The Project Gutenberg EBook of Die Gruendung des Deutschen Zollvereins by
Heinrich von Treitschke



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Title: Die Gruendung des Deutschen Zollvereins

Author: Heinrich von Treitschke

Release Date: October, 20 2007 [Ebook #23065]

Language: German

Character set encoding: US-ASCII


***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE GRUeNDUNG DES DEUTSCHEN ZOLLVEREINS***





Die Gruendung des Deutschen Zollvereins


by Heinrich von Treitschke




Edition 01 , (October, 20 2007)





                            Die Gruendung des
                          Deutschen Zollvereins



                             Dargestellt von

                          Heinrich v. Treitschke





INHALT


Die Gruendung des Deutschen Zollvereins.
   Vorwort
   1. Maassen und das neue Preussische Zollgesetz.
   2. Der Kampf gegen das preussische Zollgesetz und der erste preussische
   Zollvertrag.
   3. Der Kampf um das preussische Zollgesetz auf den Wiener Konferenzen.
   4. Die Darmstaedter Zollkonferenzen.
   5. Motzs deutsche Handelspolitik.
   6. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
      a) _Die Stuttgarter Zollkonferenzen._
      b) _Der preussisch-hessische und der bayrisch-wuerttembergische
      Zollverein._
      c) _Der Mitteldeutsche Handelsverein._
      d) _Preussens Sieg. Preussisch-Bayrischer Handelsvertrag._
   7. Der Deutsche Zollverein.
      a) _Kurhessens Beitritt._
      b) _Beitritt des Sueddeutschen Zollvereins._
      c) _Anschluss von Sachsen und Thueringen._
      d) _Politische Bedeutung des Deutschen Zollvereins._
   Register.






DIE GRUeNDUNG DES DEUTSCHEN ZOLLVEREINS.




Vorwort


Ein Quellenbuch mit Urkunden, Briefen und sonstigen Aktenstuecken zur
Geschichte des Deutschen Zollvereins duerfte auf allgemeines Interesse kaum
rechnen und muesste bei der Laenge der Zeit, ueber die sich die Verhandlungen
hinschleppten, nur ein kuemmerlicher Torso sein, der niemand gefiele.
Dagegen darf die klassische Darstellung, die Heinrich v. Treitschke in
seiner Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert dieser groessten Schoepfung
der Friedensregierung Friedrich Wilhelms III. gewidmet hat, selbst den
Wert einer Quelle beanspruchen, da sie auf einem umfassenden Studium aller
in Betracht kommenden Akten und Briefwechsel beruht, von denen die
wenigsten der wissenschaftlichen Forschung bisher durch den Druck
zugaenglich gemacht sind.

Im folgenden sind die in Betracht kommenden Kapitel der Deutschen
Geschichte mit geringen Auslassungen, die vom Leser wohl nirgends als
Luecken empfunden werden duerften, mit freundlich gewaehrter Erlaubnis der
Verlagsbuchhandlung zu einer Einheit zusammengefasst und wirken in dieser
Form fast wuchtiger als in der Verstreuung ueber drei dicke Baende, wie sie
der chronologische Aufbau des alle Seiten des deutschen Lebens
umspannenden Werkes mit sich bringt. Sie reden eine so eindringliche
Sprache von einer jammervollen Vergangenheit deutschen Kleinlebens, dass
man nur wuenschen kann, dass die Stimme des tapferen Rufers im Streit fuer
nationale Einigung auch weiterhin gehoert werde, nachdem ihn selbst schon
seit Jahren der kuehle Rasen deckt.

_Leipzig,_ 19. Mai 1913.

*Horst Kohl.*




1. Maassen und das neue Preussische Zollgesetz.


In dem Sturm und Drang der grossen Reformperiode war fuer die Umgestaltung
des alten preussischen Akzisewesens wenig geschehen; man hatte sich
begnuegt, dem flachen Lande mehrere staedtische Steuern aufzulegen und in
Altpreussen die Einfuhr fremder Fabrikwaren gegen eine Akzise von 8 1{~FRACTION SLASH~}3
Prozent des Wertes zu gestatten. Daneben bestanden in den alten Provinzen
noch 67 verschiedene Tarife, nahezu 3000 Warenklassen umfassend; ausserdem
die kursaechsische Generalakzise im Herzogtum Sachsen, das schwedische
Zollwesen in Neuvorpommern, in den Rheinlanden endlich seit Aufhebung der
napoleonischen Douanen ein schlechterdings anarchischer Zustand. Und diese
unertraegliche Belaestigung des Verkehrs gewaehrte doch, da eine geordnete
Grenzbewachung noch fehlte, keinen Schutz gegen das Ausland. Auch in dem
chaotischen Geldwesen zeigte sich die Abhaengigkeit des verarmten Staates
von den Fremden: in Posen und Pommern mussten 48, in den Provinzen links
von der Elbe 71 fremde Geldsorten amtlich anerkannt und tarifiert werden.
Schon laengst bemerkte der Koenig mit Besorgnis, wie schwer der gesetzliche
Sinn des Volkes durch die Fortdauer des ueberlebten Prohibitivsystems
geschaedigt wurde. Seit die buergerlichen Gewerbe auf dem platten Lande sich
ansiedelten, nahm der Schmuggel einen ungeheuren Aufschwung. Im Jahre 1815
versteuerte jeder Materialwarenladen der alten Provinzen taeglich nur zwei
Pfund Kaffee.

Auch die unhaltbaren Verhaeltnisse an der Ostgrenze mahnten zu rascher Tat.
Sobald Preussen, Polen und Russland im Maerz 1816 zu Warschau wegen der
Ausfuehrung des Wiener Vertrages vom 3. Mai 1815 zu verhandeln begannen,
stellte sich bald heraus, dass Hardenberg in Wien von dem Fuersten
Czartoryski ueberlistet worden war. Die scheinbar so harmlosen Bestimmungen
des Vertrags ueber die freie Durchfuhr und den freien Verkehr mit den
Landeserzeugnissen aller vormals polnischen Landschaften legten dem
preussischen Staate fast nur Pflichten auf, da sein Gebiet das
Durchfuhrland bildete. Um der Abrede buchstaeblich zu genuegen, haette
Preussen seine polnischen Provinzen von dem uebrigen Staatsgebiete durch
eine Zollinie trennen muessen, waehrend Russland, dem Vertrage zuwider, seine
alte Zollgrenze, die das polnische Litauen von Warschau abschied,
unveraendert liess und auch Oesterreich sich keineswegs geneigt zeigte,
seinen polnischen Kronlanden handelspolitische Selbstaendigkeit
zuzugestehen. Die polnischen Unterhaendler sahen in dem Vertrage ein
willkommenes Mittel, um durch die Ansiedlung von Handelsagenten und
Kommissionaeren ihre nationale Propaganda in Preussens polnische Gebiete
hineinzutragen. Sie erdreisteten sich, der Krone Preussen geradezu die
unbeschraenkte Souveraenitaet ueber Danzig zu bestreiten, und stellten so
uebermuetige Forderungen, dass der Koenig mit einer entschiedenen Ablehnung
antwortete, als Zar Alexander nach seiner Gewohnheit versuchte, die
Ansprueche der Polen durch einen zaertlichen Freundesbrief zu unterstuetzen.
Der unerquickliche Verlauf dieser Verhandlungen zwang zu dem Entschlusse,
die polnischen Landschaften den uebrigen Provinzen des Ostens voellig
gleichzustellen. Auf der anderen Seite lehrten die Frankfurter
Erfahrungen, dass ein Bundeszollgesetz ganz unmoeglich war und Preussen
mithin zunaechst im eigenen Hause Ordnung schaffen musste.

Im Jahre 1816 erfolgten die ersten vorbereitenden Schritte. Das Verbot der
Geldausfuhr ward aufgehoben, das Salzregal in allen Provinzen gleichmaessig
eingefuehrt; dann sprach die Verordnung vom 11. Juni die Aufhebung der
Wasser-, Binnen- und Provinzialzoelle als Grundsatz aus und verhiess die
Einfuehrung eines allgemeinen und einfachen Grenzzollsystems. Zu Anfang des
folgenden Jahres war der Entwurf fuer das neue Zollgesetz beendigt. Sobald
aber von den reformatorischen Absichten des Entwurfs Einiges ruchbar ward,
erscholl der Notschrei der geaengstigten Produzenten weithin durch das
Land. Leidenschaftliche Eingaben der Baumwoll- und Kattunfabrikanten aus
Schlesien und Berlin, die doch allesamt unter der bestehenden Unordnung
schwer litten, bestaetigten die alte Wahrheit, dass die Selbstsucht der
Menschen der schlimmste Feind ihres eigenen Interesses ist. Der Laerm ward
so bedrohlich, dass der Koenig fuer noetig hielt, zunaechst eine
Spezialkommission mit der Pruefung dieser Vorstellungen zu beauftragen.
Hier errang die alte friderizianische Schule noch einmal die Oberhand. Der
Vorsitzende, Oberpraesident v. Heydebreck, betrachtete als hoechste Aufgabe
der Handelspolitik "das Numeraire dem Lande zu konservieren"; die Mehrheit
beschloss, der Krone die Wiederherstellung des Verbotsystems, wie es bis
zum Jahre 1806 bestanden, anzuraten. Aber zugleich mit diesem Bericht ging
auch ein geharnischtes Minderheitsgutachten ein, verfasst von Staatsrat
Kunth, dem Erzieher der Gebrueder Humboldt, einem selbstbewussten Vertreter
des altpreussischen Beamtenstolzes, der das gute Recht der Bureaukratie
oftmals gegen die aristokratische Geringschaetzung seines Freundes Stein
verteidigte. Mit den Zustaenden des Fabrikwesens aus eigener Anschauung
gruendlich vertraut, lebte und webte er in den Gedanken der neuen
Volkswirtschaftslehre. "Eigentum und Freiheit, darin liegt alles; es gibt
nichts anderes" -- so lautete sein Kernspruch. Als das aergste Gebrechen der
preussischen Industrie erschien ihm die erstaunlich mangelhafte Bildung der
meisten Fabrikanten, eine schlimme Frucht des Uebergewichts der gelehrten
Klassen, welche nur durch den Einfluss des auswaertigen Wettbewerbs
allmaehlich beseitigt werden konnte; waren doch selbst unter den ersten
Fabrikherren Berlins viele, die kaum notduerftig ihren Namen zu schreiben
vermochten.

Kunths Gutachten fand im Staatsrate fast ungeteilte Zustimmung; es liess
sich nicht mehr verkennen, dass die Aufhebung der Handelsverbote nur die
notwendige Ergaenzung der Reformen von 1808 bildete. Als das Plenum des
Staatsrats am 3. Juli ueber das Zollgesetz beriet, sprachen die politischen
Gegner Gneisenau und Schuckmann einmuetig fuer die Befreiung des Verkehrs.
Oberpraesident Merckel und Geh. Rat Ferber, ein aus dem saechsischen Dienste
heruebergekommener trefflicher Nationaloekonom, fuehrten aus, dass dem
Notstande des Gewerbefleisses in Schlesien und Sachsen nur durch die
Freiheit zu begegnen sei; und zuletzt stimmten von 56 Anwesenden nur drei
gegen das Gesetz: Heydebreck, Ladenberg und Geh Rat Beguelin. Am 1. August
genehmigte der Koenig von Karlsbad aus "das Prinzip der freien Einfuhr fuer
alle Zukunft". Nun folgten neue peinliche Verhandlungen, da es anfangs
unmoeglich schien, die neue Ordnung gleichzeitig in den beiden Haelften des
Staatsgebiets einzufuehren. Endlich, am 26. Mai 1818, kam das Zollgesetz
fuer die gesamte Monarchie zustande.

Sein Verfasser war der Generaldirektor Karl Georg _Maassen_(1), ein Beamter
von umfassenden Kenntnissen, mit Leib und Seele in den Geschaeften lebend,
ein Mann, der hinter kindlich anspruchslosen Umgangsformen den kuehnen Mut
des Reformers, eine tiefe und freie Auffassung des sozialen Lebens
verbarg. Aus Cleve gebuertig, hatte er zuerst als preussischer Beamter in
seiner Heimat, dann eine Zeitlang im bergischen Staatsdienste die
Grossindustrie des Niederrheins, nachher bei der Potsdamer Regierung die
Volkswirtschaft des Nordostens kennen und also die Theorien Adam
Smiths(2), denen er von fruehauf huldigte, durch vielseitige praktische
Erfahrung zu ergaenzen gelernt. So ging er auch beim Entwerfen des
Zollgesetzes nicht von einer fertigen Doktrin aus, sondern von drei
Gesichtspunkten der praktischen Staatskunst. Die Aufgabe war: zunaechst in
der gesamten Monarchie durch Befreiung des inneren Verkehrs eine lebendige
Gemeinschaft der Interessen zu begruenden, sodann dem Staate neue
Einnahmequellen zu eroeffnen, endlich dem heimischen Gewerbefleiss einen
maechtigen Schutz gegen die englische Uebermacht zu gewaehren und ihm doch
den heilsamen Stachel des auslaendischen Wettbewerbs nicht gaenzlich zu
nehmen. Wo die Wuensche der Industrie den Anspruechen der Staatskassen
widersprachen, da musste das Interesse der Finanzen vorgehen; dies gebot
die Bedraengnis des Staatshaushalts.

Die beiden ersten Paragraphen des Gesetzes verkuendigten die Freiheit der
Ein-, Aus- und Durchfuhr fuer den ganzen Umfang des Staates. Damit wurde
die volle Haelfte des nichtoesterreichischen Deutschlands zu einem freien
Marktgebiete vereinigt, zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft, welche,
wenn sie die Probe bestand, sich auch ueber die andere Haelfte der Nation
erweitern konnte. Denn die schroffsten Gegensaetze unseres vielgestaltigen
sozialen Lebens lagen innerhalb der preussischen Grenzen. War es moeglich,
Posen und das Rheinland ohne Schaedigung ihrer wirtschaftlichen Eigenart
derselben wirtschaftlichen Gesetzgebung zu unterwerfen, so war schon
erwiesen, dass diese Gesetze mit einigen Aenderungen auch fuer Baden und
Hannover genuegen mussten. Preussen hatte sich -- so sagte Maassen oftmals --
genau die naemlichen Fragen vorzulegen wie alle die anderen deutschen
Staaten, welche ernstlich nach Zolleinheit verlangten, und konnte, wegen
der Mannigfaltigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen, leichter als jene
die richtige Antwort finden. Aber die Ausfuehrung des Gedankens, die
Verlegung der Zoelle an die Grenzen des Staates war in Preussen schwieriger
als in irgendeinem anderen Reiche; sie erschien zuerst vielen ganz
unausfuehrbar. Man sollte eine Zollinie von 1073 Meilen bewachen, je eine
Grenzmeile auf kaum fuenf Geviertmeilen des Staatsgebiets, und zwar unter
den denkbar unguenstigsten Verhaeltnissen, da die kleinen deutschen Staaten,
die mit dem preussischen Gebiete im Gemenge lagen, zumeist noch kein
geordnetes Zollwesen besassen, ja sogar den Schmuggel grundsaetzlich
beguenstigten. Solche Bedraengnis veranlasste die preussischen Finanzmaenner
zur Aufstellung eines einfachen uebersichtlichen Tarifs, der die Waren in
wenige grosse Klassen einordnete. Eine umfaengliche, verwickelte Zollrolle,
wie sie in England oder Frankreich bestand, erforderte ein zahlreiches
Beamtenpersonal, das in Preussen den Ertrag der Zoelle verschlungen haette.
Durch denselben Grund wurde Maassen bewogen, die Erhebung der Zoelle nach
dem Gewichte der Waren vorzuschlagen, waehrend in allen anderen Staaten das
von der herrschenden Theorie allein gebilligte System der Wertzoelle galt.
Die Abstufung der Zoelle nach dem Werte wuerde die Kosten der Zollverwaltung
unverhaeltnismaessig erhoeht haben; zudem lag in der hohen Besteuerung
kostbarer Waren eine starke Versuchung zum Schmuggelhandel, welche ein
Staat von so schwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte.

Auch in der grossen Prinzipienfrage der Handelspolitik gab die Ruecksicht
auf die Finanzen den Ausschlag. Der Staat hatte die Wahl zwischen zwei
Wegen. Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Beispiel
Prohibitivzoelle einfuehren, um diese sodann als Unterhandlungsmittel gegen
die Westmaechte zu benutzen und also Zug um Zug durch Differentialzoelle zur
Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte sogleich in Preussen
ein System maessiger Zoelle zu gruenden, in der Hoffnung, dass die Natur der
Dinge die grossen Nachbarreiche dereinst in dieselbe Bahn draengen werde.
Maassen fand den Mut, den letzteren Weg zu waehlen, vornehmlich, weil der
zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzoellen dem Beduerfnis der Staatskassen
nicht genuegen konnte. Verboten wurde allein die Einfuhr von Salz und
Spielkarten; die Rohstoffe blieben in der Regel abgabenfrei oder einem
ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Manufakturwaren sollte ein
maessiger Schutzzoll erhoben werden, nicht ueber 10 Prozent, ungefaehr der
ueblichen Schmuggelpraemie entsprechend. Die Kolonialwaren dagegen
unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20 Prozent, da Preussen an
seiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel besass, diese Produkte
wirksam zu besteuern.

Dies freieste und reifste staatswirtschaftliche Gesetz des Zeitraums wich
von den herrschenden Vorurteilen so weit ab, dass man im Auslande anfangs
ueber die gutmuetige Schwaeche der preussischen Doktrinaere spottete. Den
Staatsmaennern der absoluten Monarchie faellt ein undankbares
entsagungsvolles Los. Wie laut preist England heute seinen William
Huskisson(3), *one of the world's great spirits*; alle gesitteten Voelker
bewundern die Freihandelsreden des grossen Britten. Der Name Maassens aber
ist bis zur Stunde in seinem eigenen Vaterlande nur einem engen
Gelehrtenkreise vertraut. _Und doch hat die grosse Freihandelsbewegung
unseres Jahrhunderts nicht in England, sondern in Preussen ihren ersten
bahnbrechenden Erfolg errungen._ Das wiederhergestellte franzoesische
Koenigtum hielt in dem Tarife von 1816 die strengen napoleonischen
Prohibitivzoelle gegen fremde Fabrikwaren hartnaeckig fest. Die Selbstsucht
der Emigranten fuegte noch schwere Zoelle auf die Erzeugnisse des Landbaues,
namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war nur ein
Teil des Handelsstandes fuer die Lehren der Verkehrsfreiheit gewonnen. Noch
stand der Grundherr treu zu den hohen Kornzoellen, der Reeder zu Cromwells
Navigationsakte(4), der Fabrikant zu dem harten Prohibitivsysteme; noch
urteilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einst Burke(5) ueber Adam Smith:
solche abstrakte Theorien sind gut genug fuer das stille Katheder von
Glasgow(6). Erst das kuehne Vorgehen der Berliner Staatsmaenner ermutigte
die englischen Freihaendler, mit ihrer Meinung herauszuruecken. Auf das
"glaenzende Beispiel, welches Preussen der Welt gegeben", berief sich die
freihaendlerische Petition der Londoner City, welche Baring im Mai 1820 dem
Parlamente uebergab. An Preussen dachte Huskisson, als er seinen beruehmten
Satz aufstellte: "Der Handel ist nicht Zweck, er ist das Mittel, Wohlstand
und Behagen unter den Voelkern zu verbreiten" und seinem Volke zurief:
"Dies Land kann nicht still stehen, waehrend andere Laender vorschreiten in
Bildung und Gewerbefleiss".

Den freihaendlerischen Ansichten der preussischen Staatsmaenner genuegte das
neue Gesetz nicht voellig. Man ahnte im Finanzministerium wohl, dass der
weitaus groesste Teil des Zollertrags allein von den gangbarsten
Kolonialwaren aufgebracht werden und die Staatskasse von anderen Zoellen
nur geringen Vorteil ziehen wuerde. Aber man sah auch, dass jedem
Steuersystem durch die Gesinnung der Steuerpflichtigen feste Schranken
gezogen sind; die oeffentliche Meinung jener Tage wuerde der Regierung nie
verziehen haben, wenn sie den Kaffee besteuert, den Tee frei gelassen
haette. Maassen verwarf jede einseitige Beguenstigung eines Zweiges der
Produktion, er rechnete auf das Ineinandergreifen von Ackerbau, Gewerbe
und Handel und betrachtete die Schutzzoelle nur als einen Notbehelf, um die
deutsche Industrie allmaehlich zu Kraeften kommen zu lassen. Schon bei der
ersten Revision des Tarifs im Jahre 1821 tat man einen Schritt weiter im
Sinne des Freihandels, vereinfachte den Tarif und setzte mehrere Zoelle
herab. Waehrend das Gesetz von 1818 fuer die westlichen Provinzen einen
eigenen Tarif mit etwas niedrigeren Saetzen aufgestellt hatte, fiel jetzt
der Unterschied zwischen den Provinzen hinweg; die Zollrolle von 1812
bildete in Form und Einrichtung die Grundlage fuer alle spaeteren Tarife des
Zollvereins.

Derweil der Staatsrat diese Reform zum Abschluss brachte, erging sich die
unreife nationaloekonomische Bildung der Zeit in widersprechenden Klagen.
Die Massen meinten die Verteuerung des Lebensunterhalts nicht ertragen zu
koennen, die Fabrikanten sahen "dem englischen Handelsdespotismus" Tuer und
Tor geoeffnet und bestuermten den Thron abermals mit so verzweifelten
Bittschriften, dass der Koenig, obwohl selbst mit Maassens Plaenen ganz
einverstanden, doch eine nochmalige Pruefung des schon unterschriebenen
Gesetzes befahl. Erst am 1. September 1818 wurde das Zollgesetz
veroeffentlicht, erst zu Neujahr 1819 traten die neuen Grenzzollaemter in
Taetigkeit. Am 8. Februar 1819 erschien das ergaenzende Gesetz ueber die
Besteuerung des Konsums inlaendischer Erzeugnisse, wonach nur Wein, Bier,
Branntwein und Tabaksblaetter einer Steuer unterlagen, die ohne
unmittelbare Belaestigung der Verzehrer von den Produzenten zu erheben war.

Die neue Gesetzgebung hielt im ganzen sehr gluecklich die Mitte zwischen
Handelsfreiheit und Zollschutz. Nur nach einer Richtung hin wich sie
auffaellig ab von den Grundsaetzen des gemaessigten Freihandels: sie belastete
den Durchfuhrhandel unverhaeltnismaessig schwer. Der Zentner Transitgut
zahlte im Durchschnitt einen halben Taler Zoll, auf einzelnen wichtigen
Handelsstrassen noch weit mehr -- sicherlich eine sehr drueckende Last fuer
ordinaere Gueter, zumal wenn sie das preussische Gebiet mehrmals beruehrten.
Die naechste Veranlassung zu dieser Haerte lag in dem Beduerfnis der
Finanzen. Preussen beherrschte einige der wichtigsten Handelsstrassen
Mitteleuropas: die Verbindung Hollands mit dem Oberlande, die alten
Absatzwege des polnischen Getreides, den Verkehr Leipzigs mit der See, mit
Polen, mit Frankfurt. Man berechnete, dass die volle Haelfte der in Preussen
eingehenden Waren dem Durchfuhrhandel angehoerte. Die erschoepfte
Staatskasse war nicht in der Lage, diesen einzigen Vorteil, den ihr die
unglueckliche langgestreckte Gestalt des Gebiets gewaehrte, aus der Hand zu
geben. Ueberdies stimmten alle Kenner des Mautwesens ueberein in der fuer
jene Zeit wohlbegruendeten Meinung, dass nur durch Besteuerung der Durchfuhr
der finanzielle Ertrag des Grenzzollsystems gesichert werden koenne. Gab
man den Transit voellig frei, so wurde dem Unterschleif Tuer und Tor
geoeffnet, ein ungeheurer Schmuggelhandel von Hamburg, Frankfurt, Leipzig
her geradezu herausgefordert, das ganze Gelingen der Reform in Frage
gestellt. Die unbillige Hoehe der Durchfuhrzoelle aber und das zaehe
Festhalten der Regierung an diesen fuer die deutschen Nachbarlande
unleidlichen Saetzen erklaert sich nur aus politischen Gruenden. Der
Transitzoll diente dem Berliner Kabinett als ein wirksames
Unterhandlungsmittel, um die deutschen Kleinstaaten zum Anschluss an die
preussische Handelspolitik zu bewegen.

Von jenem Traumbilde einer gesamtdeutschen Handelspolitik, das waehrend des
Wiener Kongresses den preussischen Bevollmaechtigten vorgeschwebt hatte, war
man in Berlin laengst zurueckgekommen. Die Unmoeglichkeit solcher Plaene ergab
sich nicht bloss aus der Nichtigkeit der Bundesverfassung, sondern auch aus
den inneren Verhaeltnissen der Bundesstaaten. Hardenberg(7) wusste, dass der
Wiener Hof an seinem altvaeterlichen Provinzialzollsystem nichts aendern
wollte und seine nichtdeutschen Kronlaender einem Bundeszollwesen
schlechterdings nicht unterordnen konnte. Aber auch das uebrige Deutschland
bewahrte noch viele Truemmer aus der schmaehlichen kosmopolitischen Epoche
unserer Vergangenheit. Noch war Hannover von England, Schleswig-Holstein
von Daenemark abhaengig, noch stand Luxemburg in unmittelbarer
geographischer Verbindung mit dem niederlaendischen Gesamtstaate. Wie war
ein gesamtdeutsches Zollwesen denkbar, so lange diese Fremdherrschaft
waehrte? Auch die Verfassung mehrerer Bundesstaaten bot unuebersteigliche
Hindernisse. Die preussische Zollreform ruhte auf dem Gedanken des gemeinen
Rechts. Wer durfte erwarten, dass der mecklenburgische Adel auf seine
Zollfreiheit, der saechsische auf die mit den staendischen Privilegien fest
verkettete Generalakzise verzichten wuerde, so lange die staendische
Oligarchie in diesen Landen ungestoert herrschte? Wie war es moeglich, die
preussischen Zoelle, welche die Einheit des Staatshaushalts voraussetzten,
in Hannover einzufuehren, wo noch die Koenigliche Domaenenkasse und die
staendische Steuerkasse selbstaendig nebeneinander standen? Das Zollwesen
hing ueberdies eng zusammen mit der Besteuerung des inlaendischen Konsums;
nur wenn die Kleinstaaten sich entschlossen, das System ihrer indirekten
Steuern auf preussischen Fuss zu setzen oder doch dem preussischen Muster
anzunaehern, war eine ehrliche Gegenseitigkeit, eine dauernde
Zollgemeinschaft zwischen ihnen moeglich. Und liess sich solche
Opferwilligkeit erwarten in jenem Augenblick, da der Rheinbund und das
Raenkespiel des Wiener Kongresses den selbstsuechtigen Duenkel der Dynastien
krankhaft aufgeregt und jeder Scham entwoehnt hatten? Selbst jene Staaten,
denen redlicher Wille nicht fehlte, konnten gar nicht sofort auf die
harten Zumutungen eingehen, welche Preussen ihnen stellen musste, um sich
den Ertrag seiner Zoelle zu sichern. Man musste, so gestand Eichhorn(8)
spaeterhin, sich erst orientieren in der veraenderten Lage, die
nationaloekonomischen Beduerfnisse des eigenen Landes und die zur Deckung
der Staatsausgaben notwendigen Opfer ueberschlagen; bevor man hierueber ins
Klare gekommen, konnte man sich von einer gemeinsamen Beratung keinen
Erfolg versprechen, am wenigsten von einer Beratung fuer ganz Deutschland
am Bundestag.

Wie die Dinge lagen, musste Preussen selbstaendig vorgehen, ohne jede
schonende Ruecksicht fuer die deutschen Nachbarn. Unter den gemuetlichen
Leuten herrschte die Ansicht vor, Preussen solle die Binnengrenzen gegen
Deutschland offen halten und allein an den Grenzen gegen das Ausland Zoelle
erheben. Der kindische Vorschlag haette, ausgefuehrt, jede Grenzbewachung
unmoeglich gemacht, die finanziellen wie die volkswirtschaftlichen Zwecke
der Zollreform voellig vereitelt. Selbst eine mildere Besteuerung deutscher
Produkte war unausfuehrbar. Gerade die deutschen Kleinstaaten mit ihren
verzwickten, mangelhaft oder gar nicht bewachten Grenzen mussten der
preussischen Staatskasse als die gefaehrlichsten Gegner erscheinen.
Ursprungszeugnisse, von solchen Behoerden ausgestellt, boten den genauen
Rechnern der Berliner Bureaus keine genuegende Sicherheit. Jede
Erleichterung, die an diesen Grenzen eintrat, ermutigte den Unterschleif,
so lange nicht eine geordnete Zollverwaltung in den kleinen Nachbarstaaten
bestand. Noch mehr: gewaehrte Preussen den deutschen Staaten Beguenstigungen,
so griff das Ausland unfehlbar zu Retorsionen(9), und der Staat wurde
allmaehlich in ein Differentialzollsystem hineingetrieben, das den
Absichten seiner Staatsmaenner schnurstracks zuwiderlief. Differentialzoelle
erschienen dem Finanzministerium noch weit bedenklicher als Schutzzoelle,
da diese den Verkehr belasteten zugunsten der einheimischen, jene zum
Vorteil der auslaendischen Produzenten.

Es war nicht anders: sollte das neue Zollsystem ueberhaupt ins Leben
treten, so mussten alle nichtpreussischen Waren zuvoerderst auf gleichem Fuss
behandelt werden. Allerdings wurden dadurch die deutschen Nachbarn sehr
hart getroffen. Sie waren gewohnt, einen schwunghaften Schmuggelhandel
nach Preussen hinueber zu fuehren; jetzt trat die strenge Grenzbewachung
dazwischen. Die Zollinien an den Grenzen der neuen Provinzen stoerten
vielfach altgewohnten Verkehr. Das Koenigreich Sachsen litt schwer, als die
preussischen Zollschranken dicht vor den Toren Leipzigs aufgerichtet
wurden. Die kleinen rheinischen Lande sahen nahe vor Augen das beginnende
Erstarken der preussischen Volkswirtschaft; was drueben ein Segen, ward
hueben zur Last. Begreiflich genug, dass gerade in der unmittelbaren
Nachbarschaft Preussens die Missstimmung ueberhand nahm. Auch die Einrichtung
der Gewichtszoelle war fuer die deutschen Nachbarstaaten unverhaeltnismaessig
laestig, da das Ausland zumeist feinere, Deutschland groebere Waren in
Preussen einzufuehren pflegte.

Indes, wenn es nicht anging, den Kleinstaaten sofort Beguenstigungen zu
gewaehren, so war doch die Zollreform von Haus aus darauf berechnet, die
deutschen Nachbarn nach und nach in den preussischen Zollverband
hineinzuziehen. "Die Unmoeglichkeit einer Vereinigung fuer den ganzen Bund
erkennend, suchte Preussen durch Separatvertraege sich diesem Ziele zu
naehern" -- mit diesen kurzen und erschoepfenden Worten hat Eichhorn zehn
Jahre spaeter den Grundgedanken der preussischen Handelspolitik bezeichnet.
Die Zerstueckelung seines Gebietes zwang den Staat, deutsche Politik zu
treiben, machte ihm auf die Dauer unmoeglich, sich selbst genuegsam
abzuschliessen, seine Verwaltung zu ordnen ohne Verstaendigung mit den
deutschen Nachbarlanden. Ein grosser Teil der thueringischen Besitzungen
Preussens, 41 Geviertmeilen, musste vorderhand aus der Zollinie
ausgeschlossen bleiben. Es war eine unabweisbare Notwendigkeit, die
Zollschranken mindestens so weit hinauszuschieben, dass das gesamte
Staatsgebiet gleichmaessig besteuert werden konnte. In dem Zollgesetz selber
(ยง 5) war die Absicht erklaert, durch Handelsvertraege den wechselseitigen
Verkehr zu befoerdern. Die harte Besteuerung der Durchfuhr gab diesem Winke
fuehlbaren Nachdruck. Noch bestimmter sprach sich Hardenberg ueber die
Absicht des Gesetzes aus, schon ehe es in Kraft trat. Als die Fabrikanten
von Rheidt und anderen rheinischen Plaetzen den Staatskanzler um
Beseitigung der deutschen Binnenzoelle baten, gab er die Antwort (3. Juni
1818): die Vorteile, welche aus der Vereinigung mehrerer deutscher Staaten
zu einem gemeinschaftlichen Fabrik- und Handelssystem hervorgehen koennen,
seien der Regierung nicht unbekannt; mit steter Ruecksicht hierauf sei der
Plan des Koenigs zur Reife gediehen. "Es liegt ganz im Geiste dieses
Planes, ebensowohl auswaertige Beschraenkungen des Handels zu erwidern, als
Willfaehrigkeit zu vergelten und nachbarliches Anschliessen an ein
gemeinsames Interesse zu befoerdern". Ebenso erklaerte er den Elberfeldern:
die preussischen Zollinien sollten dazu dienen, "eine allgemeine Ausdehnung
oder sonstige Vereinigung vorzubereiten".

Damit wurde deutlich angekuendigt, dass der Staat, der seit langem das
Schwert des alten Kaisertums fuehrte, jetzt auch die handelspolitischen
Reformgedanken der Reichspolitik des sechzehnten Jahrhunderts wieder
aufnahm und bereit war, der Nation nach und nach die Einheit des
wirtschaftlichen Lebens zu schaffen, welche ihr im ganzen Verlaufe ihrer
Geschichte immer gefehlt hatte. Er dachte dies Ziel, das sich nicht mit
einem Sprunge erjagen liess, schrittweis, in bedachtsamer Annaeherung, durch
Vertraege von Staat zu Staat zu erreichen. Mars und Merkur sind die
Gestirne, welche in diesem Jahrhundert der Arbeit das Geschick der Staaten
vornehmlich bestimmen. _Das Heerwesen und die Handelspolitik der
Hohenzollern bildeten fortan die beiden Rechtstitel, auf denen Preussens
Fuehrerstellung in Deutschland ruhte._ Und diese Handelspolitik war
ausschliesslich das Werk der Krone und ihres Beamtentums. Sie begegnete,
auch als ihre letzten Ziele sich spaeterhin voellig enthuellten, regelmaessig
dem verblendeten Widerstande der Nation. Im Zeitalter der Reformation war
die wirtschaftliche Einigung unseres Vaterlandes an dem Widerstande der
Reichsstaedte gescheitert; im 19. Jahrhundert ward sie recht eigentlich
gegen den Willen der Mehrzahl der Deutschen von neuem begonnen und
vollendet.

Im Kampfe gegen das preussische Zollgesetz hielten alle deutschen Parteien
zusammen, Kotzebues Wochenblatt so gut wie Ludens Nemesis. Vergeblich
widerlegte J. G. Hoffmann(10) in der Preussischen Staatszeitung mit
ueberlegener Sachkenntnis das fast durchweg wertlose nationaloekonomische
Gerede der Presse. Dieselben Schutzzoellner, die um Hilfe riefen fuer die
deutsche Industrie, schalten zugleich ueber die unerschwinglichen Saetze des
preussischen Tarifs, der doch jenen Schutz gewaehrte. Dieselben Liberalen,
die den Bundestag als einen voellig unbrauchbaren Koerper verspotteten,
forderten von dieser Behoerde eine schoepferische handelspolitische Tat.
Wenn Hoffmann nachwies, dass das neue Gesetz eine Wohltat fuer Deutschland
sei, so erwiderten Poelitz, Krug und andere saechsische Publizisten, kein
Staat habe das Recht, seinen Nachbarn Wohltaten aufzudraengen. Alberne
Jagdgeschichten wurden mit der hoechsten Bestimmtheit wiederholt und von
der Unwissenheit der Leser begierig geglaubt. Da hatte ein armer Hoeker aus
dem Reussischen, als er seinen Schubkarren voll Gemuese zum Leipziger
Wochenmarkt fuhr, einen Taler Durchfuhrzoll an die preussische Maut zahlen
muessen -- nur schade, dass Preussen von solchen Waren gar keinen Zoll erhob.
Auch die Sentimentalitaet ward gegen Preussen ins Feld gefuehrt; sie findet
sich ja bei den Deutschen immer ein, wenn ihnen die Gedanken ausgehen. Da
war gleich am ersten Tage, als das unselige Gesetz in Kraft trat, ein
Zollbeamter zu Langensalza von einem gothaischen Patrioten im Rausche
heiligen Zornes erstochen worden; der Mann hatte sich aber selbst
entleibt. Da hiess es wehmuetig, Koenig Friedrich Wilhelm hege wohl
menschenfreundliche Absichten, aber "finanzielle Ruecksichten vergiften die
besten Massregeln"; fuer die harte Notwendigkeit dieser finanziellen
Ruecksichten hatte man kein Auge. Die ersehnte Einheit des deutschen
Marktes -- darueber bestand unter den liberalen Patrioten kein Streit --
konnte nur gelingen, wenn die bereits vollzogene Einigung der Haelfte
Deutschlands wieder zerstoert wurde.

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert.
II, 211 ff. -- Die Anmerkungen sind vom Herausgeber beigefuegt.

                            ------------------




    1 Geb. 23. August 1769, gest. 2. November 1834.

    2 Adam Smith, geb. 1723, gest. 1790, ist als der Begruender der neueren
      Nationaloekonomie zu betrachten; er vertrat die Lehre, dass es in
      wirtschaftlichen Dingen Aufgabe des Staates sei, das freie Spiel der
      wirtschaftlichen Kraefte durch Beseitigung entgegenstehender
      Hemmnisse zu foerdern.

    3 Geb. 11. Maerz 1770, gest. am 15. September 1830 an den schweren
      Verletzungen, die er sich bei Eroeffnung der zwischen Liverpool und
      Manchester erbauten Eisenbahn dadurch zuzog, dass er beim Einsteigen
      unter die Raeder fiel. Im Ministerium Canning war er Staatssekretaer
      fuer die Kolonien.

    4 Die Navigationsakte vom 9. Oktober 1651 gestattete die Einfuhr von
      Waren aus Afrika, Asien und Amerika nur unter englischer Flagge, die
      Einfuhr von europaeischen Waren nur durch englische Schiffe oder
      Schiffe des erzeugenden Landes. Damit wurde der hollaendische
      Zwischenhandel ausgeschaltet. Erst 1849 wurde die Akte aufgehoben.

    5 Edmund Burke, geb. 1729, gest. 9. Juli 1797, hervorragender
      englischer Politiker und Staatsmann.

    6 Adam Smith war von 1751 ab eine Reihe von Jahren als Professor der
      Logik und der Moral an der Universitaet zu Glasgow taetig.

    7 Karl August, Fuerst von Hardenberg, geb. 31. Mai 1750, gest. 26. Nov.
      1822, seit Juni 1810 bis an seinen Tod preussischer Staatskanzler.

    8 Joh. Albrecht Friedrich Eichhorn, geb. 2. Maerz 1779, gest. 16.
      Januar 1856, war als Direktor der zweiten Abteilung des Ministeriums
      des Aeusseren besonders fuer die Entwicklung des Zollvereins taetig. Von
      1840-48 kaempfte er als Kultusminister fuer die Erhaltung der
      kirchlichen Rechtglaeubigkeit gegen die freiheitlichen Bestrebungen
      der Lichtfreunde.

    9 Zwangsmassregeln.

   10 Joh. Gottfr. Hoffmann, geb. 19. Juli 1765, gest. 12. November 1847,
      hervorragender Nationaloekonom und Begruender der wissenschaftlichen
      Statistik.




2. Der Kampf gegen das preussische Zollgesetz und der erste preussische
Zollvertrag.


Alles historische Werden entspringt der bestaendigen Wechselwirkung
zwischen dem bewussten Menschenwillen und den gegebenen Zustaenden. Wie die
Vernunft, die in den Dingen liegt, nur durch die Willenskraft eines
grossen, die Zeichen der Zeit verstehenden Mannes verwirklicht werden kann,
so finden auch die Suenden und Irrtuemer der Politiker ihre Schranke an dem
Charakter der Staaten, an der Macht der Ideen, die sich im Verlauf der
Geschichte angesammelt haben. Schwer hatte die Krone Preussen gefehlt, als
sie in Karlsbad(11) sich den lebendigen Kraeften des jungen Jahrhunderts
entgegenstemmte; und doch war dieser Staat modern von Grund aus, er konnte
sich der neuen Zeit nicht gaenzlich entfremden und begann eben jetzt eine
Reform seines Haushalts, welche ihn befaehigte, in seiner wirtschaftlichen
Entwicklung alle anderen deutschen Staaten zu ueberfluegeln. Nachgiebig bis
zur Selbstvergessenheit war Hardenberg in Teplitz(12) allen Wuenschen
Oesterreichs entgegengekommen, der Glaube an die unbedingte
Interessengemeinschaft der beiden Grossmaechte beherrschte ihn ganz und gar;
und doch war der Gegensatz der beiden Maechte in einer alten Geschichte
begruendet und, so lange die Machtfrage der deutschen Zukunft ungeloest
blieb, durch menschlichen Willen nicht mehr beizulegen. Fast in dem
naemlichen Augenblicke, da der Berliner Hof sich gaenzlich der Fuehrung
Oesterreichs zu ueberlassen schien, tat er wieder einen Schritt vorwaerts auf
den Bahnen der friderizianischen Politik und begann die deutschen
Nachbarlande in seine Zollgemeinschaft aufzunehmen. Es war ein winziger,
nach dem Masse der Gegenwart fast laecherlicher Erfolg, aber der
unscheinbare Beginn einer Staatskunst, welche die deutschen Staaten durch
das Band wirtschaftlicher Interessen unloesbar an Preussen ketten und die
Befreiung von Oesterreich vorbereiten sollte.

Seit das preussische Zollgesetz in Kraft gesetzt und den kleinen Nachbarn
zunaechst nur durch seine Haerten fuehlbar wurde, erhob sich ueberall mit
erneuter Staerke der Ruf nach Aufhebung aller Binnenmauten, und es begann
eine leidenschaftliche Agitation fuer die deutsche Handelseinheit, der
Vorlaeufer und das Vorbild der spaeteren Kaempfe um die politische Einheit.
Die ganze Nation schien einig in einem grossen Gedanken; gleichwohl gingen
die Ansichten ueber die Mittel und Wege nach allen Richtungen auseinander,
und das einzige, was retten konnte, der Anschluss an die schon vorhandene
Einheit des preussischen Marktgebietes, ward in unseliger Verblendung so
lange verschmaeht, bis schliesslich nur die bittere Not das Unvermeidliche
erzwang.

Gleich nach dem Frieden begann eine regelmaessige Einwanderung in das
verarmte Preussen einzustroemen, etwa halb so stark als der Ueberschuss der
Geburten; sie bestand ueberwiegend aus jungen Leuten der deutschen
Nachbarschaft, die in dem Lande der sozialen Freiheit ihr Glueck suchten.
Als nunmehr die Binnenzoelle in der Monarchie hinwegfielen, da liessen sich
die Vorteile, welche der preussische Geschaeftsmann aus seinem ausgedehnten
freien Markt zog, zumal an den Grenzplaetzen bald mit Haenden greifen: so
siedelte ein Teil der Bingener Weinhaendler auf das preussische Ufer der
Nahe ueber, da die Preise in Preussen oft dreimal hoeher standen als auf dem
ueberfuellten hessischen Markte. Das Beamtentum der kleinen Hoefe war noch
gewoehnt an das Zunftwesen, an die Erschwerung der Niederlassung und der
Heiraten, an die tausend Quaelereien einer kleinlichen sozialen
Gesetzgebung; von der Ueberlegenheit der preussischen Handelspolitik ahnte
man hier noch gar nichts. Manchem wohlmeinenden Beamten in Sachsen und
Thueringen erschienen die preussischen Steuergesetze als eine ueberfluessige
fiskalische Haerte, weil sein eigener Staat fuer das Heerwesen nur Geringes
leistete, also mit bescheidenen Einnahmen auskommen konnte. So entstand
unter dem Schutze der kleinen Hoefe an den preussischen Binnengrenzen ein
Krieg aller gegen alle, ein heilloser Zustand, von dem wir heute kaum noch
eine Vorstellung haben. Das Volk verwilderte durch das schlechte Handwerk
des Schwaerzens. In die zollfreien Packhoefe, welche ueberall dem preussischen
Gebiete nahe lagen, traten alltaeglich handfeste braune Gesellen, die
Jacken auf Ruecken und Schultern ganz glatt gescheuert, manch einem schaute
das Messer aus dem Guertel; dann packten sie die schweren Warenballen auf,
ein landesfuerstlicher Mautwaechter gab ihnen das Geleite bis zur Grenze und
ein Helf Gott mit auf den boesen Weg. Der kleine Mann hoerte sich nicht satt
an den wilden Abenteuern verwegener Schmuggler, die das heutige Geschlecht
nur noch aus altmodischen Romanen und Jugendschriften kennt. Also gewoehnte
sich unser treues Volk die Gesetze zu missachten. Jener wueste Radikalismus,
der allmaehlich in den Kleinstaaten ueberhand nahm, ward von den kleinen
Hoefen selber gepflegt: durch die Suenden der Demagogenjagd wie durch die
Frivolitaet dieser Handelspolitik.

Als die Urheber solchen Unheils galten allgemein nicht die Kleinstaaten,
die den Schmuggel beguenstigten, sondern Preussen, das ihn ernsthaft
verfolgte; nicht jene Hoefe, die an ihren unsauberen fiskalischen Kniffen,
ihren veralteten unbrauchbaren Zollordnungen traege festhielten, sondern
Preussen, das sein Steuersystem neu gestaltet und gemildert hatte. Unfaehig,
die Lebensbedingungen eines grossen Staates zu verstehen, stellten die
kleinen Hoefe alles Ernstes die Forderung, Preussen muesse jene reiflich
erwogene, in alle Zweige des Gemeinwesens tief einschneidende Reform
sofort wieder rueckgaengig machen, noch bevor sie die Probe der Erfahrung
bestanden hatte -- und halb Deutschland stimmte dem toerichten Ansinnen zu.

Ausserhalb der preussischen Beamtenkreise wagten in diesen ersten Jahren nur
zwei namhafte Schriftsteller das Werk Maassens unbedingt zu verteidigen.
Der unermuedliche Benzenberg(13) bewaehrte in seinem Buche "ueber Preussens
Geldhaushalt und neues Steuersystem" wieder einmal seinen praktischen
Takt. Im Verkehr mit Hardenberg hatte er gelernt, den Staatshaushalt von
oben, vom Standpunkt der Regierenden zu betrachten. Er wusste, dass jede
ernsthafte Kritik eines Steuersystems beginnen muss mit der Frage: welche
Ausgaben dem Staate unerlaesslich seien? -- einer Frage, die von den meisten
Publizisten jener Zeit gar nicht beruehrt wurde. So gelingt ihm
nachzuweisen, dass Preussen seiner Zolleinkuenfte nicht entbehren koenne. Er
scheut sich nicht, das Wehrgesetz und die neuen Steuergesetze als die
groessten Wohltaten der juengsten Epoche Friedrich Wilhelms III. zu loben; er
verlangt, dass man sie gegen jeden Widerstand aufrecht halte, fordert die
Nachbarstaaten auf, der Einladung des Koenigs zu folgen und mit Preussen
wegen gegenseitiger Aufhebung der Zoelle zu verhandeln. Dem Traumgebilde
der Bundeszoelle geht er hart zu Leibe. Er richtet an F. List(14) (August
1819) einen offenen Brief und fragt, wie denn der Bundestag, "der keine
Art von Legislation hat", eine solche Reform schaffen oder gar die
Zollverwaltung leiten solle? und sei denn die Aufhebung der Binnenmauten
moeglich ohne gleichmaessige Besteuerung des inneren Konsums? Die Stimme des
nuechternen Mannes verhallte in dem allgemeinen Toben; war er doch laengst
schon den Liberalen verdaechtig, weil er ein offenes Auge fuer die Eigenart
des preussischen Staates besass.

Auch einer der tuechtigsten Kaufleute Deutschlands, E. W. Arnoldi in
Gotha(15), begruesste das preussische Zollgesetz schon im Januar 1819 als den
ersten Keim eines Vereins aller deutschen Staaten. Nur herzhaft
eingeschlagen in die dargebotene Hand: -- so sprach er sich im Allgemeinen
Anzeiger aus -- Preussen stellt ja den Grundsatz der Gegenseitigkeit an die
Spitze seines Gesetzes und erklaert sich bereit zu Vertraegen mit den
Nachbarn. Der treffliche Mann hatte einst in Hamburg noch zu den Fuessen des
alten Buesch(16) gesessen und sich dort eine freie Ansicht vom Welthandel
gebildet, welche der binnenlaendischen Kleinlebigkeit der Mehrzahl seiner
Standesgenossen noch ganz fremd war. Ihn wurmte die kindliche Unmuendigkeit
dieser Geschaeftswelt, die so gar nichts tat, um sich das Joch einer
widersinnigen Handelsgesetzgebung vom Nacken zu schuetteln. Schon seit
Jahren trug er sich mit dem Gedanken eines Bundes der deutschen
Fabrikanten zur Vertretung ihrer gemeinsamen Interessen. Dann stiftete er
in seiner Vaterstadt unter dem Namen Innungshalle eine Handelskammer und
eine rasch aufbluehende Handelsschule. Endlich fand er ein weites Gebiet
fruchtbarer Taetigkeit in dem Versicherungswesen, das noch ganz in der
Botmaessigkeit des Auslandes stand. Fast an allen groesseren deutschen Plaetzen
unterhielt der maechtige Londoner Phoenix seine Agenturen und beutete die
Deutschen durch unbillige Praemien aus, da die kleinen heimischen
Versicherungsgesellschaften, die in einzelnen Staedten des Nordens
bestanden, ihre Wirksamkeit auf die Vaterstadt beschraenkten. Da wendete
sich Arnoldi (1819) an die Nation mit der Frage, wie lange sie noch ihr
Geld in die englische Sparbuechse legen wolle, und entwarf den Plan fuer
eine deutsche, das gesamte Vaterland umfassende, auf Gegenseitigkeit
beruhende Feuerversicherungsbank. Zwei Jahre darauf trat diese Anstalt zu
Gotha ins Leben, der erste Anfang der grossartigen Entwicklung unseres
nationalen Versicherungswesens. Der allgemeine Hass gegen Englands
Handelsherrschaft kam dem kuehnen Unternehmer zustatten. Ueberall im
Binnenlande schalt man auf England und die Hansestaedte, die den
Sueddeutschen nur als englische Kontore galten; der wieder erwachende
Napoleonskultus und die franzoesischen Sympathien der Liberalen des Suedens
wurden durch solche erregte Stimmungen gefoerdert. Ueber die Waffen
freilich, welche den deutschen Gewerbefleiss vor einer erdrueckenden
auslaendischen Mitwerbung sichern konnten, hatten die wenigsten auch nur
nachgedacht. Nur soviel schien allen unzweifelhaft, dass saemtliche neu
eingefuehrte Zoelle sofort wieder aufgehoben und die im Artikel 19 der
Bundesakte verheissene Verkehrsfreiheit durch den Bundestag angeordnet
werden muesse.

Selbst jener hochherzige, geistvolle Agitator, der mit dem ganzen Ungestuem
seiner Tatkraft gegen die Binnenmauten auftrat, auch Friedrich List,
teilte den allgemeinen Irrtum. Wie Goerres(17) einst im Rheinischen Merkur
die Idee der politischen Macht und Einheit des Vaterlandes vertrat, so
verfocht List die Idee der handelspolitischen Einheit -- eine verwandte
Natur, feurig, hochbegeistert, ein Meister der bewegten Rede, voll tiefer
und echter Leidenschaft, leicht hingerissen zu phantastischen Verirrungen.
Ein echter Reichsstaedter, war er im freiheitsstolzen Reutlingen
aufgewachsen, unter ewigen Haendeln mit den wuerttembergischen Schreibern;
er zaehlte zu jenen geborenen Kaempfern, denen das Schicksal immer neuen
Hader sendet, auch wenn sie den Streit nicht suchen. Seine Mutter, seinen
einzigen Bruder sah er ploetzlich sterben infolge der Roheit brutaler
Beamten; und als er dann selber einige Jahre in der geisttoetenden
Scheintaetigkeit der wuerttembergischen Schreibstuben verbracht hatte, da
ward sein Hass gegen die Herrschaft des rheinbuendischen Beamtentums
grenzenlos, und er setzte sich zum Ziele seines Lebens, den Buerger und
Bauersmann zur Selbsttaetigkeit zu erwecken, ihn aufzuklaeren ueber seine
naechsten Interessen, die Volkswirtschaftslehre von den Formeln des
Katheders zu befreien und sie die Sprache des Volkes reden zu lassen.
Schon durch die Geburt ein Deutscher schlechtweg, gleich dem Reichsritter
Stein, ging er mit seinen kuehnen Entwuerfen sogleich ueber die Grenzen der
schwaebischen Heimat hinaus, so dass er den verschwiegerten und
verschwaegerten Wuerttembergern bald als ein wildfremder Stoerenfried
verdaechtig wurde: eine neue Zeit handelspolitischer Groesse, dauerhafter als
einst die Herrlichkeit der Hansa, sollte dem deutschen Vaterlande tagen.
Eine seltene Kunst, die Massen zu befeuern und zu erregen, stand ihm zu
Gebote, ein agitatorisches Talent, dessengleichen unsere an grossen
Demagogen so arme Geschichte seither nur noch zweimal, in Robert Blum(18)
und Lassalle(19) gesehen hat. Im April 1819 stiftete List mit mehreren
Industriellen der Kleinstaaten, Miller aus Immenstadt, Schnell aus
Nuernberg, E. Weber aus Gera den Verein deutscher Kaufleute und
Fabrikanten, dem sich bald die Mehrzahl der grossen Firmen in Sued- und
Mitteldeutschland anschloss, und legte rasch entschlossen seine Tuebinger
Professur nieder, da die wuerttembergische Regierung das Amt eines
Konsulenten des Handelsvereins als unvertraeglich mit der Beamtenwuerde
betrachtete.

Der neue Handelsverein richtete sogleich an den Bundestag eine Bittschrift
um Ausfuehrung des Artikels 19, Beseitigung aller Binnenmauten und Erlass
eines deutschen Zollgesetzes, das den Zoellen des Auslandes mit strengen
Retorsionen begegnen sollte, bis sich ganz Europa ueber allgemeine
Handelsfreiheit verstaendigt haette -- denn noch bekannte sich List, gleich
den meisten Sueddeutschen jener Zeit, im Grundsatz zu den Lehren des
Freihandels. In Frankfurt abgewiesen, bestuermte List sodann die Hoefe, die
Geschaeftsmaenner und wen nicht sonst mit seinen Gesuchen, geisselte in
seiner Zeitschrift dem "Organ des deutschen Handels- und Gewerbestandes",
unermuedlich und unerbittlich die Gebrechen deutscher Handelspolitik. Also
hat er in rastloser Arbeit mehr als irgendeiner der Zeitgenossen dazu
beigetragen, dass die Ueberzeugung von der Unhaltbarkeit des Bestehenden
tief in die Nation drang. Grosse verwegene Traeume, die erst das lebende
Geschlecht in Erfuellung gehen sieht, regten sich in seinem stuermischen
Kopfe: er dachte an eine gemeinsame Gewerbegesetzgebung, an ein deutsches
Postwesen, an nationale Industrieausstellungen, er hoffte die romantischen
Kaisertraeume des jungen Geschlechts durch die Arbeit der praktischen
nationalen Politik zu verdraengen und sah die Zeit voraus, da eine freie
Verfassung, ein deutsches Parlament aus der Handelseinheit hervorgehen
wuerde. Als der Schoepfer des Zollvereins, wie er selber im Uebermass seines
Selbstgefuehls sich genannt hat, kann List gleichwohl keinem Unbefangenen
gelten.

Ein klares Programm, einen bestimmten, durchgebildeten politischen
Gedanken aufzustellen und festzuhalten, lag ueberhaupt nicht in der Weise
der Patrioten jener Zeit. Nur im Innern der sueddeutschen Mittelstaaten
begann die konstitutionelle Bewegung bereits feste, deutlich
ausgesprochene Parteimeinungen hervorzurufen. Wer ueber den deutschen
Gesamtstaat schrieb, begnuegte sich noch immer, der elenden Gegenwart ein
leuchtendes Idealbild gegenueberzuhalten und dann im raschen Wechsel
Einfaelle und Winke fuer den praktischen Staatsmann hinzuwerfen. Wie Goerres
im Rheinischen Merkur ein ganzes Geschwader deutscher Verfassungsplaene
harmlos veroeffentlichte, so eilte auch List in jaehen Spruengen von einem
Plane zum andern ueber. Bald will er die deutschen Bundesmauten an eine
Aktiengesellschaft verpachten; bald soll Deutschland sich anschliessen an
das oesterreichische Prohibitivsystem; dann ueberfaellt ihn wieder die
Ahnung, ob nicht Preussen den Weg zur Einheit zeigen werde. In seiner
Eingabe an den Bundestag gestand er: "Man wird unwillkuerlich auf den
Gedanken geleitet, die liberale preussische Regierung, die der Lage ihrer
Laender nach vollkommene Handelsfreiheit vor allen andern wuenschen muss,
hege die grosse Absicht, durch dieses Zollsystem die uebrigen Staaten
Deutschlands zu veranlassen, endlich wegen einer voelligen Handelsfreiheit
sich zu vergleichen. Diese Vermutung wird fast zur Gewissheit, wenn man die
Erklaerung der preussischen Regierung beruecksichtigt, dass sie sich geneigt
finden lasse, mit Nachbarstaaten besondere Handelsvertraege zu schliessen".
Leider vermochte der Leidenschaftliche nicht an dieser einfach richtigen
Erkenntnis festzuhalten. Er war ein Gegner der preussischen Handelspolitik,
soweit aus seinem unsteten Treiben ueberhaupt eine vorherrschende Ansicht
erkennbar wird; denn nach allen Abschweifungen lenkte er immer wieder auf
jenen Weg zurueck, welchen Preussen laengst als unmoeglich erkannt hatte, auf
die Idee der Bundeszoelle. Von den preussischen Zustaenden besass List nur
sehr mangelhafte Kenntnis; sein Verein ward durch die Hoffnung auf baldige
Wiederaufhebung des preussischen Zollgesetzes zusammengehalten und besass
Korrespondenten in allen groesseren deutschen Staaten, aber, bezeichnend
genug, keinen in Preussen.

Nur der Zauber, der an dem Namen Deutschland haftete, erklaert das Raetsel,
dass so viele wackere und einsichtige Maenner noch immer auf eine
Handelspolitik des Deutschen Bundes hoffen konnten. Seinerseits hatte der
Bundestag alles getan, um die Schwaermer zu enttaeuschen. Die
Berichterstattung ueber Lists Bittschrift wurde dem Hannoveraner
Martens(20) uebertragen, der gleich den meisten dieser "deutschen
Grossbritannier" die englische Handelsherrschaft auf deutschem Boden
hocherfreulich fand. Mit dem ganzen Feuereifer polizeilicher Seelenangst
fragte er zunaechst, woher dieser Verein das Recht nehme, sich zum
Vertreter des deutschen Handelsstandes aufzuwerfen, und ueberliess es den
hohen Regierungen, auf ihre beteiligten Untertanen ein wachsames Auge zu
richten. Zur Sache selbst brachte er nicht viel mehr vor als eine
drastische Schilderung der ungeheueren Schwierigkeiten, welche sich, seit
die deutschen Staaten souveraen geworden, der Handelseinheit
entgegenstellten (24. Mai). Einige Bundesgesandte wuenschten mindestens die
Einsetzung einer Kommission; aber dann haetten ja die Bittsteller waehnen
koennen, dieser Schritt sei auf ihre Veranlassung geschehen! Um einer so
frevelhaften Missdeutung vorzubeugen, beschloss die Bundesversammlung nur,
dass man sich spaeterhin einmal mit dem Artikel 19 beschaeftigen wolle.
Einige Wochen nachher (22. Juli) erinnerten die Ernestinischen Hoefe den
Bundestag nochmals an den ungluecklichen Artikel; Lists Freund, E. Weber,
und die Fabrikanten des Thueringer Waldes liessen ihnen keine Ruhe. Diesmal
ergingen sich Baden, Wuerttemberg, beide Hessen und die Ernestiner in
wohlgemeinten, aber auch sehr wohlfeilen Reden zum Preise der deutschen
Verkehrsfreiheit und begeisterten die Versammlung dermassen, dass sie
nunmehr wirklich beschloss, nach den Ferien, also 1820, solle eine
Kommission eingesetzt werden. Das war die Hilfe, welche Deutschlands
Handel in Frankfurt zu erwarten hatte. Der preussische Gesandte(21) aber
fand es mit Recht unbegreiflich, dass diese Versammlung sichs zutraue, so
schwierige Arbeiten auch nur in die Hand zu nehmen.

Trotz solcher Erfahrungen sollten noch viele Jahre vergehen, bis die
Unausfuehrbarkeit der leeren Versprechungen des Artikels 19 allgemein
erkannt wurde. Mit grosser Hartnaeckigkeit hielt namentlich die badische
Regierung an dem Traumbilde des Bundeszollwesens fest; ihr
langgestrecktes, auf die Durchfuhr angewiesenes Land litt unter dem Jammer
der Binnenmauten besonders schwer, und nicht ohne Besorgnis betrachtete
Minister Berstett(22) die wachsende Erbitterung im Volke. Der beschraenkte
Mann hoffte durch wirtschaftliches Gedeihen die Nation mit ihrer
schimpflichen Zersplitterung zu versoehnen, ihr "einen materiellen Ersatz
fuer den Verlust mancher chimaerischen, aber liebgewordenen Ideen" zu geben.
Darum empfahl er auf den Karlsbader Konferenzen in einer langen
Denkschrift (15. August) die Einfuehrung eines Bundes- Douanensystems, das
fuer 30 Millionen Menschen freien Verkehr schaffen muesse; ueber die grosse
Frage, wie es moeglich sein sollte, Hannover, Holstein, Luxemburg, Deutsch-
Oesterreich einem nationalen Zollwesen einzufuegen, ging das ueberaus
unklare, widerspruchsvolle Schriftstueck schweigend hinweg. Metternich(23)
wurde durch diesen Antrag, welchem Oesterreich sich schlechterdings nicht
fuegen konnte, unangenehm ueberrascht und versuchte sogar, die Kompetenz des
Bundes in Zweifel zu ziehen. "Der Handel -- so behauptete er --, seine
Ausdehnung wie seine Beschraenkung gehoert zu den ersten Befugnissen der
Souveraenitaet". Zur Misshandlung der Universitaeten, von denen die Bundesakte
kein Wort sagte, war der Bund nach der k. k. Doktrin unzweifelhaft befugt;
aber die Verkehrsfreiheit, welche der Bundesvertrag ausdruecklich in
Aussicht stellte, verstiess gegen die Souveraenitaet der Bundesstaaten.
Drastischer konnte das Verhaeltnis der Hofburg zu den Lebensfragen der
deutschen Nation unmoeglich bezeichnet werden. Auf das wiederholte
Andraengen Badens und Wuerttembergs erklaerte sich der oesterreichische
Staatsmann zuletzt doch bereit, die Zollfrage auf die Tagesordnung der
bevorstehenden Wiener Konferenzen zu setzen. Er wusste wohl, was von
solchen Beratungen zu erwarten sei.

Unterdessen hatte auch der beste Kopf unter den badischen Finanzmaennern,
Nebenius(24), seine Gedanken ueber die Bedingungen der deutschen
Verkehrsfreiheit in einer geistvollen Denkschrift niedergelegt, einer
Privatarbeit, welche zwar niemals, auch nicht mittelbar, auf die
Entwicklung des Zollvereins irgendeinen Einfluss ausgeuebt hat, aber durch
Klarheit und Bestimmtheit alles uebertraf, was damals von Privatleuten ueber
deutsche Handelspolitik geschrieben wurde. Der gelehrte Verfasser der
badischen Konstitution errang sich schon in jenen Jahren durch seine
Schrift ueber die englische Staatswirtschaft ein wissenschaftliches
Ansehen, das spaeterhin, seit dem Erscheinen seines Werkes "der oeffentliche
Kredit" noch hoeher stieg; dies klassische Buch kann niemals ganz veralten,
es wird, wie Ricardos(25) Werke, dem angehenden Nationaloekonomen immer
unschaetzbar bleiben als eine Schule strengen methodischen Denkens. Auch
seine um Neujahr 1819 verfasste handelspolitische Denkschrift verraet
ueberall den sicheren Blick des gewiegten Kenners. Sie wurde im April 1819
vertraulich den badischen Landtagsmitgliedern mitgeteilt und dann im
Winter den Wiener Konferenzen durch Berstett als ein beachtenswertes
Privatgutachten ueberreicht. Maassen freilich, Klewiz(26) und die anderen
Urheber des preussischen Zollgesetzes konnten aus den Ratschlaegen des
badischen Staatsmannes nichts lernen. Fuer sie war das Richtige in seiner
Denkschrift nicht neu, das Neue nicht richtig.

Die Denkschrift tritt, in den behutsam schonenden Formen, welche Nebenius
liebte, entschieden gegen das preussische Zollgesetz auf. Sie hebt die
Uebelstaende dieses Systems scharf heraus, ohne die Lichtseiten zu erwaehnen.
Sie stellt den Satz hin: "kein deutscher Staat, Oesterreich ausgenommen,
vermag sein Gebiet gegen ueberwiegende fremde Konkurrenz wirksam zu
schuetzen" -- eine Behauptung, welche Preussens Staatsmaenner soeben durch die
Tat zu widerlegen begannen. Die Urheber des Gesetzes vom 26. Mai gingen
aus von den Beduerfnissen des preussischen Staatshaushalts, Nebenius hebt an
mit der Betrachtung der Leiden des deutschen Verkehrs. Darum steht jenen
die finanzielle, diesem der staatswirtschaftliche Gesichtspunkt obenan.
Darum wollen jene die allmaehliche Erweiterung des preussischen Zollwesens
unter den Bedingungen, welche das Interesse der preussischen Finanzen
vorschreibt. Nebenius hingegen fordert, ganz im Sinne der
Durchschnittsmeinung der Zeit, ein System deutscher Bundeszoelle, eine vom
Bundestage abhaengige Zollverwaltung. Er will mithin genau das Gegenteil
der Politik, welche den wirklichen Zollverein geschaffen hat; der erste
Schritt auf dem von Nebenius vorgeschlagenen Wege musste offenbar zur
Aufhebung des preussischen Zollgesetzes fuehren, also gerade die Grundlage
des spaeteren Zollvereins vernichten. Der handelspolitische Kampf jener
Jahre bewegte sich um die eine Frage: soll das preussische Zollgesetz
aufrecht bleiben oder nicht? Und in diesem Streite stand Nebenius auf der
Seite der Irrenden. Will man eine Denkschrift, welche also den leitenden
politischen Gedanken der preussischen Handelspolitik bekaempft, als den
bahnbrechenden Vorlaeufer des Zollvereins preisen, so muss man, kraft
derselben Logik, auch Grossdeutsche und Kleindeutsche fuer
Gesinnungsgenossen erklaeren. Beide Parteien erstrebten bekanntlich die
deutsche Einheit, nur leider auf entgegengesetzten Wegen.

Der staatsmaennische Sinn des geistvollen Badeners steht keineswegs auf
gleicher Hoehe mit seiner volkswirtschaftlichen Einsicht. Er hegt wohl
Zweifel, ob Oesterreich dem Zollverein beitreten koenne, zu einem sicheren
Schluss gelangt er dennoch nicht. Noch im Jahre 1835 hat er den Eintritt
Oesterreichs fuer moeglich gehalten; dann werde der Zollverein "den schoensten
aller Maerkte bilden". Die schwerwiegenden politischen Gruende, welche einen
solchen Gedanken fuer Preussen unannehmbar machten, sind ihm niemals klar
geworden. Ebenso wenig will er begreifen, warum Preussen als eine
europaeische Macht die Selbstaendigkeit seiner Zollverwaltung unbedingt
aufrecht halten musste; er verlangte eine in der Hand des Bundes
zentralisierte Zollverwaltung, die Mautbeamten sollen allein dem Bunde
vereidigt werden. Auch bei der Eroerterung von Nebenfragen vermag er nicht
immer hinauszublicken ueber den engen Gesichtskreis seines heimischen
Kleinstaates. So will er, mit wenigen Ausnahmen, die gesamte Zollerhebung
allein an den Grenzen stattfinden lassen, weil, nach der Ansicht des
badischen Beamtentums, diese Einrichtung dem Grenzlande Baden besonderen
Vorteil bringen sollte. Maassen dagegen liess in allen groesseren preussischen
Plaetzen Packhoefe und Zollstellen errichten, da ohne solche Erleichterung
ein schwunghafter Speditionshandel offenbar nicht gedeihen konnte.

Neben diesen Irrtuemern der Denkschrift steht freilich eine lange Reihe
tief durchdachter, praktisch brauchbarer Vorschlaege, doch ist kein
einziger darunter, welchen das preussische Kabinett nicht schon damals
gekannt und angewendet haette. Mit grosser Klarheit entwickelt Nebenius den
Satz, dass ohne Zollgemeinschaft die Freiheit des Verkehrs nicht moeglich
sei. Dieser Gedanke, der uns heute trivial und selbstverstaendlich
erscheint, war der Diplomatie der Kleinstaaten jener Zeit voellig neu. Den
Berliner Staatsmaennern war er wohlbekannt; denn nur jenen Staaten, die
sich dem preussischen Zollsystem einfuegen wollten, hatte Preussen freien
Verkehr angeboten. Ebenso tief durchdacht waren die Grundzuege des
Zolltarifs, welche Nebenius entwarf. Er will maessige Finanzzoelle namentlich
auf die Gegenstaende allgemeinen Gebrauchs, auf die Kolonialwaren legen;
die dem heimischen Gewerbefleiss notwendigen Rohstoffe gibt er frei, die
Fabrikwaren schuetzt er durch Zoelle, die ungefaehr der ueblichen
Schmuggelpraemie entsprechen; feindselige Schritte des Auslandes sollen mit
Repressalien erwidert werden. Treffliche Gedanken, ohne Frage; aber als
Nebenius schrieb, war bereits der preussische Tarif veroeffentlicht, der
durchaus auf denselben Grundsaetzen beruhte. Selbstaendiges Nachdenken hatte
den Sueddeutschen genau auf dieselben staatswirtschaftlichen Ideen gefuehrt,
welche Eichhorn oftmals als den Eckstein des preussischen Systems
bezeichnete: "Freiheit, Reziprozitaet, Ausschliessung der Prohibition."  War
es nicht ein seltsames Zeichen der allgemeinen Unklarheit jener Tage, dass
ein so ungewoehnlicher Geist so dicht heranstreifte an die Ideen des
preussischen Zollsystems und doch nicht einmal die Frage aufwarf, ob nicht
der Bau der deutschen Handelseinheit auf dem festen Grunde dieses Systems
aufgerichtet werden sollte? -- Nebenius stellt ferner den Grundsatz auf,
dass die Verteilung der Zolleinnahmen nach der Kopfzahl der Bevoelkerung
erfolgen solle. Aber als seine Denkschrift in Berlin bekannt wurde, da
hatte Preussen denselben folgenschweren Gedanken schon in einem
Staatsvertrage praktisch durchgesetzt. Er eroertert sodann, die
Zollgemeinschaft sei unmoeglich, wenn nicht auch der innere Konsum nach
gleichen Grundsaetzen besteuert werde; bis dies Ziel erreicht sei, muesse
man sich mit Uebergangsabgaben behelfen. Auch diese Einsicht bestand in
Berlin schon laengst; eben weil Eichhorn und Maassen die weit abweichenden
Steuersysteme der Nachbarstaaten kannten, wollten sie nicht zu einer
vorschnellen Einigung die Hand bieten. Sie wussten desgleichen so gut wie
Nebenius, dass es genuege, einen Zollvertrag fuer einige Jahre abzuschliessen;
gleich ihm hofften sie zuversichtlich, der unermessliche Segen der
Verkehrsfreiheit werde die Wiederaufhebung eines einmal geschlossenen
Zollvereins verhindern {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Nebenius galt in der Diplomatie allgemein als ein bedeutender Kopf und als
ein hoechst unbequemer Unterhaendler. Er zaehlte zu jenen stillen
Gelehrtennaturen, die unter schmuckloser Huelle ein sehr reizbares
Selbstgefuehl hegen, den Widerspruch ungern, noch schwerer die Widerlegung
ertragen. Weit entfernt von der lauten Prahlsucht Friedrich Lists, war er
doch mitnichten gesonnen, sein Licht hinter den Scheffel zu stellen. Er
gab wohl zu, kein einzelner Mann koenne als Urheber des Zollvereins gelten.
Doch er ruehmte sich, seine Denkschrift habe den Gedanken eines allgemeinen
Zollverbandes zum ersten Male entwickelt, sie habe, bis auf einen einzigen
Irrtum, die Verfassung des spaeteren Zollvereins im voraus richtig
gezeichnet. Er uebersah, dass dieser einzige Irrtum gerade die Lebensfrage
der deutschen Handelspolitik betraf; er uebersah nicht minder, dass der
beste Teil seiner Denkschrift lediglich als Wunsch aussprach, was Preussen
durch die Tat schon vollzogen hatte. Ihm gebuehrt nur das grosse Verdienst,
dass er, gleichzeitig mit den preussischen Staatsmaennern und unabhaengig von
ihnen, fuer einige wichtige Fragen deutscher Handelspolitik die rechte
Loesung erdachte; jedoch die entscheidende Frage: "Bundeszoelle oder
Anschluss an das preussische System?" wurde in Berlin richtig, von Nebenius
falsch beantwortet {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Eine klare Vorstellung von dem Handelsbunde, der anderthalb Jahrzehnte
spaeter ins Leben trat, hegte im Jahre 1819 noch niemand. "Die Idee hatte
sich noch gar nicht entwickelt", pflegte Eichhorn spaeterhin zu sagen. Der
Aufzug des grossen Gewebes war bereits ausgespannt. Es bestand das
preussische Zollsystem, es bestand der ausgesprochene Wille Preussens, dies
System zu erweitern und den deutschen Nachbarn ohne Kleinsinn reichlichen
Anteil an den gemeinsamen Zolleinkuenften zu gewaehren. Noch fehlte der
Einschlag. Es fehlte der gute Wille der Nachbarstaaten; es fehlte hueben
wie drueben ein deutlicher Begriff von den losen und lockeren buendischen
Formen, welche allein einen dauernden Handelsbund zwischen eifersuechtigen
souveraenen Staaten -- dies noch niemals gewagte Unternehmen -- ermoeglichen
konnten. Jenen guten Willen hat nachher die Not gezeitigt. Diese
Verfassungsformen des Zollvereins sind nicht von Nebenius, noch von
irgendeinem Denker im voraus ersonnen worden, da die Theorie solche
Aufgaben niemals loesen kann; sie sind gefunden worden auf den Wegen
praktischer Politik, durch Verhandlungen und gegenseitige Zugestaendnisse
zwischen den deutschen Staaten. Der badische Denker schrieb als ein
unverantwortlicher Privatmann, er durfte kuehn sofort die Einheit des
ganzen Vaterlandes ins Auge fassen. Er hat an diesem Ideale unverbruechlich
festgehalten, und weil er so hohen Flug nahm, verfiel er auf den
unmoeglichen Plan der Bundeszoelle. Preussens Staatsmaenner hatten ein
koestliches Gut zu hueten: die schwer errungene und noch immer hart bedrohte
handelspolitische Einheit ihres Staates. Sie mussten sich von den
Schwaermern bald des zaghaften Kleinsinns, bald des selbstzufriedenen
Duenkels zeihen lassen, und indem sie bedachtsam auf dem Bestehenden
fortbauten, erreichten sie das hohe Ziel. --

Zur rechten Stunde fanden die Urheber des preussischen Zollgesetzes einen
maechtigen diplomatischen Bundesgenossen an dem neuen Referenten fuer die
deutschen Angelegenheiten, J. A. F. Eichhorn, den sein Chef Graf
Bernstorff auf dem Gebiete der Handelspolitik voellig frei schalten liess.
Unter den Helden der Arbeit, welche in mueden Tagen die grossen
Ueberlieferungen Preussens mutig aufrecht hielten, in friedlichem Schaffen
den Grund legten fuer seine neue Groesse, steht Eichhorn in vorderster Reihe.
Sein ganzer Lebensgang hatte ihn vorbereitet auf die Rolle des friedlichen
Baendigers der Kleinstaaterei. Im Loewensteinischen Wertheim war er
aufgewachsen, an der lieblichen Ecke des Maintales und des Taubergrundes,
so recht im Herzen der verkommenen Staatenwelt des alten Reichs, und sein
tagelang blieb es ihm unvergesslich, wie er dort noch den Boten des
Reichskammergerichts in seiner altfraenkischen Tracht die Befehle von
Kaiser und Reich hatte vollstrecken sehen. Begeistert von den Taten
Friedrichs, war er dann gen Norden gegangen, um dem Staate seiner Wahl zu
dienen, und auch an ihm bewaehrte sich, dass Preussen die waermste Liebe bei
jenen Deutschen findet, die sich dies Gefuehl erst erarbeitet haben. Er
musste in Cleve den Zusammenbruch der preussischen Herrschaft, dann in
Hannover 1806 die fiskalischen Kuenste einer kleinlichen Annexionspolitik
mit ansehen und ward trotz alledem nicht irr an seinem Staate. Dann nahm
er teil an Schills abenteuerlichem Zuge und trat zu Berlin mit Stein und
Gneisenau, mit (W. v.) Humboldt, Altenstein(27), Kircheisen(28) in
vertrauten Verkehr; sie alle liessen den unbekannten jungen Fremdling
sofort als einen Ebenbuertigen gelten. Ein Schueler Spittlers(29), gruendlich
und vielseitig gebildet, ward er als erster Syndikus der Berliner
Universitaet auch persoenlich mit der gelehrten Welt naeher bekannt; mit
Schleiermacher(30) verband den tief religioesen Mann eine treue
Freundschaft, der grossen Theologenfamilie der Sack gehoerte er durch seine
Heirat an. Die Zeiten des Befreiungskrieges verlebte er gehobenen Herzens
erst als Offizier in Bluechers Stabe, dann als Mitglied von Steins
Zentralverwaltung; hier fand er reiche Gelegenheit, den kleinen deutschen
Regierungen bis in das Innerste der Seele zu blicken. Unerschuettert trug
er die Begeisterung jener grossen Jahre hinueber in die stille Zeit des
Friedens.

Als er in seinem vierzigsten Jahre die wichtige Stellung im Auswaertigen
Amte erhielt, da beseelte ihn die Hoffnung, eine solche Verbindung, wie
sie einst unter der Zentralverwaltung nur zeitweilig, unfertig, unbeliebt
bestanden hatte, auf die Dauer zu begruenden, die deutschen Staaten durch
die Bande des Rechts, des Vertrauens, des Interesses fuer immer an die
Krone Preussen anzuschliessen. Dies galt ihm als die Vollendung, als die
Laeuterung der Traeume von 1813. Er erkannte in dem Artikel 19 der
Bundesakte "die gutgemeinte Absicht der deutschen Fuersten, dass,
unbeschadet ihrer Souveraenitaet, den deutschen Untertanen die Wohltat eines
gemeinsamen Vaterlandes gewaehrt werden muesse", und er traute seinem
Preussen die Kraft zu, die dem Bunde fehlte, diese Wohltat eines
Vaterlandes den Deutschen zu spenden. Neben der schneidigen Kuehnheit, die
man oft an den grossen Epochen unserer Geschichte bewundert hat, uebersieht
man leicht jene kalte, zaehe, ausdauernde Geduld, welche der preussischen
Staatskunst in den endlos langweiligen Haendeln deutscher Kleinstaaterei
zur anderen Natur geworden war. Wohl keiner unserer Staatsmaenner hat diese
altpreussische Tugend mit solcher Meisterschaft geuebt wie Eichhorn. Da
watet der geistvolle Mann jahraus jahrein durch den zaehen Schlamm
armseliger Verhandlungen, die schon beim Durchlesen koerperlichen Ekel
erregen. Nichts schwaecht ihm die Frische des Geistes; immer bleibt ihm der
Gedanke gegenwaertig, welch grosses Ziel hinter den kleinen Haendeln winkt;
immer wieder rafft sich sein gebrechlicher Koerper nach schweren
Krankheitsanfaellen zu rastloser Taetigkeit auf. Ueberall hat er seine Augen;
wie der Arzt am Krankenbette ueberwacht er die Stimmung der kleinen Hoefe,
ihre Bosheit, ihre Selbstsucht, ihre ratlose Torheit. Zuweilen hilft er
sich mit einem scharfen Witz ueber die Langeweile hinaus. "Was wohl die
herzoglich saechsischen Haeuser beabsichtigen? -- schreibt er einmal -- Ja,
wenn sie es nur selber wuessten!" Und nach allem Jammer, den ihm die
Kleinfuersten zu kosten geben, bewahrt er ihnen doch Achtung und
Wohlwollen, kommt bereitwillig, mit bundesfreundlicher Gesinnung, jedem
billigen Wunsche entgegen. Oftmals schlugen die schmutzigen Wellen der
Demagogenverfolgung gegen seinen ehrlichen Namen an; er blieb sich selber
treu, trat tapfer ein fuer seine verfolgten Freunde und behauptete sich
doch im Vertrauen des Koenigs. Dann hat Fuerst Metternich viele Jahre
hindurch alle seine schlechten Kuenste spielen lassen gegen den verhassten
Patrioten, der in Wien als der boese Daemon Preussens galt. Zugleich schmaehte
die liberale Presse auf den Servilen. Er aber trug gelassen Stein auf
Stein zu dem unscheinbaren Bau deutscher Handelseinheit und duldete
schweigend die Unbilden der oeffentlichen Meinung, denn jeder Versuch einer
lauten Rechtfertigung waere sein sicherer Sturz gewesen. Nachher kam doch
eine Zeit, da mindestens die Hoefe sein Verdienst erkannten; saemtliche
Orden des Deutschen Bundes, nur kein oesterreichischer, wurden dem
anspruchslosen Geheimen Rate verliehen, und die Staatsschriften der
dankbaren Zollverbuendeten priesen ihn als "die Seele des preussischen
Ministeriums". Die Nation aber erfuhr niemals ganz, was sie ihm schuldete.

Seine Hoffnung war, das preussische Zollsystem durch Vertraege mit den
deutschen Nachbarstaaten allmaehlich zu erweitern. Fuer die Formen und
Grenzen dieser Erweiterung hat er nicht im Voraus einen festen Plan
entworfen; er stellte sie, da er die Schwierigkeit des Unternehmens
richtig wuerdigte, dem unberechenbaren Gange der Ereignisse anheim. Die
Frage, ob Preussens Zollschranken dereinst am Main oder am Bodensee stehen
wuerden, war im Jahre 1819 noch nicht praktisch; sie konnte den Leiter der
preussisch-deutschen Politik vielleicht in seinen Traeumen, sie durfte ihn
nicht bei seiner Arbeit beschaeftigen. Nur das eine war ihm sicher, dass das
neue Zollsystem aufrecht bleiben, den festen Kern bilden muesse fuer die
Neugestaltung des deutschen Verkehrs. Er verlangte freie Hand fuer Preussens
Handelspolitik, wies von diesem Gebiete die Einmischung Oesterreichs
entschieden zurueck. Aber jede Feindseligkeit gegen die Hofburg lag ihm
fern; der Gedanke, den Deutschen Bund von Oesterreich abzutrennen, blieb
ihm, dem Konservativen, der in den Ideen von 1813 lebte, voellig fremd.
Noch als Greis hat er Radowitzs Unionsplaene als unausfuehrbare Traeume
bekaempft. --

Einen widerwaertigen Uebelstand, der sofort beseitigt werden musste, bot die
Lage der zahlreichen Enklaven. Die Zollinien wurden alsbald soweit
vorgeschoben, dass sie die anhaltischen Herzogtuemer fast ganz und auch
einen Teil der kleinen thueringischen Gebiete, die mit Preussen im Gemenge
lagen, umfassten. Alle nach diesen Laendern eingefuehrten Waren unterlagen
ohne weiteres den preussischen Einfuhrzoellen. Erst nachdem die neue
Grenzbewachung in Kraft getreten, liess Eichhorn zu Anfang 1819 diesen
Staaten die Einladung zugehen, mit dem Berliner Kabinett wegen des
Zollwesens zu verhandeln. Der Koenig sei bereit, nach billiger Uebereinkunft
den Landesherren der eingeschlossenen Gebiete das Einkommen zu ueberweisen,
das seinen Staatskassen aus den Enklaven zufliesse. Dies kurz angebundene
Verfahren, das in den Papieren des Finanzministeriums als "unser
Enklavensystem" bezeichnet ward, musste allerdings die kleinen Hoefe
befremden; doch die Notwendigkeit gebot, diesen Nachbarn zu zeigen, dass
sie in ihrer Handelspolitik von Preussen abhaengig seien. Nur gutmuetige
Schwaeche konnte das Gelingen der grossen Zollreform abhaengen lassen von der
vorausgehenden Zustimmung eines Dutzends kleiner Herren, die nach
deutscher Fuerstenweise allein fuer die Beredsamkeit vollendeter Tatsachen
empfaenglich waren. Lediglich die Eitelkeit der Nachbarfuersten ward
gekraenkt; den wirtschaftlichen Interessen der Enklaven gereichte Preussens
Vorgehen offenbar zum Segen. Eine selbstaendige Handelspolitik blieb in
diesen armseligen Gebietstruemmern ja doch undenkbar. Das Gedeihen ihrer
Volkswirtschaft wurde sofort vernichtet, wenn Preussen sie von seinem
Zollsystem ausschloss und sie mit seinen Schlagbaeumen rings umstellte; auch
der Handel innerhalb der Provinz Sachsen erlitt aergerliche Stoerung, wenn
alle durch das Anhaltische oder das Schwarzburgische gehenden Waren
verbleit und der Kontrolle der Zollaemter unterworfen werden mussten. Ebenso
wenig durfte Preussen den Verkehr der Enklaven voellig unbeaufsichtigt
lassen. Was diese Laendchen selbst an Zolleinkuenften aufbrachten, bildete
freilich nur den achtzigsten Teil der preussischen Zolleinnahmen; doch
durch den Schmuggel konnten sie den Finanzen Preussens hochgefaehrlich
werden.

Durch die heilsame Ruecksichtslosigkeit der Berliner Finanzmaenner erhielten
die Enklaven freien Verkehr auf dem preussischen Markte, ihre Staatskassen
die Zusage eines gesicherten reichlichen Einkommens, das sie aus eigener
Kraft niemals erwerben konnten. Die preussische Regierung handelte in gutem
Glauben; sie war bereit, ihr eigenes Enklavensystem auch gegen preussisches
Gebiet anwenden zu lassen; mehrmals erklaerte sie, wenn ein sueddeutscher
Zollverein zustande komme, so muesse der enklavierte Kreis Wetzlar sich
diesem Zollsystem unterwerfen. Ganz unhaltbar war vollends die von den
gekraenkten Kleinfuersten oft wiederholte Anklage, Preussens Enklavensystem
verletze das Voelkerrecht. Alle nach den Enklaven bestimmten Waren
unterlagen von Rechts wegen den preussischen Durchfuhrzoellen; und wenn der
Berliner Hof fuer gut fand, die Transitabgaben auf gewissen Strassen bis zur
Hoehe der Einfuhrzoelle hinaufzuschrauben, so liess sich rechtlich dawider
nichts einwenden.

Indem Eichhorn die Kleinstaaten einlud zu freundnachbarlichen Vertraegen
ueber die Behandlung der Enklaven, erklaerte er zugleich die
Bereitwilligkeit des Koenigs, auch ueber den Anschluss nichtenklavierter
Gebiete zu verhandeln. Er betonte den nationalen Charakter des
Zollgesetzes, er hob hervor, dies Gesetz sei im Sinne des Artikels 19 der
Bundesakte gedacht, sei bestimmt, zunaechst in einem Teile von Deutschland
die Binnenmauten aufzuheben, sodann auch anderen Bundesstaaten den
Anschluss zu erleichtern; der Koenig verdiene den Dank der Bundesgenossen,
da er begonnen habe, den deutschen Markt von der Herrschaft des Auslandes
zu befreien. An dieser nationalen Richtung hat Preussens Handelspolitik
seitdem unerschuetterlich festgehalten; die in spaeteren Jahren oft
auftauchenden Vorschlaege, etwa Belgien oder die Schweiz in den Zollverein
aufzunehmen, wurden in Berlin stets kurzerhand zurueckgewiesen. _Nicht
kosmopolitische Verkehrsfreiheit war Preussens Ziel, sondern die
Handelseinheit des Vaterlandes._ Der Koenig, sagt eine von Bernstorff
unterzeichnete Note an das Kollegium der Geheimen Raete zu Gotha (vom
13. Juni 1819), beabsichtige durch das Gesetz vom 26. Mai "hauptsaechlich
den Handel mit ausserdeutschen Landeserzeugnissen zu besteuern und die
Mitbewerbung ausserdeutscher Fabriken von Ihren Staaten und von denjenigen
Laendern abzuwehren, welche sich hierin an Ihre Massregeln anschliessen
wollen." Er hege "den lebhaften Wunsch, die nur zur Besteuerung
ausserdeutscher Verbrauchsartikel und zum Schutze der preussischen
Landesindustrie gegen die ausserdeutschen Fabriken ergriffenen Massregeln
bundesverwandten deutschen Staaten, soweit es ihre Lage irgend gestattet,
nicht zum Nachteil gereichen zu lassen." Hierauf raet die Note, einen
thueringischen Handelsverein zu bilden, der alsdann mit Preussen in
Zollverbindung treten solle; sie zeichnet also genau den Weg vor, welcher
14 Jahre spaeter zu der handelspolitischen Vereinigung Preussens und
Thueringens gefuehrt hat.

Im selben Sinne versicherte die Staatszeitung amtlich, "dass Preussen schon
seiner Lage wegen, mehr aber noch, weil die Vereinigung des
Einzelinteresses der deutschen Bundesstaaten zu einem Gesamtinteresse fuer
Preussen vorzueglich wuenschenswert sei, zu dem Plane einer voelligen
Handelsfreiheit zwischen den Bundesstaaten die Hand zu bieten am ehesten
geneigt sei, und dass es am liebsten die Schwierigkeiten gehoben sehen
werde, die sich der Ausfuehrung entgegenzustellen schienen." Und als gegen
Weihnachten 1819 Abgeordnete des Listschen Vereins nach Berlin kamen, um
die Regierung fuer einen deutschen Mautverband zu gewinnen, da erhielten
sie von Hardenberg und drei Ministern die Versicherung: "dass die
preussische Regierung, weit entfernt, durch einseitige Massregeln den
Wohlstand der deutschen Nachbarstaaten untergraben zu wollen, sich freuen
wuerde, wenn alle Regierungen Deutschlands ueber die Grundsaetze eines
gemeinschaftlichen, die Wohlfahrt aller Teile foerdernden Handelssystems
sich vereinigen koennten, wozu die preussische Regierung sehr gern die Haende
bieten werde, um ihrerseits mitzuwirken, dass dem ganzen Deutschland die
Wohltat eines freien, auf Gerechtigkeit gegruendeten Handels zuteil werde.
Es ist ihnen aber auch nicht verhehlt worden, dass der Zustand und die
Verfassung der einzelnen deutschen Staaten noch keineswegs zu gemeinsamen
Anordnungen vorbereitet erscheine; wozu auch besonders gehoere, dass die
gemeinsamen Anordnungen in einem gemeinsamen Sinne von allen gehalten
wuerden. Die Sache scheine daher jetzt nur darauf zu fuehren, dass einzelne
Staaten, welche sich durch den jetzigen Zustand beschwert glaubten, mit
denjenigen Bundesmitgliedern, von denen nach ihrer Meinung die Beschwerden
veranlasst werden, sich zu vereinigen suchten und dass auf diesem Wege
uebereinstimmende Anordnungen von Grenze zu Grenze weitergeleitet wuerden,
welche den Zweck haetten, die inneren Scheidewaende mehr und mehr wegfallen
zu lassen."

Damit war rund und nett der Grundgedanke einer nationalen Handelspolitik
ausgesprochen, welche bei der Nichtigkeit des Bundestages die einzig
moegliche war. Deutlicher als Preussen sprach, konnte eine Regierung ueber
noch unfertige Entwuerfe schlechterdings nicht reden. Aber in der
epidemischen Verblendung, die nunmehr ueber die oeffentliche Meinung
hereinbrach, in dem donnernden Laerm der Anklagen, die auf das
absolutistische Preussen herniederprasselten, wurden die offenkundigen
Worte und Taten des Berliner Kabinetts voellig vergessen. Man redete sich
hinein in den Wahn, dass Preussen sich selbstgefaellig von dem grossen
Vaterlande absondere. Alles schalt auf den Berliner Hochmut und
Partikularismus, am lautesten jene kleinen Hoefe, welche das Enklavensystem
ertragen mussten. Selbst Karl August von Weimar betrachtete es als eine
hoechst anmassende Zumutung, dass er seine rings von Preussen umschlossenen
Aemter Allstedt und Oldisleben dem preussischen Zollsystem einfuegen sollte,
und liess dem Berliner Hofe schreiben: "Eine strenge Durchfuehrung des
Gesetzes vom 26. Mai scheint mit dem Geiste und den Grundsaetzen der
Bundesakte so wenig in Einklang zu stehen, dass nicht zu bezweifeln steht,
es werde diese Angelegenheit Gegenstand der naechsten Verhandlungen des
Bundestages werden und S. K. Majestaet von Preussen als Bundesfuerst selbst
geruhen, konziliatorische Antraege deshalb an den Bund gelangen zu lassen."

Auf so naive Vorschlaege konnte Eichhorn sich nicht einlassen. Er durfte
das Zollwesen der Provinz Sachsen nicht dem Belieben Oesterreichs und der
Bundestagsmehrheit preisgeben, sondern gab sich der Hoffnung hin, die
Erkenntnis des eigenen Vorteils wuerde die kleinen thueringischen Dynasten
bestimmen, auf das Anerbieten Preussens einzugehen und ihre enklavierten
Gebietsteile durch Vertraege dem preussischen Zollsystem anzuschliessen. In
der Tat wendeten sich die kleinen Nachbarn allesamt sogleich an den
Berliner Hof, aber nur, um zu fordern, dass Preussen sein Enklavensystem
alsbald wieder aufhebe; wie dies moeglich sein sollte, wussten sie freilich
nicht anzugeben. Besonders hart fuehlte sich der wohlmeinende Fuerst Anton
Guenther von Schwarzburg-Sondershausen getroffen. Die Hauptmasse seines
Reiches, die Unterherrschaft mit der Hauptstadt, ein Land von fast 30000
Einwohnern, war von preussischem Gebiet umschlossen und dem preussischen
Zollwesen einverleibt; da die Krone Preussen als Rechtsnachfolgerin von
Kursachsen hier ueberdies das Postregal und einige andere Hoheitsrechte
ausuebte, so blieb dem Fuersten von seiner teueren Souveraenitaet allerdings
wenig uebrig. Mit dringenden Bitten mussten also erst der vielgeplagte
gemeinsame thueringische Gesandte General Lestocq, dann das Sondershausener
Geheime Konsilium selbst den preussischen Hof bestuermen um "Zuruecknahme
einer Anordnung, in welche man schwarzburg-sonderhausenscherseits sich nie
zu fuegen entschlossen ist."

Minister Klewiz erwiderte verbindlich, durch einen Vertrag koenne die
Angelegenheit ohne Schwierigkeit geordnet werden; er gewaehrte auch dem
Fuersten freundnachbarlich Freipaesse fuer die Verzehrung seines Hofhalts,
aber eine Abaenderung des Gesetzes schlug er rundweg ab, da die Gefahr des
Schmuggels aus den kleinen Nachbarlanden gar zu gross sei. In Sondershausen
wollte man den Wink nicht verstehen. Mehrere Monate hindurch wurde die
preussische Regierung immer von neuem mit der Anfrage belaestigt, ob sie nun
endlich bereit sei, eine Verfuegung aufzuheben, welche so groeblich in die
Rechte der Sondershausener Souveraenitaet eingreife. Der Fuerst selber
richtete an den Koenig die "devoteste Bitte", ihn "durch einen neuen Beweis
Allerhoechstdero allgemein verehrter und gepriesener Liberalitaet und
Grossmut zum unbegrenztesten und devotesten Danke zu verpflichten." Alles
war vergeblich; die untertaenige Form konnte ueber den anmassenden Inhalt der
Bittschriften nicht taeuschen. Dann kam der Kanzler v. Weise selbst nach
Berlin, ein wackerer alter Herr, der im Verein mit seinem Sohne, dem
Geheimen Rat, das Sondershausener Laendchen patriarchalisch regierte. Auch
er richtete nichts aus.

Mittlerweile hatte sich Vizepraesident v. Motz(31) in Erfurt des Streites
angenommen. Er kannte alle Herzensgeheimnisse der Kleinstaaterei, da sein
Regierungsbezirk mit fast einem Dutzend kleiner Landesherrschaften im
Gemenge lag; er war mit den beiden Weise als guter Nachbar vertraut
geworden und erwarb sich jetzt um Deutschlands werdende Handelseinheit,
die ihm bald noch Groesseres verdanken sollte, sein erstes Verdienst, indem
er den Freunden vorstellte, wie kindisch es sei, an einer Zollhoheit
festzuhalten, die doch niemals in Wirksamkeit treten konnte. Der
kunstsinnige Fuerst wuenschte laengst, im freundlichen Tale der Wipper ein
Sondershausener Nationaltheater zu gruenden, aber die Mittel fehlten;
schloss er sich dem preussischen Zollwesen an, so war ihm aus der Not
geholfen. Diese Erwaegung wirkte.

Gegen Ende September erschien der alte Weise wieder in Berlin, und da er
diesmal ernstlich verhandeln wollte, so ward er mit grosser Freundlichkeit
aufgenommen. Maassen und Hoffmann fuehrten die Unterhandlung, unter
bestaendiger Ruecksprache mit Eichhorn. Noch unbekannt mit der Nebeniusschen
Denkschrift, stellte Hoffmann zuerst den Gedanken auf: das einfachste sei
doch, die gemeinsamen Zolleinnahmen ohne fiskalische Kleinlichkeit nach
der Volkszahl zu verteilen. Damit war jener Bevoelkerungsmassstab gefunden,
der allen spaeteren Zollvertraegen Preussens zur Grundlage gedient hat. Weise
ging sofort auf das guenstige Anerbieten ein, und am 25. Oktober 1819 wurde
der _erste Zollanschlussvertrag_ unterzeichnet, kraft dessen der Fuerst von
Sondershausen "unbeschadet seiner landesherrlichen Hoheitsrechte" seine
Unterherrschaft dem preussischen Zollgesetz unterwarf und dafuer nach dem
Massstabe der Bevoelkerung seinen Anteil an den Zolleinnahmen -- vorlaeufig
eine Bauschsumme von 15000 Talern -- erhielt. Eine Mitwirkung bei der
Zollgesetzgebung wurde dem kleinen Verbuendeten nicht zugestanden; er musste
die Handelsvertraege Preussens und alle anderen Aenderungen, welche das
Finanzministerium beschloss, einfach annehmen. Im uebrigen waren seine
Hoheitsrechte sorgsam, fast aengstlich gewahrt; selbst die
Steuervisitationen auf schwarzburgischem Gebiet sollten nur durch die
fuerstlichen Beamten vollzogen werden.

Im Wippertale herrschte laute Freude. Der Fuerst dankte tief geruehrt fuer
dies neue Zeichen koeniglicher Hochherzigkeit; nun konnte er endlich sein
beruehmtes Rauchtheater eroeffnen, wo er mit den Buergern seiner Residenz um
die Wette den Musen des Dramas und der Rauchkunst huldigte. Finanziell
betrachtet, war das Abkommen unzweifelhaft ein Loewenvertrag zugunsten
Sondershausens; Preussen brachte um des politischen Zweckes willen ein
Geldopfer, denn das wenig bemittelte Thueringer Berglaendchen verzehrte von
den eintraeglichsten Zollartikeln, den Kolonialwaren, weit weniger als der
Durchschnitt der oestlichen Provinzen.

Um so berechtigter schien die Erwartung, dass die uebrigen Kleinen dem
Beispiel Sondershausens folgen wuerden. Im Eingange des Vertrags hatte der
Koenig nochmals erklaeren lassen, dass er bereit sei, aehnliche Abkommen mit
anderen Bundesfuersten zu schliessen. Rudolstadt begann schon zu verhandeln.
Auch mit Braunschweig, Weimar, Gotha dachte Hoffmann binnen kurzem ins
Reine zu kommen, und bereits ging er mit seinen Entwuerfen ueber die
Grundsaetze des Enklavensystems hinaus. Die unglueckliche zerrissene Gestalt
seines Gebietes zwang den preussischen Staat, auch wenn er auf alle
Eroberungsplaene verzichtete, mindestens zum handelspolitischen Ehrgeiz; er
konnte sein Steuersystem kaum durchfuehren, wenn er nicht ausser den
Enklaven auch noch einige nur halb umschlossene Nachbarlandschaften seinem
Zollgesetze unterwarf. Da lag Anhalt-Bernburg, das auf eine kleine Strecke
Weges nicht an Preussen grenzte und also gewissenhaft als Ausland behandelt
wurde. Was war der Dank? Ein ungeheuerer Schmuggel, der von Monat zu Monat
anwuchs und die Zolleinnahme der Provinz Sachsen zu verschlingen drohte.
Schon im Oktober wurden 4023 Zentner zumeist Kolonialwaren, in die
anhaltischen Harzstaedtchen bei Ballenstedt eingefuehrt, um alsbald spurlos
zu verschwinden. Mindestens dies Vorland, meinte Hoffmann, muesse sogleich
in die Zollinie eintreten; werde der Vertrag mit Sondershausen nur erst
bekannt, dann koennten sich die kleinen Nachbarn nicht laenger mehr wider
ihren eigenen Vorteil straeuben.

Die Hoffnung trog. Jener Zollvertrag, der uns heute so selbstverstaendlich
erscheint, sollte waehrend mehrerer Jahre der einzige bleiben. Kaum ward er
ruchbar, so erscholl an allen Hoefen ein Schrei des Zornes. Fuerst Anton
Guenther musste von seinen durchlauchtigen Genossen ernste Vorwuerfe hoeren,
weil er das Kleinod der Souveraenitaet so wuerdelos preisgegeben; die anderen
kleinen Nachbarn, die seinem Vorgange bereits folgen wollten, traten,
eingeschuechtert durch die allgemeine Entruestung, von den Verhandlungen
zurueck. An die Spitze der Gegner Preussens stellte sich der Herzog von
Coethen. Der erklaerte im Namen der kleinen Fuersten: "freiwillig koennen und
werden sie sich nicht unterwerfen, wenn sie nicht die heiligsten Pflichten
gegen ihre Untertanen, gegen ihre Haeuser und gegen ihre eigene Ehre
verletzen wollen"; dann forderte er getrost, Preussen solle ihm einen fuenf
Stunden breiten Streifen zollfreien Gebiets bis zur saechsischen Grenze zur
Verfuegung stellen, damit das Haus Anhalt freien Zugang zum Welthandel
erlange. Gemuetlich lauernd und im Stillen schuerend, stand hinter den
erbitterten Kleinen der treue Bundesgenosse Preussens, Oesterreich. Die Hoefe
beschlossen insgeheim, auf den Wiener Konferenzen mit vereinter Kraft die
Aufhebung des preussischen Zollgesetzes durchzusetzen; nur wenn der
vorhandene Anfang deutscher Zolleinheit vom Erdboden verschwand, konnte
der Bundestag die nationale Handelspolitik begruenden! Und an dieser
Raserei partikularistischer Leidenschaft nahm die gesamte Nation ausserhalb
Preussens teil. Alle die Lieder und Reden zum Preise der deutschen Einheit
waren vergessen, sobald Preussen sich anschickte, den Deutschen "die
Wohltat eines gemeinsamen Vaterlandes zu gewaehren".

Preussens Staatsmaenner hatten gehofft, schon in dem ersten Jahre, da das
neue Gesetz bestand, einige der deutschen Nachbarn fuer die Politik der
praktischen deutschen Einheit zu gewinnen. Jetzt sahen sie sich in die
Verteidigung zurueckgeworfen. Der siegreiche Kampf um die Behauptung, dann
um die Erweiterung des Zollgebiets blieb auf Jahre hinaus die wichtigste
Aufgabe der preussischen Staatskunst. Durch die friedlichen Eroberungen
dieses Kampfes hat Koenig Friedrich Wilhelm gesuehnt, was in Karlsbad
gefehlt war, und die Marksteine gesetzt fuer das neue Deutschland. Er war
der rechte Mann fuer dies unscheinbare und doch so folgenschwere Werk
deutscher Geduld. Gleichmuetig und immer bei der Sache, treu und
beharrlich, von einer Rechtschaffenheit, die jedes Misstrauen entwaffnete,
stets bereit, dem bekehrten Gegner mit aufrichtigem Wohlwollen
entgegenzukommen -- so hat er nach und nach die Truemmer Deutschlands
befreit aus den Banden eigener Torheit und auslaendischer Raenke, den Weg
bereitend fuer groessere Zeiten. Die Gegenwart aber soll nicht undankbarer
sein, als Friedrich der Grosse war, der von dem glanzlosen Arbeitsleben
seines Vaters sagte: "Der Kraft der Eichel danken wir den Schatten des
Eichbaums, der uns deckt."

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. II, 607ff.

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   11 Aug./Sept. 1819 tagte zu Karlsbad unter Metternichs Vorsitz ein
      Kongress der deutschen Minister zur Beratung gemeinsamer Massregeln
      gegen die demagogischen Umtriebe. Das Ergebnis waren die Karlsbader
      Beschluesse, die der Bundestag am 20. September einstimmig
      genehmigte.

   12 Am 29. Juli 1819 hatte der oesterreichische Staatskanzler Metternich
      in Teplitz mit Friedrich Wilhelm III. eine geheime Unterredung, in
      welcher er den Koenig von Preussen bestimmte, auf die Einfuehrung einer
      Volksvertretung in modernem Sinne zu verzichten. Am 1. August
      unterzeichneten Hardenberg und Metternich eine Publikation ueber die
      "Grundsaetze, nach welchen die Hoefe von Oesterreich und Preussen in den
      innern Angelegenheiten des Deutschen Bundes zu verfahren
      entschlossen sind".

   13 Joh. Friedrich Benzenberg, geb. 5. Mai 1777, gest. 8. Juni 1846;
      1805 zum Professor der Physik am Lyceum zu Duesseldorf ernannt, ging
      er 1810 nach der Schweiz, kehrte aber nach Napoleons Sturz nach
      Deutschland zurueck und widmete sich schriftstellerischer Taetigkeit.

   14 Friedrich List, geb. 6. August 1789, gest. durch Selbstmord 30.
      November 1846, Nationaloekonom, der in seinen Schriften den Gedanken
      vertrat, dass eine jede Nation vor allem ihre eigenen Hilfsquellen
      zum hoechsten Grade der Selbstaendigkeit und harmonischen Entwicklung
      bringen, die eingeborene Industrie durch Schutz noetigenfalls
      unterstuetzen und den nationalen Zweck einer dauernden Entwicklung
      produktiver Kraefte ueberall dem pekuniaeren Vorteil einzelner
      vorziehen muesse.

   15 Ernst Wilh. Arnoldi, geb. 21. Mai 1778. gest. 27. Mai 1841.

   16 Joh. Georg Buesch, geb. 3. Januar 1728, gest. 5. Aug. 1800, gruendete
      1767 in Hamburg eine Handelsakademie.

   17 Joseph v. Goerres, geb. 25. Januar 1776, gest. 29. Januar 1848, ein
      Publizist, der anfangs fuer die Revolution, nachmals fuer das
      "Deutschtum" begeistert, schliesslich im Ultramontanismus einen Halt
      suchte und mit Fanatismus gegen den Protestantismus kaempfte.

   18 Robert Blum, geb. 10. November 1807, erschossen am 9. November 1848
      in Wien, wohin er sich im Vertrauen auf seine Unverletzlichkeit als
      Mitglied des Frankfurter Parlaments begeben hatte, um den
      aufstaendischen Wienern eine Beifallsadresse der Frankfurter
      Parteigenossen zu ueberbringen. Als Fuehrer einer Elitekompagnie am
      Kampfe beteiligt, wurde er verhaftet und durch ein Kriegsgericht zum
      Tode verurteilt.

   19 Ferd. Lassalle, geb. 11. April 1825, gest. 31. August 1864,
      sozialistischer Agitator, Gruender des Allg. Deutschen
      Arbeitervereins.

   20 Georg Friedrich v. Martens, geb. 22. Februar 1756, gest. 21. Februar
      1821, seit 1816 hannoev. Bundestagsgesandter.

   21 Graf Aug. Fried. Ferd. v. d. Goltz, geb. 20. Juli 1765, gest. 17.
      Januar 1832, von 1816-1824 preussischer Bundestagsgesandter, nachher
      Oberhofmarschall.

   22 Wilh. Ludw. Leop. Reinhard Freiherr v. Berstett, geb. 1769, gest. 6.
      Februar 1837, 1816 badischer Bundestagsgesandter, von 1817 bis 1831
      badischer Minister des Auswaertigen.

   23 Klemens Fuerst v. Metternich, geb. 15. Mai 1773, gest. 11. Juni 1859,
      oesterreichischer Minister seit 1809, seit Mai 1821 bis 13. Maerz 1848
      Staatkanzler, Haupttraeger der Reaktion in Oesterreich und
      Deutschland.

   24 Karl Friedrich Nebenius, geb. 29. September 1785, gest. 8. Juni
      1857, Verfasser der badischen Verfassungsurkunde vom 22. August 1818
      und zweimal Minister des Innern.

   25 David Ricardo, geb. 19. April 1778, gest. 11. September 1823, engl.
      Nationaloekonom, der als Schueler von Adam Smith die Lehre vom
      Freihandel publizistisch vertrat. Seine Gedanken ueber das Verhaeltnis
      zwischen Erzeugungskosten der Waren und Verkaufspreis und ueber das
      Verhaeltnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitslohn sind von Marx
      und Lassalle weiter entwickelt worden.

   26 Wilh. Anton v. Klewiz, geb. 1. August 1760, gest. 26. Juli 1838, von
      1817-1824 preussischer Finanzminister, von 1824-1837 Oberpraesident
      der Provinz Sachsen.

   27 Karl Freiherr von Stein zum Altenstein, geb. 7. Oktober 1770, gest.
      14. Mai 1840, seit 1817 Minister fuer geistlichen Unterricht und
      Medizinalangelegenheiten, Reorganisator des preussischen Volks- und
      hoeheren Schulwesens.

   28 Friedrich Leopold v. Kircheisen, geb. 24. Juni 1746, gest. 18. Maerz
      1825, von 1810 ab preussischer Justizminister.

   29 Ludwig Freiherr v. Spittler, geb. 10. November 1752, gest. 14. Maerz
      1810, wurde 1779 als Professor der Philosophie nach Goettingen
      berufen, 1806 zum Minister in Wuerttemberg ernannt und zum Kurator
      der Universitaet Tuebingen.

   30 Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher, geb. 21. November 1768, gest.
      12. Februar 1834, Prediger an der Berliner Dreifaltigkeitskirche und
      Professor an der Universitaet.

   31 Fried. Christ. Adolf v. Motz, geb. 18. November 1775, gest. 30. Juni
      1830, urspruenglich im Dienste des Koenigs von Westfalen taetig, trat
      nach Napoleons Sturz in preussische Dienste ueber. 1817 zum
      Praesidenten der Erfurter Regierung ernannt, ward er 1821
      provisorisch, 1824 definitiv Oberpraesident von Sachsen, 1825 Geh.
      Staats- und Finanzminister.




3. Der Kampf um das preussische Zollgesetz auf den Wiener Konferenzen.


Als Hardenberg seine Weisungen (fuer die nach Wien berufene
Ministerkonferenz) an Bernstorff(32) erteilte, schaerfte er ihm noch einmal
ein, dass ein Bundeszollwesen bei dem gegenwaertigen Zustande der deutschen
Staaten unmoeglich sei. Sodann wiederholte er ihm woertlich, was er
gleichzeitig den Abgesandten des Listschen Handelsvereins antwortete und
durch die Staatszeitung veroeffentlichen liess: "Man kann daher die Sache
nur darauf zurueckfuehren, dass einzelne Staaten, welche durch den jetzigen
Zustand sich beschwert glauben, mit denjenigen Bundesgliedern, woher nach
ihrer Meinung die Beschwerde kommt, sich zu vereinigen suchen, und dass so
uebereinstimmende Anordnungen von Grenze zu Grenze weiter geleitet werden,
welche den Zweck haben, die inneren Scheidewaende mehr und mehr fallen zu
lassen." So war das handelspolitische Programm der preussissschen Regierung
nochmals klar und unzweideutig ausgesprochen. Indem sie an ihrem
Zollgesetze festhielt, erklaerte sie sich bereit, anderen Bundesstaaten
durch freie Vertraege den Zollanschluss oder Handelserleichterungen zu
gewaehren; aber sie sah auch ein -- und hierin lag ihre Ueberlegenheit -- dass
alle Klagen wider die Binnenmauten muessige Reden blieben, solange die
deutschen Staaten sich ueber ein gemeinsames Zollgesetz nicht einigen
konnten.

Auf lebhaften Widerspruch war Bernstorff von vornherein gefasst; er wusste
wohl, wie unfassbar diese nuechternen handelspolitischen Gedanken, die heute
jedem gelaeufig sind, der grossen Mehrzahl der deutschen Hoefe noch
erschienen. Der leidenschaftliche Ausbruch "gehaessiger Vorurteile", den er
in Wien erleben musste, uebertraf doch seine schlimmsten Erwartungen. Die
naive volkswirtschaftliche Unwissenheit der Epoche feierte auf den
Konferenzen ihre Saturnalien; fast die gesamte deutsche Diplomatie lief
Sturm wider das preussische Zollgesetz. Sobald auf die Fragen des Handels
die Rede kam, verschob sich die Stellung der Parteien vollstaendig. Der
preussische Bevollmaechtigte, der fast in allen andern Fragen die Mehrheit
der Versammlung nach sich zog, stand in den handelspolitischen Beratungen
ebenso vereinsamt wie in den militaerischen, er erschien wie der
Stoerenfried der deutschen Einigkeit. Dieselben Hoefe, die ueberall sonst den
Wirkungskreis des Bundes aengstlich zu beschraenken suchten, hofften durch
einen rechtswidrigen Bundesbeschluss jene segensreiche Reform, welche dem
preussischen Deutschland den freien Verkehr geschenkt hatte, wieder
umzustossen. Von Mund zu Mund ging die sophistische Behauptung, das
preussische Gesetz verstosse wider den Artikel 19 der Bundesakte, der nichts
weiter enthielt als die Zusage, dass der Bundestag wegen des Handels und
Verkehrs "in Beratung treten" solle.

Preussens boeser Genius, so liessen sich selbst Wohlmeinende vernehmen, hat
dies unglueckliche Gesetz geschaffen, das ihm ueberall Zutrauen und
Zuneigung verscherzt; Preussen wird es dereinst noch bereuen! Und seltsam,
die Angriffe der entruesteten Vorkaempfer deutscher Handelsfreiheit
richteten sich ausschliesslich gegen Preussen, obgleich auch andere
Bundesstaaten des gleichen Frevels schuldig waren. Bayern hatte soeben
(22. Juli 1819), wie Preussen, ein neues Zollgesetz verkuendigt, aber
niemand eiferte dawider. Vollends das oesterreichische Prohibitivsystem
belastete nicht nur alle Waren ungleich haerter als das preussische Gesetz,
es verbot sogar einzelne deutsche Erzeugnisse gaenzlich, namentlich die
Franken- und Rheinweine. Keiner unter den deutschen Ministern nahm daran
Anstoss. Metternich sagte kurzweg zu Berstett: "Ich betrachte Oesterreich
als gar nicht in der Handelsfrage befangen", und der badische Staatsmann
nahm diese Erklaerung ohne Widerspruch als selbstverstaendlich hin. Also
ward gerade durch den leidenschaftlichen Eifer der Kleinen bewiesen, wie
fest ihre Interessen mit Preussen verkettet waren, wie lose mit Oesterreich.
Einige der kleinen Minister vertraten den Gedanken der Bundeszoelle: so
Fritsch(33), dem sein Grossherzog befohlen hatte, die Verlegung aller
Zollinien an die Bundesgrenze zu fordern, so Berstett, der noch immer der
Meinung blieb, durch die Verkuendigung allgemeiner Verkehrsfreiheit werde
der Bund am sichersten die Unzufriedenheit der Nation beschwichtigen.
Andere wollten nur den Verkehr mit deutschen Produkten frei lassen, und
diese so wenig wie jene wussten die Mittel zur Ausfuehrung ihres Planes
anzugeben: gegen das Ausland, meinte Berstett gemuetlich, moege jeder
Bundesstaat seine Zoelle nach Belieben anordnen, genug, wenn im Innern
Deutschlands die Mauten hinwegfielen. Zu diesen ehrlichen Enthusiasten
gesellten sich einige Bundesgenossen, die ihre unlauteren Hintergedanken
kaum verbargen. Der Herzog von Coburg(34) erschien selbst in Wien, um
durch sein Veto den Abschluss der Bundeskriegsverfassung zu vereiteln,
falls ihm nicht unbeschraenkte Verkehrsfreiheit gewaehrt wuerde; doch da die
Konferenz das Bundesmilitaergesetz nicht ins reine brachte, so ward der
feine Plan zu Schanden. Noch dreister trat Marschall(35) auf. Der witterte
mit dem Instinkt des Hasses, dass die neue Zollgesetzgebung, das Werk der
"demagogischen Subalternen" in den Berliner Bureaus, dem preussischen
Staate vielleicht dereinst die Hegemonie im Norden verschaffen koenne;
durch ihre Vernichtung dachte er zugleich diesen Staat des Unheils zu
demuetigen und der Schlange der Revolution das Haupt zu zertreten.

Aehnliche Gesinnungen hegte der Kasseler Hof, der bereits, ohne eine
Verstaendigung mit dem Nachbarstaate auch nur zu versuchen, den Zollkrieg
gegen Preussen eroeffnet hatte. Durch ein Gesetz vom 17. September 1819
wurde die Ein- und Durchfuhr vieler preussischer Waren verboten oder mit
schweren Zoellen belegt. Der Mehrbetrag der erhoehten Abgaben sollte
verwendet werden zum Besten der hessischen Gewerbetreibenden, welche das
preussische Zollgesetz an den Bettelstab gebracht habe -- ein Versprechen,
das der geizige Kurfuerst(36) selbstverstaendlich niemals einloeste. In
Berlin dachte man anfangs an Retorsionen. Der Koenig aber hielt sich streng
an die Zusage, dass die preussischen Zoelle vornehmlich die ausserdeutschen
Waren treffen sollten, und wollte feindselige Schritte gegen deutsche
Staaten, wenn irgend moeglich, vermeiden. Auch ein Gutachten des
Finanzministeriums gelangte zu dem Schlusse, die hessischen Retorsionen
seien fuer Hessen ueberaus schaedlich, fuer Preussen ungefaehrlich, also "nur
der Form wegen zu bekaempfen". Der Gesandte in Kassel sprach sich in diesem
Sinne vertraulich gegen den Kurfuersten aus. Unterdessen liess Preussen die
Koeln-Berliner Kunststrasse ueber Hoexter und Paderborn, mit Umgehung des
hessischen Gebiets, ausbauen. Der Verkehr des Nordostens mit dem Sueden zog
sich von Hanau hinweg nach Wuerzburg, die hessischen Strassen begannen zu
veroeden. Der Kurfuerst musste seine Kampfzoelle wieder herabsetzen und harrte
nun um so ungeduldiger auf einen Bundesbeschluss, der die Zollinien des
unangreifbaren Nachbarn zerstoeren sollte.

Unter den Widersachern Preussens verstand doch keiner eine so urwuechsig
grobe Sprache zu fuehren wie der Herzog Ferdinand von Koethen, ein eitler,
nichtiger Mensch, der im Jahre 1806 wegen erwiesener Unfaehigkeit den
preussischen Kriegsdienst hatte verlassen muessen und jetzt persoenlich an
die Donau eilte, um "die Mediatisierung des uralten Hauses Anhalt"
abzuwenden. Die wirkliche Herrin seines Laendchens war seine Gemahlin
Julia, eine geborene Graefin Brandenburg, Halbschwester des Koenigs von
Preussen, eine Dame von Geist und Bildung, unermesslich stolz auf ihre
fuerstliche Wuerde, den katholisierenden Lehren der romantischen Schule
eifrig zugetan. Da Metternich den Wert einer solchen Bundesgenossin wohl
zu wuerdigen wusste, so hatte er Adam Mueller(37) beauftragt, neben dem
Leipziger Konsulate auch das Amt des oesterreichischen Geschaeftstraegers an
den anhaltischen Hoefen zu bekleiden, und der gefeierte Publizist der
ultramontanen Partei wurde der romantischen Herzogin bald ein
unentbehrlicher Ratgeber. Mueller hasste seine preussische Heimat mit dem
ganzen Ingrimm des Konvertiten. Seinem erfinderischen Kopfe entsprang der
Plan zu einem grossen Gaunerstuecke kleinfuerstlicher Staatskunst, das die
preussische Zollgesetzgebung von innen heraus durchloechern und mindestens
fuer die Provinz Sachsen unmoeglich machen sollte. Das Koethensche Land wurde
einige Stunden weit von der Elbe durchflossen, und die Elbe zaehlte zu den
konventionellen Fluessen, denen der Wiener Kongress die "vollkommene
Freiheit der Schiffahrt" zugesagt hatte. Welch eine glaenzende Aussicht
eroeffnete sich also fuer die Machtstellung Koethens, wenn die Konferenz sich
bewegen liess, die Freiheit der Elbe sofort und unbedingt von Bundes wegen
einzufuehren! Dann konnte der Herzog, obgleich sein Land von preussischem
Gebiete umschlossen war, eine selbstaendige europaeische Handelspolitik
beginnen, er konnte die Freiheit der Elbschiffahrt missbrauchen, um im
Herzen des preussischen Staates dem Schleichhandel eine grosse Freistaette zu
eroeffnen, den gehassten Nachbarstaat mit geschmuggelten Waren zu
ueberschwemmen und ihn vielleicht zur Aenderung seines Zollsystems zu
zwingen. Begierig ging der kleine Herr auf diese freundnachbarlichen
Gedanken ein; Gewissensbedenken beruehrten ihn nicht, und den Unterschied
von Macht und Ohnmacht vermochte er nicht zu begreifen. Die wiederholten
wohlwollenden Einladungen zum freiwilligen Anschluss an das preussische
Zollsystem hatte er saemtlich schroff abgefertigt, in jenem poebelhaft
schreienden Tone, der allen Schriftstuecken dieses Hofes gemein war.
"Anhalt -- so erklaerte er stolz -- kann seine Rettung nur suchen in dem
allgemeinen europaeischen voelkerrechtlichen Staatenverein und in den
Hilfsmitteln, welche ihm seine geographische Lage an grossen Stroemen
darbietet."

Mehr oder minder eifrig klagten auch die meisten uebrigen Bevollmaechtigten
wider die Selbstsucht des Staates, der allein dem Ideale der deutschen
Handelseinheit im Wege stehe. Nur die Hansestaedte, befriedigt mit ihrer
kosmopolitischen Handelsstellung, wiesen jeden Versuch gemeinsamer
deutscher Handelspolitik kuehl zurueck. Auch Zentner(38) zeichnete sich
wieder durch kluge Besonnenheit aus; dem gestaltlosen Traumbilde einer
allgemeinen Verkehrsfreiheit, deren Bedingungen noch niemand kannte,
wollte er das neue bayrische Zollgesetz nicht opfern. Metternich aber liess
mit schlecht verhehlter Schadenfreude die Kleinen wider Preussen laermen.
Meisterhaft verstand der Wiener Hof, die Angst vor dem preussischen
Ehrgeiz, die allen Kleinstaaten in den Gliedern lag, je nach Umstaenden fuer
seine Zwecke auszubeuten. Im Oktober hatte Graf Bombelles(39) auf
ausdruecklichen Befehl des Kaisers Franz dem Grossherzog von Weimar(40)
gedroht: wenn man die Karlsbader Beschluesse nicht ueberall streng ausfuehre,
dann muessten die beiden Grossmaechte aus dem Bunde ausscheiden, und dann
wuerde der Kaiser sich genoetigt sehen, seinem preussischen Alliierten "in
Deutschland eine erweiterte Stellung zu verschaffen". Ebenso unbedenklich
benutzte Metternich jetzt die Eifersucht der Kleinen, um Preussens
Handelspolitik zu bekaempfen. Freilich durfte er nicht wagen, die Gegner
seines unentbehrlichen Bundesgenossen offen zu unterstuetzen, zumal da er
selber an dem oesterreichischen Zollwesen nicht das Mindeste aendern wollte.
Unter der Hand jedoch ermutigte er die Ergrimmten und fluesterte ihnen zu,
das preussische Zollgesetz sei das Werk einer Partei, deren Zwecke mit
"treuem Bundessinn" nichts gemein haetten. Als handelspolitischen Ratgeber
hatte er sich den Urheber der anhaltischen Schleichhandelsplaene, Adam
Mueller, nach Wien kommen lassen.

Die Nation war ueber das Problem der Zolleinheit noch ebenso wenig ins
Klare gekommen wie ihre Staatsmaenner. Von dem politischen Ergebnis der
Konferenzen erwartete sie, nach den Karlsbader Erfahrungen, nichts
Erfreuliches; nur die Aufhebung der Binnenmauten und namentlich der
preussischen Zollinien erschien allen Parteien als ein bescheidener Wunsch,
der bei einigem guten Willen der Regierungen leicht erfuellt werden konnte.
Eine Flugschrift "Freimuetige Worte eines Deutschen aus Anhalt" sprach mit
drastischen Worten aus, was nahezu alle Nichtpreussen ueber die Berliner
Handelspolitik dachten. Der offenbar wohlmeinende Verfasser fand es
ehrenruehrig, dass man die von preussischem Gebiete umschlossenen Staaten als
Enklaven bezeichne, und schlechthin rechtswidrig, dass Preussen von
"Fremden" Steuern erhebe; das Strafurteil der oeffentlichen Meinung muesse
der Sache "der Wahrheit und des Rechts" unfehlbar zum Siege verhelfen.

Als Wortfuehrer der Kaufleute und Gewerbtreibenden fand sich F. List mit
seinen Getreuen J. J. Schnell und E. Weber auf den Konferenzen ein und
legte eine Denkschrift vor, deren hochgemutes patriotisches Pathos
inmitten der engherzigen partikularistischen Interessenpolitik der Wiener
Versammlung wildfremd erschien. Mit der Einheit der Nation -- so fuehrte er
in beredten Worten aus -- sei die vollkommene Unabhaengigkeit der
Einzelstaaten nicht vereinbar; der Bund muesse den 30 Millionen Deutschen
den Segen des freien Verkehrs schaffen und also in Wahrheit ein Bund der
Deutschen werden. Und was war der praktische Vorschlag, der diesen
begeisterten Worten folgte? List verlangte, dass die deutschen Staaten ihre
Zoelle an eine Aktiengesellschaft verpachten sollten, und machte sich
anheischig, die Aktien unterzubringen; diese Gesellschaft wuerde das
deutsche Bundeszollwesen begruenden und den Regierungen alle Sorge um
laestige Einzelheiten abnehmen! Seltsam doch, in welche holden
Selbsttaeuschungen der feurige Patriot sich einwiegte. Er behauptete,
Preussen sei geneigt, sein Zollgesetz aufzugeben, obgleich man ihm soeben
von Berlin aus amtlich das Gegenteil versichert hatte. Er sah sich von der
Wiener Polizei argwoehnisch beobachtet und schrieb in die Heimat: "wir sind
von allen Seiten mit Spionen umgeben, bei einem Spion einquartiert, von
einem Spion bedient"; er wusste, dass Metternich in der Konferenz erklaert
hatte, mit den Individuen, welche sich fuer die Vertreter des deutschen
Handelsstandes ausgaeben, koenne man sich auf keine Verhandlungen einlassen,
da der Bundestag bereits den Deutschen Handelsverein als ein
gesetzwidriges und unzulaessiges Unternehmen verurteilt habe. Das alles
beirrte ihn nicht in seiner ruehrenden Zuversicht. Als nun gar Adam Mueller
eine Denkschrift Lists ueber deutsche Industrieausstellungen wohlwollend
begutachtete und Kaiser Franz in einer Audienz dem unverwuestlichen
Agitator versicherte, seine Regierung werde gern das Wohl des deutschen
Vaterlandes foerdern, da waehnte er sich schon fast am Ziele: "Aller Augen
sind nunmehr auf die Kaiserlich oesterreichische Regierung gerichtet. Wie
wuerde sich nicht Oesterreichs edelmuetiger menschenfreundlicher Kaiser die
Voelker deutscher Zunge aufs neue verbinden, wenn ihnen so grosse Wohltat
von seinen Haenden kaeme!" Als auch diese Taeuschung schwand, warf er seine
Hoffnungen auf die sueddeutschen Hoefe und meinte, seine Sache habe durch
die Verzoegerung nur gewonnen. So klammerte sich der edle Patriot an jeden
Strohhalm; nur das preussische Zollgesetz, das dereinst der Eckstein
unserer wirtschaftlichen Einheit werden sollte, erschien ihm, wie der
gesamten Nation, als der Quell des Verderbens.

In der Konferenz eroeffnete Marschall den Kampf durch eine Denkschrift vom
8. Januar, welche den preussischen Staat mit so grobem Unglimpf ueberhaeufte,
dass Bernstorff sie dem Verfasser zurueckgab. Durch die neuen
Zolleinrichtungen, hiess es da, wuerden die Eigentumsrechte von
Hunderttausenden angegriffen, das Eigentum und der Besitz vermindert. Dann
forderte der Nassauer getrost: Aufhebung aller seit dem Jahre 1814 neu
eingefuehrten Mauten und sofortige Vollziehung der Beschluesse des Wiener
Kongresses ueber die Flussschiffahrt; im uebrigen volle Freiheit fuer jeden
deutschen Staat, die Zoelle gegen das Ausland willkuerlich festzusetzen,
wenn er nur keine Binnenmauten errichte. Dass der letztere Vorschlag einen
plumpen Widerspruch enthielt, dass kein Einzelstaat sich gegen das Ausland
schuetzen konnte, wenn seine deutschen Binnengrenzen unbewacht blieben --
diese handgreifliche Wahrheit war dem nassauischen Staatsmanne ganz
entgangen; er sprach wie der Blinde von den Farben, da sein Laendchen gar
keine Grenzzoelle besass.

Dann wiederholte Berstett seine alten Klagen gegen die Binnenmauten und
verteilte unter den Genossen jene gedankenreiche Denkschrift von Nebenius
ueber die Bundeszoelle; bei ruhiger Pruefung mussten jedoch alle die
Unmoeglichkeit einer Bundeszollverwaltung zugestehen, und der badische
Minister selbst liess den Plan seines geistvollen Untergebenen fallen.
Darauf neue wuetende Ausfaelle Marschalls, so grob und ungeschlacht, dass
Bernstorff beim Schluss der Konferenzen dem Bundesgesandten schrieb: "es
wuerde unter der Wuerde unseres hoechsten Hofes sein, diesem in keiner
Hinsicht achtungswerten Manne irgendeine gegen seine Person gerichtete
Empfindlichkeit zu aeussern", Goltz moege sich also dem nassauischen Kollegen
gleichgueltig fern halten. Nunmehr protestierte auch Fritsch im Namen der
Thueringer wider Preussens Enklavensystem und verlangte, jedem Produzenten
muesse gestattet werden, seine Erzeugnisse ueberall in Deutschland frei
abzusetzen, jedem Konsumenten, seinen Bedarf auf dem naechsten Wege zu
beziehen. Dazwischen hinein fuhr der Koethener Herzog, dessen anmassendes
Benehmen Bernstorff nicht grell genug schildern konnte, mit wiederholten
geharnischten Verwahrungen. Er klagte, man lasse ihn alle Lasten des
preussischen Zollwesens tragen, nicht die Vorteile, waehrend es doch
lediglich an ihm lag, auf Preussens Anerbietungen einzugehen und auch der
Vorteile teilhaftig zu werden. Er drohte die auswaertigen Garanten der
Bundesakte anzurufen zum Schutze der "ueber allem Angriff erhabenen Sache"
des uralten Hauses Anhalt. Schliesslich verweigerte er geradezu der
Schlussakte seine Unterschrift, wenn ihm der Bund nicht die "freie
Kommunikation mit Europa" sicherstellte: "so lange die Herzoege von Anhalt
sich in einer drueckenden unfreiwilligen Zinsbarkeit gegen einen maechtigen
Nachbarstaat befinden, kann fuer dieses alte Fuerstenhaus keine Bundesakte
und also auch keine Schlussakte existieren."

Inmitten dieses Gezaenks bewahrte Graf Bernstorff vornehme Ruhe und
aufrichtigen Freimut. Er beklagte laut, dass die Bundesakte durch ihre
allgemeinen Versprechungen unerfuellbare Erwartungen geweckt habe. Fest und
stolz wies der preussische Minister jede ehrenruehrige Zumutung zurueck: von
der Aufhebung des neuen Gesetzes koenne gar nicht die Rede sein. Zugleich
wiederholte er unermuedlich in immer neuen Umschreibungen die in der
Staatszeitung veroeffentlichten Gedanken. Es sei "unmoeglich, eine solche
Einigung anders als durch allmaehliche Vorbereitung und die muehsamste
Ausgleichung streitender Interessen bewirkt zu sehen". Nur Vertraege
zwischen den Einzelstaaten koennten dem wirtschaftlichen Elend steuern.
"Geschieht dieses im Sueden wie im Norden von Deutschland, und werden diese
Versuche unter der Mitwirkung und Pflege des Bundes gemacht, so laesst es
sich wohl denken, dass man auf diesem freilich langsamen, aber vielleicht
einzig moeglichen Wege dahin gelangen werde, die jetzt bestehenden
Scheidewaende aus dem Wege zu raeumen und in Beziehung auf Handel und
Verkehr diejenige Einheit der Gesetzgebung und Verwaltung hervorzubringen,
welche ein Verein nebeneinander bestehender freier und besonderer Staaten,
wie ihn der Deutsche Bund bildet, irgend zulassen kann." Auf die
Schmaehungen des Koetheners bemerkte er trocken, dass in Dresden bereits seit
mehreren Monaten eine Konferenz der Elbuferstaaten tage; dort allein sei
der Ort, die Frage der freien Elbschiffahrt zum Austrage zu bringen.

Wahrlich, ein historischer Augenblick! Der grosse Kampf zweier
Jahrhunderte, der alte unversoehnliche Gegensatz oesterreichischer und
preussisch-deutscher Politik erneuerte sich in diesen unscheinbaren
Haendeln, noch ohne dass die Kaempfer den tiefen Sinn des Streites begriffen
{~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die ganze Zukunft deutscher Politik hing daran, dass Preussens verstaendige
Redlichkeit triumphierte ueber dies Buendnis der Unklarheit und der Luege.
Und Preussen siegte.

Da die Gegner nur in ihrem Hasse, nicht in irgendeinem positiven Gedanken
uebereinstimmten, so errang Bernstorff bereits am 10. Februar einen
durchschlagenden Erfolg in dem handelspolitischen Ausschusse der
Konferenz; er bewog den Ausschuss, seine Antraege auf einige "mehr
vorbereitende als entscheidende, keinen kuenftigen bundesfoerderlichen
Beschluessen vorgreifende Bestimmungen zu beschraenken". Der Ausschuss
beantragte demnach lediglich, dass der Bundestag, dem Artikel 19 gemaess, die
Befoerderung des Handels als einen der Hauptgegenstaende seiner Taetigkeit
ansehen solle. Nur ueber die Freiheit des Getreidehandels, welche Preussen
schon vor drei Jahren in Frankfurt befuerwortet hatte, schienen jetzt alle
Teile endlich einig, und der Ausschuss schlug vor, die Frage durch
schleunige Vereinbarung zu erledigen. Als diese Antraege am 4. Maerz in der
Konferenz zur Verlesung kamen, da brach, sobald der Name des Bundestags
erklang, einer der Anwesenden in lautes Lachen aus, und die ganze
Versammlung stimmte froehlich ein. Und diese Staatsmaenner, die ihr Urteil
ueber die Leistungsfaehigkeit des Bundestages so unzweideutig bekundeten,
hatten sich soeben noch vermessen, das preussische Zollgesetz durch einen
Bundesbeschluss aufzuheben! Die Antraege des Ausschusses wurden angenommen,
und um auch den widerspenstigen Koethener zu gewinnen, fuegte man noch ein
Separatprotokoll hinzu, kraft dessen die beteiligten Staaten sich
verpflichteten, die Beschluesse des Wiener Kongresses ueber die
Flussschiffahrt unverbruechlich zu halten, die Verhandlungen deshalb taetig
zu betreiben.

Ueber die Freiheit des Getreidehandels setzte man ebenfalls ein besonderes
Protokoll auf, aber Metternich vereitelte schliesslich auch diesen einzigen
heilsamen Plan, in dem sich alle Parteien zusammenfanden. Er schob die
Entscheidung immer wieder hinaus, und als die Konferenz endlich zum
Beschlusse schreiten wollte, da war Kaiser Franz, zum lebhaften Bedauern
seines Ministers, bereits nach Prag abgereist. Arglos meldete Bernstorff
einige Tage spaeter, die Erwiderung Sr. Majestaet sei noch immer nicht
eingetroffen. Die Konferenz musste auseinandergehen, ohne das Protokoll
abzuschliessen. Erst gegen Mitte Juni lief die oesterreichische Antwort beim
Bundestage ein. Der gute Kaiser, der sich gegen F. List so vaeterlich ueber
das Wohl des deutschen Vaterlandes geaeussert hatte, meinte jetzt trocken:
das Wiener Protokoll "sei eigentlich nur bestimmt, die Veranlassung zur
weiteren Entwickelung der darin ausgesprochenen Grundsaetze zu geben"; man
brauche also nicht foermlich darueber abzustimmen, sondern solle nur
sogleich die vorbehaltene Beratung am Bundestage beginnen. Dies geschah
denn auch. In einem salbungsvollen Praesidialvortrage feierte Buol(41) die
Reize des freien Getreidehandels; seine Worte waren aber so allgemein
gehalten, dass selbst der harmlose Goltz sofort bemerkte, Oesterreich hege
Hintergedanken. Darauf beriet der Bundestag mit gewohnter Emsigkeit
weiter, und nach einem Vierteljahr (5. Oktober) beschloss er, zunaechst
Nachrichten ueber den Stand der Gesetzgebung in den Einzelstaaten
einzuholen. Der freie Getreidehandel verschwand in jenem geheimnisvollen
Schlunde, in dessen Tiefen die ewig unvollendeten Bundesbeschluesse
gebettet lagen. Das waren Oesterreichs Liebesdienste zum Besten der
deutschen Verkehrsfreiheit. --

Der Verlauf der Konferenzen selbst bestaetigte durchweg, was Bernstorff
vorhergesagt: dass ein Bund ohne politische Einheit keine gemeinsame
Handelspolitik treiben koenne. Angesichts dieser Erfahrungen begannen
einige der sueddeutschen Staatsmaenner sich doch endlich mit den Ratschlaegen
Bernstorffs zu befreunden. Eingepresst zwischen den Mautlinien Frankreichs,
Oesterreichs, Preussens, vermochte die Volkswirtschaft des Oberlandes kaum
mehr zu atmen, zumal da noch keiner der sueddeutschen Staaten, ausser
Bayern, ein geordnetes Zollwesen besass. Die Frage liess sich nicht mehr
abweisen, ob man nicht zunaechst versuchen solle, diese zerstueckelten
Gebiete in einem handelspolitischen Sonderbunde zu vereinigen, also genau
dasselbe zu tun, was man soeben dem preussischen Staate als
Bundesfriedensbruch vorgeworfen hatte. Den ersten Anstoss zu solchen Plaenen
gab der wackere du Thil; noch spaeterhin pflegte der Darmstaedter Hof sich
dieses Verdienstes gern zu ruehmen. Aber erst durch Berstetts ruehrige
Taetigkeit gewann der Gedanke Leben. Der Badener hegte, wie du Thil, die
ehrliche Hoffnung, dass aus diesem Sonderbunde "nach und nach ein Ganzes"
hervorgehen werde; indes dachte er auch an Retorsionen gegen die
preussischen Zoelle und gab eine kurz abweisende Antwort, als Bernstorff ihm
versicherte, mit einem sueddeutschen Zollverein werde Preussen gern
Handelsvertraege abschliessen. Auch Marschall liess sich auf den Plan nur
ein, weil er erwartete, dass Sueddeutschland nunmehr mit vereinter Kraft den
Zollkrieg gegen Preussen eroeffnen werde. Wuerttemberg endlich spielte mit
Triasplaenen und hoffte, den politischen Bund des konstitutionellen "reinen
Deutschlands" aus dem Handelsverein hervorgehen zu sehen -- ein Gedanke,
der weder in Muenchen noch in Darmstadt Anklang fand.

Bei solcher Verschiedenheit der politischen Absichten konnte Berstett nach
langwierigen vertraulichen Beratungen nur einen bescheidenen Erfolg
erreichen. Am 19. Mai verpflichteten sich die beiden sueddeutschen
Koenigreiche, Baden, Darmstadt, Nassau und die thueringischen Staaten, noch
im Laufe des Jahres Bevollmaechtigte nach Darmstadt zu senden, welche dort
auf Grund einer unverbindlichen Punktation ueber die Bildung eines
sueddeutschen Zollvereins verhandeln sollten. Mehr wollte der vorsichtige
Zentner, der sein bayrisches Zollgesetz behueten musste, schlechterdings
nicht versprechen. Immerhin war jetzt doch ein Weg betreten, der aus dem
Elend der Binnenmauten vielleicht hinausfuehren konnte. Die liberale Presse
begruesste dankbar die patriotische Tat ihrer Lieblinge. Der allzeit
vertrauensvolle List sah das Ideal der deutschen Zolleinheit bereits
nahezu verwirklicht, und als er bald darauf nach Frankfurt kam, fand er
seinen Goenner Wangenheim(42) in einem Rausche des Entzueckens: so trug das
reine Deutschland der gesamten Nation doch endlich die Fackel voran!
Minder hoffnungsvoll, aber durchaus wohlwollend beurteilte Bernstorff den
Entschluss der sueddeutschen Hoefe. Er versicherte Berstett seiner
Zustimmung; denn gelang es den Mittelstaaten, ihr zerruettetes
Verkehrsleben aus eigener Kraft zu ordnen, so blieb fuer die Zukunft eine
Verstaendigung mit Preussen moeglich. Seinem Koenig schrieb er: trotz manchen
feindseligen politischen und staatswirtschaftlichen Hintergedanken bestehe
fuer Preussen kein Grund, das Unternehmen zu missbilligen, zumal da das
Gelingen noch sehr fraglich scheine.

Der Versuch, das preussische Zollgesetz durch ein Machtgebot des Bundes zu
vernichten, war gescheitert. Doch unterdessen fuehrte der Koethener Herzog
seinen Schmuggelkrieg wider die preussischen Mauten wohlgemut weiter und
hemmte dadurch zugleich die Verhandlungen ueber die Elbschiffahrt. Wie oft
hatten einst die Fremden gespottet ueber die *furiosa dementia*(43) der
Deutschen, die sich ihre herrlichen Stroeme durch ihre Zoelle selber
versperrten! Erst seit Frankreich das linke Rheinufer an sich riss, ward
dies sprichwoertliche Leiden Deutschlands etwas gelindert. Im Jahre 1804
wurde statt der alten drueckenden Rheinzoelle das Rheinoktroi eingefuehrt,
das im wesentlichen nur bestimmt war, die Kosten der Strombauten und der
Leinpfade(44) zu decken, und diese neue Ordnung bewaehrte sich so gut, dass
der Wiener Kongress sie auch fuer die anderen konventionellen Stroeme
Deutschlands als Regel vorschrieb. Seitdem war die Weserschiffahrt in der
Tat frei geworden: nach einem langen Streite mit Bremen liess sich
Oldenburg durch die Vermittlung des Bundestages bewegen, auf den
widerrechtlichen Elsflether Zoll endlich zu verzichten (August 1819).
Schwieriger lagen die Verhaeltnisse zwischen den zehn Uferstaaten der Elbe.
Die von W. Humboldt redigierten Artikel 108-116 der Wiener Kongressakte
stellten den Grundsatz auf, dass die Schiffahrt auf den konventionellen
Stroemen frei, das will sagen: niemandem verwehrt sein sollte, und
verpflichteten die Uferstaaten, binnen sechs Monaten Verhandlungen
einzuleiten, damit die Schiffahrtsabgaben gleichmaessig und unabaenderlich,
ungefaehr dem Betrage des Rheinoktrois entsprechend, festgesetzt wuerden.

Offenbar vermochten diese wohltaetigen Verheissungen nur dann ins Leben zu
treten, wenn die Erhebung der Schiffahrtsabgaben, wie der Artikel 115
ausdruecklich vorschrieb, von dem Zollwesen der Uferstaaten durchaus
getrennt blieb und alle Beteiligten durch eine strenge Uferpolizei
verhinderten, dass die freie Schiffahrt zum Schmuggel in die Nachbarlande
missbraucht wuerde. Nur unter dieser Bedingung konnte Preussen, das jene
Artikel der Kongressakte als sein eigenes Werk betrachtete, seine Hand zu
ihrer Ausfuehrung bieten; wie durfte man -- so fragte spaeterhin eine
preussische Staatsschrift -- einem maechtigen Staate zumuten, "in seinem
Herzen einen Wurm zu dulden, der seine innere Lebenswurzel annagt?" Nur
wenn Anhalt, das von der Provinz Sachsen rings umschlossen war, dem
preussischen Zollsysteme beitrat, konnte die verheissene Freiheit der
Elbschiffahrt und der rechtmaessige Ertrag der preussischen Einfuhrzoelle
zugleich gesichert werden. Seit der alte Dessauer einst die saemtlichen
Landgueter seiner Ritterschaft aufgekauft, hatten sich Landbau und
Forstwirtschaft in den anhaltischen Laendchen unter der sorgsamen Pflege
ihrer Fuersten gluecklich entwickelt; alle seine natuerlichen Interessen
verwiesen dies bluehende Gartenland, das der Industrie noch gaenzlich
entbehrte, auf den freien Verkehr mit den benachbarten gewerbereichen
Bezirken Preussens. Was der Vereinbarung im Wege stand, war allein der
tolle Souveraenitaetsduenkel des Herzogs von Koethen und die weiter blickende
Feindseligkeit seines Ratgebers Adam Mueller. Die
"Anschliessungsinsinuationen" des Berliner Kabinetts wies der Herzog empoert
zurueck: ob man denn nicht einsehe, so fragte er einmal, "wie schon die
blosse Unnatur eines solchen Verhaeltnisses, die Unterordnung eines
souveraenen Fuersten unter die Zolladministration eines benachbarten
Staates, dem Bestande eines freundschaftlichen Verhaeltnisses mit der
Regierung desselben durchaus unguenstig sei!"

Da mit Vernunftgruenden bei diesem Hofe nichts auszurichten war, so
begnuegte sich Preussen vorlaeufig, sein Enklavensystem gegen Anhalt aufrecht
zu halten. Alle zu Lande nach Anhalt eingehenden Waren wurden dem
preussischen Eingangszolle unterworfen. Nur den Elbschiffern erlaubte man
Sicherheit zu stellen fuer die Zahlung der preussischen Abgaben und
erstattete ihnen den Betrag zurueck, falls der Verbleib der eingefuehrten
Waren in Anhalt nachgewiesen wurde.

Schamloser Unterschleif war die Folge dieser Erleichterung. Der
anhaltische Schleichhandel wuchs von Monat zu Monat, und mit Ungeduld
erwarteten die preussischen Finanzmaenner die vertragsmaessige Regelung dieser
leidigen Zustaende, als endlich im Juni 1819 -- viertehalb Jahre nach dem
Zeitpunkt, welchen der Wiener Kongress vorgeschrieben -- die
Elbschiffahrtskonferenz in Dresden eroeffnet wurde. Dort sprachen Hamburg
und Oesterreich eifrig fuer die Befreiung des Flusses, die ihnen freilich
nur Vorteil bringen konnte, da die Hansestadt gar keine Schiffahrtsabgaben
erhob und die hohen boehmischen Elbzoelle auf der wenig befahrenen obersten
Stromstrecke nur geringen Ertrag brachten. Daenemark hingegen, Mecklenburg,
Anhalt zeigten sich schwierig. Am hartnaeckigsten aber verteidigte Hannover
seinen Besitzstand; denn das welfische Koenigreich ueberliess die Sorge wie
die Kosten fuer das Fahrwasser der Niederelbe grossmuetig dem Hamburger
Senate und erhob dafuer in Brunshausen, nahe bei Stade, einige Meilen
oberhalb der Muendung, seinerseits einen hohen Zoll von allen eingehenden
Seeschiffen. Sein Bevollmaechtigter verwahrte sich feierlich gegen jeden
Versuch, dies Kleinod der Welfenkrone anzutasten: das sei ein Seezoll, der
mit der Elbschiffahrt nichts zu schaffen habe, und nimmermehr koenne die
Absicht der Wiener Verheissungen dahin gehen, "die Basis alles
volkstuemlichen Gluecks, den Rechtszustand zu erschuettern". Kein Zureden
half; die Konferenz musste den Stader Zoll ganz aus dem Spiele lassen und
nur den Stromverkehr oberhalb Hamburgs zu erleichtern suchen. Nach
zweijaehrigen Verhandlungen, die den preussischen Bevollmaechtigen oft der
Verzweiflung nahe brachten, kam endlich am 23. Juli 1821 die
Elbschiffahrtsakte zustande, ein duerftiger Vergleich, der in Form und
Inhalt die Spuren muehseliger Kaempfe verriet; immerhin wurden die
bestehenden Schiffahrtsabgaben doch etwas herabgesetzt, und der Verkehr
auf dem Strome begann sich bald zu heben.

Die preussische Regierung behauptete waehrend dieses unleidlichen Gezaenks
durchweg eine versoehnliche Haltung. Sie gab fuer den Elbverkehr ihre
Durchfuhrzoelle auf, die einen so wesentlichen Bestandteil ihrer
Handelspolitik bildeten, und war bereit, die Schiffahrtsabgaben noch
weiter herabzusetzen als die kleinen Nachbarn zugestehen wollten; aber sie
erklaerte auch von vornherein, dass sie eine Schmugglerherberge im Innern
ihres Staates nicht dulden werde und darum die Elbschiffahrtsakte nur
unterzeichnen koenne, wenn Anhalt sich ihrem Zollwesen anschliesse. Ihr
Bevollmaechtigter fuegte warnend hinzu: das eigene Interesse der kleinen
Regierungen gebiete ihnen, das Zollsystem des grossen Nachbarstaates zu
unterstuetzen, "weil dadurch die zu ihren Gunsten bestehende Zerstueckelung
Deutschlands in ihren nachteiligen Folgen gemildert werden wuerde". Wie
flammte der kleine Koethener Herr auf, als er diese unerhoerte Aeusserung
preussischen Uebermuts erfuhr und gleichzeitig Bernstorff in einem neuen
Mahnschreiben an die Koethener Regierung offen aussprach: "die
norddeutschen Staaten haben den Schutz fuer ihre Existenz, ihre Wohlfahrt
und Selbstaendigkeit und ihre gemeinnuetzigen Anstalten von Preussen zu
erwarten". Der Herzog, der gerade mit seinem koeniglichen Schwager zugleich
in Karlsbad verweilte, berichtete sofort alles an Marschall. "Ich
schmeichle mir, so schrieb er, dass alle Gutgesinnten auf meiner Seite
stehen und nicht zugeben, dass es Preussen erlaubt wird, sich alles zu
erlauben. Ob einem Kabinett, das durch einen solchen Mann repraesentiert
ist, zu trauen ist, lasse ich dahingestellt." Dann fuhr er hoehnisch fort:
"das Spasshafteste ist, dass der Koenig mit uns ebenso freundlich als sonst
ist" -- und bat den Nassauer, auch fernerhin auf Wittgenstein(45), "der
ganz im guten Geiste ist", wirken zu lassen, damit die Partei, welche das
Zollgesetz halte, zu Falle komme. Im gleichen Tone antwortete Marschall:
"Man hat zwar bisher aehnliche Phrasen in dem Munde deutscher Revolutionaere
gehoert, nicht aber in dem eines Repraesentanten eines deutschen Koenigs.
Wenn Preussen das noerdliche Deutschland und ganz Deutschland schuetzt, so
schuetzt umgekehrt das noerdliche Deutschland und ganz Deutschland Preussen.
Rechte und Verbindlichkeiten sind durchaus wechselseitig. Wer das
Gegenteil behauptet, verletzt die erste und Hauptgrundlage des Bundes und
bewegt sich ausserhalb des Bundes. Namentlich hat der maechtigste der
deutschen Bundesstaaten, sowohl im Bunde als in Europa, bei jeder
Gelegenheit den entgegengesetzten Grundsatz laut ausgesprochen und bei
jeder Veranlassung geltend gemacht."

Dieser maechtigste der Bundesstaaten trieb unterdessen sein doppeltes Spiel
weiter. Metternich, der ebenfalls in Karlsbad anwesend war, hielt zwar,
auf Preussens Wunsch, einige Unterredungen mit dem Herzog, angeblich, um
den Streit beizulegen. Aber zur naemlichen Zeit reichte die Koethener
Regierung eine Klage beim Bundestage ein und forderte die Herausgabe eines
dem Koethener Kaufmann Friedheim gehoerigen Elbschiffes, das beim
preussischen Zollamte Muehlberg an der Kette lag, weil der Schiffer fuer den
Betrag der preussischen Zoelle keine Sicherheit stellen wollte. Nachher
ergab sich -- der oesterreichische Bevollmaechtigte Muench in Dresden musste es
selber dem preussischen Gesandten [Jordan] eingestehen -- dass Adam Mueller
den Friedheim zu seiner Weigerung aufgestiftet hatte, um den Streit vor
den Bundestag zu bringen.

Da Preussen unerschuetterlich blieb, so bequemten sich die drei anhaltischen
Herzoege schliesslich doch zu einem Zugestaendnis und versprachen auf der
Dresdener Konferenz feierlich "zu einem Vereine mit Preussen wegen
Sicherstellung seiner Landesabgaben auf moeglichst ausfuehrbare Weise die
Hand zu bieten". Auf dies Fuerstenwort vertrauend, hielt Koenig Friedrich
Wilhelm den Hader nunmehr fuer abgetan; er ratifizierte die Akte, liess
jenes unglueckliche Koethener Schiff freigeben, also dass die Klage am
Bundestage ihren Gegenstand verlor, und Bernstorff lud die anhaltischen
Hoefe nochmals ein, in Berlin wegen der Bedingungen des Zollanschlusses zu
verhandeln. Aber Monate vergingen, und kein anhaltischer Bevollmaechtigter
erschien. Dem unaufhaltsamen Koethener war es gelungen, seine wohlmeinenden
Vettern von Dessau und Bernburg(46), die ihr Wort halten wollten, wieder
umzustimmen; sie hatten ihm versprechen muessen, nicht ohne ihn dem
preussischen Zollsystem beizutreten, und er war inzwischen mit seinem Adam
Mueller ueber einen neuen Betrug einig geworden.

Da die Elbschiffahrtsakte im Maerz 1822 in Kraft treten sollte, so
entschloss sich Minister Klewiz im Januar, das Enklavensystem gegen Anhalt
vorlaeufig aufzuheben, was die Finanzpartei in Berlin schon laengst
gefordert, Eichhorn aber, aus Wohlwollen gegen das Nachbarland, bisher
verhindert hatte. Man umringte demnach die drei Herzogtuemer mit
preussischen Zollstellen; der Elbverkehr dagegen ward, gemaess der Akte,
freigegeben und Preussen begnuegte sich, die nach Anhalt bestimmten Schiffe
einer Durchsuchung zu unterwerfen. Eben auf diese Vertragstreue Preussens
hatte Adam Mueller seinen sauberen Plan berechnet. Die Durchsuchung der
Elbschiffe wurde natuerlich zu leerem Scheine, sobald man anhaltischerseits
unredlich verfuhr. Nun taten sich sofort mehrere grosse englische
Exportfirmen mit Koethener Kaufleuten zusammen, um den Schleichhandel unter
dem Schutze des Herzogs in grossem Stile zu pflegen. Das gesamte Laendchen
ward ein Schwaerzerwirtshaus, ein Stelldichein fuer die Gauner und
Spitzbuben des deutschen Nordens. Die grosse Mehrzahl der treuen Koethener
segnete dankbar den Landesherrn, der ihnen billige Waren und reichlichen
Verdienst beim schmutzigen Handel verschaffte. Wunderbar, wie sich die
Verzehrungskraft dieses gluecklichen Voelkchens mit einem Male hob, als waere
ein Goldregen ueber das Land gekommen. Nicht lange, und der anhaltische
Konsum von auslaendischen Waren verhielt sich zu dem preussischen wie
64 : 1000, der von baumwollenen Waren, die in Preussen hoch verzollt
wurden, wie 165 : 1000, die Bevoelkerung der beiden Lande stand wie
9 : 1000. Fuer die Drogen dagegen, welche das preussische Gesetz mit einem
niedrigen Zoll belegte, zeigten die Anhalter geringere Neigung; hier
stellte sich das Verhaeltnis nur wie 13 : 1000. Und bei dieser
uebernatuerlichen Konsumtion gingen die herzoglichen Zollbeamten dem Volke
mit gutem Beispiel voran: der Zollinspektor Klickermann in Dessau bezog,
wie Preussen aus den Listen seiner Elbzollaemter nachwies, in dem einen
Jahre 1825 fuer seinen Hausbedarf zollfrei auf dem Strome: 53 Oxhoft Wein,
4 Oxhoft Rum, 98 Saecke und 1 Fass Kaffee, 13 Saecke Pigment und Pfeffer,
insgesamt an 1000 Zentner. Mehr denn eine halbe Million Taler im Jahre
wurden durch den anhaltischen Schleichhandel den preussischen Kassen
vorenthalten; der Zollertrag in den Provinzen Brandenburg und Sachsen
stieg nachher, als Anhalt endlich sich dem preussischen System unterworfen
hatte, bald von 3,135 auf 4,128 Millionen.

Der Besitz einer souveraenen Krone ohne Macht entsittlicht auf die Dauer
ihren Traeger. Wie gruendlich musste das Rechtsgefuehl der kleinen Hoefe, seit
sie keinen Richter mehr ueber sich anerkannten, verwuestet sein, wenn dies
rechtschaffene askanische Haus, das von jeher einer wohlverdienten
allgemeinen Achtung genoss und so viele seiner tapferen Soehne in die Reihen
des preussischen Heeres gesendet hatte, sich jetzt unbedenklich
erdreistete, die Gesetzgebung seines alten treuen Beschuetzers durch groben
Unfug zu untergraben! Ein Unglueck, dass der ehrwuerdige Senior des
anhaltischen Gesamthauses, der seinem Laendchen unvergessliche Leopold
Friedrich Franz von Dessau vor kurzem(47) gestorben war; er wuerde den
zweifachen Vertragsbruch schwerlich geduldet haben, denn Anhalt hatte sich
auf dem Wiener Kongresse zur Unterdrueckung des Schleichhandels
verpflichtet und nachher in Dresden feierlich eine Verstaendigung mit
Preussen versprochen.

Um dieser letzteren Verpflichtung scheinbar zu genuegen, sendete Herzog
Ferdinand endlich im Januar 1822 seinen Hofmarschall Sternegg nach Berlin,
befahl ihm, allein mit Hardenberg zu verhandeln; mit Bernstorff zu
sprechen, sei unter der Wuerde des Koetheners. Der Staatskanzler aber zwang
den Abgesandten kurzweg, sich an das Auswaertige Amt zu wenden, und dort
stellte sich heraus, dass Sternegg durchaus keine Anerbietungen wegen des
Zollanschlusses zu bringen, sondern lediglich eine Entschaedigungsforderung
zu ueberreichen hatte. Der Schaden Koethens betrug, nach dem billigen
Massstabe der Kopfzahl angeschlagen, etwa 40 000 Taler fuer drei Jahre. Der
Herzog berechnete das Zehnfache und zeigte sich hoch erstaunt, da Preussen
den Koethener Schmuggel in Gegenrechnung stellte. Nach langen, gereizten
Eroerterungen rueckten die Herzoege schliesslich mit dem Vorschlage heraus:
Preussen moege dem enklavierten Anhalt durch einen Gebietsaustausch auf
ewige Zeiten freien Verkehr mit Sachsen verschaffen, dann seien die drei
Hoefe bereit, sich versuchsweise auf einige Jahre dem preussischen
Zollsystem anzuschliessen. Sofort wies Bernstorff die "unangemessene"
Zumutung scharf zurueck, der Unterhaendler musste abziehen, und Anhalt blieb
mit preussischen Zollinien umgeben. Aber der Schleichhandel bluehte froehlich
fort, die Grenzwache Preussens war machtlos gegen den boesen Willen der
herzoglichen Behoerden. Obwohl der Berliner Hof ueber Adam Muellers Raenke
genau unterrichtet war, so wollte er doch schlechterdings nicht glauben,
dass Fuerst Metternich das Treiben seines Generalkonsuls billige. Jahrelang
ertrug der preussische Adler langmuetig die Bisse der anhaltischen Maus,
immer in der Hoffnung, dass die drei Herzoege endlich noch ihr Wort einloesen
wuerden.

Und in diesem Streite, der alle Selbstsucht, allen Duenkel, alle Torheit
der Kleinstaaterei an den Tag brachte, stand die deutsche Presse wie ein
Mann zu den anhaltischen Schmugglern. Der Schmerzensschrei des freien
Koetheners war das Wiegenlied der deutschen Handelseinheit, die erst nach
zwei Menschenaltern auf demselben Elbstrome unter den Weherufen des freien
Hamburgers ihr letztes Ziel erreichen sollte. Mit einer Verblendung
ohnegleichen taeuschte sich die Bevoelkerung der kleinen Staaten, bei jeder
Wendung dieses wirrenreichen Kampfes, regelmaessig ueber ihr eigenes und des
Vaterlandes Wohl, um jedesmal, sobald der gefuerchtete Anschluss an Preussen
endlich vollzogen war, die Notwendigkeit der Aenderung nachtraeglich dankbar
anzuerkennen. Ebenso regelmaessig verdeckte der Partikularismus seine
Selbstsucht hinter dem schoenen Worte der Freiheit; bald nahm er die
Freiheit des Handels, bald das freie Selbstbestimmungsrecht der deutschen
Stroeme, bald auch beides zugleich zum Vorwand, und jedesmal liess sich die
vom Liberalismus beherrschte oeffentliche Meinung durch solche hohle
Kraftworte verfuehren.

Die unausrottbaren Vorurteile wider das preussische Zollgesetz wirkten
zusammen mit jener gedankenlosen Gemuetlichkeit, die es unbesehen fuer
unedel haelt, bei einem Kampfe zwischen Macht und Ohnmacht die Partei des
Staerkeren zu ergreifen. Und dazu der juristische Formalismus unserer
politischen Bildung, der gar nicht ahnte, dass im Staatenverkehre das
formelle Recht nichtig ist, wenn es nicht durch die lebendige Macht
getragen wird. War denn Koethen nicht ebenso souveraen wie Preussen? Wie
durfte man dieser souveraenen Macht einen Zollanschluss zumuten, der ihr
freilich nur Segen bringen konnte und sich aus ihrer geographischen Lage
mit unabwendbarer Notwendigkeit ergab, aber ihrem freien
Selbstbestimmungsrechte widersprach? Und wenn es ihr beliebte, die
Freiheit der Elbe zur boshaften Schaedigung des Nachbarlandes zu gebrauchen
-- in welchem Artikel der Bundesakte war dies denn verboten? Dass Anhalt
sich durch die Wiener Vertraege zur Beseitigung des Schleichhandels
verbunden hatte, ueberging man mit Stillschweigen. Bignon(48), der alte
Anwalt der deutschen Kleinstaaten, trat ebenfalls auf den Kampfplatz mit
einem offenen Briefe ueber den preussisch-anhaltischen Streit. Er beklagte
schmerzlich, dass Frankreich nicht mehr wie sonst vom Niederrhein her des
Richteramtes ueber Deutschland warten koenne; aber "Frankreich ist von der
Natur bestimmt, immer zu herrschen, und wenn es das Szepter der Macht
verloren hat, so hat es doch das Szepter der oeffentlichen Meinung
bewahrt". Vor dem Szeptertraeger der oeffentlichen Meinung fand Preussen, wie
billig, keine Gnade. Auf diesem Wege der Usurpationen, rief Bignon, ist
das Haus der Capetinger einst schrittweis dahin gelangt, die grossen
Vasallen Frankreichs zu vernichten. Treuherzig sprach der deutsche
Liberale die Warnung des Bonapartisten nach.

Auch die Mehrheit am Bundestage kam der Klage des Koethener Hofes, die
selbst nach der Freigebung jenes Elbschiffes nicht zurueckgezogen wurde,
bereitwillig entgegen. Umsonst verwahrte sich Koenig Friedrich Wilhelm, als
er im Sommer 1821 durch Frankfurt kam, mit scharfen Worten wider den
Vorwurf, dass er Anhalt mediatisieren wolle. Die kleinen Hoefe liessen sichs
nicht ausreden: Preussen wuensche, wie Berstett sich ausdrueckte, "seine
geographische Duennleibigkeit auf Kosten einiger Kleineren zu arrondieren".
Der neu ernannte badische Bundesgesandte Blittersdorff(49) und die
Kluegeren seiner Genossen wussten wohl, wie wenig "bei dem bekannten
Charakter des Herzogs oder vielmehr der Frau Herzogin" auf ein
verstaendiges Abkommen zu rechnen sei; doch sie meinten, "dies sei die
Gelegenheit fuer den Bundestag, seine Dauer und Lebenskraft zu erproben".
Es galt, Preussen zu demuetigen vor einem ohnmaechtigen Nachbarn; es galt,
der norddeutschen Grossmacht zu beweisen, dass sie, nach Marschalls Worten,
ebenso sehr durch Koethen geschuetzt werde, wie Koethen durch Preussen. Von
den groesseren Bundesstaaten zeigte allein Bayern ein Verstaendnis fuer die
Machtverhaeltnisse; nachdem die Muenchener Regierung soeben selber die
Schwierigkeiten der Einfuehrung eines neuen Zollsystems kennen gelernt
hatte, meinte sie doch, dass ein kleiner Unterschied bestehe zwischen einem
Reiche und einer Enklave. Die anderen beurteilten die Frage nach den
Gesichtspunkten des Zivilprozesses, und da die Rechtsfrage allerdings
zweifelhaft lag, so entspann sich am Bundestage eine grimmige Fehde, die
durch viele Jahre hingeschleppt, den liberalen Zeitungen immer wieder den
willkommenen Anlass bot, Preussen als den Friedensbrecher Deutschlands zu
brandmarken.

Das also war fuer Preussen das Ergebnis der handelspolitischen Verhandlungen
in Wien und Dresden. Das neue Zollgesetz war gegen den Widerstand fast
aller Bundesstaaten unveraendert aufrecht geblieben, auch die Freiheit der
Elbe war notduerftig sicher gestellt, und die alte Ansicht der preussischen
Regierung, dass der Bund fuer den deutschen Verkehr schlechterdings nichts
zu leisten vermoege, hatte sich abermals bestaetigt. Aber ebenso fest stand
auch die Erkenntnis, dass Verhandlungen mit den einzelnen Staaten, bei
ihrer gegenwaertigen Stimmung, vorlaeufig ganz aussichtslos waren. Welche
unbelehrbare Gehaessigkeit war dem Grafen Bernstorff entgegengetreten,
welche anmassende Sprache hatte er anhoeren muessen, erst in Wien, dann in
Dresden! Nach so niederschlagenden Erfahrungen fasste man in Berlin den
verstaendigen Entschluss, fortan keine Einladungen mehr ergehen zu lassen,
sondern gelassen zu warten, bis die Not den kleinen Nachbarn die Augen
oeffne. In diesem Sinne erging an saemtliche Gesandten in Deutschland die
gemessene Weisung, sich streng zurueckzuhalten und auf alle
handelspolitischen Anfragen lediglich zu antworten: der Koenig habe schon
im Jahre 1818 sich zu Verhandlungen bereit erklaert, er hege noch immer den
Wunsch, andere deutsche Staaten mit seinem Zollsysteme zu verbinden, jetzt
sei es an den Nachbarn, dem guten Willen entgegenzukommen. Eichhorn
begruendete diesen Entschluss mit der Erwaegung, dass die Eifersucht der
Dynastien durch Einladungen erfahrungsgemaess nur gereizt wuerde: "Solche
Antraege konnten zugleich als Aufforderungen zur Aenderung ihrer inneren
Staatsgesetzgebung und als ihre Selbstaendigkeit gefaehrdende Anmutungen
missdeutet werden." Gegen das tiefeingewurzelte Misstrauen der kleinen Hoefe
wirkte nur eine Waffe: ruhiger Gleichmut, der die Natur der Dinge fuer sich
wirken liess. Was verschlug es auch, wenn die Presse unablaessig ueber
Preussens selbstsuechtige Sonderstellung Wehe rief? Von der oeffentlichen
Meinung, die sich noch weit verblendeter zeigte als die Hoefe, hatte die
Handelseinheit des Vaterlandes nichts zu erwarten; Preussens bester
Bundesgenosse war die wachsende Finanznot der kleinen Staaten.

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 29ff.

                            ------------------




   32 Christian Guenther Graf v. Bernstorff, geb. 3. April 1769, gest. 28.
      Maerz 1835, trat 1818 aus schwedischen Diensten in die preussischen
      ueber und wurde Minister des Auswaertigen. 1832 trat er von seinem
      Amte zurueck.

   33 Karl Wilhelm Freiherr v. Fritsch, geb. 16. Juni 1769, gest. 16.
      Oktober 1851, war von 1815-1843 Grossh. Saechs. Minister.

   34 Ernst III. seit 12. November 1826, Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha
      (gest. 29. Januar 1844).

   35 Vertreter Nassaus am Bundestag.

   36 Wilhelm I., gest. 27. Februar 1821.

   37 Adam Mueller, geb. 30. Juni 1779, gest. 17. Januar 1829, damals
      oesterreichischer Generalkonsul fuer Sachsen in Leipzig.

   38 Georg Friedrich Freiherr v. Zentner, geb. 27. August 1752,
      gest. 20. Oktober 1835, bayrischer Staats- und Justizminister.

   39 Ludw. Phil. Graf v. Bombelles, geb. 1. Juli 1780, gest. 7. Juli
      1843, oesterr. Diplomat, damals Gesandter in Dresden, nachmals an
      anderen Hoefen.

   40 Karl August, geb. 3. September 1757, gest. 14. Juni 1828.

   41 Joh. Rudolf Freiherr v. Buol-Schauenstein, geb. 21. November 1763,
      gest. 12. Februar 1834, von 1816-1823 Bundespraesidialgesandter,
      nachher Staatminister und Praesident der Hofkommission.

   42 Karl August Freiherr v. Wangenheim, geb. 14. Maerz 1773, gest. 19.
      Juli 1850, von 1817-1823 wuerttembergischer Gesandter am Bundestage.

   43 Den rasenden Wahnsinn.

   44 Unter Leinpfaden versteht man die an schiffbaren Wasserlaeufen
      angelegten Wege, von denen aus Schiffe mittels einer am Maste
      befestigten Leine stromaufwaertsgezogen oder "getreidelt" werden
      (daher auch Treidelwege genannt).

   45 Wilh. Ludwig Georg Graf zu Sayn-Wittgenstein, geb. 9. Oktober 1770,
      gest. 11. April 1851, von 1814-1819 Polizeiminister, seitdem
      Minister des Koeniglichen Hauses.

   46 Anhalt zerfiel damals in die 3 Teile Anhalt-Dessau, Anhalt-Koethen,
      Anhalt-Bernburg. Herzog von A.-Dessau war damals Leopold IV.
      Friedrich (1817-1871), von A.-Koethen Ferdinand (1818-1830), von
      A.-Bernburg Alexius Friedr. Christian (1796 bis 1834). Seit 1863 war
      das ganze anhaltische Gebiet in die Haende Leopolds IV. vereinigt.

   47 9. August 1817.

   48 Louis Pierre Baron Bignon, geb. 1771, gest. 5. Januar 1841,
      franz. Diplomat und Publizist, zeitweilig als franzoesischer
      Geschaeftstraeger bzw. bevollmaechtigter Minister an deutschen Hoefen
      taetig, nach Belle-Alliance Minister der auswaertigen Angelegenheiten.

   49 Friedrich Landolin Karl Freiherr v. Blittersdorf, geb. 10. Februar
      1792, gest. 16. April 1861, war von 1821-1835 badischer
      Bundestagsgesandter, danach bis 1843 Minister der auswaertigen
      Angelegenheiten, von 1843-1848 wieder Bundestagsgesandter.




4. Die Darmstaedter Zollkonferenzen.


Sehr wichtig wurde die grosse Handelskonferenz der sueddeutschen und einiger
mitteldeutschen Kleinstaaten, welche, den Wiener Verabredungen gemaess, am
13. September 1820 in Darmstadt zusammentrat. Auch hier war Wangenheim die
Unruhe in der Uhr. Unermuedlich kam er von Frankfurt heruebergeritten, immer
zur Vermittlung bereit, gleich befreundet mit dem Schutzzoellner List und
dem Freihaendler Nebenius; denn aus diesem Handelstage musste unfehlbar der
politische Bund des reinen Deutschlands hervorgehen. In der Tat blieben
die Darmstaedter Verhandlungen nicht ganz unfruchtbar, obgleich sich Plaene
und Gegenplaene noch rastlos wie die Blasen im brodelnden Wasserkessel
uebereinander draengten. Sie dienten als ein Laeuterungsprozess, der die
unbrauchbaren, traumhaften Gedanken aus der deutschen Handelspolitik
ausschied. Sie boten den Teilnehmern wie dem aufmerksam zuschauenden
Berliner Hofe die Gelegenheit, die wirtschaftlichen Interessen der
Bundesstaaten kennen zu lernen, die Bedingungen eines Handelsvereins
ernstlich zu erwaegen. Aber sie lehrten auch durch ihr wiederholtes
Scheitern, dass ein Zollverein ohne Preussen unmoeglich war. Von einem
binnenlaendischen Wirtschaftsgebiete, dem die Kueste fehlte, konnte niemals
eine lebensfaehige nationale Handelspolitik ausgehen.

Kein Wunder freilich, dass die misshandelte Nation den ersten Versuch zur
Beseitigung der Binnenmauten mit Jubel aufnahm. Zahlreiche Dankadressen
belohnten den hochherzigen Entschluss der Hoefe. Badische Landwirte
bezeugten schon im Voraus dem Minister Berstett: durch die Darmstaedter
Konferenzen sei "der Grund gelegt zu einem glorreichen, einem wahrhaften
Nationalinstitute". Sogar jener kluge E. W. Arnoldi in Gotha, der zuerst
unter den deutschen Geschaeftsmaennern die nationale Bedeutung des
preussischen Zollgesetzes erkannt hatte, liess sich jetzt durch die
Zeitstroemung fortreissen und bat seinen Herzog um Anschliessung an die
sueddeutschen Staaten, weil Gotha den Wettbewerb der ueberlegenen
preussischen Fabriken nicht ertragen koenne. Die Wuensche und Erwartungen des
Publikums gingen freilich hergebrachtermassen nach allen Himmelsrichtungen
auseinander. Der badische Handelsstand verlangte den unbedingten
Freihandel: mehr als 15 Kreuzer Zoll koenne der Zentner Kolonialwaren
schlechterdings nicht ertragen. Andere ergingen sich in den ueblichen
Ausfaellen gegen "jene stolzen Auslaender". In der bayrischen Kammer
beantragte der Abgeordnete Koester eine deutsche Nationaltracht aus
deutschen Stoffen; schon in der Volksschule muesse den Kindern der
patriotische Abscheu vor auslaendischen Waren eingefloesst werden. Die
Mannheimer Kaufleute dagegen hofften vornehmlich auf harte Zoelle wider den
Frankfurter Handel: der Verein solle anderen Plaetzen die Vorteile
gewaehren, welche die stolze Mainstadt ihren ungebuehrlich grossen Kapitalien
verdanke; den Rheinpreussen muesse er jede Erleichterung versagen, so lange
nicht der preussische Staat dem Vereine beitrete und der Mehrheit sich
unterwerfe.

Leider wurde die allgemeine Unklarheit nur vermehrt durch die Schriften
Lists und seiner Genossen, die sich allmaehlich ganz in die Irrtuemer des
starren Prohibitivsystems verloren. Miller von Immenstadt forderte in
einer fuer die Darmstaedter Konferenzen bestimmten Druckschrift (Juli 1821):
Verbot aller auswaertigen Waren, die wir selbst erzeugen oder durch
Surrogate ersetzen koennen; mit der Schweiz und Piemont, mit Holland,
Hannover, den Hansestaedten und Holstein muesse man sich zu verbinden
suchen; der Koenig von Daenemark werde als treuer deutscher Bundesfuerst
sicherlich geneigt sein, die Schiffe des Vereins mit seinem Danebrog zu
decken. Das alles im Namen deutscher Ehre und mit dem unvermeidlichen
patriotischen Pathos! Den Regierungen wurden die zudringlichen Mahnungen
des Listschen Vereins, der sich auch in Darmstadt wieder durch Sendboten
vertreten liess, bald sehr unbequem. Der badische Bevollmaechtigte Nebenius
verbot seinem Sekretaer, mit List zu verkehren, sagte dem Agitator ins
Gesicht, seine Anwesenheit sei ueberfluessig, errege schlimme Geruechte. List
blieb ohne jeden Einfluss auf den Verlauf der Beratungen, und Berstett
hielt fuer noetig, seinem Goenner Metternich von vornherein zu beteuern: nur
das Gebot der Selbsterhaltung, "nicht die einseitigen, truegerischen, von
einer kleinen Schar eigensuechtiger Fabrikanten ausgegangenen
Deklamationen" haetten das Darmstaedter Unternehmen hervorgerufen.

Die Kabinette selbst waren mit nichten einiger als die oeffentliche
Meinung, denn die verbuendeten Staaten bildeten nur scheinbar eine
geographische Einheit. Sobald man den Geschaeften ernsthaft ins Auge sah,
zeigte sich, dass eine natuerliche Gemeinschaft sueddeutscher
Volkswirtschaft, dem Norden gegenueber, nicht bestand. Vielmehr trat wieder
einmal jene eigentuemliche Stellung des Rheinlandes hervor, das so oft
schon in unserer Geschichte die heilsame Rolle des Vermittlers gespielt
hat zwischen Nord und Sued. Die kleinen oberrheinischen Staaten waren dem
rheinischen Tieflande durch staerkere Interessen verbunden als den
bayrisch-schwaebischen Landen. Nun gar Kurhessen und Thueringen wurden nur
durch eine politische Schrulle, durch den Hass gegen Preussen, in diese
sueddeutsche Genossenschaft getrieben. Darum verhielt sich der Kasseler Hof
von vornherein unlustig und ablehnend. Die thueringischen Staaten begannen
schon 1822 Sonderberatungen in Arnstadt, doch nahmen sie gleichzeitig an
den Darmstaedter Konferenzen teil und belaestigten das Berliner Kabinett mit
nichtssagenden allgemeinen Anfragen -- die bare Ratlosigkeit des
Nichtwollens und Nichtkoennens.

Und welch ein Gegensatz der staatswirtschaftlichen Gesetze und Ansichten!
In Baden verboten sich hohe Zoelle von selbst, weil das gesamte Land nur
aus Grenzbezirken bestand und die benachbarte Schweiz noch kein geordnetes
Mautwesen besass. Die Regierung verstand die guenstige Handelslage des
Staates geschickt auszubeuten, sie begnuegte sich mit sehr niedrigen
Finanzzoellen, welche einen schwunghaften Durchfuhrhandel nach Baden
lockten und den Staatskassen reichen Ertrag brachten. Die Grossindustrie
konnte unter diesem Systeme freilich nicht Fuss fassen; sie galt im
Finanzministerium fuer ueberfluessig. Auch das Volk vermisste sie nicht, da
der Freihandel wohlfeile Fabrikwaren vom Auslande brachte. Alle deutschen
Nachbarn aber klagten laut; denn ein grossartiger Schmuggelhandel trieb von
Baden her, namentlich auf dem Schwarzwalde, sein Unwesen, fand bei der
Regierung unziemliche Nachsicht; manche haessliche Skandalfaelle, so der
ungeheure Defraudationsprozess der Firma Renner, erinnerten an Koethensche
Zustaende. In Darmstadt herrschte noch ein veraltetes physiokratisches
System, das keine Grenzzoelle kannte und fast den gesamten Staatsaufwand
aus direkten Steuern und dem Ertrage der Domaenen bestritt; der Mainzer
Handelsstand, der die Douanen Napoleons noch nicht vergessen konnte,
beschwor die Regierung, sich vor dieser Pest zu hueten. In Nassau ging das
herzogliche Domanium mit seinen herrlichen Rebgaerten und Mineralwassern
jedem anderen wirtschaftlichen Interesse vor. Daher hielt Marschall die
Fabriken fuer staatsgefaehrlich, Grenzzoelle zum mindesten fuer bedenklich und
fuehrte ein Akzisesystem ein, das er den Nachbarn oft als ein
finanzpolitisches Meisterwerk empfahl. Der maechtige Beamtenstand befand
sich wohl bei der unnatuerlichen Wohlfeilheit des Konsums auf dem engen
Markte; nach den Produzenten fragte niemand. Bayern dagegen besass bereits
in Franken und Schwaben die ersten Anfaenge einer aufstrebenden
Grossindustrie; die bayerischen Zoelle standen im Durchschnitt etwas
niedriger als die preussischen, brachten aber geringen Ertrag wegen der
unverhaeltnismaessigen Kosten der Grenzbewachung. Der wuerttembergische
Gewerbefleiss blieb hinter dem bayerischen noch etwas zurueck; die
Stuttgarter Handelspolitik stand daher in der Mitte zwischen dem
Freihandel der Rheinuferstaaten und den schutzzoellnerischen Wuenschen der
bayrischen Fabrikanten.

So abweichende Richtungen zu versoehnen war unmoeglich auf dem engen Raume
eines sueddeutschen Verbandes. Allein ein grosses freies Marktgebiet konnte
die Staaten genugsam entschaedigen fuer die unvermeidlichen Opfer und
Belaestigungen, welche jeder Zollverein anfangs den Genossen auferlegt; und
diesen einzig ausreichenden Ersatz gewann man nur durch den Anschluss an
Preussen, der von saemtlichen Teilnehmern grundsaetzlich verworfen wurde.
"Wir alle -- so gestand du Thil spaeterhin selber -- strebten ja einzig
darnach Front gegen Preussen zu machen." Selbst die politische Eintracht
der Verbuendeten stand auf schwachen Fuessen, wie laut auch die Liberalen den
natuerlichen Bund der konstitutionellen Staaten priesen. {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Es war ein
Unglueck fuer die Konferenz, dass ihr mehrere Bundesgesandte als
Bevollmaechtigte angehoerten und also auch noch die Raenke und Klatschereien
der Eschenheimer Gasse in das wueste Durcheinander der Beratungen
hineinspielten. Du Thil hingegen betrieb die Verhandlungen, wie sein
greiser Grossherzog, mit nuechternem Geschaeftsverstande und wollte von
politischen Hintergedanken nichts hoeren. Marschall und nach einigem
Schwanken auch Berstett blieben in dem politischen Fahrwasser der Hofburg.
Das Muenchener Kabinett endlich zeigte keine feste Haltung. Waehrend
Aretin(50), der erste Bevollmaechtigte, in Darmstadt wie in Frankfurt
vorsichtig den Spuren Wangenheims folgte und Lerchenfeld(51) {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} den
sueddeutschen Handelsverein ehrlich wuenschte, betrachtete Graf Rechberg(52)
die Darmstaedter Konferenz mit Misstrauen, und der zweite Bevollmaechtigte
Joerres, der ganz von Rechberg abhing, tat unter der Hand das Seinige, um
die Verhandlungen zu erschweren. Mit zaehem Eigensinn hielt jeder Hof seine
Forderungen fest, obschon im Grunde noch keiner eine durchgebildete
handelspolitische Ueberzeugung besass; jede Nachgiebigkeit erschien wie ein
Verrat an der eigenen Souveraenitaet. So fehlten alle Vorbedingungen einer
Verstaendigung.

Ein prunkendes Aushaengeschild fuer den Verein war rasch gefunden. Die
Handelspolitik der Verbuendeten sollte auf dem
"staatswirtschaftlich-finanziellen Prinzipe" ruhen -- ein schoenes Wort, dem
leider jedes Kabinett einen anderen Sinn unterlegte. Der tuechtigste
Staatswirt der Versammlung, Nebenius, ward auf du Thils Vorschlag
beauftragt, einen Entwurf fuer die Beratungen auszuarbeiten. Voll
Zuversicht ging er ans Werk; er teilte die allgemeine Ansicht der
sueddeutschen Bureaukratie, dass die Beseitigung der Binnenmauten den
Partikularismus kraeftigen muesse, und schrieb seinem Hofe hoffnungsvoll:
durch unseren Verein "wird den Einheitspredigern das wichtigste und
schlagendste Argument siegreich entrissen." Jedoch der Plan, den er am
27. November vorlegte, entsprach allein dem badischen Interesse, war fuer
alle anderen Staaten unannehmbar. Er schlug ein System sehr niedriger
Finanzzoelle vor, fuer den Zentner Kolonialwaren 30 Kreuzer bis 2 fl., fuer
Fabrikwaren 5 bis 15 fl. -- Saetze, welche Aretin viel zu gering fand. Der
Streit blieb unloesbar, da beide Teile sich auf unwiderlegliche Gruende
stuetzten. Ein kleines Zollgebiet bedarf des Freihandels, weil es die
Kosten scharfer Grenzbewachung nicht tragen kann; doch ebenso gewiss
genuegten die badischen Zoelle nicht, um die werdende bayrische Industrie zu
schuetzen.

Nebenius wollte ferner alle Zoelle an den Grenzen erheben, keine Packhoefe
dulden, nur die Rheinhaefen ausserhalb der Mautlinie liegen lassen. Dahinter
verbarg sich die Hoffnung der Karlsruher Bureaukratie, Kehl und Mannheim
zu Hauptstapelplaetzen des Vereins zu erheben. Mit Recht erhob Bayern
lebhaften Widerspruch: nur bei ganz niedrigen Zoellen seien Lagerhaeuser
entbehrlich; auch solle man die Hoffnung auf Frankfurts Beitritt
festhalten und nicht den natuerlichen Mittelpunkt des oberrheinischen
Speditionshandels zugunsten kleinerer Plaetze benachteiligen. In demselben
Geiste badischer Engherzigkeit war der weitere Antrag, dass den
Grenzstaaten gestattet werde, von allen Waren, welche der Verein zollfrei
einlasse, Zoelle fuer ihre eigne Rechnung zu erheben. Sofort widersprachen
alle rueckwaerts liegenden Staaten. Auch bei der Verteilung der allgemeinen
Zolleinnahmen vergass Nebenius den Vorteil Badens nicht, das allerdings
unter den Bundesgenossen die reichsten Zolleinkuenfte besass. Er verlangte
als Massstab: die Kopfzahl und die Laenge der Grenzen, welche jeder Staat zu
bewachen habe. Ebenso dreist bestand Bayern auf seinem Interesse: man
muesse einen Durchschnitt suchen aus der Kopfzahl und dem Umfange des
Gebiets -- weil Bayern duenner bevoelkert war als die Nachbarlande.

Die gesetzgebende Gewalt wollte Nebenius einer Konferenz von
Bevollmaechtigten anvertrauen, die alljaehrlich zusammenzutreten und mit
einfacher Mehrheit zu beschliessen haette. Der Muenchener Hof aber war nicht
geneigt, sich den kleinen Mitverbuendeten also zu unterwerfen; Aretin trug
das Selbstgefuehl der Macht ruecksichtslos zur Schau und forderte fuer jede
halbe Million eine Stimme -- das wollte sagen: die Stimmenmehrheit fuer
Bayern allein -- was wieder von du Thil und den anderen Kleinen als "ein
allzu naiver Versuch" zurueckgewiesen wurde. Die Zollverwaltung endlich
sollte von einem gemeinsamen Beamtentum gefuehrt, durch eine permanente
Kommission beaufsichtigt werden. Seltsamerweise erregte diese
Zentralverwaltung zunaechst geringen Anstoss. Die schwaebische Bureaukratie
sprach sogar lebhaft dafuer. Dem allmaechtigen Stande der wuerttembergischen
Schreiber blieb der Verein unheimlich, der so viele Schreiberstellen
aufzuheben drohte. Indes wenn sich das Unheil nicht abwenden liess, so
erschien die Zentralverwaltung als das geringere Uebel; sie musste doch aus
jedem Staate eine zahlreiche Beamtenschar anstellen. Behielten dagegen die
Staaten ihre selbstaendige Zollverwaltung, so hatte Wuerttemberg nur zwei
Grenzmeilen am Bodensee zu ueberwachen, und die ganze Herrlichkeit der
koeniglichen Mautverwaltung brach zusammen!

Die Verhandlung ueber jene Streitfragen ward bald gereizt und gehaessig.
Nebenius sprach in seinen Berichten mit sehr ungerechter Bitterkeit ueber
die Gegner, die doch vielfach wohlbegruendeten Einspruch erhoben. Zudem
vertrat noch jeder Staat seine eigentuemlichen Wuensche. Reuss und Weimar
wollten das Geleitsgeld fuer ihre imaginaeren Harnischreiter nicht ohne
Entschaedigung aufgeben. Der Kurfuerst von Hessen weigerte sich, seine
Transitzoelle dem Vereine zu ueberlassen, forderte zum mindesten ein
Praezipuum(53) fuer den starken Konsum franzoesischer Weine, worauf man mit
der kecken Luege antwortete, im Oberland werde davon mehr getrunken als in
Kurhessen. Baden wollte nicht beitreten, wenn nicht sogleich ein
Handelsvertrag mit der Schweiz abgeschlossen wuerde. Derweil also die
Meinungen ziellos durcheinander wogten, hofften mehrere der Kabinette,
einmal selbst der bayrische Hof, auf Preussens Zutritt! Wiederholt besprach
man in Darmstadt die Aufnahme der preussischen Rheinlande; dem kreisenden
Berge dieses Sonderbunds zu Lieb sollte Preussen die schwer erkaempfte
handelspolitische Einheit seines Gebiets wieder zerreissen! {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Nachdem man sechs Monate auf die bayrischen Instruktionen gewartet,
erklaerte endlich (Juli 1821) der bayrische Bevollmaechtigte, sein Hof
verlange, dass das bestehende bayrische Zollgesetz dem Vereine zur
Grundlage diene. So begann der trostlose Streit von neuem. Darauf, nach
anderthalb Jahren, bot sich eine Gelegenheit, die Lebenskraft des Vereines
zu erproben. Frankreich erliess am 23.-April 1822 ein neues Douanengesetz,
das die Interessen der oberdeutschen Staaten offenbar feindlich verletzte,
die wichtigsten Gegenstaende der Einfuhr aus Sueddeutschland, Schlachtvieh
und Wolle mit unerschwinglichen Zoellen belegte. Der Schlag traf fast alle
sueddeutschen Lande gleichmaessig; sollte nicht mindestens gegen diesen
Angriff gemeinsame Abwehr moeglich sein? Man verhandelte und verhandelte.
Baden verbot (17.-Mai) die Weineinfuhr auf seiner Westgrenze; Wuerttemberg
schloss sich diesen Retorsionen an; mit Bayern war keine Verstaendigung zu
erzielen. In seiner Not wendete sich Berstett an Metternich, bat die
Hofburg um ihre guten Dienste in den Tuilerien. Nach fast zwei Monaten
(12.-August) erwiderte der Oesterreicher: "es ist kaum zu erwaehnen noetig,
wie sehr bereit wir sind", den deutschen Bundesstaaten jede Gefaelligkeit
zu erweisen; aber das franzoesische Gesetz ist das Ergebnis der nationalen
Meinung und eines "national-oekonomischen Systems, das faktisch das
Lieblingssystem unserer Zeit geworden ist." Das war die Hilfe, welche
Deutschlands Volkswirtschaft von Oesterreich zu erwarten hatte! Zuletzt
riefen die unsicheren, vereinzelten Retorsionen der sueddeutschen Hoefe nur
einen neuen gehaessigen Zank zwischen Bayern und Baden hervor; denn da die
bayrische Pfalz keine Mauten besass, so musste Baden, um die franzoesischen
Weine wirksam zu treffen, auch die Weineinfuhr vom bayrischen Ueberrhein
verbieten, was wieder bayrische Klagen veranlasste -- und so weiter ins
Unendliche.

Gegen den Herbst 1822 schienen die Verhandlungen wieder vorwaerts zu
ruecken. Bayern, ermutigt durch einen draengenden Beschluss seines Landtags,
legte sich kraeftig ins Zeug; der rastlose Wangenheim brachte einen
Vermittlungsantrag ein, zugunsten der bayrischen Vorschlaege. Aber noch
immer ward man nicht Handels einig, man zerrte herueber und hinueber. Da
verlor die darmstaedtische Regierung die Geduld; sie hatte ihrem Landtage
baldige Regelung des Zollwesens versprochen und erklaerte jetzt (Februar
1823): wenn man nicht endlich sich vergleiche, so werde Darmstadt fuer sein
eignes Haus sorgen.

Die preussische Regierung sah diesen wohlgemeinten aber aussichtslosen
Verhandlungen gelassen zu, da sie sich mit jedem Jahre mehr von der
Lebenskraft ihres eigenen Zollgesetzes ueberzeugte, und liess sich in ihrer
kuehlen Geringschaetzung nicht stoeren, als die landesueblichen Kraftreden
wider Preussens Zollsystem auch auf der Darmstaedter Konferenz erklangen.
Eine Denkschrift des Auswaertigen Amtes bemerkte darueber spaeterhin trocken:
"Man waehlte in Darmstadt Preussen zum Stichblatt, weil man dadurch die
oeffentliche Meinung gewann und seine eigenen Plaene leichter durchsetzen
konnte." Metternich hingegen, der den Darmstaedter Plaenen keinen
fruchtbaren Gedanken entgegenzustellen wusste, ward der Sorgen nicht ledig.
Schon vor Eroeffnung der Konferenzen ermahnte er Berstett, mindestens den
Einfluss der Subalternen und der Landstaende fern zu halten. Zugleich musste
Marschall gegen den Karlsruher Hof den Verdacht aeussern, ob vielleicht
Nebenius selber zu den verkappten Demagogen gehoere. Der badische Minister
versuchte seinen Goenner zu beschwichtigen und gab an Nebenius gemessene
Weisung, sich vor allen politischen Nebengedanken zu hueten: "Auch aus dem
Einfachsten wird Gift gesogen. Ruecksichten, die mehr gefuehlt als
bezeichnet werden koennen, verbieten, den Landtagen irgendwelche Einwirkung
zu gestatten." Gleichwohl blieb Metternich argwoehnisch, und sein Marschall
gestand ihm wehmuetig: da der Kaufmann mit seinem beweglichen Kapitale
leider nicht einem, sondern allen deutschen Staaten angehoere, so koenne die
Handelssache von den Revolutionaeren allerdings leicht fuer ihre
Einheitstraeume ausgebeutet werden. Selbst der unverkennbare Misserfolg der
Konferenzen beruhigte die Leiter der deutschen hohen Polizei nicht: dieser
Verschwoerer Wangenheim war ueberall, selbst das badische Land sollte er zu
Pferde durchstreift haben, um sich mit den liberalen Abgeordneten zu
besprechen. {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Am 3. Juli 1823 erklaerte schliesslich du Thil den Austritt seines
Grossherzogs aus der Darmstaedter Konferenz, weil Hessen ausserstande sei,
die Ordnung seines Zollwesens noch laenger zu verschieben. Nassau folgte
dem Beispiele. Darauf weigerte sich Bayern, ohne Darmstadt weiter zu
verhandeln; unter lebhaften gegenseitigen Anklagen ging der Kongress
auseinander, nach drei Jahren unerquicklichen Streites. Er scheiterte an
der Unmoeglichkeit, abweichende Interessen in engem Rahmen
zusammenzuhalten.

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 302 ff.

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   50 Adam Freiherr v. Aretin, geb. 24. August 1769, gest. 16. August
      1822, war seit 1817 bayrischer Bundesgesandter.

   51 Maximilian v. Lerchenfeld, geb. 16. November 1778, gest. 14. Oktober
      1843, war von 1817-1825 bayrischer Finanzminister.

   52 Aloys Graf v. Rechberg und Rothenloewen, geb. 18. September 1766,
      gest. 10. Maerz 1849, war bayrischer Minister des Auswaertigen.

   53 Eine besondere Verguetung.




5. Motzs deutsche Handelspolitik.


In das achte Jahr hinein hatte Minister Klewiz sein schweres Amt ertragen,
mit unwandelbarer Geduld die grosse Steuerreform aufrecht gehalten wider
zahllose Angriffe von innen und von aussen. Aber das Defizit vermochte er
nicht zu beseitigen, trotz allen neu angeordneten Ersparnissen; denn er
begnuegte sich mit einer bescheidenen Stellung, die es ihm unmoeglich
machte, den Staatshaushalt vollstaendig zu uebersehen. Er trug vor der Welt
die Verantwortung fuer das gesamte Finanzwesen; und gleichwohl verfuegte
Ladenberg(54) mit seiner Generalkontrolle selbstaendig ueber alle Ausgaben
und einen Teil der Einnahmen des Staates. Und dazu noch die unabhaengige
Staatsschuldenverwaltung, bei deren Einsetzung Klewiz nicht einmal befragt
wurde. Da der Streit der Departements einen vollstaendigen Etat gar nicht
mehr zustande kommen liess, so musste der Minister schon 1824 die fuer jedes
dritte Jahr versprochene Bekanntmachung des Budgets unterlassen. Muede der
ewigen Reibungen und doch zu schuechtern, um fuer sich selber die gebuehrende
Macht zu fordern, erklaerte er im Dezember 1824 dem Koenige, unter den
bestehenden Ressortverhaeltnissen vermoege er das Gleichgewicht der Finanzen
nicht herzustellen, und erbat sich nachher die Oberpraesidentenstelle in
seiner saechsischen Heimat.

Der Koenig liess darauf (12. Dezember) den vier Praesidenten Schoen, Vincke,
Motz und Schoenberg den Entwurf des neuen Etats zusenden mit der Anfrage:
welche Bedenken sie dawider haetten und welche besonderen Befugnisse sie
fuer den kuenftigen Finanzminister noch verlangten, damit er das
Gleichgewicht wieder herstellen koenne. Jeder der vier sollte antworten,
als ob er selber zur Uebernahme des Finanzministeriums bestimmt sei; keiner
durfte von der Befragung der anderen etwas erfahren {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Nur Motz traf in
seiner Antwort mit sicherer Hand den eigentlichen Sitz des Uebels, den
Dualismus der Finanzverwaltung. Er forderte fuer den Minister kurz und gut
Sitz und Stimme in der Generalkontrolle, so dass auch die Ausgabeetats
nicht ohne seine Genehmigung zustande kommen koennten; sodann ganz freie
Hand bei der Auswahl seiner Raete, endlich Zentralisation des Kassenwesens.
In zwei weiteren Denkschriften {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} verlangte er ferner die Aufstellung
voellig zuverlaessiger Etats und erklaerte sich entschieden gegen die
Wiedereinfuehrung der Provinzialministerien. Denn neben solchen
Unterministern sei ein maechtiger Finanzminister unmoeglich; dieser muesse
unmittelbar an der Verwaltung teilnehmen, um "unverbesserliche Missgriffe,
Einseitigkeit und Indolenz" zu verhueten: "er kann nicht darauf beschraenkt
bleiben, durch Etats und Verwaltungsnormen nur die Zukunft nach seinen
Ansichten zu regeln; auch kann es ihm nicht helfen, die Vergangenheit nach
toten Zahlen zu meistern". --

Die Entscheidung konnte nicht zweifelhaft sein {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Der Koenig entschied sich
fuer Motz. Er ahnte in jenem Augenblicke selber nicht, wie segensreich
dieser Entschluss auf den Gang der deutschen Geschichte einwirken sollte.

Motz stand in seinem 50. Jahre, als er am 1. Juli 1825 sein Amt uebernahm,
der einzige Staatsmann in einem Kabinett von Geschaeftsmaennern(55). Auch
dieser Kurhesse war einst, wie Eichhorn, durch den Glanz der
friderizianischen Zeiten aus seiner kleinstaatlichen Heimat in den
preussischen Staatsdienst hinuebergefuehrt worden. Eine ungleich glaenzendere
und doch nicht minder gediegene Natur als der stille gelehrte Maassen,
tatkraeftig, wagelustig, voll kecken Selbstvertrauens, das sich oft in
beissenden Sarkasmen aeusserte, hatte der ruestige Naturalist in einer
wechselreichen praktischen Laufbahn alle Buecherweisheit verachten gelernt
und doch verstanden, die lebendigen Ideen der Zeit sich anzueignen {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Das
waren seine frohesten Tage gewesen, da er als junger Landrat auf dem
Eichsfelde bald zu Pferd bald mit der Jagdflinte auf der Schulter seinen
Kreis durchstreifte und die Bauern auf ihren Hoefen besuchte, selten mit
Befehlen eingreifend, immer bereit, dem geringen Manne zu zeigen, wie man
sich selber helfen koenne, denn "Selbsttaetigkeit entspricht dem energischen
Charakter des preussischen Volkes." Dort gewoehnte er sich den Bauernstand
als den Kern der Nation zu schaetzen: "lieber die drueckendsten
Luxusauflagen, lieber wie Pitt alle Elemente besteuern, als den Schweiss
des Landmanns belasten." Der Friede von Tilsit zwang ihn, in die Dienste
des verhassten Koenigreichs Westfalen zu treten; er leitete das Steuerwesen
im Harzdepartement, erschien zweimal als Deputierter bei dem Gaukelspiele
des Kasseler Landtages und beobachtete voll froher Ahnungen, wie
unterdessen der preussische Staat die Gedanken echter deutscher Freiheit in
sich aufnahm. Kaum kam die Kunde von der Leipziger Schlacht, so rief er
seine Eichsfelder wieder unter die alten Fahnen und war sodann in Halle
und Fulda bei der Organisation der wiedereroberten Provinzen taetig.

Als Praesident in Erfurt half er nachher, jenen Zollvertrag mit
Sondershausen abschliessen, der so vielen anderen zum Vorbilde dienen
sollte. Hier in Thueringen trat ihm die ganze Hilflosigkeit der deutschen
Kleinstaaterei vor Augen. Grenzenlos war seine Verachtung gegen die
kleinen Hoefe. Er kannte ihre Gesinnung genugsam aus den Schicksalen seiner
eigenen Familie, die unter dem Geize des hessischen Kurfuersten schwer zu
leiden hatte, und lernte sie noch richtiger schaetzen, als der Koenig ihn
einmal nach Kassel sendete, um die ehelichen Zwistigkeiten im hessischen
Hause -- natuerlich ohne Erfolg -- zu beschwichtigen. Ein stolzer Preusse von
Grund aus, freimuetig, selbstaendig in allem, wollte er das Lob Oesterreichs,
das in den Beamtenkreisen gesungen wurde, niemals gelten lassen: pfui ueber
diese faule, unwissende, unredliche k. k. Verwaltung. Ausser Canning(56)
war Motz der einzige Staatsmann dieser Epoche, der die Hohlheit
Metternichs voellig durchschaute. Waehrend fast alle anderen preussischen
Staatsmaenner ein stilles Zagen nicht ueberwinden konnten, blieb diesem
frischen Geiste die frohe Zuversicht des Jahres 1813 ungeschwaecht. "Ein
guter Krieg wird uns wohl tun, sagte er oft. Aber es muss ein Volkskrieg
sein, und dann werden wir Kraefte entwickeln, ueber die man staunen wird."

Motz wollte die Stein-Hardenbergischen Reformen bis in die letzten
Konsequenzen vollendet sehen: eine neue Landgemeindeordnung sollte
ergaenzend neben die Staedteordnung treten, die Abloesung der Grundlasten
vollstaendig ausgefuehrt, auch die Ausgleichung der Grundsteuer vollzogen
werden -- um der Gerechtigkeit willen, selbst wenn der Staat dabei Verluste
erlitte {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Waehrend seiner angestrengten Verwaltungstaetigkeit in Erfurt und nachher
als Oberpraesident in Magdeburg entstanden die Denkschriften ueber die
Abrundung des preussischen Staatsgebietes, ueber den Anschluss der kleinen
Kontingente an das preussische Heer, ueber die Reform der Verwaltung. Diese
rasch hingeworfenen Arbeiten zeigen schon sein ganzes Wesen: weiten,
scharfen Blick, vorurteilsfreien, hochherzigen Patriotismus, aber auch
einen Zug von genialem Leichtsinn, der notwendig zu seinem Bilde gehoert.
Ohne solche Lust am kecken Wagen und Plaeneschmieden haette er schwerlich
die Kraft gefunden, in einer Epoche der Ermattung und Entsagung den Neubau
des deutschen Staates vorzubereiten. Die ihm naeher standen, empfingen den
Eindruck, dass hier eine gross angelegte Natur, ein gedankenreicher,
unruhiger, ueberaus produktiver Kopf in allzu engem Wirkungskreise sich
aufzureiben drohte. Der Mann bedurfte einer grossen Taetigkeit, wenn die
Ideen, die in seinem Geiste gaerten, sich abklaeren, wenn sein starker
Ehrgeiz und seine frohe Willenskraft sich frei entfalten sollten.

Um das Defizit zu beseitigen, hatte der Koenig den neuen Minister berufen.
Die glueckliche Loesung dieser naechsten Aufgabe bildete zugleich die
Vorbedingung fuer das Gelingen der handelspolitischen Plaene, welche Motz
seit jenem Sondershausener Vertrage nicht mehr aus den Augen verloren
hatte; nur wenn das Gleichgewicht des Staatshaushalts gesichert war,
konnte die Krone Zollvertraege von zweifelhaftem finanziellem Erfolge
wagen. In den Kreisen des hohen Beamtentums wurde die Lage der Finanzen
allgemein sehr unguenstig beurteilt. Hatte man vor sechs Jahren
schlechterdings nicht glauben wollen, dass in Preussen ein Defizit bestehen
koenne, so hielt man jetzt den Zustand fuer ganz verzweifelt, weil man die
Ergiebigkeit der neuen Steuern nicht genau kannte. Motz teilte diese
duestere Ansicht nicht. Er war ueberzeugt, das vielbeklagte Defizit sei
laengst nicht mehr vorhanden, wenn nur erst Einheit, Uebersicht, Ordnung in
das Finanzwesen komme; "aber, sagte er spaeter zu seiner Tochter, ich
huetete mich wohl, Ueberschuesse zu versprechen, man haette mich fuer
wahnsinnig gehalten." --

Einen minder mutigen Mann haette die Lage des Marktes wohl erschrecken
koennen. Zur selben Zeit, da Motz ins Amt trat, brach ueber England eine
furchtbare Handelskrisis herein, eine der schwersten Erschuetterungen,
welche die Handelsgeschichte kennt. Die Eroeffnung des suedamerikanischen
Marktes hatte eine fieberische Spekulation erweckt, welcher nun der
natuerliche Rueckschlag folgte: in fuenf Vierteljahren stuerzten mehr als 70
Banken und an 3600 Geschaeftshaeuser zusammen. Auch Deutschland blieb von
dem Unheil nicht verschont, wie bescheiden auch sein Anteil am Weltverkehr
noch war: die grosse Firma Reichenbach in Leipzig und einige der ersten
Haeuser Berlins gingen zugrunde. Doch was bedeutete diese Bedraengnis des
Geldmarkts neben der namenlosen Not des deutschen Landbaues, die wie alle
landwirtschaftlichen Krisen ungleich langsamer ueberwunden wurde? Die
Hungerjahre waren kaum ueberstanden, da fielen die Preise aller
landwirtschaftlichen Erzeugnisse schnell und anhaltend. Die Zollgesetze
des Auslandes und der elende Zustand der Strassen hemmten die Abfuhr der
ueberreichen Ernten; selbst die technischen Fortschritte, welche die
deutsche Landwirtschaft ihren Lehrern Thaer und Schwerz verdankte, wirkten
fuer jetzt nachteilig, da die Konsumtion dem gesteigerten Angebot so rasch
nicht zu folgen vermochte. Der Wert der Grundstuecke sank in manchen
Landesteilen tiefer als einst zur Zeit des Krieges. Nur die Schaefereien
behaupteten sich noch; Deutschland allein fuehrte nach England ueber zweimal
soviel Wolle aus als alle uebrigen Laender zusammen. Aber auch dieser
Vorteil drohte zu schwinden, seit die Fremden von uns zu lernen begannen,
deutsche Hirten und Schafe in Russland, Schweden, Frankreich, Australien
verwendet wurden. Am haertesten litt das unglueckliche Altpreussen; waehrend
der Kriegsjahre war mehr als die Haelfte seines Viehstandes draufgegangen,
jetzt stand in einzelnen Gegenden der Tagelohn auf 3 bis 4 Sgr., in
anderen wurde der Scheffel Roggen fuer 5 Sgr. ausgeboten. Schoens Schwager,
Oberst Bruenneck, suchte den Nachbarn zu helfen durch die Einfuehrung der
Schafzucht und anderer technischer Verbesserungen; doch nur wenige waren
imstande, sich auf neue Unternehmungen einzulassen. Auf die flehentliche
Bitte der Staende gewaehrte der Koenig "dieser alten Kernprovinz" abermals
ausserordentliche Unterstuetzungen: Chausseen wurden gebaut, grosse
Getreideankaeufe fuer die Armee angeordnet, auch Magazine angelegt, welche
den Preis des Scheffels Roggen auf der Hoehe von 1 Taler halten sollten.

Dann erlangte Schoen(57) noch eine neue Bewilligung von 3 Millionen Taler
zur Rettung verschuldeter Grundbesitzer. Als guter Patriot wollte er
vornehmlich die alten, mit der Geschichte des Landes verwachsenen
Geschlechter im Besitze ihrer Stammgueter erhalten. Dieselbe Meinung
vertrat sein Freund Staegemann(58) im koeniglichen Kabinett; der war, obwohl
ein Anhaenger der neuen Volkswirtschaftslehre, doch von jeher der Ansicht
gewesen, dass durch den Untergang der alten Grundbesitzer der Staat selber
zugrunde gehe: "es scheint mir ganz simpel, weil ein anderer Staat daraus
wird". Aber die bewilligte Summe reichte nicht von fern aus, obwohl sie
fast den sechszehnten Teil der gesamten Staatseinnahmen ausmachte; zudem
musste die grosse Kreditanstalt der Provinz, die "Landschaft", der die
bedraengten Grundherren allesamt verschuldet waren, um jeden Preis vor dem
Bankrott bewahrt werden, wenn man nicht das ganze Land dem Verderben
preisgeben wollte. Daher befahl der Koenig auf Schoens Vorschlag (1824), die
Unterstuetzungsgelder zwar zunaechst zur Rettung der alten
Grundherrengeschlechter zu verwenden; wenn es aber ganz unmoeglich sei,
eine Familie im Besitze zu erhalten, dann solle sie mit einer notduerftigen
Pension abgefunden und ihr Stammgut durch die Landschaft unter den Hammer
gebracht werden.

Mit dieser fast unbeschraenkten Vollmacht schritt Schoen ans Werk. Das
Schicksal des altpreussischen Adels lag in seiner Hand. Abermals, und noch
stuermischer, als vor Jahren bei der Verteilung der ersten
Kriegsentschaedigungsgelder, draengte sich alles um die Gunst des
Beherrschers der Provinz. Er tat sein Bestes, viele wackere Maenner vom
Landadel verdankten allein seiner Fuersorge die Erhaltung ihres Besitzes;
wo er aber die Lage fuer hoffnungslos hielt, da liess er die Landschaft
unerbittlich zur Subhastation schreiten. So geschah es, dass unter der
Mitwirkung dieser wohlwollenden Regierung die Grafen Schlieben, die Grafen
Goltz und viele andere angesehene Adelsgeschlechter von Haus und Hof
verjagt wurden -- die meisten schuldlos, denn der letzte Grund ihrer Not
lag doch in den patriotischen Opfern der Kriegszeit. Hunderte von
Landguetern wurden versteigert, einmal ihrer 218 fast zu gleicher Zeit; das
unmaessige Angebot drueckte die Preise so tief herab, dass die Landschaft
selber nur durch Zuschuesse des Staates sich behaupten konnte. In manchen
Teilen der Provinz wechselte die volle Haelfte der grossen Gueter ihren
Besitzer {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Mit diesen traurigen Wirren hatte der Finanzminister unmittelbar nichts zu
schaffen, aber an dem Ertrage der Abgaben lernte er die Not der
Landwirtschaft nur zu gruendlich kennen, obwohl der Koenig bei allen seinen
Unterstuetzungen streng den Grundsatz einhielt, dass auch dem Beduerftigsten
niemals ein Nachlass an den Staatssteuern bewilligt werden duerfe. Um die
Schwierigkeiten zu bemeistern, wollte Motz zunaechst die Lage des
Staatshaushalts genau uebersehen und erneuerte daher seine alte Forderung,
dass der Finanzminister in der Generalkontrolle Sitz und Stimme haben
muesse. Der Koenig suchte nach seiner Gewohnheit zu vermitteln, weil er den
verdienten alten Ladenberg nicht kraenken mochte, und ordnete an, der
Finanzminister solle im Falle der Meinungsverschiedenheit durch einen
seiner Raete muendlich mit dem Praesidenten der Generalkontrolle
unterhandeln. Mit einer solchen Halbheit konnte sich Motz nicht zufrieden
geben; denn zwischen den beiden koordinierten Behoerden hatte sich laengst
ein tragikomischer Wettstreit des Amtseifers entsponnen, wie er nur in der
preussischen Bureaukratie moeglich ist. Die Generalkontrolle suchte ihre
Lebenskraft zu erweisen, indem sie den Etats zahllose laecherliche Monita
zusetzte, zum Domaenenetat allein 91, zum Forstetat 146, und die
Kalkulatoren des Finanzministeriums erwiderten natuerlich mit gleicher
Muenze. Das Gezaenk war so unertraeglich, dass Motz sich entschloss, den Koenig
um seine Entlassung zu bitten, wenn ihm seine berechtigte Forderung nicht
gewaehrt wuerde. "Ich kann mich nicht dazu verstehen -- schrieb er an Lottum
-- die Rolle zu uebernehmen, welche Herr v. Klewiz viele Jahre zum Nachteil
der Finanzen des Staates ertragen hat." Ein solches Abschiedsgesuch galt
nach den Grundsaetzen des alten Absolutismus als strafbarer Trotz, und Motz
selber hielt fuer noetig, die Versicherung hinzuzufuegen: "ich wuerde der
Gnade des Koenigs mich selbst unwuerdig erkennen, wenn ich, in Eitelkeit und
Torheit befangen, mich auf anderem Wege in meiner Dienststelle zu
konservieren bemueht sein wollte."

Seit Stein im Fruehjahr 1807 aus aehnlichem Anlass ungnaedig entlassen worden,
hatte kein Minister mehr gewagt, in diesem Tone zu reden; selbst
Hardenberg hatte nur einmal, als er auf die Zustimmung des Koenigs sicher
rechnen konnte, leise mit einem Abgang gedroht. Friedrich Wilhelm brauchte
auch volle vier Monate, bis er dem neuen Minister sein selbstbewusstes
Auftreten ganz verzieh. Dann aber hatte er sich durch Lottums Vortraege von
der Unhaltbarkeit des bestehenden Dualismus gruendlich ueberzeugt, und da er
seine bureaukratischen Hartkoepfe kannte, so ging er nunmehr sogleich weit
ueber die Vorschlaege des Finanzministers selber hinaus. Am 8. April 1826
ueberraschte er diesen durch die willkommene Mitteilung: er denke die
Generalkontrolle ganz aufzuheben, ihre Geschaefte dem Finanzministerium zu
uebertragen. Am 29. Mai wurde dieser Befehl vollzogen, und Ladenberg musste
sich wehmuetig mit dem Praesidium der Oberrechnungskammer begnuegen. Motz
aber war jetzt endlich Herr der Lage, und die anderen Minister empfanden
bald, dass er sich berechtigt hielt, alle Gebiete der Verwaltung scharf zu
ueberwachen. Der langsame Altenstein mochte wohl Grund haben, sich ueber die
Anmassung des Finanzministers zu beschweren, denn umstaendliche
Bedachtsamkeit reizte den stuermischen Mann leicht; doch ueber seine
Kargheit konnte niemand klagen. Den Anforderungen der Kunst und
Wissenschaft entsprach er, nach dem Masse der vorhandenen Mittel, sehr
freigebig; als Kamptz(59) ihn wegen der hohen Kosten der Revision des
Landrechts befragte, erwiderte er nachdruecklich: fuer ein solches Werk muss
in Preussen immer Rat geschafft werden.

In jedem Zweige des Finanzwesens spuerte man die ruestigen Haende des neuen
Leiters. Durch eine gruendliche Reform der Kassenverwaltung verschaffte er
sich einen genauen Ueberblick ueber alle Bestaende. Das Steuerwesen liess er
in den Haenden Maassens, des Urhebers der neuen Zollgesetzgebung. Die beiden
galten in der Beamtenwelt als Nebenbuhler, aber sie wurden Freunde. Maassen
fuegte sich gern der raschen Entschlossenheit des juengeren Vorgesetzten,
und dieser wusste wohl, was er der Umsicht und Sachkenntnis des
Generalsteuerdirektors verdankte. "Alles mit Maassen", sagte er laechelnd,
wenn ihn der besonnene Freund von einem uebereilten Wagnis zurueckgehalten
hatte. Unter Maassen arbeitete der geistreiche Ludwig Kuehne(60), Motzs
alter Freund von Erfurt her, der Schrecken aller Traegen und Mittelmaessigen;
wie wusste er seine Leute in Atem zu halten, wenn er ihnen zurief:
"Dummheit ist eine Gottesgabe, aber sie zu missbrauchen ist schaendlich!"

In den Provinzen war das Steuerwesen bisher von den Regierungen verwaltet
worden; der Koenig hatte indes bald eingesehen, wie wenig das langsame
Kollegialsystem sich fuer diesen Zweig der Verwaltung eignet, und daher
(1822) zunaechst in den beiden westlichen Provinzen das gesamte Steuerwesen
einem Provinzialsteuerdirektor unterstellt. Diese Einrichtung bewaehrte
sich vollstaendig und wurde durch Motz auch in den uebrigen Provinzen
eingefuehrt. Die neuen Behoerden mussten nach Landesbrauch anfangs oft mit
der Eifersucht der Regierungen kaempfen, auch das Volk empfing sie mit
Argwohn, denn der Name der Zoellner hatte einen boesen Klang, in den alten
Provinzen dachte man noch mit Schrecken an die Regiedirektoren des grossen
Koenigs. Doch bald lernte man die Puenktlichkeit und schlagfertige Raschheit
der Steuerbehoerden schaetzen; am Rhein wurde der Steuerdirektor v. Schuetz
sogar ein volksbeliebter Mann. Jede tiefgreifende Steuerreform bedarf der
Zeit, um ihren Wert zu erproben. Jetzt hatte die Geschaeftswelt sich nach
und nach an die neuen Abgaben gewoehnt, die Beamten Uebung und Sicherheit
erlangt in den ungewohnten Formen. Auch der Schmuggel begann nachzulassen.
Etwa um das Jahr l827 konnte die Reform als abgeschlossen und in den
Volksgewohnheiten festgewurzelt gelten.

Zu ihrer Ergaenzung unternahm Motz die Neugestaltung der Domaenenverwaltung,
die unter dem Drucke der grossen landwirtschaftlichen Krisis ganz in
Verwirrung geraten war. Der Minister selbst und der neue Direktor des
Domaenenwesens, Kessler, bereisten persoenlich saemtliche Domaenen und Forsten
der Monarchie, ueberall jubelnd empfangen von der Jaegerei und den Paechtern,
die es kaum fassen konnten, dass die Herren in Berlin sich endlich einmal
ihrer Not annahmen. Dann ueberwies Motz, um mit dem alten Jammer
aufzuraeumen, alle Rueckstaende einer besonderen Verwaltung und schloss fuer
das gesamte Domanium neue, billigere Pachtvertraege, welche streng
eingehalten wurden, aber hunderte von Paechtern vor dem Untergange
bewahrten. Mit der Veraeusserung der Domaenen verfuhr er sehr vorsichtig; nur
in Westpreussen und Posen liess er zahlreiche Vorwerke an deutsche
Kolonisten veraeussern, "um einen selbstaendigen und der Regierung
anhaenglichen Bauernstand zu bilden".

Das Beste blieb doch, dass man nun endlich wusste, woran man war. Nach kaum
drei Jahren, am 30. Mai 1828, konnte Motz dem Monarchen berichten, dass
statt des gefuerchteten Defizits ein reiner Ueberschuss von 4,4 Millionen
erzielt worden sei, der sich nach Eingang der Rueckstaende auf 7,8 Millionen
steigern muesse; 3,245 Millionen waren bereits bar an den Staatsschatz
abgefuehrt, 1,172 Millionen zu ausserordentlichen Ausgaben verwendet.
Dankbar gestand er zu, ohne die grossen unter seinem Vorgaenger vollzogenen
Reformen wuerde er nicht imstande sein, dem Koenig so erfreuliche Ergebnisse
vorzulegen; aber er durfte sich sagen, nur er habe vermocht, die Ernte
dieser Saaten einzuheimsen, und er fuehlte sich bereits so sicher, dass er
eine maessige Verminderung der Klassensteuer vorzuschlagen wagte: die
Steuerpflichtigkeit sollte fortan zwei Jahre spaeter als bisher, erst mit
dem sechzehnten Lebensjahre beginnen. Auch fernerhin, so schloss der von L.
Kuehne entworfene Bericht, werden die Grundsaetze der Finanzverwaltung
bleiben: "Sparsamkeit und Ordnung in den gewoehnlichen Ausgaben;
Bereithaltung der Kraefte, welche der Friede gewaehrt hat, fuer die Zeit des
ersten Krieges; Aufrechterhaltung des Kredits durch Puenktlichkeit;
Verwendung eines Teiles der Ueberschuesse als werbendes Kapital fuer die
Zukunft fuer den Gewerbefleiss."

Seitdem war Motz der Achtung des Koenigs sicher. Bei Hofe betrachtete man
ihn als einen Emporkoemmling, da sein altes hessisches Adelsgeschlecht im
preussischen Dienste neu war. Die Partei Wittgensteins [des
Polizeiministers] witterte bald den Liberalismus des Ministers heraus;
Lottum aber und die anderen Anhaenger der unbedingten Sparsamkeit tadelten
seinen Leichtsinn, weil er mit den steigenden Einnahmen auch das knappe
Ausgabenbudget allmaehlich um etwa 900000 Taler erhoehte. Wagten sich solche
Vorwuerfe aus dem Dunkel heraus, dann rechtfertigte er sich stets freimuetig
vor dem Koenige selbst, denn ohne das Vertrauen des Monarchen koenne der
Finanzminister als Aufseher der gesamten inneren Verwaltung nicht bestehen
{~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

In den letzten Jahren hatte Preussens Handelspolitik auch den kleinen
Nachbarn gegenueber nur wenig Erfolge errungen. Die von preussischem Gebiete
umschlossenen Kleinstaaten waren durch das wueste Geschrei, das sich an den
Hoefen und in der Presse wider das Zollgesetz erhob, gruendlich
eingeschuechtert. Der Fuerst von Rudolstadt getraute sich erst nach drei
Jahren (1822) dem verstaendigen Beispiele seines Sondershausener Vetters zu
folgen und mit seiner Unterherrschaft dem preussischen Zollsystem
beizutreten. Im naechsten Jahre wurden auch zwei weimarische Aemter sowie
das obere Herzogtum Bernburg in die Zollgemeinschaft aufgenommen, und alle
Beteiligten befanden sich wohl bei dem freien Verkehr. Aber auf den so oft
verheissenen Beitritt der gesamten anhaltischen Lande wartete man in Berlin
noch immer vergeblich. Der Koethener Herzog fuehrte den Schmuggelkrieg gegen
seinen koeniglichen Schwager wohlgemut fort, ermutigt durch die
Einfluesterungen seines Adam Mueller und durch das endlose Gezaenk am
Bundestage. Als Mueller es gar zu frech trieb, musste sich Hatzfeldt(61) in
Wien beschweren. Metternich gab dem Geschaeftstraeger sofort einen scharfen
Verweis wegen eines Benehmens, das "den bekanntlich zwischen Oesterreich
und Preussen bestehenden so innigen und freundschaftlichen Verhaeltnissen"
durchaus widerspreche, und teilte dies Schreiben dem preussischen Hofe
verbindlich mit. Muellers geheime Weisungen lauteten aber wahrscheinlich
anders; er liess sich in seinem Treiben keineswegs stoeren und fand in der
jesuitischen Umgebung der Herzogin treue Bundesgenossen. Die
Wortbruechigkeit des kleinen Nachbarn musste den Berliner Hof um so tiefer
verstimmen, da mittlerweile (1824) die hohenzollernschen Fuerstentuemer mit
Wuerttemberg einen Zollvertrag schlossen, genau nach dem Vorbilde der
preussischen Enklavenvertraege. So schlugen die Kleinstaaten sich selber ins
Angesicht. Dieselben verstaendigen handelspolitischen Grundsaetze, welche
Wangenheim in Frankfurt der preussischen Regierung als eine Verletzung des
Voelkerrechts vorgeworfen hatte, wurden nun in Schwaben eingefuehrt, und
dieselbe liberale Presse, die das preussische Enklavensystem mit
Schmaehungen ueberhaeufte, fand die Anwendung dieses Systems in Wuerttemberg
hocherfreulich.

Sobald Motz sich in seinem neuen Amte zurecht gefunden hatte, erklaerte er
dem auswaertigen Amte: Preussens Langmut gegen den unredlichen kleinen
Nachbarhof werde zur Schwaeche, man muesse endlich die ganze Strenge des
Zollgesetzes wider ihn anwenden (Januar 1826). Gleich nachher baten Dessau
und Bernburg um die Aufnahme einiger Aemter in die Zollgemeinschaft und
empfingen, auf Motzs Betrieb, die Antwort: mit solchem Stueckwerk sei
nichts getan; wollten die Herzoege mit ihren gesamten Gebieten beitreten,
so wuerde man sie willkommen heissen. Nach einiger Zoegerung erschienen
nunmehr zwei anhaltische Unterhaendler in Berlin, und mit dem
bernburgischen, v. Salmuth, einem geistreichen, witzigen Manne, der das
moenchische Unwesen des Koethener Hofes gruendlich verachtete, wurde Motz
bald handelseins. Noch im Laufe des Sommers erklaerte der Herzog von
Bernburg die Unterwerfung seines gesamten Landes unter das preussische
Zollgesetz. Acht volle Jahre hatte es also gewaehrt seit der Verkuendigung
dieses Gesetzes, bis zum erstenmal ein ganzer deutscher Kleinstaat
beitrat. Der dessauische Bevollmaechtigte aber brach die Verhandlungen ab;
denn unterdessen war Adam Mueller von Koethen nach Dessau hinuebergekommen,
angeblich, um in der Mulde zu baden, in Wahrheit, um den Anschluss an
Preussen zu hintertreiben.

In einem herzbrechenden Klageschreiben sprach Herzog Leopold von Dessau,
der mit einer Nichte des Koenigs verheiratet war, dem Oheim sein Bedauern
aus: schon vor Jahren habe er dem Koethener Vetter versprochen, nicht ohne
ihn beizutreten. Das preussische Ministerium verlange, "dass die
enklavierten Staaten fremde Gesetze und Verwaltungsformen unweigerlich
annehmen muessen. Dies aber, Allergnaedigster Koenig, ich wage es
vertrauensvoll auszusprechen, wollen Allerhoechstdieselben nicht. Preussens
maechtiger und gerechter Monarch, der im zweiten Artikel der Bundesakte
Souveraenitaet und Unabhaengigkeit garantierte, wird nie gestatten, dass die
Minister durch strenges Festhalten am Buchstaben des Bundesvertrages den
Geist, der sichtbar in demselben waltet, ertoeten, dass aus dem ersteren ein
Rechtstitel fuer faktischen Zwang entlehnt werde. Wenn ich so das kleine,
auf mich gekommene Erbe meiner Ahnen, das, erhoert Gott meine und meiner
vielgeliebten Gemahlin Gebete, der Urenkel eines Koenigs aus meiner Hand
erhalten wird, vor E. K. Maj. Herzen und Allerhoechstihren mir und meiner
Gemahlin bewiesenen vaeterlichen Gesinnungen zu verteidigen wage, so fehlt
es mir dazu nicht an einem naeheren Anlass" -- worauf denn eine lange Klage
ueber die dem anhaltischen Lande angedrohte "Polizeilinie" folgte. Der
Koenig aber zeigte sich sehr aufgebracht ueber die Zweizuengigkeit seines
Neffen. Er erinnerte ihn daran, dass Preussen die Dresdener
Elbschiffahrtsakte erst unterzeichnet habe, nachdem die Askanier ihren
Beitritt zum preussischen Zollsystem foermlich versprochen haetten; er
forderte ihn auf, dem Beispiel Bernburgs zu folgen, und schloss: "Auch kann
ich nicht glauben, dass das in Dresden von saemtlichen Herzoegen von Anhalt
gegebene Versprechen einer Einigung durch irgendeine von ihnen spaeterhin
gegebene Zusage an Verbindlichkeit zu verlieren vermoechte." Ein zweites
Schreiben des Dessauers, das sich abermals auf die hartnaeckige Weigerung
des Koethener Vetters berief, blieb unbeantwortet.

Der Koenig befahl nunmehr, dem Froschmaeusekrieg ein Ende zu machen und das
anhaltische Land mit der gefuerchteten "Polizeilinie" zu umgeben, aber
zugleich die beiden Herzoege nochmals zu Unterhandlungen einzuladen. Im
Maerz 1827 wurde die Elbe oberhalb und unterhalb Anhalts gesperrt, von den
eingehenden Schiffen die vorlaeufige Zahlung der preussischen Zoelle
gefordert unter Vorbehalt der Rueckverguetung, falls die Waren wirklich in
Anhalt verblieben. Sofort sendete der Koethener Herzog einen Leutnant mit
einem Ultimatum nach Berlin; sei es, dass er einen hoeheren militaerischen
Wuerdentraeger nicht in seinem Vermoegen hatte, oder dass er Preussen verhoehnen
wollte. Der tapfere Leutnant forderte drohend die Zuruecknahme der
Massregeln binnen acht Tagen, sonst werde Koethen zu ernsteren Mitteln
greifen. Natuerlich erhielt er keine Antwort; Eichhorn und Heinrich
v. Buelow(62), Humboldts geistreicher Schwiegersohn, der in diesen
laecherlichen Haendeln sein diplomatisches Talent zuerst bewaehrte, setzten
nur einige scharfe Bemerkungen an den Rand des Koethener Ultimatums. Nun
brachte Koethen *cette affaire ennuyante*, wie Bernstorff zu seufzen
pflegte, nochmals an den Bundestag. Wieder verteidigte die gesamte Presse
den unschuldigen Kleinstaat, den hochherzigen Beschuetzer der Schwaerzer und
der Schwarzen; wieder trat in der Eschenheimer Gasse(63) ein Ausschuss
zusammen unter dem Vorsitz des k. k. Gesandten. Wieder ward ein Bericht
zugunsten Koethens erstattet, und wieder musste der preussische Gesandte(64)
eine scharfe Erwiderung verlesen. Nagler sagte geradezu, seine Regierung
sei durch den Kommissionsbericht in der Ueberzeugung von ihrem Rechte
unerschuetterlich befestigt worden. Bernstorff aber erklaerte: "Dazu haben
sich grosse Staaten mit den kleinen nicht in einen Verein zusammengetan,
damit diese nur ihre, bei vernuenftigem Gebrauch unantastbare Souveraenitaet
nach Willkuer und jeder ueberspannten Einbildung ausueben duerfen." Oesterreich
zeigte bei alledem eine sehr zweideutige Haltung. Adam Mueller wurde zwar
auf laengere Zeit beurlaubt, doch im uebrigen tat die Hofburg gar nichts zur
Unterstuetzung Preussens; ihr Gesandter Graf Trauttmansdorff beschwerte sich
sogar ueber die angeordneten Zwangsmassregeln.

Die kleinen Hoefe ergriff ein jaeher Schrecken, da sie so unsanft an die
natuerlichen Schranken ihrer Souveraenitaet erinnert wurden. In einem
verzweifelten Briefe fragte Grossherzog Georg von Strelitz seinen
koeniglichen Schwager, ob er denn wirklich den Bestand des Deutschen Bundes
gefaehrden wolle. Friedrich Wilhelm aber liess sich nicht beirren. Er
sendete dem Schwager (Juli 1827) eine Denkschrift, welche nochmals die
ganze Nichtswuerdigkeit der anhaltischen Schleichhandelspolitik darstellte,
und sagte: daraus moege er lernen, "dass das Interesse meiner Untertanen die
getroffenen Massregeln gebieterisch erheischte, dass ich dazu vollkommen
berechtigt war, und daher weder die Aussprueche der Bundesversammlung noch
das Urteil des Publikums in und ausser Deutschland, sondern nur die
Nachgiebigkeit der anhaltischen Fuersten eine Aenderung hervorbringen
koennen." Dann hob er mit seinem geraden Verstande noch einmal den Kern des
Streites heraus: "E. K. Hoheit wird ausserdem einleuchten, dass, wenn sich
die Interessen eines Staates von 30 bis 40 000 Einwohnern mit denen von 12
Millionen in Konflikt befinden, es in der Natur der Verhaeltnisse liegt,
dass der erstere nachgebe, sobald ihm eine vollstaendige Entschaedigung
geboten wird. Sollte der Bund die aus einer uebel verstandenen Souveraenitaet
hergeleiteten Anmassungen kleiner Staaten gegen maechtigere nicht in die
gehoerigen Schranken zurueckweisen, so wuerde fuer diese das Bundesverhaeltnis
bald unertraeglich werden und der Bund, wie E. K. H. bemerken, allerdings
in Gefahr schweben."

Mittlerweile begannen die beiden bedraengten Kleinfuersten doch zu merken,
dass sie den ungleichen Kampf nicht durchfuehren konnten. Sie beschlossen,
ihr verpfaendetes Wort endlich einzuloesen, und erklaerten sich zu
Unterhandlungen bereit. Am 17. Juli 1828, nach neunjaehrigen
Schmuggelfreuden, _traten Dessau und Koethen dem preussischen Zollsystem
bei_. Beide Landesherren bedauerten in gefuehlvollen Manifesten, ihre
geliebten Untertanen so schwer belasten zu muessen; der Koethener berief
sich auf "unabwendbare Umstaende", der aufrichtigere Dessauer -- mit jener
zynischen Gemuetlichkeit, die dem deutschen Kleinfuersten nicht verargt wird
-- auf "die Interessen seines Kammerhaushalts". Alle diese Enklavenvertraege
gewaehrten den kleinen Hoefen einen nach der Volkszahl abgemessenen Anteil
am Ertrage der preussischen Ein- und Ausfuhrzoelle, ausserdem noch allerhand
Ehrenrechte -- das Landeswappen neben dem preussischen fuer die Zollaemter und
was der Eitelkeiten mehr war -- aber durchaus keinen Anteil an der
Zollgesetzgebung. Nur Dessau und Koethen behielten sich das Recht des
Widerspruchs vor, falls die Grundsaetze und Grundlagen des Zollgesetzes
veraendert wuerden -- ein Satz, der gluecklicherweise gar nichts bedeutete.
Ebenso harmlos war die Klausel, wonach Dessau und Bernburg nur fuer sechs
Jahre beitreten sollten. Motz und Eichhorn wussten wohl, wie wenig an einen
Wiederaustritt zu denken sei; so goennte man den Kleinen das erhebende
Bewusstsein, dass sie sich nicht fuer ewige Zeiten unterworfen haetten. In der
Tat begann in den anhaltischen Laendern der ehrliche Erwerb wieder zu
gedeihen, und bald fuehlte jedermann, die natuerliche Ordnung der Dinge sei
hergestellt.

Noch waehrend diese anhaltischen Haendel schwebten, eroeffnete sich fuer
Preussen ploetzlich die Aussicht, auch groessere deutsche Staaten in seine
Zollgemeinschaft aufzunehmen. Gewitzigt durch die niederschlagenden
Erfahrungen der Wiener Konferenzen, hatte der Berliner Hof waehrend der
letzten Jahre gelassen abgewartet, ob die Not der Finanzen einen der
Mittelstaaten bewegen wuerde, sich freiwillig dem preussischen Zollsystem
anzuschliessen. Eine solche Politik gewaehrte zugleich den Vorteil, dass
Preussen verschont blieb vor den unzaehligen Zollvereinsplaenen, welche
gleich Nebelgestalten, rasch gebildet und rasch zerfliessend, an den
kleinen Hoefen auftauchten und oftmals auch an die preussischen Gesandten
herantraten. Leichtfertiges Plaeneschmieden war von jeher das Vorrecht der
Ohnmacht. Ein Staat, der eine grosse nationale Idee vertrat, durfte auf die
Mueckenseigerei nassauischer und meiningischer Staatsdilettanten sich nicht
einlassen. Ein einziger von Preussen uebereilt abgeschlossener Zollvertrag,
der die Probe nicht bestand und sich wieder aufloeste, haette die Hoefe wie
die Nation vollends abgeschreckt und die preussische Handelspolitik auf
Jahre hinaus gelaehmt. Nur wenn ein Mittelstaat, Duenkel und Misstrauen
ueberwindend, selber in Berlin positive Anerbietungen stellte, dann allein
liess sich glauben, dass er durch gewichtige Interessen bestimmt werde und
ein dauerhafter Bund moeglich sei.

Aus dem Raenkespiel Adam Muellers erfuhr man ueberdies, welche Kraefte an den
kleinen Hoefen ihr Wesen trieben und beschloss daher, alle Verhandlungen
ueber Zollsachen nur in Berlin zu fuehren. Nur in Berlin fanden sich die
kundigen Fachmaenner, deren, und das reiche statistische Material, dessen
man zur Loesung so vieler verwickelten Einzelfragen bedurfte. Nur hier war
man leidlich gesichert gegen die Umtriebe der Hofburg, wie gegen die
Vorurteile der kleinen Dynastien. Der Aufenthalt in einem ernsten
Gemeinwesen uebt immer einen wohltaetig ernuechternden Einfluss, und selbst in
jener stillen Zeit bewaehrte Preussen diese erziehende Kraft. In den
Gesandtschaftsberichten laesst sich deutlich verfolgen, wie die kleinen
Diplomaten stets mit misstrauischem Zagen den verrufenen Berliner Boden
betraten und schon nach wenigen Monaten ein unbefangenes, ja wohlwollendes
Urteil ueber die preussischen Dinge sich bildeten. Graf Bernstorff blieb mit
den Gesandten der Mittelstaaten immer auf gutem Fusse, selbst wenn das
Verhaeltnis zu den Kabinetten sich truebte.

Sodann lernte man aus dem ungluecklichen Verlaufe der Darmstaedter
Zollkonferenzen, dass Zollverhandlungen mit mehreren Staaten zugleich, bei
der grossen Verschiedenheit der Interessen, keinen Erfolg versprechen.
Seitdem stand in Berlin der Entschluss fest, immer nur mit einem einzelnen
Staate ueber Zollfragen zu verhandeln, mit mehreren nur dann, wenn diese
sich bereits zu einer handelspolitischen Einheit verbunden haetten. Diese
streng eingehaltene Regel erlitt eine einzige Ausnahme. Die kleinen
thueringischen Lande konnten vereinzelt weder eine Zollgrenze bewachen,
noch als Traeger eines handelspolitischen Interesses gelten. Darum hatte
das Berliner Kabinett schon im Jahre 1819 dem Gothaer Hofe die Bildung
eines thueringischen Vereins empfohlen -- ein Vorschlag, dessen Berechtigung
selbst auf den Darmstaedter Konferenzen von dem sachkundigen badischen
Bevollmaechtigten anerkannt wurde. Allen anderen Staaten gegenueber blieb
der Grundsatz der Einzelverhandlungen aufrecht.

Ueber die handelspolitischen Plaene der Mittelstaaten war der Berliner Hof
sehr genau unterrichtet; denn an mehreren der kleinen Hoefe bestand eine
einflussreiche preussische Partei, in Muenchen und Stuttgart mindestens ein
tiefer Groll gegen Oesterreich, der unseren Geschaeftsmaennern zustatten kam.
Dazu der landesuebliche Nationalhass des Nachbars gegen den Nachbar; wie
liess sich ein Geheimnis bewahren, wenn heute ein darmstaedtischer, morgen
ein badischer Minister sich gedrungen fuehlte, seine gerechte Entruestung
ueber Bayerns oder Wuerttembergs anmassende Vorschlaege in den schweigsamen
Busen des wohlwollenden preussischen Gesandten aus zuschuetten? Der
Karlsruher Posten diente als die beste Warte, um den Wandel der kleinen
Gestirne zu beobachten. Die Teilnahme Preussens an dem geplanten
sueddeutschen Zollverein befuerwortete in Berlin niemand, weil man ihn fuer
hoffnungslos hielt. Dagegen wurde wiederholt und ernstlich die Frage
erwogen: unter welchen Bedingungen Preussen mit groesseren Nachbarstaaten
einen Zollbund abschliessen koenne? Klewiz beantwortete sie in einem
Gutachten vom 27. Juni 1822 dahin: Nur unter drei Bedingungen koennen wir
die Nachbarstaaten in unseren Verband aufnehmen. Wir muessen fordern:
"Annahme unserer Branntweinsteuer und einer angemessenen Biersteuer", nur
dann wird der Verkehr aller Schranken ledig. Ferner "ein sehr
ueberwiegendes Vorrecht fuer Preussen bei Bestimmung der Ein-, Aus- und
Durchgangsabgaben". Endlich "die Douanenlinie in jenen Laendern muss ganz
von uns abhaengen", da die bisherige Zollverwaltung der Nachbarstaaten
keine Buergschaft gibt fuer die gewissenhafte Ausfuehrung der Gesetze.
Begreiflich genug, dass ein preussischer Minister fuer seinen Staat eine
solche handelspolitische Hegemonie wuenschte. Bald aber erkannte man in
Berlin, wie wenig die Mittelstaaten gesonnen waren, eine "fremde"
Verwaltung in ihren Laendern zu ertragen, und stimmte daher seine Ansprueche
herab.

Im Jahre 1824 verhandelten die drei Ministerien des Auswaertigen, des
Handels und der Finanzen nochmals ueber die Frage, "wie sich Preussen bei
den Zollvereinsunternehmungen zu verhalten habe." Geh Rat Sotzmann, der
Sohn des bekannten Geographen, eines der ersten Talente der
Finanzverwaltung, und H. v. Buelow fassten das Ergebnis der Beratung in
einer grossen Denkschrift zusammen, welche schon mehrere Hauptgrundsaetze
der spaeteren Zollvereinsverfassung aufstellte. Sie erklaerten: der Anschluss
an Preussen koenne auf zwei Wegen erfolgen -- entweder durch vollstaendige
Unterwerfung, wie sie in Bernburg geschehen sei, oder durch eine freiere
Verbindung. Einem groesseren Staate duerfe nur die letztere zugemutet werden;
doch muesse er jedenfalls seine Zoelle und Konsumtionssteuern den
preussischen gleichstellen. Der Unterschied von "Zollanschluss" und
"Zollverein" war also schon damals den preussischen Staatsmaennern gelaeufig,
wenngleich sie die modernen Schulausdruecke noch nicht gebrauchen. Da der
Beitritt etwa von Kurhessen "nur soviel Zuwachs bringt als ein einziger
unserer Regierungsbezirke ausmacht", so kann der Berliner Hof die
Entwicklung seines Zollwesens von der Zustimmung eines solchen
Bundesgenossen nicht unbedingt abhaengig machen. Daher soll Preussen sich
nur auf eine Reihe von Jahren binden, um bei Ablauf der Frist ueber
Aenderungen und Zusaetze sich von neuem zu vereinbaren. Man verzichtet
mithin auf jedes Vorrecht, erkennt die volle Gleichberechtigung des
kleinen Bundesgenossen an und behaelt sich nur das Recht der Kuendigung vor,
als unentbehrliches Gegengewicht. Jeder der beiden Staaten ernennt seine
Zollbeamten selbst, doch werden sie beiden Regierungen verpflichtet. Der
Plan, die Grenzbewachung allein in Preussens Haende zu legen, war mithin
aufgegeben. Nur noch ein kleiner Schritt weiter, und man musste erkennen,
dass auch die doppelte Vereidigung der Zollbeamten dem Duenkel der kleinen
Hoefe unertraeglich sei, bloss eine gegenseitige Kontrolle der Zollverwaltung
sich erlangen lasse. Preussen hatte sein letztes Wort noch nicht
gesprochen; die Denkschrift verhehlte nicht, dass der Berliner Hof gefasst
sein muesse auf noch groessere Zugestaendnisse. "Wird nur der Zweck erreicht --
die wirkliche Einfuehrung des preussischen Zoll- und
Konsumtionssteuersystems und die Verfolgung der Kontraventionen --, so kann
man ueber Formalitaeten, die durch oeffentliche Unterordnung der jenseitigen
Souveraenitaetsrechte anstoessig werden duerften, leichter hinweggehen." Zum
Schluss wird ein wichtiger Gedanke entwickelt, den das preussische Kabinett
fortan getreulich festhielt und weiter verfolgte: Sollte Kurhessen nur
gegenseitige Eingangsbeguenstigungen wuenschen, so waere dies fuer Preussen,
wegen unserer hoeheren Zoelle, nicht bloss kostspieliger, sondern auch
gefaehrlicher; die voellige Verschmelzung der beiden Zollsysteme bleibt in
jeder Hinsicht vorzuziehen. -- In der Tat, nicht die Hoehe der Binnenzoelle
laehmte den deutschen Handel, sondern das Dasein der Binnenmauten selber;
jede Reform, die nicht an diese Wurzel des Uebels die Axt legte, blieb ein
Missgriff.

Leider hatten diese verstaendigen Grundsaetze fuer den Augenblick gar keine
Wirkung; denn die Verfasser der Denkschrift hielten sich noch buchstaeblich
an das Programm von 18l9. Sie wollten in gerader Linie "von Grenze zu
Grenze" vorgehen, von dem naechsten Nachbar zu dem entfernteren. Was schien
auch einfacher als der Plan, zunaechst die angrenzenden Staaten zu
gewinnen, die im unmittelbaren Bereich der preussischen Macht lagen, und
dann erst zu versuchen, ob das geeinte Norddeutschland vielleicht mit dem
Sueden sich verstaendigen koenne? Und doch war dieser gerade Weg ganz
ungangbar. Die Denkschrift selber gesteht, dass der allen Neuerungen
abgeneigte Dresdner Hof sich, schon wegen der Leipziger Messen, dem
preussischen Zollwesen fernhalten werde. Hannover, als ein Brueckenkopf
Englands, wird gar nicht erwaehnt, ebensowenig das daenische Holstein.
Thueringen "ist auf Preussen angewiesen", muss sich aber, wie in einem
besonderen Promemoria ausgefuehrt wird, zuvoerderst zu einem Verein
zusammentun, der dem preussischen Zollsystem als "Vorland und Deckwerk"
dienen soll. Darmstadt "grenzt nicht an uns", selbst sein Oberhessen kann
nur in Betracht kommen, wenn Kurhessen gleichzeitig beitritt. -- Nach
alledem blieb als naechstes erhebliches Ziel nur der Beitritt von Kurhessen
samt Waldeck, und sogar dies war unerreichbar, denn der hessische Kurfuerst
zeigte, nachdem er es eine kurze Zeit mit einem verstaendigen Zollsystem
versucht hatte, dem grossen Nachbarstaate bald wieder die alte
Gehaessigkeit. Solange in Berlin diese Ansichten vorherrschten, die
offenbar mit dem alten unseligen Gedanken der Mainlinie zusammenhingen,
liess sich eine Erweiterung des Zollsystems ueber die kleinen Enklaven
hinaus nicht absehen.

Erst durch Motz wurde der Bannkreis dieser norddeutschen Ideen
durchbrochen. Hierin und in der Beseitigung des Defizits, die eine
Handelspolitik grossen Stils erst ermoeglichte, liegt sein bleibendes
Verdienst. Er zuerst unter den preussischen Staatsmaennern verfiel auf die
Frage: ob nicht in dem wunderlichen Durcheinander unserer Kleinstaaterei
der Umweg vielleicht rascher zum Ziele fuehre als die gerade Linie? ob man
nicht die Nachbarn, die nicht zu ueberzeugen waren, vielmehr umgehen und
umklammern muesse? Der kuehne Spieler kam mit seinen Bauern auf dem Brette
nicht vorwaerts und liess darum die Springer vorgehen. Er fasste sich das
Herz, sobald eine guenstige Stunde kam, ueber Kurhessen und die anderen
unmittelbaren Nachbarn hinweg den sueddeutschen Staaten die Hand zu
reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutsche Welt den ewigen Bund
zwischen Oesterreich und Preussen fuer ein unverbruechliches Gesetz ansah,
ging er geradeswegs auf das Ziel los, das gesamte Deutschland mit
Ausschluss Oesterreichs durch das unzertrennliche Band wirtschaftlicher
Interessen unter der Fuehrung Preussens fuer immer zu vereinigen und also die
Befreiung von der Herrschaft des Hauses Lothringen vorzubereiten. Sobald
dieser Entschluss feststand, war das Eis gebrochen. Der steile Weg war
betreten, der die Handelspolitik Preussens rasch von Erfolg zu Erfolg
fuehren sollte.

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 453 ff., 477 ff.

                            ------------------




   54 Philipp v. Ladenberg, geb. 15. August 1769, gest. 11. Februar 1847,
      seit 1817 Direktor der Generalkontrolle der Staatsausgaben, seit
      1823 Chefpraesident der Oberrechnungskammer.

   55 S. o. S. 42 Anm. 1.

   56 George Canning, geb. 11. April 1770, gest. 8. August 1827,
      britischer Staatsmann, Vorkaempfer fuer liberale Handelspolitik und
      Gegner der von der heiligen Allianz vertretenen
      Legitimitaetsanschauungen.

   57 Heinrich Theodor v. Schoen, geb. 20. Januar 1773, gest. 23. Juli
      1856, seit 1816 Oberpraesident von Westpreussen, von 1824 bis 1842
      Oberpraesident der gesamten Provinz Preussen, seit 1840 gleichzeitig
      Staatsminister.

   58 Friedr. Aug. v. Staegemann, geb. 7. November 1763, gest. 17. Dezember
      1840, im Ministerium Stein bis Dezember 1806 vortragender Rat, seit
      1809 Geh. Staatsrat im Finanzministerium und Mitarbeiter
      Hardenbergs, 1817 in den Staatsrat berufen.

   59 Karl Friedr. Heinrich v. Kamptz, geb. 16. September 1769,
      gest. 3. November 1849, seit 1824 Direktor im Justizministerium, von
      1832-1838 Justizminister, beruechtigt und verhasst wegen seines Eifers
      bei Aufspuerung demagogischer Umtriebe.

   60 Ludwig Samuel Kuehne, geb. 15. Februar 1786, gest. 3. April 1864,
      seit 1819 Hilfsarbeiter im Finanzministerium, seit 1820
      Geh. Finanz-, bzw. Oberfinanzrat. Die Uebernahme des
      Finanzministeriums lehnte Kuehne wiederholt ab.

   61 Franz Ludwig Graf v. Hatzfeldt, geb. 23. November 1756, gest. 3.
      Februar 1827, war seit 1822 preussischer Gesandter in Wien.

   62 Heinrich Freiherr v. Buelow, geb. 16. September 1792, gest. 6.
      Februar 1846, war bis 1827 im Ministerium des Auswaertigen
      hauptsaechlich in den Handelssachen taetig, 1827 wurde er preussischer
      Gesandter in London, 1842 Minister der auswaertigen Angelegenheiten.

   63 In der Eschenheimer Gasse zu Frankfurt a. M. befand sich das
      Taxissche Palais, in dem die Bundesversammlung tagte.

   64 Karl Ferd. Friedrich v. Nagler, geb. 1770, gest. 13. Juni 1846, der
      schoepferische Organisator des preussischen Postwesens, war von
      1824-1835 preussischer Gesandter am Bundestag.




6. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.



a) _Die Stuttgarter Zollkonferenzen._


Als die Darmstaedter Konferenzen im Sterben lagen, gaben die kleinen
thueringischen Staaten die Erklaerung ab: wenn man in Darmstadt sich nicht
vereinige, so saehen sie sich genoetigt, einen bereits verabredeten
bedingten Vertrag auszufuehren und "einen in sich geschlossenen
Handelsstaat" zu bilden -- "eine Selbsthilfe, welche das Bild der
Zwietracht, das Deutschlands Staaten darstellen, zur hoechsten Vollendung
zu bringen gemacht waere." Und wahrlich, der Sueden bot einen jammervollen
Anblick nach dem Abbruch der Darmstaedter Verhandlungen. Jedes Kabinett
ging trotzig und verstimmt seines eigenen Weges. Die darmstaedtische
Regierung versuchte noch einmal (Februar 1824), die oberrheinischen Hoefe
zur Annahme gleichfoermiger Zollgesetze zu bewegen; da dies misslang, gab
sie ihrem Lande eine selbstaendige Zollordnung, welche, dem Volke verhasst,
kaum 80000 Gulden jaehrlich einbrachte. Der kluge du Thil hatte diesen
armseligen Ertrag vorhergesehen, er wollte sich aber fuer kuenftige
Zollvertraege ein Unterhandlungsmittel sichern. Auch Wuerttemberg fuehrte im
selben Jahre ein neues Zollgesetz ein, das dem bayrischen nahe stand. Das
Schmuggelgeschaeft in Frankfurt und in Baden bluehte wie nie zuvor. Toerichte
Retorsionen belaestigten den Verkehr. Als Wuerttemberg mit der Schweiz ueber
einen Handelsvertrag verhandelte, sendete Baden sofort einen
Bevollmaechtigten nach Zuerich, um den Fortgang des Geschaeftes argwoehnisch
zu beobachten. In der Schweiz herrschte dasselbe Elend germanischer
Zersplitterung; konkordierende und nicht konkordierende Kantone fanden des
Haders kein Ende, die Verhandlungen rueckten kaum von der Stelle.

Nur der Stuttgarter Hof gab in diesem Zeitraum allgemeiner Zerfahrenheit
die Triastraeume und Zollvereinsplaene nicht auf. Der wuerttembergische
Gesandte in Muenchen, Freiherr von Schmitz-Grollenburg, ein ruehriger
Liberaler, gleich seinem Goenner Wangenheim begeistert fuer den Bund der
Mindermaechtigen, liess nicht ab, das bayrische Kabinett um Wiederaufnahme
der Verhandlungen zu bitten. Eine geraume Zeit hindurch fand er keinen
Anklang; sein Freund Lerchenfeld konnte nicht aufkommen gegen Rechberg,
der rundweg aussprach, eine gemeinschaftliche Zollgrenze sei entwuerdigend
fuer die rueckwaertsliegenden Staaten. Auch bestand im altbayrischen Volke
wenig Neigung mehr fuer die Zollvereinsplaene; die oeffentliche Meinung
verlor das Vertrauen zu den immerdar vergeblichen Unterhandlungen.

Immerhin hatten die Darmstaedter Beratungen die Lage etwas geklaert.
Sueddeutschland zerfiel in zwei Gruppen. Die beiden Koenigreiche auf der
einen, die Rheinuferstaaten auf der anderen Seite, waren sich der
Gemeinschaft ihrer Interessen bewusst geworden. Eben diese Sonderung zweier
Gruppen fuehrte dann zu neuen Einigungsversuchen. Baden schloss mit
Darmstadt (10. September 1824) einen Vertrag, der den eigenen Produkten
der beiden Staaten einige Erleichterung gewaehrte, und sendete sodann
seinen Nebenius zu gleichem Zwecke nach Wuerttemberg. Der badische
Bevollmaechtigte ward in Stuttgart sehr unfreundlich aufgenommen und
wochenlang hingehalten, da der wuerttembergische Unterhaendler stets zur
unpassenden Stunde unwohl wurde. Gekraenkt und verstimmt dachte er schon
heimzureisen; da erfuhr er endlich, dass Wuerttemberg inzwischen schon eine
neue geheime Verhandlung mit Bayern begonnen habe. Die Nachricht von dem
badisch-hessischen Vertrage hatte den Muenchener Hof mit schwerer Sorge
erfuellt. Man fuerchtete die Fuehrerschaft im Sueden zu verlieren und geriet
in Unruhe wegen der Rheinpfalz; diese unzufriedene Provinz forderte
dringend, fast drohend eine Verstaendigung mit den Rheinuferstaaten, die
fuer ihr Handelsinteresse weit wichtiger seien als die altbayrischen Lande.
Ueberdies hatte Blittersdorff den unsterblichen Artikel 19 und die
Handelssache soeben am Bundestage wieder zur Sprache gebracht; und obwohl
dies nur ein Zeichen der Ratlosigkeit war, so wollte doch Bayern jede
Einmischung des Bundes abschneiden. So geschah es, dass
Schmitz-Grollenburgs Antraege jetzt in Muenchen einer guenstigeren Stimmung
begegneten. Koenig Max Joseph(65) gestattete, dass der wuerttembergische
Geheimrat Herzog nach Muenchen kam. Waehrend man Nebenius in Stuttgart mit
leeren Ausfluechten vertroestete, ward an der Isar ueber einen sueddeutschen
Zollverein verhandelt.

Schon am 4. Oktober 1824 kam dort ein vorlaeufiger Vertrag zustande; im
folgenden Monat traten die Bevollmaechtigten der beiden Koenigreiche in
Stuttgart zusammen, um die Vereinbarung endgueltig festzustellen. Gewitzigt
durch den ziellosen Meinungswirrwar der Darmstaedter Konferenzen, zogen
Bayern und Wuerttemberg diesmal vor, zunaechst unter sich ins reine zu
kommen, dann erst die kleinen Nachbarn zum Beitritt aufzufordern. Ein
richtiger Gedanke, sicherlich, doch die Heimlichkeit des Verfahrens
verletzte die oberrheinischen Hoefe. In Karlsruhe wie in Darmstadt prahlte
man gern: wir koennen Bayerns entbehren, Bayern nicht unser, da wir seine
Verbindung mit der Rheinpfalz beherrschen. Um so bitterer empfand man das
rasche Vorgehen des Muenchener Hofes. Um "den Praetensionen der koeniglichen
Hoefe" entgegenzutreten, eilte Berstett nach Frankfurt, besprach sich dort
mit Marschall. Gleich darauf (19. November 1824) hielten Berstett,
Nebenius, du Thil und Hoffmann in Heidelberg eine geheime Zusammenkunft,
welche der badische Minister selber in einem vertrauten Briefe "ein
Gegengift" gegen die bayrisch-wuerttembergischen Umtriebe nannte.

Das hier vereinbarte Protokoll, dem nachher auch Marschall beitrat, wurde
bedeutungsvoll fuer die Geschichte der deutschen Handelspolitik; denn hier
spielte der Partikularismus seinen hoechsten Trumpf aus, er stellte seine
letzte und schwerste Bedingung auf. Die verbuendeten Staaten verpflichteten
sich, in fester Gemeinschaft vorzugehen und vornehmlich bei dem Verlangen
zu beharren, dass jeder Staat seine Zollverwaltung selbstaendig fuehre; nur
unter dieser Bedingung sei ein Zollverein moeglich. Baden, das doch in Wien
und in Darmstadt selber eine Zentralverwaltung vorgeschlagen hatte, hielt
jetzt die entgegengesetzte Forderung am hartnaeckigsten fest. Die beiden
Koenigreiche hatten ihr Misstrauen gegen die allzu nachsichtige badische
Zollverwaltung oft und in verletzender Form ausgesprochen. Der Karlsruher
Hof fuehlte sich dadurch tief gekraenkt und -- er fuerchtete die Anwesenheit
bayrischer Zollbeamten in seinem bedrohten pfaelzischen Gebiete. Wir
wollen, schrieb Berstett an du Thil, schlechterdings keinen *status in
statu*(66), kein Funktionieren fremder Beamten in unserem Gebiete; und
jener antwortete: auch keine Verpflichtung der Zollbehoerden fuer die
Gemeinschaft, denn sonst koennte der Grossherzogliche Zolldirektor dem
Minister sich widersetzen! Ebenso nachdruecklich erklaerte Nebenius: "Die
Frage ist ganz einfach diese, ob die Untertanen der einzelnen Staaten in
einem unmittelbaren Verhaeltnis zu der Gemeinschaft stehen sollen"; hege
man kein Vertrauen zu der redlichen Verwaltung der Bundesgenossen, dann
sei ein Zollverein ueberhaupt undenkbar. Es war einfach die Gesinnung des
eifersuechtigen Partikularismus, die hier nackt heraustrat. Aber dieser
Partikularismus blieb die Lebensluft des deutschen Bundesrechts. Der
badisch-darmstaedtische Vorschlag ergab sich folgerecht aus dem Wesen eines
Staatenbundes. Eine Zentralverwaltung fuer das Zollwesen liess sich nur
denken auf dem Boden eines Bundesstaates, eines Reiches.

Indessen hatten die beiden Koenigreiche ihren Entwurf festgestellt und die
oberrheinischen Kabinette zu Verhandlungen ueber das Beschlossene
eingeladen. Im Februar 1825 begannen die Stuttgarter Konferenzen -- eine
klaeglichere Wiederholung der Darmstaedter Verhandlungen, von Haus aus
verdorben durch Groll und Misstrauen. Dass Nassau keinen redlichen Willen
mitbrachte, errieten die preussischen Diplomaten sofort; was liess sich auch
von diesem Bevollmaechtigten, dem hartkoepfigen Partikularisten Roentgen(67)
erwarten? Die Darmstaedtische Regierung begann schon seit langem zu
bezweifeln, ob ein sueddeutscher Verein ihrem Staate nuetzlich sei. Wein und
Getreide, fuer jetzt fast die einzigen wichtigen Ausfuhrartikel des
Laendchens, fanden ihren Absatz im Norden; und auch wenn der Verein
zustande kam, blieb Darmstadt nach wie vor ein Grenzland, ueberall von
Mauten umstellt. Kurhessen hielt sich den Konferenzen fern. Auch der
badische Bevollmaechtigte Nebenius kam aus unlustig hoffnungsloser Stimmung
nicht heraus, und erschwerte die Verhandlungen durch seine Reizbarkeit.
Der bayrisch-wuerttembergische Entwurf nahm das bayrische Zollgesetz zur
Grundlage, gewaehrte den beiden Koenigreichen eine ueberwiegende Stimmenzahl
und verteilte die Einnahmen nach der Kopfzahl der Bevoelkerung. Hier erhob
sich ein Streit, der wieder ein scharfes Licht warf auf die Gesinnung der
kleinen Hoefe. Sollte die Bevoelkerung berechnet werden nach einer neuen
Zaehlung oder auf Grund der provisorischen Bundesmatrikel? Die Matrikel
diente zum Massstab fuer die militaerischen Leistungen der Bundesstaaten; als
man sie zusammen stellte, ergab sich in vielen Kleinstaaten eine
betruebende Entvoelkerung, eine ueberraschend niedrige Kopfzahl. Jetzt, da
die Zolleinnahmen nach der Staerke der Bevoelkerung verteilt werden sollte,
beteuerten die kleinen Gesandten wie aus einem Munde: die Matrikel genuege
laengst nicht mehr, die Zahl der Einwohner sei inzwischen zur Freude aller
Wohlmeinenden wunderbar schnell gewachsen!

Den wichtigsten Streitpunkt bildete doch die Frage nach den Formen der
Verwaltung. Die koeniglichen Hoefe verlangten durchaus eine
gemeinschaftliche Zentralverwaltung; sie trauten den Beamten der kleineren
Staaten nicht. Dem wuerttembergischen Finanzminister schien die getrennte
Verwaltung schon darum unzulaessig, weil dann nur sehr geringe
Zolleinnahmen unmittelbar in seine Kassen fliessen wuerden; wer buergte
dafuer, dass die Bundesgenossen ihre Ueberschuesse puenktlich herauszahlten?
Gereizt durch solches Misstrauen, hielten die Minister der Rheinuferstaaten
abermals eine Zusammenkunft in Mainz (Ende Maerz 1825) und beschlossen,
fest auf dem Heidelberger Protokoll zu bestehen. Triumphierend erzaehlte
Marschall an Berstett, wie ueberlegen sein Herzog(68) den Kronprinzen von
Bayern(69) bei einem Besuche in Bieberich abgefertigt habe. "Niemals,
hatte der stolze Nassauer in heiligem Zorne gerufen, niemals werde ich mir
von Euch in meinem Lande Gesetze vorschreiben lassen. Meine
300000 Untertanen sind mir gerade so lieb, wie Euch Eure drei Millionen.
Ich brauche Euch nicht!" -- worauf der Bayer den Austausch
freundnachbarlicher Gefuehle abschloss mit der Beteuerung: "Wir brauchen
Euch auch nicht!" Zugleich setzte der Karlsruher Hof seinen ergebenen
Landtag in Bewegung; der geistreiche allezeit partikularistische
Staatsrechtslehrer Karl Salomon Zachariae(70) kaempfte auf der Rednerbuehne
wider die Anmassung der koeniglichen Hoefe: "wer ist wohl Herr in seinem
Hause, wenn er die Herrschaft mit anderen teilt?" Da gaben Bayern und
Wuerttemberg endlich nach.

Doch alsbald erhob sich ein neuer Zwist: um den Tarif -- ein Streit, der
bei dem grundtiefen Gegensatz der Meinungen zum Bruche fuehren musste. Baden
gab als hoechsten Zoll fuer Kolonialwaren 11/2 Gulden zu und hielt dies fuer
ein grosses Zugestaendnis, waehrend Bayern fuer Kaffee 15 Gulden forderte;
Wollenwaren dachte Bayern mit 60 Gulden zu belasten, Baden bewilligte nur
8 Gulden als hoechsten Satz fuer Fabrikate. Vergeblich beschwor Miller von
Immenstadt den Karlsruher Hof um Nachgiebigkeit; das Prohibitivsystem
herrsche in der weiten Welt, auch Huskisson koenne mit seinen
freihaendlerischen Traeumen nicht durchdringen. Berstett blieb fest:
"Bayern, schrieb er an Marschall, verlangt, dass wir ohne Ersatz alle
Vorteile unserer geographischen Lage mit ihm teilen. Der Koenig von
Wuerttemberg stimmt den bayrischen Anspruechen zu, um sich die Gewogenheit
einer gewissen Partei zu erhalten". Im August 1825 erklaerte Baden seinen
Austritt und verkuendigte zugleich ein neues Zollgesetz, dessen niedrige
Saetze allgemeine Freude im Lande erregten. Nassau trat ebenfalls zurueck.

Auch diesmal spielten politische Bedenken mit; eine Reise des Koenigs von
Wuerttemberg nach Paris erweckte die Besorgnis, ob der Bund der
Mindermaechtigen vielleicht mit franzoesischer Hilfe ins Leben treten solle.
Nebenius versicherte spaeterhin, ihm habe in Stuttgart immer der Gedanke an
Deutschlands kuenftige Handelseinheit vorgeschwebt; hohe Schutzzoelle im
Sueden haetten die spaetere Vereinigung mit dem Norden erschweren muessen. Und
sicherlich, wenn unter dem Schutze der bayrischen Zoelle eine jugendliche
Industrie in Oberdeutschland emporwuchs, so blieb dem frueher entwickelten
preussischen Gewerbefleiss wenig Hoffnung, den sueddeutschen Markt fuer sich
zu erobern; der preussische Staat verlor mithin den einzigen Vorteil, den
ihm ein allgemeiner Zollverein, zur Entschaedigung fuer schwere finanzielle
Opfer, versprach. Gleichwohl ist unverkennbar, dass auch der geistreiche
badische Staatswirt sich nicht frei hielt von jener allgemeinen
schwarzsichtigen Verstimmung, welche die truebseligen Stuttgarter
Konferenzen beherrschte. Von hohen Schutzzoellen war ja gar nicht die Rede.
Die von Bayern vorgeschlagenen Zoelle fuer Fabrikate standen erheblich unter
den Saetzen des preussischen Tarifs; die Gefahr, welche Nebenius fuerchtete,
lag zum mindesten noch in der Ferne. Im naechsten Winter hat Bayern noch
einmal versucht, den Verein ohne Baden und Nassau in Gang zu bringen.
Freiherr v. Zu Rhein verhandelte in Stuttgart und Darmstadt. Aber die
Darmstaedter Regierung erwiderte, sie koenne ohne Kurhessen nicht beitreten.
Da der Kasseler Hof sich weigerte, so war auch dieser letzte Versuch
gescheitert.

So hoffnungslos war die Lage, als Koenig Ludwig den Thron bestieg. Groll
und Erbitterung ueberall. Selbst der bescheidene Handelsvertrag zwischen
Baden und Darmstadt war schon nach Jahresfrist wieder erloschen, weil die
Behoerden mit den Ursprungszeugnissen freundnachbarlichen Missbrauch
trieben. Nach dem bayrischen Thronwechsel schoepfte Koenig Wilhelm von
Wuerttemberg wieder frischen Mut. Er richtete im Dezember 1826 einen Brief
an seinen erlauchten Nachbarn, schlug ihm vor, die abgebrochenen
Verhandlungen wieder aufzunehmen und zunaechst einen
bayrisch-wuerttembergischen Verein zu stiften. Koenig Ludwig ging darauf
ein. Da die beiden Staaten schon in Darmstadt und Stuttgart
zusammengehalten hatten und ihre Zollgesetze nur geringe Unterschiede
aufwiesen, so nahmen die im folgenden Monat zu Muenchen begonnenen
Verhandlungen guenstigen, wenngleich sehr langsamen Fortgang. Am 12. April
1827 wurde ein Praeliminarvertrag unterzeichnet. Man beschloss, "die
angrenzenden Staaten" zum Beitritt aufzufordern und ihnen zugleich die
politische Bedeutung dieses rein deutschen Bundes ans Herz zu legen. Der
werdende Verein war nicht geradezu gegen Preussen gerichtet; er wurde in
Berlin mit gelassener Ruhe angesehen. Freilich ging aus dem Wortlaut jener
Verabredung wie aus dem ganzen Verhalten der Bundesgenossen unzweifelhaft
hervor, dass an Preussens Beitritt nicht entfernt gedacht wurde. Man hoffte
Macht gegen Macht mit Preussen ueber Handelserleichterung zu verhandeln und
wollte im Notfall selbst Retorsionen gegen die preussischen Zoelle anwenden.
Der Verein sollte den Kern des "reinen Deutschlands" bilden, "ein immer
engeres gegenseitiges Anschliessen in allen politischen Beziehungen zur
unmittelbaren heilsamen Folge haben", wie das bayrische Kabinett nach
Stuttgart schrieb.

Indes die angrenzenden Staaten hatten laengst verlernt, auf einen
sueddeutschen Verein zu hoffen, und sie fuerchteten Bayerns Fuehrung. Am
15. Mai 1827 besprachen sich Berstett und du Thil nochmals in Heidelberg;
gleich darauf sendeten die drei oberrheinischen Hoefe ablehnende Antworten
nach Muenchen. Berstett erwiderte schroff, Baden wolle nicht eine
kuenstliche Industrie durch Schutzzoelle grossziehen. Der Nassauer Hof liess
in Stuttgart seine Verwunderung aussprechen, wie nur Wuerttemberg ein
solches "Merkantilsystem" annehmen und einem groesseren Hofe sich
unterwerfen koenne. Hessen-Darmstadt aber, ausserstande, sein drueckendes und
doch unergiebiges Mautwesen laenger zu halten, verfeindet mit Kurhessen,
voll Misstrauens gegen die sueddeutschen Nachbarn, richtete endlich
bestimmte Antraege nach Berlin. Dergestalt haben jene Muenchener
Verhandlungen die entscheidende Wendung in der Geschichte deutscher
Handelspolitik herbeigefuehrt -- einen heilsamen Umschwung, den weder Koenig
Ludwig noch Koenig Wilhelm beabsichtigte.



b) _Der preussisch-hessische und der bayrisch-wuerttembergische Zollverein._


Minister du Thil, der jetzt die Finanzen und die auswaertigen
Angelegenheiten seines Grossherzogtums zugleich leitete, befand sich, wie
er selbst erzaehlt, in verzweifelter Stimmung. Die Finanznot stieg, das
Volk murrte. Die armen Leineweber auf dem Vogelsberge bei Alsfeld hatten
durch die spanische Revolution ihren Markt verloren, das Hinterland um
Biedenkopf fand, eingepresst zwischen preussische Gebiete, keinen Absatz
mehr fuer seine Teppiche und Wollwaren, der Mainzer Handelsstand konnte die
Last der nahen preussischen Zollstellen kaum mehr ertragen. Im Landtage
verlangten einzelne Stimmen, wie schon vor Jahren der Abgeordnete Perrot,
eine Verstaendigung mit Preussen, andere befuerworteten den sueddeutschen
Verein. Nur darin war man einig, dass der Staat in seiner vereinsamten
Stellung nicht bleiben koenne; die Kammer sprach die Erwartung aus, dass
irgendein Zollverein zustande komme, und gab der Regierung freie Hand.
Grossen Eindruck machte auf den Minister eine von dem Fabrikanten Bayer im
Vogelsberge eingereichte, vom Pfarrer Frank verfasste gruendliche
Denkschrift, die ueberzeugend nachwies, dass der Warenzug des Landes
ueberwiegend durch Preussen gehe. Darum lehnte du Thil die bayrische
Einladung ab, obgleich Lerchenfeld zweimal von Frankfurt herueberkam und
Koenig Ludwig persoenlich im Bade Brueckenau den hessischen Staatsrat Hofmann
zu ueberreden suchte. Immer klarer ward ihm die Erkenntnis, dass nur der
Beitritt zum preussischen Zollsystem noch retten koenne. Es war ein kuehner
Entschluss fuer den Minister eines Mittelstaates; denn im Grunde waren doch
alle bisherigen sueddeutschen Zollverhandlungen zur Abwehr gegen das
preussische Zollwesen unternommen worden, und seit dem Koethener Streite
stand an saemtlichen Hoefen die Meinung fest, dass durch eine Verstaendigung
mit Preussen die souveraene Wuerde schimpflich preisgegeben werde. Indes der
mutige Minister war gewoehnt, die Stimmungen des Tages gering zu schaetzen,
er pflegte in den Landtagsverhandlungen seine selbstaendige Gesinnung oft
sehr scharf und nicht ohne verletzende Ironie auszusprechen.

Aber wuerde Preussen auf den unerwarteten Antrag eingehen? Schon im Sommer
1825 hatte der Darmstaedter Hof einmal in Berlin angefragt, ob Preussen
geneigt sei, einen Zollverein mit beiden Hessen abzuschliessen, und sofort
eine zustimmende Antwort erhalten. Nachher war Preussen aber wieder
zurueckgetreten, weil Kurhessen sich dem Plane versagte, und damals in
Berlin noch die Meinung herrschte, die Erweiterung des Zollsystems duerfe
nur "von Grenze zu Grenze", von dem naeheren Nachbarn zu dem entfernteren
vorschreiten. Aus dieser Meinung erklaerte es sich auch, dass ein halbes
Jahr darauf eine zweite, sehr unbestimmt gehaltene Anfrage aus Darmstadt
dahin beantwortet wurde: Verhandlungen mit Darmstadt allein verspraechen
keinen Erfolg, weil das Grossherzogtum nicht an Preussen angrenze.

Von den freieren und kuehneren Ansichten, welche Motz sich inzwischen
gebildet hatte, ahnte du Thil nichts. Er fuehlte sich des Erfolges so wenig
sicher, dass er nicht einmal seinen greisen Grossherzog(71) zu unterrichten
wagte, sondern zunaechst bei Bernstorff, mit dem er von den Wiener
Konferenzen her befreundet war, vertraulich anfragte. Bernstorff aber
kannte die Plaene des Finanzministers ebensowenig wie der Hesse, da er seit
Jahren die Handelssachen an Eichhorn zu ueberlassen pflegte, und gab eine
zaghafte Antwort: finanziellen Gewinn verspreche der Vertrag fuer Preussen
nicht, und auf eine unbedingte Unterwerfung des Grossherzogtums werde Koenig
Friedrich Wilhelm selbst nicht eingehen wollen. Erst als du Thil
erwiderte, an eine Mediatisierung seines Grossherzogs denke er auch
keineswegs, sendete Bernstorff einen zweiten, ermutigenden Brief.

Nunmehr weihte der hessische Minister seinen Grossherzog in das Geheimnis
ein und stellte bei dem preussischen Gesandten v. Maltzan, der trotz
wiederholter Andeutungen nicht aus seiner Zurueckhaltung herausgegangen
war, am 10. August 1827 die foermliche Anfrage, ob man in Berlin geneigt
sei, einen geheimen Bevollmaechtigten seines Hofes zu empfangen. Die Frage
lautete noch immer unbestimmt genug, du Thil sprach nur von gegenseitigen
Handelserleichterungen. Und selbst wenn der bedraengte Darmstaedter Hof, wie
zu erwarten stand, weiter ging und zu einem wirklichen Zollverein die Hand
bot, welchen Vorteil gewaehrte ein solcher Bund den Finanzen und der
Volkswirtschaft Preussens? Der kleine Staat besass kein zusammenhaengendes
Gebiet, grenzte nur auf drei Stellen, auf wenige Meilen, an preussisches
Land. Eben jetzt hoffte man in Berlin, die Vertraege mit den Enklaven
endlich zum Abschluss zu bringen; gelang dies, so war ein klarer Gewinn
erreicht, die Laenge der Zollgrenzen verminderte sich von 1073 auf
992 Meilen. Trat Darmstadt hinzu, so waren wieder 1108 Grenzmeilen zu
bewachen, waehrend das freie Marktgebiet sich nur um 152 Geviertmeilen
vergroesserte. Eine sehr betraechtliche Vermehrung des Absatzes preussischer
Fabrikware stand nicht in Aussicht, da Darmstadt nicht zu den stark
konsumierenden Laendern zaehlte. Nur die bergisch-maerkische Industrie durfte
auf Erweiterung ihres Verkehrs rechnen. Im Mosellande dagegen fuerchtete
man die Konkurrenz der rheinhessischen Weine. Den Staatskassen drohte
geradezu Verlust, wenn die Zolleinkuenfte nach der Kopfzahl verteilt
wurden. Das kleine Nachbarland verzehrte weit weniger Kolonialwaren, hatte
bisher eine zehnmal niedrigere Zolleinnahme bezogen als Preussen: Darmstadt
kaum 21/2 Sgr., Preussen 24 Sgr. auf den Kopf der Bevoelkerung.

Motz war gerade auf einer Dienstreise abwesend, als die Nachrichten aus
Hessen einliefen. Maassen aber, der ihn vertrat, durfte als schlichter
Amtsverweser nur wiederholen, was schon zweimal vom Finanzministerium
erklaert worden war: er wies die Verhandlungen ueber Handelserleichterungen
nicht ab, hielt jedoch einen Zollverein fuer unmoeglich, da Hessen allzu
sehr zerstueckelt sei und ein so weit abweichendes Steuersystem besitze. Im
Auswaertigen Amte dachte man mutiger. Eichhorn fand es hochbedenklich,
einen deutschen Bundesgenossen zurueckzuweisen, der in ernster Verlegenheit
sich an Preussen wende; er riet aus politischen Gruenden dringend, auf du
Thils Wuensche einzugehen; nur solle nicht bloss ein Handelsvertrag, sondern
eine dauernde Verbindung geschlossen werden. Zugleich schrieb
Otterstedt(72) aus Karlsruhe: dass Koenig Ludwig bei seinem Zollverein
politische Nebenplaene verfolge, sei offenkundig; jetzt gelte es, Preussens
Ansehen zu wahren. Er verbuergte sich fuer du Thils Ehrlichkeit, mahnte
aber, das strengste Geheimnis bei den Verhandlungen zu bewahren, damit
nicht Oesterreich und Bayern vereint in Darmstadt entgegenarbeiteten.
Unterdessen war Motz heimgekehrt, und sofort trat er mit den Plaenen
heraus, die ihm waehrend der letzten Jahre aufgestiegen waren. Der kuehne
Mann erklaerte sich bereit, jetzt den unvorteilhaften Vertrag mit Darmstadt
zu schliessen, weil er hoffte, dass dies Beispiel die mitteldeutschen
Nachbarn nachziehen werde; auf die niederdeutschen Staaten war ja doch
nicht zu rechnen. Es ist sehr wichtig, schrieb er dem Minister des
Auswaertigen, beide Hessen und alle saechsischen Regierungen, auch das
Koenigreich, in unser Steuersystem aufzunehmen. "Ich bin auch nicht
besorgt, dass diese einen anderen Steuerverband waehlen werden, weil ihr
Finanzinteresse nur in einer Verbindung mit uns bedeutend gewinnen und sie
drueckender Finanzsorgen entheben wird. Ich hoffe und wuensche, dass
Hessen-Darmstadt, dessen Finanzverlegenheit bekannt ist und welches hier
die richtige Medizin findet, damit den Anfang machen, und die anderen
genannten Regierungen dann bald nachfolgen werden."

Waehrend also die Berliner Behoerden unter sich berieten, setzten Bayern und
Wuerttemberg alle Hebel ein, um den Kurfuersten von Hessen fuer ihren
werdenden Verein zu gewinnen. Drangen sie durch, so schien die Verbindung
Darmstadts mit Preussen kaum raetlich. Daher sendete du Thil den Prinzen
August Wittgenstein nach Kassel, angeblich, wie er Maltzan sagte, um den
Kurfuersten zu warnen vielleicht auch, um fuer alle Faelle gedeckt zu
bleiben. Am Kasseler Hofe ueberwog der Widerwille gegen den
konstitutionellen Sueden und die Furcht vor jeder Schmaelerung der
Souveraenitaet; Bayerns Bemuehungen scheiterten.

Nun erst war das Feld frei. Der Koenig erlaubte den Beginn der
Verhandlungen und am 6. Januar 1828 erschien Staatsrat Hofmann in Berlin,
derselbe, der einst bei der Begruendung der hessischen Verfassung so
wirksam mitgeholfen hatte, ein sachkundiger Geschaeftsmann, von starkem
Ehrgeiz, keineswegs unempfindlich fuer die Vorteile, welche beim Abschluss
wichtiger Vertraege dem Unterhaendler zuzufallen pflegen. Der gewandte Mann
hatte verstanden, zugleich mit den Liberalen ein gutes Einvernehmen zu
unterhalten und sich im Vertrauen seines Fuersten zu behaupten; mit
Wangenheim in Freundschaft zu leben, ohne den Grossmaechten verdaechtig zu
werden. Die handelspolitische Verstaendigung mit Preussen war ihm seit
Jahren ein gelaeufiger Gedanke. In der diplomatischen Welt stritt man sich,
ob Hofmann in Privatangelegenheiten eines hessischen Prinzen reise, oder
den Verkauf der Kreuznacher Saline in Berlin vermitteln solle. So durch
die Hintertuer, wie der Dieb in der Nacht, ist diese folgenreiche
Entscheidung in unsere Geschichte eingetreten. Das Geheimnis war nur zu
noetig. In Darmstadt wuenschten zwar Minister Grolman(73) und Prinz Emil
aufrichtig die Verstaendigung mit Preussen; doch die oesterreichische Partei
arbeitete in der Stille, ein voreiliges Wort konnte alles verderben.

Der hessische Bevollmaechtigte beantragte nur die gegenseitige Herabsetzung
einer langen Reihe von Zoellen auf ein Zehntel der bisherigen Saetze; als
unerlaessliche Bedingung stellte er den Kernsatz jenes Heidelberger
Protokolls auf: selbstaendige Zollverwaltung fuer Darmstadt. Alsbald trat
ihm Motz entgegen mit dem Bedenken: Zollerleichterungen seien unfruchtbar,
weitlaeufig, gefaehrlich; Preussen muesse die vollstaendige Annahme seines
Zollgesetzes verlangen. Unter solchen Umstaenden mussten die Verhandlungen
entweder scheitern oder zu einem Kompromisse fuehren: zur Bildung eines
Zollvereins auf Grund des preussischen Zollgesetzes, aber mit selbstaendiger
Zollverwaltung fuer beide Teile. Ueberraschend schnell, in wenigen Tagen
wurde die Loesung gefunden, wonach die sueddeutschen Kabinette in
jahrelangen Verhandlungen getrachtet hatten. Am 11. Januar 1828 fand die
erste foermliche Konferenz im Finanzministerium statt, und hier wurde
bereits von allen Seiten anerkannt, dass nur eine vollstaendige Vereinigung
moeglich sei: Darmstadt trat in das preussische Zollsystem ein; Preussen,
laengst bereit "ueber Formalitaeten leicht hinwegzugehen", gewaehrte dem
Verbuendeten gleiches Stimmrecht bei Abaenderungen der Zollgesetze und eine
selbstaendige Zollverwaltung, die aber streng nach preussischem Muster
eingerichtet werden sollte. Mit diesem Entschlusse war alles Wesentliche
entschieden. Die naechste Konferenz vom 17. Januar behandelte nur noch
Detailfragen. Am 24. Januar berichtete Eichhorn dem Koenige: der Vertrag
verspreche allein fuer Hessen finanzielle und volkswirtschaftliche
Vorteile, fuer Preussen dagegen einen grossen politischen Gewinn, da die
kleinen Staaten auf diesem Wege dauernd an uns gefesselt werden. Am
3. Februar genehmigte der Koenig den Abschluss der Verhandlungen; in seiner
streng rechtlichen Gesinnung fuegte er ausdruecklich die Bedingung hinzu:
"die deutschen Nachbarstaaten, besonders Baden, duerfen dadurch nicht in
ihrem Interesse getraenkt werden."

So kam denn am 14. Februar 1828 jener denkwuerdige Vertrag zustande, der in
Wahrheit die Verfassung des deutschen Zollvereins feststellte. Er verhaelt
sich zu den spaeteren Zollvereinsvertraegen genau so, wie die Verfassung des
Norddeutschen Bundes zu der heutigen Reichsverfassung sich verhaelt. Durch
den Zutritt anderer, groesserer Mittelstaaten haben sich spaeterhin die
zentrifugalen Kraefte des Zollvereins erheblich verstaerkt; einzelne
Bestimmungen des Vertrags wurden im foederalistischen Sinne abgeschwaecht;
doch die Fundamente des preussisch-hessischen Vertrags blieben
unerschuettert. Darmstadt nahm die preussischen Zoelle an und gab ueberdies
die vertrauliche Zusage, dass auch die wichtigsten preussischen
Konsumtionssteuern eingefuehrt werden sollten. Der Kreis Wetzlar tritt
unter die darmstaedtischen, das hessische Hinterland unter die
westfaelischen Zollbehoerden. Preussen ernennt einen Rat bei der
Zolldirektion in Darmstadt, Hessen desgleichen bei der Steuerdirektion zu
Koeln. Beide Staaten beaufsichtigen wechselseitig ihre Hauptzollaemter durch
Kontrolleure; eine Konferenz von Bevollmaechtigten verteilt alljaehrlich die
gemeinschaftlichen Einnahmen nach Verhaeltnis der Kopfzahl. Dergestalt war
die Rechtsgleichheit der Verbuendeten, die souveraene Wuerde des
darmstaedtischen Reiches, mit peinlicher Sorgfalt gewahrt. Die milde
Kontrolle aenderte wenig an der Selbstaendigkeit der hessischen
Zollverwaltung; der Verein beruhte im Grunde nur auf gegenseitigem
Vertrauen. Nach den bisherigen Leistungen kleinstaatlicher Zollverwaltung
konnten die preussischen Geschaeftsmaenner einen solchen Vertrag nicht ohne
ernste Bedenken unterschreiben. Die hessische Regierung aber hat das gute
Zutrauen gerechtfertigt, sie liess das neue Zollwesen unter der
einsichtigen Leitung des Finanzrats Biersack fest und redlich durchfuehren.
Diese deutsche Treue, diese ehrenhafte Erfuellung der eingegangenen
Verbindlichkeiten bildet ueberhaupt das beste Verdienst, das die
Mittelstaaten um den Zollverein sich erworben haben; der Abschluss der
Vertraege selbst war nicht eine freie patriotische Tat der kleinen Hoefe,
sondern ein Ergebnis der bitteren Not.

Ebenso streng wurde die Gleichberechtigung der Verbuendeten in Sachen der
Zollgesetzgebung aufrecht erhalten. Der Artikel 4 lautete urspruenglich:
Abaenderungen der Zollgesetze sollen nur in "gegenseitigem Einvernehmen"
erfolgen, "und es sollen alle diese Veraenderungen im Grossherzogtum Hessen
im Namen S. K. H. des Grossherzogs verkuendigt werden." Diese Fassung
erregte in Darmstadt schmerzliches Aufsehen. Prinz Emil selbst eilte zu
Maltzan, stellte ihm vor: "der Grossherzog weiss, dass man in Berlin selbst
nicht wuenscht, dass die grossherzogliche Regierung in den Augen des uebrigen
Deutschlands erniedrigt werde." Eichhorn, der laengst verlernt hatte, sich
ueber die Weltanschauung deutscher Kleinfuersten zu verwundern, ging auf die
Bitte ein; er strich jene erniedrigenden Worte, ersetzte sie nachtraeglich
durch die Wendung: "und sollen von jeder der beiden Regierungen ihrerseits
verkuendigt werden". Damit war das europaeische Gleichgewicht zwischen
Preussen und Darmstadt wieder hergestellt.

So bereitwillig die preussischen Staatsmaenner in diesen laecherlichen
Formfragen nachgaben, ebenso schwer fiel ihnen der Entschluss, den Inhalt
des Artikels 4 selbst anzunehmen. Wann hatte denn jemals eine Grossmacht
ihre Zollgesetzgebung dem guten Willen eines Staates vom dritten Range
unterworfen? Es war vorauszusehen, dass dieser darmstaedtische Vertrag allen
spaeteren Zollvereinsvertraegen ebenso zum Vorbilde dienen wuerde, wie der
Sondershausener Vertrag das Muster gewesen war fuer alle nachfolgenden
Enklavenvertraege. In jenem Augenblick freilich standen die kleinen
Kabinette den Ideen des Freihandels sogar noch naeher als Preussen. Doch
konnte dem Scharfblick Motzs und Maassens nicht entgehen, dass diese
Parteistellung in einer nahen Zukunft sich gaenzlich verschieben wuerde,
sobald in Oberdeutschland eine junge Grossindustrie entstand. Der
preussischen Zollgesetzgebung drohte vielleicht Stillstand und
Verkuemmerung, wenn die Mittelstaaten ein Veto erhielten.

Alle diese staatswirtschaftlichen Bedenken mussten verstummen vor den
glaenzenden Aussichten, welche sich der nationalen Politik Preussens
eroeffneten. Darmstadt -- so berichtete Eichhorn dem Koenige -- empfaengt durch
den Vertrag erst die Moeglichkeit eines haltbaren Zollsystems. Preussen
gewinnt die wichtige Position in Mainz, verhindert den sueddeutschen
Sonderbund, in den Norden hinein vorzudringen, und darf mit Sicherheit
darauf rechnen, dass Hessens Beispiel Nachfolge finden, eine grosse
handelspolitische Vereinigung entstehen wird. Nochmals wird sodann dem
Koenig versichert, dass jede Feindseligkeit gegen deutsche Staaten vermieden
werden solle. "Die Vereinigung ist von Ew. Maj. Behoerden weder gesucht,
noch weniger durch verfuehrerische Lockungen veranlasst worden; man hat nur
Antraege und Vorschlaege, welche von der grossherzoglichen Regierung
ausgingen, entgegengenommen."

Der neue Zollverein sollte bis zum 31. Dezember 1834 dauern und dann,
sofern keine Kuendigung erfolge, auf weitere sechs Jahre verlaengert werden.
Das Recht der Kuendigung blieb {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} die einzige Waffe, um Preussen
sicherzustellen gegen den Missbrauch des gleichen Stimmrechts.
Handelsvertraege schloss Preussen allein -- denn der Zusatz "unter Mitwirkung
und Zustimmung Darmstadts" war praktisch wertlos. In allem uebrigen bestand
vollstaendige Gleichheit der Rechte.

Auch um diesen Vertrag hat sich ein zielloser Prioritaetsstreit erhoben.
Der partikularistische Neid will die Tatsache nicht zugeben, dass die
Verfassung des Zollvereins in Berlin ersonnen wurde. Man behauptet, der
preussisch-hessische Verein sei lediglich dem bayrisch-wuerttembergischen
Verein nachgebildet worden, welcher einige Wochen vorher, am 18. Januar
1828, zustande kam und ebenfalls das gleiche Stimmrecht, die selbstaendige
Zollverwaltung der Bundesgenossen anerkannte. Ein Blick auf die Tages- und
Jahreszahlen genuegt, um dies Maerchen zu widerlegen. Der Fundamentalsatz
der Zollvereinsverfassung, die Paritaet und Unabhaengigkeit der
Bundesgenossen, wurde in der Konferenz vom 11. Januar zwischen Preussen und
Darmstadt vereinbart, acht Tage bevor der bayrisch-wuerttembergische
Vertrag abgeschlossen wurde -- in einem Augenblick, da man zu Berlin den
Gang der Muenchener Verhandlungen noch nicht naeher kannte. Die neueste aus
Muenchen eingelaufene Nachricht sagte nur: noch bleibe zweifelhaft, ob der
sueddeutsche Verein gemeinsame oder getrennte Zollverwaltung haben solle,
das letztere sei allerdings wahrscheinlicher. Der Gedanke lag eben in der
Luft, er ergab sich mit Notwendigkeit aus den fruchtlosen
Zollverhandlungen der juengsten Jahre, er wurde von den norddeutschen und
von den sueddeutschen Zollverbuendeten gleichzeitig angenommen, ohne dass sie
voneinander wussten. Im Grunde ist der ganze Streit muessig. Der Entschluss,
von dem die Zukunft deutscher Handelspolitik abhing, konnte nur in Berlin
gefasst werden. Ob Bayern und Wuerttemberg einander die Paritaet zugestanden,
war gleichgueltig. Doch ob die norddeutsche Grossmacht die unerhoerte
Selbstverleugnung finden wuerde, mit einem Staate dritten Ranges sich
bescheiden auf eine Linie zu stellen -- an dieser Frage hing alles. Sobald
Preussen diesen Entschluss fasste, war dem Souveraenitaetsduenkel der kleinen
Hoefe der letzte Vorwand genommen und die Bahn gebrochen fuer Deutschlands
Handelseinheit. Dem gewissenhaften Notizensammler soll unvergessen
bleiben, dass Bayern und Wuerttemberg den "ersten" Zollverein in Deutschland
gruendeten, ihre Verhandlungen etwas frueher beendigten als Preussen und
Darmstadt. Fuer den Historiker hat die Tatsache geringen Wert. Denn der
sueddeutsche Verein erwies sich als ein verfehlter Versuch und ging bald
zugrunde; der preussisch-hessische Verein bewaehrte sich und wuchs. Aus
diesem, nicht aus jenem, ist der grosse deutsche Zollverein hervorgegangen.

Eichhorn fuehlte, dass die Dinge endlich in Fluss kamen. Voll froher
Zuversicht richtete er im Maerz an die Gesandtschaften in Deutschland eine
eingehende Instruktion. Er schildert darin den Gang der preussischen
Handelspolitik, das System des bewussten, berechneten Abwartens, das so
gute Fruechte getragen habe. Er zeigte sodann, wie mit dem Darmstaedter
Vertrage die entscheidende Wendung eingetreten sei: diese Verhandlungen
waren besonders darum nuetzlich, weil sie "die Moeglichkeit eines
gemeinschaftlichen Zollsystems fuer Staaten, die geographisch unabhaengig
sind, erwiesen. An die Stelle eines dunklen Gefuehls, welches frueherhin
eine Vereinigung in einer unbestimmten Richtung suchte, ist eine klare
Erkenntnis getreten." Man sieht heute in der Aufnahme der
staatswirtschaftlichen Grundsaetze eines anderen Staates nicht mehr eine
Verleugnung der Souveranitaet. Nichtsdestoweniger soll die Diplomatie nach
wie vor eine ruhig zuwartende Haltung behaupten. Ebenso zuversichtlich
schrieb Eichhorn an Motz: Unsere Handelspolitik hat sich bewaehrt und wird
noch groessere Erfolge erringen, wenn wir die Anfragen anderer Staaten
geduldig abwarten. Der bayrisch-wuerttembergische Verein ist lose und wird
noch lockerer werden, wenn er wider Erwarten neue Bundesgenossen finden
sollte.

In der Tat erwies sich in Hessen wie einst in den Enklaven sehr rasch der
Segen der preussischen Gesetze. Im ersten Augenblick war die Stimmung im
Lande noch geteilt. Das Starkenburger Land sah den gewohnten kleinen
Verkehr mit dem Frankfurter Markte mannigfach belaestigt, und in der Kammer
klagten nach deutschem Brauche einzelne Patrioten beweglich ueber den
"Loewenvertrag", welchen Preussens Schlauheit der hessischen Unschuld
auferlegte. Der Handelsstand in Mainz und Offenbach dagegen sprach der
Regierung seinen Dank aus, und bald regte sich ueberall im Lande ein neues
Leben. Vor kurzem noch hatte man in Berlin geplant, eine Messe in Koeln zu
errichten, die dem Mainzer und Frankfurter Verkehr das Gegengewicht halten
sollte: jetzt entstand in Offenbach ein schwunghafter Messverkehr, der
namentlich im Ledergeschaefte das reiche Frankfurt zu ueberfluegeln begann.
Die beiden Verbuendeten bauten eine grosse Strasse von Paderborn ueber
Biedenkopf nach Giessen und weiter suedwaerts, so dass ein fast zollfreier
Strassenzug den Neckar mit der Ostsee verband. Nach zwei Jahren war die
handelspolitische Opposition in den Kammern fast voellig verstummt. Graf
Lehrbach, der den Minister wegen Landesverrats verklagen wollte, stand
vereinsamt; der Abgeordnete Schenk aber dankte der Regierung und schloss
gemuetlich: Das einzige Mittel gegen den Wunsch nach politischer Einheit
ist die Zolleinigung! Mit Selbstgefuehl verwies Hofmann auf die guenstigen
Rechnungsabschluesse und sagte "mit voller Zuversicht dieser auf
gegenseitige Vorteile gegruendeten Verbuendung Bestand und Dauer voraus: so
werden Sie hoffentlich bald dasjenige verwirklicht sehen, was noch vor
wenigen Jahren zwar Gegenstand Ihrer angelegentlichsten Wuensche war, aber
nach so vielen vergeblichen Verhandlungen kaum in dem Reiche der
Moeglichkeit zu liegen schien." Auch in Preussen hielten die Klagen der
Geschaeftswelt, die sich anfangs laut genug erhoben, nicht lange vor.
Unterdessen hatte der Koenig sein gesamtes thueringisches Gebiet in die
Zollinie aufgenommen; die Lage der ernestinischen Fuerstentuemer ward fast
unertraeglich. Es schien undenkbar, dass Kurhessen und Thueringen, also von
allen Seiten umklammert, ihren toerichten Widerstand fortsetzen sollten.

Und doch sollte das Undenkbare geschehen. Auf das erste Geruecht hin
versuchten allerdings einige Kleinstaaten, sich den Verbuendeten zu naehern
-- lediglich in der Absicht, den Inhalt des Vertrages, der noch streng
geheim gehalten wurde, zu erfahren. Praesident Krafft in Meiningen schrieb
an Hofmann, bat um Aufklaerung, deutete gewichtig an, dass Meiningen
vielleicht dem hessischen Beispiel folgen werde, wenn man nur die
Machtstellung dieses Reiches nach Gebuehr wuerdige: "Die Lage des Landes
Meiningen laesst seinen Wert den geographischen Umfang desselben
ueberschreiten, indem mehrere der frequentesten Landstrassen die
Handelsplaetze an den Kuesten der Nordsee mit einem bedeutenden Teile des
suedlichen Deutschlands, der Schweiz und Italiens verbinden, und Preussen,
Bayern und Kurhessen zu seinen wichtigeren Grenznachbarn gehoeren." Die
Meininger Welthandelsstrassen boten unleugbar auf der Landkarte einen sehr
stattlichen Anblick; gebaut waren sie freilich noch nicht, auch besass das
Laendchen durchaus nicht die Mittel, sie jemals zu bauen. Motz, dem die
Naturgeschichte des deutschen Kleinstaats einen unerschoepflichen Quell der
Ergoetzung bot, sendete das Meininger Schreiben an Hofmann zurueck und
versicherte, die geographische Bedeutung des Herzogtums sei ihm ganz neu;
dann schloss er wehmuetig: "es ist betruebt, wenn solche ueberspannte Diener
dazu beitragen, dass dem Souveraenitaetsduenkel ihrer Fuersten auch noch ein
Strassenduenkel hinzugefuegt wird." Der Vorfall blieb dem klugen Manne
unvergessen; der Meininger Strassenduenkel sollte zur rechten Stunde noch
eine Rolle spielen in der deutschen Geschichte. Noch durchsichtiger war
ein diplomatisches Kunststueck der freien Stadt Frankfurt. Der alte
Rothschild erschien bei Otterstedt, um verbindlich anzufragen, ob nicht
auch Frankfurt mit Preussen einen aehnlichen Vertrag schliessen koenne. Nun
wusste alle Welt, dass die Handelspolitik dieser Republik lediglich in einer
systematischen Pflege des Schmuggels bestand. Der Fuehler hatte also nur
den Zweck, den Senat ueber die Bedingungen des preussisch-hessischen
Vertrages zu unterrichten, damit die Frankfurter Schmuggler sich darauf
einrichten konnten. Selbstverstaendlich wurde der diplomatische Boersenfuerst
mit einigen allgemeinen Redensarten heimgeschickt.

Unter den deutschen Hoefen war nur einer, der den preussisch-hessischen
Verein mit Freude begruesste: der badische Hof. Allein durch Preussens
Beistand konnte Grossherzog Ludwig hoffen, seine Pfalz gegen Bayern zu
behaupten; daher schrieb er an Blittersdorff: "ich freue mich, einen
Einfluss vermehrt zu sehen, dem ich, besonders im gegenwaertigen Augenblick,
soviel verdanke". Zugleich hoffte man in Karlsruhe die Absichten der
badischen Handelspolitik nunmehr in Sueddeutschland durchzusetzen, denn
seit Darmstadt zu Preussen uebergetreten, bildete Baden allein die fuer
Bayern unentbehrliche Verbindung zwischen Franken und der Pfalz.

Alle anderen Hoefe vernahmen die erste unsichere Kunde aus Berlin mit
unbeschreiblichem Schrecken; die Nachricht fiel wie eine Bombe in die
diplomatische Welt. Selbst Blittersdorff, der doch die entgegengesetzten
Ansichten seines Souveraens kannte, enthielt sich nicht zu jammern ueber
"dies Unglueck, diesen neuen Beweis preussischer Selbstsucht": es sei ja
klar, Preussen wolle nur den hessischen Markt fuer seine Fabrikate
ausbeuten, und glaube selber nicht an die Dauer der Verbindung. Was der
Heisssporn also herauspolterte, war nur der Widerhall der erregten Reden
der oesterreichischen Partei am Bundestage. Muench(74) und Langenau(75)
versicherten entruestet: jetzt endlich sei Preussens masslose Herrschsucht
entlarvt. Vor kurzem noch hatten sie auf den preussischen Hochmut
gescholten, der jede Verstaendigung mit den Nachbarn abweise. Am lautesten
laermte Marschall ueber diesen "Unterwerfungsvertrag", den er ebensowenig
gelesen hatte wie die anderen aus der oesterreichischen Sippe. Er traf
sogleich Anstalten zur Beguenstigung des Schmuggels in Bieberich und den
anderen Rheinhaefen. Der Gedanke, dass Nassau jetzt wie Anhalt zur
preussischen Enklave werden solle, war seinem Nationalstolze schrecklich.
Dann liess er durch die getreue Oberpostamtszeitung die Luege verbreiten,
Preussen habe auch Nassau zum Beitritt eingeladen, sei aber stolz
zurueckgewiesen worden. Der untertaenige Landtag stimmte der Ansicht des
Ministers zu, als dieser erklaerte: eine Erhoehung der Staatseinnahmen sei
ueberfluessig; fuer Nassaus europaeische Politik wie fuer seine Volkswirtschaft
koenne der Anschluss an Preussen nur gefaehrlich werden.

Dass Muench und Langenau nicht ohne geheime Weisungen handelten, liess sich
leicht erraten. Zum Ueberfluss sprach Fuerst Metternich selbst seine
Bestuerzung in sauersuessen Worten aus. Der preussische Gesandte teilte dem
oesterreichischen Staatskanzler eine Denkschrift mit, die sich ausfuehrlich
ueber Preussens bisherige Handelspolitik verbreitete. Darauf erwiderte der
Fuerst: "Der Darmstaedter Vertrag hat grosses Aufsehen erregt, wie ja alles
in Deutschland missdeutet wird. Doch ist uns lieb, dass Preussen sich so
offen ausspricht; mit der Denkschrift bin ich im wesentlichen
einverstanden. Bayern hat uns kuerzlich aufgefordert, den
preussisch-hessischen Vertrag zu hintertreiben. Wir lehnten ab, da solche
Vertraege eine Konsequenz der Souveraenitaet sind. Ich kann aber nicht
verhehlen, dass, sobald dergleichen Verbindungen aufhoeren, bloss aus dem
administrativen Gesichtspunkt betrachtet zu werden und ihnen eine
politische Tendenz zugrunde gelegt wird, die Grundgesetze des Bundes ihnen
entgegenstehen." Darauf empfahl er dem preussischen Hofe abermals, wie
einst auf dem Aachener Kongress, die Vorzuege der k. k. Provinzialmauten:
wenn man in Preussen Provinzialzoelle einfuehrte, so wuerde man der laestigen
Zollvertraege nicht beduerfen! Mit Entzuecken vernahm Motz diese
Orakelsprueche und schrieb an Eichhorn: "Von den Finanzansichten des
Fuersten v. Metternich werden wir wohl keinen Gebrauch machen koennen.
Dagegen wollen wir nicht bestreiten, dass es in vieler Beziehung fuer uns
ohne Nachteil sein wird, wenn er fuer Oesterreich bei seinen erleuchteten
Ansichten beharrt." Zudem wusste Eichhorn, wie eifrig der k. k. Gesandte in
Darmstadt der Ratifikation des Vertrages entgegengewirkt hatte; noch im
Februar war Otterstedt von Karlsruhe hinuebergeeilt, um dem
oesterreichischen Einfluss die Wage zu halten.

Auch jenes deutsche Kabinett, das damals dem Berliner Hofe am naechsten
stand, auch Hannover, ueberraschte durch auffaellige Ungezogenheit. Der
Koenig wollte nicht, dass das befreundete Nachbarland aus dem neuen Verein
Besorgnis schoepfe. Er befahl daher eine Ausnahme zu machen von der Regel,
wonach Preussen sich aller handelspolitischen Anerbietungen enthalten
sollte, und liess in Hannover einige neue Strassenzuege und bedeutende
Zollerleichterungen vorschlagen, da nach den Grundsaetzen der hannoverschen
Politik ein wirklicher Zollverein doch nicht zu erwarten stand. Aber diese
Eroeffnungen blieben unerwidert. Das war mehr als Verstimmung; das deutete
auf feindselige Plaene, die im Dunkeln sich vorbereiteten.

Die oeffentliche Meinung zeigte sich, wie immer in der Geschichte des
Zollvereins, noch verblendeter als die Kabinette, und die Hofburg
verstand, trotz ihres Hasses gegen den Liberalismus, den liberalen
Unverstand vortrefflich auszubeuten. In Frankfurt arbeitete unter Muenchs
Augen eine k. k. Korrespondenzenfabrik: mit merkwuerdiger Uebereinstimmung
erzaehlten der Nuernbergische Korrespondent, die Elberfelder Zeitung, das
Frankfurter Journal von unseligen Darmstaedter Industriellen, die Haus und
Hof verliessen, um den preussischen Zoellen zu entgehen. Die Augsburger
Allgemeine Zeitung liess sich aus Darmstadt schreiben: man muss heute
einundzwanzigmal preussisch reden, ehe man einmal hessisch reden darf; das
unglueckliche Land traegt zweifache Lasten, die neuen Mauten und die alten,
da ja fuer Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben werden. Auch
unabhaengige Blaetter, wie der Altonaer Merkur und die Neue Mainzer Zeitung,
erzaehlten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle zum Pferde sagte: tritt mich
nicht, ich will dich auch nicht treten!

Die preussische Regierung konnte sich in den Kuensten des literarischen
Minenkriegs niemals mit Oesterreich messen; sie begnuegte sich, den
oesterreichischen Tendenzluegen lehrhafte Berichtigungen in der
Staatszeitung entgegenzustellen; das unglueckliche Blatt krankte aber an
der Erbsuende aller offizioesen Blaetter, der Trockenheit. Auf allgemeine
Zustimmung konnte in diesem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung
rechnen. Nicht bloss unter den Industriellen zitterten viele vor der
drohenden Vermehrung der Konkurrenz. Auch eine Schule innerhalb des
Beamtentums, Schoen mit seinen ostpreussischen Freunden, schalt auf diese
Bummler in Berlin, die daheim nicht Ruhe faenden und auswaerts unnuetze
Haendel anzettelten.

Am gefaehrlichsten unter allen Kraeften des Widerstandes erschien vorderhand
die feindselige Haltung des Muenchener Hofes. Im Oktober 1827 waren in
Muenchen die Verhandlungen zwischen den beiden sueddeutschen Koenigskronen
wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollenburg(76) und Armansperg(77)
betrieben beide das Geschaeft mit feurigem Eifer. So kam am 18. Januar 1828
jener erste deutsche Zollverein zustande. Es erfuellte sich, was in Berlin
so oft vorausgesagt worden: Tarif und Verwaltungsordnung des neuen Vereins
kamen den Grundsaetzen der preussischen Zollgesetzgebung sehr nahe, weil
sich den sueddeutschen Kronen dieselben Fragen aufdraengten, welche Preussen
schon durch das Gesetz von 1818 geloest hatte. Die Zoelle auf Fabrikwaren
standen niedriger als in Preussen, die auf Kolonialwaren etwas hoeher: vom
Kaffee erhob Preussen 6 Tlr. 20 Sgr. fuer den Zentner, Bayern-Wuerttemberg
15 Gulden fuer den um etwa 9 Prozent schwereren bayrischen Zentner. Im
uebrigen fast dieselben Regeln wie im preussisch-hessischen Verein:
getrennte Zollverwaltung unter gegenseitiger Kontrolle, Verteilung der
Einkuenfte nach der Kopfzahl, Grenzzoelle und Packhoefe.

Indes die verstaendige Verfassung konnte den Grundschaden dieses Bundes
nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraussagte, nicht
lebensfaehig. Wohl stiegen die Zolleinnahmen Wuerttembergs im ersten Jahre
um 220000 Gulden; der kleinere Bundesgenosse zog selbstverstaendlich den
groesseren Vorteil aus der Erweiterung des Marktgebiets. Doch betrugen die
Zolleinnahmen nur 91/2 Sgr. auf den Kopf der Bevoelkerung, waehrend Preussen
das Zweiundeinhalbfache, 24 Sgr., einnahm. Die Kosten der Zollverwaltung
verschlangen mindestens 44 Prozent der Einkuenfte; in Bayern war der
Rohertrag fuer das Rechnungsjahr 1828-1829: 2,842 Millionen Gulden, der
Reinertrag nur 1,582 Millionen Gulden. Die geringen Zoelle genuegten nicht,
die heimische Industrie wirksam zu schuetzen, und doch blieb jede Erhoehung
unmoeglich, wenn nicht der gesamte Reingewinn den Staatskassen verloren
gehen sollte. Am klaeglichsten befand sich die bayrische Pfalz. Die
entlegene Provinz sollte vor der Hand ausserhalb der Mautlinien bleiben und
ihre eigenen Erzeugnisse zollfrei in das Vereinsland einfuehren, was denn
sofort franzoesische, badische, rheinpreussische, hessische Fabrikanten zu
grossartigem Schmuggel veranlasste. Gewichtige Stimmen in der Pfalz
forderten laut den Anschluss an Preussen; einer der ersten Industriellen der
Provinz, Geh Rat. Camuzzi, schrieb in diesem Sinne an die Allgemeine
Zeitung, ward aber von der Firma Cotta abgewiesen.

Koenig Ludwig wollte die Gebrechen des Vereins lange nicht bemerken. Wie
war er stolz auf seiner Haende Werk, den ersten deutschen Zollverein; wie
schwelgte er in erhabenen Traeumen von historischer Unsterblichkeit. Er
wollte fortleben im Munde spaeter Geschlechter als der Vollender der *fossa
Carolina*, jenes Kanales zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer, den
Karl der Grosse ersonnen, doch nicht ausgefuehrt hatte, und beschaeftigte
sich auch mit grossen Eisenbahnplaenen, seit Franz Baader(78) im
Nymphenburger Park einen Dampfwagen fahren liess. "Jetzt sind die
Zollsysteme der beiden Grossmaechte nicht mehr furchtbar" -- hiess es bei
Hofe. Schon war ein Unterhaendler nach Zuerich gesendet, um die Schweiz zum
Eintritt in den sueddeutschen Verein oder doch zu einem Handelsvertrage zu
bewegen. Niemals hatte Bayerns Gestirn glaenzender geleuchtet als im Januar
1828; niemals zuvor hatte der Koenig eine so stolze Sprache gegen den
Bundestag gefuehrt. "Die antisozialen, antifoederalistischen Tendenzen der
bayrischen Politik" traten, wie Blittersdorff klagte, dem
Praesidialgesandten schroff entgegen. Sofort nach der Unterzeichnung des
sueddeutschen Zollvertrages ging Freiherr v. Zu Rhein nach Darmstadt, um
das Grossherzogtum zum Beitritt einzuladen und ihm die Paritaet, welche ihm
die beiden Koenigreiche bisher verweigert hatten, bedingungslos
zuzugestehen. War Hessen gewonnen, so musste das widerhaarige Baden auf
Gnade oder Ungnade sich ergeben.

Mitten in diese holden Traeume fiel niederschmetternd die Kunde von dem
preussisch-hessischen Vertrag. Durch diesen Verein, das sprang in die
Augen, verlor der sueddeutsche Verein sofort Sinn und Bedeutung. Koenig
Ludwig sah seine teuersten Hoffnungen zerstoert, blieb mehrere Wochen
hindurch voellig fassungslos. "Nunmehr hab' ich alle Schritte getan, um
meine armen Untertanen zu retten!" sagte er verzweifelnd zu
Schmitz-Grollenburg. In groben Schimpfworten entlud sich sein Groll; er
schalt laut auf den Verraeter Hofmann, erzaehlte an offener Tafel, Preussen
habe den Prinzen Emil von Hessen mit 400000 Gulden bestochen. In seinem
Zorne vergass er auch wieder seinen "teutschen" Stolz. Solange diese
kleinen Hoefe noch europaeische Politik treiben durften, waren auch
patriotische Fuersten nicht vor argen Verirrungen sicher. Wie Ludwig einst
als Kronprinz, trotz seines Abscheus gegen Napoleon, mehrmals untertaenige
Briefe an den Schoepfer der bayrischen Koenigskrone gerichtet und sogar die
Hoffnung ausgesprochen hatte, sein Sohn Max werde dereinst dem Koenig von
Rom(79) seine Anhaenglichkeit widmen, so hatte er neuerdings um Sponheims
willen die Hilfe Russlands angerufen und wendete sich jetzt wieder an das
gehasste Frankreich. Den Winter ueber hatte der Herzog von Dalberg(80) in
Muenchen sein Wesen getrieben; nun fanden seine Einfluesterungen Gehoer.
Koenig Ludwig warnte den franzoesischen Hof vor dem Ehrgeiz Preussens, das
bereits in Sueddeutschland sich festzusetzen suche. Im selben Sinne
bearbeitete Lerchenfeld zu Frankfurt den alten Reinhard(81). Alsbald
befahl Minister La Ferronays dem Geschaeftstraeger in Muenchen ruehrige
Wachsamkeit gegen die von Preussen her drohende Gefahr; er stellte zugleich
einige Handelserleichterungen in Aussicht zugunsten der *troisieme
Allemagne*.(82)

Da Koenig Ludwig schon nach wenigen Monaten von seinen leidenschaftlichen
Verirrungen zurueckkam, so wurden diese haesslichen Zettelungen mit dem
Auslande nachher ganz in Abrede gestellt. Der Hergang ist gleichwohl
verbuergt durch die uebereinstimmenden Zeugnisse von Freund und Feind. Nicht
allein der preussische Gesandte Kuester berichtete darueber ausfuehrlich
seinem Hofe; der badische Gesandte Fahnenberg meldete ganz dasselbe nach
Karlsruhe. Der oesterreichische Gesandte Graf Spiegel warf dem bayrischen
Minister des Auswaertigen die Anklage ins Gesicht, dass er Frankreich in die
deutsche Handelspolitik hineinzuziehen suche. Ueber Lerchenfelds Verhalten
berichtete Blittersdorff, der ja selber sehr geneigt war, jedes Mittel zu
gebrauchen zur Vernichtung des preussisch-hessischen Vereins. Die
Schwenkung der bayrischen Politik nach Frankreich hinueber war bald eine
der gesamten diplomatischen Welt bekannte Tatsache.

Koenig Ludwig ueberliess sich eine Zeitlang blindlings dem stuermischen
Unwillen der verletzten Eitelkeit. Sein Kabinettsrat Grandauer uebte
schlechten Einfluss; auch Freiherr v. d. Tann traeumte bayrische
Grossmachtstraeume. Nur der alte welterfahrene Minister Zentner sah die
Dinge ruhiger an. Selbst Koenig Wilhelm von Wuerttemberg blieb nuechtern und
gleichmuetig. Sein Geschaeftsverstand war doch staerker als sein Groll gegen
Preussen; auch mochten ihm die bitteren Erfahrungen der Tage von Verona
noch unvergessen sein. In einem Gespraeche mit du Thil verbarg er zwar
seine Enttaeuschung nicht, gestand aber zu: "frueher oder spaeter werden wir
noch gezwungen sein, Euerem Beispiele zu folgen". Im selben Sinne erklaerte
sein Minister Beroldingen dem preussischen Gesandten, "dass Wuerttemberg in
die deutsch-patriotischen Gesinnungen der preussischen Regierung niemals
auch nur den geringsten Zweifel gesetzt hat und die bestehenden besonderen
Vereine zugleich als Mittel betrachtet, zu dereinstiger Erreichung des
gemeinschaftlichen Zweckes in einer allgemeinen Ausdehnung den Weg zu
bahnen."

Wie der preussische Staat alles, was er fuer die Macht und Einheit unseres
Vaterlandes tat, erkaempfen musste gegen den Widerstand des Auslandes, so
ward auch der preussisch-hessische Bund sofort von den Raenken der fremden
Maechte umsponnen. Im Verein mit Frankreich versuchte Holland Unfrieden zu
saeen zwischen Sued und Nord. Der Minister Verstolck van Soelen machte den
wuerttembergischen Geschaeftstraeger aufmerksam auf die Gefahren, welche der
deutschen Handelsfreiheit und der Unabhaengigkeit der Kleinstaaten drohten.
Der Wuerttemberger, ein verstaendiger Mann, der seinem preussischen Kollegen,
dem Grafen Truchsess-Waldburg, alles mitteilte, antwortete treffend: die
Zoelle der fremden Maechte, und nicht zuletzt Hollands, zwingen uns
Deutsche, uns zu einigen und neue Handelswege zu suchen -- worauf Verstolck
heilig versicherte: die Herabsetzung der niederlaendischen Zoelle stehe nahe
bevor; fuer jetzt aber duerfe man nur an den Widerstand gegen den
gemeinsamen Feind, gegen Preussen denken. Eichhorn, der die hollaendischen
Kaufherren aus den endlosen Rheinschiffahrtsverhandlungen genugsam kannte,
schrieb an den Rand der Depesche: Die Niederlande verfolgen gar keinen
positiven Zweck, sie wollen nur die weitere Einigung Deutschlands in
Zollsachen verhindern. In der Tat lud der niederlaendische Geschaeftstraeger
Mollerus den Muenchener Hof ein, fuer den sueddeutschen Verein einen
Handelsvertrag mit Holland abzuschliessen, und beteuerte zugleich die gute
Absicht seines Hofes, sich mit den oberlaendischen Staaten ueber Preussen
hinweg wegen der Rheinzoelle zu verstaendigen. Bestimmte, greifbare
Vorschlaege uebergab er nicht; die Absicht war lediglich, Bayern und
Wuerttemberg von Preussen fernzuhalten. Auch England bezeigte seine
Unzufriedenheit. Der Praesident des Handelsamts, Charles Grant, beschwerte
sich bei dem preussischen Gesandten Buelow heftig ueber die hohen Zoelle des
preussisch-hessischen Vereins und erhielt die kuehle Antwort: der Verein
habe an den preussischen Zoellen gar nichts geaendert; doch wisse jedermann,
dass Preussen freieren handelspolitischen Grundsaetzen huldige als England.

Mit diesen Raenken des Auslandes, die bald einen sehr bedrohlichen
Charakter annahmen, verkettete sich der unselige Sponheimer Handel. Koenig
Ludwig war, da er sich allerdings auf Oesterreichs unerfuellte
Versprechungen berufen konnte, von seinem Rechte auf den Heimfall der
Pfalz tief ueberzeugt und fuehlte sich schwer beleidigt, als Preussen seinen
Anspruechen entgegentrat. Der preussische Gesandte merkte dem Koenig bald an,
dass er etwas auf dem Herzen habe. Da trafen sich die beiden eines Tages
auf der Strasse. Der Koenig trat auf den Diplomaten zu, ging eine Strecke
Weges mit ihm und schuettete seinen Zorn aus: "Ich kann nicht genug sagen,
wie tief es mich geschmerzt, dass gerade Preussen in der badischen Sache
sich voran und mir gegenuebergestellt hat. Anders kann ich das Memoire
nicht bezeichnen, womit Preussen, ohne mich zu hoeren, die Initiative gegen
mich bei den uebrigen Hoefen ergriffen hat. Bernstorff denkt immer noch an
das alte Bayern; es ist aber heute ein neues Bayern, ein neuer Koenig.
Preussen hat nie einen groesseren Enthusiasten gehabt als mich. Um so mehr
hat mich's gekraenkt, dass man sich aus meiner Freundschaft gar nichts
macht. Will man mich denn nur zum Gegner haben?" Der Koenig ereiferte sich,
erhob die Stimme, die Voruebergehenden blieben stehen und horchten auf. Der
Gesandte konnte sich dem schwerhoerigen Fuersten nicht verstaendlich machen,
geriet in peinliche Verlegenheit, gab seinem Hofe den Rat, man moege den
Erzuernten beschwichtigen. Augenblicklich liess sich wenig tun, da Koenig
Friedrich Wilhelm das gute Recht Badens schlechterdings nicht preisgeben
wollte. Fuer die Zukunft war noch nichts verloren. Der heissbluetige
Wittelsbacher blieb auch als Gegner offen und ehrlich; sobald sein Zorn
verrauchte, konnte man vielleicht wieder anknuepfen, da ihm Deutschlands
Handelseinheit wirklich am Herzen lag. Vorderhand freilich wirkte der
Muenchener Hof dem preussisch-hessischen Verein offen entgegen; er
versuchte, durch unentgeltlichen Vorspann und aehnliche kleine Mittel den
Verkehr von Giessen und Vilbel auf die Linie Hersfeld-Fulda
hinueberzulocken, verlangte von dem Hause Thurn und Taxis, dass die
Frankfurt-Aschaffenburger Post ueber Hanau, nicht mehr durch das
darmstaedtische Gebiet gefuehrt werde usw.

Der entscheidende Kampf entspann sich am Kasseler Hofe; noch einmal wurde
die kurhessische Handelspolitik verhaengnisvoll fuer das ganze Deutschland.
Der Grossherzog von Hessen hatte die Berliner Verhandlungen nur gutgeheissen
in der bestimmten Erwartung, dass der Kasseler Vetter seinem Beispiel
folgen wuerde. Deshalb blieb der preussisch-hessische Vertrag bis zum Mai
geheim; denn niemals haette der Stolz des Kasseler Despoten sich
entschlossen, einem bereits veroeffentlichen Vertrage nachtraeglich
beizutreten und also vor der Welt zuzugestehen, dass das minder maechtige
Darmstadt ihm vorangegangen sei. Hofmann ging noch im Februar, auf der
Rueckreise von Berlin, nach Kassel und meinte die Lage ziemlich guenstig zu
finden. Freiherr v. Meysenbug und andere hohe Beamte, mit denen er
vertraulich sprach, gaben ihm bereitwillig zu, dass Kurhessen nach
Darmstadts Beitritt nicht mehr zoegern duerfe: nur der Anschluss an Preussen
koenne die zerruettete Volkswirtschaft retten. Gleichwohl war Hofmann im
Irrtum; schon nach 24 Stunden musste er unverrichteter Sache abziehen. "An
diesem Hofe, schrieb du Thil, sind rationelle Berechnungen nicht
statthaft." Hinter und ueber den Beamten trieb die Reichenbach [Die
Geliebte des Kurfuersten.] ihr Wesen, die noch immer auf eine
oesterreichische Fuerstenkrone hoffte.

Auf solchem Boden war den armseligen Kuensten der kleinen Hoefe die Staette
bereitet. Ein Heerlager von amtlichen und geheimen Unterhaendlern stroemte
im Fruehjahr 1828 zu Kassel zusammen, um den Kurfuersten von Preussen
fernzuhalten. Aus Bayern erschienen die Geheimen Raete Oberkamp und
Siebein, der erstere wohlgeschult in dem Raenkespiel der Eschenheimer
Gasse; auch seinen Freund v. d. Tann schickte Koenig Ludwig hinueber. Fuer
Wuerttemberg arbeitete der alte Agitator Miller von Immenstadt, jetzt
wuerttembergischer Steuerrat. Aus Sachsen kam Freiherr v. Luetzerode, aus
Hannover Kammerrat Lueder, auch Koburg und Meiningen sendeten Unterhaendler.
Dann erschien "zum allgemeinen Schrecken" Praesident v. Porbeck aus
Arnsberg, um dem Berliner Kabinett ueber das verworrene Treiben zu
berichten. Die Darmstaedter Regierung erneuerte im Maerz ihren Versuch und
sendete den Prinzen Wittgenstein, um dem Kurfuersten mitzuteilen: Preussen
habe eingewilligt, dass der Zutritt Kurhessens zu dem Vertrage vorbehalten
bleibe und Darmstadt den Antrag stelle; der Grossherzog erlaube sich daher
anzufragen, ob der Kurfuerst die Absendung eines Bevollmaechtigten
genehmige. Am 12. Maerz sprach der Kurfuerst dem Prinzen seinen
verbindlichen Dank aus. Doch schon nach drei Tagen schlug der Wind um. Sei
es, dass Wittgenstein allzu zuversichtlich aufgetreten war, sei es, dass
Oberkamp und die Reichenbach dem Kurfuersten die Schmach einer Unterwerfung
unter Preussens Befehle geschildert hatten -- genug, am 15. Maerz liess der
Finanzminister Schminke ein Schreiben an du Thil abgehen, in jener Tonart,
die nur in Kassel oder Koethen moeglich war: "S. K. Hoheit koennen nicht ohne
grosse Empfindlichkeit wahrnehmen, dass in einem Allerhoechstdemselben und
Allerhoechstdero Kurstaate durchaus fremden Vertrage von seiten des
grossherzoglichen Hofes Stipulationen in Beziehung auf das Kurfuerstentum
eingegangen sind und eine Initiative ergriffen worden ist, welche das
Kurhaus in Ansehung des grossherzoglichen Hauses sich nicht einmal
gestattet hat. Allerhoechstdieselben sind nicht davon ueberzeugt, dass es dem
Interesse des Kurstaats entsprechend sei, einer solchen Uebereinkunft das
bisherige System aufzuopfern." Die groebsten Wendungen hatte der Kurfuerst
eigenhaendig in das Schreiben hineingebracht. Bei einer neuen Audienz
donnerte er Wittgenstein an: "Ich bin Chef des hessischen Hauses;
Anmassungen, wie der Grossherzog sie sich erlaubt hat, werde ich nicht
dulden; ich kann die Bitte des Grossherzogs nicht gewaehren." Auch
Wittgensteins Sendung war gescheitert.

Eichhorn ahnte, dass die sueddeutschen Kronen die Haende im Spiele gehabt,
empfahl dem Bundestagsgesandten Nagler und allen Gesandten im Oberlande
scharfe Aufmerksamkeit auf die Handelspolitik der kleinen Hoefe. Zwei
Tendenzen, schrieb er, wirken uns in Kassel entgegen. Der
bayrisch-wuerttembergische Verein sucht Kurhessen fuer sich zu gewinnen; er
krankt an verkehrten politischen Nebengedanken und ruht auf dem falschen
Grundsatze, dass die Binnenstaaten von den Kuestenlaendern sich unabhaengig
machen sollen; "mit jeder Ausdehnung verliert das System selbst an innerem
Halt und Zusammenhang". Gefaehrlicher scheint der von einigen thueringischen
Staaten gehegte Plan, unter Kurhessens Fuehrung einen
hessisch-thueringischen Zollverein zu bilden, der nach Belieben mit Preussen
oder mit dem Sueden verhandeln koennte -- eine Traeumerei, "so einladend fuer
den Stolz des Kurfuersten, dass er kaum widerstehen wird."

Nach Wittgensteins Abreise meinten die bayrisch-wuerttembergischen
Unterhaendler ihr Spiel gewonnen. Bayern versprach dem Kurfuersten, seine
bisherigen Zolleinnahmen zu verbuergen, wenn er dem sueddeutschen Verein
beitrete. Der Kurfuerst, als ein geriebener Handelsmann, holte sofort eine
alte Schuldforderung an das fuerstliche Haus Oettingen hervor, welche einst
Napoleon fuer Bayern eingezogen hatte; auch diese Sache zu bereinigen war
Bayern erboetig. Schon bereiste Oberkamp mit einem kurhessischen
Finanzbeamten die bayrischen Grenzen, um diesem die Einrichtung der Mauten
zu zeigen. Da griff eine gewandtere Hand ein und betrog die sueddeutschen
Hoefe um den Sieg.

Dass Oesterreich die Erweiterung des preussisch-hessischen Vereins ungern
sah, war allbekannt. Wenn der oesterreichische Geschaeftstraeger in Kassel
dem Prinzen Wittgenstein zuvorkommend seine Instruktionen zeigte und dort
zu lesen stand, er solle seinen preussischen Kollegen ueberall getreulich
unterstuetzen, so wusste man in Berlin laengst, was von solchen k. k.
Scherzen zu halten sei. Aber auch der Zollverein der konstitutionellen
Suedstaaten erschien zu Wien hoch gefaehrlich. Sobald das diplomatische
Getriebe in Kassel begann, wurde Freiherr v. Hruby, einer der eifrigsten
und gefaehrlichsten Feinde Preussens, so recht ein Vertreter des alten
ferdinandeischen Hochmuts, von Karlsruhe abberufen, in Hannover und Kassel
als Gesandter beglaubigt. Ihm gelang es, den Kurfuersten zu ueberzeugen, dass
auch der Anschluss an Bayern die kurhessische Nationalehre gefaehrde; "die
bayrischen Mautritter", wie der Kurfuerst hoehnte, empfingen im Mai
abschlaegige Antwort. Und bald erfuellte sich, was ein feiner Kenner der
hessischen Dinge dem preussischen Gesandten Haenlein vorausgesagt hatte:
"Kurhessen wird seine ergiebigen Transitzoelle zu behalten suchen und am
liebsten gar nichts an dem Bestehenden aendern. Nur wenn keine
Verstaendigung mit der Kurfuerstin zustande kommt, wird unser Staat, welcher
bekanntlich nur aus einer Person besteht, sich aus Aerger vielleicht auf
die Seite der Gegner Preussens schlagen."

Dahin war es wirklich gekommen, dass die Zukunft der deutschen
Handelspolitik zunaechst von dem ehelichen Frieden des kurhessischen Hauses
abhing. Um den Kurfuersten mit seiner Gemahlin zu versoehnen und dann den
besaenftigten Despoten fuer den Zollverein zu gewinnen, sendete Koenig
Friedrich Wilhelm den General Natzmer(83) nach Kassel. Motz gab dem
Unterhaendler eine Weisung mit, deren friderizianischer Ton von der matten
Diplomatensprache jener Zeit gar seltsam abstach. Es war, als haette der
tapfere Hesse schon das Jahr 1866 vorausgesehen. Er bemerkt zunaechst, die
Verbindung mit Preussen liege im eigenen Interesse Kurhessens; mit 600000
Koepfen koenne man kein eigenes Zollsystem bilden. Der Anschluss an den
finanziell unfruchtbaren bayrisch-wuerttembergischen Verein sei fuer Hessen
unnatuerlich. Dagegen bringt der Anschluss an Preussen: eine bedeutende
Einnahme von 20-24  Sgr. auf den Kopf; sodann einen grossen Markt von
13 Millionen Einwohnern -- denn nicht Verbote, sondern die Freiheit eines
grossen inneren Marktes foerdern die Industrie, wie Preussens Beispiel zeigt
-- endlich den Besitz der grossen Handelsstrassen. Schliesst Kurhessen sich
nicht an, so muss Preussen eine Strasse durch Hannover suchen und den Bremer
Verkehr nach Sueddeutschland von Minden aus zum Rhein leiten. Manche Hoefe,
und namentlich Minister Marschall in Wiesbaden, behaupten zwar, ein
Zollverein sei eine Verletzung der Souveraenitaet. Aber der Grossherzog von
Hessen ist souveraen geblieben, der Vertrag gewaehrt beiden Teilen gleiche
Rechte. "In die neueren Ideen von Souveraenitaet ist ueberhaupt viel
Schwindel gekommen. Ich frage besonders: ist Kurhessen souveraener in einem
auf gleiche Souveraenitaet basierten Vertrage mit seinem maechtigsten
unmittelbaren Nachbarn, oder ist es souveraener ohne solche Verbindung, in
einer unfreundlichen Stellung diesem maechtigsten unmittelbaren Nachbarn
gegenueber? Es gibt Verhaeltnisse, moegen sie auch noch in der Zukunft
liegen, in welchem Preussen ein feindlich gesinnter Nachbar nuetzlicher sein
kann als ein durch feste Vertraege verbundener." Die furchtbare Offenheit
dieser Sprache war nicht geeignet, den Kurfuersten zu gewinnen. Natzmer
wurde mit ungeschliffener Grobheit heimgeschickt, und auch Leopold Kuehne,
der zur Unterstuetzung des Generals nach Kassel und nebenbei nach
Braunschweig ging, richtete an beiden Orten nichts aus. In solcher Laune,
tobend gegen seine Gemahlin wie gegen alles, was den preussischen Namen
trug, war der hessische Despot bereit, den Weisungen Oesterreichs
blindlings zu folgen.

Die Hofburg wollte nicht bloss die Erweiterung des preussischen Zollsystems
verhindern, sie dachte, das System selber zu zerstoeren, den muehsam
errungenen ersten Anfang deutscher Handelseinheit zu vernichten; und
gerade bei den norddeutschen Hoefen, welche durch alle ihre natuerlichen
Interessen auf Preussen angewiesen waren, fand diese Absicht Anklang. Der
dynastische Hass des saechsischen Hofes, der Welfenstolz Hannovers, der
Grimm des Kurfuersten gegen seinen koeniglichen Schwager, die Grossmannssucht
des Nassauer Herzogs, die gedankenlose Aengstlichkeit der kleinsten Hoefe --
alle niedertraechtigen und alle schwaechlichen Elemente des norddeutschen
Kleinfuerstentums vereinigten sich in tiefster Stille zum Kampfe gegen
Preussen. Gestuetzt auf Oesterreich, beguenstigt durch den Handelsneid
Englands, Frankreichs und Hollands, kam der Mitteldeutsche Handelsverein
zustande -- eine der boesartigsten und unnatuerlichsten Verschwoerungen gegen
das Vaterland -- gleich dem Rheinbunde ein Zeugnis, wessen das deutsche
Kleinfuerstentum faehig war.



c) _Der Mitteldeutsche Handelsverein._


Nirgends erweckte der preussisch-hessische Vertrag schwerere Besorgnisse
als am Dresdner Hofe. Wie hatte man sich dort so behaglich eingelebt in
den alten Privilegienwust, wie war es so suess, am Bundestage ueber die
deutsche Handelseinheit und die Bundeszoelle salbungsvoll zu reden -- in der
frohen Erwartung, dass gar nichts zustande komme, dass man jedes ernsten
Entschlusses, jeder heilsamen Reform allezeit ueberhoben bleibe! Jetzt
erstanden ploetzlich dicht an Sachsens Grenzen zwei Zollverbaende. Wie nun,
wenn die augenblickliche Verstimmung des Koenigs von Bayern verflog, wenn
die beiden Vereine, die in ihren handelspolitischen Grundsaetzen einander
so nahe standen, sich zu einem verschmolzen: wenn sie auch Thueringen
gewannen, und also dem Leipziger Handel der Weg zur See ringsum durch
Zollstellen versperrt wurde? Lauter und lauter erklangen die Klagen der
Fabrikanten des Erzgebirges; zweimal im Jahre 1828 liefen Petitionen ein,
die den Koenig beschworen: der Anschluss an Preussen, oder auch an den
sueddeutschen Verein, irgendein Entschluss, der aus der vereinsamten
Stellung hinausfuehre, sei unvermeidlich. Der Minister Graf Einsiedel(84),
der als Eisenwerksbesitzer der Grossindustrie naeher stand, begann irre zu
werden an dem alten System. Einer der tuechtigsten juengeren Beamten,
Wietersheim(85), schilderte in einer beredten Denkschrift den Notstand der
Industrie, die Unterlassungssuenden der Regierung. Koenig Anton aber hielt,
wie sein Minister Manteuffel(86), einen Handelsbund mit Preussen fuer
unmoeglich. Eben in jenen Jahren stand ein alter Lieblingsgedanke der
albertinischen Politik in voller Bluete. Vor kurzem erst, nach dem
Aussterben des Hauses Gotha, hatte der Koenig von Sachsen den
Schiedsrichter und vaeterlichen Vermittler gespielt zwischen den
ernestinischen Vettern. Man hoffte in Dresden, eine dauernde Hegemonie
ueber die thueringischen Lande zu erlangen. Um so schmerzlicher empfand man
die Gefahr, dass Thueringen dem preussischen oder dem sueddeutschen Verein
sich anschliessen koennte.

Aus solchen Berechnungen entsprang der Plan, einen Gegenzollverein zu
bilden, der, ohne selbst ein positives handelspolitisches Ziel zu
verfolgen, nur als ein Keil zwischen die beiden Zollvereine hineindringen,
ihre Verbindung hindern sollte. Es galt, die ersten Anfaenge der
Handelseinheit zu zerstoeren, den schmachvollen Zustand deutscher
Zerrissenheit zu verewigen. Die Traeger dieser Politik waren zwei Gebrueder
Carlowitz, aus einem der ehrenwertesten Haeuser des obersaechsischen Adels.
Der Aeltere(87), koeniglich saechsischer Minister, war bis zum vorigen Jahre
noch Bundestagsgesandter gewesen und stand in der Eschenheimer Gasse in
lebhaftem Andenken als ein wohlmeinender Geschaeftsmann der alten Schule,
ein pedantischer Vertreter der bekannten kursaechsischen Formelseligkeit.
Der Juengere(88), jetzt Minister in Gotha, persoenlich ebenfalls sehr
achtungswert, hatte alle die unausrottbaren Vorurteile des kursaechsischen
Adels mit aus der Heimat hinuebergenommen. Vergeblich stellten ihm
gothaische Beamte vor, ihr Laendchen sei auf Preussen angewiesen; der
verstaendige Kammerrat Braun rief ihm zu: "Sie handeln als koeniglich
saechsischer, nicht als herzoglich saechsischer Staatsmann." Er blieb dabei,
"ein neutraler Verein" sei notwendig, "eine achtunggebietende Masse
zwischen den beiden Zollvereinen stark genug, um beiden Bedingungen zu
diktieren". Der Herzog von Gotha ward fuer die Plaene seines saechsischen
Ratgebers leicht gewonnen. Er stand mit dem Berliner Hofe auf schlechtem
Fusse, weil er sein entlegenes Saarland Lichtenberg gegen ein Stueck des
preussischen Thueringens auszutauschen wuenschte und Koenig Friedrich Wilhelm
diese Zumutung noch immer beharrlich abwies. In ihren Mitteln war die
Koburgische Handelspolitik wenig waehlerisch. Aller drei Wochen ging von
Koburg eine Sendung neu gepraegter unterwertiger Muenzen nach Lichtenberg;
von dort ueberfluteten die unter duenner Silberhuelle roetlich schimmernden
Koburger Sechser das benachbarte sueddeutsche Guldenland, und diese
gewerbsmaessige Falschmuenzerei waehrte jahrelang fort trotz den Beschwerden
der Nachbarn. Auch am Weimarischen Hofe herrschte augenblicklich eine
gegen Preussen leidenschaftlich eingenommene Partei, an ihrer Spitze der
gescheite Minister Schweitzer(89).

So wurde denn ein hochgefaehrliches Unternehmen gegen Deutschlands
Handelseinheit in aller Stille eingefaedelt, harmlos, gemuetlich wie eine
Carlowitzsche Familienangelegenheit. In den letzten Tagen des Maerz 1828
trafen sich der Herzog von Gotha, die beiden Carlowitze und Schweitzer auf
dem Carlowitzschen Familiengute Oberschoena -- sie alle noch ohne eine klare
Vorstellung von den schweren Folgen ihres Beginnens. Wir Deutschen sind
Gott sei Dank durch unabweisbare Interessen, durch alle Lebensgewohnheiten
aufeinander angewiesen; jeder Versuch offener Feindseligkeit von Deutschen
gegen Deutsche erscheint als eine Suende wider die Natur und bietet darum
neben der Entruestung auch der Lachlust ein breites Ziel. In denselben
Tagen, da in Oberschoena der Zollkrieg gegen Preussen beschlossen wurde,
verhandelte in Berlin der Weimarische Bevollmaechtigte Thon wegen
freundnachbarlicher Aufhebung der Geleitsgelder. Mochte man den
preussischen Staat bis in der Hoelle tiefste Gruende verwuenschen, entbehren
konnte man ihn nicht. Die in Oberschoena abgeschlossene Punktation besagte:
Es soll ein Handelsverein geschlossen werden zwischen Sachsen, Kurhessen
und Thueringen. Die Teilnehmer "werden sich bemuehen, den Beitritt der
uebrigen zwischen der preussischen und bayrischen Zollinie gelegenen Lande
zu erlangen." Sie verpflichten sich, "einseitig keinem auswaertigen
Zollsystem beizutreten, noch, ohne Zustimmung des Vereins, mit einem
Staate, in welchem ein solches System besteht, einen Handels- oder
Zollvertrag zu schliessen." Sie wollen ihre gegenseitigen Untertanen auf
gleichem Fuss behandeln und (Artikel 7) die Transitabgaben im Verkehr
zwischen den Vereinsstaaten nicht ueber das Mass der saechsischen
Transitzoelle erhoehen. Sechs Monate nach der Konstituierung des Vereins
soll ueber gemeinsame Handelsvertraege und Retorsionen beraten werden.

Es war ein *pactum de paciscendo*, ein Vertrag ohne positiven Inhalt, eine
Verpflichtung, vorlaeufig nichts zu tun, den bestehenden Zustand nur nach
gemeinsamer Abrede zu veraendern. Von einer Zollgemeinschaft zwischen den
Vereinsstaaten, von irgendwelchen ernsten Reformen war gar nicht die Rede.
Gleichwohl konnte der "neutrale" Verein dem preussischen Zollsystem
verderblich werden; er suchte der Handelspolitik Preussens ihre schaerfste
Angriffswaffe, die Durchfuhrzoelle, aus der Hand zu winden. Wenn es gelang,
alle zwischen den preussischen Provinzen eingeklammerten Laender,
insbesondere die Kuestenstaaten, fuer den Verein zu gewinnen, so nahm die
gesamte Einfuhr von der See nach dem innern Deutschland ihren Weg durch
die Vereinslande, da die saechsischen Transitzoelle weit niedriger standen
als die preussischen. Schritt man darauf zu den verabredeten "Retorsionen",
wurde die Durchfuhr von Bayern nach Preussen und von einer preussischen
Provinz zur anderen mit hohen Zoellen belastet, dann war Preussen einer
reichen Einnahmequelle und seines wirksamsten Unterhandlungsmittels
zugleich beraubt; nicht bloss die Erweiterung des preussischen Zollsystems
wurde verhindert, der Bestand des Systems selber ward in Frage gestellt.
Unter der Maske der Neutralitaet beschloss man den Zollkrieg. Um nur Preussen
zu schaedigen, verpflichtete sich die saechsische Regierung, ihre eigenen
Fabriken in wehrlosem Zustande zu lassen, die Industrie des Erzgebirges
der englischen Konkurrenz voellig preiszugeben. Wahrhaftig, nicht
patriotische Gesinnung war es, was die kleinen Staaten unseres Nordens
endlich in den preussisch- deutschen Zollverein fuehrte; kein Mittel, auch
das verwerflichste nicht, blieb unversucht, das preussische Zollsystem zu
sprengen; erst nachdem alle Angriffe gescheitert waren, unterwarf man sich
notgedrungen der deutschen Handelseinheit.

Die Oberschoenaer Punktation wurde dem saechsischen Bundestagsgesandten
Bernhard von Lindenau(90) zugesendet; dort in der Eschenheimer Gasse
sollten dem "saechsischen Antizollverein", wie man in Berlin sagte, neue
Anhaenger geworben werden. Eine edle, hochsinnige Gelehrtennatur, ehrlich
liberal und begeistert fuer Deutschlands Groesse, hatte Lindenau bis vor
kurzem im gothaischen Ministerium mit Einsicht gewirkt. Er wuenschte
aufrichtig die deutsche Handelseinheit und gestand seinem Darmstaedter
Amtsgenossen in Frankfurt: waere Kurhessen dem preussischen Verein
beigetreten, so haette ich auch fuer den Beitritt Sachsens und Thueringens
gestimmt. Nun Kurhessen sich weigerte, hoffte er sein Ziel auf anderem
Wege zu erreichen: durch einen Bund der norddeutschen Lande, welcher den
preussischen Staat zur Milderung seines Zollsystems zwingen sollte. Auch er
krankte an dem Erbfehler der kleinen Diplomatie, er ueberschaetzte die Macht
seines Staates und sah nicht, dass die preussische Regierung den Versuch,
ihr Gesetze vorzuschreiben, als offene Feindseligkeit betrachten und sich
zur Wehre setzen musste. Also hat der treffliche Mann seinen lauteren
Idealismus, seine lebhafte ruhelose Taetigkeit eingesetzt fuer Plaene, die
der dynastischen Scheelsucht entsprangen, und zwei Jahre lang an einem
Verein gearbeitet, welchen Stein veraechtlich als einen Afterbund
verdammte. Selbst die Sippschaft hoechst unzweideutiger politischer
Charaktere, welche sich sofort des Oberschoenaer Planes bemaechtigte,
oeffnete dem saechsischen Staatsmanne nicht die Augen. Muench und Langenau,
Marschall und Rothschild, alle Stuetzen der oesterreichischen Partei warben
fuer den Handelsverein. Mehrmals in der Woche kam der Herzog von Nassau zu
Langenau hinueber, um neue Bundesgenossen zu gewinnen.

Dergestalt war wieder einmal eines jener anmutigen Raenkespiele
eingeleitet, welche von Zeit zu Zeit die trostlose Langeweile der
Bundestagsgeschaefte wohltaetig unterbrachen. Dass Oesterreich alle Faeden der
Verschwoerung in seiner Hand hielt, war bald am Bundestage offenkundig. Mit
gewohnter Treuherzigkeit stellte die Hofburg jede Parteinahme in Abrede.
Der k. k. Hofrat v. Kress, der Leiter der oesterreichischen Handelssachen,
beteuerte dem preussischen Geschaeftstraeger feierlich: mit keinem Worte habe
Osterreich den Anschluss Darmstadts zu verhindern gesucht; er selber habe
die Korrespondenz gefuehrt und nach Darmstadt geschrieben, sein Hof werde
sich freuen, wenn Hessen bei dem preussischen Buendnis seinen Vorteil finde.
Nach den Enthuellungen, die man in Berlin vom Darmstaedter Hofe selbst
erhalten, konnten solche Beteuerungen nur Heiterkeit erregen. Wie
Oesterreich zu dem neuen Gegenzollverein stand, das erhellte, wenn anders
die Frankfurter Gesandtschaftsberichte noch einer Bestaetigung bedurften,
aus einem Briefe Lindenaus, der in Berlin bekannt wurde. "Ich verhandle
mit Holstein und den Niederlanden, schrieb der saechsische Diplomat an den
Bundestagsgesandten Leonhardi(91), sowie wir nicht minder der
Unterstuetzung des gemeinnuetzigen, vielversprechenden Unternehmens von
seiten der oesterreichischen Regierung, welche dessen Foerderung wuenscht,
versichert sein koennen." Auch die anderen auslaendischen Feinde der
preussischen Handelspolitik liehen dem Verein ihren Beistand. Graf Reinhard
versicherte die Vereinsmitglieder der warmen Unterstuetzung des Pariser
Kabinetts. Um die Niederlande zu gewinnen, ging Lindenau im Herbst selber
nach Bruessel und stellte dort vor -- er, der Vertreter des Elbuferstaates
Sachsen: -- es sei notwendig, den Rhein und Main wieder zu beleben, die
durch den Elb- und Weserhandel so schwere Einbusse erlitten haetten, und den
rheinischen Kolonialwarenhandel Hollands wieder zu der Hoehe zu erheben,
die er im achtzehnten Jahrhundert behauptet. Selber mit seiner deutschen
Provinz beizutreten, lag freilich nicht in Hollands Absicht; doch warben
seine Diplomaten in Frankfurt eifrig fuer den Verein.

Entscheidend wurde die Haltung von England-Hannover. Noch war man in
London gewohnt, mit dreister Sicherheit auf Deutschlands Zwietracht zu
rechnen; jede Regung selbstaendigen Willens in der deutschen Handelspolitik
galt den Briten als ein Schlag ins eigene Angesicht. Welch' eine koestliche
Aussicht, wenn jetzt durch den Gegenzollverein nicht nur die machtlose
Anarchie des deutschen Zollwesens verewigt, sondern auch den englischen
Waren gegen maessige Transitzoelle der Weg bis ins Herz von Deutschland
eroeffnet wurde; von dort mochten sie dann durch die Schmuggler nach
Preussen und Bayern hinuebergeschafft werden. Mit Feuereifer ging der
Gesandte am Bundestage, Addington, auf Lindenaus Ideen ein. Umsonst warnte
der nuechterne Milbanke, Geschaeftstraeger bei der Stadt Frankfurt: der
Verein entbehre jedes positiven Zwecks, koenne und werde nicht dauern, der
deutsche Handel beduerfe schlechterdings einer Reform. Addingtons Meinung
drang in London durch; allzu verlockend war der Gedanke, den offenen
hannoverschen Markt, der bisher den englischen Fabriken so unschaetzbar
gewesen, bis an den Main zu erweitern. Die englische Schaluppe Hannover
folgte wie immer ihrem Schiffe. Graf Muenster(92) schalt hinterruecks den
preussischen Zollverein "eine preussische Reunionskammer", musste sich von
dem preussischen Gesandten Buelow "sein wenig gerades Benehmen" vorwerfen
lassen. Zugleich bat, wie Buelow von dem Minister Fitzgerald selbst erfuhr,
der saechsische Gesandte in London um durchgreifende Massregeln gegen das
preussische Zollsystem, das dem englischen Handel und der Unabhaengigkeit
der deutschen Staaten gleich verderblich sei. So trat denn Hannover dem
Verein bei; das Industrieland Sachsen unterwarf sich dem englischen
Handelsinteresse. Freiherr v. Grote(93), ein faehiger hannoverscher
Beamter, Preussens geschworener Feind, wurde neben Lindenau die Seele des
Bundes.

Auch Bremen trat hinzu. Der treffliche Smidt(94) hatte sich allzu tief
eingelebt in die Traeume Wangenheims, der auch jetzt wieder aus seinem
Koburger Stilleben heraus gegen Preussen arbeitete; er konnte ein
krankhaftes Misstrauen gegen den norddeutschen Grossstaat nicht ueberwinden,
und jetzt, da die reindeutschen Sonderbundsplaene sogar von Oesterreich
insgeheim unterstuetzt wurden, gab er sich ihnen unvorsichtiger hin als
sonst seine Art war. Er wuenschte, wie er am Bundestage mehrmals aussprach,
deutsche Konsulate und eine deutsche Flagge. Doch solange Deutschland noch
nicht ein nationales Handelsgebiet bildete, war das lockere hannoversche
Zollwesen fuer den bremischen Freihandel bequemer als das strenge
preussische System. Die von dem "neutralen" Verein versprochene
Erleichterung des Transitverkehrs konnte auf den ersten Blick einen
hanseatischen Staatsmann allerdings bestechen. Aber auch nur auf den
ersten Blick. Voreingenommen gegen Preussens Zollsystem, bemerkte Smidt
nicht, dass die Teilnahme an dem neuen Handelsbunde der ueberlieferten
hanseatischen Handelspolitik schnurstracks widersprach; der Verein war in
Wahrheit nicht neutral, sondern durchaus parteiisch, antipreussisch. Smidt
dachte so hoch von dem Werte dieser totgeborenen Vereinigung, dass er ihrem
Urheber, dem Sachsen Carlowitz, das bremische Ehrenbuergerrecht verschaffte
-- eine seltene Auszeichnung, welche seit dem Freiherrn vom Stein kein
deutscher Staatsmann mehr erlangt hatte. Ruhiger urteilte der Hamburger
Senat; er lehnte jede Mitwirkung ab, weil Hamburgs Freihafen den
Interessen des gesamten deutschen Verkehrs zu dienen habe. Die Frankfurter
grossen Firmen dagegen begruessten mit Jubel die in Aussicht gestellte
Erleichterung des Durchfuhrhandels, die den landesueblichen Schmuggel
maechtig foerdern musste; auch waren die Patrizier der stolzen Republik
laengst gewoehnt, den untertaenigen Schweif des k. k. Bundesgesandten zu
bilden. Buergermeister Thomas und Senator Guaita zusamt dem
oesterreichischen Anhang setzten den Beitritt durch, gegen den heftigen
Widerspruch einer preussischen Partei.

Territorialen Zusammenhang konnte der Verein nur durch Kurhessen erlangen;
daher wurden dort die staerksten Hebel eingesetzt. Der juengere Carlowitz
selbst erschien im April zu Kassel, bald darauf kam Lindenau. Beide,
unterstuetzt durch Hruby, stellten dem Kurfuersten vor, was er am liebsten
hoerte: der neutrale Verein verlange gar keine Aenderung in den bestehenden
Gesetzen Kurhessens; man betrachte dies Land als den Kern des Bundes,
koenne der Sachkenntnis des Kurfuersten nicht entbehren, darum sollten die
Beratungen ueber das Grundgesetz unter seinen Augen, in Kassel erfolgen.
Den Ausschlag gab jedoch die staatsmaennische Absicht, dem Schwager in
Berlin einen derben Possen zu spielen. Durch Kurhessens Beitritt wurde
Badens Ablehnung mehr als aufgewogen. Lindenau schrieb an Berstett: er
hoffe auf die Mitwirkung des Karlsruher Hofes um so sicherer, da durch den
Verein "weder die Selbstaendigkeit der eigenen Landesverwaltung, noch auch
deren finanzielle Verhaeltnisse die mindeste Stoerung erleiden, sondern nur
die unveraenderte Aufrechterhaltung des *status quo*(95) versichert und
bezweckt wird." Der Antrag ward abgelehnt. Mit Bayern verfeindet, von
sueddeutschen und preussischen Vereinslanden rings umschlossen, hatte Baden
von dem neutralen Verein nichts zu hoffen, von Preussens Zorn alles zu
fuerchten. Bei allen anderen kleinen Hoefen fanden Lindenaus Werbungen
guenstiges Gehoer. Einige aengstliche thueringische Kabinette wurden gewonnen
durch die vertrauliche Versicherung, Preussen sei mit der Gruendung des
Vereins einverstanden, eine plumpe Erfindung, die doch Eingang fand, weil
die preussische Diplomatie sich wie bisher ruhig zurueckhielt. Selbst Herzog
Karl von Braunschweig ging diesmal Hand in Hand mit dem gehassten juengeren
Welfenhause; eine Weisung Metternichs bewog ihn, beizutreten.

Also waren im Laufe des Sommers die saemtlichen zwischen den beiden Haelften
der preussischen Monarchie eingepressten Kleinstaaten angeworben fuer den
Neutralitaetsbund, der sich den Namen "Mitteldeutscher Handelsverein"
beilegte. Nach jahrelangen vergeblichen Unterhandlungen sah Deutschland
ploetzlich in einem Jahre drei handelspolitische Vereine auftauchen. Nur
Baden und die niederdeutschen Kleinstaaten oestlich der Elbe blieben noch
isoliert. Triumphierend verkuendete ein Artikel der Frankfurter
Oberpostamtszeitung, der aus Lindenaus Feder stammte, am 25. Juni:
Sachsen, Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt sind die Schoepfer des
neuen Vereins, der den Artikel 19 der Bundesakte zur Wahrheit macht und,
statt neue Zollinien zu schaffen, vielmehr die Handelsfreiheit auf sein
Banner schreibt. "Dass Ware gegen Ware vertauscht, Freiheit mit Freiheit,
Gleiches mit Gleichem erwidert werde, das ist Forderung des natuerlichen
Rechts, bei dessen Verkennung und Verweigerung es dem Verein wohl nicht an
Mitteln fehlen duerfte, das, was recht und billig ist, mit feierlicher
Kraft geltend zu machen, da er helfen und hemmen, Vorteil und Nachteil zu
gewaehren vermag." Ein Gebiet von sechs Millionen Seelen gehoert ihm, die
ganze weite Nordseekueste, die groessten Stapel- und Handelsplaetze
Deutschlands; die Elbe, den Rhein, den Main, die Weser von allen Zoellen zu
befreien, liegt allein in seiner Hand!

Wohl mochte man prahlen! Eine so krankhaft unnatuerliche Missbildung war dem
Partikularismus noch nie zuvor gelungen. In einem weiten Widerhaken
reichte das Vereinsgebiet von Bremen nach Fulda, dann westwaerts zum Rhein,
gen Osten bis zur schlesischen Grenze, von dem englischen Markt Hannover
bis zu dem gewerbereichen Sachsen, ueber einen bunten Laenderhaufen,
welchen, Preussen gegenueber, nur ein gemeinsames Interesse zusammenhielt:
Angst und Neid. Eben jene norddeutschen Kleinstaaten, welche bisher den
handelspolitischen Anstrengungen Preussens und Bayern-Wuerttembergs einen
traegen ablehnenden Widerstand entgegengestellt, redeten ploetzlich von
deutscher Handelsfreiheit. Indes sie den Artikel 19 der Bundesakte im
Munde fuehrten, verschworen sie sich, die bestehende Zersplitterung
aufrecht zu halten und den preussischen Durchfuhrhandel zu vernichten. Und
hinter diesem Bunde standen schirmend Oesterreich, England, Holland,
Frankreich! Wenn man in Berlin noch der Belehrung bedurft haette ueber die
feindselige Gesinnung des Mitteldeutschen Vereins, so musste die
hinterhaltige Sprache der verbuendeten Kabinette jeden Zweifel zerstoeren.
In tiefster Stille, ohne die geringste Mitteilung an die preussische
Gesandtschaft, hatte der Dresdner Hof sein Werk begonnen. Als am
preussischen Hofe einiges ruchbar wurde, schrieb Graf Einsiedel dem
Gesandten v. Watzdorf in Berlin, versicherte heilig, Baden sei nicht zum
Beitritt aufgefordert worden. Doch leider hatte der Karlsruher Hof jenes
Einladungsschreiben Lindenaus an Berstett dem Berliner Kabinett sogleich
mitgeteilt. Der Abteilungschef im Auswaertigen Amte bemerkte an den Rand
der saechsischen Depesche: "Das Gegenteil steht in unseren Akten. Graf
Bernstorff wird Herrn v. Watzdorf eines Besseren belehren." Nicht minder
verdaechtig erschien, dass der hannoversche Gesandte in Dresden, v. Reden,
ploetzlich ohne jede Veranlassung ein Schreiben an Bernstorff richtete, um
inbruenstig zu beteuern, Hannover hege durchaus keine feindseligen
Absichten gegen Preussen, missbillige entschieden jenes gehaessige Programm
der Oberpostamtszeitung. Warum solche unerbetene Entschuldigung, wenn man
sich nicht schuldig fuehlte? Spaeterhin, in einer Denkschrift vom Jahre
1832, nannte Metternich selbst den Mitteldeutschen Handelsverein
"versuchsweise zum Schutze gegen das preussische Zollsystem geschaffen".

Und abermals zeigte die oeffentliche Meinung ihre alte unbelehrbare
Verblendung. In Arnstadt rottete sich das Volk zusammen vor dem Hause des
Erbprinzen; die Leute drohten auszuwandern, wenn der Fuerst nicht fest zu
dem Mitteldeutschen Verein stehe. Das saechsische Oppositionsblatt "die
Biene" verteidigte warm die hochherzige Absicht der saechsischen Krone, die
Unabhaengigkeit "unseres Vaterlandes" zu retten; das Erzgebirge muesse ja
unfehlbar zugrunde gehen, wenn die preussischen Zoelle die Getreideeinfuhr
aus Boehmen verhinderten -- diese preussischen Zoelle, die den Getreideverkehr
fast gar nicht belasteten! Weithin erklang der Jubelruf der Liberalen ueber
die schmachvolle Niederlage des preussischen Absolutismus: Preussens
Herrschsucht ist gedemuetigt, das Gleichgewicht der Maechte in Deutschland
wieder hergestellt! Selbst in Bayern und Wuerttemberg, deren eigenes
Zollsystem doch durch den Mitteldeutschen Verein bedroht wurde,
verteidigte die Presse den neuen Handelsbund. Der bayrische Hesperus
donnerte gegen Darmstadt, das einen industriellen Selbstmord begangen, den
Schwaben und Bayern "einen Teil des Segens edler Fuersten" geraubt habe.
Die Neckarzeitung begruesste den Verein als ein Zeugnis der Bundestreue, als
einen letzten Versuch, die Verheissungen der Bundesakte ins Leben zu
fuehren. Sogar innerhalb der bayrischen Regierung fand sich eine Partei
bereit, die saechsisch-englischen Entwuerfe zu unterstuetzen; Lerchenfeld und
Oberkamp, die gesamte Bundestagsgesandtschaft Koenig Ludwigs, blieben mit
Lindenau in vertrautem Verkehr. Nur wenige verstanden den festen
patriotischen Stolz des Freiherrn vom Stein, der voll Verachtung auf die
Vasallen der englischen Handelspolitik niederschaute und an Gagern
schrieb: "es ist den erbaermlichen, neidischen, antinationalen Absichten
unserer kleinen Kabinette angemessen, sich an das Ausland zu schliessen,
sich lieber von Fremden peitschen zu lassen, als dem allgemeinen
Nationalinteresse die Befriedigung kleinlichen Neides aufzuopfern."

Am 21. Mai 1828 hatten die Verbuendeten zu Frankfurt einen
Praeliminarvertrag geschlossen. Am 22. August, nachdem unterdessen der
Verein vollzaehlig geworden, versammelten sich die Bevollmaechtigten in
Kassel, und schon am 24. September kam der endgueltige Vertrag zustande.
Solche Schnelligkeit der Beratung stach von den Gewohnheiten der
Staatsmaenner des Bundestags auffaellig ab; sie bewies deutlich, dass man
Gefahr im Verzuge glaubte und mehr einen diplomatischen Schachzug als ein
dauerhaftes Werk beabsichtige. Der Vertrag, in Dresden entworfen, sprach
die feindselige, aggressive Richtung gegen Preussen noch weit offener aus
als die Oberschoenaer Punktation. Der Verein ist bestimmt, den freien
Verkehr im Sinne des Artikels 19 der Bundesakte zu befoerdern und "die
Vorteile, welche in dieser Hinsicht dem einzelnen Staate durch seine
geographische Lage und sonst gewaehrt sind, auf das Ganze zu uebertragen,
auch daneben sich jene Vorteile zu erhalten und sicher zu stellen." Die
Verbuendeten verpflichten sich, bis zum 31. Dezember 1834 -- d. h. bis zu
dem Zeitpunkte, wo der preussisch-hessische Vertrag ablief -- keinem
auswaertigen Zollverein einseitig beizutreten. Die Strassen sollen in gutem
Stande erhalten, neue Strassenzuege verabredet werden. Die bestehenden
Durchfuhrzoelle auf Waren, welche fuer einen Vereinsstaat bestimmt sind,
duerfen nicht erhoeht werden; dagegen steht dem Verein wie jedem
Vereinsstaate frei, Waren, die aus dem Auslande in das Ausland gehen, mit
hoeheren Transitgebuehren zu belasten. England-Hannover war es, das diesen
unzweideutigen Artikel 7 durchgesetzt hatte. Es lag darin die Drohung, den
Handel zwischen den beiden Haelften der preussischen Monarchie zu zerstoeren,
und zugleich eine systematische Beguenstigung der englischen Einfuhr. Denn
da auf Hannovers ausdrueckliches Verlangen jedem Vereinsstaate die Befugnis
eingeraeumt wurde, Handelsvertraege mit dem Auslande zu schliessen, so
eroeffnete sich den englischen Waren ueber Bremen und Hannover ein fast
zollfreier Weg nach den Binnenstaaten, welche, wie Sachsen, Thueringen,
Nassau, Frankfurt, noch kein geordnetes Grenzzollsystem besassen. Noch
deutlicher sprach der neunte Artikel, der jedem Vereinsstaate das Recht zu
einseitigen Retorsionen vorbehielt; Kurhessen hatte diese Bestimmung
gefordert, und der Kurfuerst verstand unter Retorsionen jede gehaessige
Gewalttat wider die Nachbarn. Die einzige wesentliche Wohltat, welche der
Verein dem Handel brachte, war die Erleichterung des Transits, und sie
ward erkauft durch schwere Schaedigung der heimischen, vornehmlich der
erzgebirgischen Industrie. Im uebrigen dauerten alle bestehenden Akzisen
und Zoelle fort; nur Warenverbote zwischen den Vereinsstaaten waren
unstatthaft, auch sollten die gewoehnlichen Erzeugnisse des Landbaues nicht
verzollt werden.

Der Kern des Vertrages blieb die Absicht, auf sechs Jahre hinaus die
Erweiterung des preussischen Zollsystems zu verhindern und inzwischen
vielleicht durch Ableitung des Durchfuhrhandels dem Zollwesen Preussens die
Wurzeln abzugraben. Eine von Marschall und Roentgen verfasste nassauische
Denkschrift ueber das Verhaeltnis des Vereins zu Preussen und Bayern gibt
ueber diese freundnachbarlichen Absichten sicheren Aufschluss. Sie schildert
beweglich, wie Darmstadt sich "an ein nicht aus seiner Autonomie
hervorgegangenes System" angeschlossen habe. Allerdings wurden dabei "die
aeusseren Formen der Selbstaendigkeit gewahrt", aber das Grossherzogtum "hat
sich waehrend der Dauer des Vertrages jeder materiellen Autonomie begeben,
kann nur noch eine grossmuetige Beruecksichtigung seiner Wuensche in billigen
Anspruch nehmen und ist deshalb seiner endlichen Mediatisierung um einen
bedeutenden Schritt naeher gerueckt." Solcher Schwaeche gegenueber sind die
Verbuendeten entschlossen, "keine willenlose Hingebung zu zeigen, keine
nicht aus dem eigenen Beduerfnis hervorgegangene Handelsgesetzgebung"
anzunehmen. "Das Wesentliche des Kasseler Vertrages liegt in der
Vereinigung selbst, in dem fuer sechs Jahre begruendeten *non plus
ultra*(96). Das Wesentliche liegt ferner in dem durch diese sechsjaehrige
engere Verbindung begruendeten Ablehnungsmotive von Ansinnungen mancher
Art, denen, wenn sie von uebermaechtiger Seite ausgehen, der Einzelne und
Schwaechere nicht viel mehr als die Bitte um Schonung entgegenzusetzen
hat." Das Wesentliche liegt endlich in der Aussicht, zu einer Verbindung
mit anderen Staaten "mit Ehren gelangen zu koennen". Bayern und Preussen
haben dasselbe, ja ein groesseres Beduerfnis nach einer Annaeherung an die
Vereinsstaaten als diese selbst; daher muss der Verein die
Verbindungsstrassen zwischen Bayern und Preussen fest in der Hand halten,
ihre freie Benutzung nur kraft gemeinsamen Beschlusses bewilligen. So wird
er eine gesetzliche Ordnung mit verhaeltnismaessig gleichen Rechten fuer ganz
Deutschland begruenden.

Die Denkschrift schliesst mit der pathetischen Frage: "Kann man denn aus
irgendeinem Grunde auch nur vermuten, dass Preussen die fieberhaften Traeume,
in welchen eine uebermuetige Partei das ganze noerdliche Deutschland nur als
eine mit Unrecht noch laenger vorenthaltene Beute des preussischen Adlers
erscheinen lassen moechte, irgend teilen oder beguenstigen werde?" Naiver
liess sich die Seelenangst der Kleinen nicht aussprechen. Nicht irgendein
positiver Gedanke, sondern allein die Furcht vor Preussens und Bayerns
Uebermacht, der ohnmaechtige Wunsch, ein *tertium aliquid*(97) zu bilden,
wie der alte Gagern(98) sagte, hatte den Mitteldeutschen Verein
geschaffen. Aber je ratloser man sich fuehlte, um so lauter ward gelaermt;
"es war ein Gegacker, schreibt du Thil, als sei ein grosses Werk vollendet
worden". Zahllose Orden belohnten alle Teilnehmer der Kasseler Beratung,
bis zum Kanzlisten herab.

Selbst die einzige Waffe, die man gegen Preussen schwingen konnte, erwies
sich als unwirksam; den preussischen Durchfuhrhandel zu laehmen war
unmoeglich, solange die Handelsstrassen, welche das preussische Gebiet
umgehen sollten, noch nicht gebaut waren. Mannigfache Entwuerfe wurden zu
Kassel besprochen; man traeumte von neuen Handelswegen dicht neben
Darmstadts Grenzen, von einem langen Strassenzuge aus Sachsen ueber
Altenburg und Gotha nach Kurhessen, der den Verkehr hinwegleiten sollte
von der grossen preussischen Chaussee ueber Koesen und Eckartsberge. Aber wer
sollte die Strasse bauen? Die verarmten kleinen ernestinischen Staaten
besassen nicht die Mittel, die groesseren Bundesgenossen wollten kein Geld
vorschiessen. Zudem stiess man ueberall auf preussisches Gebiet; wie sollte
die Erfurter Gegend umgangen werden, wo Preussen bereits eine gute Chaussee
gebaut hatte? Unablaessig arbeitete die Diplomatie der Bundesgenossen, um
Bayern und Wuerttemberg von Preussen fernzuhalten; der hannoversche Gesandte
Stralenheim in Stuttgart ward nicht muede, den Koenig Wilhelm vor Preussens
Fallstricken zu warnen. Beharrlich wiederholte der Dresdner Hof, der die
Fuehrung des Vereins behielt, er sei bereit, Antraege und Vorschlaege zur
Ausbildung des Bundes entgegenzunehmen. Niemand wusste einen moeglichen
Vorschlag. Schon vor der Kasseler Zusammenkunft gestand Lindenau einem
Frankfurter Amtsgenossen: "die Mehrzahl der Teilnehmer betrachtet den
Verein als ein Ruhekissen, sie ist froh, dass alles beim alten bleibt." Nun
klagten die Thueringer ueber Sachsens hegemonischen Ehrgeiz, Frankfurt ueber
die erdrueckenden kurhessischen Mauten. Der Kurfuerst, um seinen
Holzmagazinen hoehere Preise zu schaffen, verbot den altgewohnten
Holzhandel, der aus den hannoverschen Waldgebirgen nach Hessen
hinuebergefuehrt ward. Die Unmoeglichkeit, mit einem solchen Fuersten
freundnachbarlich auszukommen, lag vor Augen. Fast ein Jahr waehrten die
Verhandlungen zwischen den beiden hessischen Haeusern wegen der
Erleichterung einiger Enklaven; da erklaerte der Kurfuerst: die gegenseitige
Verpflichtung, die Durchfuhrzoelle auf gewissen Strassen nicht zu erhoehen,
solle allein fuer Darmstadt, nicht fuer Kurhessen gelten! Seine Weisungen an
die Unterhaendler fand Maltzan "ausgezeichnet durch naive Unwissenheit und
despotischen Ton, der Feder eines Rabener(99) wuerdig".

Immer schaerfer trat der tiefe Gegensatz der handelspolitischen
Anschauungen innerhalb des Vereins hervor. Die Kaufherren von Frankfurt
und Bremen forderten unbeschraenkten Freihandel, Hannover die Beguenstigung
der englischen Waren. Andere Staaten traeumten von neuen Zolllinien; wieder
andere hofften, die Milderung des preussischen Zollsystems und dann den
Eintritt in dies System zu erzwingen. Kein einziger Kopf an allen diesen
kleinen Hoefen, der einen klaren Gedanken mit Ausdauer verfolgte; Karl
August von Weimar war im Juni 1828 gestorben. Bald sonderten sich die
Kuestenlande und die Binnenstaaten in zwei Gruppen. Thueringen und Sachsen
schlossen einen Separatvertrag, desgleichen Hannover und Oldenburg. Sie
versprachen ihre gegenseitigen Untertanen im Handelsverkehr auf gleichem
Fusse zu behandeln usw. -- geringfuegige Erleichterungen, die in Preussen gar
nicht noetig waren, da das freiere preussische Zollgesetz zwischen In- und
Auslaendern nicht unterschied. Die einfache in Berlin laengst feststehende
Erkenntnis, dass nur die Beseitigung der Binnenmauten dem deutschen Handel
aufhelfen koenne, war diesen Kabinetten noch nicht aufgegangen. Die
gedankenlose Traegheit der oesterreichischen Staatsmaenner fuehlte sich
befriedigt von dem Erfolge des Augenblicks. Dem preussischen Zollsystem war
ein Riegel vorgeschoben, der einige Jahre halten mochte; eine positive
Ausbildung des Handelsvereins wuenschte man in Wien nicht, da jeder Bund im
Bunde gefaehrlich schien. Selbstgefaellig sagte Muench-Bellinghausen zu
Blittersdorff: "wie klug hat Oesterreich gehandelt, die Kollisionen zu
vermeiden, denen Preussen nicht entgehen wird!" Der weiterblickende Badener
aber schrieb: Ich war erstaunt ueber solche Verblendung. Als ob ein
Stillstand im Voelkerleben moeglich sei! Als ob der preussisch-hessische
Verein sich jemals wieder aufloesen wuerde! Oesterreich allein hat all dies
Unheil verschuldet, hat nichts getan, um den Artikel 19 der Bundesakte
auszufuehren und uns also den Preussen in die Haende geliefert.



d) _Preussens Sieg. Preussisch-Bayrischer Handelsvertrag._


Nunmehr nahm Preussen den Handschuh auf. Der Berliner Hof hatte den ersten
Verhandlungen der mitteldeutschen Staaten mit der gewohnten ruhigen
Zurueckhaltung zugesehen. Ein saechsisch-thueringischer Verein war
unschaedlich; erst durch Hannovers Zutritt gewann der Verein eine
gefaehrliche Ausdehnung. Man wollte in Berlin nicht glauben, dass dies nahe
befreundete Kabinett, dem Preussen soeben jene neuen Strassenzuege und
Handelserleichterungen angeboten hatte, einem gegen Preussen gerichteten
Bunde sich anschliessen werde. Da trat Hannover zu den Verbuendeten ueber,
waehrend Bernstorff noch eine freundliche Antwort auf sein Anerbieten
erwartete. Sofort verschwand jeder Zweifel ueber den Charakter des Vereins.
Motz in seiner feurig kuehnen Weise forderte sogleich, dass man die Gegner
als Gegner behandle, und erklaerte: "Sollte dieser Verein zustande kommen,
so ist Preussen in der Lage, sein Zollsystem fuer abgeschlossen zu halten,
und keineswegs in der Lage, diesen neutralen Verein seiner Absicht gemaess
unter imponierenden Bedingungen aufzunehmen."

Obgleich bisher nur duerftige Nachrichten ueber die Plaene des Vereins
eingelaufen waren, so erriet der Finanzminister doch auf den ersten Blick,
dass die Zerstoerung des preussischen Durchfuhrhandels in der Absicht der
Verbuendeten liege. Deshalb, fuhr er fort, muss der Transit fortan mehr als
bisher im Lande gehalten, der Strassenbau ruestig gefoerdert, namentlich die
Chaussierung der wichtigen Strasse von Magdeburg nach Zeitz rasch vollendet
werden. Die nach Hannover gerichteten Anerbietungen sind als nicht
geschehen zu betrachten. Noch entschiedener spricht er in einem Schreiben
an Bernstorff: "Es ist gewiss ein bemerkenswertes Zeichen der Zeit, dass in
der Mitte und vorzugsweise im Norden Deutschlands, im Schosse des Deutschen
Bundes und dennoch unter der Fahne Oesterreichs, fuer den ostensibeln Zweck
einer angeblichen Vervollkommnung der Verhaeltnisse dieses Bundes eine
Koalition sich bildet, welche Preussen von ihren Plaenen und Beratungen
ausschliesst und auf alle Weise zu erkennen gibt, nicht nur, dass sie eine
Ausfuehrung und Erweiterung allgemeiner Bundesmaximen auch ohne Preussens
Teilnahme fuer moeglich haelt, sondern auch, dass Preussen eben als stoerendes
Prinzip jener Ausfuehrung und Erweiterung zu betrachten, und deshalb die
Aufstellung einer foermlichen Oppositionsmasse gegen dasselbe anraetlich
sei". Darum duerfen wir den Verein nicht ignorieren; wir muessen unser
gerechtes Befremden aussprechen und den Entschluss, "jeder uns auf
irgendeine Art kompromittierenden weiteren Entwicklung dieses sonderbaren
Systems auf angemessene Weise entgegenzutreten".

Ueber Oesterreichs Absichten war der entschlossene Mann laengst im klaren. Er
wusste, dass die k. k. Verpflegungsbeamten in Mainz, um den
Preussisch-Hessischen Verein zu schaedigen, die vertragsmaessige
Steuerfreiheit der oesterreichischen Garnison groeblich missbrauchten, fuer
Tabak, Zucker, Bier massenhaft Steuerfreischeine ausgaben, mehr, als ganz
Rheinhessen verzehren konnte. Er forderte, der Gesandte in Wien solle rund
heraus erklaeren: wir lassen uns nicht taeuschen durch das Blendwerk, das
mit dem Artikel 19 getrieben wird, wir lassen uns weder imponieren, noch
uns missbrauchen. Am 8. November schrieb er dem Minister des Auswaertigen
geradezu: "Ob und inwieweit ueberhaupt auf wahre freundschaftliche
Verhaeltnisse von Oesterreich gegen uns zu rechnen sei, vermag ich nicht zu
beurteilen. Soviel scheint mir aber sicher zu sein, dass Oesterreich dem
uebereilt organisierten Deutschen Bunde den Charakter des ehemaligen
deutschen Fuerstenbundes beizulegen und darin die Rolle Friedrichs des
Grossen zu uebernehmen denkt." Oesterreichs Haltung gegen uns in dem Koethener
Zollstreit war entschieden feindselig, ohne Oesterreichs Beistand waere der
Mitteldeutsche Verein nie zustande gekommen.

Ein Blick auf diese Aktenstuecke genuegt, um das Raetsel zu loesen, warum das
Berliner Kabinett ueber die geheime Geschichte seiner Handelspolitik
beharrlich geschwiegen, auch die windigsten Prahlereien der zahlreichen
geistigen und leiblichen Vaeter des Zollvereins gelassen ertragen hat. Das
Buendnis der Ostmaechte war nach wie vor der leitende Gedanke der
auswaertigen Politik des Koenigs. Brach man mit Oesterreich, so wurde der
Deutsche Bund unhaltbar und auch der werdende Zollverein selber in Frage
gestellt. Fuer Preussens Diplomatie ergab sich mithin die Aufgabe, durch
ruhige feste Haltung den Wiener Hof dahin zu bringen, dass er der
preussischen Handelspolitik nicht geradezu widerstrebte. Preussen raeumte der
Hofburg die Fuehrerstelle ein in dem Schattenspiele des Bundestages und
verlangte fuer sich die Leitung der wirklichen Geschaefte deutscher
Staatskunst. Dies blieb der einzig moegliche Weg nationaler Politik,
solange man weder den Willen noch die Macht besass, die kriegerische Aktion
der friderizianischen Tage zu erneuern. Den deutschen Dualismus zu
beseitigen, kam dem Koenig nicht zu Sinn; die Absicht war nur, dem
preussischen Staate im Bereiche der deutschen Politik ein Gebiet
selbstaendigen, ungestoerten Wirkens zu erobern. Ein solches System setzte
behutsame Vorsicht und unverbruechliche Verschwiegenheit voraus; es fiel
dahin, sobald die Welt erfuhr, wie planmaessig Preussens Handelspolitik
arbeitete und wie deutlich die besten Koepfe des Kabinetts den Grundsatz
der Interessen erkannten, der die beiden grossen Bundesmaechte trennte.

Das Auswaertige Amt ging nicht sofort auf die kampflustige Gesinnung des
Finanzministers ein. Der Koenig verlangte ruhige, sorgfaeltige Pruefung,
damit nicht durch vorschnelles Urteil deutschen Bundesstaaten Unrecht
geschehe. Sobald naehere Nachrichten einliefen, stimmte Eichhorn der
Ansicht Motzs bei und erliess eine Instruktion an saemtliche Gesandten in
Deutschland, welche ausfuehrlich darstellte, wie unberechtigt und
hoffnungslos das Unternehmen der Mitteldeutschen sei: die Verbuendeten
moegen sich die Frage vorlegen, was ein Verein von sechs Millionen
Einwohnern, der fast nur Binnenlaender umfasst, bei einem Konflikt mit uns
gewinnen duerfte, "ob der innere Verkehr nicht ertoetet statt belebt und der
Handel mit dem Auslande nicht beschraenkt statt ausgebreitet werden wuerde".
Ausserdem erhielt die Wiener Gesandtschaft die Weisung, sich zu beschweren
ueber die feindselige Haltung der oesterreichischen Diplomaten und dem
Staatskanzler die auf Metternichs Demagogenfurcht berechnete Frage ans
Herz zu legen: "Sind es nicht hauptsaechlich die Absonderungen und
Trennungen, welche im Handel und Verkehr stattfinden, wodurch eine
Stimmung des Missbehagens, der Unzufriedenheit und der Sehnsucht nach einer
Veraenderung unterhalten wird?" Der Gesandte in London ward befehligt,
entschieden auszusprechen, dass an Verhandlungen mit Hannover vorerst nicht
mehr zu denken sei: "wir muessen offen gestehen, dass unser Vertrauen auf
hannoverscher Seite schlecht erwidert worden ist". Jordan in Dresden
sollte sein Befremden ueber die misstrauische Heimlichkeit der saechsischen
Politik kundgeben; Grote in Hamburg dem Senate "die Anerkennung seines
weisen und angemessenen Betragens aussprechen und dabei erklaeren, man
hoffe, dass er bei demselben auch verharren werde".

Zugleich erging an die Regierungen der Grenzbezirke der Befehl, die
handelspolitischen Massregeln der Verbuendeten, die sich noch immer in
raetselhaftes Dunkel huellten, scharf zu beobachten. Hier zeigte sich die
ganze Unnatur des Mitteldeutschen Vereins. Das Vereinsgebiet lag im
Bereiche der preussischen Macht, war ueberall von eingesprengten preussischen
Gebietsstuecken unterbrochen, durch tausend Bande des nachbarlichen
Verkehrs an Preussen gekettet. Eine Schar von preussischen Postbeamten,
Flossinspektoren, Schiffahrtsaufsehern lebte in Feindesland, gab sichere
Nachricht ueber alles, was auf den Fluessen und Strassen der Verbuendeten
vorging. Die Staatszeitung und Buchholzs Neue Monatsschrift begannen den
Federkrieg gegen den Handelsverein "Eine Souveraenitaet, die sich durch
blosse Opposition geltend machen will -- rief Buchholz warnend --, steht im
Widerspruch mit sich selbst und kann nur Niederlagen erfahren." Auch durch
Retorsionen wollte Motz den Gegnern zu Leibe gehen; er dachte den
saechsischen Fabrikanten den Messrabatt zu entziehen und in Magdeburg eine
Messe zu errichten. Hier aber widersprach der Koenig; er wollte sein Wort
halten, auch jetzt noch jede Feindseligkeit gegen deutsche Bundesstaaten
unterlassen, und liess den kampflustigen Finanzminister an die Ruecksichten
erinnern, die man dem Deutschen Bunde schulde.

Die offene Sprache der preussischen Diplomatie erweckte allerdings Angst
und Reue an einigen der kleinsten Hoefe. Der Fuerst von Sondershausen,
dessen Unterherrschaft unter dem Schutze des preussischen Zollsystems
aufbluehte, war mit seiner Oberherrschaft dem Handelsverein beigetreten und
liess durch sein Geheimes Konsilium das Berliner Kabinett bitten, "diese
abgedrungene Massregel nicht uebel zu deuten". Darauf erwiderte das
Auswaertige Amt: man hoffe, "dass ein pp. Konsilium keinen Augenblick
darueber im Zweifel sein werde, was in der Wahl zwischen der Festhaltung an
dem bisher bestehenden Verhaeltnis mit Preussen und zwischen der Teilnahme
an einer neuen Verbindung zu tun oder zu lassen sei". Nun bat der Fuerst in
einem eigenhaendigen Briefe den Koenig um Verzeihung und flehte, ihn "mit
allergnaedigster Nachsicht zu beurteilen und der unschaetzbaren hohen Gnade
nicht fuer unwert zu halten". Auch der Herzog von Gotha schrieb an
Wittgenstein (16. Dezember): er erfahre "zu seiner groessten Verwunderung",
dass Preussen mit dem Handelsvereine nicht einverstanden sei; nimmermehr sei
ihm in den Sinn gekommen, den preussischen Hof, dessen Gunst so wertvoll,
zu verletzen.

Gegen die groesseren Staaten des Vereins war mit so sanften Mitteln nichts
auszurichten. Motz behielt doch Recht, da er an Bernstorff schrieb: "Ich
bin der Meinung, dass andere Ruecksichten, welche nicht durch die
bestehenden Vertraege geboten werden, gegen die betreffenden, uns in
finanzieller Hinsicht nur feindlich gegenueberstehenden Bundesstaaten wohl
aus den Augen gesetzt werden koennen, indem der preussische Staat die Macht
und die Kraft hat, seinen hohen und hoechsten Interessen die der
Bundesstaaten unterzuordnen, und nach den seit 13 Jahren gemachten
Erfahrungen die Liebe fuer uns in den Bundesstaaten erst dann zu gewinnen
sein duerfte, wenn sie mit Furcht und Beachtung der bestehenden
Verhaeltnisse vereinigt bleibt." Der feurige Mann war entschlossen, den
Handelsverein zu sprengen: gegen offenbare Feindseligkeit reiche die
Politik des Zuwartens nicht mehr aus. "Wir werden es noch dahin bringen,
rief er zuversichtlich, dass einzelne Mitglieder des Mitteldeutschen
Vereins dringend um Aufnahme in den preussischen Verein bitten werden!" Er
hatte noch im Januar bezweifelt, ob eine Verbindung mit dem soweit
abgelegenen Bayrisch-Wuerttembergischen Verein raetlich sei; jetzt fasste er
den gluecklichen Gedanken, ueber den Handelsverein hinweg den sueddeutschen
Koenigskronen die Hand zu reichen und dergestalt durch einen Bund des
Nordens mit dem Sueden den mitteldeutschen Sonderbund zu zerstoeren.

Zum Heil fuer Deutschland erwachten um dieselbe Zeit aehnliche Wuensche in
Muenchen und Stuttgart. Wie laut auch Koenig Ludwig im ersten Zorne wider
Preussens und Darmstadts Verraeterei gescholten hatte, auf die Dauer konnte
er sich doch nicht verbergen, dass seine eigenen kuehnen Plaene gescheitert
waren. Nachdem Kurhessen zu den Mitteldeutschen uebergetreten, war an eine
Vergroesserung des Sueddeutschen Vereins nicht mehr zu denken; der rein
deutsche Bund unter Wittelsbachs Fahnen blieb ein Traum. Ebensowenig
konnte der Verein in seiner vereinsamten Stellung verharren. Auch trat,
wie Metternich vorhergesehen, die alte Abneigung zwischen den beiden
Koenigen bald wieder hervor. Die Hoffnung auf einen Handelsverein mit der
Schweiz ward zunichte an der Zwietracht der Eidgenossen. So blieb den
oberdeutschen Koenigen nur die Wahl, entweder mit Preussen oder mit dem
saechsisch-englischen Verein eine Verbindung zu suchen. Hinter Sachsen und
Hannover aber stand Oesterreich; dies allein genuegte, um den Koenig von
Wuerttemberg gegen die mitteldeutschen Verbuendeten einzunehmen. Sein neuer
Finanzminister, Freiherr Karl Varnbueler(100), derselbe, der einst in den
Vorderreihen der Altrechtler gestanden, bewaehrte sich als ausgezeichneter
Geschaeftsmann und riet dringend zur Verstaendigung mit Preussen. Welchen
nennenswerten handelspolitischen Vorteil, ausser der Herabsetzung der
Durchfuhrzoelle, hatten die Mitteldeutschen zu bieten? Wie sollte der
patriotische Koenig von Bayern sich einlassen in jene unsauberen
Zettelungen mit Frankreich, England, Holland, welche der Mitteldeutsche
Verein mit unbeschaemter Stirn betrieb? In der ersten Aufwallung des Zornes
hatte Koenig Ludwig wohl einen Schritt nach Frankreich hinueber getan; ein
Buendnis mit dem Auslande einzugehen, den deutschen Verkehr dem englischen
Handelsinteresse zu unterwerfen, lag dem bei all seiner Wunderlichkeit
grunddeutschen Monarchen ebenso fern wie seinem vertrauten Minister
Armansperg.

Sobald man in Muenchen kaltbluetig ueberlegte, erschien doch selbst Preussens
Verhalten in dem Sponheimer Handel erklaerlich. Die Berliner Regierung war
ja durch europaeische Vertraege verpflichtet, Badens Recht zu schuetzen; sie
verfuhr, wie Koenig Ludwig selbst zugeben musste, mit rueckhaltloser
Offenheit; ihr Gesandter suchte durch versoehnliche Sprache den erzuernten
Fuersten zu beschwichtigen. Preussen schlug jetzt vor, Bayern und Baden
sollten beiderseits auf ihr Sponheimer Erbrecht verzichten, damit der
leidige Handel fuer immer aus der Welt geschafft wuerde. Koenig Ludwig
straeubte sich lange, doch fing er an zu begreifen, dass dies der einzige
Weg sei, um sich mit Anstand aus dem verlorenen Spiele zurueckzuziehen.
Gegen den Spaetsommer 1828 begannen der Minister und sein koeniglicher
Freund bereits die Frage zu erwaegen, ob nicht eine Annaeherung an den
Preussisch-Hessischen Verein unvermeidlich sei. Dass die oeffentliche Meinung
in Bayern dieser Annaeherung entschieden widerstrebte, war fuer die Freunde
eher ein Stachel als ein Hemmnis. Voll hochfliegender Begeisterung,
empfaenglich fuer alles Ausserordentliche, liebten beide die Welt durch
unerwartete Entschluesse zu ueberraschen. Um so schwerer fiel ihnen, die
Demuetigung ihres Ehrgeizes, den Schiffbruch ihrer reindeutschen Plaene zu
verwinden. Aber sie vermochten es ueber sich, das Opfer zu bringen.
Unabweisbar draengten diese trocknen Geschaeftsverhandlungen den naeher
Beteiligten die Einsicht auf, dass die Deutschen doch zueinander gehoerten,
nur durch Misstrauen, durch Unkenntnis und durch die Selbstsucht, die immer
der schlimmste Feind des eigenen Vorteils ist, einander verfeindet wurden.

Ganz unerwartet fand sich ein Helfer, der die beginnende Umstimmung am
Muenchener Hofe zu foerdern und fuer Deutschlands grosse Sache zu verwerten
verstand. Der Buchhaendler Freiherr v. Cotta(101) war als grosser
Geschaeftsmann mit Personen und Zustaenden des deutschen Nordens naeher
vertraut als das schwaebisch-bayrische Beamtentum, und blickte, wie er
schon in dem wuerttembergischen Verfassungskampfe bewiesen hatte, auch in
der Handelssache ueber die landlaeufigen sueddeutschen Vorurteile weit
hinaus. Unternehmend und beweglich, befreundet mit Nebenius und anderen
namhaften Volkswirten in allen Teilen Deutschlands, erkannte er laengst,
dass der sueddeutsche Verkehr ohne Preussens freundnachbarlichen Beistand
niemals gesunden koenne, und obgleich ihm viel daran lag, die Gunst
Metternichs fuer seine Allgemeine Zeitung nicht zu verlieren, so fasste er
doch den tapferen Entschluss, als Vermittler aufzutreten. Er besprach sich
insgeheim mit Armansperg, reiste dann im September 1828 nach Berlin zu dem
grossen Naturforschertage, der also auch fuer unsere Politik bedeutsam
werden sollte. Cotta wurde durch Humboldt bei Witzleben(102) und Motz
eingefuehrt, sprach dort den Gedanken aus, ob nicht eine Verstaendigung
zwischen Bayern und Preussen moeglich sei, und fand den guenstigsten Empfang.
Eine ueberraschende Verwandtschaft der Anschauungen stellte sich heraus.
Motz bekannte, dass er sich laengst mit aehnlichen Absichten getragen habe;
im Grunde seien es ja doch nur Missverstaendnisse, welche bisher zwischen
den beiden Staaten gestanden. Cotta kehrte heim und schrieb am 20. Oktober
aus Muenchen: er habe des Ministers "gnaedige Eroeffnungen" den Monarchen in
Muenchen und Stuttgart mitgeteilt; beide seien von der Notwendigkeit des
Planes ueberzeugt und haetten bereits die Einladung, dem Mitteldeutschen
Verein beizutreten, zurueckgewiesen. Nunmehr zog Motz das Auswaertige Amt in
das Geheimnis und erklaerte: "Jetzt ist es wuenschenswert, einen
Handelsverein mit Bayern, Wuerttemberg und Baden zu bilden": der Sueden muss
fuer eigene Rechnung unsere Zollgrundsaetze annehmen, namentlich unsere
hoeheren Tarifsaetze auf auslaendische Waren, also auch auf die Waren des
Mitteldeutschen Vereins. Solange dieser Verein die vollstaendige
Verschmelzung mit dem Sueden hindert, muessen Preussen-Hessen und
Bayern-Wuerttemberg mindestens ihre eigenen Produkte und Fabrikate
gegenseitig vom Zolle befreien.

Im November eilte der Unterhaendler wieder nach Berlin, diesmal mit einer
foermlichen Beglaubigung versehen, und wurde von dem Koenige aufs
freundlichste aufgenommen. Die Berliner erzaehlten sich mit untertaenigem
Erstaunen, der einfache Buchhaendler sei zur Tafel gezogen worden. Motz gab
ihm nach laengeren Verhandlungen die Punktation des Vertrags mit auf den
Weg. Triumphierend meldete Cotta am 17. Dezember aus Muenchen: "Alles, was
ich mitbrachte, war hier hoechst erfreulich und willkommen", bei Koenig
Ludwig wie bei dem Minister Armansperg. "Beide sind von den grossartigen
Ideen ergriffen, die einer Verbindung Preussens mit Bayern und Wuerttemberg
nach den von Hochdenselben entwickelten Grundsaetzen als Leitstern vorgehen
und zur Richtschnur dienen. Ich sehe schon im Geiste Ihre herrliche Idee
in kurzer Frist realisiert". Und am 20. Dezember nochmals: Wird auch Baden
gewonnen, "so waere der Grundstein im Sueden Deutschlands zu dem Gebaeude
gelegt, das Ihr verehrter Koenig und Sie zum Wohle und Gedeihen
Deutschlands im Auge haben".

Motz erwiderte: er hoffe "ein Werk zu begruenden, an welchem nicht nur wir
und unsere Zeitgenossen, sondern auch unsere Nachkommen Freude haben
werden". Der Mitteldeutsche Verein muesse offen bekaempft werden, "denn was
wir gemeinschaftlich suchen, ein soviel moeglich allgemeiner Markt in
Deutschland, wird fuer Bayern, Wuerttemberg und Preussen durch die Grundsaetze
dieses neutralen Vereins nicht nur befoerdert, sondern viele diesem
Verlangen entgegenstehende Hindernisse nur noch mehr stabiliert".
Gleichzeitig schrieb er an den Kronprinzen von Preussen, der sich gerade am
Muenchener Hofe aufhielt, enthuellte ihm das Geheimnis der Mission Cottas,
bat dringend um Unterstuetzung: der Vertrag sei politisch und
volkswirtschaftlich hochwichtig, wenngleich die Zolleinnahmen wohl
zunaechst einige Einbussen erleiden wuerden. Der Prinz, der dem geistreichen
Minister laengst wohl wollte, nahm sich denn auch der Verhandlungen eifrig
an.

Am 9. Januar 1829 konnte Cotta aus Stuttgart berichten, dass auch Koenig
Wilhelm die Hauptgrundsaetze der preussischen Punktation gebilligt habe, und
gegen Ende des Monats erschien der Unermuedliche zum drittenmal in Berlin.
Der preussische Minister verlor zuweilen fast die Geduld bei allen den
aengstlichen Vorbehalten, welche der sueddeutsche Unterhaendler stellen
musste, und klagte bitterlich ueber diesen "Hoekerkram". Gegen die
vollstaendige Zollbefreiung der eigenen Produkte erhob Bayern Bedenken; man
fuerchtete in Muenchen die ueberlegene rheinische Industrie. Auch mit seinem
Vorschlage, dass die bayrische Pfalz sofort dem preussischen Zollverein
beitreten solle, drang Motz nicht durch; der Stolz der bayrischen Krone
widerstrebte, auch der Muenchener Landtag haette der unerlaesslichen
Abaenderung des pfaelzischen Steuerwesens niemals zugestimmt. Noch weniger
war auf Badens Beitritt zu hoffen. Der kleine Staat wollte die guenstige
Gelegenheit benutzen, um seinen Laenderbestand fuer alle Zukunft
sicherzustellen; er forderte, dass vor den Zollverhandlungen der Sponheimer
Streit beigelegt werde. Da Koenig Ludwig darauf nicht einging, so erkannte
das Berliner Kabinett im Laufe des Winters selbst, dass man nicht wohl tue,
die Verhandlungen noch mehr zu verwickeln, und liess Baden vorlaeufig aus
dem Spiele.

Am 6. Maerz 1829 begannen endlich die amtlichen Verhandlungen in Berlin.
Die sueddeutschen Kronen waren durch ihre Gesandten Luxburg und Blomberg
vertreten, den Ausschlag gab Cotta, der von beiden Koenigen Vollmacht
hatte. Fuer Preussen erschienen Eichhorn und Schoenberg, dazu Motz, Maassen
und Finanzrat Windhorn. Auch Hofmann kam aus Darmstadt herueber. Die ersten
Kraefte der Regierung waren aufgeboten; es galt, die Bruecke ueber den Main
zu schlagen. Am 27. Mai 1829 wurde der Vertrag unterzeichnet. Preussen-
Hessen und Bayern-Wuerttemberg versprachen einander bis zum Jahre 1841
Zollfreiheit fuer alle inlaendischen Erzeugnisse der Natur, des
Gewerbefleisses und der Kunst; nur fuer eine Reihe wichtiger Fabrikwaren
sollte, auf Bayerns Andringen, zunaechst bloss eine Zollerleichterung um
25 Prozent eintreten, bis allmaehlich die voellige Befreiung erfolgen koenne.
Beide Teile verpflichteten sich, ihre Zollsysteme mehr und mehr in
Uebereinstimmung zu bringen; alljaehrlich sollten Bevollmaechtigte
zusammentreten "zur Befestigung und Erweiterung dieses Vertrags". Auch ein
Zollkartell wurde fuer die Zukunft verabredet. Der Vertrag trug in allem
den Charakter eines Provisoriums; er begruendete die engste Form
handelspolitischer Vereinigung, die sich erreichen liess, so lange die
Laender der Verbuendeten nicht in festem geographischen Zusammenhange
standen. Alle Beteiligten fuehlten, dass sie erst im Beginn einer Zeit
gemeinsamer handelspolitischer Aktion standen; sie verpflichteten sich zu
Protokoll, Handelsvertraege mit solchen Laendern, die an mehrere
Vereinsstaaten zugleich angrenzten, also vornehmlich mit Baden, nur im
gemeinsamen Einverstaendnis abzuschliessen.

Unbeirrt durch die Peinlichkeit der Einzelverhandlungen hielt Motz seinen
Blick fest auf die grossen Verhaeltnisse des Vaterlandes gerichtet; er
wusste, dass er seinem Staate die Bahn zu einer stolzen Zukunft geoeffnet
hatte. Im Juni sprach er sich gegen den Koenig ueber die politische
Bedeutung der geschlossenen Vertraege offen aus. Seine Denkschrift wirft
zuerst einen Rueckblick auf die vollendete Unfaehigkeit des Bundestags, der
niemals in foermliche Beratung ueber die Handelseinheit getreten sei; selbst
waehrend der Not von 1817 habe man in Frankfurt nur genau soviel getan, "um
den foederativen Nachbar, im buchstaeblichen Sinne des Wortes, nicht
verhungern zu lassen. Wie konnte dies auch anders sein, da dem Deutschen
Bunde ein grosser Staat an der Spitze steht, der das ihm eigentuemliche,
seit 50 Jahren schon bestehende, seinem privaten Interesse bis daher
vermeintlich zusagende, mit den Interessen der uebrigen Staaten des
Deutschen Bundes aber nicht vereinbarliche Zoll- und Prohibitivsystem
aufzugeben nicht gewillt ist; da andere Bundesmitglieder die
Handelsinteressen ihrer Hauptstaaten denen ihrer Bundeslande unterzuordnen
nicht gemeint sind, vielmehr letztere, natur- und sachgemaess, an die
ersteren festgeknuepft haben; und da wieder andere den Gegenstand mehr nur
aus fiskalischem wie aus staatswirtschaftlichem Gesichtspunkte betrachtet
wissen wollen? Der Deutsche Bund gab damit ein Beispiel, wie die
allgemeine Staatengeschichte bis dahin noch keines aufzuweisen hat"; es
entstand ein Handelskrieg aller gegen alle, "der weit schlimmer war, als
ein innerer Krieg der Waffen nur je haette sein koennen". Dann erinnert Motz
an die patriotischen Bestrebungen des deutschen Handelsstandes, an die
persoenlichen Bemuehungen der Souveraene von Bayern und Wuerttemberg. Als
gleichzeitig der Bayrisch-Wuerttembergische und der Preussisch-Hessische
Verein sich bildeten, lag die Moeglichkeit zweier grossen Zollvereine fuer
ganz Deutschland vor. Da erhob sich unter Oesterreichs Fuehrung der neutrale
Verein, der den *status quo*, d. h. das Unertraegliche aufrecht erhalten
will; er zwang uns, sogleich weiter zu gehen und das grosse Handelssystem
zu begruenden.

Dies System, faehrt die Denkschrift fort, bietet erstens kommerzielle
Vorteile. Die Verbindung umschliesst schon jetzt 20 Millionen Einwohner,
behauptet also den dritten Platz unter den europaeischen Staaten, da
Oesterreich kein einiges Machtgebiet bildet; sie wird auf 25 Millionen
steigen, sobald der Mitteldeutsche Verein wahrnimmt, "dass er ganz und gar
einen eitlen Zweck verfolgt", und die sued- und mitteldeutschen Staaten
nebst Mecklenburg uns beitreten; sie wird auf 27 Millionen steigen, wenn
auch die anderen Staaten (soweit sie nicht Nebenlande sind), also
Hannover, Braunschweig, Oldenburg und die Hansestaedte eintreten. Der
innere Verkehr ist wichtiger als der auswaertige Handel, jener schlaegt
dreimal, dieser einmal im Jahre das Kapital um. Manche deutsche Staaten
erhalten durch das Handelssystem einen zwanzig- bis zweihundertmal
groesseren Markt fuer ihre Produkte. Dazu kommen zweitens die finanziellen
Vorteile. Der Satz: "je billiger die Abgabe, desto groesser der Ertrag",
wird sich auch diesmal bewaehren, wenngleich vielleicht die erste
Uebergangszeit einige Ausfaelle bringen mag. Wichtiger ist drittens der
politische Gewinn. "Wenn es staatswissenschaftliche Wahrheit ist, dass
Zoelle nur die Folge politischer Trennung verschiedener Staaten sind, so
muss es auch Wahrheit sein, dass Einigung dieser Staaten zu einem Zoll- und
Handelsverbande zugleich auch Einigung zu einem und demselben politischen
System mit sich fuehrt."

Nun wird in grossen Zuegen die friderizianische Politik den Wittelsbachern
gegenueber geschildert: wie Friedrich den ersten Nichtoesterreicher,
Karl VII., auf den Kaiserthron erhoben, dann durch den bayrischen
Erbfolgekrieg und den Fuerstenbund Bayern dreimal vom Untergange gerettet
habe. Preussen hat bisher von alledem noch keine Frucht geerntet. Bayerns
feindselige Haltung zur Zeit des Rheinbundes und der Ansbach-Baireuther
Haendel erklaert sich nur aus "der totalen Verwirrung und Verirrung der
Staatenpolitik" jener revolutionaeren Tage. Heute aber kann Preussen kein
Misstrauen mehr einfloessen, sondern muss wuenschen, "mit allen den Staaten,
die nur von wahrhaft deutschem Interesse geleitet und Preussen mit offenem
Vertrauen ergeben sind, nicht aber etwa den Besitz deutscher Provinzen
bloss als Vehikel fuer Foerderung der Interessen ihrer groesseren auswaertigen,
Deutschlands Interessen fremden Staatenkoerper zu benutzen streben, in
jeder Beziehung, politisch und kommerziell, sich recht innig und recht
enge zu verbinden". Moeglich bleibt doch der fuer jetzt allerdings "nicht
leicht gedenkbare" Fall, dass entweder ein allgemeiner Krieg ausbraeche,
oder "dass der Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt sich einmal
aufloeste und mit Ausschluss aller heterogenen Teile sich neu gestaltete";
dann wuerde unser Handelssystem ungeheuer wichtig werden. Viertens bringt
uns das Handelssystem eine militaerische Verstaerkung um 92000 Mann. Bayerns
Zutritt entschied die Kriege von 1805 und 1806 zu Napoleons Gunsten,
desgleichen der Rheinbund den Krieg von 1809. Gegen Frankreich koennen wir
unser Rheinland nur decken, wenn wir der bayrischen Pfalz sicher sind;
Oesterreich aber wird durch den Handelsbund in einem weiten Bogen umfasst,
kann von Schlesien und Altbayern her zugleich bedroht werden. Die
Denkschrift schliesst: "In dieser, auf gleichem Interesse und natuerlicher
Grundlage ruhenden und sich notwendig in der Mitte von Deutschland
erweiternden Verbindung wird erst wieder ein in Wahrheit verbuendetes, von
innen und von aussen festes und freies Deutschland unter dem Schutz und
Schirm von Preussen bestehen. Moege nur das noch Fehlende weiter ergaenzt und
das schon Erworbene mit umsichtiger Sorgfalt noch weiter ausgebildet und
festgehalten werden!"

So der preussische Finanzminister, ein Jahr vor der Julirevolution, zwei
Jahre bevor Paul Pfizer(103) den Briefwechsel zweier Deutschen erscheinen
liess! Unter allen Aeusserungen deutscher Staatsmaenner aus jener Zeit ist
keine, die so entschieden mit der Politik des friedlichen Dualismus
bricht, die so rund heraussagt: los von Oesterreich! Und welche Sicherheit
des Blicks in allem und jedem! Der Mann wusste schon 1829 bis auf einen
geringfuegigen Irrtum ganz genau, in welcher Reihenfolge bis zum Jahre 1866
die deutschen Staaten dem Zollverein beigetreten sind.

In einem Rundschreiben an ihre Gesandten sprach die preussische Regierung
offen aus: der Vertrag mit Bayern stelle eine noch engere Vereinigung und
die allmaehliche Verwirklichung der deutschen Handelseinheit in Aussicht.
Noch blieben am bayrischen Hofe tausend Bedenken zu ueberwinden. Koenig
Ludwig, gewoehnt an unbedingte Selbstherrschaft, zuernte heftig, weil seine
Unterhaendler in einigen Punkten ihre Instruktionen ueberschritten hatten;
er konnte das alte sueddeutsche Misstrauen gegen die preussischen Kniffe
nicht ueberwinden, maekelte an jedem Worte, fuerchtete ueberall doppelte
Auslegung. Auch der beruehmte Streit ueber das *Alternat*(104), der in jenen
Tagen die Mussestunden der Bundestagsgesandten wuerdig ausfuellte, wirkte
stoerend. Die koeniglichen Hoefe wollten den grossherzoglichen wohl die
Gleichberechtigung beim Vortritt, doch nicht bei den Unterschriften
zugestehen; nach vielem Herzeleid behalf man sich endlich, fertigte nur
zwei Haupturkunden aus, die eine fuer Preussen-Hessen, die andere fuer
Bayern-Wuerttemberg gemeinsam. Dazu die begreifliche Furcht des Muenchener
Hofes vor der Kleinmeisterei seines Landtags. Cotta bat instaendig: "nicht
zu vergessen, dass wir selbst Vorurteilen froehnen muessen, um die hoeheren
grossen Zwecke zu erreichen, besonders den Verein". In gleichem Sinne
schrieb Armansperg an Motz: "das gewiss segensreiche Werk, welches durch
den Handelsvertrag nunmehr in das Leben treten wird, verdankt Deutschland
groesstenteils der Grossartigkeit Ihrer Ideen und der taetigen Sorgfalt, womit
Ew. Exzellenz die Unterhandlungen leiteten und jede Einseitigkeit zu
entfernen strebten. Wenn dem Geiste Ew. Exzellenz manches, wonach unsere
Wuensche zielen, kleinlich erscheinen wird, so moegen Sie in Erwaegung
ziehen, dass in den Hallen der Staende manch Kleinliches hauset und nicht
immer durch die Waffe der Vernunft bekaempft und besiegt werden kann" --
worauf dann im Interesse der oberpfaelzischen Hammerwerke gebeten ward, die
groben Eisenwaren unter die Ausnahmeartikel zu stellen. Im Laufe des
Sommers hat Cotta selbst in Brueckenau und Friedrichshafen die letzten
Bedenken der beiden sueddeutschen Koenige beschwichtigt; sie ratifizierten,
ueberhaeuften den gewandten Unterhaendler mit Gunst. Koenig Wilhelm zeigte
sich ebenso unbefangen wie sein Minister Varnbueler; von den alten
caesarischen Traeumen war keine Rede mehr. Dann schickte Preussen zwei seiner
besten Finanzmaenner, Sotzmann und Pochhammer, nach Muenchen, um die neuen
Zolleinrichtungen einfuehren zu helfen. Die bayrischen Beamten erstaunten,
soviel Geduld und Schonung bei den verrufenen Preussen zu finden; in
gemeinsamer ernsthafter Arbeit trat man einander naeher.

Nun der schwere Entschluss gefasst war, segelte Koenig Ludwig sogleich mit
rastlosem Ungestuem in dem neuen Fahrwasser dahin. Er pries in
ueberschwenglichen Worten die Redlichkeit, die Maessigung, die Groesse der
Ansichten des Berliner Kabinetts, versicherte dem Bildhauer Rauch, wie
stolz er sei, mit dem Staate Friedrichs Hand in Hand zu gehen, wie
rechtschaffen und weise Koenig Friedrich Wilhelm sich gehalten habe. Die
oeffentliche Meinung im Sueden nahm den Vertrag voll Misstrauens auf; eine
Deputation, die dem Koenige den Dank der guten Stadt Noerdlingen aussprach,
blieb eine vereinzelte Erscheinung. In den hoeheren Kreisen des bayrischen
Beamtentums fuehlte man doch, dass endlich nach langen Irrfahrten fester
Ankergrund gefunden sei. Der Bundestagsgesandte Lerchenfeld erhielt
strenge Weisung, sich der mitteldeutschen Zettelungen zu enthalten, und
wirkte fortan zu Frankfurt und Kassel redlich mit seinen preussischen
Genossen zusammen. Die freieren Koepfe ahnten von vornherein, dass dies
gesunde naturgemaesse Buendnis zwischen den beiden groessten deutschen Staaten
weiter fuehren musste. Schon bei den Berliner Verhandlungen hatte Hofmann
die Frage aufgeworfen, ob nicht Preussens westliche Provinzen mit dem Sueden
sogleich einen wirklichen Zollverein bilden sollten. In dieser unreifen
Form war der Gedanke fuer Preussen unannehmbar. Sobald man den Vertrag
ausfuehrte, zeigte sich jedoch rasch, dass man nicht auf halbem Wege stehen
bleiben konnte. Die bayrische Rheinpfalz erhielt bayrische Mauten, da man
sich in Muenchen nicht hatte entschliessen koennen, sie dem preussischen
Zollsystem einzufuegen. Das Ergebnis war trostlos: die Provinz brachte im
Jahre 1830 nur 165000 Gulden an Zoellen auf, waehrend die Grenzbewachung
248000 Gulden verschlang. Der Landrat der Pfalz bat und klagte; der
Zustand konnte nicht dauern. Schon im Februar 1830 fragte der unermuedliche
Cotta bei Hofmann vertraulich an, wie man denn bei vollstaendiger
Zollgemeinschaft mit den preussischen Behoerden auskomme. Hofmann antwortete
mit einem warmen Lobe fuer die preussischen Beamten, die sich zwar anfangs
sehr misstrauisch zeigten, nachher aber, sobald sie die Zuverlaessigkeit der
hessischen Verwaltung kennen lernten, ganz umgaenglich wurden.

Das Ausland und seine Gesellen, die Mitteldeutschen, sahen mit wachsendem
Schrecken, wie Preussens Handelspolitik binnen Jahresfrist einen zweiten
grossen Erfolg errang. Vergeblich hatte das saechsische Kabinett noch
waehrend der Berliner Verhandlungen den Muenchener Hof fuer den
mitteldeutschen Bund geworben; vergeblich war der Nassauer Roentgen, jener
alte vielgeschaeftige Feind Preussens, nach Stuttgart gereist, um dort
vorzustellen: Motz, der ruchlos ehrgeizige Kraftmensch, wolle Preussen
durch die Entfesselung der industriellen Kraefte zur leitenden deutschen
Macht erheben. In Berlin selbst arbeiteten einige Agenten des
mitteldeutschen Vereins, so der Frankfurter Senator Guaita. Oesterreich
sendete den Hofrat Eichhof nach Muenchen, um Bayern durch das Angebot
einiger geringfuegigen Handelserleichterungen von Preussen hinwegzulocken
und zugleich den Koenig Ludwig zu erinnern, wie feindselig Preussen in der
Sponheimer Sache gehandelt habe. Muench in Frankfurt versuchte wieder
einmal, den Darmstaedter Hof gegen Hofmann, "dies Werkzeug Preussens",
einzunehmen. Die Diplomatie Englands, Frankreichs, Hollands -- voran Lord
Erskine und Graf Rumigny in Muenchen -- ward nicht muede, vor Preussen zu
warnen. Von allen fremden Maechten zeigte sich wieder nur Russland als ein
treuer Freund Preussens; Anstett in Frankfurt sprach offen und
nachdruecklich fuer die Berliner Handelspolitik.

Nach und nach begann doch die vollendete Tatsache ihren Zauber zu ueben.
Wie lange sollte man noch die Klagen der misshandelten Nation ertragen? Wie
lange noch sich abquaelen an allezeit vergeblichen Sonderbuenden, waehrend
Preussen jede handelspolitische Verhandlung regelmaessig erfolgreich
hinausfuehrte? Selbst Blittersdorff, der rastlose Parteigaenger Oesterreichs,
gab nunmehr die Sache Habsburgs fast verloren. Wenn Preussen, so schrieb
er, alle deutschen Staaten unter seinem Handelssystem vereinigt, dann ist
Oesterreich faktisch aus dem Deutschen Bunde hinausgedraengt! Der Verkehr
wird dadurch nicht zentralisiert, sondern, bei der grossen Anzahl unserer
kleinen Mittelpunkte, ueberall gleichmaessig belebt werden. Die Gefahren fuer
die Souveraenitaet sind geringer in einem grossen Zollverein, als wenn man
versucht, der Zeit in den Weg zu treten. --

Die preussisch-bayrischen Verhandlungen blieben ein Schlag ins Wasser,
solange der Verkehr zwischen den beiden Staaten den willkuerlichen
"Retorsionen" des mitteldeutschen Vereins unterlag. Die neue Strasse von
Westfalen durch das darmstaedtische Gebiet verband nur die westlichen
Provinzen Preussens mit den Laendern der sueddeutschen Bundesgenossen und
fuehrte ueberdies in der Frankfurter Gegend einige Stunden lang durch
mitteldeutsches Vereinsland. Sollte der preussisch-bayrische Bund
Lebenskraft gewinnen, so war eine zollfreie Strasse zwischen den
Hauptmassen der beiden verbuendeten Zollvereine unentbehrlich. Da erinnerte
sich Motz zur guten Stunde an den Strassenduenkel des Meininger Reiches und
an jenen untertaenigen Entschuldigungsbrief des Gothaer Herzogs. Wie nun,
wenn Preussen dem Meininger Lande die Mittel bot, jene Welthandelsstrasse
zwischen Italien und der Nordsee wirklich zu bauen? Der Wunsch, den
Verkehr im Lande zu halten, blieb ja der hoechste Gedanke, dessen die
Handelspolitik der Kleinstaaten jener Tage faehig war. Wie oft sind die
Staatsmaenner der Ernestiner nach Muenchen oder Berlin geeilt, um durch
dringende Bitten den Bau einer Umgehungsstrasse zu verhindern; wie jammerte
Frankfurt, da im Fruehjahr 1829 ein Spediteur Waren aus der Schweiz nach
Leipzig ueber Nuernberg sendete und billigere Fracht berechnete als seine
Frankfurter Konkurrenten. Diese Strassenpolitik war das beste Ruestzeug des
Mitteldeutschen Vereins, und Motz beschloss, die Verbuendeten mit ihren
eigenen Waffen zu schlagen. Er eroeffnete Verhandlungen mit Meiningen und
Gotha, noch bevor der bayrische Vertrag abgeschlossen war. Der Herzog von
Koburg kam selbst nach Berlin. Am 3. Juli 1829 wurde mit Meiningen, tags
darauf mit Gotha ein Vertrag geschlossen, "um die Hindernisse zu
beseitigen, die vorzueglich durch oertliche Verhaeltnisse dem Handel und
gewerblichen Verkehr entgegenstehen". Die drei Staaten verpflichteten sich
gemeinsam, einen grossen Strassenzug zu bauen von Langensalza ueber Gotha
nach Zelle, von da ueber Meiningen nach Wuerzburg und ueber Suhl,
Hildburghausen, Lichtenfels nach Bamberg. Preussen schoss den kleinen Herren
die Gelder vor. Der Durchfuhrhandel auf den neuen Strassen wurde voellig
freigegeben. Dazu mehrfache Zollerleichterungen und freier nachbarlicher
Verkehr zwischen Meiningen, Gotha und Preussens thueringischen Enklaven. Es
war dieselbe Strasse quer ueber den Kamm des Thueringer Waldes, die nachher
in der Eisenbahnpolitik des Deutschen Reiches noch einmal eine bedeutsame
Rolle spielen sollte.

Diese beiden unscheinbaren Vertraege haben in Wahrheit den Mitteldeutschen
Verein vernichtet. Denn jetzt erst erhielt der preussisch-bayrische Vertrag
praktischen Wert. Motz eilte selbst nach Thueringen, um den raschen Ausbau
der Strassen zu foerdern. Sobald dieser zollfreie Strassenzug vollendet war,
standen die beiden verbuendeten Zollvereine in gesicherter geographischer
Verbindung, ihre voellige Verschmelzung blieb nur noch eine Frage der Zeit.
Zugleich hatte das Berliner Kabinett mit Mecklenburg den Bau einer neuen
Strasse von Hamburg nach Magdeburg verabredet. Der maechtige Warenzug
zwischen der Nordsee und der Schweiz ward von Hannover, Kassel und
Frankfurt hinweggelenkt auf die Strasse Magdeburg-Nuernberg. Der
Mitteldeutsche Verein, der Bayern und Preussen auseinander halten sollte,
wurde durch einen Meisterstreich der preussischen Diplomatie selber in der
Mitte zerspalten. Immer wieder draengt sich der Gedanke auf, wieviel
langsamer der Knoten sich haette entwirren lassen, wenn ein Reichstag die
diplomatische Aktion des Berliner Hofes laehmte. Wer diese unterirdische
Arbeit auf ihren verschlungenen Wegen verfolgt, der muss, wo nicht
billigen, so doch verstehen, dass ein freier Geist wie Trendelenburg(105),
damals den preussischen Absolutismus als einen Segen fuer Deutschland pries.

Preussen vollzog mit jenen zwei Vertraegen nur eine Tat erlaubter Kriegslist
wider erklaerte Gegner, und doch keinen feindseligen Schritt, keine
gehaessige Retorsion. Die Niederlage des Mitteldeutschen Vereins war um so
vollstaendiger, da niemand das Recht hatte, sich ueber Preussen zu beklagen.
Waehrend sonst die Handelspolitik den Feind durch Handelserschwerungen zu
schlagen sucht, entwaffneten Motz und Eichhorn den Kasseler Sonderbund
durch die Erleichterung des deutschen Verkehrs; sie konnten sogar den Dank
der Mitteldeutschen beanspruchen fuer die Eroeffnung einer zollfreien
Strasse. Den beiden thueringischen Fuersten freilich gereichte der Hergang
nicht zur Ehre. Verlockt durch die Aussicht auf den Besitz einer grossen
Handelsstrasse, wurden die Herzoege zu Verraetern an ihren mitteldeutschen
Verbuendeten. Sie verletzten zwar nicht den Wortlaut, doch den Sinn des
Kasseler Vertrages, der den Bundesgenossen allerdings den Abschluss von
Handelsvertraegen gestattete, aber unzweifelhaft den Zweck verfolgte, die
Erweiterung des preussischen Zollsystems zu verhindern. Das boese Beispiel
weckte bald Nachahmung. Der Mitteldeutsche Verein, gegruendet durch
partikularistische Selbstsucht, sollte ein wuerdiges Ende finden; er sollte
nach und nach zerbroeckeln durch ein frivoles Spiel mit Treu und Glauben.

Zugleich bereitete Motz in diesem tatenreichen Sommer den Mitteldeutschen
noch eine Ueberraschung, die ihrem Handel Segen, ihrem Sonderbunde
Verderben brachte. Er verstaendigte sich mit den Niederlanden ueber die
Rheinschiffahrt und eroeffnete also seinen sueddeutschen Verbuendeten die
Aussicht auf freien Verkehr mit der Nordsee. Sobald der britische Kaufmann
seine Waren zollfrei rheinaufwaerts bis nach Frankfurt und Mannheim senden
konnte, musste England das Interesse an dem Mitteldeutschen Verein
verlieren, und dem Sonderbunde war eine maechtige Stuetze entzogen. --

Nach so gruendlichen Niederlagen haetten ernsthafte Staatsmaenner den
Sonderbund als einen verunglueckten Versuch sofort aufgeben und eine
Verstaendigung mit den ueberlegenen Zollvereinen des Suedens und des Nordens
suchen muessen. Doch die unverwuestliche Zanksucht dieser kleinen Hoefe
wollte nicht Frieden halten, ihr Duenkel straeubte sich gegen ein
beschaemendes Gestaendnis. Der saechsische Gesandte in Wien, Graf
Schulenburg, wusste Wunder zu berichten von den Handelserleichterungen, die
Metternich in allgemeinen Andeutungen dem Verein versprach; aehnliche
Zusagen, ebenso unbestimmt gehalten, gab der franzoesische Gesandte Graf
Fenelon dem Nassauer Hofe. In Hannover lebte ungebrochen der alte
Welfenstolz; Graf Muenster bot alle kleinen Kuenste auf, um den Meininger
Herzog durch seine Schwester, die Herzogin von Clarence, von Preussen
abzuziehen. Im Februar 1829 war Varnhagen von Ense(106) von der
preussischen Regierung nach Kassel und Bonn gesendet worden, um nochmals
eine Beilegung des ehelichen Zwistes im kurfuerstlichen Hause zu versuchen.
Er hatte sich des undankbaren Auftrags mit erstaunlichem Ungeschick
entledigt, bei Hruby, dem grimmigen Feinde Preussens, sich belehren lassen
ueber die Lage. Das Ende war, dass die beiden Gatten unversoehnlicher denn je
einander gegenueberstanden, und der Kurfuerst in schaeumender Wut seinem
koeniglichen Schwager Rache schwur. So geschah es, dass das laengst verlorene
Spiel der Mitteldeutschen noch durch einige Jahre fortgesetzt wurde, bis
Preussen den Gegnern auch den letzten Stein aus dem Brette geschlagen
hatte.

Seit dem Juni 1829 tagte in Kassel abermals der Kongress der
Mitteldeutschen -- ein Bild vollendeter Ratlosigkeit, ohnmaechtigen Grolles.
Alles tobte wider die Verraeter in Meiningen und Gotha, die dem Verein "ein
wichtiges Objekt" geraubt hatten; man sendete Kommissaere hinueber, um die
beiden Herzoege zu verwarnen. Alles zitterte vor der freien preussischen
Handelsstrasse Hamburg-Nuernberg. Selbst die patriotische Hoffnung, dass
Daenemark vielleicht den Bau jener Strasse hindern werde, bot keinen Trost;
denn das kleine Stueck holsteinischen Gebiets zwischen Hamburg und der
mecklenburgischen Grenze konnte leider auf der Elbe umgangen werden! Der
nassauische Bevollmaechtigte Roentgen pflegte auch dem befreundeten
badischen Hofe Bericht zu erstatten ueber den Gang der Verhandlungen. Diese
Berichte wurden von Karlsruhe getreulich der preussischen Regierung
mitgeteilt; man kannte also in Berlin aus erster Quelle die rettungslose
Verwirrung des feindlichen Lagers. Schon in einer der ersten Sitzungen
warf ein Bevollmaechtigter die wohlberechtigte naive Frage auf: "worin denn
eigentlich das materielle Wesen des Vereins bestehe?" Man fuehlte, dass man
"eine Gesamtautonomie gruenden muesse, um die eigene Autonomie zu bewahren".
Man verlangte nach einem "Gemeingut", das als Unterhandlungsmittel gegen
Preussen dienen solle. Die Laecherlichkeit eines Zollvereins ohne gemeinsame
Zoelle begann zwar einzelnen einzuleuchten; selbst Nassau meinte, die
Vorteile des freien Binnenhandels ueberwoegen unendlich jede Erleichterung
des auslaendischen Verkehrs. Aber, hiess es dawider, "wuerde der Verein ein
wirklicher Mautverband, so muessten wir schliesslich doch preussische Farbe
annehmen!" Sechs Kommissionen wurden gebildet, um im Stile des Bundestages
ueber alle erdenklichen Fragen der Verkehrspolitik hin und her zu reden.
Absonderliche patriotische Freude erregte der Vorschlag, den 21 Guldenfuss
anzunehmen und also "das preussische Geld zu verdraengen".

Von neuem tauchte der Gedanke auf, mehrere Buende im Bunde zu bilden --
zwei, drei oder vier, was verschlug es? Diese politischen Mollusken liessen
sich doch in jede beliebige Form pressen. Hannover wuenschte einen
Sonderbund der Kuestenstaaten. In lehrhafter Denkschrift bewies Smidt von
Bremen, dass die Vereinsstaaten teils in horizontaler, teils in vertikaler
Richtung zu den grossen deutschen Handelsstrassen laegen; sie moechten also
zwei oder drei Gruppen bilden. Die freie Stadt Bremen, versteht sich,
muesse unabhaengig bleiben, denn sie "qualifiziert sich von selbst als eine
Ausnahme von der Regel des Handelsvereins". Indes begann dem gewiegten
Handelspolitiker doch unheimlich zu werden; er riet dringend zu
Verhandlungen mit den beiden anderen Zollvereinen.

Unverhohlen sprach sich die aengstliche Unlust der thueringischen Staaten
aus. Reuss beantragte sofort Verhandlungen mit Preussen zu eroeffnen;
Meiningen und Gotha drohten, ihres eigenen Weges zu gehen, wenn der Verein
nicht mit Preussen sich verstaendige. Geschaeftig trugen die Bevollmaechtigten
der kleinen Thueringer dem preussischen Gesandten Haenlein die Geheimnisse
des Vereins zu. Doch die groesseren Staaten Hannover, Sachsen, Hessen,
Weimar blieben hartnaeckig. Die rastlosen Treiber Carlowitz, Grote, Conta
brachten endlich am 11. Oktober 1829 einen neuen Bundesvertrag zustande.
Die Verpflichtung, einseitig keinem auswaertigen Zollverein beizutreten,
wurde verlaengert bis zum Jahre 1841, weil der preussisch-bayrische Vertrag
bis zu diesem Jahre waehrte. Die Durchfuhrzoelle auf den grossen, das Ausland
mit dem Auslande verbindenden Strassen sollten nur nach gemeinsamer
Verabredung veraendert werden. Es lag auf der Hand, dass dieser Artikel
allein bestimmt war, den Verkehr zwischen Preussen und Bayern zu
erschweren, die Wiederholung der Gothaer und Meininger Vorgaenge zu
verhindern. Preussen versuchte auch sofort den Beschluss zu hintertreiben.
Eichhorn schrieb an Buelow in London: "von der kurhessischen Regierung ist
man schon lange gewohnt, dass sie das Verkehrte tut und keine Verhaeltnisse
achtet"; unbegreiflich aber sei Hannovers Verhalten; der Gesandte solle
daher in London nachdrueckliche Beschwerden erheben. Trotzdem ging der
Beschluss durch, und nach dieser unzweideutigen Feindseligkeit bestimmte
man in Kassel noch, dass Sachsen, Hannover und Kurhessen im Namen des
Vereins Verhandlungen mit Preussen eroeffnen sollten -- jenes Kurhessen, das
sich in den groebsten Beleidigungen gegen den Berliner Hof erging!

Im uebrigen blieb auch dieser zweite Vertrag nahezu inhaltlos; keine irgend
erhebliche Verkehrserleichterung war vereinbart. Daher erhob sich sofort
nach dem Abschlusse des Vertrages ueberall heftiger Widerstand. Die
Ratifikation konnte erst im April 1830 erfolgen. Meiningen und Gotha
versagten ihre Zustimmung. Die reussischen Laender folgten am 9. Dezember
1829 dem Beispiel ihrer Nachbarn, sie vereinbarten mit Preussen
Handelserleichterungen und Strassenbauten und versprachen, dem preussischen
oder dem bayrischen Verein beizutreten, sobald sie ihrer Pflichten gegen
die Mitteldeutschen ledig seien. Im Frankfurter gesetzgebenden Koerper
fragte man murrend: warum verstaendige Kaufleute sich verpflichten sollten,
zwoelf Jahre lang nichts zu tun? Einflussreiche Firmen forderten den
Anschluss an Preussen, selbstverstaendlich nicht zu gleichem Rechte: das
maechtige Frankfurt sollte nur "einen Freihafen des preussischen Vereins"
bilden. Die Stadt litt schwer; Spedition und Fabriken begannen nach
Offenbach ueberzusiedeln. Dennoch behauptete die oesterreichische Partei die
Oberhand. Sachsen und Weimar, erschreckt durch den schwunghaften
bayrisch-preussischen Verkehr dicht neben ihren Grenzen, knuepften ihre
Ratifikation an den Vorbehalt: vom Jahre 1835 muesse ihnen der Austritt
freistehen, falls bis dahin Preussen und Bayern zu einem Zollverein sich
verschmolzen haetten. Der rastlose Roentgen reiste von einer preussischen
Gesandtschaft zur anderen, versuchte sich zu entschuldigen: wer haette denn
vor einem Jahre ahnen koennen, dass Preussen in der orientalischen Frage und
in den Zollsachen eine so glueckliche Rolle spielen wuerde? Als Maltzan
allen Anzapfungen nur ein diplomatisches Schweigen entgegensetzte, fuhr
der beleidigte Nassauer heraus: "Es ist unrecht, auch den kleinsten Feind
zu missachten" -- worauf jener verbindlich erwiderte: "Also Ihr seid unsere
Feinde?" Endlich genehmigte Nassau den Vertrag nur mit der Erklaerung: als
unbedingt verpflichtend koenne er nicht gelten. So drohten Abfall und
Verrat von allen Seiten her.

Bei der verblendeten Selbstueberschaetzung dieser Kabinette laesst sichs nicht
leicht entscheiden, ob die drei fuehrenden Mittelstaaten ernstlich hofften,
Zugestaendnisse von Preussen zu erlangen, oder ob sie die Verhandlungen mit
dem Berliner Hofe lediglich begannen, um ihre unzufriedenen thueringischen
Bundesgenossen zu beschwichtigen. Genug, das hannoeversche
Kabinettsministerium richtete schon am l4. August an Bernstorff die Frage,
ob Preussen mit den Verbuendeten unterhandeln wolle, und fuegte in der
ueblichen hochtrabenden Weise hinzu: "Der Verein sei wohl imstande, solche
Vorteile anzubieten, welche die Zugestaendnisse aufwiegen duerften". In
Berlin ergriff man die Gelegenheit, den Mitteldeutschen unumwunden die
Meinung zu sagen und zugleich den nationalen Sinn der preussischen
Handelspolitik ausfuehrlicher als je zuvor darzulegen. Ein
Ministerialschreiben vom 31. Oktober 1829 hielt der hannoverschen
Regierung ihr gehaessiges unaufrichtiges Verfahren vor, schilderte
drastisch den Handelsverein, der "nichts Gemeinsames habe als das Motiv,
woraus er entsprang; im uebrigen findet man nur ein Aggregat besonderer
Interessen". Wesentliche Vorteile hat der Verein uns nicht zu bieten, es
muesste denn sein, dass er den Verkehr zwischen unseren Provinzen erschweren
wollte. "Vor dergleichen feindseligen Massregeln hegt die preussische
Regierung ueberhaupt keine Besorgnis." Mit Hannover allein sind wir bereit
zu verhandeln, nicht mit einer Mehrzahl grundverschiedener Staaten.
Preussen hat jetzt, nach den neuesten vorteilhaften Vertraegen, noch weniger
als sonst ein unmittelbares Interesse an solchen Verhandlungen, sondern
nur das eine Interesse, "dass dadurch eine engere Verbindung zwischen den
deutschen Voelkern begruendet und durch diese ein neuer Segen ueber
Deutschland und dessen einzelne Staaten verbreitet werde. Wird dabei der
Grundsatz befolgt, solche gemeinschaftliche Massregeln zu verabreden,
wodurch nur in dem eigenen Gebiet bisher bestandene Hemmungen im
gegenseitigen Verhaeltnis zueinander aufgehoben und keine neuen zur Stoerung
des Verkehrs mit anderen Staaten angeordnet werden, so kann sich niemand
ueber eine Vereinigung, welche auf einer solchen Grundlage errichtet wird,
beschweren. Jede solche Vereinigung bildet vielmehr den Uebergang zu einer
neuen; und in einer solchen praktisch fortschreitenden Entwicklung, welche
keinem feindseligen Prinzip Raum gibt, laesst sich hoffen, dass allmaehlich
das Problem einer gegenseitigen Freiheit des Verkehrs zwischen den
deutschen Staaten in dem groesstmoeglichen Umfange, welchen ueberhaupt die
Natur der Verhaeltnisse gestattet, geloest werde." Hannover suchte noch
einige unwahre Entschuldigungen vorzubringen, doch allein mit dem Berliner
Hofe zu verhandeln, war dem Welfenstolze unmoeglich.

Sachsen und Kurhessen unterliessen nunmehr jede Anfrage; indes konnte sich
der Dresdener Hof eine Rechtfertigung seiner Handelspolitik nicht
versagen. Geh. Rat v. Koenneritz(107) -- in spaeteren Jahren als Minister
eine Saeule der hochkonservativen Partei --, verfasste eine Denkschrift im
kursaechsischen Kurialstile und wiederholte darin die alten hundertmal
widerlegten Anklagen gegen das preussische Zollsystem. Dann versicherte
"Man annoch fordersamst": der Mitteldeutsche Verein sei "eine
voelkerrechtlich vollkommen statthafte und in der Staatengeschichte gar
nicht ungewoehnliche Uebereinkunft mehrerer souveraener Staaten, eine zur
Rettung der dem hiesigen Lande unentbehrlichen Nahrungszweige, des
Fabrikwesens und des Handels, notwendig bedungene Massregel" -- und sprach
sein Befremden aus, dass Preussen dieser unschuldigen Verbindung
entgegenarbeite. Motz, von Eichhorn befragt, ob eine Verhandlung mit
Sachsen raetlich sei, erwiderte: "Sachsen gewinnt durch eine
Zollvereinigung mit Preussen in allen Beziehungen vorzugsweise, und Preussen
kann dieselbe mehr nur in politischer, weniger in finanzieller Beziehung
wuenschen. Auch die politischen Vorteile sind mehr in der hierdurch
gefoerderten Einigung von Deutschland als in dem besonderen Anschluss von
Sachsen an Preussen zu suchen. Sachsen kann freundlicher, ruecksichtsvoller
Verhandlungen gewaertig sein, wenn es seine mitteldeutschen Verpflichtungen
aufgibt, deren Dauer den Anschluss an das preussische Zollsystem geradezu
verhindert. Herr v. Koenneritz gehoert zu den beschraenkten einseitigen
Koepfen, deren Belehrung, wenn man auch Zeit daran wenden wollte, ebenso
unfruchtbar bleiben wuerde als die ganze Idee des Mitteldeutschen Vereins."
Darauf verwies das Auswaertige Amt dem Gesandten in Dresden, dass er das
anmassende saechsische Schriftstueck angenommen habe, und begnuegte sich, die
Beschuldigungen der Denkschrift kurz zu widerlegen.

Unterdessen arbeitete Hannover heimlich an einem Verein der Kuestenstaaten.
Am 27. Maerz 1830 kam zu allgemeiner Ueberraschung der Eimbecker Vertrag
zustande, ein Werk Grotes, die Grundlage des spaeteren norddeutschen
Steuervereins. Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Kurhessen
verpflichteten sich, innerhalb des Mitteldeutschen Vereins einen
Zollverein mit gemeinschaftlichen niedrigen Zoellen zu bilden. Vorderhand
war alles freilich noch Entwurf. Dass die Kuestenstaaten sich zusammentaten,
erschien nicht ganz unnatuerlich; Motz selbst urteilte mild ueber den
Eimbecker Vertrag. Hannover war nun einmal unfrei der englischen
Handelspolitik gegenueber; auch bestand damals weit verbreitet und
festgewurzelt die Meinung, dass die Volkswirtschaft der Nordseekueste von
den preussischen Zustaenden sehr weit abweiche -- ein Vorurteil, das erst
nach zwei Jahrzehnten ueberwunden wurde. Um so mehr musste die Teilnahme des
Binnenlandes Kurhessen befremden. Die Luft ward schwuel in dem
ungluecklichen Lande. Die Reichenbach befuerchtete einen Aufstand; irgend
etwas, stellte sie dem Kurfuersten vor, muesse geschehen, um das misshandelte
Volk zu beschwichtigen. Da nun der Kurfuerst nicht mit Preussen gehen
wollte, so schloss er den Eimbecker Vertrag, der mindestens an der
hannoverschen Grenze Erleichterungen versprach. --

Das war die Lage der deutschen Volkswirtschaft, als die Julirevolution
hereinbrach, das alte System in den Hauptstaaten des Mitteldeutschen
Handelsvereins ueber den Haufen warf und also dem Verein den letzten Stoss
gab.

Motz selber sollte den vollstaendigen Sieg seiner Ideen nicht erleben; er
starb, erst vierundfuenfzigjaehrig, am 30. Juni 1830. Er nahm ins Grab die
feste Zuversicht, dass Preussens Handelspolitik die eingeschlagenen Bahnen
nicht mehr verlassen koenne; "mein eigenes Departement macht mir am
wenigsten Sorge", sagte er oft in seinen letzten Tagen. Wie gaenzlich hatte
sich Preussens deutsche Machtstellung veraendert in den fuenf Jahren, seit
dieser Mann den Staatshaushalt leitete! Die auslaendische Presse selbst,
die sonst so gleichgueltig an den deutschen Dingen vorueberging, fing schon
an aufzumerken. Wenn diese Staaten, schrieb der Constitutionnel, schon die
Einheit ihrer Handelsinteressen erkennen, so werden sie auch bald
entdecken, dass sie dieselben politischen Interessen haben, und das wird
ein Sieg sein ueber Oesterreich. Die Edinburgh Review aber sagte mit jener
englischen Bescheidenheit, die sich auch im Lobe nie verleugnet: "Die
preussische Handelspolitik, die vielleicht der jedes anderen Staates in der
Welt ueberlegen ist, verdankt ihren Ursprung wahrscheinlich dem
Selbstbereicherungstriebe eines absoluten Herrschers." Vor kurzem noch
verhasst und gemieden, war Preussen jetzt mit den bekehrten Kernlanden des
Rheinbundes zu einem grossen nationalen Zwecke verbuendet. Das vor zehn
Jahren von ganz Deutschland bekaempfte preussische Zollgesetz begann bereits
siegreich vorzudringen, und schon liess sich voraussehen, dass es seine
Herrschaft bis zum Bodensee erstrecken wuerde. In Berlin, nicht mehr in
Frankfurt und Wien, wurden die grossen Geschaefte der Nation erledigt.

Motz hatte in einem kurzen diplomatischen Kriege, der mit seinen fest und
sicher geleiteten weitverzweigten Verhandlungen an die Entstehung des
fridericizianischen Fuerstenbundes erinnert, nicht bloss den Gegenzollverein
nahezu gesprengt, sondern auch durch geistige Waffen die Gegner
geschlagen, den Unsinn des feindlichen Unternehmens dargetan und vor aller
Welt erwiesen, dass Oesterreich fuer die Noete der Nation nur leere Worte
hatte, Preussen die heilende Tat. Nicht eine zufaellige Verkettung der
Umstaende fuehrte den Sueden auf kurze Zeit mit dem Norden zusammen, wie
einst die Genossen des Fuerstenbundes. Die Gemeinschaft, die jetzt sich
bildete, war unzerstoerbar. Sie entsprang den Lebensbeduerfnissen eines
arbeitenden Jahrhunderts, und ueber ihren unscheinbaren ersten Anfaengen
waltete der freie Geist eines Mannes, der fast allein in mueder,
verdrossener Zeit schon hellen Auges die schlummernden Kraefte des
germanischen Riesen erkannte, die grosse Zukunft des "in Wahrheit
verbuendeten Deutschlands" ahnte.

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. III, 623ff.

                            ------------------

   65 Maximilian I., Joseph, Koenig von Bayern von 1805-1825, geb. 27. Mai
      1756.

   66 Staat im Staate.

   67 August v. Roentgen, geb. 10. Juni 1781, gest. 5. August 1865, damals
      nassauischer Gesandter in Muenchen.

   68 Wilhelm (gest. 20. August 1839).

   69 Ludwig, seit 13. Oktober 1825 Koenig Ludwig I.

   70 Karl Salomon Zachariae von Lingenthal, geb. 14. September 1769, gest.
      27. Maerz 1843, Professor der Rechte an der Universitaet Heidelberg,
      1825 Mitglied der zweiten badischen Kammer.

   71 Ludwig I., geb. 14. Juni 1753, gest. 6. April 1830.

   72 Preussischer Gesandter am badischen Hofe.

   73 Karl Ludwig Wilhelm v. Grolman, geb. 23. Juli 1775, gest. 14.
      Februar 1829, Professor der Rechte in Giessen, seit 1819 Minister des
      Innern und der Justiz.

   74 Joachim Graf v. Muench-Bellinghausen, geb. 29. September 1786, gest.
      3. August 1866, von 1823-1848 oesterreichischer Bundestagsgesandter.

   75 Friedrich Karl Gustav Freiherr v. Langenau, oesterreichischer
      Feldmarschalleutnant, war von 1817-1827 oesterreichischer
      Bevollmaechtiger bei der Militaerkommission der deutschen
      Bundesversammlung.

   76 Philipp Moritz Freiherr v. Schmitz-Grollenburg, geb. 22. Dezember
      1765, gest. 27. November 1849, seit 1821 als wuerttembergischer
      Gesandter in Muenchen.

   77 Joseph Ludwig Graf v. Armansperg, geb. 28. Februar 1787, gest. 3.
      April 1853, seit 1826 bayrischer Finanzminister.

   78 So Treitschke. Doch liegt hier eine Verwechslung mit Joseph v.
      Baader vor, der, geb. 30. September 1763, gest. 20. November 1835,
      Ingenieur war und um das Eisenbahnwesen in Bayern sich hoch verdient
      gemacht hat. Sein Bruder Franz v. Baader war in erster Linie
      Philosoph, beschaeftigte sich aber auch mit technischen und
      naturwissenschaftlichen Studien.

   79 Napoleons Sohn von Marie Louise, der den Titel eines roemischen
      Koenigs trug.

   80 Emmerich Joseph Herzog v. Dalberg, geb. 30. Mai 1773, gest. 27.
      April 1833, Pair von Frankreich und franzoesischer Gesandter am
      Turiner Hofe.

   81 Karl Friedrich Graf Reinhard, Pair von Frankreich, geb. 2. Oktober
      1761, gest. 25. Dezember 1837, damals franzoesischer Gesandter am
      Bundestag.

   82 Als "drittes Deutschland" bezeichnete man die Mittel- und
      Kleinstaaten als Gegengewicht gegen Preussen und Oesterreich.

   83 Oldwig v. Natzmer, geb. 18. April 1782, gest. 1. Nov. 1861.

   84 Graf Detlev v. Einsiedel, geb. 12. Oktober 1773, gest. 20. Maerz
      1861, von 1813-1830 als Minister ein Gegner aller Reformen.

   85 Eduard von Wietersheim, geb. 10. September 1787, gest. 16. April
      1865, damals Kreishauptmann in Plauen, von 1840-1848 saechsischer
      Kultusminister.

   86 Georg August Ernst v. Manteuffel, geb. 26. Oktober 1765, gest. 8.
      Januar 1842, Praesident des Geh. Finanzkollegiums, seit 1828
      Konferenzminister, in Sachsen verhasst wegen seines starren
      Widerstandes gegen jede Reform.

   87 Hans Georg v. Carlowitz, geb. 11. Dezember 1772, gest. 18. Maerz
      1841, von 1821-1827 Koenigl. saechsischer Bundestagsgesandter.

   88 Christoph Anton Ferdinand v. Carlowitz, geb. 6. Juni 1785, gest. 21.
      Januar 1840.

   89 Christian Wilhelm Schweitzer, geb. 1. November 1781, gest. 26.
      Oktober 1856, anfangs Professor der Rechte an den Universitaeten
      Wittenberg und Jena, wurde 1818 ins Ministerium berufen als Geheimer
      Staatsrat mit Sitz und Stimme im Ministerium, doch ohne ein
      bestimmtes Departement.

   90 Bernh. Aug. v. Lindenau, geb. 11. Juni 1779, gest. 12. Mai 1854, von
      1827-29 saechs. Bundestagsgesandter, darauf Direktor der
      Kommerziendeputation, 1830 Kabinettsminister, von 1831 bis 1843
      Staatsminister. -- Vor seinem Eintritt in den Koenigl. saechs.
      Staatsdienst war er erst in Sachsen-Gotha-Altenburg taetig, dann nach
      der Teilung als Landschaftsdirektor in S.-Altenburg. Literarisch ist
      er durch Arbeiten auf dem Gebiete der Sternkunde hervorgetreten.

   91 Grossherz. hess. Geheimrat und Bundesgesandter fuer die XVI. Kurie,
      gest. 6. April 1839.

   92 Ernst Friedr. Herbert Reichsgraf zu Muenster-Ledenburg, geb. 1. Maerz
      1766, gest. 20. Mai 1839, von 1805-1831 Minister fuer die
      hannoeverschen Angelegenheiten am Londoner Hofe.

   93 Aug. Otto Graf Grote, geb. 19. November 1747, gest. 26. Maerz 1830,
      hannov. Gesandter in Hamburg.

   94 Joh. Smidt, geb. 5. November 1773, gest. 7. Mai 1857, anfangs
      Professor der Geschichte am Bremer *Gymnasium illustre*, dann
      Syndikus und Ratsherr, war 1821-1849 u. 1852-1857 Buergermeister.

   95 des bestehenden Zustandes.

   96 nicht darueber hinaus.

   97 irgendein Drittes.

   98 Hans Christoph Ernst Freiherr v. Gagern, geb. 25. Januar 1766, gest.
      22. Oktober 1852, politischer Schriftsteller und einige Jahre als
      Gesandter fuer Luxemburg beim Deutschen Bunde taetig.

   99 Des satirischen Dichters Gottlieb Wilh. Rabener (geb. 1714, gest.
      1771).

  100 Karl Freiherr v. Varnbueler, geb. 12. August 1776, gest. 27. April
      1832, wuerttembergischer Finanzminister.

  101 Joh. Friedrich Cotta, Freiherr v. Cottendorf, geb. 27. April 1764,
      seit 1787 Chef der Cottaschen Buchhandlung, vielfaeltig auch in
      politischen Verhandlungen taetig, gest. 29. Dezember 1832.

  102 Job von Witzleben, geb. 20. Juli 1783, gest. 9. Juli 1837, preuss.
      Generalleutnant und als Chef des Militaerkabinetts vertrauter
      Ratgeber des Koenigs.

  103 Paul Pfizer, geb. 12. September 1801, gest. 30. Juli 1867, forderte
      in dem "Briefwechsel zweier Deutschen" Trennung Oesterreichs von
      Deutschland und eine Verzichtleistung der kleinen Fuersten auf die
      Rechte der Souveraenitaet zugunsten Preussens.

  104 d. h. des Rechtes jedes Teils, bei Abschluss von Vertraegen seinen
      Namen in der fuer ihn bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde an
      erster Stelle aufzufuehren.

  105 Adolf Trendelenburg, geb. 30. November 1802, gest. 24. Januar 1872,
      Professor der Philosophie an der Universitaet Berlin und Mitglied der
      Berliner Akademie der Wissenschaften.

  106 Karl Aug. Varnhagen v. Ense, geb. 21. Februar 1785, gest.
      10. Oktober 1858; erst als Offizier in oesterreichischen, nachher in
      russischen Diensten, wurde er 1814 in die preussische Diplomatie
      berufen und nahm als Hardenbergs Begleiter am Wiener Kongress teil.
      Seit 1821 lebte er als Geh. Legationsrat in Berlin, meist
      literarisch taetig, wurde aber auch gelegentlich zu politischen
      Sendungen verwandt.

  107 Julius Traugott v. Koenneritz, geb. 1792, gest. 28. Oktober 1866,
      damals Hof- und Justizrat bei der Landesregierung, von 1821-1846
      Justizminister.




7. Der Deutsche Zollverein.



a) _Kurhessens Beitritt._


Nach dem Tode Motzs {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} erhielt sein Freund Maassen, der Begruender des
Zollgesetzes, die Leitung des Finanzwesens. Die Wahl des Koenigs konnte
keinen wuerdigeren Mann treffen. Maassen ueberragte den Verstorbenen durch
umfassende Sachkenntnis; klug, gerecht, wohlwollend, verstand er bei den
Unterhandlungen, sich das Vertrauen der argwoehnischen kleinen Kronen stets
zu erhalten. Freilich fehlten ihm der kuehne Wagemut und der weite
staatsmaennische Blick des Vorgaengers; er liess die Dinge gern an sich
kommen und hegte nicht wie jener den Ehrgeiz, auf die Leitung der gesamten
preussischen Politik einzuwirken, obgleich er als der bedeutendste Kopf des
Ministeriums klar erkannte, wie gemaechlich die Mittelmaessigkeit in den
anderen Departements sich wieder einzunisten begann {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} So erklaert es sich,
dass die muehselige Arbeit der handelspolitischen Einigung zwar stetig
vorwaerts schritt, aber zunaechst nicht so schnell gefoerdert wurde, wie man
wohl erwarten konnte, nachdem Motz Schlag auf Schlag die letzten Enklaven
aufgenommen, den Zollverein mit Darmstadt, den Handelsvertrag mit
Bayern-Wuerttemberg abgeschlossen, den feindlichen Handelsverein der
Mitteldeutschen nahezu zersprengt hatte.

Die Nachspiele der Julirevolution gereichten der preussischen
Handelspolitik zum Vorteil; sie raeumten ploetzlich alle die Hemmnisse
hinweg, welche das alte System in den norddeutschen Mittelstaaten dem
Zollverbande entgegenstellte. Durch den Untergang der staendischen Anarchie
in Sachsen, der despotischen Willkuer in Hessen war die Verwaltung beider
Laender den preussischen Institutionen angenaehert worden; frueher oder spaeter
musste die Verstaendigung erfolgen. In Kurhessen zunaechst wurde die
Morschheit des alten Mautwesens offenbar. Nicht zuletzt die
wirtschaftliche Not hatte die Volksbewegungen im Herbst 1830
hervorgerufen. Das Laendchen mit seinen 154 Geviertmeilen besass 154 Meilen
Zollgrenze. Frecher als irgendwo auf deutschem Boden gedieh hier der
Schmuggel; in geschlossenen Scharen zogen die Schwaerzer aus, massen sich
mit den Zollwaechtern in offenem Gefechte. Waehrend die Kosten der
Zollverwaltung den Ertrag der Eingangsabgaben fast verzehrten, begann
jetzt auch der ergiebige Durchfuhrzoll zu versiegen, da der Transit sich
nach der neuen Thueringer Strasse hinueberzog. Als die Unruhen ausbrachen,
verliessen alle Mautbeamten im Hanauischen und Fuldischen ihre Amtshaeuser;
Massen fremder Waren stroemten unverzollt ins Land, und der Bundesgesandte
Meyerfeld erklaerte dem Bundestage, die Regierung duerfe nicht wagen, die
Zollaemter wieder herzustellen. Entsetzt schrieb Blittersdorff: "Die Mauten
koennen leicht fuer ganz Deutschland ein Losungswort des Aufruhrs werden."

Doch wie konnte Kurhessen aus dem unertraeglichen Notstande heraus? Die
Regierung war zwiefach gebunden: durch den Mitteldeutschen Handelsverein
und durch den Eimbecker Vertrag. Jener lag im Sterben, dieser war
vorderhand noch ein Entwurf, aenderte nichts an den Leiden des Landes. Man
schwankte lange; noch im Herbst 1830 widmete Geh. Rat Meisterlin, einer
der Urheber des Eimbecker Vertrags, den Landstaenden eine Flugschrift, die
den Eintritt in das preussische Zollsystem verwarf, weil Hessens
Gewerbefleiss die Mitwerbung der ueberlegenen rheinischen Industrie nicht
ertragen koenne. Die alte Abneigung des Kurfuersten gegen Preussen war nicht
verflogen, auch schien ihm doch bedenklich, eine zweifache Verflichtung
ohne weiteres zu brechen. Er wuenschte -- und mit ihm wohl die Mehrzahl im
Lande -- einen Mautverband des gesamten Deutschlands, der die Sonderbuende
von selbst aufgehoben haette. In diesem Sinne musste Meyerfeld bei dem
bayrischen Bundestagsgesandten Lerchenfeld vertraulich anfragen. Das
Muenchener Kabinett aber kannte jetzt die handelspolitischen Plaene wie die
Verhandlungsweise des Berliner Hofes; daher gab Graf Armansperg an
Lerchenfeld die verstaendige Weisung: diese Sache sei vorsichtig dahin zu
lenken, dass sie in Berlin unter Preussens Leitung erledigt werde.
Gleichwohl konnte der Kurfuerst sich noch immer nicht entschliessen, mit dem
verhassten Preussen und dem so groeblich beleidigten Darmstaedter Vetter
allein zu verhandeln. Noch im folgenden Fruehjahr erhielt Meyerfeld den
Auftrag, die Vereinigung saemtlicher deutscher Mautverbaende beim Bundestage
zu beantragen; da warnte ihn Nagler: niemals werde Preussen einer solchen
Utopie zustimmen.

Unterdessen hatte Motz, ein Verwandter des preussischen Ministers, das
hessische Finanzministerium uebernommen. Die Anarchie im Zollwesen ward
unhaltbar; die Kommissaere des Eimbecker Vereins, die in Hannover tagten,
konnten sich nicht einigen. Motz und sein wackerer Amtsgenosse Schenk zu
Schweinsberg bewogen endlich den Kurfuersten, dass er die Geheimraete Ries
und Meisterlin im Juni nach Berlin schickte, um mit Preussen-Darmstadt und
Bayern-Wuerttemberg zugleich einen Zollverein zu schliessen. Doch
unerbittlich hielt Eichhorn den beiden Bevollmaechtigten den alten
preussischen Grundsatz entgegen: Verhandlungen mit mehreren Staaten
zugleich sind aussichtslos. Vergeblich straeubte sich der Kurfuerst; man
musste sich der Forderung des Berliner Hofes fuegen, mit Preussen-Darmstadt
allein verhandeln. In Maassens Auftrag fuehrte L. Kuehne die Unterhandlung.
Der schlicht buergerliche kleine Mann erwies sich jetzt schon, wie
spaeterhin in allen Geschaeften des Zollvereins, als meisterhafter Diplomat.
Klar und bestimmt, mit ueberlegener Sachkenntnis und ehrlichem Wollen,
entwickelte er seine Vorschlaege; wenn ihm aber das toerichte Misstrauen der
Kleinen entgegentrat, dann funkelten seine kleinen scharfen Augen, und er
fertigte alle Winkelzuege mit schneidenden Sarkasmen ab. Auf die Frage des
Preussen, ob Kurhessen nicht noch durch die mitteldeutschen Handelsvertraege
gebunden sei, verweigerten die Hessen jede Antwort, weil ihnen das
Gewissen schlug. Man ging also ueber diesen wunden Punkt schweigend hinweg.
Die Kurhessen draengten zur Eile; denn sie befuerchteten einen neuen
Umschwung an ihrem heimischen Hofe, wo Oesterreich und England-Hannover
alle Minen springen liessen, und sie wollten, geaengstigt durch die nahende
Cholera, den unheimlichen Boden Berlins schleunigst wieder verlassen.
Schon am 29. August 1831 war alles beendigt. Um dem
zollvereinsfreundlichen Koenige von Bayern eine Ehre zu erweisen, wurde der
Vertrag auf den Ludwigstag (25. August) zurueckdatiert. Kurhessen trat dem
preussischen Zollsystem bei, im wesentlichen unter denselben Bedingungen
wie einst Darmstadt. Der alte Kurfuerst liess diese Demuetigung noch ueber
sich ergehen, wenige Tage bevor er die Regierung seinem Sohne abtrat. Vor
sieben Jahren war man in Berlin bereit gewesen, ein erhoehtes Einkommen an
Kurhessen zu bewilligen; jetzt hatte das Kurfuerstentum seinen
Durchfuhrhandel verloren und durch gehaeufte Suenden jeden Anspruch auf
Beguenstigung verscherzt. Hessen musste sich begnuegen mit dem Massstabe der
Kopfzahl.

Der Vertrag war fuer Kurhessen eine politische Notwendigkeit, er rettete
das Land aus namenlosem Elend. Selbst der Kasseler Landtag wagte nicht zu
widersprechen. Die mitteldeutschen Verbuendeten freilich drohten und
laermten. Nicht ohne Grund: Kurhessen hatte in den rohesten Formen seine
Vertragspflicht gebrochen, ohne auch nur ernstlich eine Verstaendigung mit
den alten Bundesgenossen zu versuchen. Fuer Preussen dagegen war ein klarer
Gewinn errungen. Wie die Gotha-Meininger Strasse den Verkehr mit dem
Sueddeutschen Verein gesichert hatte, so wurde jetzt die lang ersehnte
Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen hergestellt, der
Mitteldeutsche Verein noch an einer zweiten Stelle durchbrochen. Waehrend
in Thueringen die Zollfreiheit der preussischen Durchfuhrstrasse den
mitteldeutschen Verbuendeten gefaehrlich wurde, musste Kurhessen die hoeheren
Transitzoelle des preussischen Tarifs einfuehren. Auf Bayerns dringende
Vorstellungen setzte Preussen diese hessischen Zoelle bald auf die Haelfte
herab. Eine noch weitergehende Verminderung war vorderhand untunlich; die
mitteldeutschen Verbuendeten, vornehmlich die Frankfurter Kaufleute,
sollten fuehlen, dass sie von Preussen abhingen, und durch heilsamen Druck
bestaerkt werden in ihrer beginnenden Bekehrung.

Durch den Abfall Kurhessens ward der Mitteldeutsche Handelsverein
vernichtet. Der Liberalismus freilich kam so schnell nicht los von den
liebgewonnenen Phrasen. In Bayern deklamierte Siebenpfeiffer gegen die
Maut: sie haette zur Volkssache werden sollen und ist zur Volksfeindin
geworden! Stromeyer in Baden schrieb in die gefuerchtete Zeitschrift
"Rheinbayern" einen donnernden Artikel: Die preussische Aristokratenstirne
wagt es, sich an das Nationalgefuehl zu wenden! In Preussen herrscht, haerter
als irgendwo auf der Welt, die eiserne Konsequenz des Merkantilsystems;
der Mitteldeutsche Verein vertritt die Freiheit. Darum soll Baden
festhalten an seinem trefflichen liberalen Zollwesen. Dann wird
Wuerttemberg, das ohnedies durch seine hohe politische Bildung dem
konstitutionellen Musterstaate nahe steht, und bald auch das
konstitutionelle Bayern, Sachsen, Kurhessen dem badischen System sich
anschliessen! -- Auch einer der edelsten und gelehrtesten Vertreter
deutscher Wissenschaft brach eine Lanze fuer den sterbenden Sonderbund.
Johann Friedrich Boehmer(108) verfasste das wunderliche Buechlein "das
Zollwesen in Deutschland geschichtlich beleuchtet". Der Legitimist des
heiligen Reiches stellte den kuehnen Satz auf, die Zollfreiheit der
deutschen Fluesse muesse von Recht wegen auch fuer die Landstrassen gelten. Er
pries den Mitteldeutschen Verein als "den letzten Versuch, von dem, was
einstens als gemeines deutsches Recht und Freiheit gegolten, soviel wie
moeglich, wenigstens vertragsweise zu sichern". Er schalt Preussen den
"Reichsfeind und Landfriedensbrecher", warnte die Kleinstaaten, "wie
leicht sich Einverleibungen der Nachbarlaender an Zollangelegenheiten
knuepfen", und getroestete sich des schoenen Wortes, das vor zwoelf Jahren der
k. k. Praesidialgesandte gesprochen: dass "die hohe Bundesversammlung die
Befoerderung und Erfuellung des deutschen Handels in die Hand nehmen werde!"

Die saechsischen Hoefe waren laengst nicht mehr in der Lage, solchen
Schrullen nachzuhaengen. Die Not des Haushalts, das laute Murren des Volkes
zwang sie, demuetig bittend in Berlin anzuklopfen. Armselige
Advokatenkuenste mussten vorhalten, um den Vertragsbruch zu beschoenigen.
Meiningen behauptete, der Mitteldeutsche Verein sei durch den Eimbecker
Vertrag zerrissen worden, er bestehe nicht mehr zu Recht. Der Verrat des
einen diente dem anderen zum Vorwande; sobald die kleinen Thueringer
schwankten, berief sich das Dresdner Kabinett auf den Artikel des Kasseler
Vertrages, wonach die gaenzlich vom Auslande umschlossenen Gebietsteile den
Satzungen des Vereins nicht unterliegen sollten. Das sei jetzt Sachsens
Fall, wenn Thueringen sich mit Preussen verstaendige -- eine offenbare
Sophisterei, da jene Klausel sich nur auf entlegene Enklaven bezog. Wollte
der saechsische Hof ehrenhaft verfahren, so musste er sofort einen neuen
Kongress der mitteldeutschen Verbuendeten berufen, dort die Aufloesung des
unhaltbaren Vereins beantragen und dann erst mit Preussen unterhandeln.
Aber die alte Politik der Winkelzuege, der Halbheit, des Misstrauens gegen
Preussen wurde selbst unter dem neuen Ministerium Lindenau nicht sogleich
aufgegeben. Die saechsische Regierung glaubte, ihre Wuensche in Berlin
sicherer durchsetzen zu koennen, wenn sie an dem Gespenste des
Mitteldeutschen Vereins noch einen Rueckhalt haette; sie begann mit Preussen
zu verhandeln, noch bevor sie ihrer aelteren Verpflichtung entbunden war.

Nachdem das Dresdner Kabinett schon im August 1830 bei den sueddeutschen
Kronen leise angefragt, musste sich der alte Koenig Anton endlich
entschliessen, an den Koenig von Preussen selber zu schreiben. Er beteuerte,
dass er laengst die Absicht gehabt, mit Preussen in kommerzielle Verbindung
zu treten "und somit im Sinne des hochwichtigen und wohltaetigen Zwecks zu
handeln, dessen Erreichung von Ew. Majestaet bereits seit laengerer Zeit
beabsichtigt wird. Dass diese Verhandlung von Preussen begonnen und
eingeleitet werde, scheint die notwendige Bedingung des Erfolges zu sein."
Lindenau, der im Januar 1831 dies Handschreiben nach Berlin brachte,
ueberreichte zugleich eine Denkschrift, worin Sachsen den Entschluss
aussprach, die Aufloesung des Mitteldeutschen Vereins durchzusetzen, "da
Veranlassung, Zweck und Grund des Vereins nicht mehr vorhanden sind. Das
Beduerfnis einer bewegten Zeit, die Zuversicht, durch den Antritt einer
solchen Verhandlung die aufgeregten Gemueter am sichersten zu beruhigen,
endlich die Hoffnung, dass ein solcher die Mehrzahl der deutschen
Bundesstaaten umfassender Verband auch auf die groesseren Weltereignisse
einen friedlich besaenftigenden Einfluss aeussern koenne", ermutigten den
saechsischen Hof, die Verhandlungen in Berlin zu beginnen.

Noch klaeglicher war die Demuetigung Weimars. Derselbe Minister Schweitzer
[S. Fussnote S. 132], der seit Jahren das preussische Zollsystem als den
Todfeind deutscher Handelsfreiheit bekaempft hatte, versicherte im Juli
1830 dem Auswaertigen Amte: "dass zur Foerderung des von dem Koenig von
Preussen begonnenen, in seinen Zwecken und seinen Gruenden immer klarer
hervortretenden deutschen Werkes, also zur Foerderung eines freien Handels
und Verkehrs im deutschen Vaterlande von Preussen aus, der Grossherzog von
Weimar im Einverstaendnis mit dem Koenigreich Sachsen mit Vergnuegen die Hand
bieten wird." Dann sang der weimarische Minister Fritsch [S. Fussnote S.
47] die Totenklage des Sonderbundes: "Auf hinreichende Zeit zur Ausbildung
des Vereins ist nicht mehr zu rechnen, nachdem die grossen welthistorischen
Ereignisse seit dem 25. Juli 1830 und deren Folgen auf deutschem Boden
eine weit schleunigere Hilfe notwendig gemacht, man kann sagen, die Uebel,
welche als chronische behandelt werden sollten, in akute verwandelt haben.
Nur Schaden, nur Verderben koennte es bringen, wenn man sich unter solchen
Umstaenden noch gegenseitig beschraenken, sich zum Nichtstun verpflichtet
halten wollte in einer Zeit, welche in allen oeffentlichen Dingen ganz
andere Forderungen stellt. Was uns die Jahre 1829 und 1830 genommen und
gebracht haben, liess sich im Jahre 1828 nicht voraussehen, nicht
vorausahnen. Der Kasseler Verein war und bleibt ein bedeutendes
Unternehmen, nicht ohne Folgen. Es wird den Stiftern desselben ein
gerechtes Urteil in der Geschichte um so weniger entgehen, je
bereitwilliger sie jetzt das Gestaendnis ablegen und betaetigen, dass eine
ganz neue Zeit uns gekommen ist."

Friedrich Wilhelm antwortete dem Koenig von Sachsen sehr freundlich, er sei
bereit, Sachsens Antraege zu erwaegen, und sprach sich zugleich offen aus
ueber die nationalen Ziele seiner Handelspolitik: "Wiewohl der Abschluss
dieser Vertraege stets nur mit einzelnen Staaten erfolgte, so hatte man
dennoch dabei nicht ein ausschliessliches Interesse der unmittelbar
Beteiligten im Auge, sondern man verfolgte zugleich den Gesichtspunkt, dass
die einzelnen Vertraege als Mittel dienen moechten, der Freiheit des
Verkehrs in Deutschland ueberhaupt eine groessere Ausdehnung zu geben." Dem
weimarischen Hofe drueckte der Minister des Auswaertigen seine Freude aus,
dass unser Werk auch in den Augen Weimars "immer klarer als ein deutsches
Werk hervortritt"; dann wiederholte er in schneidenden Ausdruecken die
hundertmal von Preussen ausgesprochene Ermahnung: die Thueringer sollten
sich erst unter sich verstaendigen, bevor Preussen mit ihnen verhandeln
koenne.

Nach solchen Erfolgen stand in Berlin fester denn je die Ueberzeugung, dass
der eingeschlagene Weg der Einzelverhandlungen allein zum Ziele fuehre. Mit
voller Sicherheit schrieb Bernstorff dem Koenig: "Die Schoepfung eines
allgemeinen deutschen Zoll- und Handelssystems oder irgendeiner anderen
bleibenden Institution aehnlicher Natur ist eine Aufgabe, deren Loesung dem
Bunde solange unmoeglich bleiben wird, als derselbe nicht eine andere, von
der jetzigen ganz verschiedene Organisation besitzt". Seit dem Zerfall des
mitteldeutschen Sonderbundes schien die Bahn frei fuer die vollstaendige
Vereinigung der beiden befreundeten Zollvereine des Suedens und des
Nordens. Was sollte jetzt noch hindern, da beide Teile die Unhaltbarkeit
des bestehenden Zustandes lebhaft empfanden? da die zwischenliegenden
Staaten nicht mehr feindlich im Wege standen, sondern selbst um ihre
Aufnahme baten? da das Grundgesetz des preussisch-hessischen Vereins sich
von selber darbot als die Regel fuer den grossen Verein? Und dennoch musste
Preussen wieder und wieder durch den Flugsand waten, der im Wuestenwinde der
deutschen Kleinstaaterei emporwirbelte. Fast drei Jahre lang, von 1830 bis
1833, spielte in Berlin, vielfach unterbrochen, eine dreifache Reihe
muehseliger Verhandlungen: mit Bayern- Wuerttemberg, mit Sachsen, mit den
thueringischen Staaten; und das Geschaeft waere nie zum Abschluss gelangt,
wenn man nicht, dem alterprobten Grundsatz getreu, die Unterhandlungen mit
den einzelnen Gruppen scharf auseinandergehalten haette. Der Vergleich
draengt sich unwillkuerlich auf: der Deutsche Zollverein ging aus dem
Preussisch-Hessischen hervor unter aehnlichen Kaempfen und Bedenken, wie
spaeterhin das Deutsche Reich aus dem Norddeutschen Bunde. Der Zollverein
wie der Norddeutsche Bund stiess auf die hoechsten Schwierigkeiten erst, als
die groesseren Mittelstaaten, mit ihrem festgewurzelten und nicht ganz
unberechtigten Partikularismus, mit der Fuelle ihrer scheinbar oder
wirklich abweichenden Interessen in die Verhandlungen eintraten. In
Versailles, wie 40 Jahre zuvor in Berlin, gebaerdeten sich die sueddeutschen
Kronen anfangs, als staende man vor einem Neubau, als sei noch gar kein
Grundgesetz vorhanden; erst nach langem, peinlichem Zoegern erkannten sie
die im Norden bestehende Ordnung an, doch indem der Bau erweitert wurde,
lockerte man zugleich das feste Gefuege seiner Mauern.

Der Handelsvertrag zwischen Preussen-Hessen und Bayern- Wuerttemberg war von
vornherein in der Absicht fortschreitender Erweiterung abgeschlossen. In
Muenchen aber begann die ultramontane Partei, sofort an dem neuen Bunde zu
zerren und zu nagen. Ihre Fuehrer, Schenk(109), Goerres, Ringseis(110),
standen durch den k. k. Legationsrat Wolff mit der Hofburg im Verkehr; der
Gesandte in Wien, Graf Bray(111), war fuer Metternich gewonnen, desgleichen
neuerdings auch der alte Feldmarschall Wrede.(112) Angesichts dieser
maechtigen Gegner und der unberechenbaren Launen Koenig Ludwigs hielt
Bernstorff fuer noetig, allen Begehren Bayerns soweit als moeglich
entgegenzukommen. Der Muenchener Hof wuenschte zunaechst den Eintritt Badens
in den bayrisch-wuerttembergischen Verein; denn das badische Gebiet ragte
als ein trennender Keil zwischen die bayrische Pfalz und die Hauptmasse
der Vereinslande hinein, und unter dem Schutze der geruehmten Karlsruher
Freihandelspolitik, die fuer die Grenzbewachung wenig tat, bluehte auf dem
Schwarzwalde wie am Rheinufer ein gefaehrlicher Schmuggelhandel. War der
kraenkelnde Sueddeutsche Zollverein durch Badens Zutritt neu gekraeftigt,
dann erst sollte -- so rechnete Koenig Ludwig -- ueber die voellige
Verschmelzung der beiden Vereine des Nordens und des Suedens verhandelt
werden {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Eine handelspolitische Verstaendigung zwischen Bayern und Baden blieb aber
voellig aussichtslos, solange die beiden Hoefe einander noch als Feinde
betrachteten und Koenig Ludwig seine traumhaften Ansprueche auf badisches
Gebiet nicht aufgab. Als Grossherzog Ludwig starb und sein Nachfolger
sogleich von allen Maechten anerkannt wurde, da wagte man in Muenchen gar
nicht mehr wie frueher zu behaupten, dass mit der Thronbesteigung der
Hochbergischen Linie das Haus der Zaehringer ausgestorben sei. Der
Wittelsbacher trug seine vorgeblichen Ansprueche auf den "Heimfall" der
badischen Pfalz stillschweigend zu Grabe. Um so mehr lag ihm daran,
mindestens durch eine kleine Gebietserweiterung der Welt zu beweisen, dass
Bayern doch nicht ganz im Unrecht gewesen sei.

Gegen Ende Mai 1830 erschien Armansperg in tiefem Geheimnis zu Berlin und
bat um Preussens gute Dienste. Koenig Friedrich Wilhelm uebernahm die
Vermittlung, im Verein mit dem Koenig von Wuerttemberg, und liess den
badischen Minister Boeckh nach Berlin einladen. Er hoffte nicht nur den
leidigen Gebietsstreit beizulegen, sondern auch Baden zum Eintritt in den
Bayrisch-Wuerttembergischen Zollverein zu bewegen. Am 10. Juli brachte
Bernstorffs versoehnliches Zureden endlich eine Uebereinkunft zustande,
kraft deren Baden dem sueddeutschen Verein beizutreten versprach; dafuer
wollten beide Teile auf ihre Sponheimer Erbansprueche verzichten. Um Bayern
gaenzlich zufrieden zu stellen, wurde noch ein geringfuegiger
Gebietsaustausch irgendwo an der badischen Ostgrenze vorbehalten. Damit
schien der jaemmerliche Handel aus der Welt geschafft. Metternich sprach
bereits allen Teilnehmern seinen Glueckwunsch aus, und Koenig Ludwig dankte
dem preussischen Minister aufs waermste {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Sobald man jedoch ueber die Ausfuehrung der Uebereinkunft verhandelte,
verlangte Bayern einen Zuwachs von etwa 20000 Einwohnern und setzte erst
nach langem Feilschen seine Forderung ein wenig herab; das schoene Wertheim
vornehmlich, das Heidelberg der Mainlande, erschien dem romantischen
Wittelsbacher unwiderstehlich verlockend. Der Karlsruher Hof wies jede
groessere Gebietsabtretung entschieden zurueck und verschanzte sich hinter
der gesinnungstuechtigen Entruestung seines Volkes. Die Stadt Wertheim
selbst hatte freilich gegen die Abtretung wenig einzuwenden, weil die
Beamten den Main-Tauberkreis als das badische Sibirien behandelten; auch
der Fuerst Georg von Loewenstein, der dort Hof hielt, wollte sich als treuer
deutscher Patriot den Herrschaftswechsel wohl gefallen lassen, wenn
dadurch nur endlich das Elend der Binnenmauten aufgehoben wuerde. Anders
empfand die grosse Mehrzahl der Liberalen; sie dachte von dem Musterlande
der konstitutionellen Freiheit nicht eine Geviertmeile aufzuopfern, und
ihr Entschluss stand um so fester, da sie auch den Zollvereinsplaenen
misstraute. Der Hauptverkehr des langgestreckten Landes ging von Norden
nach Sueden und konnte durch den Anschluss an Bayern-Wuerttemberg wenig
gewinnen. Man uebersah oder wollte uebersehen, dass dieser Anschluss nur das
Mittel bilden sollte zur spaeteren Vereinigung mit Preussen; unleugbar war
der bayrische Plan zu fein, zu verwickelt, um sogleich vom Volke
verstanden zu werden.

Ueberall in Baden sprach man begeistert von einem gesamtdeutschen
Zollverbande; denn soviel Boden hatte die Idee der deutschen
Handelseinheit durch Preussens Siege doch gewonnen, dass niemand mehr sie
schlechthin zu verwerfen wagte. Freilich benutzten viele badische Liberale
das schoene Wort vom allgemeinen deutschen Zollverein nur als ein
Schurzfell, um die Bloesse ihrer partikularistischen Selbstsucht zu
bedecken. Wie behaglich lebte sichs doch unter der badischen
Handelsfreiheit -- auf Kosten der lieben Nachbarn! Mit Stolz sah der
Badener -- so sagte eine Flugschrift des Rastatter Kaufmanns F. Meyer "ueber
die Zollverhaeltnisse Badens" -- wie die Nachbarn aus dem Elsass, aus
Schwaben, aus der Rheinpfalz in "das wohlfeile, gastfreie" Laendle kamen,
um dann ihre billigen Einkaeufe ueber die heimatliche Grenze
hinueberzuschmuggeln. Nimmermehr sollte diese gemuetliche Unordnung durch
eine gewissenhafte Grenzbewachung beseitigt werden. Der Freiburger
Handelsstand stellte dem Landtage vor: ein Zollverein "wird rechtliche,
sittlich gute Menschen in eine Rotte von Zoellnern, Schmugglern, Spionen
und Gaunern verwandeln" -- wobei nur verschwiegen ward, dass die grosse
Mehrzahl der badischen Geschaefte, zumal die Kolonialwarenhandlungen, dem
Schleichhandel laengst als Herbergen dienten. Noch kraeftiger sprach das
Strassburger Konstitutionelle Deutschland: "Maut, Maut, preussische Maut
erhalten wir. Unglueckliches Vaterland! Im Geheimen, im Dunkel der Nacht
wird sie dir gegeben! Wehe dir, Kammer von 1831!" Als Grossherzog Leopold
sein Oberland bereiste, wurde er ueberall dringend gewarnt, und
Winter(113), der in Fragen der grossen Politik immer ratlos war, wagte
nicht, einer scheinbar so starken Volksueberzeugung zu widersprechen.

So schleppte sich der Zank durch fast anderthalb Jahre dahin. Die beiden
vermittelnden Hoefe boten alle ihre Beredsamkeit auf. Der Berliner sprach
sanft, der Stuttgarter schroff: denn Koenig Wilhelm sah sein Land
unmittelbar unter dem badischen Schmuggel leiden, er drohte dem Karlsruher
Hofe geradezu: Bayern und Wuerttemberg wuerden "dem bisherigen ganz
feindseligen Betragen Badens gemeinschaftlich ein jedes Mittel
entgegensetzen, um nicht mitten in unserem Verein das System einer
Regierung zu sehen, das mit Vorbedacht Unzufriedenheit und Unruhe in
unserer so bedenklichen Zeit stiftet". Ebenso vergeblich schrieb Koenig
Ludwig selbst in seinem wuchtigsten Partizipialstile an den Grossherzog:
"durch meine letzten Vorschlaege habe ich das Aeusserste getan, um die
Sponheimer Angelegenheit zur Ausgleichung zu bringen, von und grossem Wert
ist mir die von Ew. K. Hoheit ausgedrueckte Willfaehrigkeit, damit sie und
Beitritt zum Zollverein stattfinde, ueberzeugt, dass fester Wille beides bei
Ihren Staenden durchsetzen werde". An diesem festen Willen gebrach es dem
badischen Hofe gaenzlich. Die Minister verteidigten den Zutritt zum
Sueddeutschen Zollverein sehr lau; Welcker(114) tobte mit gewohnter
Wortfuelle gegen die absolute preussische Krone, Rotteck(115) unterstuetzte
ihn etwas ruhiger. Die phrasenreichen Verhandlungen gereichten dem
Musterlandtage wenig zur Ehre; ueber die volkswirtschaftliche Bedeutung der
Frage wussten nur einzelne grosse Geschaeftsmaenner ein treffendes Wort zu
sagen, so der liberale Fabrikant Buhl aus Ettlingen und der Tabakshaendler
v. Lotzbeck aus Lahr. Selbst der liberale E. E. Hoffmann, der aus
Darmstadt herueberkam, um den badischen Parteifanatikern Vernunft zu
predigen, richtete nichts aus. Schliesslich einigte sich der Landtag ueber
eines jener unwahren Kompromisse, wie sie der Partikularismus liebt, wenn
er nichts mehr zu sagen weiss. Beide Kammern verwarfen einstimmig den
Eintritt in den Sueddeutschen Verein und gaben der Regierung Vollmacht,
ueber einen gesamtdeutschen Zollverein zu verhandeln (November 1831). Dabei
konnte sich jeder das Seine denken, denn an die Moeglichkeit eines
Zollvereins mit Oesterreich, Hannover und Holstein glaubte eigentlich
niemand mehr. Auch die von Bayern geforderte Gebietsabtretung wurde durch
die zweite Kammer verworfen, einstimmig, unter brausenden Hochrufen auf
den Grossherzog.

Dem gefeierten Fuersten ward bei dieser Begeisterung seiner getreuen
Opposition sehr schwuel zu Mute. In einem flehentlichen Briefe wendete er
sich abermals hilfesuchend an Bernstorff {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} , und wirklich unterzog sich
der geduldige preussische Minister noch einmal den undankbaren Muehen der
Vermittlung. Koenig Ludwig aber empfand jenen Beschluss des badischen
Landtages als eine persoenliche Beleidigung; er hielt es fuer schmachvoll,
eine Forderung, die schon soviel Staub aufgewirbelt hatte, ohne jede
Entschaedigung fallen zu lassen. An dem ergrimmten Wittelsbacher war jetzt
jeder Zuspruch verschwendet. Auch der Koenig von Wuerttemberg liess nach
einiger Zeit in schnoeden Worten erklaeren, dass er mit dem unbelehrbaren
badischen Hofe nichts mehr zu schaffen haben wolle. In Berlin urteilte man
milder, doch die erneuten Verhandlungen blieben fruchtlos. Der koenigliche
Dichter in Muenchen hinterliess die imaginaeren Sponheimer Ansprueche seinen
Nachfolgern als ein heiliges Vermaechtnis, untertaenigen Historikern als
einen koestlichen Stoff fuer bajuvarische Grosssprechereien. Also ward Baden,
frueherhin immer ein wackerer Vorkaempfer der deutschen Handelseinheit,
teils durch die Torheit seiner Kammern teils durch eine seltsame
diplomatische Verwicklung ganz in das Hintertreffen gedraengt und von den
entscheidenden Verhandlungen der Zollvereinspolitik mehrere Jahre hindurch
ausgeschlossen.



b) _Beitritt des Sueddeutschen Zollvereins._


Nach alledem war eine Verstaendigung zwischen Bayern und Baden vorlaeufig
undenkbar. Der deutschen Handelseinheit aber kam jener ablehnende Beschluss
der badischen Kammern seltsamerweise zu gute. Der kuenstliche Gedanke,
zunaechst den sueddeutschen Verein zu vergroessern und dann erst die
Vereinigung mit dem Norden zu suchen, war fortan beseitigt. Die
oberdeutschen Koenigshoefe, ausserstande, ihren unergiebigen Sonderbund
aufrecht zu halten, sahen sich genoetigt, statt des Notbehelfs sogleich das
durchschlagende Mittel zu waehlen; sie stellten jetzt bei dem preussischen
Kabinett den Antrag auf voellige Vereinigung. Im Dezember 1831 wurden die
Verhandlungen in Berlin eroeffnet. Doch sofort ergab sich eine Fuelle
gewichtiger Bedenken. Preussen hatte schon durch die Aufnahme der beiden
Hessen ein fuehlbares finanzielles Opfer gebracht; der Ertrag seiner Zoelle,
der um 1829 gegen 25,3 Sgr. fuer den Kopf der Bevoelkerung abwarf, begann
bereits zu sinken. Durfte man auch die oberdeutschen Lande, die von
Kolonialwaren noch weit weniger verzehrten als die beiden Hessen, zu den
gleichen Bedingungen aufnehmen? Die Finanzpartei in Berlin fuerchtete
schwere Verluste, wie denn in der Tat Preussen im Durchschnitt der Jahre
1834-1839 nur 22 Sgr. auf den Kopf erhalten hat. Sie verlangte entschieden
ein Praecipuum zugunsten Preussens; ein Ausfall in den Einnahmen schien
hochbedenklich in so unruhiger Zeit. Die bayrisch-wuerttembergischen
Finanzmaenner dagegen lebten in dem wunderlichen Wahne, dass die Konsumtion
im Sueden staerker sei als in Preussen; sie meinten schon seltene Grossmut zu
zeigen, wenn sie auch nur die Verteilung nach der Kopfzahl zugestaenden.

Die Einfuehrung der preussischen Konsumtionssteuern war in Hessen ohne
Schwierigkeit erfolgt; Bayern aber sah sich ausserstande, seine Malzsteuer
abzuaendern. Waehrend Preussen kaum 1,3 Millionen Taler, 3 Sgr. auf den Kopf,
durch die Besteuerung des Bieres bezog, gewann Bayern allein in seinem
rechtsrheinischen Gebiete 5 Millionen Gulden, 21 Sgr. auf den Kopf, und
aus diesem Ertrage musste nach der Verfassung die Staatsschuld verzinst
werden. Unmoeglich konnte Preussen seine Biersteuer zu der gleichen Hoehe
hinaufschrauben. Der angestammte Durst liess sich ebenso wenig in den
Norden verpflanzen wie die Realgerechtigkeiten der bayrischen Brauer, die
jenen reichen Steuerertrag erst ermoeglichten, aber den Grundsaetzen der
preussischen Gewerbefreiheit widersprachen. Da die gleichmaessige Besteuerung
der inlaendischen Konsumtion mithin unausfuehrbar blieb, so bestand die
preussische Finanzpartei hartnaeckig auf der Einfuehrung von
Ausgleichungsabgaben. Die an sich richtige Meinung, dass jede
Zollgemeinschaft die annaehernde Gleichheit der indirekten Steuern
voraussetze, war seit dem Jahre 1818 eine der leitenden Ideen der
preussischen Handelspolitik. Die Berliner Finanzmaenner hatten sich so tief
in diesen Gedanken eingelebt, dass sie ihn alsbald mit fiskalischer Haerte
auf die Spitze trieben. Die Ausgleichungsabgaben sind lange, wesentlich
durch Preussens Schuld, ein wunder Fleck der Zollgesetze geblieben; sie
belaestigten den Verkehr und brachten geringen Ertrag, auch nachdem sie
spaeterhin die rein fiskalische Gestalt der "Uebergangsabgaben" annahmen.

Irrte Preussen in dieser Frage, so erhoben auch die Suedstaaten hoechst
unbillige Ansprueche. Sie verlangten anfangs eine voellige Umgestaltung des
Tarifs und fanden namentlich die preussischen Zoelle auf Baumwollenwaren
unertraeglich hoch, da sie selbst noch fast gar keine Baumwollspinnereien
besassen. Und doch konnte Preussen nicht nachgeben. Sachsens Eintritt stand
bevor, die preussische Industrie klagte laut ueber die drohende Mitwerbung
des Erzgebirges; in solcher Stunde die Zoelle herabzusetzen, schien selbst
dem Freihaendler Maassen nicht ratsam. Auch die von Wuerttemberg geforderte
Herabsetzung der Zuckerzoelle ging nicht durch; die Interessen der maechtig
aufbluehenden Magdeburgischen Ruebenzuckerindustrie durften nicht
preisgegeben werden. Desgleichen die gefuerchteten preussischen Transitzoelle
blieben noch unentbehrlich als ein sanfter Wink fuer die Nachbarn.
Ueberhaupt war die Lage des Augenblicks der Vereinfachung des Tarifs
keineswegs guenstig; Preussens Staatsmaenner ahnten, dass die sueddeutschen
Hoefe in einer nahen Zukunft die Farbe wechseln, mit schutzzoellnerischem
Eifer auf die Erhoehung der Zoelle dringen wuerden. Lebhafter noch als dieser
staatswirtschaftliche Kampf entbrannte der "staatsrechtliche Streit", wie
man in Muenchen zu sagen pflegte. Die verstaendige Bestimmung der
preussisch-hessischen Vertraege, wonach Preussen in der Regel allein die
Handelsvertraege fuer den Zollverein schliessen sollte, galt dem bayrischen
und dem wuerttembergischen Hofe als eine schimpfliche Unterwerfung; sie
forderten unbedingte Gleichheit in allem und jedem.

So mannigfache sachliche Bedenken ins Gleiche zu bringen, konnte nur
erprobter staatsmaennischer Kraft gelingen. Die oberdeutschen Hoefe aber
hatten, toericht genug, zwei junge Subalternbeamte fuer diese schwierige
Mission bevollmaechtigt, vermutlich nur aus Sparsamkeit. Die Ersparnis
sollte ihnen teuer zu stehen kommen. Eichhorn hatte an den Unterhaendlern
der Kleinstaaten schon des Wundersamen viel beobachtet; eine
Persoenlichkeit wie dieser wuerttembergische Bevollmaechtigte, der Assessor
Moritz Mohl(116), war ihm noch nicht vorgekommen. Die Diplomatie in Berlin
konnte nicht genug ihre Verwunderung aussprechen ueber den ungestuemen Mann
mit der roten Perruecke und den vollgepfropften Aktenmappen: welch eine
weitschweifige Kleinlichkeit, welche Lust an unfruchtbarem theoretischem
Streite, welche Fuelle unverdauter Gelehrsamkeit, welch ein hartnaeckiges
Misstrauen gegen Preussen! Der fruehreife schwaebische Staatsweise entfaltete
bereits alle jene Talente, die noch 40 Jahre spaeter den deutschen
Reichstag bezaubern sollten; L. Kuehne nannte ihn "einen eingebildeten
Narren, der den Baeren des Nordlands seine kindische konstitutionelle
Weisheit zu predigen dachte". Als Mohl dem einzigen Kuestenstaate des
Zollvereins die Abschliessung von Schiffahrtsvertraegen verbieten wollte, da
erwiderte der Preusse: "dann werden wir also einen unserer Ostseehaefen an
Wuerttemberg abtreten muessen, um die Gleichheit zwischen den Zollgenossen
herzustellen!" Mit einem solchen Kollegen behaftet, konnte auch der
bayrische Assessor Bever nichts foerdern. Die hochstehenden preussischen
Staatsmaenner fanden es bald unertraeglich, mit Subalternen zu verhandeln,
die bei jeder Kleinigkeit daheim anfragten; und zu allem Unheil begann
auch wieder der alte Streit der Berliner Departements: Kuehne und Eichhorn,
die doch beide das naemliche wollten, betrachteten einander mit
gegenseitiger Eifersucht. Also gestalteten sich die Verhandlungen mit dem
befreundeten Sueden wider Erwarten zu einem unerquicklichen Zwist. Im Mai
1832 brach man sie ab.

Moritz Mohl schrieb nun eine ungeheure Denkschrift und bewies, dass der
Zollverein mit Preussen den sicheren Untergang Wuerttembergs herbeifuehren
muesse. Ein Menschenalter darauf hat Freiherr v. Varnbueler dies klassische
Aktenstueck der Vergessenheit entrissen, um der Welt den Weitblick des
Volksmannes zu zeigen. Koenig Wilhelm wuenschte nach wie vor den Abschluss,
selbst Wangenheim hatte einiges gelernt, mahnte aus der Ferne zur
Verstaendigung. Doch die grosse Mehrheit im Lande widerstrebte. Die
Fabrikanten, die bisher aus der Beherrschung des bayrischen Marktes grossen
Gewinn gezogen, fuerchteten die Industrie des Niederrheins, die
Bequemlichkeit des maechtigen Schreiberstandes zitterte vor der strengen
preussischen Kontrolle, der gesinnungstuechtige Liberale schlug ein Kreuz
vor dem Schreckbilde des norddeutschen Absolutismus. Mehr als ein halbes
Jahr brauchten die sueddeutschen Hoefe, um sich einen neuen Entschluss zu
bilden. Unterdessen trieb die Diplomatie Oesterreichs und der auswaertigen
Maechte ihr verdecktes Spiel an den Hoefen der Mittelstaaten. Eine Zeitlang
stand die grosse Sache fast hoffnungslos. Baden tut wohl, alle
Zollvereinsgedanken vorlaeufig aufzugeben -- sagte der bayrische Minister
Gise zu dem badischen Gesandten Fahnenberg --, Preussen stellt unerhoerte
Forderungen, verlangt von uns materielle Opfer und die Beschraenkung der
Souveraenitaet, Kurhessen bereut schon den uebereilten Anschluss! Zudem
bestand wenig Freundschaft zwischen den Beamten der beiden Koenigreiche;
ein Glueck nur, dass Schmitz-Grollenburg, der wuerttembergische Gesandte in
Muenchen, das Vertrauen Koenig Ludwigs besass und die Faeden nicht gaenzlich
abreissen liess.

So verging das Jahr in leidiger Verstimmung. Da raffte sich endlich Koenig
Ludwig auf und liess am Silvesterabend eine derbe Note an
Schmitz-Grollenburg schreiben: Der Sueddeutsche Verein sei tatsaechlich
aufgeloest, die Wiederaufnahme der preussischen Verhandlungen schlechthin
unvermeidlich. Zugleich kam vom Berliner Hofe eine ernste Mahnung: wolle
man zu Ende gelangen, so muesse statt unbrauchbarer Subalternen ein faehiger
hochgestellter Staatsmann die Unterhandlungen in Berlin fuehren. Der Rat
wirkte. Zu Ende Januars l833 wurde der bayrische Finanzminister v. Mieg
als gemeinsamer Bevollmaechtigter der beiden Kronen nach Berlin gesendet:
ein Jugendfreund Koenig Ludwigs {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}, ein trefflicher Beamter von grosser
Sachkenntnis und seltener Arbeitskraft, die der Koenig nach seiner Weise
bis auf den letzten Tropfen auspresste -- in der Handelspolitik sehr frei
gesinnt, dabei guetig und liebenswuerdig, hochgebildet, von feinen
gewinnenden Formen. Er vermied ueber Stuttgart zu reisen, weil er der
pedantischen Schwerfaelligkeit der wuerttembergischen Schreiber misstraute,
sprach aber unterwegs in Dresden ein, verstaendigte sich mit den
saechsischen Finanzmaennern und erschien am 6. Februar in der preussischen
Hauptstadt. Eichhorn und Maassen kamen ihm herzlich entgegen; es bewaehrte
sich wieder {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} "Preussens seltenes Talent, fremde Staatsmaenner in Berlin zu
gewinnen". Noch boten sich der Bedenken viele; allein da Preussen auf
seinen erprobten Tarif, seine festbegruendete Zollverwaltung verweisen
konnte, so blieb nur uebrig, die im Norden bestehende Ordnung mit einigen
Aenderungen anzunehmen. Preussen verzichtete auf jedes Praecipuum {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die
Einnahmen wurden nach der Kopfzahl verteilt; nur fuer die
Schiffahrtsabgaben auf der Oder und Weichsel, die ja gar nicht zur
Zollgemeinschaft gehoerten, bezog Preussen eine Bauschsumme. Auch der
teuerste Herzenswunsch des bayrischen Grossmachtsbewusstseins fand
Erfuellung: jeder Staat erhielt das Recht, Handelsvertraege zu schliessen,
lediglich die Vertraege mit dem russischen Polen blieben dem preussischen
Staate vorbehalten. Zum Entgelt fuer so grosse Zugestaendnisse wagte Mieg, in
einem Punkte seine Instruktionen zu ueberschreiten: er bewilligte, dass die
preussische Zollverwaltung des rascheren Uebergangs halber sofort im Sueden
provisorisch eingefuehrt wuerde, noch bevor die Zollgemeinschaft in Kraft
trat.

Am 4. Maerz wurden die hessischen Bevollmaechtigten zur ersten
Plenarversammlung gerufen, am 22. kam der Vertrag zustande: die
verbuendeten Staaten, "in fortgesetzter Fuersorge fuer die Befoerderung der
Freiheit des Handels zwischen ihren Staaten und hierdurch zugleich in
Deutschland ueberhaupt", bilden einen "Gesamtverein", der am 1. Januar 1834
fuer acht Jahre ins Leben tritt. Das Grundgesetz entsprach im wesentlichen
den hessischen Vertraegen, nur dass die Selbstaendigkeit der Bundesgenossen
erheblich verstaerkt wurde. Fuer jede Aenderung der Zollgesetze wurde
Einstimmigkeit der Verbuendeten gefordert. Das schlimmste Gebrechen des
Vereins lag weniger in seinen Satzungen als in der Verschiebung der
Machtverhaeltnisse. Durch den Zutritt mehrerer groesserer Staaten mit
gleichem Stimmrecht wurde die freie Taetigkeit der preussifchen
Handelspolitik unvermeidlich erschwert. Die neuen Rechte dagegen, die man
den Zutretenden einraeumte, schienen bedenklicher als sie waren {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die
Befugnis, Handelsvertraege zu schliessen, dies von Bayern mit so
leidenschaftlichem Eifer erstrebte Kleinod, erwies sich als ein harmloses
Spielzeug {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Preussen allein galt im Auslande als Haupt und Vertreter des
Zollvereins; daher sind alle irgend wichtigen Handelsvertraege durch
Preussen im Namen des Vereins abgeschlossen worden. Auch die Kontrolle ward
ermaessigt, auf Bayerns Andringen. Die Verbuendeten sendeten bloss
Vereinsbevollmaechtigte zu den Zolldirektionen, Kontrolleure zu den
Hauptzollaemtern der Genossen; eine gegenseitige Visitation des
Grenzdienstes fand nicht mehr statt. Solche Formen verschlugen wenig; denn
im Grunde war der Verein auch bisher nur durch wechselseitiges Vertrauen
und die Macht der Interessen zusammengehalten worden. Die Bundesgenossen
gelobten einander "unbeschraenkte Offenheit" in der Zollverwaltung, und sie
haben ihr Wort redlich gehalten {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Da Bayern und Wuerttemberg noch immer ihre toerichte Sorge vor finanziellen
Verlusten nicht aufgaben, so wurde in einem geheimen Artikel den
Verbuendeten das Recht vorbehalten, den Verein vor der Zeit zu kuendigen,
falls ihre Zolleinnahmen einen Ausfall von 10 Proz. des bisherigen
Rohertrags aufwiesen. Maassen unterschrieb getrosten Mutes; er wusste, dass
der Vertrag ein Loewenvertrag war zugunsten des Suedens, und der Erfolg
sollte seine Erwartungen noch weit uebertreffen. In den Jahren von 1834 bis
1845 hat der Norden an Bayern 22,29 Millionen Taler, an Wuerttemberg
10,3 Millionen herausgezahlt, in dem Zeitraum von 1854-1865 empfing Bayern
vom Norden 34 Millionen. Waehrend der zwei ersten Jahrzehnte des
Zollvereins haben bei der Abrechnung regelmaessig nur Preussen, Sachsen,
Frankfurt und Braunschweig herausgezahlt; alle anderen Staaten gewannen.
Allerdings geben jene grossen Zahlen kein ganz zutreffendes Bild, da ein
Teil der fuer das Binnenland bestimmten Einfuhr in den Haefen und
Speditionsplaetzen des Nordens verzollt wurde. Deutlicher erhellt der
unverhaeltnismaessige Gewinn des Suedens aus der Tatsache, dass die
Verwaltungskosten in Bayern schon waehrend des ersten Jahres von 44 auf 16,
spaeter auf nahezu 10 Proz. sanken, Bayerns Anteil an dem Kaffeezoll sofort
auf das Dreifache, bis zum Jahre 1845 auf das Fuenffache stieg.

Um auch den leisesten Anschein preussischer Hegemonie zu vermeiden, wurde
verabredet, dass die alljaehrlichen Konferenzen der
Zollvereinsbevollmaechtigten nicht mehr, wie im preussisch-hessischen
Verein, regelmaessig zu Berlin sich versammeln sollten; sie wanderten
fortan, nach dem Belieben der Verbuendeten, von Ort zu Ort, der erste
Zusammentritt fand in Muenchen statt. Streitigkeiten wollte man der
Entscheidung eines Schiedsrichters unterwerfen, der durch einstimmigen
Beschluss fuer jeden einzelnen Fall zu ernennen war. Doch ist ein solcher
Schiedsspruch niemals angerufen worden -- nicht weil die Eintracht
ungetruebt bestanden haette, sondern weil der Duenkel der Kleinstaaten den
freiwilligen Ausgleich der schimpflichen Unterwerfung unter eine fremde
Gewalt regelmaessig vorzog. Dass Bayern seine Biersteuer behielt, war
unvermeidlich. Man begnuegte sich daher, ein Maximum fuer die
Konsumtionssteuern festzusetzen und die allmaehliche Annaeherung der
Steuersysteme in Aussicht zu stellen. In einem so lockeren Bunde blieb das
*liberum veto* [Einspruchsrecht] und das Kuendigungsrecht fuer Preussen
ebenso unentbehrlich wie fuer die Kleinstaaten, als ein letztes
verzweifeltes Mittel, um dem schwerfaelligen Koerper einen Entschluss zu
entreissen. Nur die Hoffnung auf einen hohen politischen Gewinn konnte den
preussischen Hof zu so schweren Opfern, zu einer so weitgehenden Nachsicht
fuer die Grillen und Eitelkeiten der Mittelstaaten bestimmen. Mit
ueberlegener Geduld erwartete Eichhorn, dass aus den fast laecherlichen
Formen dieses lockeren Vereins doch eine unloesbare Gemeinschaft der
Interessen emporwachsen muesse.

Mieg kehrte heim in der festen Erwartung, dass der so ueberaus vorteilhafte
Vertrag ihm die Verzeihung fuer sein eigenmaechtiges Vorgehen verbuerge. Er
taeuschte sich schwer. Koenig Ludwig konnte selbstaendigen Willen nicht
ertragen, empfing den Freund mit bitteren Vorwuerfen; dass die preussische
Zollordnung sofort provisorisch eingefuehrt werden sollte, schien ihm eine
Entwuerdigung der bayrischen Krone. Der Minister wollte, tief verletzt,
sein gegebenes Wort nicht zuruecknehmen; er forderte und erhielt seine
Entlassung {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Nunmehr nahm der Koenig die Akten an sich, und lange blieb das
Schicksal des Vertrages zweifelhaft. Miegs Nachfolger, Lerchenfeld,
erkannte zwar, nachdem er die Papiere eingesehen, die Notwendigkeit des
Abschlusses, doch rueckte er nicht recht mit der Sprache heraus. Fuerst
Oettingen-Wallerstein(117) vollends, der vielgewandte liberalisierende
Minister, bewies in ausfuehrlicher Denkschrift: kein Zollverein ohne
Oesterreich, die preussische Hegemonie ist Bayerns Verderben. Der preussische
Gesandte hielt schon alles fuer verloren und schrieb verzweifelnd: nur
Eichhorn selber koenne noch retten. Darauf eilte Eichhorn sofort nach
Muenchen (Juli 1833), gewaehrte noch das letzte Zugestaendnis, gab zu, dass
kein Provisorium stattfinden solle, seine gewinnende Freundlichkeit
brachte in wenigen Tagen alles ins reine. Jetzt brach des Koenigs gute
Natur wieder durch; er wuenschte sich Glueck zu der Wiederkehr der
friderizianischen Tage, liess eine Denkmuenze praegen auf das Gelingen seines
eigensten Werkes und sagte zu dem Nassauer Roentgen: "Oesterreich ist ein
abgeschlossener Staat, mit dem wir wohl Handelsvertraege, doch keinen
Zollverein schliessen koennen; Preussen ist ein Blitz, der mitten durch
Deutschland hindurchfaehrt."

Kaum war die Krone Bayern gewonnen, so begann der Kampf mit dem
wuerttembergischen Landtage. Die schwaebischen und badischen Liberalen
hatten sich zu Anfang des Jahres in Pforzheim versammelt und dort
beschlossen, dem vordringenden preussischen Absolutismus mannhaft zu
widerstehen. Die Schutzzoellner beweinten den nahen Untergang der
schwaebischen Industrie; die Partikularsten bewiesen, dass Wuerttembergs
Absatzwege nach Frankfurt und der Schweiz, nicht nach dem Norden fuehrten;
manche pessimistische Radikale goennten dem verhassten Ministerium nicht ein
Verdienst, das der Regierung allein gebuehrte, sie wuenschten noch weniger,
dass ein wichtiger Grund der allgemeinen Unzufriedenheit beseitigt werde.
Die gemuetlichen Leute wollten die geforderten Opfer nur einem
gesamtdeutschen Verein bringen. Selbst den gemaessigten Liberalen schien es
hochbedenklich, einer absoluten Krone mittelbare Einwirkung auf den
wuerttembergischen Haushalt zu gestatten. Zudem wurden die Kammern nur zu
einer Erklaerung ueber den Vertrag, nicht zu foermlicher Genehmigung
aufgefordert. Der Landtag empfand bitter seine Ohnmacht. Koenig Wilhelm
setzte seinen Stolz darein, das Werk hinauszufuehren; kein Zweifel, er
haette auch ohne die Zustimmung der getreuen Staende den Vertrag vollzogen
und also den leeren Schein der schwaebischen Verfassungsherrlichkeit vor
aller Welt erwiesen. Darum wollte selbst Paul Pfizer, der Bewunderer
Preussens, sich nicht zur Genehmigung entschliessen; wenn er zustimmte, so
verlor er jedes Ansehen unter den Parteigenossen, jede politische
Wirksamkeit in seiner Heimat. In solchen tragischen Widerspruch war der
sueddeutsche Liberalismus geraten. Endlich, im November, genehmigte der
Landtag den Vertrag nach harten Kaempfen. Nur einzelne waren ueberzeugt {~HORIZONTAL ELLIPSIS~},
die Mehrzahl gab ihr Ja nur aus gedankenlosem Gehorsam; alle Fuehrer der
Liberalen, Pfizer, Uhland(118), Roemer(119), stimmten dawider. Es war ein
vollstaendiger Triumph des geschaeftskundigen Beamtentums ueber den
schwaermenden Liberalismus.

Neue unerquickliche Haendel folgten, da nun das preussische Zollwesen durch
eine gemeinsame Vollziehungskommission im Sueden eingefuehrt wurde. Wie oft
musste der preussische Kommissaer L. Kuehne von den gemuetlichen bayrischen
Beamten bittere Klagen hoeren ueber diese verwuenschte Berliner Strammheit;
er bestand darauf, dass in den Grenzbezirken, wo offenkundiger Schmuggel
bluehte, drei Monate lang eine strenge Binnenkontrolle gruendlich aufraeumte.
Die unfreie soziale Gesetzgebung der Mittelstaaten fand so leicht nicht
den Uebergang zur preussischen Freiheit {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Doch der wesentliche Inhalt des
Vertrags wurde redlich ausgefuehrt. Seit in Muenchen ein neuer Zolldirektor,
der verdiente Knorr, ernannt war, arbeitete die Zollverwaltung fest und
puenktlich. Jeder neue Tag der Erfahrung warb dem Zollverein neue Anhaenger
im Sueden; die besseren Koepfe des Liberalismus gestanden beschaemt ihren
Irrtum {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}



c) _Anschluss von Sachsen und Thueringen._


                       _ Die Neujahrsnacht 1834. _


Gleichzeitig mit Bayern und Wuerttemberg unterhandelte Sachsen in Berlin.
Es geschah, wie Motz vorhergesehen: keine der Zollvereinsverhandlungen hat
den preussischen Staatsmaennern schwerere Ueberwindung gekostet. Gewiss trat
mit Sachsens Beitritt nur die Natur der Dinge in ihr Recht. Das Erzgebirge
erhielt wieder ungehemmten Verkehr mit seiner alten Kornkammer, den
Muldenniederungen in der Provinz Sachsen, Leipzig wieder freie Verfuegung
ueber seine wichtigsten Handelsstrassen; Macht und Bedeutung des Zollvereins
stiegen erheblich, sobald eines der ersten Fabriklaender und der groesste
Messplatz Europas hinzutrat. Gleichwohl war der unmittelbare Vorteil fast
ausschliesslich auf Sachsens Seite; in Preussen erhoben sich ernste
staatswirtschaftliche und finanzielle Bedenken. Preussen gewann in Sachsen
nur einen kleinen Markt, der ueberdies durch seinen eigenen Gewerbefleiss
schon reichlich versorgt war. Da die Lebenshaltung und demnach der
Arbeitslohn im Erzgebirge niedriger stand als in irgendeinem anderen
Industriebezirke, so fuerchteten die preussischen Fabriken, vornehmlich die
Webereien und Druckereien in Schlesien und in der Provinz Sachsen, der
saechsischen Konkurrenz zu erliegen. Von allen Seiten her wurde das
Finanzministerium mit Warnungen bestuermt; am Niederrhein rief die erste
Nachricht von dem Beginn der preussisch- saechsischen Verhandlungen weithin
im Lande eine starke Aufregung hervor. Die Frage, wie ein grosser Messplatz
einem Zollsystem sich einfuegen lasse, galt noch allgemein als ein fast
unloesbares Problem; sie war bei den Verhandlungen mit Bayern-Wuerttemberg
oft eroertert und endlich zur Seite geschoben worden, da man an der
Verstaendigung verzweifelte.

An der saechsisch-boehmischen Grenze hatte sich ein ungeheurer Schmuggel
festgenistet; das Volk nahm den elenden Zustand hin wie eine
Notwendigkeit, ja wie einen Segen. Selbst Lindenau wagte nach dem Abschluss
des Zollvereins im Gespraech mit Blittersdorff nur die schuechtern
zweifelnde Bemerkung: dass der Schmuggel im Erzgebirge jetzt aufhoeren wird,
"ist wohl schwerlich ein Unglueck". Die hochherzige Gesinnung des neuen
Mitregenten, des Prinzen Friedrich August, wurde in Berlin ebenso
bereitwillig anerkannt, wie die Einsicht der trefflichen Maenner, die er in
sein Kabinett berufen. Doch ein volles Jahr verfloss, bis die Ordnung in
dem aufgeregten Laendchen sich wieder befestigte; Maassen fragte besorgt, ob
eine Regierung, die den schwaechlichen Auflaeufen in Leipzig und Dresden so
wenig nachhaltigen Widerstand entgegengestellt, auch den festen Mut
besitzen werde, die Schmuggelnester im Gebirge auszuheben. Und lehrte denn
nicht der Gang der Verhandlungen, dass die neue Regierung das alte
kleinliche Misstrauen gegen Preussen nicht gaenzlich ueber Bord geworfen
hatte? Man kam in Berlin nicht los von dem Argwohn, Sachsen wuerde einen
Zollverein mit Oesterreich vorziehen, wenn nur die Hofburg mehr boete als
leere Redensarten. Wenn Koenig Friedrich Wilhelm keinen deutschen Staat
locken und einladen wollte, so doch am allerwenigsten diesen saechsischen
Hof, der als Stifter des Mitteldeutschen Vereins eine so boesartige
Gehaessigkeit zur Schau getragen hatte. Der preussische Konsul Baumgaertner
empfing einen herben Verweis, als er zu Anfang 1830 eine Flugschrift ueber
die Notwendigkeit eines saechsisch-preussischen Zollbundes schrieb und in
Sachsen verbreitete.

Bis zum Sturze des alten Systems erging sich die saechsische Regierung in
Umwegen und Kuensteleien, nach der alten Gewohnheit der Mittelstaaten. Sie
fragte in Stuttgart und Muenchen an, ob Sachsen nicht dem Sueddeutschen
Verein beitreten koenne. Ihr Berliner Geschaeftstraeger Koenneritz richtete an
Ancillon die Bitte: Preussen moege sofort seinen Tarif zu Sachsens Gunsten
herabsetzen, da die Verhandlungen ueber den unmittelbaren Anschluss
vorderhand noch ausgesetzt werden muessten. Maassen aber antwortete
(15. September 1830): "ohne vorhergegangene Vereinigung zu einem
gegenseitig erleichterten Handelsverkehr" koennen wir bei der Ordnung
unseres Tarifs auf dritte Staaten keine Ruecksicht nehmen.

Erst das Ministerium Lindenau fand den Mut einzugestehen, was sich mit
Haenden greifen liess: dass Sachsens Gewerbefleiss ohne Preussens Freundschaft
untergehen musste; nahm doch die gesamte ueberseeische Ausfuhr des Landes
ihren Weg durch Preussen, desgleichen fast die gesamte Einfuhr der rohen
Baumwolle. Leider war nur ein Teil der Fabrikanten im Gebirge dem Anschluss
guenstig, das Landvolk und vornehmlich Leipzig wehklagten ueber das
hereinbrechende Verderben. Also hat selbst der allzeit patriotische und
einsichtige Handelsstand der wackeren Pleissestadt, ganz wie spaeterhin die
Kaufmannschaft von Frankfurt, Bremen, Hamburg, die unliebsame Wahrheit
erhaertet, dass der Interessent fast niemals sachverstaendig ist. Auch der
grosse Kaufherr wird zum Kraemer, sein Gesichtskreis verengt sich, sobald er
seinen unmittelbaren Vorteil bedroht waehnt; stolz auf seine persoenliche
Kraft und Freiheit, empfindet er es als eine Anmassung, eine Beleidigung,
wenn die Maenner des gruenen Tisches ihm zumuten, seine altgewohnten
Geschaeftsformen zu aendern, und will nicht zugestehen, dass ueber grosse
handelspolitische Fragen nicht die privatwirtschaftliche Anschauung des
Kaufmanns, sondern das staatswirtschaftliche Urteil des Staatsmannes zu
entscheiden hat. Trotz alledem entschloss sich die Regierung gegen
Jahresschluss zu jener ersten Anfrage in Berlin. Das Ministerium des
Auswaertigen antwortete (24. Januar 1831): Die Schwierigkeiten scheinen
sehr gross, die Interessen ueberaus verschieden; "dennoch ist die Aufgabe so
gemeinnuetzig und deutscher Regierungen, welche neben der Sorge fuer ihre
Untertanen zugleich die Befoerderung des Wohls von ganz Deutschland im Auge
haben, so entschieden wuerdig", dass wir den Versuch wagen wollen. Die
oberdeutschen Koenige, von allem unterrichtet, ueberliessen die Verhandlungen
vertrauensvoll dem preussischen Hofe; die Ueberlegenheit der saechsischen
Industrie, meinte Armansperg zuversichtlich, ist in einem grossen Verein
wenig zu fuerchten, auch die schwierige Grenzbewachung muss sich durchfuehren
lassen, so man ernstlich will.

Im Maerz 1831 kam der saechsische Finanzminister v. Zeschau(120) nach Berlin
-- neben dem Bayern Mieg, dem Hessen Hofmann und dem Badener Boeckh(121)
sicherlich der faehigste unter allen den Finanzmaennern, mit denen Preussen
zu verhandeln hatte -- taetig und kenntnisreich, ein ritterlicher Charakter,
schweigsam und bedaechtig, noch von seiner preussischen Dienstzeit her mit
L. Kuehne wohl bekannt. Die in Dresden gewuenschte Aenderung des gesamten
Tarifs gab er bald auf, gleichwohl ward er mit Maassen nicht handelseinig.
Erschreckt durch die Warnungen seiner Fabrikanten, wollte Preussen
provisorische Schutzzoelle zugunsten einiger Fabrikwaren einfuehren, damit
die Industrie Zeit behielte, sich auf die Konkurrenz des Erzgebirges zu
ruesten. Zugleich verlangte man Entschaedigung fuer den drohenden starken
Verlust an Durchfuhrzoellen. Kuehne selbst fand diese Forderungen zu hart;
aus dem Magdeburgischen gebuertig, betrachtete er die Kursachsen halb als
seine Landsleute und hielt dem Minister vor: nach der Teilung Sachsens sei
Preussen schon ehrenhalber verpflichtet, dem Nachbarlande Wohlwollen zu
zeigen. Als Maassen in diesen Fragen endlich nachgegeben hatte, erhob sich
sofort ein neues Hemmnis: die Messfrage. Frankfurt an der Oder hatte bisher
fuer seine Messen einen Zollrabatt genossen, der erst vor kurzem auf
20 Proz. herabgesetzt war; nun der Eintritt Leipzigs bevorstand, wollte
Preussen seinen schwer bedrohten kleinen Messplatz nicht unguenstiger stellen
als bisher. Die Leipziger Kaufmannschaft dagegen sagte den unfehlbaren
Verfall ihrer Messen voraus, falls Frankfurt irgendein Vorrecht behalte;
und "keine Regierung, am wenigsten eine konstitutionelle -- schrieb der
saechsische Bevollmaechtigte Wietersheim --, kann einer so ausdruecklichen
Erklaerung der Repraesentanten des gefaehrdeten Nationalinteresses
entgegenhandeln". Auch das Altenburgische Geheime Ministerium sendete ein
dringendes Mahnungsschreiben nach Berlin -- "ohne alle aeussere
Aufforderung", wie man unschuldig beteuerte --, und schilderte in
herzbrechenden Worten das furchtbare Schicksal, das dem ungluecklichen
Leipzig drohe.

Da die Verhandlungen sich so unguenstig anliessen, so wuenschte der
saechsische Hof, geaengstigt durch die fortdauernde Gaerung im Lande,
mindestens einige Handelserleichterungen sofort zu erlangen, falls die
vollstaendige Vereinigung nicht moeglich sei. Der Prinz-Mitregent selber
stellte diese Bitte in einem Handschreiben an den Koenig von Preussen
(11. April 1831). Er gab zu bedenken, dass mit dem gaenzlichen Misslingen
dieser Verhandlungen "die Ausfuehrung des grossen und fuer die Sicherheit und
Ruhe Deutschlands begruendeten, von Ew. K. Majestaet verfolgten Planes, die
Interessen des Handels und Verkehrs in verschiedenen deutschen Staaten zu
vereinigen und dadurch zugleich das politische Band zu befestigen,
gefaehrdet werden oder mindestens Aufschub erleiden wuerde. Auch mag ich mir
selbst nicht verschweigen, dass eine erfolglose Verhandlung in der
gegenwaertigen Zeit auch hier nicht ohne einen sehr unguenstigen Eindruck
bleiben wuerde". Ein solcher Mittelweg schien aber den besten Koepfen der
preussischen Regierung kleinlich und nutzlos. Eichhorn bewies in einem
ausfuehrlichen Gutachten: sofortige Handelserleichterungen wuerden, nach der
Lage der Dinge, nur dem preussischen Staate einseitige Opfer auferlegen;
wolle Sachsen dagegen zu Preussen in ein aehnliches Verhaeltnis treten, wie
bisher Bayern und Wuerttemberg, so sei dazu eine vollstaendige Neugestaltung
seines Zollsystems erforderlich; warum also nicht sogleich das hoechste
Ziel, den Zollverein, ins Auge fassen? {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} Die letzten muendlichen
Verhandlungen erfolgten im Juli, bald nachher stockte auch der
schriftliche Verkehr. Die deutschen Kabinette begannen zu fuerchten, dass
Sachsen den Plan aufgegeben habe; der Dresdner Hof sah sich um die Wende
des Jahres genoetigt, in einer langen Denkschrift seine Handelspolitik vor
den oberdeutschen Koenigen zu verteidigen.

Erst als Bayern und Wuerttemberg ihre Zollvereinsverhandlungen in Berlin
eroeffneten, fasste man sich in Dresden wieder ein Herz. Im Maerz 1832
erschien Zeschau zum zweitenmal in Berlin. Abermals kam man einen Schritt
weit vorwaerts; Sachsen erklaerte sich bereit, das preussische System der
indirekten Steuern anzunehmen. Doch ueber die Messen konnte man sich wieder
nicht verstaendigen. Nun wirkte auch die Staatsweisheit Moritz Mohls
laehmend auf Sachsen zurueck; ohne die sueddeutschen Hoefe, die jetzt ihre
Verhandlungen abbrachen, wollte das Dresdner Kabinett, wie begreiflich,
nicht beitreten. Im Mai wurde die letzte Beratung gehalten; der Sommer
verlief in peinlicher Verlegenheit {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}

Inzwischen beging der saechsische Hof einen schweren politischen Fehler,
der den schlimmsten Verdacht zu rechtfertigen schien. Hannover hatte am
Bundestage wieder einmal die Ausfuehrung des Artikels 19 beantragt -- in der
unverhohlenen Absicht, den Gang der preussischen Handelspolitik zu stoeren.
Ohne jede Ruecksprache mit Preussen, ohne auch nur den Bericht der
Bundestagskommission abzuwarten, stimmte Sachsen als die erste deutsche
Regierung dem toerichten Antrage zu und erklaerte: Hoechster Zweck des Bundes
in Zollsachen ist, dasjenige durch gemeinschaftliche Gesetze zu erreichen,
was durch Einzelverhandlungen nur schwer zu erreichen ist; sollen in
Deutschland ueberhaupt Durchfuhrzoelle bestehen, so doch jedenfalls ein
anderes System als das preussische! -- Die Finanzpartei in Berlin klagte
laut ueber die offenbare Zweizuengigkeit. Geh. Rat Michaelis fragte in einer
scharfen Denkschrift: soll diese Sprache des saechsischen
Bundestagsgesandten etwa die oeffentliche Meinung in Sachsen fuer den
preussischen Zollverein gewinnen? -- Wen konnten auch die nichtigen
Entschuldigungen ueberzeugen, die der saechsische Minister Minckwitz seinem
Berliner Gesandten Watzdorf schrieb (29. November 1832)? Der harmlose Mann
beteuerte, die Vorgaenge in Frankfurt sollten den Berliner Verhandlungen
"keinen Eintrag tun"! Eichhorn aber, als ein gewiegter Kenner des
Charakters der kleinen Hoefe, mahnte seine erzuernten Amtsgenossen zur
Geduld: goennen wir doch den Herren in der Eschenheimer Gasse ihre
unschuldigen Stiluebungen; der Dresdner Hof meint es ehrlich, wenngleich er
zuweilen einem Anfall von Schwaeche unterliegt; noch eine kurze Frist, und
er kommt wieder zu uns.

Und so geschah es. Im Januar 1833 besprach sich Mieg in Dresden mit
Zeschau, und als darauf die Berliner Verhandlungen mit Bayern so gluecklich
vorangingen, kam der saechsische Finanzminister (24. Maerz) zum drittenmal
in die preussische Hauptstadt. Nach kaum acht Tagen (30. Maerz 1833)
schlossen Eichhorn, Maassen, Zeschau und Watzdorf den Zollvereinsvertrag,
der woertlich mit dem soeben beendigten bayrischen uebereinstimmte. Einige
Separatartikel ordneten den Zustand der Messen. Der Frankfurter Zollrabatt
blieb etwas ermaessigt bestehen, doch durfte Sachsen seinem Leipzig aehnliche
Verguenstigungen zuwenden. Der Messhandel erhielt eine grosse Erleichterung
durch die Einrichtung der Messkontierung; fuer Leipziger Grosshandlungen von
gutem Rufe wurde sogar ein ueber die Messzeiten hinaus fortdauerndes
Steuerkonto zum Abschreiben eroeffnet -- eine wichtige Verguenstigung, die
noch manchen Missbrauch veranlassen sollte. Auch die Herabsetzung einiger
Zollsaetze, namentlich fuer Woll- und Baumwollwaren, wurde vereinbart.
Preussen verpflichtete sich, die Ermaessigung der Elbschiffahrtsabgaben,
welche Anhalt dem preussischen Elbhandel zugestanden hatte, auch dem
saechsischen Verkehre zuzuwenden; der gute Vorsatz scheiterte freilich an
Anhalts Kleinsinn.

Nicht ohne Zagen unterschrieb Maassen den Vertrag, der den preussischen
Markt den Fabriken des Erzgebirges eroeffnete; von allen seinen Raeten
stimmte ihm nur Kuehne unbedingt zu. "Das ist ein schwerer Vertrag -- sagte
er zu Kuehne {~HORIZONTAL ELLIPSIS~} --, es haette ihn nicht jeder unterzeichnet." Die Besorgnis
des Staatswirts hatte zuruecktreten muessen vor den Hoffnungen der
Politiker. Sachsen stand gerade in den Flitterwochen seines
konstitutionellen Lebens; der Eintritt dieses Staates musste die
oeffentliche Meinung guenstig stimmen. Leider verging wieder eine geraume
Frist, bis die deutsche Welt mit der vollendeten Tatsache sich versoehnte.
Die preussischen Fabrikanten laermten, die gute Stadt Leipzig ueberliess sich
einer masslosen Verzweiflung. Eine Petition, die der k. k. Konsul Bercks
geschaeftig umhertrug, warnte die Regierung; die Stadtverordneten richteten
eine dringende Vorstellung nach Dresden. An Zeschaus Wohnung fand sich
eines Morgens ein Anschlag: "Allhier wird von einem Parvenu, einem
preussischen Landrat, so saechsischer Finanzminister geworden ist, das Land
fuer Geld und Orden an Preussen verkauft." Der Taumel ergriff jeden Stand
und jedes Alter. Die Leipziger Schulbuben kauften sich englische
Farbkaesten auf Vorrat, weil sie mit fruehreifer handelspolitischer Vorsicht
befuerchteten, das gewohnte Spielzeug werde nunmehr fuer buergerliche
Geldbeutel unerschwinglich werden. Ein Jahr darauf schon begann fuer die
Pleissestadt eine neue Epoche glaenzender Handelsbluete; das kleine Frankfurt
wurde durch den ueberlegenen Nebenbuhler ganz zurueckgedraengt, die maechtigen
Leipziger Firmen lernten bald, den Frankfurter Messrabatt fuer sich selber
zu benutzen. Auch die Klagen der preussischen Fabrikanten verstummten, und
niemand wollte die warnenden Petitionen unterschrieben haben. Zeschau
selbst, der Wohltaeter Leipzigs, hat freilich von den stolzen Kaufherren
der Messstadt niemals irgendeine Genugtuung fuer so viele Schmaehungen
erhalten.

Waehrend diese verwickelte zweifache Verhandlung in wiederholten Ansaetzen
erledigt wurde, hatte Eichhorns unverwuestliche Geduld zugleich ein drittes
schwieriges Geschaeft zu fuehren: die Unterhandlungen mit den thueringischen
Staaten. In Thueringen wie in Sachsen und Kurhessen wurde die beginnende
Bekehrung gefoerdert durch den unruhigen Sommer von 1830, durch die Angst
vor den murrenden Massen. Hier wie in Sachsen hoffte man anfangs, sogleich
einseitige Handelserleichterungen von Preussen zu erlangen. Der weimarische
Minister Gersdorff kam im Januar 1831 zugleich mit Lindenau nach Berlin,
ueberbrachte ein Handschreiben seines Grossherzogs, das um solche
Verguenstigung bat: "dies wuerde in einer Periode mannigfacher Aufregungen
Uebelgesinnten einen Vorwand zu schlechten Einwirkungen entnehmen." Auf
wiederholte aehnliche Anfragen kleiner thueringischer Hoefe antwortete das
Berliner Kabinett (5. Juli 1831): man sei bereit, ueber einen Zollverein zu
verhandeln, doch nur mit allen thueringischen Staaten gemeinsam, und nur
wenn diese Hoefe sich nicht mehr gebunden glaubten an den mitteldeutschen
Verein. Erst als Kurhessen zu dem preussischen Vereine uebergetreten war,
erklaerten die ernestinischen Hoefe: der Mitteldeutsche Verein sei
tatsaechlich aufgeloest.

General Lestocq, der vielgeplagte Gesandte, den die thueringischen und
einige andere kleine Dynasten in Berlin auf gemeinsame Kosten ernaehrten,
ueberreichte am 15. Januar 1832 eine Verbalnote: Preussen moege die
Initiative ergreifen, aeltere bindende Verpflichtungen bestaenden nicht
mehr. Weimar draengte am eifrigsten; das Grossherzogtum besass an Gersdorff
und O. Thon zwei treffliche Verwaltungsbeamte, die wohl einsahen, wo der
Grund der ewigen Finanznot lag. Sproeder verhielt sich Gotha, da hier der
hergebrachte Schmuggel allgemein als ein Nationalglueck betrachtet wurde.
Maassen und Eichhorn entwickelten nun ausfuehrlicher den einfachen Gedanken,
den sie so oft schon ausgesprochen hatten: die verzettelten thueringischen
Gebiete sollen zunaechst unter sich einen Verein mit gemeinsamer
Zollverwaltung bilden und dann erst als eine geschlossene Einheit in den
grossen Zollverein treten; Preussen will die Kreise Erfurt, Suhl und
Ziegenrueck diesem thueringischen Vereine zuteilen, wird auch dafuer sorgen,
dass Kurhessen sein Schmalkaldener Land hinzugefuegt. Zu foermlichen
Verhandlungen kam es auch jetzt noch nicht; denn Eichhorn hoffte, vorher
mit Bayern und Wuerttemberg abzuschliessen. Diese beiden Hoefe fuehlten sich
schon beunruhigt durch die Anfragen der Ernestiner; sie meinten: schliesse
Thueringen frueher ab, so sei der Sueden auf Gnade und Ungnade dem Belieben
Preussens ueberliefert. Darum richteten sie sogar eine Verwahrung an den
Berliner Hof (15. November 1832): ohne die vorhergehende Zustimmung
Bayerns und Wuerttembergs duerfe Preussen die Thueringer nicht aufnehmen. Der
Dresdener Hof, der sich noch immer als das geborene Oberhaupt der
Ernestiner fuehlte, verlangte zu allen Verhandlungen mit seinen
Stammesvettern zugezogen zu werden. Preussen erwiderte: wir werden Sachsens
Interessen sorgsam wahren, doch der Zutritt eines saechsischen
Bevollmaechtigten kann die Verhandlungen nur erschweren. Immerhin haben
diese Bedenken der drei kleinen Koenigskronen den Beginn der
Unterhandlungen verzoegert.

Erst im Dezember 1832 begannen die Konferenzen mit den Thueringern. Die
preussischen Staatsmaenner schlugen vor, eine Zentralbehoerde fuer das
thueringische Zollwesen zu bilden. Grosse Bestuerzung; keiner der Kleinen
wollte eine solche Beschraenkung seiner Souveraenitaet zugeben. Da meinten
die Preussen beguetigend: es werde genuegen, einen Generalinspektor
einzusetzen; der muesse freilich in Erfurt wohnen, als dem Mittelpunkte des
Landes, doch solle er nicht von Preussen, sondern von der thueringischen
Hauptmacht Weimar ernannt werden. Hiermit schien jeder Widerspruch
entwaffnet. Wenn Preussen sein Zollwesen einem weimarischen Beamten
unterstellte, so durfte auch der Reussenstolz und der Gothaerduenkel nicht
klagen. Gleichwohl erhoben Altenburg und Meiningen neue Bedenken; sie
konnten sich nicht in den Gedanken finden, dass ihre Verwaltung fremder
Aufsicht unterliegen solle. Schon war man nahe daran, ohne Meiningen
abzuschliessen. Da drohte Kuehne: wenn man die preussischen Beamten als
Spione betrachte, dann muesse Preussen sein gefuerchtetes Enklavensystem
gegen die kleinen Nachbarn anwenden. Das schlug durch. Am 10. Mai 1833
wurde der "Zoll- und Handelsverein der thueringischen Staaten" gebildet, am
folgenden Tage erklaerte der neue Verein, der das gesamte System der
preussischen indirekten Steuern annahm, seinen Zutritt zu dem Deutschen
Zollvereine. Ein weimarischer Generalbevollmaechtigter vertrat die
Thueringer auf den Konferenzen des Zollvereins, gab in Tarifsachen nur eine
Gesamtstimme ab; in einigen anderen Faellen sollte er die Meinung jedes
einzelnen thueringischen Staates gesondert vortragen. Dieser Bund im Bunde,
welchen Preussens Staatsmaenner seit dem Jahre 1819 erstrebt hatten, erwies
sich als so einfach und naturgemaess, dass niemals, auch nicht in den
schwersten Krisen des Zollvereins, an die Aufloesung des thueringischen
Vereins gedacht worden ist. --

Also war des grossen Werkes schwerster Teil gelungen. Ein unerhoerter
Ordenssegen belohnte die treue Arbeit des Beamtentums; die Jahrgaenge der
deutschen Gesetzsammlungen schwollen zu unfoermlichen Baenden an, von allen
den neuen Vertraegen und Gesetzen. Dann kam jene folgenschwere
Neujahrsnacht des Jahres 1834, die auch den Massen das Nahen einer
besseren Zeit verkuendete. Auf allen Landstrassen Mitteldeutschlands harrten
die Frachtwagen hochbeladen in langen Zuegen vor den Mauthaeusern, umringt
von froehlich laermenden Volkshaufen. Mit dem letzten Glockenschlage des
alten Jahres hoben sich die Schlagbaeume; die Rosse zogen an, unter
Jubelruf und Peitschenknall ging es vorwaerts durch das befreite Land. Ein
neues Glied, fest und unscheinbar, war eingefuegt in die lange Kette der
Zeiten, die den Markgrafenstaat der Hohenzollern hinaufgefuehrt hat zur
kaiserlichen Krone. Das Adlerauge des grossen Koenigs blickte aus den
Wolken, und aus weiter Ferne erklang schon der Schlachtendonner von
Koeniggraetz. Gluecklicher als sein leidenschaftlicher Freund hat Maassen die
Stunde der Genugtuung noch genossen. Er starb am 4. November 1834. Einen
ebenbuertigen Nachfolger fand er nicht; nur in Eichhorn und den Geheimen
Raeten des Finanzministeriums lebten die Ueberlieferungen von 1818 fort.

Der erweiterte Handelsbund nahm jetzt den Namen des _Deutschen
Zollvereins_ an.(122) Aus dem dunstigen Nebel des Deutschen Bundes traten
schon erkennbar die Umrisse jenes Kleindeutschlands hervor, das dereinst
den Ruhm und die Macht des Heiligen Roemischen Reiches ueberbieten sollte.



d) _Politische Bedeutung des Deutschen Zollvereins._


Die politischen Wirkungen des Zollvereins sind dank der unvergleichlichen
Schwerfaelligkeit des deutschen Staatslebens nicht so rasch und nicht so
unmittelbar eingetreten, als manche kuehne Koepfe meinten. Schon zu Anfang
der dreissiger Jahre hoffte Hansemann(123), ein Parlament des Zollvereins
und daraus vielleicht einen Deutschen Reichstag erstehen zu sehen, und wie
viele andere wohlmeinende Patrioten haben nicht aehnliche Erwartungen an
den deutschen "Zollstaat" geknuepft. Aber der Handelsbund war kein Staat,
er bot keinen Ersatz fuer die mangelnde politische Einheit und konnte noch
durch Jahrzehnte fortdauern, ohne die Luege der Bundesverfassung zu
zerstoeren. Als Minister du Thil im Jahre 1827 seinem Grossherzog den Rat
gab, jenen entscheidenden Schritt in Berlin zu wagen, da sprach er offen
aus: Wir duerfen uns darueber nicht taeuschen; indem wir den Handelsbund
schliessen, verzichten wir auf die Selbstaendigkeit unserer auswaertigen
Politik; bricht ein Krieg aus zwischen Oesterreich und Preussen, so ist
Hessen an die preussischen Fahnen gebunden. Desgleichen Dahlmann(124), der
nach seiner grossen und tiefen Art den Zollverein sofort als das einzige
deutsche Gelingen seit den Befreiungskriegen begruesste, erklaerte
zuversichtlich, der Handelsbund stelle uns sicher vor der Wiederkehr
buergerlicher Kriege. Auch diese Weissagungen sind nicht buchstaeblich
eingetroffen. Der Zollverein hat die oberdeutschen Staaten nicht
verhindert, die Waffen zu ergreifen gegen Preussen. Und dennoch sollte
gerade das Jahr 1866 die gewaltige Lebenskraft dieses handelspolitischen
Bundes erproben. Der rasche Siegeszug der preussischen Fahnen ueberhob
Preussen der Muehe, seine wuchtigste Waffe zu schwingen, durch die Aufhebung
der Zollgemeinschaft die oberdeutschen Hoefe sofort zu bekehren.

Das Bewusstsein, dass man zueinander gehoere, dass man sich nicht mehr trennen
koenne von dem grossen Vaterlande, war durch die kleinen Erfahrungen jedes
Tages in alle Lebensgewohnheiten der Nation eingedrungen, und in dieser
mittelbaren politischen Wirkung liegt der historische Sinn des Zollvereins
{~HORIZONTAL ELLIPSIS~} es ging doch zu Ende mit dem Philistertum der alten Zeit, das an die
Herrlichkeit der Kleinstaaten kindlich glaubte. Der Geschaeftsmann folgte
mit seinen Gedanken den Warenballen, die er frei durch die deutschen
Laender sandte, er gewoehnte sich, wie schon laengst der Gelehrte, ueber die
Grenzen des heimischen Kleinstaates hinauszublicken; sein Auge, vertraut
mit grossen Verhaeltnissen, sah mit ironischer Gleichgueltigkeit auf die
Kleinheit des engeren Vaterlandes. Der Gedanke selbst, dass die alten
trennenden Schranken jemals wiederkehren koennten, wurde dem Volke fremd;
wer einmal in dem Handelsbund stand, gehoerte ihm fuer immer. Eine
unerbittliche Notwendigkeit stellte nach jeder Krisis die alten Grenzen
des Zollvereins wieder her; kalte politische Koepfe konnten mit
mathematischer Sicherheit den Verlauf des Streites im voraus berechnen {~HORIZONTAL ELLIPSIS~}
Der preussische Staat erfuellte, indem er Deutschlands Handelspolitik
leitete, einen Teil der Pflichten, welche dem Deutschen Bunde oblagen, wie
er zugleich allein durch sein Heer die Grenzen des Vaterlands sicherte. So
ist er durch redlichen Fleiss langsam emporgewachsen zur fuehrenden Macht
des Vaterlandes, und nur weil die europaeische Welt es nicht der Muehe wert
hielt, das Heerwesen und die Handelspolitik Preussens ernstlich kennen zu
lernen, bemerkte sie nicht das stille Erstarken der Mitte des Festlandes.

Quelle: H. v. Treitschke, Deutsche Geschichte usw. IV, 350ff.

                            ------------------

  108 Joh. Friedr. Boehmer, geb. 22. April 1795, gest. 22. Oktober 1863,
      hervorragender Forscher, vornehmlich auf dem Gebiete der Geschichte
      des deutschen Mittelalters.

  109 Eduard v. Schenk, geb. 10. Oktober 1788, gest. 26. April 1841. Als
      Protestant geboren, trat er 1817 zur katholischen Kirche ueber und
      wurde 1828 Minister der geistl. Angelegenheiten.

  110 Joh. Nepomuk Ringseis, geb. 16. Mai 1785, gest. 22. Mai 1880, Arzt
      von Beruf.

  111 Francois Gabriel Graf v. Bray, geb. 1765, gest. 1832.

  112 Karl Philipp Fuerst Wrede, geb. 29. April 1767, gest. 12. Dezember
      1838.

  113 Georg Ludwig Winter, geb. 18. Jan. 1778, gest. 17. Maerz 1838, seit
      1830 Leiter des Ministeriums des Innern in Baden.

  114 Karl Theodor Welcker, geb. 29. Maerz 1790, gest. 10. Maerz 1869,
      Professor der Rechte in Kiel, Heidelberg, Bonn, Freiburg i. Br.,
      Mitglied der badischen Kammer und einer von den Fuehrern des
      sueddeutschen Liberalismus.

  115 Karl v. Rotteck, geb. 18. Juli 1775, gest. 26. November 1840,
      Professor der Geschichte und der Staatswissenschaften an der
      Universitaet Freiburg i. Br., von 1831 an Mitglied der 2. badischen
      Kammer, in der er als gewandter Redner die Gedanken des Liberalismus
      vertrat.

  116 Moritz Mohl, geb. 1802, gest. 18. Februar 1888, damals als Assessor
      bei der Finanzkammer in Reutlingen, seit 1841 Obersteuerrat, 1848
      Mitglied des Parlaments sowie der Nationalversammlung, seitdem
      Fuehrer der grossdeutschen Partei in der wuerttembergischen Kammer.

  117 Ludwig Kraft Ernst Fuerst zu Oettingen-Wallerstein, geb. 31. Januar
      1791, gest. 22. Juni 1870, von 1831 bis 1838 bayrischer Minister des
      Innern.

  118 Der Dichter Ludwig Uhland, geb. 26. April 1787, gest. 13. November
      1862.

  119 Friedrich v. Roemer, geb. 4. Juni 1794, gest. 11. Maerz 1864, Mitglied
      der liberalen Opposition in der wuerttembergischen Kammer, deren
      Praesident er in spaeteren Jahren war.

  120 Heinrich Anton v. Zeschau, geb. 4. Februar 1789, gest. 17. Maerz
      1870, seit 1822 in saechsischen Diensten, von 1831-1848
      Finanzminister bzw. Minister des Auswaertigen, von 1851-1869 Minister
      des Koenigl. Hauses.

  121 Christian Friedrich v. Boeckh, geb. 13. August 1777, gest.
      21. Dezember 1855, von 1828 bis 1844 badischer Finanzminister.

  122 Von den noch ausserhalb des Zollvereins stehenden Staaten bildeten
      Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe durch die
      Vertraege vom 1. Mai 1834 und 7. Mai 1836 einen _Steuerverein_, dem
      auch einige preussische und kurhessische Gebietsteile angeschlossen
      wurden; Baden, Nassau und Hessen-Homburg traten am 1. Januar 1836,
      Frankfurt a. M. am 2. Januar 1836 in den Zollverein ein; am
      1. Januar 1842 auch Braunschweig und Lippe, am 1. April 1842
      Luxemburg. Durch Vertrag vom 1. September 1851 kam auch mit dem
      Steuerverein eine Einigung zustande, die am 1. Januar 1854 den
      Eintritt desselben in den Zollverein zur Folge hatte.

  123 David Hansemann, geb. 12. Juli 1790, gest. 4. August 1864,
      preussischer Staatsmann und publizistischer Schriftsteller, 1848
      kurze Zeit Finanzminister, nachher bis 1851 Chef der Preussischen
      Bank.

  124 Friedrich Christoph Dahlmann, geb. 13. Mai 1785, gest. 5. Dezember
      1860, Geschichtsforscher und Politiker.




Register.


Addington, englischer Gesandter am Bundestag; 136.
Akzisewesen, preussisches; 5.
Alexander I., Zar; 6.
Alexius Friedrich Christian, Herzog von Anhalt-Bernburg; 62.
Altenstein, Karl, Freiherr v. Stein zum; 34. 85.
Alternat, Streit ueber das A.; 159.
Altpreussen, Notstand in A.; 82 f.
Ancillon, Johann Peter Friedrich; 196.
Anhalt im Kampf gegen das preussische Zollgesetz; 37. 43. 57 ff. 63. 90 ff.
Anhalt-Bernburg; 43. 62.
Anhalt-Dessau; 62.
  -- Beitritt von Anhalt-Dessau und Anhalt-Koethen zum Zollverein; 92.
Anhalt-Koethen; 44. 48 ff. 59 ff. 63.
v. Anstett, russischer Gesandter am Bundestag; 161.
Anton, Koenig von Sachsen; 131. 177. 179.
Anton Guenther, Fuerst von Schwarzburg-Sondershausen; 41. 42. 43. 44. 150.
Aretin, Adam Freiherr v.; 72. 73. 74. 75.
Armansperg, Joh. Ludw., Graf v.; 120. 152. 153. 154. 159. 174. 181. 197.
Arnoldi, E. W.; 22. 23. 69.
Arnstadter Beratung der thueringischen Staaten; 70.
Auguste, Tochter des Koenigs Friedrich Wilhelm II. von Preussen, Kurfuerstin
            von Hessen; 128. 129. 130.
Baader, Joseph (Franz); 121.
Baring; 11.
Baumgaertner, preussischer Konsul; 196.
Bayer, Fabrikant; 106.
Bayrisches Zollgesetz vom 22. Juli 1819; 46 f.
  -- Bayrisch-Wuerttembergischer Zollverein 113 f. 151. 181.
Beguelin, Geheimrat; 8.
Bernstorff, Christ. Guenther, Graf v.; 33. 38. 45. 46. 52. 53. 54. 55. 56.
            57. 60. 64. 67. 90. 94. 107. 125. 140. 146. 147. 150. 168.
            179. 181. 184.
Benzenberg, Joh. Friedr.; 21.
Bercks, oesterreichischer Konsul in Leipzig; 201.
Beroldingen, wuerttembergischer Minister; 123.
Berstett, Wilh. Ludw. Leop. Reinh., Freiherr v., badischer Minister; 28.
            29. 47. 53. 56. 57. 69. 70. 72. 75. 76. 100. 101. 102. 103.
            105. 138. 140.
Bever, Assessor; 188.
Biersack, Finanzrat; 111.
Blomberg, Freiherr v.; 155.
Blum, Robert; 24.
Bignon, Louis Pierre, Baron; 66.
Bluecher, G. v.; 35.
Blittersdorf, Friedr. Landolin, Freiherr v.; 66. 99. 117. 121. 123. 146.
            162. 173. 195.
Boeckh, badischer Minister; 181.
Boehmer, Joh. Friedr.; 176.
Bombelles, Ludw. Phil., Graf. v.; 50.
Braun, Kammerrat; 132.
Bray, Francois Gabriel, Graf v., bayrischer Gesandter in Wien; 180.
Bruenneck, Oberst; 82.
Buchholz, Publizist; 149.
Buhl, Fabrikant; 184.
Buelow, Heinrich v.; 90. 95. 124. 137. 149. 167.
Bundesakte, Artikel; 19. 23. 25. 27. 28. 35. 38. 46. 53. 54. 99. 139. 140.
            142. 146. 147. 199.
Buol, Joh. Rud., Freiherr v.; 55.
Burke, Edmund; 11.
Buesch, Joh. G.; 22.
Camuzzi, Geheimrat; 121.
Canning, Georg, engl. Minister.
  Ministerium; C. 10.
  Anm. 80.
Carlowitz, Christoph Anton Ferd. v.; 132. 133. 138.
Carlowitz, Hans Georg v.; 131. 133. 137. 167.
Clarence, Herzogin von; 165.
Conta; 167.
Cotta, Joh. Friedr., Freiherr C. v. Cottendorf; 153. 154. 155. 159. 160.
            161.
Cromwell, Oliver; 11.
Czartoriski, Fuerst; 6.
Dahlmann, Friedr. Christoph; 205.
Dalberg, Emmerich Joseph, Herzog von; 122.
Darmstaedter Zollkonferenzen; 68ff. 98. 100. 101.
Deutscher Zollverein; 172 ff. 203. 204.
Du Bos du Thil, Karl Wilh. Heinr. Freiherr v. ({~DAGGER~} 1859)
            hessen-darmstaedtischer Minister; 56. 72. 73. 74. 77. 98. 100.
            101. 105. 106. 107. 108. 123. 126. 127. 144. 205.
Eichhof, oesterreichischer Hofrat; 161.
Eichhorn, Joh. Albr. Friedr.; 14. 16. 31. 32. 33 ff. 37. 38. 40. 42. 62.
            67. 78. 90. 92. 107. 108. 110. 112. 114. 118. 120. 124. 127.
            148. 155. 164. 167. 170. 174. 187. 188. 189. 192. 198. 200.
            201. 202. 204.
Eimbecker Vertrag (27. Maerz 1830) 170 f. 173 f. 177.
Einsiedel, Detlev, Graf v.; 131. 140.
Elbschiffahrt, Freiheit der E.; 49. 54. 57.
Elbschiffahrtsakte (23. Juli 1821); 60. 62. 90.
Elbuferstaaten, Konferenz der E. in Dresden; 54. 58. 59.
Elsflether Zoll; 58.
Emil, Prinz von Hessen; 110. 112. 122.
Englische Handelskrisis; 81.
Enklavensystem, preussisches; 37 f. 40. 41. 43. 53. 59. 62. 88.
Ernst I., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha; 47. 69. 132. 133. 150. 162.
            163.
Erskine, Lord; 161.
Eschenheimer Gasse (d. i. Bundestag); 72. 91. 126. 134. 200.
Fahnenberg, badischer Gesandter in Muenchen; 123. 189.
Fenelon, Graf, franzoesischer Gesandter am Nassauer Hof; 165.
Ferber, Geheimrat; 7.
Ferdinand, Herzog von Anhalt- Koethen; 44. 48. 49. 53. 54. 55. 57. 59. 60.
            61. 62. 64. 66. 88. 89. 90. 92.
Fitzgerald, englischer Minister; 137.
Frank, Pfarrer; 106.
Franz II., Kaiser von Oesterreich; 50. 52. 55.
Freihandel, Preussen als Vorkaempfer des Freihandelsgedankens; 11.
Friedheim, Kaufmann; 61. 62.
Friedrich August, Mitregent von Sachsen; 195. 198.
Friedrich der Grosse; 34. 45. 148. 157. 160. 204.
Friedrich Wilhelm I.; 45.
Friedrich Wilhelm III.; 5. 6. 7. 8. 12. 17. 18. 19. 20. 36. 37. 38. 40.
            41. 43. 44 f. 48. 49. 57. 61. 62. 66. 67. 77. 78. 80. 82. 83.
            84. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 107. 109. 110. 112. 113. 115. 119.
            125. 129. 130. 132. 138. 148. 150. 154. 156. 160. 165. 172.
            177. 179. 181. 195. 198.
Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preussen; 154.
Friedrich Wilhelm, Kurfuerst von Hessen; 175.
Friedrich Guenther, Fuerst von Schwarzburg-Rudolfstadt; 88.
Fritsch, Karl W., Freiherr v., Minister; 47. 53. 178.
Gagern, Hans Christoph Ernst, Freiherr v.; 141. 144.
Geldausfuhr. Aufhebung des Verbots der G. in Preussen; 6.
Generalkontrolle. Aufhebung der G. in Preussen; 84 f.
Georg, Grossherzog von Strelitz; 91.
Gersdorff, v., saechsisch- weimarischer Minister; 201. 202.
Gesetz vom 26. Mai 1818; 8 ff. 30. 38. 40.
Gesetz vom 8. Februar 1819 ueber die Besteuerung des Konsums inlaendischer
            Erzeugnisse; 12.
Gise, bayrischer Minister; 189.
Goltz, Aug. Friedr. Ferd., Graf v. d.; 27. 53. 56.
Goltz, Familie v.; 83.
Gneisenau; 7. 34.
Goerres, Joseph v.; 24. 26. 180.
Gothaer Lebensversicherungsbank; 23.
Grandauer, Kabinettsrat; 123.
Grant, Charles; 124.
Grolman, Karl Ludw. Wilhelm v.; 10.
Grote, Aug. Otto, Graf; 137. 149. 167. 170.
Guaita, Senator; 138. 161.
Guenther Friedrich Karl I., Fuerst von Schwarzburg-Sondershausen; 88.
Handelsverein, deutscher; 25.
Haenlein, preussischer Gesandter am kurhessischen Hofe; 128. 167.
Hansemann, David; 204.
Hardenberg, Fuerst; 6. 13. 14. 19. 21. 39. 45. 64. 84. 165 Anm.
Hatzfeldt, Franz Ludwig, Graf v.; 88.
Heidelberger Protokoll; 100. 101. 110.
Herzog, Geheimrat; 100.
Hessen-Darmstadt, Zollvertrag mit Preussen; 109 ff.
Hessen-Kassel, Gesetz vom 17. September 1819; 48.
  -- Beitritt Hessen-Kassels zum preussischen Zollsystem; 175.
Heydebreck, v., Oberpraesident; 7. 8.
Hofmann, hessischer Staatsrat; 106. 109. 110. 115. 116. 122. 126. 155.
            160. 161.
Hoffmann, E. E.; 184.
Hoffmann, J. G.; 17. 18. 42. 43. 100.
Hohenzollern-Wuerttembergischer Zollverein; 88.
Hruby, Freiherr v.; 128. 138. 165.
Humboldt, A. u. W.; 7.
  -- W. v. H.; 34. 58. 90. 153.
Huskisson, W.; 10. 11. 103.
Jordan, v., preussischer Gesandter in Dresden; 62. 149. 170.
Joerres; 72.
Julia, Graefin von Brandenburg, Gemahlin des Herzogs Ferdinand von
            Anhalt-Koethen; 49. 66. 88.
Juli-Revolution (1830); 171. 173.
Kamptz, Karl Friedr. Heinr. v.; 85.
Karl VII. (Albrecht), deutscher Kaiser; 157.
Karl, Herzog von Braunschweig; 139.
Karl August, Grossherzog von Sachsen-Weimar; 40. 47. 50. 145.
Karl Friedrich, Grossherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach; 178. 201.
Karlsbader Beschluesse (1819); 19. 50.
Karlsbader Konferenzen (1819) 19. 28. 45.
  -- (1821) 61.
Kasseler Vertrag 175. 177.
Kessler, Direktor der Domaenen 86.
Kircheisen, Friedr. Leop. v. 34.
Klewiz, Wilh. Anton v. 29. 41. 62. 77. 84. 94.
Klickermann, Zollinspektor 63.
Knorr, Zolldirektor 194.
Koenneritz, Jul. Traugott v. 169. 170. 196.
Kotzebue 17.
Koester, Abgeordneter 69.
Krafft, Praesident 116.
Kress, v., oesterreichischer Hofrat 135.
Krug 18.
Kuehne, Leopold 129.
Kuehne, Ludw. Samuel 85. 87. 175. 188.
Kunth, Staatsrat 7.
Kuester, preussischer Gesandter in Muenchen 123. 125. 152. 192. 194. 197.
            200. 203.
Ladenberg, Phil. v. 8. 77. 84. 85.
La Ferronays, franzoesischer Minister 123.
Landwirtschaftliche Krisis in Deutschland 81.
Langenau. Fr. Karl Gustav, Freiherr v. 117. 118. 135.
Lassalle, Ferd. 25. 29 Anm.
Lehrbach, Graf 115.
Leipzig, Schlacht bei L. 79.
Leonhardi, grossherzoglich hessischer Geheimrat 135.
Leopold III., Friedrich Franz, Herzog von Anhalt-Dessau 64.
Leopold IV., Friedrich, Herzog von Anhalt-Dessau 62. 89. 90. 92.
Leopold, Grossherzog von Baden 181. 183. 184.
Leopold von Dessau (der alte Dessauer) 59.
Lerchenfeld, Maximilian v. 72. 99. 106. 123. 141. 160. 174. 192.
Lestocq, General 41. 202.
Lindenau, Bernh. v. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 144. 177. 178.
            195. 196. 201.
List, Friedr. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 32. 51. 52. 55. 57. 68. 69. 70.
Listscher Verein s. Verein deutscher Kaufleute.
Lottum, Graf 84. 87.
Lotzbeck, v. 184.
Loewenstein, Fuerst Georg v. 182.
Luden 17.
Lueder, Kammerrat 126.
Ludwig, Grossherzog von Baden 117. 181.
Ludwig I., Koenig von Bayern 102. 104. 105. 106. 108. 121. 122. 123. 125.
            126. 130. 141. 151. 152. 153. 154. 155. 159. 160. 161. 175.
            181. 182. 183. 184. 185. 189. 192. 193.
Ludwig I., Grossherzog von Hessen 72. 107. 112. 125. 126. 129. 205.
Luetzerode, Freiherr v. 126.
Luxburg, Graf 155.
Maassen, Generaldirektor 8. 9. 10. 11. 12. 21. 29. 31. 32. 42. 79. 85. 108.
            112. 155. 172. 175. 187. 189. 191. 195. 196. 197. 202. 204.
Mainzer Konferenzen 102.
Maltzan, v. 107. 112. 135. 145. 168.
Manteuffel, Georg Aug. Ernst v. 131.
Marschall, Freiherr v., Vertreter Nassaus am Bundestag 47. 52. 53. 56. 61.
            66. 71. 72. 76. 100. 102. 117. 129. 134. 143.
Martens, Georg Friedr. v. 27.
Marx 29 Anm.
Maximilian I. Joseph, Koenig von Bayern 100. 122.
Meisterlin, Geheimer Rat 174.
Merckel, Oberpraesident 7.
Metternich, Fuerst Klemens 19. 28. 36. 47. 49. 50. 52. 55. 61. 64. 70. 75.
            76. 88. 89. 118. 139. 140. 149. 151. 152. 153. 165. 180. 182.
Meyer, S., Kaufmann 183.
Meyerfeld, v., kurhessischer Bundestagsgesandter 173. 174.
Meysenbug, Freiherr v. 126.
Mieg, v., bayrischer Finanzminister 189. 190. 192. 200.
Michaelis, Geheimrat 199.
Milbanke, englischer Geschaeftstraeger bei der Stadt Frankfurt 136.
Miller (Immenstadt) 25. 69. 103. 126.
Minkwitz, Freiherr v., saechsischer Minister 199.
Mitteldeutscher Handelsverein 130 ff. 139 ff. 148. 149. 151. 153 f. 162.
            163. 165. 171. 173. 175 f. 178. 195. 202.
Mohl, Moritz 187. 188. 199.
Mollerus, niederlaendischer Geschaeftstraeger in Muenchen 124.
Motz, Friedr. Christ. Ad. v. 42. 77. 78 ff. 81. 83. 84. 85. 86. 87. 88.
            92. 97. 107. 108. 110. 112. 114. 116. 118. 129. 146. 147. 148.
            150. 151. 153. 154. 155. 156. 157. 159. 161. 162. 163. 164.
            170. 171. 172. 173. 194.
Motz, hessischer Finanzminister 174.
Mueller, Adam 49. 50. 52. 59. 62. 63. 64. 88. 89. 91. 93.
Muench-Bellinghausen, Joachim, Graf v. 62. 117. 118. 119. 135. 146. 161.
Muenster-Ledenburg, Ernst Friedr. Herbert, Reichsgraf 136. 165.
Nagler, Karl Friedr. v. 91. 127. 174.
Napoleon I. 71. 122. 128. 158.
Napoleon, roemischer Koenig 122.
Navigationsakte 11.
Natzmer, Oldwig v., preussischer General 129.
Nebenius, Karl Friedr. 29. 30. 31. 32. 33. 42. 53. 68. 70. 72. 73. 74. 76.
            99. 100. 101. 102. 103. 104. 153.
Neujahrsnacht 1834 204.
Oberkamp, Geheimrat 126. 127. 128. 141.
Oberschoenaer Punktation 133. 134. 142.
Oesterreichische Tendenzluegen 119.
Otterstedt, v., preussischer Gesandter am badischen Hofe 108. 116. 118.
Oettingen-Wallerstein, Ludwig Kraft Ernst, Fuerst zu 192.
Perrot, Abgeordneter 106.
Pfizer, Paul 158. 193. 194.
Phoenix, Versicherungsgesellschaft 23.
Pitt, William 79.
Pochhammer 160.
Poelitz 18.
Porbeck, v., Praesident 126.
Preussisch-Bayrischer Handelsvertrag 145 ff. 155 ff. 180 f.
Preussisch-Hessischer Zollverein 109 ff.
Prohibitivzoelle, franzoesische 10. 11.
Rabener, Gottlieb Wilh. 145.
Radowitz, Freiherr v. 37.
Rauch, Christian, Bildhauer 160.
Rechberg, Aloys, Graf v. R. u. Rothenloewen 72. 99.
Reden, v., hannoverscher Gesandter in Dresden 140.
Reichenbach (Emilie Ortloepp), Graefin, Geliebte des Kurfuersten Ludwig II.
            von Hessen 126. 127. 171.
Reichenbach, Zusammenbruch der Firma R. in Leipzig 81.
Reinhard, Karl Friedrich, Graf 122. 136.
Renner, Defraudationsprozess der Firma R. 71.
Rheinischer Merkur 24. 26.
Rheinoktroi von 1814 58.
Ricardo, David 29.
Ries, kurhessischer Geheimrat 174.
Ringseis, Joh. Nepomuk 180.
Roemer, Friedr. v. 194.
Roentgen, Aug. v. 101. 143. 161. 166. 168. 193.
Rothschild, Anselm Meyer, Freiherr v. 116. 134.
Rotteck, Karl v. 184.
Rumigny, Graf 161.
Sachsen, Koenigreich, Beitritt Ss. zum Zollverein 194 ff. 200.
Sachsen-Koburg-Gotha, Vertrag Preussens mit S.-K.-G. 163.
Sachsen-Meiningen, Vertrag Preussens mit S.-M. 163.
Sachsen-Weimar sucht um Aufnahme in das preussische Zollsystem nach 178.
Sack 34.
Salmuth, v. 89.
Salzregal, Einfuehrung des S.s in Preussen 6.
Schenk, Abgeordneter 115. 180.
Schenk zu Schweinsberg 174.
Schill 34.
Schleiermacher, Friedr. Ernst Dan. 34.
Schlieben, Familie der Grafen v. 83.
Schlussakte 53.
Schminke, Finanzminister 127.
Schmitz-Groltenburg, Freiherr v., wuerttembergischer Gesandter in Muenchen
            99. 120. 122. 189.
Schmuggel (Schwaerzen)
  an den preussischen Grenzen 20 f. 41. 43. 57 ff. 63. 71. 98. 173. --
  Auf dem Schwarzwald und am Rhein 181. 183. --
  An der saechsisch-boehmischen Grenze 195.
Schmuggelpraemie 31.
Schnell, J. J. (Nuernberg) 25. 51.
Schoen, Praesident 78. 82. 83.
Schoenberg, Praesident 78. 155.
Schuckmann, Kasp. Friedr. Freih. v. 7.
Schulenburg, Graf Friedr. Albr. v. d., saechsischer Gesandter in Wien 165.
Schuetz, v., Steuerdirektor 86.
Schwarzburg-Rudolstadt 43.
Schwarzburg-Sondershausen und Preussens Zollgesetz 41 ff.
Schwerer, Ehr. Wilh. 132. 133. 178.
Schwerz 81.
Siebein, Geheimrat 126.
Siebenpfeiffer 176.
Smidt, Joh., Buergermeister von Bremen 137. 166.
Smith, Adam 8. 11. 29 Anm.
Sotzmann, Geheimrat 95. 160.
Spiegel, Graf, oesterreichischer Gesandter in Muenchen 123.
Spittler, Ludw., Freiherr v. 34.
Sponheimer Handel 125. 152. 155. 161. 181. 183. 185.
Stader Zoll 60.
Staegemann, Friedr. Aug. v. 82.
Stem, Freiherr vom 7. 24. 34. 35. 84. 135. 138. 141.
Stein-Hardenbergsche Reformen 80.
Sternegg, v., Hofmarschall 64.
Steuerverein, Norddeutscher 170.
Stralenheim, hannoverscher Gesandter in Stuttgart 144.
Stromeyer 176.
Stuttgarter Zollkonferenzen 98 ff. 101 ff.
Sueddeutscher Zollverein 56. 57. 72 ff. 181. 184. 185. 189. --
  Beitritt des S. Z.s zum Preussisch-Hessischen Zollverein 190.
Tann, Freiherr v. d. 123. 126.
Teplitzer Besprechungen (1819) 19.
Thaer 81.
Thomas, Buergermeister von Frankfurt a. M. 138.
Thon, weimarischer Bevollmaechtigter 133. 202.
Thueringen. Beitritt Th.s zum Zollverein 194 ff. 202 ff.
Thueringischer Handelsverein 39. 94.
Tilsiter Friede 79.
Trauttmannsdorf, Graf v., oesterreichischer Gesandter 91.
Trendelenburg, Adolf 164.
Truchsess-Waldburg, Graf 124.
Uhland, Ludwig 194.
Varnbueler, Friedr. Gottlob Karl 188.
Varnbueler, Karl Freiherr v. 151. 160.
Varnhagen v. Ense, Karl Aug. 165.
Verein deutscher Kaufleute und Fabrikanten 25. 39. 45. 70.
Verstolck van Soelm, hollaendischer Minister 124.
Vincke, Georg v., Praesident 78.
Wangenheim, Karl Aug. Freiherr v. 57. 68. 72. 76. 88. 99. 109. 137. 188.
Watzdorf, Graf v., saechsischer Gesandter in Berlin 140. 199. 200.
Weber, E. (Gera) 25. 27. 51.
Weise, v. (Vater), Kanzler 41. 42.
Weise, v. (Sohn), Geheimer Rat 41. 42.
Welcker, Karl Theodor 184.
Wertheim, Verhandlungen wegen Abtretung W.s an Bayern 182.
Wiener Vertrag vom 3. Mai 1856 6.
Wiener Konferenzen 28. 29. 44. 45 ff. 93. 107.
Wiener Kongress 13. 14. 49. 52. 58. 59. 64.
Wiener Kongressakte, Art. 108 bis 116 58.
Wietersheim, Eduard v. 131. 198.
Wilhelm I., Kurfuerst von Hessen 48.
Wilhelm II., Kurfuerst von Hessen 74. 79. 97. 109. 126. 127. 128. 129. 130.
            138. 145. 165. 171. 174.
Wilhelm, Herzog von Nassau 102. 130. 135.
Wilhelm I., Koenig von Wuerttemberg 103. 104. 105. 123. 144. 151. 153. 155.
            160. 181. 183. 185. 188. 193.
Windhorn, Finanzrat 155.
Winter, Georg Ludwig, badischer Minister 183.
Wittgenstein, Prinz 126. 127. 128.
Wittgenstein, Wilh. Ludw. Georg, Graf zu Sayn-W. 61. 87. 150.
Witzleben, Job. v., preussischer Generalleutnant 153.
Wolfs, oesterreichischer Legationsrat 180.
Wrede, Karl Philipp, Fuerst 180.
Zachariae v. Lingenthal, Karl Salomon 103.
Zentner, Georg Friedr., Freiherr v. 50. 57. 123.
Zeschau, Heinrich Anton v., saechsischer Finanzminister 197. 199. 200. 201.
Zollanschlussvertrag mit Schwarzburg-Sondershausen 42.
Zollgesetz, Maassens preussisches Z. 6. 8 ff.
Zoll- und Handelsverein der thueringischen Staaten 203.
Zu Rhein, Freiherr v. 104. 122.






***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE GRUeNDUNG DES DEUTSCHEN ZOLLVEREINS***



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October, 17 2007

            Project Gutenberg TEI edition 01
            Ralf Stephan, Norbert H. Langkau, and The Online Distributed
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October, 20 2007

            Project Gutenberg TEI edition 02
            Ralf Stephan



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1.F.


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identify, do copyright research on, transcribe and proofread public domain
works in creating the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} collection. Despite these
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1.F.4.


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1.F.5.


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this or any Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work, and (c) any Defect
you cause.


Section  2.


           Information about the Mission of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}


Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} is synonymous with the free distribution of electronic
works in formats readable by the widest variety of computers including
obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the
efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks
of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance
they need, is critical to reaching Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}'s goals and ensuring
that the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} collection will remain freely available for
generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation was created to provide a secure and permanent future for
Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} and future generations. To learn more about the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations
can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at
http://www.pglaf.org.


Section 3.


   Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation


The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of
Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service.
The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541.
Its 501(c)(3) letter is posted at
http://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf. Contributions to the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full
extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr.
S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North
1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information
can be found at the Foundation's web site and official page at
http://www.pglaf.org

For additional contact information:


    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    gbnewby@pglaf.org


Section 4.


  Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive
                                Foundation


Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} depends upon and cannot survive without wide spread
public support and donations to carry out its mission of increasing the
number of public domain and licensed works that can be freely distributed
in machine readable form accessible by the widest array of equipment
including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are
particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United States.
Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable
effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these
requirements. We do not solicit donations in locations where we have not
received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or
determine the status of compliance for any particular state visit
http://www.gutenberg.org/fundraising/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we have
not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against
accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us
with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make any
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United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods
and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including
checks, online payments and credit card donations. To donate, please
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Section 5.


      General Information About Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works.


Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
concept of a library of electronic works that could be freely shared with
anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
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