück, es
umschließt im weiten Bogen die vom Seeufer ansteigenden Hügelketten,
zwischen denen ausgedehnte Busch- und Grassavannen sich hinziehen. Erst
unter dem 11. Breitengrade treten die Felsen wieder zum See heran,
sind aber eine steile zerbröckelte Masse, insofern als am Fuße dieser
nur wenige Seemeilen langen Felswand, Felsentrümmer mit Sandstein
abwechseln und hat Major von Wißmann dies das »Zwölf-Hafenkap« benannt.
Hier war es, wo dem Major die schnell vom südlichen Wind aufgewühlte
See sein großes, schwerbeladenes Stahlboot auseinanderbrach, als
er nach Gründung der Station Langenburg, und bevor er seinen an
kriegerischen Erfolgen reichen Marsch zum Tanganjika-See antrat,
die erste Entdeckungstour längs der deutschen Küste unternommen
hatte. Zum Glück dicht unter Land, konnte das sinkende Boot, an dem
die Verbindungsschrauben einer Sektion mit lautem Knall zum Theil
gesprungen waren, noch zwischen die Felsenrocks auf den Strand gesetzt
werden. Da die Soldaten und die Mannschaft zu schwach waren, das
schwere, 50´ lange Fahrzeug aufzuziehen, so kann man sich denken, daß
an der unwirthlichen Küste die Situation keine angenehme gewesen ist,
dazu boten die zersprengten Steinmassen gegen die See auch nur geringen
Schutz. Der Major mußte die Fahrt südwärts hier abbrechen und war nur
zufrieden, mit dem beschädigten Boote die Station Langenburg wieder
erreichen zu können.

Gleich, wie hinter Kap Bango die große Amelia sich öffnet, so wird auch
hier hinter dem letzten abgerundeten Felskegel dieses Gebirgsausläufers
eine weite Bucht frei, und nur weiter südwärts faßt die flache Küste
mächtige Felsentrümmer ein. Es war am späten Nachmittage des 29.
September als wir dieses Zwölf-Hafenkap passirten, schon hatten wir auf
dem in südsüdöstlicher Richtung wieder vorspringendem Lande den Kurs
gerichtet, als sich die dem niederigen Lande vorgelagerten Felsen als
Inseln erwiesen, und zur näheren Orientirung steuerten wir nun in die
Bucht hinein.

Meinem Vorschlage, die Hauptinsel Neu-Helgoland zu benennen, stimmte
der Major auch zu, und ob auch nicht in Form und Ausdehnung dem so
theuer erkauften Eilande im deutschen Meere (Nordsee) entfernt ähnlich,
wird die Felsenmasse im Nyassa-See dieses doch weit überdauern, da ihr
massiver Granitbau der Zeit und den Fluthen widerstehen wird. Was kaum
zu erwarten war, nach den Erfahrungen, die wir an der ganzen Küste
gemacht hatten, fanden wir hier unter dieser Insel einen prächtigen
geschützten Ankerplatz, zu dem nur westlicher Wind und See Zutritt
haben, die aber nie so stark auftreten, daß sie hier ein Schiff
gefährden würden; ich kann neben Monkey-Bai diesen Ankerplatz als den
besten im ganzen See bezeichnen. Die Insel wird durch einen etwa 50´
hohen Hügelrücken aus massive Granit gebildet, neben dem mächtige
ungezählte Steintrümmer umhergestreut liegen, an der Süd- und Ostseite
sind sogar vorzügliche Bootshmäfen durch Steinbarrieren entstanden.

Der Name dieser Insel, die etwa 1/4 deutsche Quadratmeile groß ist,
soll, wie ich später erfahren habe, Mpuulu sein, wahrscheinlicher
aber ist sie unbenannt, als solche Benennung sich mehr auf den
Häuptling oder den Volksstamm bezieht. Auf den Felsen und zwischen den
Steinmassen eingezwängt, liegen die Hütten der kaum einige Hundert
zählende Bewohner; ein umgestülpter Trichter, auf kurzen Pfählen
ruhend, sind solche die denkbar primitivste Behausung und mehr einer
dunklen rauchgeschwärzten Höhle, denn menschlichen Wohnungen ähnlich,
in deren Innern man hinein kriechen muß, so niedrig ist der Eingang.
In beständiger Furcht vor den Wagwangwara, wagen sich die Bewohner
nur auf das Festland, wenn die Luft rein ist oder sie ihre dort
befindlichen Felder bestellen müssen; aber nur die Weiber, von mit
Speer und Bogen bewaffneten Männern beschützt, führen diese Arbeit aus.
Ihr einziger Reichthum ist eine zahlreiche Ziegenheerde, früher auch
Rindvieh, die lustig auf den Felsen und Steinblöcken umherspringt; bei
jedesmaliger Annäherung unseres Schiffes aber aus übertriebener Furcht
schnell zusammengetrieben und mit Kanoes über den tiefen die Insel vom
Festlande trennenden 200 Fuß breiten Wasserarm gebracht wurde, bis die
Einwohner schließlich einsahen, daß sie von uns für ihre Habe nichts
befürchten brauchten.

Der Häuptling, ein alter weißhaariger Greis, klagte uns oft seine
Noth; ihre Feinde nehmen ihnen die Ernte weg und schutzlos wie sie
seien, könnten sie sich nur auf ihre Insel flüchten und den Räubern den
Uebergang, hinter Steinen gedeckt, verwehren. Die einzige Vegetation,
außer spärlichem Gras, die auf dem steinigen Grund hat Fuß fassen
können, sind die Papaya-Bäume. In ziemlich beträchtlicher Anzahl aus
den Felsenspalten, wo sich mit der Zeit eine Humusschicht gebildet hat,
herausgewachsen, heben sich ihre schlanken Stämme bis 6 Meter hoch, mit
der palmenähnlichen Krone über die spitzen Hüttendächer empor. Zwar
geben diese Bäume nicht viel Schatten dafür aber eine wohlschmeckende
große melonenartige Frucht, deren saftiges Fleisch mit Vorliebe von uns
Weißen gegessen wurde.

Ueberall an der Küste, wo wir gelandet und mit der Bevölkerung in
Verbindung getreten sind, waren wir bestrebt Holzstationen errichten
zu lassen, indem wir den Eingebornen für ihre Mühe guten Verdienst
in Aussicht stellten, allein wirklichen Erfolg hatte ich später nur
hier auf Neu-Helgoland wo, nachdem die Inselbewohner ihre Scheu vor
uns verloren hatten und ihren Vortheil erkannten, wir immer unsern
Bedarf decken konnten. Soweit ich konnte unterstützte ich auch diese
Wakissi, namentlich, um es ihnen anfänglich zu ermöglichen auf dem
Festlande sich freier zu bewegen, gab ich dem Häuptling auf dessen
wiederholtes Bitten etwas Pulver, damit er im Nothfalle seine beiden
uralten Steinschloßbüchsen auch laden konnte; zwar waren diese kaum
als Schreckmittel gut genug, für den alten Mann aber immer noch ein
großer Schatz. Meine Weigerung ihm nicht eher Pulver zu geben, als
bis er mir gesagt, wofür er solches verwenden wolle, beantwortete er
die Frage stets damit, daß er dann auch kein Holz beschaffen könne,
die Wagwangwara würden seine Leute hindern solches zu schlagen --
schließlich kam er aber doch mit den beiden Donnerbüchsen zum Vorschein.

Woher diese stammten und wofür er solche erhalten blieb mir unbekannt,
sehr fehl aber geht man wohl nicht mit der Annahme, daß solche von
Sklavenhändlern für lebende Waare einst gezahlt worden sind. Die
Gewißheit, daß auch hier der Sklavenhandel immer noch in Blüthe steht,
da es an den Küsten dieses Sees vorläufig unmöglich ist mit den wenigen
Schiffen solche streng zu bewachen, ließ mich einst, als ich unerwartet
Neu-Helgoland anlief und hier ein großes vom Westufer des Sees, also
36 Seemeilen, von Uziza herübergekommenes Kanoe vorfand, strenge
Nachforschung halten und erst auf die Versicherungen des Häuptlings und
der Kanoebesatzung, die einen plausiblen Grund anzugeben vermochten,
gab ich es wieder frei. Obwohl mir es nicht recht einleuchten wollte,
daß die Leute solche gefährliche Fahrt in einer Nußschale quer über
den See nur unternommen haben sollten, um hier Proviant einzutauschen,
konnte ich doch absolut nichts Verdächtiges finden und keine Handhabe
war mir gegeben diese Seefahrer und ihr Fahrzeug mitzunehmen.
Bemerkenswerth war auch, daß unter der Bevölkerung sich Männer und
Knaben befinden, deren Ohrlappen mit einem Speer durchlöchert sind, ein
Zeichen, daß sie früher geraubt und als Sklaven bei den Wagwangwara
gelebt haben, die auf verschiedene Art ihre Freiheit wiedergewonnen und
den Weg zur heimathlichen Insel zurückgefunden hatten. Die Bekleidung
beider Geschlechter ist auch hier die denkbar primitivste, ein Stück
von einem Ziegenfell oder ein Grasbündel die einzige Bekleidung; bei
jüngeren und Kindern das Naturkostüm. Muscheln und Perlen ist der
einzige Schmuck, wenn solcher erreichbar ist, den sie sich gestatten
können, erst als der Holzhandel eine gewisse Quelle des Reichthums für
sie geworden war, kleideten sich die Bewohner auch etwas anständiger.

Zu eingehenden Nachforschungen veranlaßten mich die hier an der
Nordseite der Insel, wo das Wasser fast immer ganz ruhig ist, auf
den am Lande freiliegenden Felsblöcken gefundenen Wasserzeichen.
Scharf abgegrenzt gaben diese an, wie hoch der See zu verschiedenen
Zeitperioden gewesen sein mußte -- waren die über Wasser gebliebenen
Theile des Gesteins rauh und verwittert von grauschwarzer Färbung, sind
die damit bedeckt gewesenen noch weiß und rein. Ein ganz unregelmäßiges
und zwar immer plötzliches Zurücktreten des Sees hat stattgefunden
und die Höhe dieser wie mit einem Lineal so scharf gezogenen Linien
ergab, daß das Niveau des Sees 12-15 Fuß höher gelegen hat; auch der
alte Häuptling versicherte mir, der doch lange zurückdenken konnte,
sie hätten früher mit ihren Kanoes viel weiter heranfahren können als
heute. Untrügliche Merkzeichen, wogegen kein Einwand erhoben werden
kann, gaben mir diese viel zu denken, zumal ich auch an weitentfernten
Orten z. B. Monkey-Bai gleiche gefunden hatte -- ich werde bei der
Beschreibung und muthmaßlichen Entstehung des Nyassa-Sees später darauf
zurückkommen und zu beweisen suchen, was wohl zu solcher auffallenden
Erscheinung die Ursache gewesen sein kann.

Da der Wasserweg zwischen Festland und Insel tief genug war, dem »H.
v. Wißmann« die Durchfahrt zu gestatten, so sahen wir hier, an der
Südseite der Insel, wie zerrissen und umhergestreut die Felsenmassen
im und über Wasser lagen und wie tiefe Höhlungen an der Südwestseite
die See ausgespült hatte. Die flache Küste ist weithin förmlich mit
100´ hohen Felsblöcken eingefaßt, Rocks- und Steininseln nebeneinander
gethürmt, bieten ein wüstes Trümmerfeld. Ebenso lassen weit vom Lande
abliegende Rocks- und Steinmassen vermuthen, daß der Zahn der Zeit
allmählich diese Granitfelsen zerstört hat; nur zwei mächtige Massen
zersplittert und zersprengt, ragen noch zusammenliegend aus bedeutender
Tiefe steil empor. Diese mehrere Meilen lange Strecke, mit Felsen unter
und über Wasser besät, hat Major von Wißmann die Prager-Insel, Rock und
Riff benannt; weiter südlich, einige Felsen als der Schloßstein und die
Mehlsäcke, runde Granitkegel mit Guano bedeckt, erhielten ihrer Form
wegen diese Namen, den Abschluß dieser eigenartigen Felsenbildungen und
Steinmassen macht erst die zwei Seemeilen vom Lande entfernt liegende
Insel Lundo. Zwar bewohnt, wie auch die Prager-Insel, und auch mit sehr
spärlicher Vegetation bestanden, sind beide ein öder Steinhaufen nur;
der eine halbe Quadratmeile große Flächenraum dieser Insel erscheint
wie ein hoher von Felsblöcken aufgethürmter Granithügel. Von hier
bis zur weiten Mbampa-Bucht, 4 Seemeilen südlicher faßt ein hoher
isolirter Bergrücken die Küste wieder ein, der steil abbrechend in
getrennter Hügelform die Bai umschließt. Isolirt aber und steil aus
dem See aufragend, hebt sich der über 1000´ hohe Mbampa-Berg, der die
Bucht im Süden abschließt, von seiner Umgebung ab; eine massiv und
festgefügte Granitmasse. Läuft man in diese Bai ein, glaubt man einen
prächtigen, gesicherten Hafen vor sich zu haben, aber auch hier täuscht
die spiegelglatte, tiefblaue Fluth, und am steil aus großer Tiefe
aufsteigenden Ufer erst findet sich unsicherer Ankergrund; wenigstens
hatte es seine Schwierigkeit den »H. v. Wißmann« auf genügenden Abstand
vom Lande fest zu verankern. Auf den getrennten, schwer zugänglichen
Rocks an der Einfahrt zur Bai unter dem Mbampa-Berg, haben sich
die Eingeborenen zurückgezogen, nachdem auch hier die ehemaligen
Pfahlbauten von ihnen verlassen worden waren, sie schufen sich eine
feste Position hinter den aufgethürmten Steinmassen, wo sie leicht
genug ihr bischen Eigenthum vor der Raublust der Wagwangwara schützen
können. Uebereinstimmend mit den Wakissi, haben die hier und südlicher
lebenden Wampotto die unzugänglichsten Orte an der Küste sich als
letzte Zufluchtsstätte ausgesucht, und wohl wäre deutscherseits es als
eine ernste Pflicht aufzufassen den Raubzügen der Wagwangwara energisch
Einhalt zu gebieten und den in steter Furcht lebenden Stämmen ein
starker Schutz zu sein, damit sie wieder aufathmen und ihres Lebens
froh werden könnten. Sicherlich fügen sich die mächtigen Wagwangwara
nicht gutwillig und Strafexpeditionen werden nothwendig sein, aber je
eher sie wissen, daß ihr verwerfliches Treiben Ahndung und Vergeltung
findet, desto besser ist es. Sehr furchtsam und ängstlich zeigten sich
diese Wampotto, die kaum jemals in näherer Berührung mit Europäern
gekommen waren, und viel später erst wurden sie vertrauter; kamen
sie auch längsseits des Schiffes mit ihren Kanoes, währte es doch
lange, ehe sie es wagten dasselbe zu betreten. Als Beweis dafür diene
folgender Vorfall. Drei Meilen von Land in etwa südwestlicher Richtung
hatten wir als letzten Ausläufer eines unterbrochenen Felsenriffs
einen hohen Granitblock gesehen dessen Umgebung der Major näher zu
besichtigen wünschte. Das Riff sowohl, als auch der Felsen ragten
aus tiefem Wasser auf, zwischen denen es möglich war überall mit dem
Schiffe durchzufahren, so waren wir bis auf 100 Fuß dem Felsen nahe
gekommen, als zwischen dem nächstliegenden Felsenriff zwei Kanoes, die
zum Fischen ausgezogen waren, in Sicht kamen. Nothgedrungen, um wieder
freies Wasser zu gewinnen, mußten wir den Kurs des Schiffes auf diese
richten, kaum aber sahen die Fischer das Schiff näher kommen und sich
eine übertriebene Vorstellung von solchem Seeungeheuer wohl machend,
das ohne Segel und Menschenkraft so schnell herannahte, ließen sie ihr
Netz im Stich und paddelten aus Leibeskräften der etwa eine deutsche
Meile entfernten großen Insel Nuangwe zu. Diese unbekannte Insel war
aber auch unser Ziel und wieder im freien Wasser, mußten wir bald
genug die Kanoes überholen. Als die Fischerleute einsahen, daß sie vor
dem schnelllaufenden Schiffe nicht fliehen konnten, legten sie die
Kanoes Seite an Seite, besetzten die eine Nußschale die andere gaben
sie preis, und mit 8 Mann aufrechtstehend, jagten sie über das stille
Gewässer dahin. Aber auch diese Mühe war vergeblich, das Schiff, in
dessen Kurs sie unbegreiflicher Weise verblieben, kam ihnen näher und
näher; schließlich als ihre Anstrengungen vergeblich waren, warteten
sie, zu viele in der Nußschale um sich setzen zu können, in Ruhe ihr
vermeintliches Schicksal ab; wir aber wichen dem Kanoe aus und zogen an
ihnen vorüber. Beim ersten Anruf indes sauste das Kanoe wieder durch
die Fluthen und die geängstigten Menschen gaben die Flucht nicht eher
auf, bis wir weit von ihnen entfernt waren.

Vermuthlich hatten die Leute uns Weiße als Araber und Sklavenjäger
angesehen und unnöthige Furcht hatte sie kopflos gemacht; uns aber
hatten sie gezeigt, mit welcher Gewandtheit sie ihre Kanoes zu
handhaben verstehen. Aufrechtstehend und mit aller Kraft paddeln, in
einem kaum acht Fuß langen ausgehöhlten schmalen Baumstamm, der durch
die geringste unregelmäßige Bewegung zum Kentern gebracht werden
mußte, war es nur das taktmäßige Arbeiten Aller, durch das das leichte
Fahrzeug im Gleichgewicht gehalten werden konnte. Mit der Zeit werden
sie sich wohl an den Anblick eines großen Schiffes gewöhnen, namentlich
wenn sie eingesehen haben werden, daß ihnen kein Leid geschieht und die
Furcht vor dem weißen Mann unnöthig war.

Für die auffallende Erscheinung der plötzlich abbrechenden und wieder
zum See herantretenden isolirten oder kompakten Gebirgsmassen,
während landeinwärts an beiden Seiten des Sees, ununterbrochene
zusammenhängende Gebirge hunderte Meilen Süd und Nord sich hinziehen,
werde ich versuchen, eine Erklärung zu finden und namentlich auf die
Bildung der Inseln, ohne Ausnahme öde Steinmassen, hinweisen.

Im Gegensatz zu den Gebirgen, die zum Theil terrassenförmig ansteigen,
mit fruchtbaren Thälern, Bergen und Abhängen, wo mit Vorliebe die
Gebirgsstämme sich angebaut haben, sind einzelne Ebenen öde und
unbewohnt; obwohl mit dichtem Buschwald und Gras bestanden, scheint der
Mangel an genügender Bewässerung hierfür die Ursache zu sein. Solchen
Anblick gewährt das hinter Mbampa-Berg südwärts sich hinziehende
Gelände, in der Regenzeit grün und blühend, in der Trockenperiode
von der Sonnengluth verbrannt, trübe und einsam. Nur wenige elende
Wampotto-Dörfer, meistens an Stellen erbaut, wo Felsenreste aufgethürmt
liegen, zeigten sich hier am Ufer des Sees, aber Versuche, mit
den Bewohnern in Verbindung zu treten, waren völlig nutzlos, da
unbegreifliche Furcht sie vertrieb.

Im Gebirge, das hier 10 bis 12 Kilometer vom See zurückliegt, öffnet
sich eine weite Schlucht in Südost-Richtung an deren Ende bis zum See
verlängert gedacht, da sonst kein auffallendes Objekt vorhanden war,
bestimmte Major von Wißmann einen zum Strande heranreichenden Hügel,
auf 11° 29´ S. Br. und 34° 46´ O. Lg., als das Grenzkap; von diesem,
die gedachte Linie durch die Schlucht fortgesetzt, sollte diese die
deutsche Grenze ergeben. Von hier, wo nun die portugiesische Küste
beginnt, treten die Gebirgsmassen von 11° 37´ S. Br. bis 11° 56´ S.
Br. wieder zum See heran und bilden von 11° 56´ S. Br. in weitem Bogen
zurückfallend, hier die zweitgrößte Bucht im Nyassa-See, so daß, wenn
man von Norden kommt und sich dicht unter dieser steilen Felswand
befindet, erst nur die 14 Seemeilen von der Küste abliegende Insel
Kissimulu, 12° S. Br. und 34° 35´ O. Lg., ein hoher abgerundeter
Felskegel mit nach Süden verflachendem Lande, gesehen werden kann, ehe
die größte aller Inseln, Likoma, vier Minuten südlicher in Sicht kommt.

Die Bevölkerung dieser Inseln, der Küste und des Hochlandes, sind hier
die Anyanja, unter denen es den Missionaren gelungen ist, die Worte
des Heils zu verkünden, und in vielen Dörfern schon hebt sich aus
dem Wirrwarr der Hütten, das Dach einer Kirche, weithin erkennbar,
hervor. Unter den Orten Bakobon, Njafua, Kango, Utonga, habe ich die
beiden letzteren nur besucht, namentlich Utonga mehrmals, das an den
Ufern des gleichnamigen Flusses gelegen, in einer furchtbaren Wildniß
sozusagen verborgen liegt. Perlen und Salz waren hier die eigentlichen
Tauschartikel für Holz, Hühner und Eier aber solcher Handel war
meistens ein langweiliges Geschäft, da meine Leute oft mit den Weibern
nicht handelseinig werden konnten.

Ueberaus weit würde es führen, wollte ich in gleicher Weise, wie bisher
das deutsche Gebiet, auch die Länder und Völker am ganzen Nyassa-See
beschreiben. So interessant und wissenswerth es auch ist, was die Natur
hier geschaffen und aufgebaut hat, wie auch das Leben und Treiben der
Völker, so muß ich mich doch darauf beschränken, nur in großen Zügen
das Wichtigste anzuführen.

Von Kap Mala 12° 12´ S. Br. verläuft das Gebirge in ununterbrochener
Linie längs der Küste südwärts, wenn auch nicht in so kompakten Massen
wie das Livingstonegebirge, und dieses ganze portugiesische Gebiet ist
gut bevölkert, vornehmlich von den Anyanja- und Yao-Stämmen. Während
aber Deutsche und Engländer bestrebt waren, ihre Macht auf dem See und
in ihren Gebieten zu festigen und zu entfalten, thut der Portugiese
absolut nichts; eine Küstenstrecke von über 120 englischen Meilen, 11°
29´ S. Br. bis 13° 30´ S. Br., mit dem weiten ungeheuren Hinterland,
ist für ihn vollständig ein terra incognita. Anzuführen wären als die
bedeutendsten Orte noch die Pango-Bucht 12° 25´ S. Br., die Msumba-Bai
12° 35´ S. Br. und der Mtengula-Hafen 12° 46´ S. Br.

Msumba, neben Kota-Kota und Makangilas Sitz der größte Ort am See,
(es wird gesagt 30000 Anyanja sollen hier leben, wenigstens so weit
ich mich orientirt habe, kann diese Zahl annähernd richtig sein, denn
das mächtige Dorf ist ein unentwirrbarer Knäuel von Hütten), kann mit
der Rambira-Landzunge verglichen werden, nur ist diese weiter und
ausgedehnter. Mächtige Bergkegel von 1000-3000 Fuß ragen landeinwärts
gleich steilen Wänden auf, bis zum Gipfel mit Wald bedeckt. Das
fruchtbare Land wird von hunderte Weiber und Männer, die täglich zur
Saat- oder Erntezeit in die Berge ziehen, bestellt, Heerden von Ziegen,
Schafen, selbst noch Rinder weiden an den Abhängen. Geschützt vor den
heftigen Südwinden, auf gutem Ankergrund, liegt hier ein Schiff sicher;
alle Bedürfnisse, Ziegen, Hühner, Eier, selbst Honig, 3 Pfund etwa
für 1/4 Meter Zeug, vor allem Brennholz sind erhältlich, deshalb war
Msumba für uns meistens Haltestation. Die ersten Male, als ich hier
zum Holzkauf anlief, erhielten wir für unser Zeug auch gut gestapeltes
Brennholz, später jedoch, gleichwie in Monkey-Bai, verlangten die
Verkäufer schon für die Hälfte denselben Preis und als ich diesen ihnen
zu geben mich weigerte und nördlicher in der Pango-Bucht den Bedarf
deckte, wurden sie unverschämt.

Einmal auch, meine Leute sollten Eier und Mehl am Strande aufkaufen,
wiesen diese viele angefaulte zurück; ich kam gerade dazu, als die
Leute mit den Weibern schon in Streit gerathen waren, weil diese
absolut für ihre faulen Eier, gleich denen, die gute gebracht hatten,
auch ein Stückchen Zeug haben wollten. Sofort ließ ich den Einkauf
abbrechen, und während ich mich noch mit dem schwarzen Missionslehrer
über den Ankauf einiger Perlhühner verständigte, umgeben von einer
großen Zahl aus Gewohnheit mit Speer und Bogen bewaffneter Männer,
drängte sich einer zu mir heran und hielt mir mit der Frage: Sind
diese nicht gut? drei Eier vors Gesicht. Etwas erstaunt über solche
Dreistigkeit prüfte ich dennoch ein Ei, fand aber, daß es schlecht
war, und alle zurückweisend hieß ich den Burschen seiner Wege gehen
-- indessen hielt er mir aber wieder andere unter die Augen und nun,
in solcher Handlungsweise eine Provozierung sehend, schlug ich ihm
die Eier aus der Hand und eine schallende Ohrfeige hinterher. Schon
eng umschlossen und auch waffenlos, drängte nun die Menge auf mich
ein, während der Gezüchtigte wie ein Rohrsperling schimpfte. Hätte
der Missionslehrer mir nicht den Rücken gedeckt, wäre es nun wohl zu
einem ernsten Konflikt gekommen -- ehe aber noch ein thätlicher Angriff
erfolgte, rief der Kapitao Kambajalika: Fast den weißen Mann nicht an,
es sind mehr Wasungus (Europäer) auf unserm Schiff, die viele Gewehre
haben, sonst geht es euch sehr schlecht. Diese Worte thaten ihre
Wirkung und die Leute, noch nicht sehr gereizt, auch zurückgehalten von
dem Lehrer, öffneten den Kreis und ich konnte ungehindert ruhig mein
Boot erreichen. Die Bewohner Msumbas sind zu oft mit Europäern, den
Missionaren, in Verbindung getreten, die Ausschreitungen wohl rügten
aber nie straften, deshalb wagte ein übermüthiger Bursche nun mal, die
wahre Natur des Negers herauszukehren und den Versuch zu machen, ob
denn jeder Europäer nur freundliche Worte selbst für Ungezogenheiten
habe.

Weiter südlich liegt der tiefe felsige Hafen von Mtengula, 12° 45´ S.
Br.; eigentlich durch eine Thalöffnung von einer gebirgigen Halbinsel
gebildet, er bietet, nach +SSW+ offen, zwar nur wenig Schutz,
dafür aber einen wildromantischen Anblick durch die steilen, fast
senkrecht aufsteigenden Felswände und der üppig wuchernden Vegetation.
Mluluka 12° 57´ S., ein Sklavenhafen, wie schon erwähnt, gegenüber
Kota-Kota gelegen, wird durch das vorgelagerte Danger-Riff schwer
zugänglich und verdient als Wohnsitz des mächtigen Häuptlings Kalanje,
dem Aliirten des Häuptlings Jumbe, keiner besonderen Erwähnung. Von
hier weit landeinwärts haben, wie nördlich von Mluluka, die englischen
Missionare auf dem Berge Unangu eine Station errichtet und sind die
einzigen Europäer, die es gewagt haben, sich in des Löwen Höhle
niederzulassen. Gewiß gefahrvoll ist das Unternehmen, da die Yao's
gedroht haben, jeden Weißen zu tödten, wenn ihnen, wie angekündigt,
ihre Sklavendhaus genommen werden; sie begreifen nicht, warum ihnen der
einträgliche Handel zerstört werden soll und werden blutige Rache üben,
wenn es geschieht.

Der Portugiese scheint ohne Bedenken das allmählige Vordringen der
Engländer auf seinem Gebiet zu gestatten und fürchtet scheinbar deren
wachsenden Einfluß nicht, ich meinestheils aber betrachte neben der
unverkennbar segensreichen Thätigkeit dieser Missionare und ihrem
hohen edlen Streben solche Stationen doch gewissermaßen als politische
Fühlhörner, denen bald der Handelsmann folgt und englische Macht und
Kapital dann schnell überwiegenden Einfluß gewinnt; das moralische
Uebergewicht wird aber im Nothfall durch einige Kanonen schnell in ein
positives umgewandelt werden. Die Erfahrung hat es gelehrt, daß der
Sohn Albions sich wenig an das Eigenthumsrecht anderer Nationen kehrt
und schwerlich das wieder freigiebt, worauf er seine Hand bereits
gelegt hat. Das arme Portugal sieht den mächtigen, rücksichtslosen
Gegner in seinem Gebiete vordringen und kann in seiner Ohnmacht es
nicht hindern! --

Einen unverkennbaren Einfluß, welche Macht das Kapital besitzt,
kann man auch in Central-Afrika bemerken, denn heute sind durch die
englischen Kanonenboote alle Sklavendhaus weggenommen oder zerstört und
doch haben die Yao's ihre Drohung nicht wahrgemacht, selbst Yumbe's
Reich ist konfiszirt worden, deshalb mag man sich fragen -- welches
Equivalent haben die klugen Engländer den Häuptlingen geboten für den
erträglichen Sklavenhandel, den sie zerstört haben! einfach genug, der
Handelsmann dringt vor mit seinen Waaren und ebnet die Wege! -- Geld
ist Macht. -- Trotz alledem aber ist die englische Macht dennoch in
diesem ungeheuren Gebiet viel zu schwach, dem Unwesen ganz zu steuern,
die feindliche Bevölkerung leistet demselben allen nur erdenklichen
Vorschub; feindlich gesinnte Häuptlinge, als Kassembe etc., in
unzugänglichen Bergen, schüren das Feuer der Empörung und ist auch der
Sklavenhandel über den See hinweg fast unmöglich, werden die arabischen
Händler nun südwärts ziehen und im Gebiet Mpondas den Schirefluß zu
überschreiten suchen, so portugiesisches Territorium gewinnend, wo sie
vorläufig noch ihre Waare an den Mann bringen können.

Längs der steilen Felsenküste südwärts am Kap Malambe vorbei, bogen wir
in die Zirambo-Bai ein und fanden hinter Losefa vor Pandimba eine Dhau
Makangilas liegen. Ein leichtes wäre es gewesen, uns dieses Fahrzeuges
zu bemächtigen, aber hier, schon auf englischem Gebiet, hätte ein
Eingriff nur zu unliebsamen Erörterungen führen müssen, als dann unsere
liebenswürdigen Vettern den Mund wieder mal recht voll genommen hätten.
Da uns auch bekannt war, daß in Kürze mit Makangila abgerechnet werden
sollte, so hatten wir keine Veranlassung, den Kriegsruhm der Engländer
zu schmälern, obgleich die am Strande versammelte Menge in nicht
wiederzugebender Weise höhnend die Waffen schwang. Unser Zweck nur
war, die niedrige, durch Sandbänke und Untiefen schlecht zugängliche
Küste kennen zu lernen, deshalb dampften wir ohne Aufenthalt vorbei und
weiter über Monkey-Bai nach unserer Station Port Maguira, wo wir am 6.
Oktober anlangten.




                          20. Der Nyassa-See.


Da Port Maguira sowohl zu Lande als auch zu Wasser eine beträchtliche
Strecke von Fort Johnston entfernt liegt und gänzlich isolirt
ist, hätte in diesem, um es zu schützen, eine genügende Besatzung
zurückbleiben müssen, deshalb war Major von Wißmann mit der Anlage
einer neuen Station oberhalb Fort Johnston, wo Herr von Eltz sich ein
Stück Land, direkt am Schire gelegen, von den Engländern ausbedungen
hatte, einverstanden; und da nun diese Station aufgegeben werden
sollte, erfolgte daraufhin die Einschiffung der gesammten Bestände.
Zurück blieben nur, unter Befehl von Zander, diejenigen Soldaten,
welche nach erfolgter Uebergabe des Schiffes und der Station Langenburg
an das Reich mit dem Major zur Küste zurückkehren sollten.

Am 10. Oktober schon traten wir die Reise nordwärts wieder an und
jetzt, unter der Westküste des Sees entlang laufend, ankerten wir
zunächst in der Papendula-Bucht; dann, über Kap Maklair hinaus, unter
der felsigen Elephanteninsel, die nach Aussage der Eingeborenen mit
Elephanten bewohnt gewesen sein soll, entlang, untersuchten wir südlich
von Leopard-Bai, zwischen den Inseln Marenje und Mankowa den See und
die Küste eingehend.

Der um diese Zeit frische Südwind, anstatt erst gegen 9-10 Uhr Morgens,
wie es sonst der Fall, plötzlich aufzuspringen, um mit Sonnenuntergang
wieder still zu werden, wehte mit zunehmender Stärke auch des Nachts,
und fast kann ich sagen, den schwersten Sturm, den ich während meines
langen Aufenthalts am Nyassa-See durchgemacht habe, war der vom 12.
bis 14. Oktober 1893. Mit vollen Backen blies der entfesselte Sturm
über die beiden niedrigen Inseln der Bentje-Gruppe, unter denen wir
Ankergrund und Schutz gefunden hatten, mit einer Gewalt, daß ich
besorgte das Schiff könnte von dem ziemlich steil abfallenden Grund
abgetrieben werden. Auch Major von Wißmann, der diese Nacht am Lande im
Zelt verbrachte, fand es am Fuße des hohen Bergkegels im höchsten Grade
ungemüthlich. Wären wir gezwungen gewesen, am nächsten Morgen gegen
die wilde See andampfen zu müssen, würden wir wohl schwerlich vorwärts
gekommen sein, so aber liefen wir vor derselben und dem Sturme,
mit einer Geschwindigkeit von über 11 Knoten die Stunde durch die
schäumenden Fluthen. Trotz dieser Geschwindigkeit überlief uns dennoch
die See und Wasserberge brüllten an den Seiten des schwerrollenden
Schiffes auf, ihre Schaumkronen über das Hinterdeck ergießend, die
zuweilen die hochgehißten Boote gefährdeten. Der Aufruhr der Elemente,
wie man es hier kaum vermuthet hätte, bot ein grausig-schönes Bild,
man konnte sich versetzt denken in den Ozean, wo die langrollenden
Wogen fast weniger gefährlich sind wie hier, weil das süße, und darum
leichtere Wasser des Sees schneller und wilder aufgewühlt wird und die
kurzlaufenden Seen deshalb auch gefährlicher werden.

Hinter den Bänken vor Kota-Kota fanden wir erst wieder Schutz und
ruhig Wasser. Kaum hatte Jumbe aber die Ankunft des Majors erfahren,
als er selber an Bord kam und dem ihm wohlbekannten »+bwana
mkuba+« begrüßte, auch bat er den Major ihm gegen einen seiner
abtrünnigen Häuptlinge zu helfen, der sich mit seinem Anhang in einer
Boma innerhalb Kota-Kota fest verschanzt hatte und die Jumbe trotz
seiner zahlreichen Krieger nicht zu stürmen imstande war; namentlich
wollte er, daß vom Schiffe aus die Boma bombardirt werden sollte. Diese
Bitte mußte ihm natürlich rundweg abgeschlagen werden, da es Sache
der Engländer war, ihren Schützling und Alliirten aus der Klemme zu
befreien und nichts weiter konnte geschehen als daß wir ihn auf der
Rückreise abholen und nach Fort Johnston bringen konnten, wo er sich
bei seinen Freunden Hilfe und Assistenz erbitten könnte. Es geschah
auch, und sobald die Kanonenboote »Pionier« und »Adventurer« fertig
gestellt waren, war ihre erste Aktion die Feinde Jumbes zu vertreiben.

Major von Wißmann folgte der Einladung Jumbes und stattete diesem
einen Besuch in dessen Barasa (Behausung) ab, eigentlich nur um sich
dieses Nest Kota-Kota mal näher anzusehen. Jumbe aber, der diese Ehre
zu schätzen wußte, hatte seine gesammte Kriegsmacht aufgeboten, an die
3000 Mann, und ließ die beliebten Kriegstänze aufführen. Ein wilder
Tumult ist es gewesen, den die durch den Tanz halb unsinnig gewordene
Menge verursachte, fortwährendes Schießen mit alten Donnerbüchsen,
wildes Geheul, Ngomaschlagen etc.; es konnte einem Zuschauer der
Appetit vergehen, namentlich, wenn Hunderte zugleich mit gesenkten
Speeren einherstürmten und erst wie eine wilde Fluth plötzlich standen
und zurückwallten, wenn die Speere fast den Zuschauer berührten. Kaltes
Blut, ein fester Blick und keine Furcht bei solchem eigenartigen
Spiel ist es, was den Kriegern an dem Fremden imponirt, der desto
höher in ihrer Achtung steigt je ruhiger er dem unvermeidlichen Tod
entgegen sieht, wenn das Spiel mit solchen gefährlichen Waffen ernst
gemeint wäre. Gut thut man auch, solchen Schauspielen bald den Rücken
zu kehren, ist der Gast auch sicher und würde ihm kein Haar gekrümmt
werden, so kann man doch der unberechenbaren Leidenschaft solcher
Krieger nicht vertrauen.

Eine fruchtbare gut bewässerte Ebene ist es, die hinter Kota-Kota
zwischen den Flüssen Chamimbe, Chukapulu und Chiningola bis zum
hohen Gebirge sich ausbreitet, gut bebaute Schamben, Reisfelder
etc. bestätigen dies, auch heiße Schwefelquellen südlich von
Kota-Kota entquellen dem Boden, deren Werth keiner zu schätzen weiß.
An der flachen Küste nach Bandawe zu, muß ich einen Ort in der
Marenga-Sanga-Bucht erwähnen, den ich später öfter, um dort Holz zu
kaufen, anlief. Ein felsiger Bergkegel, mit zerstreuten Rocks umgeben,
hebt sich am sandigen Rande der Ebene, zerklüftet und zersprengt,
gleich einem Wartthurm von seiner Umgebung ab, hinter diesem auf
flachem Grund, getrennt durch einen Wasserarm, befindet sich erst das
Dorf des Häuptlings Mbiwis. Einen ungesunderen, schmutzigeren Ort als
dieses Dorf habe ich kaum je angetroffen, schon das morastige Wasser,
schwarz und übelriechend, über welches ich mit einem elenden Kanoe
gesetzt wurde, verpestet die Luft. Zur Berathungshütte gekommen, fand
ich um diese eine ganze Zahl mit allerlei Gebrechen behaftete Kranke
auch Krüppel vor; da ich dies nicht erwartet hatte, weil ich eigentlich
etwas anderes erforschen wollte, wurde mir auf meine Frage, was diese
wollen, gesagt, der weiße Mann habe Dhaua (gute Medizin) die jedem
helfen würde und ich möchte ihnen doch helfen und solche geben.

Ich sah mir auch die mit scheußlichen Wunden Behafteten an, fand bei
einigen Elephantiasis und vollständig vertrocknete Gliedmaßen vor
-- doch was konnte ich dagegen thun? Absolut nichts. -- Die offenen
Wunden waren meistens durch irgend eine Verletzung entstanden, durch
Unreinlichkeit und namentlich durch die schrecklichen Fliegen entzündet
und sehr schlimm geworden, so daß bei den meisten schon Knochenfraß
eingetreten war. Um nun aber doch nicht achselzuckend mich abzuwenden,
weil jede Hilfe unmöglich war, ließ ich diesen Unglücklichen wenigstens
sagen, was sie thun sollten. Durch den Dolmetscher rieth ich ihnen, die
Wunden jeden Abend und Morgen mit warmen Wasser auszuwaschen und solche
immer mit dem Zeuge, das ich geben werde, gut verbunden zu halten.
Keine Fliege noch Schmutz darf hineinkommen, wenn sie dieses thun,
werden die Schmerzen abnehmen. Ich zeigte ihnen darauf, wie sie es zu
machen hatten und ließ die Elendsten sogleich von deren Angehörigen
reinigen, mit herbeigeschafften Carbolwasser die Wunden auswaschen
und dann verband ich sie. Auch wies ich sie an, zu den weißen Männern
nach Bandawe zu gehen, das von hier nicht so weit entfernt ist, dort
finden sie Hilfe, wenn sie thäten was der Msungu ihnen sagt. Dr.
Elmslie, dem ich den Zustand in diesem Dorfe gelegentlich mittheilte,
war aber mit mir auch der Ansicht, daß sie erst die Hilfe des Europäers
suchen werden, wenn ihre Medizinmänner durch Beschwören und anderen
Hokus-Pokus sie nicht mehr helfen können, überhaupt jede Hilfe zu spät
ist -- auch werden sie keinen Rath genau befolgen und darum meistens
elend zu Grunde gehen.

Tintatsche, etwa eine Stunde oberhalb Bandawe gelegen, ist das
Hauptdorf der Atonga und ist der Ort, wo wir unsere Arbeiter sowohl,
als auch die von der englischen Administration gewünschten, anwarben;
auch an anderen Orten, wenn sich welche meldeten, nahm ich solche
mit, die gewillt waren einen halbjährlichen Kontrakt einzugehen, denn
zu Zeiten war der Arbeitermangel im Schirehochland sehr fühlbar und
daher jeder Mann den Engländern willkommen, die gerne die Passage und
Unkosten bezahlten. Jedesmal, wenn ich vor Tintatsche vor Anker ging,
war der Andrang der Atonga groß und ein sehr bewegtes Leben entfaltete
sich bei solcher Anwerbung auf und um dem Schiffe, eine Flottille
von Kanoes fuhr beständig ab und zu und brachte immer neue Bewerber,
namentlich halbwüchsige Jungens priesen sich in großer Zahl an, die
aber zurückgewiesen werden mußten. Ergötzliche Scenen spielten sich
auch ab, wenn im Gedränge mehrere dieser leichten Fahrzeuge kenterten;
aber ob im Wasser oder im schwankenden Kanoe, blieb diesen lustigen
Naturkindern einerlei.

Ein Höllenspektakel ist natürlich dabei unausbleiblich, auch werden die
Leute leicht zudringlich; einmal machten sie mir den Spaß denn doch
zu bunt, und die dumpfheulende Dampfpfeife ertönen lassend, hatte der
laute Schall einen wunderbaren Effekt, wo sie auch standen, hoch oder
niedrig, im Nu waren sie über Bord gesprungen und suchten das Weite.

Die Küstenstrecke von Kap Chirombo bis Mschewere, etwa 90 englische
Meilen, ist nun wieder eine steil anstrebende, gewaltige Bergmasse,
unterbrochen von tiefen Schluchten, als der Uziza-Bucht, Neu-Helgoland
gegenüber, der Benzantze-Bai 11° 7´ S. Br., der Pankanja-Bucht und
Deep-Bai, letztere ein gewaltiger NN.-W. in das Land eindringender
tiefer Busen. Hier speziell sind die Gebirgsmassen getrennt, als
habe ein verheerender Strom die Felsen weggefegt und vernichtet, so
erscheint vom Hochlande her ein geebnetes Bett herunter gegraben zu
sein, nur langgestreckte, runde Hügelkuppen erheben sich in demselben,
gleich starren mächtigen Wogen. Ueberreste sind der Pankanga-Kegel
und Trümmermassen als die Mtawale-Insel und weit vom Lande abliegende
Rocks. Keinen Schutz bietet die nach Süden offene tiefe Bai, ganz
dicht unter Land ist erst Ankergrund zu finden, auch wird es für ein
Schiff unmöglich, sich gegen die zu Zeiten einlaufende schwere See
dort zu halten. Geeigneter ist die nur wenige Meilen nördlicher,
der Amelia-Bai gegenüberliegende Pankanga-Bucht, die nördlichste
englische Militärstation; wenigstens ein guter Ankergrund ist in
dieser zu finden, und brandet auch oft die See vom heftigen Ostwind
hineingetrieben über die Steine und Felsen, die überall umhergestreut
liegen, sodaß ein Landen fast unmöglich ist, liegt ein Schiff doch
weit genug vom Lande und mit guten Ankern sicher genug. Eine besonders
auffallende Form zeigt der Mont Waller, Peri oder Mjonce genannt, der
das Kap Nikuru 10° 43´ S. Br. bildet, und an den hohen Gebirgsstock
sich anlehnt; nahezu 3000´ hoch, scheint derselbe terrassenförmig
aufgethürmt worden zu sein, wenigstens liegt dazu die Vermuthung nahe,
als derselbe nicht mit den massiven Felsenmassen eng verbunden ist und
eine andere Zusammensetzung des Gesteins aufweist.

Nach der werthvollen Steinkohle ist schon vielfach in den
Nyassa-Ländern geforscht worden, bis jetzt aber vergeblich und fragt
es sich, ob nicht Mont Waller solchen Schatz bergen sollte. Mir sind
vom Agenten der Station Pankanga Mr. Crawshay große auf der Oberfläche
des Berges gefundene Stücke gezeigt worden, wonach anzunehmen wäre,
wenn, wie es den Anschein hatte, diese Stücke wirkliche Kohle war, ein
Abbau möchte vielleicht lohnend sein, indes schon die ganze Bildung
der Gesteinmassen läßt die Annahme, daß möglicher Weise compacte
Kohlenlager gefunden werden könnten, unwahrscheinlich erscheinen, als
unter den Granitmassen der mächtigen Gebirge alles andere nur nicht
Kohle zu vermuthen ist, und müßte Mont Waller in Form und Bildung so
verschieden eine Ausnahme machen. Abzuwarten bleibt, ob an Ort und
Stelle, wenn erst ernstlich an eine genaue Untersuchung herangegangen
wird, bessere Kohle, als die mit Gestein stark durchsetzten
Beweisstücke ergaben, gefunden wird, welchen Versuch man aber wohl erst
dann unternehmen wird, wenn das Brennholz für die Schiffe schwerer zu
erlangen ist; vorläufig, so lange die Höhen dicht mit Baum und Busch
bestanden sind, ist Mangel an Holz ausgeschlossen.

Als wir am 15. Oktober nach Langenburg zurückgekehrt waren, hatte Major
von Wißmann erwartet, die Herren Wyncken und Lieutenant Prince, die
auf eine Expedition nach dem Sultan Marara schon längere Zeit abwesend
waren, bestimmt anzutreffen, da er die Station an das Reich übergeben
und seine Heimreise baldmöglichst anzutreten gedachte. Wider Erwarten
war dies nicht der Fall und erst 5 Tage später traf die Abtheilung in
Langenburg ein, aufgehalten am Wege durch die nothwendige Erstürmung
einer Boma, die ein den Deutschen und Marara feindlich gesinnter
Häuptling besetzt hielt.

In den Morgenstunden unter Kanonensalut von Fort und Schiff, der
aufmarschirten, präsentirenden Sudanesenkompagnie wurde die deutsche
Reichsflagge im Fort gehißt, und weithin hallte das Hoch auf den
deutschen Kaiser. Darauf lichtete H. v. Wißmann sofort die Anker und
der Kanonendonner von Fort Langenburg grüßte zum letzten Male den
scheidenden Führer, der seine schwere Aufgabe und sein Werk so glänzend
beendet hatte.

Einen großen, kühnen Plan, der leider nicht in Erfüllung gehen
sollte, hatte Major von Wißmann gehegt, nämlich: den Rachezug gegen
die Wahehe, die bisher ungestraft sich ihres Ueberfalls und der
Vernichtung der Zelewkischen Expedition noch immer rühmen konnten,
wollte der Major von hier aus mit seiner kampfgeübten Truppe ins Werk
setzen. Die zahlreichen Stämme auf dem Livingstone-Gebirge, vor allem
die Wagwangwara sollten südwärts in das feindliche Gebiet einfallen,
auch Marara, unser Aliirte und früherer Sultan der mächtigen Wahehe,
war bereit, mit tausenden seiner Krieger vorzugehen, und die deutsche
Besatzung Taboras von Norden heranziehend, erübrigte es nur noch, das
ebenfalls von der Küste aus über Mpwapwa und Kilwa starke Kolonnen
zum Angriff vorgingen und das schönste Kesseltreiben wäre fertig
gewesen -- dieser großartige Plan aber, der unter Führung des Majors
zur vollständigen Unterwerfung der Wahehe geführt hätte, kam jedoch
nicht zur Ausführung. Auch andere Vortheile wären uns aus solchem
gemeinsamen Vorstoß erwachsen, z. B. würde das Ansehen der deutschen
Macht mit einem Schlage gehoben worden sein; die Völker hätten nicht
nur unsere überlegenen Waffen, sondern auch die zielbewußte Führung
gesehen und selbst als unsere Bundesgenossen uns fürchten gelernt. Die
voraussichtlich kommenden Kämpfe, wenn die Gebirgstämme sich gegen
die Autorität der deutschen Macht später auflehnen werden, würden
unterbleiben und minder heftig sein, die Folge wird sein, daß sie nun
erst an sich selbst erfahren, wie Widerstand und Rebellion gestraft
wird. Zwar hat Seine Excellenz Freiherr v. Schele den Wahehe später
eine exemplarische Lektion ertheilt, ihre stärkste Veste gestürmt und
zerstört, allein sie werden sich schwerlich fügen lernen und uns noch
viel zu schaffen machen. Ueber Karonga südwärts laufend, ankerten wir
am Abend des 23. Oktober zwischen den Felsenroks unterhalb Panganga,
vor der Insel Mtawale; hier aber dem heftigen Ostwind und der schweren
See ausgesetzt, war es eine schlimme Nacht, die wir verbringen mußten.
Am nächsten Morgen wurden wir durch die breitseits anrollenden Wogen,
die das Schiff überspülten, gezwungen, den Kurs zu ändern um unter der
Ostküste Schutz zu suchen, und so erreichten wir über Likoma, Msumba,
Monkey-Bai am 29. Port Maguire.

Da die neue Station am Schire nun bald beendet war, befahl der Major,
Fort Maguire zu demoliren, und schon nach zwei Tagen war der Ort, der
so lange uns Schutz und Aufenthalt gegeben, nur noch ein Trümmerhaufen.
Am 31. Oktober 1893, nachdem nun auch der »H. v. Wißmann« dem Reiche
übergeben und die Flagge gewechselt worden war, verließ Major v.
Wißmann unter dem Salut der Schiffsgeschütze den deutschen Boden, das
Hurrah der Besatzung war den Scheidenden der letzte Gruß!

So hatten denn nun auch die letzten Theilnehmer der großen Expedition
Abschied genommen, der Major, Dr. Bumiller, de la Fremoire und Franke
-- die Schaar der schwarzen Kämpfer war gelichtet und mancher brave
Soldat vom Feinde oder dem tückischen Fieber hingerafft, ruhte in
fremder Erde, und doch sollte schon nach wenigen Tagen einer der
Bravsten, der tollkühn oft im Kampfe den feindlichen Kugeln sich
preisgegeben und unerschrocken dem Tode so oft ins Auge geschaut hatte,
rasch und unerwartet hingerafft werden. Der Vetter des Majors von
Wißmann, de la Fremoire, gesund und hoffnungsfroh, lag, ehe noch Matope
erreicht worden war, sterbend darnieder. Schnell erlöste ihn der Tod
und er fand die Ruhe und ein einsam Grab am Waldesrand hinter Matope
-- sein Andenken wird aber in allen denen fortleben, die ihn lange
Jahre als einen tapfern, lieben Kameraden gekannt und schätzen gelernt
haben.

In nun neue Verhältnisse und mit dem Schiffe in Reichsdienst
übergetreten, machte ich mit dem H. v. Wißmann noch manche Reise,
den Nyassa-See kreuz und quer durchziehend; viel Interessantes fand
ich an manchen Orten und widmete meine Aufmerksamkeit namentlich
der Beschaffenheit des Sees und seiner umwohnenden Bevölkerung.
Ueber letztere will ich, so weit meine Erkundigungen und Nachfragen
vornehmlich bei den Missionaren genau genug sind, einiges über deren
Sitten und Gebräuchen sagen, vorher aber bemerken, daß das, was ich
in kurzer Schilderung erwähne, nur ein Bruchtheil dessen ist, was
eigentlich über die Völker der Nyassa-Länder gesagt und geschrieben
werden könnte, auch ziehe ich es vor, nur das anzuführen, was ich aus
eigener Erfahrung und Urtheil kennen gelernt habe, sowie was mir von
Männern verbürgt worden ist, die inmitten dieser Völker schon lang
leben und gewiß sich ein maßgebendes Urtheil angeeignet haben.

Zulustämme im eigentlichen Sinne, wie verschieden auch ihre Namen,
sind heute vorwiegend die Bewohner der Nyassa-Länder; an Zahl groß und
gleich allen Zulus kriegerischen Sinnes, haben sie die Urbevölkerung
verdrängt oder vernichtet und sich in den reichen Gebieten des
Gebirgslandes festgesetzt. Natürlich hat die allmählige Eroberung und
Besitznahme nicht damit ihren Abschluß gefunden, vielmehr nachdrängende
Stämme vertrieben die ersten wieder oder solche besiegt, gingen in den
stärkeren schließlich auf. Ein periodisches Wandern, Verdrängen und
beständiges Kämpfen um den Besitz ist auch heute noch Gebrauch und aus
Erzählungen älterer Eingeborenen kann man entnehmen, wie hart und heiß
von vielen Häuptlingen um einen beneideten Besitz gestritten wurde, ehe
z. B. die Ngoni sich das ganze westliche Land erobert hatten.

Was Gebräuche und Sitten anbetrifft, worauf ich speziell eingehen
werde, so ist für diese ein gleicher Ursprung anzunehmen, als fast
alle Stämme des Nyassa-Hochlandes gemeinsamer Abstammung sind. Das
Familienleben vor allem, bei zivilisirten Völkern die stärkste Stütze
eines Staates, weicht hier weit von der christlichen Auffassung über
solches ab und namentlich die Ehe wird bei diesen Völkern ganz anders
beurtheilt, nicht in dem Sinne wie wir sie aufzufassen gewohnt sind.
Leicht löslich von Seiten des Mannes, ist die Ehe meistens nur ein
Uebereinkommen, oft ohne eine besondere Zuneigung von Seiten der Frau,
was der Fall, wenn der Mann ein Polygamist ist und schon mehrere
Frauen hat. Die Vielweiberei ist jedem gestattet, der imstande ist,
der erwählten Schwiegermutter, vor allem deren Bruder, das eigentliche
Haupt einer Familie (der Vater hat kein Verfügungsrecht über seine
Töchter), das übliche Brautgeschenk, bestehend in Zeug, Ziegen etc.,
zu machen, auch sich verpflichtet, von Zeit zu Zeit bei der Ernte
oder einem Hausbau zu helfen. Polygamie wird in dem Sinne als zu
Recht bestehend angesehen, als dadurch der Mann zurückgehalten wird,
Ehebruch zu begehen, der hingegen für eine überführte Frau meistens
verhängnißvoll ausfällt. Nach der Verheirathung mit einer dritten oder
vierten Frau lebt der Mann zunächst mit dieser längere Zeit, dann aber
verläßt er sie, um bei einer andern zu wohnen und ist er dieser auch
überdrüssig, kehrt er zurück, oder geht die Reihe herum, so daß außer
der einen, bei welcher er sich aufhält, die anderen angewiesen sind,
sich von ihren Blutsverwandten unterhalten zu lassen. Die nun so allein
und unbewachten Frauen erliegen sehr oft der Versuchung sich schadlos
zu halten und schenken einem Verführer nur zu willig Gehör, obwohl sie
wissen, daß eine Entdeckung für beide Theile schlimme Folgen haben
kann. Nur zu oft, und das ist das Verwerflichste bei solcher Polygamie,
beschuldigt mit und ohne Grund der nach langer Abwesenheit zu einer
seiner Frauen zurückkehrende Mann diese des Ehebruchs. Selten wird die
Frau, außer wenn sie überführt ist, eingestehen, sich vergangen zu
haben; doch auf bloße Verdachtsgründe hin steht dem Ehemann das Recht
zu (wir würden es einfach als vorsätzlichen Mord bezeichnen) seine Frau
zu zwingen, »pande« Gift zu trinken. Giebt sie es wieder von sich und
bleibt am Leben, wird sie als unschuldig angesehen, stirbt sie aber
und ihre Unschuld wird nachgewiesen, tritt häufig von seiten ihrer
Verwandten die Wiedervergeltung ein, die dann für den Mann gewöhnlich
von schlimmen Folgen begleitet ist.

Fällt bei solcher Beschuldigung der brutale Zwang fort und handelt der
Mann in Uebereinstimmung mit den Verwandten seiner Frau, wird einem
Hunde oder Huhn »pande« gegeben. Bricht solches Thier das Gift wieder
aus, wird die Anklage als falsch angesehen, stirbt es aber, bekennt
die Frau ihre Schuld und nennt auch vielleicht den Verführer, ob sie
aber wirklich schuldig ist oder nicht, gegen das Ergebniß eines solchen
Urtheils giebt es keinen Widerspruch. In solchem Falle, wenn durch
Vergiftung ein Thier stirbt, also die Schuld erwiesen ist, beansprucht
noch der Mann eine Entschädigung, welche die Verwandten seiner Frau
aufzubringen haben -- er erhält meistens das Brautgeschenk zurück --
was dann gleichbedeutend mit einer Scheidung ist; wird hingegen solche
nicht gegeben oder verlangt, erhält die Frau eine schwere körperliche
Züchtigung.

Um eine Scheidung herbeizuführen bedarf es aber nicht immer so
triftiger, oft gewiß frivoler Gründe, es genügt auch, wenn der Mann
erklärt, daß dies oder jenes Weib ihm überdrüssig ist; auch machen
sich die betroffenen Frauen nicht viel Kopfzerbrechen darüber, welche
Gründe den Mann veranlaßt haben, sie verlassen zu wollen, vielmehr
ist ihnen eine Veränderung häufig willkommen, da gemeinhin einer
geschiedenen Frau die Wiederverheirathung gestattet ist; nur in Fällen,
wenn sie fürchten müssen, begangene Untreue könnte nachgewiesen werden
und sie würden, solche leugnend, gezwungen »pande« zu trinken, nehmen
sie die Sache durchaus nicht so leicht. Von gegenseitiger Zuneigung
kann daher, weil die Sitte der Polygamie kein rechtes Familienleben
möglich macht, keine Rede sein oder doch nur in den seltensten Fällen.
Hingegen auf solche Art verlassene Häuptlingsfrauen, denen das Recht
der Wiederverheirathung genommen ist, zeigen sich viel erregter und
untröstlicher. Ein großes soziales Uebel ist die Polygamie wohl bei
allen afrikanischen Völkern und hindert wesentlich die Verbreitung des
Christenthums, weil dieses der eingewurzelten Unsitte entgegen treten
muß.

Der verbrecherischen Sitte, den Gifttrank, den im Verdacht der Untreue
stehenden Weibern, aufzuzwingen, kann leider nicht entgegen getreten
werden, aus dem Grunde schon, weil noch die Macht der Europäer in
diesem ganzen großen Gebiete so gut wie belanglos ist und bekannt
gewordene Fälle der strafenden Gerechtigkeit unerreichbar sind. Auf
den Inseln Likoma und Kissimulu allein, wo englische Gerichtsbarkeit
eingreifen konnte, wurden zwei Uebelthäter erfaßt. In dem einem Falle
war ein Mädchen gezwungen worden »pande« zu trinken und, da es als
unschuldig befunden wurde, zahlte der Ankläger die übliche Strafe, in
dem anderen wurde das Gift einem Hunde eingegeben. Beide Anstifter
hatten aber ihre That mit mehrmonatlicher harter Gefängnißstrafe zu
büßen, was, da die Strafe solchen unbegründeten Anschuldigungen auf dem
Fuße folgte bei der Bevölkerung einen nachhaltigen Eindruck machte.

Obgleich diese Volksstämme in moralischer Hinsicht auf eine tiefe Stufe
stehen, ist doch in ihnen das Bewußtsein lebendig, daß Unmoralität
Uebels im Gefolge haben kann, z. B. ist die Ansicht bei den meisten
Stämmen, als Angoni, Atonga, Tumbuka, Chewa und andere vorherrschend,
daß je nachdem in einem Dorfe mehr oder weniger Ehebrecher wohnen,
die Bewohner, im Falle einer ausgebrochenen Pockenepedemie, auch
demgemäß von der Seuche befallen und weggerafft werden. Ein Dorf von
dem gesagt wird, es ist »ufudumele« (warm) hat einen schlechten Ruf
d. h. alle die erkranken sterben auch, »umakaza« (kalt) aber ist ein
solches, in welchem die Seuche wenige Opfer fordert. Nach dem Glauben
der Angoni hassen sich Ehebruch und Pocken und wer solches Vergehen
begangen hat stirbt durch die Pocken oder andere für ihn. Betritt
ein Ehebrecher eine Hütte in welcher Erkrankte liegen, müssen diese
sterben; es wird gesagt, derselbe ist mit Feuer eingetreten. Zutritt
zu einem Pocken-Kranken haben nur dessen nächste Anverwandte, versucht
hingegen ein mit solchem Vergehen Beschuldigter diesem dennoch nahe zu
kommen, wird angenommen er habe es absichtlich gethan und der Eintritt
wird ihm eventuell mit Gewalt verweigert. Erkranken in einer Familie
mehrere, werden die noch Gesunden beschuldigt, sich vergangen zu haben,
denn der Glaube, für andere leiden und sterben zu müssen, ist zu tief
eingewurzelt, als daß er erschüttert werden könnte.

Die in Europa mit vollem Recht verpönte Sklaverei, die zu unterdrücken
die zivilisirten Völker sich verbunden haben, ist den meisten Laien
doch nur als ein verabscheuungswürdiger Handel bekannt, unternommen
von arabischen Händlern, deren Horden, vornehmlich durch plötzlichen
Ueberfall, wehrlose Stämme und Dörfer vernichten und die eingefangenen
Menschen gleich dem Vieh zur oft fernen Küste treiben. Weniger bekannt
sind die Ursachen, um welcher willen häufig Eltern ihre Kinder in die
Sklaverei verkaufen, Freie und Häuptlinge bestrebt sind sich durch den
Menschenhandel zu bereichern. Weit verbreitet über Afrika ist diese
Unsitte, speziell aber will ich hier anführen wie sich die Völkerstämme
des Nyassa-Hochlandes hierzu verhalten!

Der friedlichen Arbeit, dem ehrlichen Handel abhold, sind es namentlich
die Jav's und Wagwangwara an der Ostküste des Nyassa-Sees, die den
Menschenhandel mit Vorliebe betreiben und denen jedes Mittel recht
ist, wenn sie nur Sklaven erlangen und erwerben können. Schutz- und
rechtlos ist in diesen Ländern der Schwächere und der Willkür des
Stärkeren preisgegeben, so z. B. gelüstet es oft einem Häuptling auf
Menschenraub auszugehen, ein fremdes Dorf im nächtlichen Ueberfall
auszurauben oder sich der arglos auf den Feldern arbeitenden Bewohner
zu bemächtigen. Gelingt der Ueberfall oder Raub, werden die Gefangenen
schleunigst hinweggeführt, und ehe vielleicht Hilfe nahen könnte sind
sie aus dem Bereich ihrer Freunde. Wohl wissend, das die Ueberfallenen
zu schwach sind, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, lassen sich die
Räuber mitunter später auf Unterhandlungen ein und geben die Gefangenen
gegen ein entsprechendes Lösegeld, Ochsen oder Ziegen, wieder frei;
war es jedoch auf Sklaven abgesehen, weisen sie dieses zurück und dann
bleibt nichts anderes übrig als die gefangenen Männer durch Knaben
auszulösen. Die betroffenen Familien müssen zunächst einen der Ihrigen
zu veranlassen suchen für den Vater, Onkel etc. in die Sklaverei zu
gehen.

Gewöhnlich trifft das Loos solche, die eine Sklavin zur Mutter haben,
trotzdem sie ebenso gut Blutsverwandte der Geraubten sind, wie die
Kinder einer freien Frau, einer aber muß gehen und die bittere
Nothwendigkeit zwingt die unfreie Mutter ihr Kind zuerst wegzugeben.
Ist eine Familie aber nicht imstande solches Opfer zu bringen, findet
sich meistens doch jemand der für ein Stück Rind etc. einen Sklaven
hergiebt; unerläßlich jedoch wird solch Lösegeld, wenn es gilt einen
Häuptling oder sonst Angesehenen des Stammes wieder zu befreien.
Gewiß wird man in solcher Handlungsweise große Herzlosigkeit sehen
können, aber die Familienbande durch Polygamie, durch die überall
zu Recht bestehenden Sklaverei gelockert, werden solche Opfer nicht
allzuhoch veranschlagt und vorherrschend ist die Anschauung, daß es
besser ist große Opfer zu bringen, als sich der erwachsenen Männer
berauben zu lassen. Solche Räubereien, so häufig sie auch vorkommen,
geben den Ueberfallenen wenigstens Gelegenheit sich ihrer Haut zu
wehren und werden einzelne auch hinweggeführt leiden dadurch doch
nicht alle; andere Fälle aber sind ernster, und schlimm steht es
erst, wenn heimtückische Feinde vor der Ernte die Felder zerstören
oder verwüsten und die Bewohner eines Dorfes verhindern sich Nahrung
zu suchen; unerbittlich zieht dann der Hunger ein und überliefert
die Einwohner auf Gnade oder Ungnade ihren Feinden. Solches Treiben
mächtigerer Stämme bringt über ganze Distrikte häufig genug Noth und
Elend; schlimmer aber noch ist es, wenn eine allgemeine Hungersnoth
eintritt, dann wandern wankende Gestalten viele Meilen, um nach den
Masukafrüchten zu suchen, die neben oft giftigen Wurzeln und anderen
Pflanzen die einzige Nahrung bilden. Von solchem harten Loos werden
häufiger die Stämme an den Ufern des Nyassa-See's heimgesucht, weniger
die im Hochland wohnenden, und wenn dann die Noth am höchsten gestiegen
ist, kommen, um nur ein Beispiel anzuführen, die Yao's zur Küste mit
Waffen und geringem Vorrath und geben namentlich den hungernden Kindern
ein wenig zu essen, verlangen aber, wenn solches Almosen angenommen
wird, sofortige Bezahlung dafür und, da die Halbverhungerten absolut
nichts zu geben haben, führen sie solche mit sich in die Sklaverei.

Eine grausame Methode ist es, für ein Stückchen Cassava (Wurzel) oder
eine Hand voll Korn ohne Mitleid den Hungrigen die Freiheit zu nehmen,
aber zu solchem Zweck gerade ist der Yao gekommen und läßt sich die
günstige Gelegenheit, auf so billige Art Sklaven zu erhalten, darum
nicht entgehen. Bringt der herzlose Käufer größeren Vorrath, dann wird
oft, um nur für Tage den Hunger stillen zu können, ein Glied einer
Familie ihm für wenig Essen verkauft -- die Armen sagen sich, es ist
besser, daß einer geht, für den die bittere Noth ein Ende hat, denn daß
sie alle sterben -- wenigstens für kurze Zeit haben sie etwas besseres
als Gras, giftige Wurzeln und Wasserpflanzen zu essen! Freilich trifft
zuerst das harte Loos den Unfreien, aber auch der Freie wird in Zeiten
höchster Noth nicht geschont, und einem harten Geschick sind die
Verkauften verfallen, die vielleicht doch nicht die Ihrigen vor dem
Hungertode haben bewahren können. Allein wie allgemein auch der bittere
Zwang den Menschenhandel begünstigt und es den Anschein hat, als würden
die Bande des Bluts ohne viel Mitgefühl zerrissen, so kommt es doch
noch häufiger vor, daß viele lieber dulden und sterben, ehe sie ihre
Kinder verkaufen -- die Mutterliebe ist oft stärker als die bitterste
Noth -- und bietet der eigennützige Yao seinen verhängnißvollen
Bissen an, weigern sich trotzdem viele, solchen anzunehmen und
widerstehen der Versuchung; denn die Kinder retten, heißt sie auf
immer verlieren. -- Der Neger liebt die Scholle, auf der er geboren,
ob er sie willig oder unfreiwillig verlassen muß, sein ganzes Sinnen
bleibt doch für lange Zeit darauf gerichtet, wieder zu ihr zurückkehren
zu können und scheut dafür keine Noth noch Gefahr; lieber leidet und
hungert er mit den Seinen, theilt Freud und Leid mit den Gespielen, als
daß er auf lange Jahre sie verlassen sollte, auch wenn ihm die Aussicht
winkt, sein einziges Begehren erfüllt zu sehen, seinen Magen immer
füllen zu können.

Oft habe ich die Erfahrung gemacht, daß, wie häufig auch die
Eingeborenen sich erbieten mit einem Europäer zu gehen, sie dies nur
unter der Bedingung thaten, in nicht allzu langer Zeit wieder zu ihrem
Heimatsort zurückkehren zu dürfen und auf dem »H. v. Wißmann« war das
längste Engagement nur 3 Monate; wohl kamen die Leute wieder, sobald
sie ihren Verdienst aufgezehrt, oder sie Lust zur Arbeit hatten, indes
anhaltend zu arbeiten, dazu waren sie nicht zu bewegen. Ob sie auch
meilenweit über Berg und Hügel wandern mußten, nichts hielt diejenigen,
welche Urlaub bekamen, zurück, auf wenige Stunden nur bei den Ihrigen
weilen zu können.

Was die Liebe zum Heimathlande anbetrifft, die den Neger beseelt,
wird dieser als Freigegebener erst recht die Macht des weißen Mannes
schätzen lernen, wenn derselbe ihn zurückzusenden vermag von wo ihn ein
grausames Geschick hinweg geführt hatte, das aber sollte, wenn irgend
angängig, immer geschehen, denn dann, welchen Begriff von Dankbarkeit
der Neger auch immer haben mag, wird er sie dem weißen Manne entgegen
bringen. Abgesehen nun von der Art und Weise, wie die Stämme unter sich
mit Gewalt oder List sich in den Besitz von Sklaven zu setzen wissen,
wäre noch anzuführen, daß für jedes Verbrechen, welches irgend jemand
begeht, dessen ganze Familie haftbar gemacht wird; der Thäter selbst
geht straflos aus, sobald er einen Sklaven oder einen Verwandten als
Sühne stellen kann; oder auch, glaubt nur ein Glied einer Familie an
Hexerei -- übrigens ein weiter Begriff bei diesen Stämmen -- so haften
alle Angehörigen für dieses, und ebenfalls ein näherer Verwandter
muß in die Sklaverei wandern; solche Opfer aber, für die in diesen
beiden Fällen niemand ein Lösegeld zahlt, werden gelegentlich an
Sklavenhändler verkauft. Weit und breit im portugiesischen Gebiet leben
die Yao in zahlreichen, mächtigen Stämmen und haben sich mit Vorliebe
ihre ausgedehnten Dörfer an hohen Bergen angebaut, z. B. Unangu,
Mangoche, Mtonga, Lisali u. a. Ein Handelsvolk im gewissen Sinne, da
der Sklavenaustausch ihr Haupterwerb ist, lieben sie es, in Karawanen
zur Küste zu ziehen, sie sind vielfach mit den bekannten Wanjamwesi
verglichen worden, denen auch ein gewisser Wandertrieb inne wohnt. Den
Bedarf an Zeug und Pulver gewinnen sie einzig durch den Handel mit
Sklaven, auf welche Art aber sie sich solche beschaffen, habe ich zu
zeigen versucht.

Die Yao's, die von den Stämmen am Nyassa-See sehr gefürchtet werden,
haben den Namen »Angulu« erhalten, welcher so viel als Ostwind
bedeutet, denn so wie dieser die trockenen Blätter von den Höhen in
mächtigen Wirbeln niederführt, fegt er auch nach Ansicht derselben
die Yao's von dem Gebirge herab. Kühnheit und Intelligenz kann dem
Yao nicht abgesprochen werden, die angeborene Grausamkeit aber, um
welcher er gefürchtet ist, hebt seine guten Eigenschaften wieder auf;
viele bezeichnen ihn auch als verrätherisch und feige, doch so viele
ich kennen gelernt habe, waren sie letzteres nicht und namentlich
als unerschrockene Jäger sind sie muthig und besonnen. Mit Speer und
Pfeilen allein treten sie dem Löwen und Elephanten entgegen, wagen
sich so nahe an die gefährlichen Thiere heran, daß ihre Waffen zur
Geltung kommen müssen, und gewiß als furchtlos muß man den bezeichnen,
der es unternimmt, sich unter den Leib des mächtigen Vierfüßlers
zu schleichen, der die Stelle sucht, wo er gewandt und schnell den
breiten Speer in den Körper des Thieres zu stoßen vermag, das tödtlich
getroffen zusammenbricht.

Höchst verderblich auf den Charakter der Yao's einwirkend ist der
regsame Verkehr mit der Küstenbevölkerung, schnell haben sie sich dem
Einfluß gewissenloser Suaheli untergeordnet, die der Ansicht huldigen,
daß sie das Elitevolk aller Bantustämme sind, mithin nur verächtlich
über die im Innern wohnenden denken und solche auch, als tief unter
ihnen stehend, demgemäß behandeln. Die Untugenden der Küstenbevölkerung
sich aneignen zu können, rechnet sich der Yao zur Ehre an, und wunder
nimmt es daher nicht, wenn er zum Theil verrätherisch und hinterlistig
geworden ist. Die Berather der Häuptlinge sind die Suaheli und
Halbaraber, oft der Schrift kundig und äußerst verschlagen, haben
sie sich genugsam unentbehrlich zu machen gewußt; verleiteten zu
Menschenraub und Verwüstungen nur zu oft diejenigen, welche ihnen ein
willig Ohr geschenkt haben.

Trotzdem die Yao's sich beständig in den Haaren liegen und sich
gegenseitig in blutigen Fehden zu schwächen trachten, zu welchem der
geringste Vorfall Veranlassung geben kann, mehr aber auf den Neid der
Häuptlinge unter sich zurückzuführen ist, wächst doch ihre Macht und
Einfluß, und wären die drei mächtigsten Häuptlinge Kalanje, Makanjila,
Mponda, überhaupt alle, sich einig, sie könnten heute noch die Europäer
aus dem Lande jagen -- vor ihren ungezählten tausenden Kriegern müßte
das Häuflein weißer Männer weichen.

Gleicherweise sind die Yao auch für die Wangwangwara unliebenswürdige
Nachbarn, wiewohl letztere ihnen auch sicherlich nichts schuldig
bleiben und gegenseitiges Berauben der Felder und Dörfer zur Gewohnheit
geworden ist. Als Beispiel sei hier die charakteristische Ansicht
Häuptlings »Songea« angeführt, der einst zu Ehren seiner anwesenden
weißen Gäste Tanz, Singsang und Trinkgelage aufführen ließ und sich
diesen gegenüber in seiner ganzen zweifelhaften Würde zu zeigen
bemüht war. Seine um ihn in großer Zahl versammelten Krieger redete
er folgendermaßen an: ihr seht hier die weißen Männer, wenn es solche
nicht gäbe, hätten wir kein »Calico« (Zeug) und gäbe es kein Calico,
könnten die Yao-Karawanen solches nicht ins Land bringen, gäbe es
aber nun keine Karawanen, woher in aller Welt sollten wir dann Zeug
stehlen und uns bereichern? Somit ist es also klar, daß der weiße Mann
ermuthigt werden muß, in unser Land zu kommen, er muß respektirt und
geachtet werden und niemand soll ihn tödten, geschieht es dennoch,
werden wir kein Zeug mehr bekommen, auch die Quelle verschließen,
von woher der weiße Mann sich solches beschafft oder in seiner Weise
anderen wegnimmt.

Ermuntert durch den Beifall seiner Zuhörer fuhr Songea fort: Du siehst,
Mzungu (Europäer), meine Krieger, wenn sie Karawanen begegnen, flößen
namentlich den mit Zeug beladenen Trägern solche Furcht ein, daß die
einfältigen Yao ihre Lasten wegwerfen und eiligst fliehen, thun diese
aber so was Unvernünftiges, ist es doch erklärlich, daß meine Leute,
die nie etwas mögen umkommen lassen, die Lasten natürlich aufnehmen und
nun als ihr Eigenthum betrachten -- darin kann der weiße Mann doch auch
nichts Unrechtes finden, nicht wahr? -- und in der That findet solches
Beispiel nur zu willige Nachahmer.

Da der Aberglaube unter den Negerstämmen stark verbreitet ist,
meist religiöser Natur, so werden die Handlungen des Einzelnen wie
auch ganzer Stämme durch denselben beeinflußt, und unter vielen
Abweichungen sei ein Beispiel hier erwähnt und zwar, wie die Yao sich
verhalten, wenn sie beabsichtigen, kürzere oder längere Wanderungen
zu unternehmen. Jedes Unternehmen, welcher Art es auch sei, geschieht
gewöhnlich mit Zustimmung des Häuptlings und der Aeltesten eines
Stammes, und so ist es denn Gebrauch, sich über den glücklichen Ausgang
eines solchen Garantien zu verschaffen. Zu diesem Zwecke sendet der
Häuptling einen kleinen Korb mit Mehl zu dem Grabe seines Vorgängers,
der dort niedergelegt wird und daselbst für mehrere Tage verbleiben
muß. Wird nach dieser Zeit der Korb nun in derselben Verfassung
gefunden, so ist dieses ein gutes Omen und Vorbereitungen zur Reise
werden getroffen, hingegen ist das Mehl zerstreut und der Korb leer
gefunden worden, ist dieses ein schlechtes und der Aufbruch wird
verschoben. Es wird also nach dem Glauben des Ahnenkultus dem Geiste
des Verstorbenen die Entscheidung überlassen, um so zuversichtlicher,
als keiner es wagen würde, ein solches Grab zu berühren.

Die Ceremonien beim Begräbniß eines Häuptlings, der gewöhnlich in
seinem Viehkraal begraben wird, sind ebenfalls eigenartig. Von allen
Seiten strömen die Männer herbei und bezeugen durch lautes Lamentiren
ihre Trauer; im Kraal versammelt, schauen sie dem Aufwerfen des
Grabes zu, während dessen unaufhörlich das »+Baba bè! Baba bè!+«
erschallt. Ist alles beendet, wird der Verstorbene in Zeug gerollt und
aus seiner Hütte gebracht, dann ordnen sich vor dem Zuge dessen Weiber,
die mit großen Federbündeln geschmückt sind. Mit lautem Wehklagen
eröffnen sie die Prozession und krauchen auf Knieen und Händen dem
Zuge voran bis zum Grabe; hierauf weichen sie mit lautem Klagen bis
hinter die Linie der in weitem Umkreis dicht gedrängt sitzenden Männer
zurück. Sodann wird der Todte in sitzender Stellung, das Gesicht nach
Osten gewendet, in seinem Grabe postirt; ist dies beendet, ist es
für die Zuschauer, meistens Krieger, das Signal, mit wildem Geschrei
aufzuspringen, sich dicht um das Grab zu drängen und, ihre Schilde
über die Köpfe haltend, dem Todten durch lautes Klagen die letzte
Ehre zu erweisen. Dann kommen die Jüngeren an die Reihe, truppweise
zum Grabe tretend, bis alle ihrem verblichenen Häuptling den letzten
Tribut gezollt haben. Darauf werden zu dessen Füßen eine Masse Zeug,
vielleicht in Jahren aufgespart, Kochtöpfe, Trinkgefäße, Matten und
Pfeifen gelegt, und sind genug Liebesgaben gespendet, damit der tote
Häuptling nicht mit leeren Händen bei den Geistern seiner Vorfahren
zu erscheinen braucht, wird das Grab geschlossen. Die Sitte aber
erfordert, daß noch Tage lang um den Todten geklagt und lamentirt wird
und namentlich geberden sich dabei die Weiber, als hätte der Verlust
sie ihrer Sinne beraubt.

Eines von Interesse möge noch angeführt werden, und zwar das Verhalten
der Angoni in Fällen schwerer unbekannter Krankheit. Liegt jemand
ernstlich erkrankt darnieder, gehen die Verwandten zunächst zu einem
Wahrsager, »Itschanusi«, und suchen von diesem zu erforschen, welche
Art von Krankheit es sein möge, die einen der Ihrigen befallen hat.
Vor dessen Hütte angelangt, rufen sie den Wahrsager an mit »Yebobani«,
d. h. wir haben eine Angelegenheit für dich. Darauf ordnet der
Itschanusi seine Instrumente, bestehend aus Ziegenknochen, Theile eines
Elephantenhufes, Holzstücke und den Rinden verschiedener Fruchtarten.
Eine überall erhältliche Pflanze, genannt »Itschitùta Kazana«, reibt
er sodann in den Händen und zieht mit dem Munde deren Duft ein, was
zur Folge hat, daß er den Athem mit Geräusch gleich einem schwachen
Bellen ausstoßen muß. Hierauf wirft er die Instrumente mehrmals auf
den Erdboden, ruft nach Beendigung dieser Prozedur die Leute zu sich
in die Hütte und, da er nicht wissen kann, ob der Kranke ein Mann,
Weib oder Kind ist, verlegt er sich zunächst aufs Rathen. Trifft der
Wahrsager das Richtige, rufen alle laut »Siyavuma« -- du hast recht --
und knipsen mit dem Zeigefinger und Daumen, räth er hingegen falsch,
wird das Siyavuma nur leise gesagt und der Wahrsager weiß, daß er auf
falscher Fährte ist. Ist das Geschlecht des oder der Kranken auf diese
Weise schnell festgestellt, dann nennt er eine Anzahl Krankheiten,
unter denen eine wohl die richtige sein wird.

Zwar ebenso klug fast als vorher, befolgen doch die Rathsuchenden die
Weisung des Itschanusi, nämlich erst den »Amadhlozi«, den Geistern der
Vorfahren ein Opfer zu bringen und dann die Hilfe des Medizinmannes in
Anspruch zu nehmen. Sind sie zu ihrem Dorfe zurückgekehrt, wird also
eine Kuh, Ziege oder auch »Ulofioko«, d. i. Korn, woraus Bier bereitet
wird, den Amadhlozi geopfert -- Schafe werden den Geistern nicht
angeboten. Kommt der Medizinmann, ordnet dieser ebenfalls an, eine
Kuh, Ziege oder Huhn zu schlachten; ist eines dieser Thiere gewählt,
wird das Fleisch zerschnitten und in einen Topf mit der mitgebrachten
Medizin gethan, der Inhalt der Gedärme oder des Magens, »Umswani«
genannt, wird hinzugefügt und dann die unappetitliche Mischung gekocht
und dem Kranken zum Essen vorgesetzt. Hilft diese Mischung dem Kranken,
zahlt er später dem Doktor für dessen Mixtur eine Kuh oder Ziege,
auch der weise Rathgeber, der »Itschanusi«, geht nicht leer aus. Eine
Art Krankheit, eigentlich Nervosität, begleitet von Schlaflosigkeit,
»Amalombo« genannt, wird folgendermaßen kurirt: eine stark
pfeffermünzhaltige Pflanze wird in einem Gefäß mit Wasser gekocht,
dann legt man die Kranke (meistens Frauen werden davon befallen)
nieder, stellt neben ihr das Gefäß und deckt beide dicht zu, so daß
der heiße Dampf den Körper erwärmen muß. Der Medizinmann, der solches
Mittel angeordnet hat, schlägt nun seine Ngoma (Trommel), nach der die
Angehörigen oft vom Sonnenuntergang bis zum nächsten Morgen tanzen
und singen. Das Resultat ist, daß meistens die Kranke nach solcher
Schwitzkur schließlich aufspringt und an der eigenartigen Lustbarkeit
theilnimmt. Darauf bereitet man die wie oben schon erwähnte Medizin
und die Krankheit gilt als gehoben. Somit käme hier eine Methode in
Anwendung, die in letzter Zeit auch in Europa versucht worden ist, daß
nämlich Musik Kranken die Schmerzen lindern und sie auch beruhigen kann.

       *       *       *       *       *

Eingehend, und soweit es zum vollen Verständniß des nun Folgenden
dienen kann, habe ich mich bemüht, ein anschauliches Bild von der
Beschaffenheit des Nyassa-Sees, den Küsten, Gebirgen und Inseln zu
geben. Mit Hilfe der von mir möglichst genau angefertigten Karte,
vornehmlich der nördlichen Hälfte des Sees, wird es leicht sein, genau
zu verfolgen, was ich im besonderen über die vermuthliche Entstehung
dieses gewaltigen Sees anführen werde. Vielleicht werden die Ansichten
gelehrter Geologen weit von einer Theorie abweichen, die nur auf
Vermuthungen beruht, jede andere hat jedoch denselben Anspruch, als
die muthmaßlich richtige zu gelten. Aber ein Gebiet, das vor wenig
Jahrzehnten noch ein terra incognita war, über das wenige Forscher
nur unter Mühen und Gefahren gesammelte Auskunft geben konnten, kann
so lange in wissenschaftlicher Hinsicht als unbekannt gelten, so
lange es nicht, wie hier der Fall, wissenschaftlich erschlossen ist.
Zweifelhaft und unzuverlässig waren die Ueberlieferungen der alten
Egypter, erst die Forschungen der Jetztzeit bestätigen die bezweifelte
Sage von der Existenz gewaltiger Gebirgsmassen im Herzen Afrikas,
auch das sagenhafte Mondgebirge wurde dadurch aufgeklärt, wohl haben
kühne Handelsleute schon vor Jahrtausenden die mächtigen über die
Wolken hinaus ragenden Höhen gesehen, aber Kunde von dem ausgedehnten
ungeheuren Seeengebiet, eingebettet in das felsige Hochgebirge, wie auf
der Erde nicht annähernd ein gleiches, brachten sie nicht.

Wer diese Gewässer geschaut im Sonnenglanz ein Silbermeer, in stiller
friedevoller Nacht, wenn vom Firmament das Sternenheer in hehrster
Pracht herniederleuchtet, eine Wunderwelt, deren Glanz erhöht wird
durch die in der Ferne auf den Bergen sich gleich glühenden Schlangen
hinwälzenden Feuer, und weiter zurück in tiefblauer Färbung die
Gebirge gleich schlafenden Riesenmassen liegen sieht, die wie ein
Wall in unabsehbarer Ferne diese zu Zeiten spiegelglatten Fluten
umschließen, fühlt sich versucht, in die Geheimnisse der Natur,
die hier Werke von gewaltigen Formen geschaffen hat, einzudringen.
»+Nyanya Ya Nyenyesi+« See der Sterne haben mit stolzen Worten die
Eingeborenen den Nyassa-See genannt; keine Ueberlieferung aber giebt
Aufschluß, woher diese Benennung stammt, nur unter den vielen Fabeln,
welche meistens den Eingeborenen als Einleitung zu ihren Gesängen
dienen, deutet eine auf die mythische Entstehung des Nyassa-Sees hin
-- so dunkel und unklar aber, daß solche einfach als eine schwache
Vorstellung, wie sich die Eingeborenen die Entstehung dieses Sees
gedacht, aufgefaßt werden muß -- ihnen sowohl wie uns bis zur Stunde
ein ungelöstes Räthsel! --

Vor langer, langer Zeit, so erzählt die Sage, war der See nur ein
schmales Gewässer, zu diesem kam aus dem fernen Westen ein Mann mit
silbernem Scepter und wählte sich aus der Bevölkerung am See ein Weib,
das er beredete ihm nach seiner entlegenen Heimat zu folgen; es sagte
auch zu und auch ihr Bruder war bereit seine Schwester zu begleiten --
dies aber wollte sein Schwager nicht dulden und verwehrte es ihm --
darauf nun, als er seine Schwester wegziehen sah über den See, weinte
er bitterlich, wurde dann aber sehr ungehalten und schlug mit seinem
Stock das Wasser, bis dieses anschwoll und die Fluthen alles bedeckten;
dafür nun mußten die Geschwister sterben, konnten auch nicht im Tode
vereint bleiben, da die Fluthen den Körper des Weibes zum fernen
Norden, den ihres Bruders nach Süden hin trieben.

Es ist nutzlos, hieraus irgend etwas muthmaßen zu wollen, da wir mit
Bestimmtheit annehmen müssen, daß die Entstehung des Nyassa-Sees,
wie überhaupt des ganzen ungeheuren Seeengebietes, in prähistorische
Zeit zu verlegen ist. Die Ansicht, die langgestreckten Thäler im
Hochlande des zentralen Afrikas seien Erdsenkungen, entstanden durch
zusammenstürzen gewaltiger Bergmassen, hat wohl die Wahrscheinlichkeit
für sich; jedenfalls aber müssen zwischen den ungeheuren kompakten
Gebirgsmassen, große ausgedehnte Ruinen vorhanden gewesen sein, die,
wie ich nachzuweisen versuchen will, durch eine verheerende Gewalt
erweitert und vertieft worden sind, ehe sie mit Wasser angefüllt, die
heutigen Seeenbecken darstellen konnten. Denn ragen auch unberührt wie
es scheint, die Bergspitzen der Gebirgsmassen in ihrer ursprünglichen
Gestalt hoch in die Lüfte, muß man doch, da die Felswände steil und
senkrecht noch unter Wasser abfallen, nach einer weiteren Erklärung für
die Vertiefung suchen.

Ein Beobachter darf nicht auf beschränktem Gebiet nach Anhaltepunkten
suchen für eine Idee oder Theorie, wenn wie hier ein ungeheures Gebiet
in Frage kommt, auf welchem sich Vorgänge abgespielt haben, die nur
mit weitem Blick, sozusagen aus der Vogelperspektive, ganz erfaßt
und beurteilt werden können, sondern muß sich vergegenwärtigen, was
in Jahrhunderttausenden geschehen und sich verändert haben kann, mit
Berücksichtigung der unabänderlichen Naturgesetze, die im Kleinen wie
im Großen schaffen und zerstören. Die Auffassung des Geologen Sir
Roderick Murchisons über Afrika möge hier, soweit sie Anwendung findet
auf das, was ich angeführt habe, Platz finden: Darnach ist Afrika unser
ältester Kontinent, der nie wieder, wie alle übrigen, seit seiner
Geburt aus dem Flammenmeer unseres Globus durch Wasser getauft und
verjüngt worden ist, also nichts von dem Reichthum, den die anderen
Kontinente von den Ozeanen empfangen haben, ist ihm zu theil geworden.
Es ist das ärmste Land geblieben, weil es seit der Eisperiode nie
wieder unter Wasser gesetzt war. Es steht bis zum heutigen Tage, ein
Produkt plutonischer Hitze und eisiger Kälte, ein unvollendetes Werk
der Natur, tot, während andere Kontinente ihre Jugend erneut haben.

Abgesehen nun von den massiven starren Felsenmassen, die, wo immer
sie zum See herantreten, gleich granitenen Mauern sich aus diesem
erheben, zeigen doch viele Strecken, wo solche durchbrochen sind, ein
Chaos übereinander getürmter Granitmassen, oder vereinzelte Bergkegel
isolirt stehend, lassen vermuthen, daß sie ursprünglich zu einer
zusammenhängenden Kette gehört und zu fest gebaut, einer verheerenden
Gewalt widerstanden haben. Gebirgszüge, wie die tiefen Einschnitte als
Denp-, Amelia-, Mbampa-Bai etc. zeigen, sind einfach von ihrer Basis
weggefegt worden, Ueberreste nur, Rocks und einsame Bergkegel als
Zeugen einer vorgeschichtlichen Zeit sind übriggeblieben.

Vergegenwärtigen muß man sich, um die Möglichkeit solcher Vorgänge zu
verstehen, daß unser Erdball verschiedene Stadien durchgemacht hat,
große Verschiebungen stattgefunden haben, sogar mächtige Kontinente
in die Tiefe der Ozeane versunken, andere gehoben sind, auch was die
Wissenschaft erwiesen, die Kälte- und Wärmezonen ganz anders auf der
Erdoberfläche vertheilt gewesen sind als heute und hierauf fußend,
muß das Hochgebirge Zentral-Afrikas in einer Ausdehnung Nord und Süd
von über tausend englischen Meilen mit einer starren Eisdecke bedeckt
gewesen sein. Dieses Hochland, in seiner großen Ausdehnung heute der
Ursprung aller bedeutenden Ströme und Flüsse Afrikas, war also ein
einziges Eisfeld von dem, Strömen gleich, in gewaltiger Breite die
Gletscher nach verschiedenen Richtungen ausgingen und den vorrückenden
Eismassen widerstanden selbst die soliden Felsmassen nicht. Der
Hauptstrom, von Nordwesten her in südlicher Richtung vordrängend, kam
von dem Hochland zwischen Tanganjika- und Nyassa-See herunter; alles
vor sich her zermalmend, brach sich seine Gewalt an den Granitfelsen
des Livingstone-Gebirges. Wie anzunehmen, ragten über das ungeheure
Eisfeld, das sich langsam aber mit unwiderstehlicher Gewalt südwärts
zwischen die Gebirgsmassen fortschob, die Vulkane Rungwe und Kieyo hoch
empor, während das heutige erstorbene Kratergebiet auf 4000 Fuß Höhe,
nur von kleineren Eismassen durchzogen wurde und erst in einer späteren
Zeitperiode nach jahrtausendlanger Thätigkeit vielleicht, die heutige
Form hinterließ.

Diesem großen von Nord bis Westen, also die Konde-Ebene bis Cap
Mschwere ausfüllenden Eisstrom widerstand, wie erwähnt, die ganze
Gebirgsstrecke im Osten bis Amelia-Bai und welch ein tiefes Bett hier
die Eismassen gegraben haben erhellt daraus, daß längs dem ganzen
Livingstone-Gebirge die Tiefe des Sees noch über tausend Fuß betragen
muß, da ich nach dem Ergebniß, welches meine Tieflothungen ergaben,
solche Tiefe voraussetzen kann. Von Osten haben nur vereinzelte
Gletscher die Felsenwand durchbrochen, der breiteste wäre, welcher
sich in die Kayser-Bucht »Bopinga« ergossen, sonst erwähnenswerth sind
nur einzelne tiefe Schluchten, das Rambira-Thal und andere.

Zwischen Cap Mschwere und Cap Bango, der schmalsten Stelle des
Sees, mußten sich die Eismassen aufstauen; zwei andere Ströme,
einer von Westen aus der Deep-Bai, der andere von Osten aus der
Amelia-Bai, verhinderten die freie Bewegung, und hier zuerst, vor
der Pankanga-Bucht, sind am Rande der Gletscher mächtige Felsblöcke
abgewälzt worden, sogar die Begegnung des westlichen Stromes mit dem
südwärts dringenden Hauptstrom hat Massen auf Massen getürmt und die
starren Granitmassen der Pankanga-Hügel, der Insel Mtwele und der
vielen hier zerstreut liegenden Rocks, von der Zeit und den Fluthen
allmählich zerstört, sind dadurch gebildet worden. Selbst Mont Waller,
der eigenthümlich geformte Bergkegel, muß auf diese Weise entstanden
sein. Felsenmassen und Moraine auf den Rücken dieses Gletschers
liegend, von weit her mitgeführt, konnten seitwärts abgelagert werden,
zumal ein Eisstrom sich nicht in seiner ganzen Ausdehnung vorwärts
schiebt, sondern den Schwerpunkt gewöhnlich in seiner Mitte hat, also
die Ränder desselben auf lange Zeit vielleicht bewegungslos liegen
bleiben. Auch der isolirte Bergrücken, hart am Rande der Amelia-Bai,
besteht zum Theil aus aufeinandergetürmten Felsblöcken; unzweifelhaft
hat sich an der zu fest fundirten Granitmasse der im Verhältniß nur
kleine Eisstrom getheilt, den Bergrücken nur abgerundet und mitgeführte
Felsentrümmer auf diesem abgelagert und zurückgelassen.

Betrachtet man aufmerksam die Karte des Nyassa-Sees, ist das auffällig,
daß, wo immer die Ufer des Sees von mächtigen Granitmassen gebildet
sind, fast genau dieselbe Strecke am gegenüberliegenden Ufer Flachland
oder niedrige Hügel bilden, also die Gebirgszüge auf 15-20 Kilometer
zurücktreten. Um nur einige Punkte zu bezeichnen: es befindet sich z.
B. an der Westküste von Cap Nikuru bis Chirambo eine zusammenhängende
Felsenwand, die nur in der Benzantze-Bai und in der Uziza-Bai von
Gletscher durchbrochen wurde, ungefähr 60 Seemeilen lang von 10° 40´
bis 11° 39´ S. Br. Dieselbe Strecke an der Ostküste von Cap Bango bis
zur etwas südlich von der deutsch-portugiesischen Grenze wieder zum
See herantretenden Gebirgskette besteht mit Ausnahme des 12. Hafenkaps
und des isolirten Mbampa-Berges aus flachem Vorland, wiewohl, wie ich
früher erwähnt, auch hier eine gleich enorme Wassertiefe gefunden
wird. Durchbrochener freilich zieht sich, namentlich von Cap Mala bis
Cap Malambe, eine kompackte Felsenmasse längs dem See, während die
Westküste von Cap Chirambo bis zum Cap Rifu, außer den Makusa-Hügeln
(Bandawe) den Sani-Hügeln, südlich von Kota-Kota, flach ist. Der links
von Cap Maclair bis nahe zum Schirefluß tiefe Busen hat dagegen
westlich wieder Felsen und östlich dem Gebirszuge vorgelagertes
Flachland.

Die Frage nun, wie so weite flachere Strecken an beiden Seiten des Sees
gebildet wurden, da doch angenommen werden kann, daß zusammenhängende
Felsenketten von Nord bis Süd vorhanden gewesen sind, muß damit
beantwortet werden, daß der breite Eisstrom, wo er an der einen Seite
Widerstand gefunden, an der anderen weniger solide Massen fortriß und
dadurch den seitwärts auf beiden Seiten vom Hochland herab andrängenden
gewaltigen Gletschermassen den Weg frei machte. Wo immer aber die
Eismasse durch den gewaltigen Gegendruck zum Stillstand kamen, häuften
sie mitgeführte Felsentrümmer über einander, wovon die klarsten
Beweise die öden Felsenkonglomerate an der Ostküste geben, als die
Insel Neu-Helgoland, Prager, Lundo-Inseln und die Küste bis Mbampa-Bai
einsäumenden Felsentrümmer. Vor der gegenüberliegenden Uziza-Bai findet
man das gleiche, wenn auch nicht in so ausgedehntem Maße, wo ebenfalls
Rocks und Inseln zurückgeblieben sind. Die solide Granitmasse des
Mbampa-Berges, umsäet mit Felstrümmern, die sogar bis auf 5 Seemeilen
vom Lande ab liegen, konnte, da der die heutige tiefe Bai gebildete
Gletscherstrom zu schwach war, sie zu erschüttern, auch dem Druck
des Hauptstroms widerstehen und ganz dasselbe ist an der Westküste
wiederum mit den soliden Makusa-Hügeln der Fall gewesen. Die großen
Inseln Likoma und Kissimulu: wie ich in der Beschreibung erwähnt, ein
Conglomerat von Felsen und Hügeln, öde und arm, hat auch hier der
von ostwärts herandrängende Gletscherstrom zu der Anhäufung dieser
kolossalen Felsmassen beigetragen, wenigstens, da hierzu die granitene
Unterlage vorhanden war, konnte auf dieser die mächtigen Felsblöcke mit
Steingeröll und Moraine abgelagert werden; auch hier ragen mächtige
Felsblöcke aus großer Tiefe auf.

Des weiteren sind der Sani-Berg, Cap Rifu, vor allem die eigenthümlich
gestalteten Bentje-Inseln zu erwähnen, ihre Entstehung und Isolirung
sind aus denselben Ursachen hervorgegangen. Das Trümmerfeld von
Kota-Kota sowohl, wie auch das in der Leopard-Bai zeugt davon, welche
Gesteinmassen die Gletscher mit sich geführt haben, und dennoch sind
alle erwähnten nur ein kleiner Bruchtheil von denen die der Hauptstrom
auf seinem Rücken fortgeführt hat. Ein größeres Hinderniß fand der
Eisstrom erst am heutigen Cap Maklair; ohne Frage waren es hier
die massiven Felswände, die eine gewaltige Anstauung der Eismassen
verursachten und schließlich zu einer Schpaltung führten, die die
Bildung der beiden tiefen Einschnitte zur Folge hatte.

Natürlich ist es, daß die Spaltung des mächtigen Eisstromes nun eine
größere Ablagerung zur Folge hatte, Felsentrümmer und Morainen in
Massen, vielleicht schon vom fernen Norden mitgeführt, häuften sich
an, wodurch Inseln, Berg und Hügelketten am Rande des Eisstromes
gebildet wurden, die zum Theil die ganze Oberfläche der Halbinsel
bedeckten. Der östliche Strom wälzte sich nun längs der hohen
Gebirgswand in südöstlicher Richtung fort, Berg und Felsenketten auf
seinem Wege durchbrechend, bis in dem heutigen Schirwadistrikt seine
Macht durch mehrfache Spaltungen gebrochen war, die einzelnen Arme aber
zermalmte Felsentheile und Moraine aufstapelten. Vorausgesetzt ist,
daß das heutige Zambesi-Schire-Gebiet in jener Zeitperiode ein tief
einschneidender, vielleicht noch weit über den Moramballa-Höhenzug
hinausreichender, wenn auch flacher Bestandtheil des indischen Ozeans
gewesen ist, in welchem die Eismassen als Eisberge abflutheten.

Der westliche Strom hingegen drang südwärts vor, längs dem heutigen
Kirks-Höhenzuge, dessen Verbindung zwischen Cap Maklair und Cap Rifu
schon vom Hauptstrom zermalmt wurde, ehe es zur Spaltung desselben
gekommen war. Kaum 10 engl. Meilen südlicher durchbrach er dann die
Felsenkette, um den heutigen Malombwe-See gelegen und wälzte sich zum
jetzigen Schire-Hochland fort. Eine Spaltung dieses Armes muß hier
wiederum stattgefunden haben, da der östliche Strom sich im heutigen
Michiru-Thal aufwärts schob -- thatsächlich aufwärts, als man erstens
die Mächtigkeit des Gletscherstromes in Betracht ziehen und zweitens
sich vergegenwärtigen muß, daß vom Nyassa-Hochland bis hierher ein
starkes Gefälle die Gewalt des Eisstromes begünstigte -- und bei
Blantyr den Durandi-Höhenzug durchbrach. Der andere, der sich über und
neben die Murchison-Fälle (den Katarakten) fortwälzte, spaltete sich
in viele Arme und füllte, zum Stillstand gekommen, durch die Erd- und
Steinmassen das heutige Schire- und Zambesithal aus.

Die heutige Fruchtbarkeit des Schire-Hochlands, die mächtigen Thonlager
um Blantyr, abgelagert in tiefen Schichten, daneben gewaltige
Bergriesen aufgebaut aus granitenem Gestein, sind alles nur Ergebnisse
jenes Gletscherstromes, dessen Gewalt gebrochen, hier Moraine in Massen
aufhäufte.

Es ist ein kühnes Facit, zu dem man gelangt, auch nur möglich, wenn
die heutige Gestaltung dieses weiten Gebietes als Folge einer viele
Jahrtausende währenden Eisperiode zugeschrieben wird; ob darnach auch
ein langsames oder plötzliches Schmelzen der Eismassen stattgefunden,
jedenfalls hat die Kraft fließender Wasser das Werk vollendet, deren
Gewalt um so größer sein mußte, als vom heutigen indischen Ozean bis
zum Nyassa-Hochland das weite Terrain terrassenförmig ansteigt. Diese
Wasserkraft hat denn auch im Laufe der Zeiten sehr viel verwischt,
nicht nur, daß unablässig Material herabgespült wird, tiefe Furchen im
harten Gestein gegraben worden sind, mußte zur Zeit, als die Eismassen
verschwanden, die Kraft der fließenden Wasser eine ungeheure gewesen
sein, die überall in Massen angehäufte Moraine weggeführt und an
geeigneten Stellen abgelagert haben.

Ehe nach der Eisperiode Zeit und Wasser dieses alles vollbracht,
ehe die heutige, muthmaßlich schon vor Jahrtausenden geschaffene
Lage der Ländermassen beendet, waren die Grenzen des Nyassa-Sees in
grauer Vorzeit ganz andere; weit ausgedehnt bis zu den im Norden und
theilweise im Osten und Westen zurücktretenden Gebirgszügen bespülten
die Fluthen fast ein Drittel an Flächenraum mehr als heute, namentlich,
wenn man sich den im Verhältniß kleinen Malombwe-See mit dem Nyassa
verbunden gewesen denkt. Der Malombwe-See, einst ein tiefes Becken, ist
heute nahezu ausgefüllt. Mit wenig Mühe findet man die verschiedenen
Stadien heraus, in denen sich der Nyassa-See befunden hat, da zu
verschiedenen Zeiten die wellenförmigen Ablagerungen ganz bedeutende
gewesen sind. Selbst der Abfluß dieses Sees, der Schirefluß, lag früher
weiter östlich, dicht unter den hohen Bergen, Niederungen und Sümpfe
lassen sein altes Bett heute noch erkennen.

Es bleibt späterer eingehender Forschung überlassen, diese Theorie, die
wie jede andere noch gleiche Berechtigung hat, anzuerkennen oder zu
verwerfen, wenigstens habe ich, aufmerksam gemacht, die mir gebotene
Gelegenheit benutzt und mit prüfendem Blick, wie es niemand vorher
sich hat angelegen sein lassen, nach Beweisen für diese gesucht. Wohl
kann es gleichgültig sein und wird dem Laien wenig interessiren, wie
dieses mächtige Seeengebiet entstanden ist, doch sieht man selbst
die Werke der Natur, hat sich das Verständniß dafür durch weite
Wanderungen geschärft, hat man das Walten schaffender Kräfte gesehen
und beobachtet, werden überall auf der Erde tiefernste Fragen an einem
herantreten, und man fühlt sich versucht zu forschen und nach einer
Lösung zu suchen. Entschieden würde eine genaue Untersuchung der
Tiefenverhältnisse des Nyassa-Sees, die heute noch gänzlich unbekannt
sind, so daß ein vollständiges Bild, sich daraus ergäbe, welches die
Beschaffenheit des Beckens klar erkennen läßt, dahin führen, der
Wahrheit, zum mindesten der Wahrscheinlichkeit näher zu kommen, auch
die Erforschung des tiefen Tanganjika-Beckens, über 100 deutsche Meilen
lang, müßte ungemein zur Entstehungsursache des weiten Seeengebietes
beitragen; meine zeitweilig auf dem Nyassa vorgenommenen Lothungen, da
ich, wo es drauf ankam, keinen Grund gefunden, geben keinen Anhalt.

Die früher schon angeführten, in Stein gegrabenen Zeichen, die ich auf
Neu-Helgoland, in Monkey-Bai und an anderen Orten beobachtet hatte,
nach denen der See 12-15 Fuß höher gewesen ist, ja selbst nach Aussage
alter Eingeborener soll derselbe noch in diesem Jahrhundert mehrere
Fuß gefallen sein, lassen kein zweifeln und deuteln zu, wie mit einem
Lineal so scharf sind sie abgegrenzt; die verschiedenen Linien aber
lassen auf ein ganz unregelmäßiges Zurücktreten des Sees schließen.

Sind nun diese Zeichen Jahrtausende alt oder nicht, das wäre die
nächste Frage, dann aber mußten an steilen Felswänden, wo die Fluten
des Sees ungehindert anprallen, tiefe Auswaschungen im Gestein zu
finden sein, was in der Höhe von 12 Fuß und darüber nicht der Fall
ist, die ich gefunden, liegen 4-5 Fuß über dem heutigen Niveau des
Sees. Und wäre dem so, daß der See solche Höhe gehabt hat, kann dieses
nur vor sehr langer Zeit gewesen sein, denn dann müßten die schon
benannten Ebenen, als Konde, Rambira, bei Amelia und im Süden alle
unter Wasser gestanden haben, was freilich auch einst der Fall war, da
diese erst durch Anschwemmungen entstanden sind; dann aber müßte ein
solch gewaltiger Zeitraum die Zeichen, nach meiner Schätzung höchstens
Jahrhunderte alt, auf diesen Granitblöcken verwischt haben.

So bleibt nur die eine Annahme übrig, daß hier, wie auf vielen Orten
unserer Erde, geheime Naturkräfte, und zwar erst in neuerer Zeit,
die Ländermassen periodisch gehoben haben, die es auch bewirkten,
daß, wie wir es von den ersten Forschern wissen, der Schire- und der
Zambesi-Fluß, die ein bedeutend tieferes Bett gehabt haben, heute flach
und zu Zeiten unpassirbar sind.

Eine eigenthümliche Erscheinung auf dem See, meistens in der nördlichen
Hälfte, sind die Kungu-Fliegen; zu Milliarden vereinigt erscheinen
sie wie Rauchwolken, die vom Winde bis zu den Wolken säulenartig
emporgewirbelt werden und aus der Ferne gesehen wie Wasserhosen
aussehen. Oft zählte ich, soweit das Auge reichte, bis dreißig dieser
Schwärme und ging später, da ich aus Neugierde unliebsame Bekanntschaft
mit diesen Thierchen gemacht hatte, diesen wohlweislich aus dem Wege.

Als ich solche Erscheinung zum ersten Male sah, steuerte ich direkt
in solche Wolke hinein, aber nur bis in die äußere Peripherie
dieser wirbelnden Masse gekommen, war es unmöglich, noch die Augen
aufzuhalten, selbst die Haut wurde wie mit Nadeln gespickt; im Moment
war das ganze Schiff mit lebenden und todten Fliegen bedeckt, die der
Wind zu kleinen Haufen zusammenfegte.

Wahrscheinlich auf dem Wasser erzeugt, enden sie auch wieder darauf,
so daß, wenn solche Masse in sich zusammengefallen ist, weite
Wasserstrecken vollständig mit todten Fliegen bedeckt sind; fegt der
Wind eine Wolke aber auf das Land, dann verschwinden Baum und Strauch
für einige Zeit, Schluchten und Einschnitte sind wie mit einer braunen
Dunstmasse ausgefüllt, so dicht ist die Masse der Fliegen. An bewohnten
Orten klatschen bei solcher Gelegenheit die Eingebornen die Fliegen
mit den Händen zusammen und zu Kügelchen geformt, werden dieselben
gegessen.

Nicht minder unangenehm ist eine Art Eintagsfliege, etwa 1 Centimeter
lang, die während der Abendstunden unter Land dem Lichte zueilen und zu
Tausenden verbrannt niederfallen; nichts konnte vor denselben geschützt
werden und mit manchem Löffel Suppe wurde solches Thierchen als Zugabe
verzehrt. War der elektrische Scheinwerfer des »H. v. Wißmann« in
Thätigkeit, dann wirbelte es in dessen grellem Schein von unbekannten
Nachtschwärmern, und wäre es möglich gewesen, solche zu fangen, manch
seltenes Exemplar würde gefunden worden sein.

Zu bestimmten Monaten nur, und, wie ich beobachtet habe, während der
Regenzeit, treten diese Fliegenschwärme auf, ebenso erscheint das sonst
tiefblaue Wasser des Sees für einige Zeit schmutziggelb, es blüht,
würde man sagen können, ob dieses aber hier zutrifft, ist eine offene
Frage, wiewohl nicht unwahrscheinlich, als selbst tiefe stillstehende
Gewässer häufig solche Erscheinung aufweisen.

Gefährlich für ein Schiff werden auch die vom wirbelnden Winde
erzeugten Wasserhosen. Der Wasserdampf, bis zu den Wolken geführt,
bildet nach der Entwicklung einen ungeheuren Trichter, in welchem
das Wasser spiralförmig in die Höhe gezogen wird, die auf- und
niedersteigenden, man kann sagen fallenden Massen, erzeugen auf dem
Wasserspiegel im weiten Umkreis eine schäumende, zischende Brandung
und erst wenn die Wolke schwarz und genügend mit Wasserstoff gesättigt
ist, stürzt der Trichter in sich zusammen. Ratsam ist es nicht, sich in
die Nähe einer Wasserhose zu wagen, mit großer Geschwindigkeit vor dem
Winde eilend, können sie mitunter einem Schiffe, das nicht zu fliehen
vermag, höchst gefährlich werden.




                              21. Schluß.


Mit der Uebergabe des »H. v. Wißmann« an das Reich hörten die bisher
ununterbrochenen Fahrten auf, das Schiff der Station Langenburg zur
Verfügung gestellt, wurden nun regelmäßige Touren eingerichtet und
als Postschiff verließ der Dampfer an bestimmten Tagen sowohl die
Station im Norden, als auch Fort Johnston im Süden; Passagier- und
Güterbeförderung wurden ebenfalls nach einem bestimmten Tarif geregelt.
Alle Stationen am See erhielten die Hauptpost durch den deutschen
Dampfer und lief derselbe deshalb sämmtliche von Europäern bewohnte
Orte an, als Karonga, Bandawe, Likoma und später noch das im Gebiete
Makangilas neuerrichtete Fort Maguire.

Im Oktober 1893 schon, nachdem die englischen Kanonenboote in Kota-Kota
den dortigen Aufstand gegen Jumbe gebrochen, wurden nach Eintreffen
der erwarteten indischen Soldaten, 100 Sikhs, in Fort Johnston große
Vorbereitungen getroffen, allen Ernstes nun mit dem unbotmäßigen
Yao-Häuptling Makangila abzurechnen; der früher schon mit der »Domira«
unternommene aber zurückgeschlagene Angriff auf Pandumba bei Losefa,
wobei Kapitän Maguire gefallen war, sollte nun erneuert werden, auch
ebenfalls mit dem zwischen Kuturu und Losefa bestehenden Sklavenhandel
energisch aufgeräumt werden. Die gesammte Streitmacht der Engländer,
die Truppen unter Major Edwards, die Schiffe, wozu die »Domira« und die
kleine »Ilala« herangezogen wurden, unter Befehl vom Kapt. Robertson,
wurde dirigirt durch den Kommissar Mister Johnston und in Monkey-Bai
zusammengezogen. Unvermuthet sollte der Feind überrascht und geschlagen
werden.

Wohl unterrichtet von der Annäherung einer Sklaven-Karavane, die von
Kuturu nach Losefa über den See setzen wollte, führten die Engländer
ein Manöver aus, wodurch die vorsichtigen Araber vollständig getäuscht
wurden, und zwar passirten die Kanonenboote nordwärts steuernd Kap
Rifu, um, aus Sicht gelaufen, in der Dunkelheit unter den Bentje-Inseln
zu ankern. In der Meinung die Luft sei rein, beschleunigten die Araber
ihre Abreise mit zwei Dhaus, um möglichst weit im Dunkel der Nacht
zu kommen; allein in frühester Morgenstunde, ihre Fahrzeuge hatten
noch nicht Kap Rifu passirt, tauchten unvermuthet die Schiffe auf
und schnitten ihnen den Rückzug ab, so daß sie, auch von Leopard-Bai
umgangen, eine Zuflucht auf dem Berg Rifu suchen mußten; nach
zweitägigem Widerstande, abgeschnitten von jeder Hilfe, ergab sich mit
seinem reichen Elfenbeinvorrath und seinen Sklaven denn auch der Führer
der Karawane.

Was ich früher schon angeführt, bestätigte sich hier wiederum, die
Sklaven, von den Arabern eingeschüchtert, bezeugten alle, daß sie nur
freiwillig mit ihren Herren zur Küste zögen, sie seien keine geraubte
Sklaven und die Araber nur Elfenbeinhändler. Furcht vor grausamer
Strafe, die der Sklavenhändler über die Wehrlosen verhängt, wenn er
geschädigt wird, schließt diesen den Mund. Sklaven, die noch nie einen
Europäer gesehen und dessen Macht nicht kennen, verrathen ihren Herrn
selbst dann nicht, wenn sie erkennen müssen, daß deren Einfluß über sie
gebrochen worden sei, sie wählen lieber die Sklaverei als die Freiheit,
denn wer schützt sie vor der weitreichenden Rache der Sklavenjäger;
recht- und schutzlos in diesem Lande, wenn der Europäer sie wieder
ziehen läßt, nimmt ein anderer ihnen wieder die Freiheit und ihr
Schicksal wird nur ein um so traurigeres.

So weit ich unterrichtet bin, mußten aus diesem Grunde die Engländer
die gefangenen Araber mit ihrem Elfenbein ruhig ziehen lassen, da
diesen nicht nachgewiesen werden konnte, daß ihre Träger geraubte
Sklaven waren, nur die beiden Dhaus, Makangila gehörend, wurden
konfiszirt. Die Zahl der Angreifer auf Pandumba zu verstärken, war auch
Jumbe verpflichtet worden, mit hunderten seiner Krieger sich am Kampfe
gegen Makangila zu betheiligen. Plötzlich und überraschend geschah
der Angriff auf Pandumba und Losefa, und ob der zahlreiche Feind auch
die Landung zu verhindern suchte, gegen das Feuer der Schiffe und der
indischen Soldaten hielt er nicht Stand. Er sammelte sich zwar und
unternahm nach Art der Neger immer wieder zwecklose Vorstöße, indes
da die Engländer nun einmal festen Fuß gefaßt hatten, schickten sie,
geschützt durch ein schnell errichtetes Fort (Maguire benannt), die
tausende Feinde immer mit blutigen Köpfen heim.

Längs der ganzen Küste, am Strande und auf den Hügeln waren die
zahlreichen Dörfer nur Brandruinen; die Einwohner waren geflohen
und die sonst so belebte Küste öde und verlassen. Aber auch dieser
langwierige Kampf ging zu Ende; nachdem Major Edwards die Feinde
mehrmals empfindlich geschlagen und Makangila die Macht der Europäer
erkannt hatte, nahm er die Friedensbedingungen an. Jumbe und dessen
Krieger, die herzlich wenig geholfen hatten, und die die Engländer
sich beeilten mit der ersten Gelegenheit wieder los zu werden, nahm
ich, Fort Maguire anlaufend, an Bord des »H. v. Wißmann« und brachte
sie nach Kota-Kota zurück und war selber herzlich froh, als ich erst
diese Gesellschaft mit Sack und Pack gelandet hatte. Ein halbes Jahr
später schon war Jumbe, der nicht mehr Herr über seine widerspenstigen
Häuptlinge zu werden vermochte -- die Engländer mochten den alten
Sünder auch wohl nicht mehr schützen --, entthront und starb, seiner
Würde und Macht entkleidet, bald darauf. Sein Nachfolger Jumbe
+II.+, ein noch junger Mensch, erfreute sich nicht lange der
Herrschaft, denn durch einen Akt brutaler Grausamkeit, indem er 5
Fremde, Leute eines anderen Stammes, die sich seit längerer Zeit
in Kota-Kota niedergelassen hatten, tödten ließ, auch ansässige
europäische Händler gefährdete, verfiel er bald dem Verhängniß.

Er hatte nämlich nichts Geringeres geplant, als die Engländer zu tödten
und dann gegen die englische Macht einen Guerillakrieg zu eröffnen.
Dieser Plan aber blieb nicht unentdeckt, zu offen zeigte der junge
übelberathene Tyrann seine Absichten, und als eines Tages der »H. v.
Wißmann« mit dem englischen Magistrat Mister Nikol in Kota-Kota einlief
und dieser sehr bald von allem unterrichtet war, erklärte er den jungen
Häuptling, der ihn ohne Scheu, auf seine Macht pochend, am Lande
empfangen hatte, sofort für verhaftet. Zwar setzte der Häuptling mit
seinem Gefolge seiner Gefangennahme Widerstand entgegen, war aber bald
nach kurzem Messerkampf von den zur Vorsicht mitgenommenen indischen
Soldaten (Sikhs) entwaffnet und überwunden. Als nun am nächsten Morgen
noch die Kanonenboote einliefen, bemächtigte sich der Bevölkerung eine
solche Panik, daß alle Einwohner aus der Stadt in die Berge oder zu den
Schambas flohen, das Wenigste, was sie erwarteten, war, ihre Hütten in
Flammen aufgehen zu sehen.

Bei einer Untersuchung der zahllosen Hütten wurden wohl 10 Centner
Pulver gefunden, welches Quantum für den beabsichtigten Aufstand
angesammelt worden war. Um nun für die Folge den Gefahren vorzubeugen,
Leben und Eigenthum durch die Willkür eines Häuptlings gefährdet zu
sehen, wird bald in Kota-Kota ein englisches Fort jeden Widerstand
beseitigen und auch die Sklavenausfuhr wird für die Zukunft unmöglich
gemacht werden. Während der Zeit noch, als die endlosen Festlichkeiten,
Pombetrinken und wilde Tumulte, zu Ehren des neugewählten Oberhauptes
stattfanden, kam hier ein Fall des krassesten Aberglaubens vor. Ein
junger Mann, der der Hexerei beschuldigt ward, hatte sich, wie es
bei solchen Fällen der Brauch ist, auf ein Gottesurtheil berufen und
»pande« trinken müssen, und wie immer, stets zu spät, kam dieser
Vorfall zur Kenntniß der Europäer. Man muß den Neger, wenn in ihm der
Fanatismus geweckt worden ist, gesehen haben, um von solchen Scenen
sich eine Vorstellung machen zu können; in Wahrheit, schwarze Teufel
in Menschengestalt sind es, ohne Mitleid und Erbarmen, die gegen den-
oder diejenige wüthen, welche durch ein solches Gottesurtheil schuldig
befunden und verdammt werden. Der Schwerkranke wurde zwar den Händen
der fanatischen Horde entrissen und gepflegt, starb aber trotz aller
angewendeten Gegenmittel bald.

Als der Todte darauf seinen Verwandten ausgeliefert worden war, damit
er von diesen begraben werde, übergaben dieselben statt dessen den
Körper einer Anzahl junger Männer, die ein Tau am linken Fuß des
Verstorbenen befestigten und ihn mit wildem Halloh aus der Stadt
schleiften. Außerhalb derselben, an einem Orte wo zwei Wege sich
kreuzten, ließen sie ihn liegen, bedeckten den Toten mit trockenem
Gras und legten an dieses Feuer, wodurch er dann scheußlich entstellt
wurde. Um die Wegschaffung und Beerdigung des Körpers zu erzwingen,
mußte erst auf den betreffenden Häuptling, in dessen Distrikt solche
Scheußlichkeit verübt worden war, ein ganz energischer Druck ausgeübt
werden, ehe dieser sich bereit fand den Toten beerdigen zu lassen.

Auf diesen Vorfall hin wurden alle Häuptlinge und Aeltesten, die das
+pande+-Trinken nicht verhindern oder zur Anzeige bringen würden,
mit schweren Strafen bedroht, und dafür verantwortlich gemacht, wenn
solches nicht unterbliebe.

Erst Ende November 1893 kehrte ich mit dem Schiffe nach Langenburg
zurück und fand dort die Herren Prince und Wyneken auch zur Abreise
bereit. Da der Kompagnieführer Prince den kühnen Plan gefaßt hatte, von
Amelia-Bai aus quer durch das Gebiet der Wagwangwara zu marschiren, so
hatte ich dort anzulaufen und bis zum Abmarsch der kleinen Karawane
zu warten. Es bedurfte aber vieler Unterhandlungen, ehe von Seiten
des Arabers Raschid die Erlaubnis zum Durchzug erlangt werden konnte
und dieser hätte niemals solche gegeben, wenn nicht seine gestellte
Bedingung, die ihm von Major Wißmann genommene Sklavendhau wieder zu
geben, erfüllt worden wäre. Nicht minder schwierig war es, Träger
zu erhalten, weil von den Wakissi und Wampotti keiner zu bewegen
war weiter als bis zum Fuße des Gebirges mitzugehen. Erst als nach
Tagen der Unterhändler Mirambo zurückgekehrt war, konnte der nicht
ungefährliche Marsch längs dem Luhobu-Fluß aufwärts angetreten werden.
Eine größere Schwierigkeit aber stellte sich dem kühnen Unternehmen
nochmals entgegen. Nämlich ehe noch der Weitermarsch vom Hauptsitz
Raschid's angetreten werden konnte, gelangte die Nachricht dorthin,
daß eine Araber-Karawane in der Konde-Ebene durch deutsche Soldaten
(Sudanesen) ausgehoben und nach Langenburg geführt worden sei; Herr
von Eltz hätte derselben Träger und Elfenbein abgenommen und sie dann
ziehen lassen.

Aus einem an mich gerichteten Schreiben des Leutnants Prince, das
Mirambo, den ich auf der Rückreise von Amelia-Bai wieder abholte, mir
übergab, ersah ich, wie sehr das Unternehmen gefährdet gewesen war und
der glückliche Ausgang der endlosen Verhandlungen allein dem Eingreifen
des Arabers Mirambo zu danken sei.

Mit der abgefangenen Araber-Karawane hatte es indes folgende Bewandniß:
schon weit in das Gebiet der Wakonde vorgedrungen, versuchte eine große
Sklavenkarawane das Livingstone-Gebirge zu erreichen, um auf einsamen
Pfaden das Gebiet der Wagwangwara zu durchziehen und so Sklaven
und Elfenbein in Sicherheit zu bringen. Allein die Wakonde sandten
frühzeitig Boten nach Langenburg und hielten die Karawane, die einmal
das Gebirge erreicht, sicher entkommen wäre, unter allerlei Vorwänden
auf. Die Araber aber, doch wohl davon unterrichtet, sandten ihrerseits
ebenfalls eilige Nachricht dorthin und ließen um ungehinderten Durchzug
bitten; Sklaven hätten sie nicht, nur Träger für ihr Elfenbein. In
kluger Voraussicht, daß sie in Sicherheit sein würden, ehe vom Fort
aus ihnen Halt geboten werden könnte, da die Entfernung ziemlich groß
war, hatten sie ihre Boten erst abgesandt, als sie befürchten mußten,
gänzlich aufgehalten zu werden.

Wahrscheinlich ist, daß die Araber gewußt haben, daß der »H. v.
Wißmann« zur Zeit weit im Süden sich aufhielt, ein schnelles Eingreifen
also nicht befürchten brauchten, aber unbekannt muß es ihnen gewesen
sein wie schwach das Fort besetzt war -- thatsächlich machten nur 15
Soldaten, einige Sudanesen und der Rest Suaheli, die ganze Besatzung
aus -- sonst, da sie wohl bewehrt und zahlreich genug waren, würde es
dem abgesandten Sudanesenchaus und seinen 3 Untergebenen schwerlich
wohl gelungen sein die ganze Karawane nach Langenburg zu bringen.
Wohlbedacht war es, daß Herr v. Eltz zu solcher Aufgabe keine Suaheli
mitgesandt hatte, denn mit den Arabern sympathisirend, wäre, wenn
diesen die wirkliche Stärke des Forts verrathen worden, das Aufhalten
der Karawane und deren Ueberführung nach Langenburg der kleinen Truppe
wohl nicht möglich geworden. Es gelang indes und stellte sich heraus,
was die Wakondeboten berichtet, daß es eine Sklavenkarawane war. Mit
Vorsicht, da Herr v. Eltz seinen Suaheli nicht allzusehr trauen durfte,
wurden allen bewaffneten Männern zunächst die Gewehre abgenommen,
dann wurde die Karawane im Bereich der Geschütze gelagert und eine
Untersuchung eingeleitet, wer von den Arabern im Besitze von Sklaven
sei. Ueber 200 Weiber und Kinder konnten als geraubte Sklaven frei
gemacht werden, darunter nur 5 junge Männer, alle übrigen, vornehmlich
die Träger des Elfenbeins, bezeugten, daß sie keine geraubten Sklaven
seien und mußten deshalb den Arabern zurückgegeben werden.

Entschieden ungünstiger, namentlich für die Sklaven-Besitzer, wäre
die Sache ausgefallen, wenn Herr v. Eltz eine entsprechende Macht
hinter sich gehabt hätte, oder wenn wenigstens der »H. v. Wißmann« vor
Langenburg gelegen hätte; keinesfalls würden dann die Sklavenjäger, die
nach Recht und Gerechtigkeit für das Elend, welches sie über Hunderte
unschuldiger Menschen gebracht, den Tod verdient hatten, so glimpflich
weggekommen sein. Somit war es jedenfalls das Richtigste, die äußerst
erbitterten Sklavenjäger mit den Elfenbeinhändlern, die Elephantenzähne
und Waffen wieder zurückerhielten, weiterziehen zu lassen, und
möglichst schnell solche Gesellschaft abzuschieben, weil ihre Zahl der
Besatzung der Station nahezu zehnfach überlegen war, und es gewiß auch
nicht rathsam war durch längeres Aufhalten den Arabern Gelegenheit
zu geben, vielleicht einen Ueberfall zu versuchen; für die kleine
Mannschaft würde es sehr schwer geworden sein einen nächtlichen Ansturm
auf die Pallisaden abzuschlagen, und hätte bei dem ungleichen Kampf die
Araberhorde möglicherweise das Fort überlaufen. Mit Recht führte Herr
von Eltz an, daß er in solchem Falle den Suaheli nicht habe vertrauen
können.

Wie richtig die Vermuthung gewesen, die Araber könnten vielleicht doch
einen Handstreich unternehmen, zeigte sich, als in Wirklichkeit ein
solcher geplant worden war, und zwar hatte sich die Kolonne in der
ersten Nacht nicht weit das Rambirathal aufwärts gelagert, um durch
einen nächtlichen Ueberfall sich wieder in den Besitz der Sklaven zu
setzen. Wie eine zuverlässige Nachricht ergeben hat, war der Führer
besonnener als die rachedürstenden Sklavenjäger und weil keine rechte
Einigkeit erzielt wurde, unterblieb ein Angriff auf die Station.

Es war gewiß ein schwerer Verlust den die Räuber erlitten hatten, als
sie ohne ihre Sklaven abziehen mußten; sie trachteten daher sich durch
Jagden auf die im Gebirge wohnenden Wakinga schadlos zu halten, fanden
aber solchen ernsten Widerstand, daß sie unter Verlust von Trägern und
Elfenbein fliehen mußten.

Weit her vom Innern Afrikas, wo diese Räuberhorden die friedlichen
Dörfer überfallen, die Männer, Väter und Brüder der befreiten
Sklaven erschlagen lagen, wurden diese Opfer unmenschlicher Raubgier
in die Sklaverei und einem ungewissen Schicksal entgegengeführt.
Wie viele der Unglücklichen, in die Sklavenscheere gespannt, sind
wohl am Wege niedergesunken, kraftlos und schwach, die selbst der
unbarmherzige Treiber nicht mehr mit harten Schlägen vorwärts bringen
konnte, und wurden verlassen in der Wildniß, ein Raub der Hyänen und
anderer Thiere. Kann auf monatelangem Marsch, oft Hunger und Durst
erleidend, eine Mutter, erschöpft und unfähig, ihr Kind, neben der
ihr aufgebürdeten Last, nicht mehr nähren oder tragen, reißt ihr ein
Unmensch den Säugling fort und schleudert das hungernde Wesen ins
Gebüsch am Wege, um dann noch die Unglückliche mit Peitschenhieben
weiterzutreiben. Barmherzig ist noch der zu nennen, der einen
Sklaven, wenn er absolut nicht mehr fort kann, den Gnadentod giebt
-- der Gefesselte kniet nieder und ein Schlag mit dem schweren
doppelschneidigen Dolch macht dessen Leiden ein Ende. --

Hier hatte man den Müttern nur die Säuglinge und die kleinsten Kinder
gelassen, sonst alle Bande mit grausamer Hand zerrissen. Was wunder,
wenn sie mit stoischem Gleichmuth alles über sich ergehen ließen,
selbst die Wiedergabe ihrer Freiheit für nichts achteten, in dem
Befreier eher einen neuen Herrn als einen Wohlthäter erblickten. Was
war die Freiheit noch werth für sie, wo man ihnen die Heimath und alles
Liebe genommen!

Sieht man an Ort und Stelle dieses Elend, dann möchte man an das
Schicksal die Frage richten, wann endlich werden die Völker Afrikas
von dem furchtbaren Joch, unter dem sie seit Jahrhunderten seufzen und
verkommen, befreit, wann wird die Macht der Araber gebrochen und ihrem
schändlichen Gewerbe ein Ende gemacht sein! --

Segensreich ist das Wirken der Missionare, in ihrem Schaffen und
Streben bethätigen sie die Liebe zur Menschheit und den Antheil, den
sie an der Kulturarbeit haben, ist ein großer, es ist ein Pflichtgebot
aller Kolonial-Staaten, den christliche Konfessionen das Feld frei zu
geben, sie mit der ganzen Macht zu schützen; in dem Vertrauen, das
sie sich durch stille mühevolle Arbeit erringen, liegt schon die hohe
Gewähr für ein aufkeimendes Kulturleben. Dies erkennend, hat auch Major
v. Wißmann den deutschen Missionaren im Norden des Nyassa-Sees freie
Hand gelassen, ihnen Schutz und Beistand gewährt, soweit es in seiner
Macht lag. Das dankten sie nun und nahmen in Ikombe und Wangemannshöhe
die befreiten Sklaven auf, die auf die Dauer für die Station Langenburg
eine Last geworden wären, insofern als die Verpflegungskosten für eine
so große Zahl beträchtliche waren, auch lag es außer dem Bereich des
deutschen Kommandos die Befreiten in ihre ferne Heimat zurücksenden zu
können.

Um hier den Angriffen entgegen zu treten, denen Major v. Wißmann
ausgesetzt gewesen, weil er konfessionelle Unterschiede gemacht haben
soll, sei erwähnt, daß er den deutschen und den am Tanganjika-See
wirkenden französischen Missionaren sein Schiff vorläufig auf ein Jahr
zur Verfügung gestellt hatte, d. h. es wurde allen, welche mit dem »H.
v. Wißmann« süd- oder nordwärts zu fahren wünschten, freie Passage
gewährt, was schon allein in Betreff der bedeutenden Kosten große
Anerkennung verdient, da eine gleiche Beförderung mit der langsamen
»Domira« für den Betreffenden recht kostspielig war und ich selbst habe
während der Zeit, in welcher ich den deutschen Dampfer geführt, eine
ganze Anzahl Missionare befördert; trotz solchem beträchtlichen Ausfall
an Passagiergeld aber doch noch in wenigen Monaten 8000 Mk. mit dem
Schiffe verdient, so daß die Unkosten für Schiff und Station gedeckt
werden konnten.

Die Bereitwilligkeit der deutschen Missionare, die armen Sklaven
in ihre Obhut zu nehmen, führte dazu, daß so eingehend als möglich
nachgeforscht wurde, in welchem Lande diese geraubt worden waren und
das Resultat war, daß alle diejenigen, etwa 30 Weiber und 20 Kinder,
die angaben, an der Grenze der englischen Interessensphäre aufgegriffen
zu sein, zurückbehalten werden mußten, da der englische Vertreter
in Dunp-Bai Mister Crawshay solche reklamirt hatte, um sie, wenn
angängig, in ihre Heimath zurückzusenden. Viel zu ängstlich und nicht
begreifend, was der weiße Mann mit ihnen vorhat, kam es vor, daß bei
der Feststellung Mütter ihre Kinder irrthümlich zur Mission ziehen
ließen und erst als die Einschiffung stattfinden sollte, nach diesen
verlangten und weinend baten bleiben zu dürfen wo ihre Kinder sind, sie
sahen nun erst ein, es würde eine Trennung für immer sein.

In Abwesenheit des Herrn v. Eltz, der am 13. Dezember auf die Nachricht
hin, der Häuptling Marara sei gestorben, eilig hatte aufbrechen
müssen, um, wie es von den Söhnen des Verstorbenen gewünscht wurde,
aus ihrer Mitte den neuen Sultan zu wählen und einzusetzen, suchte ich
der Schwierigkeit, die Mütter mit ihren Kindern wieder zu vereinen,
dadurch abzuhelfen, daß, wo letztere nicht so schnell herbeigeschafft
werden konnten, erstere auf ihren speziellen Wunsch zurückblieben und
später ebenfalls der Missionsstation überwiesen wurden, bei welcher die
halberwachsenen Kinder Aufnahme gefunden hatten. Die Einschiffung der
Weiber und Kinder unternahm ich am 14. erst dann, nachdem ich mich
überzeugt hatte, daß alle, die bestimmt waren, den Engländern übergeben
zu werden, keinen Wunsch mehr hatten, namentlich keine Mutter durch ihr
eigenes Versehen von einem ihrer Kinder getrennt werde. Manch armes
Weib, von übernatürlicher Furcht beherrscht, konnte aufgefordert nicht
mal für sich sprechen, kroch auf Händen und Füßen heran und weinte nur,
erst von den Schicksalsgenossen konnte mit Mühe erfahren werden, wie es
um solches bestellt war und warum es weint.

Schrankenlose Furcht muß der Araber den geraubten Sklaven einzuflößen
wissen, sonst ist es nicht verständlich, wie menschliche Wesen gleich
gescholtenen und geschlagenen Hunden vor ihren Herren so sich beugen
und im Staube kriechen können. Selbst das offenbare Wohlwollen, das
der Europäer ihnen zeigt, selbst die Aufforderung aufrecht vor diesen
zu stehen oder wenigstens zu sitzen fruchtet nichts, und wahrlich,
jeden muß es mit äußerster Erbitterung gegen diejenigen erfüllen,
die den freien Menschen solchen Sklavensinn einzuflößen vermochten.
Herzlose Grausamkeit, die Beraubung alles dessen was solchen Geschöpfen
einst lieb und theuer war, kann diese nur so tief beugen. Vor dem
Richterstuhl menschlicher Gerechtigkeit müßten solche Räuber, die
Feuer, Tod und Elend in die Hütten friedlicher, wehrloser Menschen
tragen, niemals Gnade finden, unerbittlich dem Tode verfallen, der für
all den Jammer und Elend kaum eine Sühne zu nennen ist; es sollte jeder
erreichbare Sklavenjäger damit bestraft werden und so für seine Thaten
büßen.

Mehrfach kam eine Kunde zu uns, die meines Wissens keine Bestätigung
gefunden hat, daß weit im Innern Afrikas ein Volksstamm von heller
Hautfarbe wohnen soll; kaum denkbar ist es, und befanden sich unter
den geraubten Sklaven zwei, ein Mädchen und ein junger Mann, die ich
für Geschwister hielt, von heller kupferbrauner Färbung. Auch diese
gehörten zu der Zahl, welche ihre Heimat weit im Westen vom Nyassa-See
liegend, bezeichnet hatten und auch an der englischen Administration
in Pankanga ausgeliefert werden mußten. Ich war erst versucht, diese
beiden für die Nachkommen eines reinblütigen Arabers zu halten,
doch wiederum die Gesichtsbildung, die keinen Negertypus verrieth,
ebenmäßig, hübsch sogar zu nennen, machte mich zweifeln, wozu die
Annahme, daß, wäre meine Voraussetzung richtig gewesen, diese wohl
nicht als Sklaven von den Arabern behandelt worden wären, das ihre
beitrug, allein ich konnte nichts genaueres erfahren.

Noch am Abend des 14. Dezembers, nach einer stürmischen Ueberfahrt --
zu allem schon ausgestandenen Leiden mußten die Weiber und Kinder noch
die Seekrankheit kennen lernen -- traf ich in Pankanga ein und übergab
im englischen Fort dem in Abwesenheit des Mister Crawshay den Befehl
führenden Sikhs Unteroffizier alle, dafür sorgend, daß ihnen Wohnung
und reichlich Speise und Trank verabfolgt wurde.

In Bandawa angekommen erfuhr ich, daß etwa 20 Seemeilen südlich
vor der Bana-Point, der Dampfer »Ilala« zusammengebrochen sei.
Auf diese Nachricht hin, die von Eingeborenen vor mehreren Tagen
schon an Dr. Elmslin überbracht worden war, beschloß ich dennoch
unverzüglich aufzubrechen und das Schiff zu suchen, weil mir bekannt
war, daß erstens an Bord der »Ilala« kein Boot sich befand und
zweitens ein etwas heftiger Südost-Wind, der eine schwere See in der
Marenga-Sanga-Bucht hineinfegen mußte, das Schiffchen äußerst gefährden
konnte. Die ganze Küste von Bandawa südwärts und die große Bucht
suchte ich ab, und schließlich fand ich den Dampfer noch unterhalb der
Bana-Point auf flachem Wasser, in gefährlicher Lage vor.

Da es nicht möglich war, mit dem »H. v. Wißmann« der »Ilala« nahe zu
kommen, war es das Erste, diese in tieferes Wasser zu bringen, dann
erst wurde versucht ob wir den Schaden am Dampfkessel nicht repariren
könnten. Dies indes stellte sich nach 36stündiger Arbeit als unmöglich
heraus und dem Führer blieb nichts anderes übrig, als mein Angebot,
sein Schiff nach Fort Johnston zu schleppen, anzunehmen. Zum Glück,
was in dieser Jahreszeit seltener der Fall, behielten wir einigermaßen
gutes Wetter, sodaß wir schon nach einigen Tagen ohne weiteren Unfall
vor der Schirebarre ankern konnten.

Schon die Reise vorher, als ich kaum vor der Schirebarre vor Anker
gegangen war, kam mit mehreren kleinen Kanoes, der mit der Bewachung
der deutschen Nation betraute Suaheli Hamissi mit der überraschenden
Nachricht an Bord, daß sowohl die deutsche, als auch die nebenliegende
englische Handelsstation von Leuten Kassambe's und im Einvernehmen mit
diesen, Mgonda-Leute, die Stationen überfallen hätten, aber, obwohl die
Banden zurückgeschlagen wurden, wären die Angriffe doch nächtlicher
Weile immer wieder erneuert worden. Mir blieb darauf hin nichts anderes
übrig als von den für die englische Administration angeworbenen Abonga
eine Anzahl guter Leute auszuwählen, alle gut bewaffnen und sie als
Verstärkung in die deutsche Station zu legen; ich rechnete darauf, es
würde den Feinden unbekannt bleiben, wieviel Gewehre in der Station
seien und sie sich großer Gefahr aussetzen, wenn sie aufs neue einen
Ueberfall versuchen sollten. Fast unter den Kanonen von Fort Johnston
-- die beiden Stationen liegen nur etwa 10 Minuten oberhalb desselben
-- wagten doch die Feinde, wohlunterrichtet wie schwach das Fort
besetzt war, solche Angriffe und es blieb zum eigenen Schutz nichts
übrig, als die unbeschützten Stationen ebenfalls durch Erdwerke und
Pallisaden zu befestigen.

So war die Weihnachtsnacht herangekommen und in Sicherheit gewiegt,
da seit mehreren Wochen alles ruhig geblieben war, hatten die drei
auf der englischen Station anwesenden Europäer, wozu sich noch später
der Führer der »Ilala« gesellte, auch ich war eingeladen worden,
beschlossen, Christmas (Weihnachten) zu feiern.

Wie gewöhnlich, da der Engländer, die deutsche Sitte, einen Christbaum
auszuschmücken, weniger kennt, besteht die Feier nur aus einem
Festessen, das mit Whisky und Sodawasser oder anderen Getränken,
wenn solche vorhanden und erhältlich sind, gewürzt wird. Mir lag an
solcher Feier nichts, zumal ich an Bord einen provisorischen Christbaum
ausgeschmückt hatte und es vorzog, mit meiner Mannschaft das Fest in
deutscher, sinnigerer Art zu begehen, darum folgte ich der Einladung
nicht, obwohl ich, hätte irgend ein Anzeichen vorgelegen, daß die
Stationen gefährdet sein könnten, sicher Vorkehrungen getroffen haben
würde, wenigstens die deutsche, nach Möglichkeit zu schützen. Fraglos
war es, daß die Engländer scharf bewacht wurden und von Spionen umgeben
waren, denn jeder nächtliche Angriff hatte gezeigt, wie gut die Feinde
orientirt waren. So war es auch in dieser Weihnachtsnacht 1893. Die
Europäer, die wohl nicht mehr recht taktfest gewesen, suchten erst in
später Stunde ihre getrennten Lagerstätten auf um bald in festen Schlaf
zu fallen. Da sie sich nur auf die fragwürdige Zuverlässigkeit zweier
Wachtposten verlassen hatten, so wurden sie plötzlich durch heftiges
Gewehrfeuer aufgeschreckt. Die Feinde, die durch Verräther unterrichtet
waren und wohl im Glauben die Weißen würden zu einer schnellen Abwehr
nicht fähig sein, hatten ihr Feuer auf die Lagerstätten der Europäer
gerichtet und mit solcher Sicherheit, daß die Engländer nur durch
Zufall den tödlichen Kugeln entgangen sind. Wie schnell aber auch die
immer bereiten Waffen ergriffen und das Feuer auf die Feinde erwidert
wurde, schneller war die Besatzung der deutschen Station; sie eilte zu
den Erdwällen und, trotz der Dunkelheit, die Feinde auf dem rasirten
Terrain hinter der englischen Station erkennend, eröffnete sie ein
nutzloses Schnellfeuer, das aber doch die Feinde stutzig machte und
diese zum eiligen Rückzug hinter deckendes Gebüsch veranlaßte.

Wohl war von Seiten der Angreifer versucht worden, Feuer an die
Grasdächer zu legen, und hätten diese gebrannt, wäre der Ausgang des
Kampfes wohl fraglich, zum mindestens der Schaden ganz enorm gewesen,
diese aber zündeten zum Glück nicht, weil sie vom Regen durchnäßt
waren, der am Abend vorher durch ein furchtbares Gewitter in Strömen
niedergegangen war, das auch mich, auf der Fahrt nach dem Schiffe
zurück, überrascht hatte. In früher Morgenstunde des ersten Festtages
wurde ich durch Boten von den Vorgängen in der Nacht unterrichtet, und
an Land gekommen, fand ich auf den Stationen alle noch in ziemlicher
Aufregung. Eifrig wurde das Für und Wider erwogen, namentlich wie
es den zahlreichen Feinden möglich geworden wäre, ihre Waffen so
nahe den in den Häusern Schlafenden abzufeuern, was die Kugellöcher
in den Wellblech- und Lehmwänden bezeugten. Die Posten, die nichts
vorher bemerkt haben wollten, mußten entweder mit den Feinden im
Einverständniß gewesen sein, oder was wahrscheinlicher, ebenso fest wie
ihre Herren geschlafen haben.

Wie immer waren auch jetzt vom Fort unternommene Streifzüge im Urbusch
vollständig nutzlos, längst hatten die flinken Feinde die sicheren
Berge wieder erreicht und waren in Sicherheit, von wo sie wiederkommen,
wenn ihnen die Gelegenheit günstig scheint und nicht eher werden solche
Ueberfälle unterbleiben, als bis die Engländer stark genug geworden
sind, mit dem Häuptling Kassembe gleichwie mit Makangila, abzurechnen.

Während der Regenzeit, die jetzt herangekommen war, liegen regenschwere
Wolken über der weiten Fläche des Nyassa-Sees; starke Winde treiben die
schwarzen Massen vor sich her, die tiefhängend, die mächtigen Felswände
dem Auge entziehen. Plötzliche Sturmböen fegen mit rasender Gewalt von
den Bergen herab und wühlen die leicht erregten Fluthen auf, Wind- und
Wasserwirbel fliegen über diese hin, und im Gegensatz zum blinkenden
Sonnenlicht liegt eine graue Dämmerung über die bald ruhigen, bald
schaumgekrönten Wogen des Sees gebreitet. Nah und fern hallt der
Donner, tausendfachen Wiederhall erweckend, und zuckende Blitze rings
um den Horizont erscheinen wie hunderte glühender Schlangen, die das
Wolkenmeer zertheilen. Die Atmosphäre ist mit Elektrizität überladen,
die Luft schwül und drückend, bis das Unwetter hereinbricht mit einer
Gewalt, wie nur die Tropenwelt sie kennt. Und unbeirrt durch alles dies
zieht der »H. v. Wißmann« seine Straße, bald gegen Sturm und Wellen
kämpfend, bald die beruhigten Gewässer durchfurchend.

Vor Likoma lagen wir in der Scheidestunde des Jahres 1893 zu Anker und
begingen die Neujahrsfeier im Verein mit den englischen Missionaren
an Bord des »H. v. Wißmann«. In mitternächtlicher Stunde donnerten
die Geschütze, die an Felsen und Rocks von elektrischen Licht
erhellt, tausendfachen Widerhall weckten, dem scheidenden Jahr zum
Gruß knatterten die Gewehre und prasselnde Leuchtkörper zischten in
die Lüfte, die bei dem am Strande versammelten Hunderten Staunen und
Verwunderung hervorriefen.

Vor Langenburg eingetroffen, war der längere Aufenthalt daselbst
in dieser Anfangsperiode der Regenzeit zuweilen recht unangenehm.
Nordwestliche Winde, wenn auch nicht stürmisch, regten doch den See so
auf, daß das dort vor Ankerliegen namentlich Nachts recht ungemüthlich
wurde, dazu die furchtbaren Regenschauer, die über alle Beschreibung
schrecklichen Gewitter. Die Feuerschlangen, die oft die dunkelste
Nacht momentan wie mit magischem Lichte erhellten, zuckten unablässig
aus der tiefhängenden Wolkenmasse hernieder, die an der Felsenwand
des Livingstone-Gebirges sich aufgeballt; prasselnd folgte Schlag
auf Schlag, der furchtbarste Donner hinterher, mit einer Gewalt, als
würden die Felsen zersplittert, und der Furchtbarkeit der entfesselten
Elemente steht Mensch und Thier schaudernd und zitternd gegenüber.
Jeder Blitzstrahl, der in nächster Nähe des Schiffes herniederfuhr
und heller als das Tageslicht die mächtige Dunkelheit durchzuckte,
schien die hohen Masten des Schiffes treffen zu wollen. Obgleich keine
unmittelbare Gefahr vorhanden, da gute Blitzableiter an denselben
angebracht waren, so war es doch geradezu unheimlich, sich noch in
geschlossenen Räumen, die nahe den Masten auf oder unter Deck lagen,
aufzuhalten; der blendend zuckenden Gluth, die scheinbar aus einem
wallenden Feuermeer herabfuhr, dem furchtbar wüthenden Elemente schaute
man lieber im Freien zu. Schwefelgeschwängert war die Luft, schwer und
drückend, wie ein Alp machte sie die Sinne befangen und selbst die
That und Willenskraft erlahmte unter einem eigenthümlichen Gefühl der
Bangigkeit, welches man nicht abzuschütteln vermochte. Auf den Ozeanen
finden die wildesten Gewitterstürme, die rasenden Orkane und Pamperos
etc., abgesehen von der alles zerstörenden Gewalt des Windes, sind mir
die Entladungen der Elektrizität nie so furchtbar erschienen, wie hier
auf dem Nyassa-See. -- Reich und üppig sprießt die Natur, nun der Regen
die durstige Erde durchtränkt hat, auf Bergeshöhen und in den Thälern
blüht und grünt es, als hätte eine Zaubermacht mit einem Schlage
schlummerndes Leben geweckt --, den Frühling brachte die Regenzeit.
Korn und Erdfrüchte, als Mais, Mtama, Bataten etc., hat, auf reiche
Ernte hoffend, der Bewohner Afrikas in die Erde gebracht, alles treibt
mit Macht zum Licht empor und verspricht den erhofften Segen, der nicht
ausbleiben darf, den die gütige Mutter Erde tausendfach spenden muß,
sollen nicht viel tausend Menschenkinder, die keinen anderen Ernährer
finden, noch kennen, durch Hunger und Elend zu Grunde gehen.

Und sie thut es auch, sie lohnt dankbar auch die kleinste Müh und
Arbeit. Aber was sie überreich gespendet, was sie fast mühelos dem
unter einer heißen Sonne geborenen Menschenkinde in den Schoß wirft,
ist doch mitunter gefährdet ehe noch die Frucht zur Reife gelangt; dann
dem Hunger preisgegeben, wenn die Vorrathskammern leer, steht der arme
Neger und schaut der Vernichtung seiner Felder zu, der er, machtlos
gegenüber, nicht Einhalt gebieten kann.

Die Heuschrecke ist sein schlimmster Feind, zu Millionen in
blühende Gefilde einfallend, vernichten sie jede Hoffnung, keinen
Grashalm, Blüthe noch Blatt verschonen sie, und ziehen sie wieder,
lassen die Schaaren Schrecken und Tod zurück. Vom Tanganjika-See
herunter waren die gefräßigen Thiere gekommen, an den Abhängen des
Livingstone-Gebirges eingefallen und hatten der Ernte der Eingeborenen
und aller Vegetation Vernichtung gebracht. Tausende schwirrten auf
Strauch und Bäumen, tausende in der Luft umher, jeder Grashalm war
dicht besetzt und zahllos die unersättlichen Nager; jeder Fußtritt
im kahlgefressenen Grase, selbst noch an den dürren Stengeln,
scheuchte hunderte auf, die gewaltigen Blätter der Bananen und deren
wohlschmeckende Frucht wurden eine willkommene Beute, kahl ragt der
saftige Stamm dieser herrlichen Pflanze in die Lüfte, ein trauriges
Bild unglaublicher Vernichtung darstellend; selbst die abertausend
jungen Keime der gewaltigen Baumriesen, Baobab und Tamarinden,
verschonte das Thier nicht.

Welche Verheerung in kurzer Zeit die Heuschrecke anzurichten vermag,
sah ich hier auf der Rambira-Landzunge und am Fuße des Gebirges zum
ersten Male, und doch waren es nur kleine Schwärme, die sich hier
niedergelassen hatten. Viel verheerender haben sie die Länderstrecken
ostwärts heimgesucht: später auf dem Heimwege, im ganzen Schirethal
fand ich nur ödes Land, Vernichtung überall, die die bitterste Noth und
den Hunger im Gefolge haben mußte.

Am 9. Januar 1894 trat ich wieder die Reise südwärts an und war
erst wenige Tage von Langenburg entfernt, als dort ganz unerwartet
am 13. die Nachricht eintraf, daß Seine Exzellenz der Gouverneur
von Deutsch-Ostafrika, Freiherr von Schele, mit einer gewaltigen
Expedition am nächsten Tage in Langenburg eintreffen werde.

Auf einer militärischen Expedition begriffen, war Freiherr von Schele
von der Küste aus bis zum Fuße des Livingstone-Gebirges vorgedrungen
und nun dem Nyassa-See ziemlich nahe, beschloß er, sich persönlich
von der Lage der deutschen Station und den Verhältnissen am See zu
überzeugen. Wohl war das Ueberschreiten des hohen Gebirgskammes mit 600
Mann keine Kleinigkeit, aber quer durch das Gebiet der Wagwangwara, an
steilen Abhängen entlang den Weg suchend, erblickten die zahlreichen
Theilnehmer -- 17 Offiziere allein begleiteten den Gouverneur -- auf
der Höhe der Kayser-Bucht den im Sonnenglanz gebadeten Nyassa-See
zuerst. Schwieriger noch ward der Weg von hier nordwärts, entlang den
tiefen Felsengründen, und mehrere Maulthiere stürzten vom schmalen
Gebirgspfad abwärts in die Tiefe, die aufgegeben werden mußten, da
keine Möglichkeit vorhanden war, diese Thiere aus den Abgründen wieder
herauszuschaffen.

Nach Eintreffen des Gouverneurs in Langenburg wurde unverzüglich ein
Eilbote über Land nach Karonga gesandt, der, wie gehofft wurde, dort
die Domira vielleicht noch antreffen könnte, die mir dann den Befehl
zur sofortigen Rückkehr überbringen sollte. Allein nur einen Tag zu
spät traf der Bote ein, und obwohl dem Schiffe noch bis Pankanga
nachgeeilt wurde, war dieses auch schon von dort wieder abgefahren.

In voller Unkenntniß der Ereignisse im Norden (mir Nachricht zu
senden, war ja ausgeschlossen), setzte ich meine regelmäßige Tour
südwärts fort; selbst in Amelia-Bai, wo ich einer sich sammelnden
Araber-Karavane den Bescheid bringen sollte, daß sie mit dem Schiffe
später abgeholt werden würde, wußte man von der Annäherung der
deutschen Expedition noch nichts.

Am Südende des Sees feierten wir am 27. Januar noch Kaisers Geburtstag,
und zur selben Zeit als im Süden der »H. v. Wißmann« im Flaggenschmuck
aus dem ehernen Mund der Geschütze dem deutschen Kaiser den Gruß
entbot, brachte im fernen Norden des Sees der Kaiserliche Gouverneur
Frhr. v. Schele auf Station Langenburg seinem Kaiserlichen Herrn ein
Hoch aus, und der Mund der Geschütze sandte auch hier der deutschen
Pioniere Gruß dem deutschen Kaiser zu.

Am 28. Januar brach ich erst wieder von Fort Johnston auf, erreichte
am 2. Februar Amelia-Bai und war überrascht, hier eine ganze Anzahl
Araber versammelt zu finden, mehr noch, als der große Häuptling der
Wagwangwara Raschid selbst mit an Bord kam und mir ein arabisches
Schreiben überbrachte, das vom 28. Januar die Unterschrift des Frhr. v.
Schele trug und in Langenburg ausgefertigt war. Was mir kaum glaublich
schien, mußte dem Schreiben nach wahr sein, und jeder Zweifel schwand,
nachdem Raschid mir den Inhalt desselben in Kisuaheli übersetzt hatte;
darnach theilte der Gouverneur Raschid mit, daß er beabsichtige, in den
nächsten Tagen mit seiner Expedition aufzubrechen und von Amelia-Bai
den Weg über das Gebirge wählen würde, er solle für Proviant etc. in
seinem Gebiet Sorge tragen.

Direkt nach Langenburg zu dampfen war mir nicht möglich, weil ich
eilige Post und Güter für Karonga an Bord hatte, kürzte aber, dort
angekommen, den Aufenthalt nach Möglichkeit ab und setzte die Reise
nach Einschiffung des französischen Bischofs Monsigneur Laschaploir und
dessen Begleiter, die vom Tanganjika-See hier angekommen waren, fort.
Gegen Abend des 3. Februar 1894 vor der deutschen Station eingetroffen,
donnerte im Moment, als der Anker in die Tiefe rauschte, vom Schiffe
der Kanonensalut für den Gouverneur, und ehe noch der Dampfer wie
üblich befestigt war, kam Frhr. v. Schele zur Besichtigung an Bord.
Unter der Zahl seiner Offiziere aber fand ich manchen alten Bekannten
wieder aus jener Zeit, wo an der ostafrikanischen Küste unter Führung
des Majors von Wißmann der große Araberaufstand blutig niedergeworfen
worden war.

Tag für Tag hatte man sehnsüchtig auf die Ankunft des »H. v. Wißmann«
gewartet und, obgleich ich mit dem Schiffe doch erst zur bestimmten
Zeit eintreffen konnte, waren schon alle Vorbereitungen getroffen,
mit dem großen Stahlboot und der von Major von Wißmann seinerzeit
gekaperten Dhau wenigstens einen Theil der Expedition nach Amelia-Bai
abzusenden, selbst nach Ankunft des Dampfers sollte dieser Befehl noch
zur Ausführung kommen. Mit der unbeständigen Witterung besser vertraut
als jeder andere, war es meine Pflicht, auf die Gefahr aufmerksam zu
machen, welche für das offene Stahlboot eintreten mußte, sobald der See
vom Winde erregt unruhig werden würde.

Auf die Hinweisung, daß es unter solchen Verhältnissen besser und
sicherer sein werde, der Dampfer nehme die Fahrzeuge im Schlepptau,
änderte Se. Exzellenz den Befehl und die Abfahrt wurde um einen Tag
verschoben.

Seine Anwesenheit im Nyassa-See hatte der Gouverneur dazu benutzt,
sich eingehend über die Beschaffenheit der Konde-Ebene zu orientiren,
auch die deutschen Missionsstationen zu besuchen, wollte aber nun auch
noch die deutsche Grenze, den Songwe-Fluß besichtigen, sowie sich die
Lage der englischen Station Karonga ansehen. Demnach dampften wir in
der Frühe des 4. Februar hinüber zur Westseite des Sees und, da eine
Exkursion den Songwe hinauf geplant worden, wurde solche mit zwei
Schiffsbooten unternommen, und eine in jeder Beziehung angenehme Fahrt
in diesem reichen Gebiet war es für die Theilnehmer.

Die Einschiffung der Maulthiere, Esel, Geschütze und des gewaltigen
Gepäcks begann am 5. früh, dazu war mit 27 Europäern und 380
Mannschaften der »H. v. Wißmann« recht schwer belastet. 200 Mann wurden
im großen Stahlboot, der Rest in der Dhau untergebracht und gegen 11
Uhr Vormittags konnte die Abfahrt vor sich gehen. Frei von Rambira,
war das Unangenehmste, die über Nacht aufgekommene südliche Schwell,
gegen welche nun mit halber Maschinenkraft angedampft werden mußte, zu
überwinden, oftmals mußte langsam gefahren werden, brach doch die See
zeitweilig in das schwer beladene offene Boot hinein, sodaß unablässig
eingeschlagenes Wasser ausgeschöpft werden mußte. Besser hielt sich
die Dhau im Schlepptau, allein durch das lange Liegen am Strande leck
geworden, nur nothdürftig von den Arabern abgedichtet, glaubte ich
manchmal, sie würde sich nicht über Wasser halten können, wenigstens
für die Mannschaft in derselben war es keine beneidenswerthe Arbeit,
unablässig zu schöpfen, um nur des eindringenden Wassers Herr zu werden.

Es war nicht gut möglich die Nacht hindurch zu dampfen wegen der
unbeständigen Witterung, daher wurde auch die Kayser-Bucht als das
Endziel festgesetzt.

Gegen Abend erreichten wir denn auch die Bucht und zur Sicherheit,
um nicht dem Strande zu nahe zu kommen, hatte ich schon den Anker
auf 20 Faden = 120 Fuß fallen lassen, damit, wenn wie häufig Nachts
westlicher Wind und See aufspringen sollte, der Hintersteven nicht
auf Grund stoßen könnte; allein als um Mitternacht wirklich der Wind
mit einer starken Regenboe einsetzte, gab das Anker an der steil zur
großen Tiefen abfallenden Felswand nach und bald erschütterten heftige
Stöße das Schiff. Es blieb hierbei nichts anderes übrig, als Kette
einzuhieven, vielleicht daß der Anker auf geringer Tiefe wieder Halt
fände, was auch zum Glück der Fall, und nur froh war ich, als gegen
Morgen die See abnahm und der neue Tag heraufdämmerte.

Da der See am Morgen, wenigstens dicht unter der Felsenwand, ziemlich
ruhig war, konnte früh schon die Reise fortgesetzt werden und ohne
besondere Schwierigkeit erreichten wir gegen Mittag des 6. Februar die
Mündung des Buhobu-Flusses, südlich von Amelia-Bai. Die Ausschiffung,
da hier dem Lande nicht recht nahe geankert werden konnte, währte bis
zum Abend, namentlich machten die Maulthiere und Esel uns recht viel
Mühe.

Der Abmarsch der Expedition war auf den nächsten Morgen festgesetzt,
deshalb entfaltete sich an dem Ufer des Flusses im provisorischen Lager
ein recht reges Leben bis alles geordnet war, Soldaten und Träger
vertheilt, und nach deutscher Art alles klappte. Zur Weiterfahrt mit
dem Dampfer wurde nur Leutnant Fromm kommandirt, der die Verhältnisse
auf dem Schire und Zambese erkunden und gleicherzeit den Transport
eines erkrankten Unteroffiziers leiten sollte, sowie Doktor Lieder, der
mit einer kleinen Zahl von Trägern von Mbampa-Bai quer durchs Land zur
Küste marschiren und geologische Untersuchungen im südlichsten Theil
des unbekannten deutschen Gebietes anstellen wollte.

Gleichzeitig am 7. früh, als die Trompete zum Aufbruch rief und die
langen Kolonnen der Expedition sich in Bewegung setzten, lichtete auch
der »H. v. Wißmann« die Anker und über Neu-Helgoland trafen wir noch
selbigen Tages in der Mbampa-Bai ein. Hier landeten wir noch Dr. Lieder
mit seinen Lasten und Leuten, der sein kleines Lager etwa 100 Meter vom
Schiff entfernt am öden Strande aufschlug.

Tiefe Ruhe lag über Land und See ausgebreitet, selbst die Stimmen
der Nacht tönten nur schwach aus der weiten Ebene herüber und nichts
deutete darauf hin, daß der König der Thiere uns einen Besuch abstatten
würde. In tiefster Ruhe und vermeintlicher Sicherheit lagen um das Zelt
des Dr. Lieder dessen Leute, nach Negerart mit dem Lendentuche bedeckt,
um sich so gegen die Stiche der Mosquito zu schützen, und schliefen
fest auf dem kühlen Sande, dem Wachposten es überlassend, für ihre
Sicherheit zu sorgen.

Plötzlich, es mochte zwei Uhr Morgens geworden sein, hallte ein
wilder Schrei durch die Stille der Nacht, der, mit dem zugleich
eröffneten Gewehrfeuer, alle Schläfer an Land sowohl wie auch an
Bord jählings aufschreckte. Lauter aber als das Stimmengewirr und
der Schmerzensschrei eines Mannes, tönte die gewaltige Stimme des
Löwen, der grollend abzog, da ihm seine Beute, die er mit der Tatze
geschlagen, entgangen war.

Schulter und Brust des überfallenen Mannes hatte der Löwe mit seinen
scharfen Krallen aufgerissen, nur der Schmerzensschrei wilder Angst
hatte den Menschenräuber stutzig gemacht, und ehe er seine Beute
sicher gefaßt hatte, feuerte schon der Posten. Dr. Lieder hielt es für
geboten, da der Löwe sich nicht gescheut hatte, bis in den Kreis der
schlafenden Leute einzudringen, jetzt doppelte Posten der Sicherheit
halber aufzustellen; war es auch ausgeschlossen, daß der Räuber einen
neuen Versuch wagen würde, so gebot doch die Vorsicht, fortan achtsamer
zu sein.

Bald hatte sich die Aufregung gelegt und tiefe Ruhe war wieder
eingetreten, als plötzlich, noch mochten kaum 2 Stunden seit dem
ersten Angriff verflossen gewesen sein, heftiges Gewehrfeuer die
Nacht durchschallte. Wild brüllend, seinen Groll über den abermaligen
Mißerfolg kundgebend, zog der Löwe ab. Die Posten, die jetzt wachsamer
gewesen waren, hatten den schleichenden Löwen, der, geschützt durch die
Dunkelheit, wieder ganz nahe gekommen war, rechtzeitig bemerkt, und ehe
er zum zweiten Male, dann wohl mit besserem Erfolge, einen der Schläfer
fassen konnte, scheuchten ihn die Stimmen und die Schüsse fort.

Man kann sagen, es war ein Glück, daß dem zum Sprunge bereiten Löwen
keine der ersten Kugeln getroffen hatte, das Thier, jedenfalls von
heftigem Hunger geplagt, hätte dann sicher, nur verwundet, wüthend
angegriffen und außer denen, die er mit den Tatzen niedergeschlagen,
würde er mit einem Unglücklichen doch entkommen sein.

Nun war es vorbei mit der Ruhe und als der junge Morgen anbrach,
rüstete sich die kleine Schaar, um den ungastlichen Strand zu
verlassen, wir aber wünschten dem kühnen Forscher, der sicher mancher
Gefahr entgegen ging, eine glückliche Reise durch unbekanntes,
unerforschtes Gebiet. Mehrfach habe ich der wilden Thiere Erwähnung
gethan und namentlich auf die zahlreichen Leoparden und Panther, die
uns überall am meisten belästigt hatten, hingewiesen, den Löwen aber
als weniger gefährlich bezeichnet, weil dieser auf unserem Wege nicht
in so großer Zahl aufgetreten ist.

Wohl ist das richtig, da der Löwe sich nicht so bemerkbar macht, auch
nicht gleich dem Panther sich auf feigen Raub einläßt, vielmehr seine
Stärke an ebenbürtigeren Gegnern, als Büffel etc., erprobt, und nicht
der wehrlosen Ziege und dem Schafe nachstellt. Mit Stolz verschmäht der
König der Thiere es, wenn seine markigen Glieder noch elastisch genug
sind, die friedlichen Heerden zu gefährden, thut er es aber und treibt
ihn der Hunger dazu, wählt er sich den starken Bullen aus und bringt
ihn zu Fall, gefährlich nur wird er, wenn das Alter ihn drückt, die
sehnigen Glieder erschlafft sind und er dem flüchtigen Wilde nicht
mehr folgen kann, den Büffel nicht mehr im tödtlichen Kampfe angreifen
darf; dann erst sucht er die Wohnstätten der Menschen auf, raubt in den
Heerden und wird ein gefährlicher Menschenräuber, sobald er erst einmal
Menschenfleisch geschmeckt hat.

Niemals, noch im Vollbesitz seiner Kraft, wird der Löwe, sofern ihn
nicht wilder Hunger plagt oder er aufgestört und verwundet worden ist,
sich aus Blutgier auf den Menschen stürzen. Wie alle Thiere, meidet
auch der Löwe den Menschen, wenn er kann, wird aber der gefährlichste
Gegner, wenn er gereizt zum Angriff übergeht.

In einzelnen Distrikten des Seengebietes ist der Löwe, der nie
hier gejagt wurde, für die Bewohner eine Plage geworden, selbst
Auswanderungen und das Aufgeben einzelner Ortschaften haben
stattgefunden, nur weil zu häufig die Heerden gefährdet und Menschen
geraubt worden sind, steht doch der Eingeborene dem Löwen fast machtlos
gegenüber.

Die Eingeborenen wehren sich selbstverständlich nach ihrer Art
und suchen durch vergiftete Pfeile, Fallgruben oder Gift sich des
gefährlichen Feindes zu entledigen, was ihnen jedoch seltener
gelingt; haben sie aber, schließlich zur Verzweiflung getrieben, den
Zufluchtsort eines Löwen, der ihnen unaufhörlich Schaden zugefügt,
erkundet, umstellen sie das dann meistens vom Raube übersättigte Thier,
stören es auf, und suchen es zu tödten, oft freilich unter schweren
Verlusten ihrerseits.

Die Engländer, als bekannte Sportsleute, haben sich, namentlich
Offiziere der Kanonenboote, auf die gefährliche Löwenjagd gelegt, und
meistens in dem hügeligen Terrain hinter der Pankanga-Bucht ist es
Einzelnen gelungen dem Löwen nahe zu kommen.

Doktor M'ckay und Mister Crawshay hatten auch das Glück, einige zu
erlegen, was mir aber letzterer bestätigte, ist, daß ein angeschossener
Löwe nie direkt den Jäger angenommen hat, sondern, wenn auch langsam,
stets entfloh. War der Schütze sicher, daß seine Kugel gut getroffen
hatte, wurde erst nach Tagen eine allgemeine Treibjagd mit Hilfe der
Eingeborenen unternommen, um das verendete oder dem Verenden nahe Thier
im dichten Gebüsch aufzusuchen. Einst auch hatte Mister Crawshay eine
große Löwin angeschossen und diese nach Tagen suchend, stieß einer
seiner Leute unerwartet auf das sterbende Thier, das aber noch so
viel Kraft besaß, den im ersten Augenblick höchst erschrockenen Mann
anzufallen und mit den Zähnen und Tatzen an den Beinen arg zuzurichten,
ehe dessen Rufe gehört und eine Kugel ihn aus den Krallen der wüthenden
Katze befreite.

Schlimmer erging es Doktor M'ckay, derzeit an Bord des Kanonenbootes
»Pionier«, auch einst in Port Herald mein freundlicher Arzt. Er hatte
gehört, im Gebiete Jumbes, in der Nähe des »Livlezi-Flusses« sei eine
Elephanten-Herde gesehen worden und machte sich auf, diese zu jagen;
schon weit den Spuren gefolgt, traf er am 22. Oktober 1894 aber mit
Löwen zusammen, und als ein kühner Jäger, der schon zweimal mit Erfolg
dem König der Thiere entgegengetreten war, nahm er die gefährliche Jagd
auf. Es gelang ihm auch, einen der Löwen zu verwunden und verfolgte das
Thier, bis er nahe gekommen war, um es den Gnadenschuß zu geben.

In dem Augenblick, als der Löwe sich seinem Verfolger zugewendet hatte,
feuerte Dr. M'ckay; das Thier war aber nicht tödtlich getroffen, es
sprang, ehe er einen zweiten Schuß abzugeben im Stande war, vor Schmerz
brüllend, auf ihn, riß ihn, seinen linken Arm zerbrechend, zu Boden und
grub die Tatzen tief in die Schultern des Gefallenen ein.

Nach Aussage der Begleiter, die außer einem Diener, »Musa« mit
Namen, auf Bäumen geklettert waren, hat nun ein furchtbarer Kampf
stattgefunden; der Löwe, von Blutverlust schon sehr geschwächt,
versuchte die Kehle des Doktors zu fassen, was dieser mit dem rechten
Arm und Hand abzuwehren suchte, dabei rufend, daß Musa feuern solle.

Die kurzen Augenblicke, die vergangen waren, ehe der Diener zum
Schießen kam, hatten aber hingereicht, daß der Löwe den Unglücklichen
gräßlich zurichten konnte, und erst, als die Kugel das Thier getroffen,
ließ dieses von dem Doktor ab und wandte sich dem neuen Gegner zu,
brach aber bei diesem Versuche zusammen. Sobald der Doktor mit Hilfe
des Dieners hochgerichtet war, sah er wenige Schritte entfernt den
gewaltigen Löwen liegen, und obgleich er fühlte, daß dieser ihm die
Todeswunde beigebracht hatte, wollte er doch Sieger bleiben. Er hieß
den Diener vor ihm niederknien, faßte mit der schwer verletzten Rechten
seine ihm entfallene Waffe und diese auf der Schulter des treuen
unerschrockenen Schwarzen ruhen lassend, gab er dem sterbenden Löwen
den Gnadenschuß, der dem zähen Leben der mächtigen Katze ein Ende
machte.

Jetzt der grimme Feind besiegt und todt, verließen auch dem kühnen
Jäger die letzten Kräfte; schrecklich von den Tatzen des Löwen
zugerichtet, schwand diesem das Bewußtsein, eine Wohlthat, die die
brennenden Schmerzen auf dem beschwerlichen 15 englische Meilen langen
Wege bis zum provisorischen Lager an der Küste linderte. Von seinen
Leuten behutsam getragen, konnte dort dem Doktor nur die Hilfe zu Theil
werden, welche der Sikhsposten zu leisten im Stande war, und so starb
er nach zwei Tagen, ein Opfer seiner Kühnheit, betrauert von allen, die
ihn gekannt haben. Seine Ruhe aber fand er auf dem Missionskirchhof
der Insel Likoma, wohin ihn der Tags darauf zurückkehrende »Pionier«
gebracht hatte.

Nun kam auch bald für mich die Stunde, Abschied zu nehmen, das große
Werk war vollendet, in rastloser Arbeit das Mögliche erstrebt;
zwei Jahre waren wieder hingegangen in Kampf und Streit, in Mühen
und Gefahren, und so konnte auch ich mit dem Bewußtsein, die ganze
Kraft und Können für die Ehre des deutschen Namens eingesetzt zu
haben, zufrieden von der Stätte der Arbeit scheiden und die Schritte
heimwärts lenken. Nachdem unsere Ablösung in Fort Johnston gegen Ende
März eingetroffen war, fuhr ich mit Spenker in einem Missionsboote
flußabwärts nach Matope und als das Schiregebirge überschritten war,
setzten wir die Fahrt auf dem Schirefluß unterhalb der Katarakte
stromabwärts nach Chilomo fort, wo wir uns auf einem Flußdampfer
einschifften und mit solchem Chinde und den Ozean wieder erreichten.
Was ich aber auf diesem langen Wege (einen Monat gebrauchten wir bis
zur Küste vom Nyassa-See) an Elend und Verderben gesehen, welches
die Heuschrecken über das ganze Land gebracht hatten, will ich
zusammenfassen, indem ich dem Empfinden Ausdruck gebe, mit welchem ich
aus eigener Anschauung die Vernichtung gesehen.

Der Hunger, der grausamste Feind der Menschheit, zieht vernichtend,
schlimmer als der unerbittliche Krieg, durch ungeheure Gefilde Afrikas,
deren Bewohner, abgeschlossen von allen Mitteln, -- die niedrige
Kulturstufe, auf der sie stehen, hat solche ihnen noch zu wenig an die
Hand gegeben -- dem bleichen Tod in das Angesicht schauen und unter
Qualen, wie sie die lebhaftigste Phantasie nicht zu ersinnen vermag,
dahinsterben. Hohlwangig bis zu Skeletten abgezehrt, vom bittersten
Schmerz, wie ihn nur der Hunger bereiten kann, gefoltert, schleichen
die wankenden Gestalten über die von der Sonnengluth ausgedörrte Erde
hin, oder in rauchgeschwärzten Hütten liegend, ergeben sie sich in das
unvermeidliche Schicksal.

Kein Grashalm, keine Erdfrucht, die sonst in Zeiten der Noth den
Hunger gewehrt, bis die nächste Ernte Ueberfluß an Allem gebracht,
ist mehr zu finden, um den furchtbaren Schmerz in den Eingeweiden
zu lindern; überall Vernichtung, soweit das Auge schweift, nur öde,
harte Grasstengel, selbst für den Urheber all' dieser unsäglichen Qual
unverdaulich, absolut nichts hat die gierige Heuschrecke, zu Millionen
einfallend, verschont, jedes keimende Pflänzchen an Mais, Mtama oder
Erdfrucht ist vernichtet, und die Ernte, die einzige Lebensbedingung,
die der Neger kennt und wofür er noch arbeitet, ist zerstört.

Der Vernichtung ist alles Pflanzenleben und mit diesem auch des
Menschen Existenz preisgegeben. Heben sich auch Abertausende dieser
unersättlichen Nager von einem vernichteten Distrikt hinweg, um anderen
blühenden Gefilden dasselbe Loos zu bereiten, so lassen sie doch die
junge Brut zurück, die das Werk vollenden und durch Hunger schließlich
der eigenen Vernichtung anheimfallen. Unsäglich traurig ist der Anblick
einst blühender Anpflanzungen, leer sind längst die Vorrathskammern,
die der Ueberfluß einst gefüllt hatte, und der bittere Hunger treibt
die Eingeborenen hinweg, um vielleicht unbarmherzigen Feinden in die
Hände zu fallen, die alle Bande trennend den Aermsten das Sklavenloos
bereiten, aber bitterweh thut der Hunger -- selbst das herbste Loos
scheint dem Menschen leicht, wenn er dadurch nur dem grimmen Feinde
wehren kann!

Zwar erklärt der Eingeborene den Heuschrecken nicht minder den Krieg,
und in solchen Fällen kennt die Noth kein Gebot, in Massen werden
sie über Feuer geröstet, verzehrt, aber ohnmächtig steht er doch
schließlich dem schrecklichen Feinde gegenüber, der selbst, wenn er
alles zerstört hat, auch den Menschen nicht mehr als Nahrung dienen
kann.

Auf dem hochgeschwollenen Schireflusse, der pfeilgeschwind seine
schmutzig grauen Fluthen über dem starken Gefälle dahinwirbelte, suchte
ich an vielen Stellen für meine Leute Nahrung, aber wenig konnten die
Uferbewohner nur geben, denn am Zerstörungswerke arbeiteten auch hier
die Heuschrecken, die Hungersnoth mußte kommen, keine Menschenmacht
konnte hier mehr Einhalt gebieten.

In Chilomo an der Mündung des Ruo-Flusses bot sich mir ein
abschreckendes Bild furchtbarer Zerstörung dar, die Gräben waren
thatsächlich fußhoch mit todten Heuschrecken angefüllt, auf deren
Leibern die junge Brut wimmelte, und jeder Fußtritt des Menschen
in dem abgenagten Gestrüpp scheuchte Tausende auf, die, unfähig zu
fliegen, sich an die kahlen Stengeln klammerten und noch gierig nach
Nahrung suchten, die Luft war verpestet, und selbst der Mensch floh vor
dem Würger Tod; so sind weite Strecken von dieser furchtbaren Plage
heimgesucht und sie forderte ungezählte Opfer!

Der Schirefluß ist während der Regenzeit unberechenbar, er hatte im
Februar 1894 schon eine abnorme Höhe erreicht und war hier bei Chilomo
19 Fuß hoch so plötzlich gestiegen, daß die große Handelsniederlassung
gefährdet wurde, ebenso schnell fiel er auch, sonst wäre wohl der durch
die fessellosen Fluthen entstandene Schaden sehr groß geworden. Die
Stromschnelle bei Ziu-Ziu, die wir 1892 mit so vieler Mühe passiren
mußten, war jetzt ganz verschwunden, die Insel Pinda überschwemmt, und
jenes versandete Flußbett, worin der »Pfeil« lange Zeit festgelegen
hatte, durch die starke Strömung wieder schiffbar geworden; überhaupt
waren die Ufer des Schire streckenweise ganz verändert und mir bekannte
Punkte, wo wir einst mit der Expedition gerastet hatten, unkenntlich
geworden. Auffällig aber war es, welchen großen Aufschwung der Handel
und Verkehr in kaum zwei Jahren auf dem Zambesi und Schire genommen
hatte. Schon in Katunga sah ich, daß die dort lagernden Güter, zum
Theil nach dem Nyassa- und Tanganjika-See bestimmt, nicht bewältigt
werden konnten, in Chilomo überzeugte ich mich, daß hier das Gleiche
der Fall war, Häuser und Schuppen waren mit Waaren überfüllt.

Zwischen hier und dem aufblühenden Misongwe waren allein 4 neue
Stationen errichtet, und trotz der an Zahl mehr als das Doppelte
zugenommenen Flußdampfer, der vielen Leichter, war der Waarenandrang
nicht zu bewältigen. Zwar war durch Konkurrenz das Privilegium
der einstigen African-Lakes-Comp. durchbrochen worden, die Handel
und Verkehr allein in Händen gehabt, dennoch, durch die Macht des
englischen Kapitals, erkennend, welche hohe Bedeutung die Wasserstraße
Zambesi-Schire gewinnen werde, nahm dieselbe Gesellschaft, nur unter
neuem Namen, den Kampf erfolgreich auf.

Ein thunlichst gehütetes Geheimniß von englischer und zum Theil von
portugiesischer Seite war einst die Schiffbarkeit des Chinde-Armes
zum Zambesi, erst die Wißmann-Expedition brachte allgemeine Kenntniß
hierüber und dieser namentlich ist der ungeahnte Aufschwung des Handels
zu verdanken. Die Engländer, die Portugals Besitz sozusagen sich
dienstbar gemacht haben und die deutsche Konkurrenz fürchten, warfen
ihr allgewaltiges Kapital auf dieses Gebiet und eroberten es mit der
bekannten Rücksichtslosigkeit.

Der Ort Chinde, zur Zeit, als wir mit der deutschen Expedition dort
lange gerastet, bestand fast nur aus wenigen Negerhütten; zurückgekehrt
fand ich eine Stadt vor, die sich mit Hilfe des englischen Kapitals
unglaublich schnell entwickelt hatte; vom Tanganjika-See bis zur
Chinde-Mündung hat der Engländer alles an sich gerissen, die
Konkurrenz, die ihm entstanden, fürchtet er nicht mehr.

Hat sich doch leider das vorzügliche deutsche Transportmaterial,
Dampfer und Leichter, auf dem Zambesi-Schire, weil das deutsche
Kapital zu bedächtig, zögernd vorging, den Engländern auch noch zur
Verfügung gestellt, womit, wenn entschlossener der deutsche Handel hier
vorgegangen und der mächtigen Expedition unmittelbar gefolgt wäre,
nicht blos ein ebenbürtiger Konkurrent dem Engländer erwachsen wäre,
sondern auf der internationalen Wasserstraße hätte deutscher Einfluß
sich schnell ein ertragreiches Feld erobert, was um so dringender
geboten war, als der mit so enormen Kosten und Mühen am Nyassa-See
erbaute Dampfer »H. v. Wißmann« dann nicht blos ein Machtobjekt,
sondern dem deutschen Handel auch eine starke Stütze geworden wäre.

Mit der schnellen Entwicklung des Landes steigt der Verkehr und Bedarf,
immer mehr erschließen sich die reichen Quellen, die Wohlstand und
sichern Gewinn versprechen. Selbst Portugal, den Reichthum seiner
Kolonie nicht ahnend, durch seinen schlimmsten Gegner, den Engländer,
der es überall abzudrängen sucht, erst darauf aufmerksam gemacht, rafft
sich auf; Zuckerplantagen, die ölhaltige Erdnuß etc. werden am Zambesi
und Schire angelegt und angebaut. Die Morambala-Berge kultivirt,
versprechen wie das Schire-Hochland für Kaffee etc. ein ergiebiges
Feld, und namentlich ist es hier ein Deutscher, Herr Wiese, der für
Portugal gewaltige Anstrengungen macht.

Liegt es auch im Interesse der Deutschen Ostafrikanischen Kolonie
möglichst unabhängig vorzugehen auf eigenem Gebiet, und direkte
Handelswege mit den großen Seeen herzustellen, so war doch das
Natürlichste, vorerst den gewiesenen Weg zu gehen und in doppelter
Beziehung für den deutschen Kaufmann geboten, hier festen Fuß zu fassen
und den friedlichen Konkurrenzkampf aufzunehmen, als erstens, wo
England reiche Früchte erhofft, blühen uns solche nicht minder für die
Zukunft, und zweitens, unter der Aegide des deutschen Schutzes wäre das
deutsche Kapital eine Macht geworden, das, wenn über kurz oder lang der
Fall eintritt, daß Portugal seine Kolonie aufgeben muß, den englischen
Uebergriffen Halt gebieten konnte. Nichts liegt im Interesse der
deutschen Kolonie näher, als zu verhindern, daß einst der Rowumafluß
deutsch-englische Grenze wird. Noch ist es an der Zeit, das reiche und
fruchtbare portugiesisch Ostafrika für uns zu sichern, ehe englische
Handelspolitik uns den Weg verlegt und wir einen geschulten Gegner
finden, der rücksichtslos vorwärts schreitet.

Es ist eine dringende Pflicht, und jede Verzögerung bringt Gefahr, auch
hier mit aller Kraft das Feld zu behaupten, schnelles Entschließen und
rasches Handeln ist erforderlich, denn mit Riesenschritten schreitet
die Entwicklung fort und Deutschland sollte gewonnenen Einfluß nicht
gefährden dadurch, daß dem englischen Kapital auf streitigem Gebiet
der Vorrang gelassen wird, was wir versäumen, wird voraussichtlich für
immer uns verloren sein.

Sehr oft schon ist von manchem berufenen Kenner unserer afrikanischen
Besitzung ein warmer Apell an das deutsche Volk und dessen Vertreter
gerichtet worden; mit felsenfester Ueberzeugung wurde für die
Rentabilität der deutschen Kolonien eingetreten und gefordert,
schneller und energischer vorzugehen. Die Eigenart und Bedächtigkeit
der deutschen Natur aber folgte den lockenden Rufen nicht; vor allen
jene Kreise, die durch überseeische Handelsbeziehungen und Erfahrung
die Berufensten gewesen wären, zögerten, dem freien Kaufmanne schien
die Entwickelung seiner Handelsprinzipien nicht sonderlich förderlich
unter der strengen Aufsicht eines bureaukratischen Systems, das
mit dem Militarismus Hand in Hand gedeihliche Zustände zu schaffen
sich bemühte. Bedenkt man aber, daß beide Kategorien nur so positiv
dauerndes schaffen können -- wie es der Aufbau des preußischen und
deutschen Staates auf solcher Grundlage bewiesen -- wird sich auch in
den deutschen Kolonien, langsam zwar aber sicher, System auf System
aufbauen und der rechte Weg gefunden werden; die Zugehörigkeit zum
Mutterlande wird eine dauernd bindende dadurch werden, und nicht wie im
Kolonialreich England sich nach erfolgtem Aufblühen, der Wunsch nach
Selbständigkeit und Unabhängigkeit frühzeitig regen.

Obwohl, und das sei ausdrücklich betont, der deutsche Kaufmann,
der im Auslande einen freien unbefangenen Ueberblick für sein
Streben gewonnen, sich durch ein gewisses Vorurtheil noch beengt
fühlt, wird doch, sobald sich auf Grund gemachter Erfahrungen ein
bestimmtes Kolonialsystem herausgebildet hat, wozu mit der Ernennung
des Herrn Majors von Wißmann zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika
glücklicherweise der Anfang gemacht ist, schließlich sich damit
befreunden und seine Erfahrung und Kapital, woran es bisher so
vielfach gemangelt hat, in die deutschen Kolonien hineinwerfen. Die
Nothwendigkeit, eine beschleunigte Erschließung des deutschen Gebietes
durch zeitgemäße Verkehrswege in die Wege zu leiten, tritt immer
zwingender hervor, durch sie aber wird auch das reiche Seeengebiet,
wo dem deutschen Geist und der deutschen Arbeit ein weites Feld sich
öffnet, schnell erschlossen werden.

Der Deutsche, durch seine Beständigkeit und Fleiß, ist der beste und
geeignete Kulturarbeiter der Erde, was er ja schon tausendfach bewiesen
hat und unter dem Schutze des mächtigen Vaterlandes, unter dem Schutze
einer seebeherrschenden, wehrkräftigen und starken Marine wird er auch
die deutschen Kolonien, das größere Deutschland über See, zur hohen
Blüthe bringen; hoffen wir solches für die Zukunft, und möge das Werk,
wofür die deutschen Pioniere, vor allem Major von Wißmann, gerungen und
gestrebt haben, dem Vaterlande und dem deutschen Volke zum dauernden
Segen gereichen! --


                                ~Ende.~




                       Druckfehler-Verzeichniß.


    Seite 65, Zeile 8 lies: Unsere Fahrt flußaufwärts ging dennoch gut
                            von Statten, auch änderte sich die Scenerie,
                            als nicht wie bisher blos Grassteppen, von
                            Busch und Wald unterbrochen, die einzigen
                            Objekte blieben, sondern neben den weithin
                            sichtbaren Moramballa-Bergen, bei klarem
                            Wetter auch die Sasuni-Hügel und Schimvara-
                            Berge zu sehen waren. Zu unserer Rechten
                            treten schon die Ausläufer etc.

      "   84,   "  43   "   Mädchen statt Männer.

      "   91,   "  20   "   flußabwärts statt flußaufwärts.

      "  106,   "  18   "   Wissemann statt Wißmann.

      "  151,   "  20   "   abwärts statt auswärts.

      "  163,   "  40   "   nicht statt der.

      "  164,   "  12   "   ich war nicht.

      "  166,   "  26   "   wahren statt waren.

      "  215,   "   6   "   genährt statt gewährt.

      "  217,   "  31   "   von statt nach.

      "  372,   "  21   "   Kayser-Bucht statt Kroyser-Bucht.

      "  391,   "  21   "   Merere statt Marara.

      "  404,   "  20   "   Rinne statt Ruinen.

      "  419,   "  30   "   und doch.

      "  420,   "  27   "   Station statt Nation.

                            [Illustration]





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DEUTSCHE DAMPFER-EXPEDITION ZUM NYASSA-SEE. ***


    

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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
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exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
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While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
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approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
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Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
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ways including checks, online payments and credit card donations. To
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Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
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