The Project Gutenberg EBook of Der letzte Zentaur, by Paul Heyse

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Title: Der letzte Zentaur

Author: Paul Heyse

Release Date: October, 2005  [EBook #9066]
[This file was first posted on September 2, 2003]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: US-ASCII

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER LETZTE ZENTAUR ***




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Der letzte Zentaur

Paul Heyse

Novelle

(1904)






Vom Turm der Frauenkirche schlug es Mitternacht.

Ich kam aus einer Gesellschaft, in der man sich vergebens bemueht hatte,
eine sehr lahme und trockene Unterhaltung mit gutem Wein in Fluss zu
bringen.  Der Kopf war mir immer heisser geworden und das Herz immer
kuehler.  Endlich hatte ich mich weggestohlen in den sommerwarmen
Mondschein hinaus und schlenderte ziellos durch die totenstille,
taghelle Stadt, um den Unmut ueber die verlorenen Stunden verdampfen zu
lassen.  Als ich an der ehrwuerdigen Marienkirche vorbei durch das
Frauengaesschen in die Kaufingergasse trat, blieb ich ploetzlich stehen.

Mir gegenueber lag, seine drei Stockwerke mit den dunklen Fenstern
gegen Mitternacht erhebend, ein wohlbekanntes Haus mit vorspringender
Ecke und einem blauen Laternchen ueber dem Eingang, in dem ich vor mehr
als einem Jahrzehnt manche unvergessliche Nacht bei schlechterem
Getraenk als heute, aber unter feurigeren Gespraechen zugebracht hatte.
Ich las die Inschrift ueber der zierlich geschnitzten, von zwei
Karyatiden gestuetzten Holzumrahmung des Torwegs: "Weinhandlung von
August Schimon".

Jawohl, sagte ich vor mich hin, die Zeiten wandeln sich und wir mit
ihnen!  Das ist noch derselbe Name, der damals in jeder Woche unsre
Losung war.  Aber der ihn trug, der behaebige Mann mit dem schwarzen
Kraushaar und den verschmitzten kleinen Augen,--wo ist er hingekommen?
Sein Gluecksstern hatte nur ueber diesem Hause leuchten wollen.  Als er
es verliess, um in einem prachtvollen Hotel den Wirt zu machen, war es
mit ihm rueckwaerts gegangen, bis zu einem traurigen Ende.  Seine
Gutmuetigkeit soll ihn in unglueckliche Spekulationen anderer verwickelt
haben, vielleicht auch ein phantastischer Zug zum Grossen und Gewagten,
den er mit einigen seiner Gaeste gemein hatte.  Er war eben ein
Idealist unter den Gastwirten, und sein Andenken ist mir teuer
geblieben, trotz seiner Weine, auf die Freund Emanuel damals nach der
Melodie des Dies irae die schoene Strophe dichtete:


Sed post Schimonense vinum
Malum venit matutinum,
Luctum quod vocant felinum!


Heutzutage, da die Erben das Geschaeft fortsetzen, sollen die Weine
sich bedeutend gebessert haben und der alten Firma Ehre machen.  Aber
koennen die besten neuen Weine fuer die gute alte Gesellschaft
entschaedigen, die nun nicht mehr von ihnen trinkt und den trueben
Lethetrank oder selbst den Nektar der Unsterblichkeit gern hingaebe um
ein paar Flaschen jenes dunkelroten Ungarweines, den wir mit
Todesverachtung und "festlich hoher Seele" so manchmal hier "dem
Morgen zugebracht"?  Wie gern liess' ich alles morgendliche Nachweh
ueber mich ergehen, koennt' ich noch einmal dich, teurer Genelli, hinter
dem Tische in dem niedrigen leichtangerauchten Weinstuebchen sitzen
sehen, die volle Unterlippe halb freudig, halb trotzig aufgeworfen,
waehrend eine goettliche Kinderfroehlichkeit dir aus den Augen blitzte!
Damals warst du noch nicht Grossherzoglich Weimarischer Professor und
Falkenritter; du hattest noch nicht in dem Freiherrn von Schack den
Maezen gefunden, der dich in den Stand setzte, die Entwuerfe deiner
Jugend endlich nach jahrzehntelangem Hoffen und Harren in Farben
auszufuehren.  Oben in deinem bescheidenen Quartier am Stadtgarten
sassest du, und die Gesellschaft deiner Goetter und Heroen liess dich die
Welt vergessen, die dich vergass.  Aber wenn du auch oft zu warm warst,
um die Bleistifte zu bezahlen, mit denen du, in zarten Linien leicht
umrissen, deine Traeume von den Goettern Griechenlands auf reinliche
Blaetter schriebst: nie sah ich den Schatten von Erdennot und Sorge auf
deiner olympischen Stirn, die wie ein Berggipfel ueber allem Gewoelk
sich im ewigen Aether sonnte.  Und wie auch die Sorge an deinem Herde
die Rolle des Heimchens spielen mochte--einmal in jeder Woche lenktest
du den Schritt zu diesem Hause, um den Anflug von Staub und Moder, der
sich etwa an deine Seele zu setzen versucht, im Weine wegzuspuelen.  Ob
der wackere Schimon die Ehre zu schaetzen wusste, die du ihm antatest?
Ich entsinne mich kaum, dass ich dich deinen Wein haette bezahlen sehen,
wie andere Erdensoehne.  Freilich warst du auch stets der Letzte, der
ging, noch ganz aufrechten Hauptes und festen Ganges, gefeit gegen das
vielberufene malum matutinum, und auch darum vielleicht unserm Wirt so
teuer, weil du den Glauben an die Unverfaelschtheit seines roten Ungar
mit der Macht deiner Rede und deines Beispiels verteidigtest.

Schoene, ambrosische Mitternaechte, wenn der zweifelhafte Nektar seine
Kraft bewies und den Meister ueber alle Not der Gegenwart hinweg in
seine roemische Jugend zurueckfuehrte!  Dann wurden, waehrend Dichtung und
Wahrheit sich traulich in eins verschlangen, die Schatten der wackeren
Vorfahren heraufbeschworen, die in Rom zuerst, nach Winckelmanns und
Carstens Heimgange, der deutschen Kunst eine Freistaette bereitet
hatten.  Der seltsame Poet und seltsamere Maler, der als Maler Mueller
dem heutigen Geschlecht trotz neuer Ausgaben seiner Schriften nur noch
dem Namen nach bekannt ist, und von dem Genelli gern eine Strophe
anfuehrte, die er sehr bewunderte, eine Inschrift auf einem Trinkgefaess,
folgender Fassung:

Trinke, Freund, aus dieser Schale,
Die der Gott der Lust
Einst geformt bei einem Goettermahle
Auf Cytherens Brust.

Als zweiter dann, der nicht minder wunderliche Tiroler Koch, von
dessen trefflichen Landschaften jedoch weniger gesprochen wurde, als
von seiner "Rumfordschen Suppe", jener mit derbem Witz und bitterem
Hohn reichlich ueberpfefferten Herzensergiessung ueber den Verfall der
Kunst, deren Kraftstellen unser Freund mit schmunzelndem Behagen zu
zitieren liebte.  Endlich der alte Reinhard, ein wackerer Meister in
seiner Art, und doch minder gross und gluecklich als Kuenstler, denn als
Jaeger.  Noch hoer' ich Genelli die beruehmte Geschichte erzaehlen, wie
der alte Nimrod eines Tages im Zwielicht mit leerer Jagdtasche und dem
Schuss noch in der Flinte in sein daemmriges Zimmer trat, unwirsch ueber
den verlorenen Tag.  Da sieht er auf seinem Tisch etwas sich regen,
als ob es davon laufen wolle, und in ungekuehlten Jagdtriebe reisst er,
ohne sich zu besinnen, das Gewehr von der Schulter, legt an und
schiesst.  Als er hinzutritt, zu sehen, was er geschossen, findet er
einen alten Kaese, den die Kugel glatt durchbohrt hat, ohne doch das
tausendfaeltige Leben in ihm zu toeten.

Das ist eine von den sogenannten Jagdgeschichten! erlaubte sich,
waehrend die anderen lachten, ein kleiner duerrer Mann zu bemerken, der
den Kunstkritiker machte, fuer den Realismus schwaermte, dennoch aber
sich haeufig an diesem Tisch einfand, wo die idealistischen Spoetter
sassen.  Sie wollen uns doch nicht zumuten, Genelli, an diese Kaesejagd
zu glauben?

Der Meister blitzte ihn mit seinem gutmuetigsten Jupiterblicke an.

Ihnen mute ich ueberhaupt nicht zu, etwas zu glauben, was Sie nicht
sehen, sagte er.  Aber wenn diese Geschichte nicht wahr ist, so ist
auch die folgende erlogen, die ich doch selbst erlebt habe.  Es war in
Leipzig; ich stehe eines Abends am Fenster meiner Wohnung und blicke
auf den Markt hinunter.  Da sehe ich ein kleines altes Weibchen, das
langsam mit trippelnden Schritten ihres Weges geht und mit einem
Stoeckchen auf dem Pflaster etwas vor sich her zu treiben scheint, was
ich nicht erkenne.  Ich gehe endlich hinunter, um zu sehen, was es ist.
Was war es?  Eine Herde kleiner alter Handkaese, die das Weibchen auf
diese Art zu Markte trieb.

Nun fand es auch der kleine Kritiker geraten, mitzulachen.  Er wusste,
er durfte die Langmut des Olympiers nicht zu sehr auf die Probe
stellen, wenn er nicht mit einer vollen Ladung Rumfordscher Suppe
ueberschuettet sein wollte.  Denn als der einzige Realist unter uns
Idealisten haette er, trotz seiner zweischneidigen Zunge, den kuerzeren
gezogen.

Nur einer lachte nicht mit, dessen aschfarbenes, schlechtrasiertes
Gesicht ich ueberhaupt nie habe lachen sehen, obwohl ihm bei allem, was
Genelli tat und sagte, in heimlicher Bewunderung das Herz im Leibe
lachte: ein langer, hagerer, scheublickender Mann, in sehr schaebigem
Rock, von veraltetem Schnitt, der in einem kahlen Zimmerchen, wie es
hiess, von der Luft lebte und nie etwas anderes tat, als dass er, wenn
ein tollkuehner Kunsthaendler sich zu einem solchen Unternehmen
aufschwang, Genellis Entwuerfe in leichter Umrissmanier in Kupfer stach.
Dies, und das Bewusstsein, Platens Freundschaft besessen zu haben,
waren deine einzigen Lebensfreuden, ehrlicher Schuetz.  "Die Treue, sie
ist kein leerer Wahn!" Und du hast sie redlich bis ans Ende bewaehrt.
Als dein Meister zu den Schatten hinabstieg, um sich auf der
Asphodeloswiese zu seinen homerischen Helden, seiner Hexe und seinem
Wuestling zu gesellen, litt es auch dich nicht laenger hier oben in der
Sonne.  Ein Schatten eines Schattens zu sein, schien die ruehmlicher,
als hier noch laenger koerperlos herumzuwanken.

Ein anderer der Getreuen war schon vorausgegangen: der edle,
hochsinnige Holsteiner Charles Ross, dessen Landschaften mit
Verschmaehung der modernen Virtuosenkuenste jener certa idea
nachstrebten, die einst einen Poussin und Claude begeistert hatte.  An
seiner staehlernen Mannesseele, der es an schneidigen Ecken und Kanten
nicht fehlte, hatte die weiblich zarte Huelle vor der Zeit sich
zerrieben.  Denn ausser dem Schmerz, in einer Epoche zu leben, die in
der Kunst ganz andere Goetter verehrte, als die ihm die wahren schienen,
drueckte auf ihn der Lebenskummer um die gefesselte und geknechtete
Heimat, deren Befreiung und Heimkehr zu den deutschen Stammesgenossen
er nicht mehr erleben sollte.  Auch ihn, wie Genelli, habe ich nie
klagen hoeren, wohl aber zuernen und spotten hoeren, wobei dann seine
sanften blauen Augen unter der weissen, von blondem Haar ueberwallten
Stirn seltsam leuchteten wie vom Widerschein seiner staehlernen Seele.
An Genelli hat er in dessen sorgenvollster Zeit mehr getan als irgend
ein anderer seiner Freunde; er war es auch, der ihm in Baron Schack
den hilfreichen Goenner und Freund zufuehrte und die Bestellung seines
Raubes der Europa vermittelte, wodurch dem Einsamen auf der Schwelle
des Alters noch einmal die Genugtuung wurde, sein bestes Wollen und
Koennen in einer Reihe grosser Schoepfungen auszusprechen, freilich nicht
ganz ohne Spuren der langen Vereinsamung, in der er seine
kraftvollsten Jahre hingefristet hatte.

Soll ich die anderen noch aufzaehlen, die Juengeren, die sich an jenen
Abenden um den Meister scharten?  Sie leben und schaffen noch, und
nicht alle sind dem Bekenntnis jener stillen Gemeinde treugeblieben,
deren Stolz es war, eine ecclesia pressa zu sein und allem schwaechlich
duerren und seelenlosen Unwesen des modernen kuenstlerischen
Rationalismus den Ruecken zu kehren.  Einer aber, der es aeusserlich am
weitesten gebracht und die Genusskraft des alten Heidentums nicht bloss
darum besass, um desto schmerzlicher zu entbehren, sondern in vollen
Zuegen Lebensfreuden schluerfte, Karl Rahl,--auch er ist schon zu jener
stillen Schar versammelt, die er auf Erden nur dann und wann besuchte,
aus Italien oder von Wien herueberreisend, um dem alten Freunde die
Hand zu schuetteln und ein paar Tage aus dem vollen mit ihm zu leben.

Ich sehe ihn noch, wie er bei einem dieser Besuche auch abends zu
Schimon kam und alle, die ihn noch nicht kannten in Erstaunen setzte
durch die unerhoerten Massen Fleisches, die er ruhig, ohne viel
Aufhebens von seinem Appetit oder der Zubereitung zu machen, rein zur
Stillung des dringendsten Beduerfnisses zu sich nahm.  Er hatte etwas
vom Loewen, der mit gleicher Wuerde und Kraft, ohne Gier und
Feinschmeckerei seine Kost zermalmt.  Da begreift man, sagte der
Kunstkritiker mir ins Ohr, dass das Fleischmalen seine Force ist, bei
solchen Naturstudien!--Aber als er dann satt war und sich nun in die
Unterhaltung mischte, konnte man merken, dass der Leib sich nicht auf
Kosten des Geistes so heroisch naehrte.  Denn unmerklich ohne
rhetorische Kuenste, mit der unscheinbaren Gewalt eines reichen Wissens
und eines hellen Verstandes, der allen Ideenstoff sofort in Saft und
Blut verwandelte, fing er an das Gespraech zu beherrschen, dass wir alle
an seinen Lippen hingen, waehrend es von der kahlen Stirn des
geistreichen Satyrgesichts wie eine prophetische Flamme leuchtete.
Genelli sass schweigsam neben ihm, verklaert von dem bruederlichen Stolz,
seinen Freund aus allen Wortkaempfen als Sieger hervorgehen zu sehen.
Er trank an dem Abend fuer zwei, waehrend Rahl kaum einmal vom Ungar
nippte.  So sassen sie wie die Dioskuren beisammen, jeder auf seinen
Stern vertrauend, den Stern der Schoenheit, der in die dampfumwoelkte
Gegenwart nur truebe hereinleuchtete, in solchen Naechten aber den
Eingeweihten im alten hellenischen Glanz erschien.

Solche Naechte!  Wie lange schon waren sie verglueht und verglommen, und
wie hell leuchteten sie beim Anblick jenes Hauses in der Erinnerung
auf.  Vieles hatten die Jahre seitdem gebracht, redliche Kaempfe und
froehliche Siege, heitere Tage und Naechte genug mit alt' und jungen
Freunden--solche Naechte nicht wieder!

Eine feierliche Wehmut ueberkam mich; ich liess den Kopf auf die Brust
sinken und vertiefte mich eine Weile in den Abgrund dieses
geheimnisvollen Erdendaseins.  In die Tuer mir gegenueber war ich,
seitdem die stille Gemeinde in alle Winde zerstreut war, nie wieder
eingetreten.  Was hatte ich dort auch zu suchen?  Heute fuehlte ich
einen unwiderstehlichen Trieb, wenigstens in den langen Flur
hineinzuspaehen, durch den uns sonst der kleine schwindsuechtige Kellner,
Karl, der nun auch laengst einen besseren Schlaf geniesst,
hinauszuleuchten pflegte, um das Haustor hinter uns zu schliessen.  Ich
versuchte den Tuergriff, und obwohl die Polizeistunde schon laengst
vorueber war, gab die Tuer dennoch willig und geraeuschlos nach.  Es
mussten noch Gaeste drin beim Weine sitzen.

Aber um keinen Preis der Welt haette ich's uebers Herz gebracht, fremde
Gesichter an der geweihten Staette zu sehen.

Ich setzte mich, um nur noch einen Augenblick in der Stille meinen
Erinnerungen nachzuhaengen, auf eines der leeren Faesser, die an der
Wand standen, und sah den tiefen Hausgang hinunter, aus dessen
Hintergrunde eine schlaefrig rote Laterne mich vertraulich anblinzte.
Es war im Hause totenstill, und eine seltsame Moderkuehle, mit
Weingeruch vermischt, wehte mich aus Flur und Kellertreppe an.  Dann
und wann hoerte ich draussen einen Nachtschwaermer vorbeitrappen und
konnte an seinem gleichen oder ungleichen Schritt erkennen, ob es ihm
kuehl oder schwuel unterm Hute war.  Durch die halboffene Tuer fiel ein
armsdicker gleissender Strahl des Mondlichtes herein, auf den ich
unverwandt starren musste, als sollte mir von daher, wie weiland Jakob
Boehme durch den Sonnenstrahl auf einer zinnernen Schuessel, eine
mystische Offenbarung zuteil werden.  Ich wartete aber umsonst--und
ueber dem Harren und Sinnen wollten mir endlich eben die Augen
zufallen-Da kam ein schlurfender Schritt aus der Tiefe des Hausgangs
auf mich zu, jener bekannte schlaftrunkene Kellnerschritt in
ausgetretenen Hausschuhen.  Ich dachte, man komme mich hier
wegzuweisen, damit das Haus geschlossen werden koennte, und fuhr in die
Hoehe.  Erschrocken sah ich die wohlbekannte Gestalt des kleinen Karl
vor mir stehen.

Sie sind es? sagte ich.  Wie kommen Sie denn wieder hierher?  Sind sie
denn nicht laengst-Er sah mich aus seinen mueden, geroeteten Augen so
wunderlich an, dass mir das Wort in der Kehle stecken blieb.

Die Herren schicken mich, sagte er in schlaefrig-leisem Ton, um zu
sehen, ob Sie denn noch nicht kommen.  Es sei schon sehr spaet, und sie
wuerden nicht mehr lange bleiben.

Welche Herren? fragte ich, waehrend ich von meiner Tonne herunterstieg.

Sie kennen sie ja wohl, erwiderte der Kleine und wendete sich schon,
um wieder hineinzugehen.  Uebrigens wie sie wollen.  Die Herren
meinten nur-Damit ging er mir voran, und ich besann mich nicht laenger,
der seltsamen Einladung zu folgen.  Auch fuehlte ich, wunderbarerweise,
nicht den leisesten unheimlichen Schauer.  Ich koennte fast glauben,
dies sei ein Traum, sagte ich so fuer mich hin; aber ich habe doch die
Augen weit offen und sehe die rote Laterne und hoere das Huesteln des
kleinen Karl.  Nun, was es auch sei und wen ich auch sehen werde,--in
diesem Haus und unter so guten Freunden brauche ich mich nicht zu
fuerchten.

Und doch, als wir uns der Tuer der Weinstube naeherten, musste ich
ploetzlich stehen bleiben.  Das Herz klopfte mir heftig, und eine tiefe
Ruehrung ueberschauerte mich.  Denn aus dem Innern hoerte ich nun
deutlich eine unvergessliche Stimme, die mir zum letzten Male so
wehmuetig Lebewohl zugerufen hatte auf dem verschneiten
Schiller-und-Goethe-Platz zu Weimar.

Er soll nur hereinkommen, erscholl die Stimme wieder, mit der alten
freudigen Kraft und Frische.  Per Bacco! er wird doch dem Wein nicht
abgeschworen haben und unter die Wasserdichter oder Bierphilister
gegangen sein?  Guten Abend, Freund!  Setzen Sie sich zu uns.  Der
Schuetz wird ein wenig Platz machen.  Oder wollen Sie sich lieber bei
Charles Ross niederlassen?  Karl, noch einen Spitz!  Man lebt nur
einmal--haett ich beinah gesagt.

Ich war eingetreten, und ein rascher Blick hatte mir gezeigt, dass ich
unter lauter Bekannten war.  Auf seinem gewoehnlichem Platz an der Wand
mein alter Genelli, neben ihm, etwas magerer und blasser und, wie es
schien, in truebseliger Laune sein Dioskurenzwilling, gegenueber die
beiden schon genannten, die auseinanderrueckten, um mir einen Platz in
ihrer Mitte freizumachen.  Sie nickten mir alle zu, und Freund Ross
murmelte etwas, das ich nicht verstand.  Keiner aber bot mir die Hand,
und auch sonst war ein Zug von Fremdheit, Ernst und Kummer in ihren
Mienen, der mich nachdenklich machte.  Vor einem jeden stand eine
halbvolle Flasche und ein Glas mit rotem Wein, aus dem sie dann und
wann in bedaechtiger Stille einen langen Zug tranken.  Dann gluehten fuer
einen Augenblick die bleichen Wangen und matten Augen, und es fuhr ein
Zucken durch ihren Koerper, als wollten sie eine Last abschuetteln.
Gleich darauf sassen sie wieder starr und stumm und senkten die Blicke
ins Glas.

Ich konnte, obwohl keine Gasflamme brannte, jede Miene in diesen
vertrauten Gesichtern deutlich erkennen, denn der Mond schien mit
blendender Klarheit durch ein Seitenfenster herein und erleuchtete
gerade unseren Tisch, waehrend die Winkel des Gemachs dunkel blieben.
Nun regte sich dahinten noch eine Gestalt und naeherte sich mir, mich
zu begruessen.  Ich erkannte den schwarzen, schon etwas mit Silber
angesprengten Krauskopf unseres Wirts und wunderte mich ueber mich
selbst, dass mich dieses Wiedersehen fast lebhafter erschuetterte als
das der trefflichen Freunde.

Sie bemuehen sich in Person, Herr Schimon, rief ich, als ich ihn Glas
und Flasche vor mich hinstellen sah.  Wahrhaftig, ich haette mir nicht
traeumen lassen, dass ich noch einmal das Vergnuegen haben wuerde--Wieder
brachte ich den Satz nicht zu Ende, denn ich sah ploetzlich alle Blicke
auf mich gerichtet, als fuerchte man, dass ich etwas Ungeschicktes sagen
moechte.

Unser Herr Wirt darf doch nicht fehlen, wenn wir uns einmal wieder
eine gute Stunde goennen! fiel mir Genelli ins Wort.  Setzen Sie sich
zu uns, Herr Schimon.  Ihr Wein will heute nicht recht waermen.  Und
was haben Sie sich fuer eine sparsame Gasbeleuchtung angeschafft?
Gleichviel! wo solche Leute beisammen sitzen, koennen sie ihr eigenes
Licht leuchten lassen.  Aber mit dem Rahl ist nichts anzufangen.
Celesti dei! wie kann man sich gewisse unvermeidliche Dinge dermassen
zu Herzen nehmen!  Der Mensch lebt nicht von Fleisch allein, und der
ganze uebrige Bettel--pah!

Er ruempfte, wie er es gern tat, wenn ihm wohl war von trotzigem
Selbstgefuehl, die volle Unterlippe und leerte sein Glas auf einen Zug.
--Niemand sprach ein Wort; der kleine Karl schlich mit einer vollen
Flasche heran und setzte sie vor den Meister hin.  Ich sah jetzt, dass
Genelli der einzige war, dessen Augen kein Hauch von Truebsinn und
Muedigkeit verschleierte, und dass der maechtige Kopf auf dem Stiernacken
noch so ungebeugt sich bewegte wie je in seinen lebensfrohesten Tagen.

Nun sagen Sie, wandte er sich wieder zu mir, wie laeuft die Welt?  Was
treiben Sie?  Was macht das grosse Irrlicht?  Naehrt es sein windiges
Flaemmchen noch immer aus dem Sumpfboden der faulen Zeit und seiner
eigenen Nichtsnutzigkeit?  Ich habe Ihnen einmal die Karikaturen
gezeigt, die ich auf diesen grossen Impostor gemacht habe; sie sind
freilich noch nicht zeitgemaess, aber auch ihre Zeit wird kommen, wenn
ueberhaupt noch ein Hahn nach ihm kraeht, sobald er das Zeitliche
gesegnet hat.  Pah! der wird sich wundern, wenn er an einen gewissen
Fluss kommt und uebergesetzt sein will und der alte Faehrmann ihm erst
den Pass revidiert.  Aber wir wollen uns den Wein nicht verderben.  Es
lebe, wer's ehrlich meint!

Jeder erhob sein Glas, ich wollte mit Charles Ross anklingen, merkte
aber, dass es nicht angebracht war.  Er trank stillschweigend, nickte
mir schwermuetig zu und setzte das Glas lautlos wieder hin.

A proposito "wer's ehrlich meint!" fing Genelli wieder an, was macht
denn unser Kunstvogt, der Kritikus?  Warum haben Sie ihn heute nicht
mitgebracht?  Wissen Sie, so recht konnte ich eigentlich nie ein Herz
zu ihm fassen, aber ein ehrlicher Kerl ist er doch.  Er streckte sich
eben nach seiner Decke, die manchmal verdammt kurz war.  Davon bekam
er dann selbst eine Ahnung, wenn ihm die Zehen froren, und dann sah er
sich nach was Besserem, Groesserem und Breiterem um, und in solchen
Stunden verstanden wir uns ganz gut.  Hernach aber kroch er doch
wieder ins Enge zurueck, da das nun einmal Mode ist in dieser
bettelhaften, pauvren Zeit.  Haben Sie ihn lange nicht gesehen?

Das letzte Mal, erwiderte ich, haben Sie uns wieder zusammengefuehrt.
Ich traf ihn vor Ihrer Omphale in der Schackschen Galerie.  Er wusste
nicht genug den Bacchantenzug unten in der Predelle zu loben.  Solche
Zentauren, sagte er, haben selbst die Alten nicht zu stande gebracht,
solch verwuenscht leibhaftiges, liederliches Gesindel von Manngaeulen
oder Rossmenschen, und nun erst die Weiberstuten, zumal die eine da
oben, die an der Rose riecht, die sind so mit Haenden zu greifen, dass
keinem einfaellt zu fragen, ob man mit zwei Maegen, zwei Herzen und
sechs Gliedmassen auch vor der gestrengen Wissenschaft der Anatomie
bestehen koenne.  Sie wissen, setzte er hinzu, ich bin sonst ein
Anhaenger des entschiedensten Realismus und glaube, dass die Zeit der
Goetter, Helden und Zentauren vorbei ist.  Aber vor diesen Genellischen
Fabelwesen muss man den Hut abziehen, die haben Rasse; es kommt mir
manchmal vor, als muesse er dabei gewesen sein, als koenne kein Mensch
sich solch verteufeltes Heidenzeug aus den Fingern saugen.

Er ist auch dabei gewesen! sagte der Meister nun, und sein froehlicher
Blick wurde fast feierlich.  Und was insbesondere die Zentauren
betrifft, warum soll ich es leugnen, dass ich wirklich diese
merkwuerdige Schicht der antiken Gesellschaft in einem Musterexemplar
studiert habe, dass ich so gluecklich gewesen bin, den letzten der
Zentauren persoenlich kennen zu lernen?

Alle Augen richteten sich jetzt auf ihn, der die seinigen aber
durchaus nicht niederschlug, wie man sonst wohl zu tun pflegt, wenn
man auf einer Muenchhausiade nicht gleich ertappt zu werden wuenscht.

Ich will Ihnen die Geschichte erzaehlen, fuhr er fort, sich heiter im
Kreise umblickend.  Es scheint ohnehin heute kein rechter Diskurs
zustande kommen zu wollen.  Der Rahl, seitdem er vom Fleisch gefallen,
ist unter die Trappisten gegangen; seine jetzige Diaet--sie ist
freilich miserabel genug--schlaegt ihm weder geistig noch leiblich an.
Freund Ross, glaub' ich, denkt an Weib und Kind, und der Schuetz war nie
ein grosser Redner.  Abgedankte Leute wie wir sollten allerdings stille
liegen und den Mund nur auftun zu einem Kyrie oder Peccavi.  Aber wie
sagt Falstaff?  Hol die Pest alle feigen Memmen!  Karl, noch einen
Spitz!  Und nun will ich euch sagen, wie das mit dem Zentauren sich
ereignet hat.

Es war im ersten Sommer, als ich mich in Muenchen niedergelassen hatte,
das Jahr hab' ich vergessen.  Juni und Juli waren kuehl gewesen, dafuer
brach im August eine solche Mordhitze herein, dass man hier in der
Stadt wie im Fegefeuer nach Luft schnappte und ich's wahrhaftig bei
der Arbeit nicht aushielt, ausser in dem paradiesischen Kostuem, in dem
Freund Rahl damals in Rom in seinem Atelier herumging, zum Staunen der
schoenen Nachbarinnen gegenueber, die durchs offene Fenster hereinsahen,
und zu grossem Aergernis ihrer signori mariti, die endlich den Hern
Pfarrer des Viertels an ihn abschickten, um ihn zu christlich ehrbarer
Zucht und Bekleidung zu ermahnen.  Wie der Schalk da dem Biedermann um
den Bart gegangen, ihm mit gutem Schinken aufgewartet und mit Orvieto
so lange eingeheizt hat, dass auch dem Pfarrer endlich die Glut zum
Dach herausschlug und er sich zureden liess, eines seiner Gewaender nach
dem anderen abzulegen, bis er in derselben einfachen Sommertracht wie
sein Wirt auf den kuehlen Fliesen herumspazierte,--das habt ihr, denk'
ich, noch in guter Erinnerung.  Genug, ich hielt es zuletzt nicht
laenger aus und beschloss, mir im Gebirge einen besser geluefteten
Schattenwinkel zu suchen, als meine Dachkammer war.  So fuhr ich mit
dem Stellwagen eine Strecke ins Land hinein gegen den Inn zu und
wanderte dann von der ersten Station, wo mir die Gegend gefiel, mit
meinem leichten Raenzel bergan.

Obwohl aber dort das Flusstal hinunter "ein guter Luft" ging, wie die
Tiroler sagen, merkte ich doch bald, dass ich des Steigens in der
Mittagssonne ungewohnt war, und war froh, nach zwei sauren Stunden ein
grosses Dorf aus dichtem Walnusslaub mir zuwinken zu sehen, recht fett
und bequem auf der sanftansteigenden Halde hingelagert.  Gegen Westen
stieg der Berg jaehlings in die Hoehe, bis endlich auch den Tannen und
Foehren der Atem ausging und sie ihm nicht mehr nachklettern konnten.
Da oben hinter den kahlen Gipfeln musste die Sonne selbst im Hochsommer
fruehzeitig verschwinden und der Bergesschatten eine angenehme Kuehle
ueber den Abhang ergiessen.

Also war ich rasch entschlossen, hier Rast zu machen, obwohl es fuer
heute nicht sehr ruhig herzugehen versprach.  Es war eben Kirchweih
und das einzige Wirtshaus gestopft voll von trinkenden, kegelnden und
juhschreienden Bauern.  Ueberdies waren ein paar Kauf- und
Schaubuden dicht neben dem Wirtsgarten aufgeschlagen, zwischen denen
sich ein buntes Gedraenge hin und her trieb, besonders vor der Bude
eines Italieners, der ein ausgestopftes Kalb mit zwei Koepfen und fuenf
Fuessen fuer ein paar Kreuzer sehen liess.  Ich versparte mir diesen Genuss
fuer den Abend, da ich vor allem nach einem kuehlen Trunk lechzte,
schlug mich auch endlich durch Flur und Treppe durch bis auf die obere
Laube, wo ich hinter dem Gelaender des Altans ganz in der Ecke einen
Sitz auf der Bank und ein Seidel roten Tiroler eroberte.  Den Wein
stellte ich vor mich auf die hoelzerne Brustwehr, streckte mich nach
Herzenslust aus und sah, waehrend ich langsam mich verkuehlte, ueber das
Bauerngewuehl unten um die Tische ueber den Gartenzaun und die naechsten
Huetten hinweg in die prachtvolle Gebirglandschaft hinaus.

Kaum eine halbe Stunde mochte ich so geruht haben, da sah ich auf dem
breiten Feldwege, der zu dem naechsten, hoeher gelegenen Doerfchen fuehrte,
einen ganz seltsamen Schwarm sich heranbewegen.

Ich glaubte im ersten Augenblicke, der Wein, den ich etwas hastig
getrunken, werfe so wunderliche Blasen in meiner Phantasie, dass ich am
hellen Tage einen fabelhaften Traum traeumte.  Auch war die wunderliche
Gruppe noch so ferne, wohl drei Buechsenschuesse von meinem Luginsland,
dass ich meinen Augen wohl misstrauen durfte.  Aber obwohl sich's in
ruhigem Schritt fortbewegte, kam es doch unaufhaltsam naeher, und nun
konnte ich endlich nicht mehr zweifeln, dass ich in Wirklichkeit "sah,
was ich sah, und hoerte, was ich hoerte".

Stellt euch vor, in der goldigsten Herbstsonne kam auf der weissen
staubenden Bergstrasse ein riesenhafter Zentaur dahergetrabt, in einem
wuerdevollen beschaulichen Viervierteltakt, wie der alte Schimmel, der
im Wilhelm Tell mitspielt und den Landvogt in die hohle Gasse tragen
muss.  Hinter ihm drein, aber in scheuer Entfernung, etwa um einige
Pferdelaengen, zottelte und trottelte ein lautloser Haufen alter
Muetterchen, lahmer und presshafter Maennlein und ganz junger Kinder,
alles naemlich, was von jenem abgelegenen Dorfe entweder zu alt oder zu
jung gewesen war, um die nachbarliche Kirchweih mitzufeiern.  Der
riesige fremde Gast mochte sich mit Gutem oder Boesem so in Respekt
gesetzt haben, dass man ihm ohne jede Anfechtung, weder durch Geschrei,
noch taetliche Neckereien, das Geleit gab.  Aber je naeher der
abenteuerliche Zug dem Kirchweihdorfe kam, desto deutlicher sah ich
besonders die Weiblein bemueht, die Aufmerksamkeit der noch
ahnungslosen Nachbarn schon von weitem zu erregen, durch Winke mit den
duerren Armen, Krueckstoecken und Kopftuechern, auf die freilich ueber der
Tanzmusik und dem Festtreiben rings um mich her keine Menschenseele
aufmerksam wurde.

So konnte sich das heidnische Ungetuem unbeschrien der Dorfmark naehern,
und erst, als es bei den letzten Huetten vorbeitrabte und nun gerade
auf das Wirtshaus lossteuerte, wurden die Bauern inne, dass sich etwas
ganz Unerhoertes begab.  Nun war freilich der Effekt, den dies
Intermezzo machte, um so gewaltiger.  Im Nu stob alles auseinander,
was unten im Wirtsgarten und um die Schaubuden sich zusammengedraengt
hatte.  Wie Ameisen durcheinander wimmeln, wenn man mit dem Stock in
ihren Bau stoesst, so stuerzten Maenner und Weiber in wilder Flucht vom
Wirtshaus weg, und jedes suchte eine Tuer, einen Zaun oder einen Baum
zu erreichen, hinter denen man vor dem ungefuegen vierbeinigen Mirakel
auf den ersten Anlauf sicher waere.  Ebenso hastig aber fuhren alle,
die in den Haeusern und oberen Raeumen der Schenke waren, an die Fenster
und starrten entsetzt nach dem Scheuel und Greuel hinaus.  Auf den
Laerm des ersten Aufruhrs folgte eine tiefe Stille; selbst die Hunde,
die erst wuetend losgebellt hatten, zogen sich, als sie die maechtigen
Hufe des Ankoemmlings gewahrten, vorsichtig mit bangem Winseln zurueck,
und nur die kleinen Bauernpferde, die an ihren Krippen schmausten,
begruessten ihn mit zutraulich gastfreundlichem Wiehern, da er ja
jedenfalls, soweit er zu ihnen gehoerte, ihrem Geschlecht alle Ehre
machte.

Ich war vielleicht der einzige, der nicht den Kopf verlor, zunaechst
als ein alter eingeteufelter Heide, der ich war, und in der ganzen
fabelhaften Naturgeschichte wohlbewandert, dann aber auch, weil das
Entzuecken ueber die ungemeine Schoenheit des Fremdlings keine Furcht
aufkommen liess.

Was ich selber hernach an solchen Zwiegeschoepfen gemalt, oder Freund
Haehnel in seinem Dresdener Theaterfries gemeisselt hat, wuerde sich
gegen diesen goettlichen Burschen in Fleisch und Bein ausgenommen haben
wie Halbblut gegen Vollblut.

Obgleich freilich an das, was man heutzutage Vollblut nennt, nicht
gedacht werden darf, wenn man sich einen Begriff machen will von der
Gaulhaelfte des wundersamen Kirchweihgastes.  Denkt an den Bucephalus
oder das trojanische Pferd, oder meinethalben an den prachtvollen
Streithengst, der den Grossen Kurfuersten auf der langen Bruecke traegt,
und nun stellt euch vor, dass der ganze heroische Gliederbau von der
glattesten silbergrauen Decke ueberzogen war, unter der man jede Muskel
spielen und bei jedem Faeltchen, das sie warf, die Sonne wie auf
hochgeschorenem Samt schimmern sah.  Aus diesem maechtigen Gestell
wuchs ein Menschenleib hervor, der sich mit dem tierischen wohl messen
konnte--Arme, Brust, Schultern wie vom Farnesischen Herkules gestohlen,
so recht in der Mitte zwischen fett und hager, die Haut sanft
angebraeunt und ebenfalls hie und da stark behaart, wie denn auch von
dem maechtigen dunklen Schopf, der ihm Stirn und Haupt umwallte, noch
eine wehende Maehne bis tief auf den Ruecken hinunterwucherte, uebrigens,
gleich dem lang nachschleppenden kohlschwarzen Rossschweif, dem
Anschein nach wohlgepflegt.  Es war ueberhaupt nicht zu verkennen: das
Fabelwesen hielt etwas auf sein Aeusseres.  Keine Spur von
tausendjaehrigem Staub und Unrat, der Bart am Kinn zierlich gestutzt
und gekraeuselt, und wie ich mich erst getraute, ihm naeher in das
ernsthaft treuherzige Gesicht zu sehen, das nur etwa so wild war wie
ein Bube, der aus Verlegenheit trotzig dreinschaut, bemerkte ich, dass
er einen kleinen Rosenzweig, eben frisch, wie es schien, vom Strauch
gebrochen, in das dichte Haar hinters Ohr gesteckt hatte.

So kam das schoene Ungeheuer gemaechlich in den Hof der Dorfschenke
getrabt, aus dem sofort auch der letzte Gast, den Masskrug an die Brust
gedrueckt, mit lautem Geschrei ins Haus oder in die Wirtschaftsgebaeude
fluechtete.  Der Schwarm von alten Weibern und Bauernkindern, der ihm
das Geleit gegeben, blieb draussen auf der Dorfstrasse stehen, und ueber
der Verwegenheit des hohen Reisenden, sich so leichtbegleitet mitten
in die Kirchweih zu begeben, schien allen das Wort in der Kehle zu
erstarren.  Wenigstens hoerte man ringsum nur ein verhaltenes Summen
und Schwirren, aus dem nur dann und wann ein paar Naturlaute des
Schreckens und der Angst hervorkreischten.  Alle erwarteten das
Entsetzlichste, und wohl nur wenige mochten sein, die den Spuk nicht
gerade fuer den leibhafen Gottseibeiuns hielten, der gekommen sei, das
saemtliche halb betrunkene Gesindel recht in seiner Suenden
Kirchweihbluete in die Hoelle abzufuehren.

Der alte Heide aber zeigte sich trotz seiner hoellischen Pferdefuesse als
ein ganz zahmer, menschenfreundlicher Kamerad.  Er sprengte
geradeswegs auf die hohe Laube zu, auf der ich sass, und sah mit einer
hoeflichen Miene, wie einer, der gerne mit einem Fremden anbinden
moechte, mir ins Gesicht, der ich ihm ebenso artig zunickte.  Dann aber
richtete er seine grossen glaenzenden Augen auf das Schenkmaedchen, das
neben mir stand, zwei offene Flaschen voll Tirolerwein in den Haenden.
Sie hatte sie fuer die Gaeste heraufgetragen, die das Hasenpanier
ergriffen hatten, und stand nun, da sie, obwohl mit dem Dorfschneider
verlobt, ein munteres, kouragiertes Frauenzimmer war, ohne Scheu neben
mir auf dem Altan, um die Wundergestalt in aller Arglosigkeit zu
betrachten.  Dem Fremdling mochte die saubere Dirne--man hiess sie die
schoene Nanni--ebenfalls einleuchten, nicht minder auch der rote Wein,
den sie trug.  Mit so viel Lebensart, wie man solchen Rossmenschen kaum
zutrauen sollte, nahm er den Rosenzweig hinterm Ohre hervor, roch erst
daran und ueberreichte ihn dann ohne Muehe, da Haupt und Schultern noch
ueber die Bruestung der Laube herausragten, dem schoenen Kinde, das etwas
geschaemig tat, die Blumen aber doch nicht ausschlug, sondern in ihren
Brustlatz neben den silbernen Loeffel steckte.  Zugleich schien sie
gemerkt zu haben, worauf die ganze Huldigung abzielte.

Ohne Zaudern reichte sie ihrem Verehrer die beiden vollen Flaschen
hinaus, die er auch mit freundlichem Kopfnicken ergriff, und dann in
so raschen Zuegen leerte, wie unsereins zwei Glaeser Champagner
hinunterstuerzt.

Ein beifaelliges Murmeln unter den Kopf an Kopf gedraengten Zuschauern
begleitete diese ganze trauliche Szene, und ein paar kecke Burschen
wagten sogar ein "Wohl bekomm's!" oder "Gesegn' es Gott!" zu rufen,
wurden aber gleich von den Vorsichtigeren niedergezischt.  Aber auch
dem fremden Gast schien der Wein die Zunge geloest zu haben.  Er sagte
erst dem Maedchen einige Artigkeiten, die sie aber nicht verstand und
nur mit Kichern und Kopfschuetteln erwiderte.  Dann wandte er sich an
mich, fragte mich, wo er sich hier befinde, und wie das wilde Volk
heisse mit den Pelzhauben und der ohrenzerreissenden Musik, unter das er,
er wisse selbst nicht wie, geraten sei.  Ich antwortete-Erlauben Sie,
Herr Genelli, unterbrach ihn der Wirt, der gleich uns anderen begierig
gelauscht hatte, in welcher Sprache unterhielten Sie sich mit dem
antiken Herrn?

Im reinsten Griechisch, Herr Schimon; Sie moegen es nun glauben oder
nicht.  Er sprach es natuerlich etwas fliessender als ich, aber mit
einem Anflug an den jonischen Dialekt, der mir hie und da das
Verstaendnis erschwerte.  Indessen, es ging.  Not bricht Eisen und
lehrt radebrechen.  Sie werden selbst schon erlebt haben, dass Sie im
Traume ganz korrekt Ungarisch oder Spanisch sprachen, was Ihnen sonst
sauer werden moechte.  Aber unterbrechen Sie mich nicht wieder; lassen
Sie mir lieber einen neuen Spitz Carlowitzer kommen.  Wo war ich denn
stehen geblieben?  Richtig, wo ich den Spiess umdrehte und ihn fragte,
wie es im Homer steht:

Wer er sei und woher, wo er wohnt und wer die Erzeuger.

Da kamen denn kuriose Dinge heraus.

Stellt euch vor, der arme Bursche war vor so und so viel tausend
Jahren hoch oben durchs Gebirge geritten, in Geschaeften, wie er sagte,
da er als Landarzt--Kreisphysikus wuerde man's heute nennen--einen
gewaltig grossen Bezirk zu versehen hatte, lauter wildes, armes Volk,
Hirten, Baerenjaeger, Pfahlbauern usw.  Nun war's gerade ein heisser Tag,
und er hatte bei seiner Praxis ueberall scharf gezecht, hineingegossen,
was die Leute ihm gerade vorsetzten, da er sie meist um ein Glas Wein
oder Enzianbranntwein kurierte, und wie er mittags an eine
Gletscherhoehle kommt, denkt er, du willst ein Schlaefchen machen,
streckt sich in der daemmerigen blauen Eisspelunke hin und schlaeft
richtig ein.  Was weiter geschehen, wusste er freilich nicht zu sagen,
und auch ich konnte ihm nur die Vermutung aussprechen, dass Schnee-
oder Eismassen um ihn zusammengestuerzt und heute erst wieder aufgetaut
sein muessten, dass er, wie jenes Mammutungetuem im Polareise, frisch und
ohne jeden Hautgout sich in seinem Eiskeller konserviert habe, nur mit
dem Unterschiede, dass auch sein Geist, dank dem vielen genossenen
Spiritus, durch den unmaessigen Winterschlaf hindurch keinen Schaden
gelitten und er nun als ein vorsintflutliches mythologisches Raetsel
auf vier gesunden Beinen in unsere entgoetterte Welt hineinsprengen
koenne.  Ich suchte ihm in aller Kuerze, so gut es ging, ueber die
ungeheure Kluft hinwegzuhelfen, die sein Erwachen von seinem
Einschlafen trennte.  Aber ich merkte bald, dass die summarische
Weltchronik, die ich vor ihm aufrollte, ihn sehr wenig interessierte.
Er schuettelte nur den Kopf, als ich ihm erzaehlte, die Goetter
Griechenlands seien ein ueberwundener Standpunkt, und mit dem kleinen
Lutherischen Katechismus wusste er ebensowenig anzufangen wie mit dem
heiligen Augustin oder Pius IX. Auch die politischen Umwaelzungen der
letzten dreitausend Jahre liessen ihn voellig kalt.  Als ich endlich
schwieg, seufzte er so recht vom Grunde seiner ehrlichen
Zentaurenseele auf und sagte: er werde von allem, was ich ihm da
vorgefabelt, aus dem Zehnten nicht klug, und das sei ihm auch ganz
gleichgueltig.  So viel merke er, dass ihm ein recht haemischer Possen
gespielt worden sei mit jener Aufbewahrung im Eiskeller; inzwischen
sei alles anders geworden und nur er derselbe geblieben, wessen er
sich eben nicht schaeme, denn nach den wenigen Proben scheine ihm die
Welt viel lumpiger, schaebiger und nicht einmal gescheiter geworden zu
sein, die Waelder duenner, der Wein saurer, die Weiber--bis auf seine
Freundin "Nannis oder Nannidion" (wie er sich das Nannerl ins
Griechische uebersetzte)--plumper und einfaeltiger.  Nun erzaehlte er,
was er seit seinem Erwachen fuer Erfahrungen gemacht hatte.

Kaum war ihm naemlich sein Gletschermantel von den Schultern
geschmolzen, und er hatte sich die letzten Nebel des Schlafs aus den
Augen gerieben, so war er ins Freie hinausgetrabt, aergerlich ueber die,
wie er waehnte lange Versaeumnis von vierundzwanzig Stunden, da er einen
schweren Patienten eine Stunde tiefer im Tal zu besuchen hatte.  Als
er sich aber umsah, schien ihm alles so wunderlich, dass er noch
fortzutraeumen glaubte.  Dichte Waelder, durch die er sich sonst pfadlos
hindurchzuwinden hatte, waren verschwunden; auf Wiesen, wo sonst der
Ur und der wilde Steinbock gegrast, sah er Herden buntfarbiger Kuehe
weiden; hie und da stand ein Blockhaus am Wege, hoch hinauf mit Heu
angefuellt, und nicht selten sah er kleine Steige gebahnt, oder Balken
ueber Giessbaeche gelegt, die er frueher mit einem maechtigen Satz hatte
ueberspringen muessen.  Kopfschuettelnd hielt er still und ueberlegte bei
sich, wie sich das alles ueber Nacht verwandelt haben moechte.  Da er
aber kein Freund von ueberfluessigem Nachsinnen war, beschloss er, eine
benachbarte Waldnymphe um Aufschluss zu bitten, mit der er auf
vertraulichem Fusse stand.  Er rief ihren Namen in die Schlucht
hinunter, aus der noch wie damals die maechtigen Edeltannen
heraufragten.  Sonst war sie gleich oben im Wipfel erschienen, da sie
sehr einsam lebte und gerne eine Ansprache hatte.  Heut zeigte sich
nur ein altes Weib, das Enzian sammelte und beim Anblick des
vierbeinigen Ungeheuers mit heiserem Jammergeschrei und heftigem
Kreuzschlagen sich ins Dickicht verkroch.

Also trabte er immer nachdenklicher seines Weges weiter, und da es
gerade Sonntag war und die Kirchweih alles, was eine saubere Jacke und
ein paar Kreuzer in der Tasche trug, in das Dorf hinuntergelockt hatte,
begegnete er auch keiner Menschenseele, als ein paar Hueterbuben, die
ebenso hastig vor ihm Reissaus nahmen wie das Kraeuterweib.  Nun sah er
auch unten die ersten kleinen Haeuser, die mit ihren weissgetuenchten
Waenden und blanken Fensterchen als ein neues Raetsel ihm
entgegenschimmerten.  Hier hatten sonst nur verfallene Huetten der
wilden Ziegenhirten gestanden, elende Pferche zwischen Gestruepp und
Klippen.  War eine Stadt aus der Ebene ausgewandert und hatte sich in
die Berge verstiegen?  Ein seltsames Gebaeude mit hohem Dach und
spitzem Turm ragte aus den Schindeldaechern in die Luefte, und oben aus
den schwarzen Turmluken drang ein unerklaerliches Summen und Schallen
hervor, das er nie gehoerte hatte, und das in seiner feierlichen
Eintoenigkeit ihn vollends bestuerzt machte.

Das Grauenhafteste aber in dem ganzen Maerchen, das ihn an seinen
gesunden Sinnen zweifeln liess, begegnete ihm, als er den ersten Huetten
des oberen kleinen Dorfs sich naeherte.  Unter einem spitzen,
rotgetuenchten Bretterdach hing da ein Mann mit ausgebreiteten,
blutruenstigen Armen an ein Kreuz genagelt, aus einer Seitenwunde
blutend, die Stirn von grossen Blutstropfen ueberquollen, die unter den
spitzigen Stacheln eines dicken Dornkranzes hervordrangen.  Gleichwohl
schien der Gemarterte noch am Leben.  Er hatte die Augen weit geoeffnet
nach oben gekehrt, und der kundige Blick des Zentauren fand auch an
den nackten Gliedern noch nicht die Farbe der Verwesung.

Er redete den armen kleinen Mann mit seiner freundlichsten Stimme an,
fragte, um welches Verbrechen man ihn so schwer buessen lasse, ob er ihm
vielleicht von seinem Marterholz herunterhelfen und die Wunden
verbinden solle.  Als er keine Antwort erhielt, beruehrte er sacht die
Brust des stummen Dulders.  Da merkte er, dass es nur ein hoelzernes
Bild war.  Ein Rosenstrauch war neben dem Stamm des Kreuzes gepflanzt.
Von dem pflueckte er einen kleinen Zweig, roch daran, wie um wieder
etwas Liebliches zu geniessen, und verliess dann die Staette mit immer
unheimlicherem Staunen.

Im Dorf hatte gerade der Pfarrer, ein altes Maennlein, das den
Kirchweihfreuden laengst abgestorben war, fuer die andern zu Hause
gebliebenen Invaliden einen Vespergottesdienst begonnen, zu dem die
kleinen Buben das Gelaeut besorgten.  Wie nun der Fremdling, dem alles,
was ihm links und rechts in die Augen fiel, ein Raetsel war, an die
offene Kirchentuere kam, hielt er an und spaehte neugierig in das
halbdunkle Innere.  Ein Sonnenstrahl fiel durch das kleine
Seitenfenster neben dem Altar und beleuchtete das Bild einer
wunderschoenen Frau mit goldenen Haaren in blau und rotem Gewand, die
einen Knaben auf dem Arm und eine Lilie in der Hand trug.  Sie hatte
die grossen, sanften Augen gerade auf ihn gerichtet, als wolle sie ihn
einladen, naeher zu treten.  Zu ihren Fuessen, ihm den Ruecken zuwendend,
stand der kleine Pfarrer im Ornat, und die saemtliche Gemeinde kniete
jetzt, gleich ihm, vor der schoenen Frau.  Du solltest doch
hineintreten und sie dir etwas naeher betrachten, sagte der Fremde zu
sich selbst.  Und gedacht, getan.  Er trabt, ohne an etwas Arges zu
denken, durch das Portal und geradewegs ueber die Steinfliesen, die von
seinem maechtigen Hufschlag droehnten, auf den Altar zu.

Welch einen Spektakel das gab, kann man sich denken.  Im ersten
Augenblick freilich versteinerte der Schrecken ueber diese
Tempelschaendung durch ein so unerhoertes, geradewegs der Hoelle
entstiegenes Ungeheuer die ganze andaechtige Gemeinde samt ihrem
Seelsorger.  Dann aber besann sich dieser, der trotz seiner achtzig
Jahre durchaus kein Don Abbondio war, dass der Eindringling niemand
anders als der leibhaftige Satan sein koenne, erhob, was er gerade
Geweihtes in der Hand hatte, und rief, es gegen den Versucher
schwingend, mit lauter Stimme sein "Apage!  Apage! und nochmals Apage!"
--Beim Zeus, sagte der Zentaur, das freut mich, endlich einem
redenden Menschen zu begegnen, der noch dazu griechisch spricht.  Du
wirst mir nun wohl auch sagen koennen, Alter, wer diese schoene Frau ist,
ob sie noch lebt, was ihr hier treibt, und wie sich ueberhaupt alles
seit gestern so fabelhaft veraendert hat.--Den Pfarrer ueberlief es
eiskalt, als er sich von dem boesen Feinde anreden hoerte, noch dazu in
einer Sprache, die ihm natuerlich griechisch war.  Wieder erhob er
seinen Ruf und schlug ein Kreuz ueber das andere, wich aber doch ein
wenig vom Altar zurueck, da ihn die Unbefangenheit des hohen Fremden
einschuechterte, und haette sich dieser nicht umgesehen, wer weiss, wie
es abgelaufen waere.  Jetzt aber kam die Reihe, sich zu fuerchten, an
unsern Rossmenschen.  Denn wie er die vom Schreck verstoerten
Wackelkoepfe der alten Maenner und die verwelkten Gesichter der greisen
Weiblein unter ihren hohen Pelzhauben saemtlich anstarren sah, ueberkam
ihn ploetzlich die Furcht, er moechte in ein Konventikel von Hexen und
Zauberern geraten sein und Strafe leiden, wenn er ihr geheimes Wesen
noch laenger stoere.  Also machte er, nachdem er der schoenen Blauaeugigen
noch einen verehrungsvollen Blick zugeworfen, auf einmal kehrt und
stob mit gewaltigen Saetzen, den Schweif wie zur Abwehr boeser Geister
hoch um den Ruecken schlagend, ueber das hallende Pflaster zur offenen
Tuer hinaus.

Werter Freund, sagt' ich, als er mir das alles treuherzig gebeichtet
und meine Aufklaerungen nur halb verstanden hatte, Ihr seid in einer
verwuenschten Lage.  Wie Ihr da geht und steht, moechte es schwer halten,
Euch in der modernen Gesellschaft einen Platz ausfindig zu machen,
der zu Euren Gaben und Anspruechen passte.  Waeret Ihr nur ein paar
Jahrhunderte frueher aufgetaut, so etwa im Cinquecento, so haette sich
alles machen lassen.  Ihr haettet Euch nach Italien begeben, wo damals
alles Antike wieder sehr in Aufnahme kam und auch an Eurer heidnischen
Nackheit kein Mensch sich geaergert haben wuerde.  Aber heutzutage und
unter dieser engbruestigen, breitstirnigen, verschneiderten und
verschnittenen Lumpenbagage, die sich die moderne Welt nennt--ich
fuerchte, mio caro, Ihr werdet es sehr bedauern, nicht lieber bis an
den juengsten Tag im Eise geblieben zu sein!  Wo Ihr Euch sehen lasst,
in Staedten oder in Doerfern, werden Euch die Gassenbuben nachlaufen und
mit faulen Aepfeln bewerfen, die alten Weiber werden Zeter schreien und
die Pfaffen Euch fuer den Gottseibeiuns ausgeben.  Die Zoologen werden
Euch betasten und begaffen und dann erklaeren, Ihr waeret ein
unorganisches Monstrum und koenntet nichts Besseres tun, als Euch einer
kleinen Vivisektion unterziehen, damit man saehe, wie Euer
Menschenmagen sich mit Eurem Pferdemagen vertrage.  Seid Ihr aber der
Scylla der Naturforscher entronnen, so fallt Ihr in die Charybdis der
Kunstgelehrten, die Euch ins Gesicht sagen werden, dass Ihr ein
schamloser Anachronismus, eine totgeborene nur galvanisch belebte
Reliquie aus der Zeit des Parthenonfrieses seid, und die Kuenstler, die
nur noch Hosen und Waemser und kleine witzige Armseligkeiten malen
koennen, werden sich in ihren tugendhaften Armenversorgungsanstalten,
genannt Kunstvereine, zusammenrotten und bei der Polizei darauf
antragen, dass Ihr ausgewiesen werdet, als der oeffentlichen Moral im
hoechsten Grade gefaehrlich.  Dass Ihr Praxis bekommen koenntet, auch nur
als Pferdearzt, ist vollends undenkbar.  Man hat jetzt ein ganz
anderes Naturheilverfahren, als zu Euren Zeiten, der vielen anderen
gelehrten Systeme zu geschweigen, und dass ein Doktor seine Equipage
vors Krankenbette mitbringt, ist unerhoert.  Bliebe also nichts als der
Zirkus oder die Menagerie, um Euer Brot zu verdienen, und fern sei es
von mir, einem Mann von so guter Familie, wie Ihr, eine solche
Erniedrigung zuzumuten.  Nein, Bester, bis uns etwas Gescheiteres
einfaellt, will ich selbst mein bisschen Armut mit Euch teilen.  Wenn
ich es recht bedenke, bin ich ja nicht viel besser daran als Ihr, muss
mir auch von Gassenbuben und bigotten Vetteln, Aesthetikern und meinen
eigenen werten Kollegen die groessten Schnoedigkeiten gefallen lassen,
und seht, ich lebe noch und fuehle mich in meiner Haut tausendmal
wohler, als all das Gewuerm und Gesindel, das mir nicht das Leben goennt.
Coraggio! animo, amico mio!  Dieser rote Wein ist zwar nur ein
saeuerlicher Rachenputzer, aber ihr werdet Euch auch nicht zu oft in
Nektar guetlich getan haben, und corpo della Madonna! wenn zwei rechte
Kerls miteinander Bruederschaft trinken, so adeln sie den ordinaersten
Tropfen.

Damit reichte ich ihm meine Flasche, welche die Nanni wieder gefuellt
hatte, und klang, das Glas erhebend, mit ihm an, wozu er als zu einem
ganz neuen Brauch ein verdutztes Gesicht machte.  Ich winkte dann dem
Maedel, fuer neue Zufuhr zu sorgen, und so schwammen wir bald im
Ueberfluss und wurden guter Dinge.  Nach und nach machte unsere
Kordialitaet auch das Bauernvolk vertraulich.  Einige der Beherztesten
wagten sich wieder in den Hof und zogen, da ihnen nichts zuleide
geschah, bald die anderen nach sich.  Sie besahen nun den Fremdling
sorgfaeltig von allen Seiten.  Der Jude Anselm Freudenberg, der mit
Pferden handelte, erklaerte laut, dass um tausend Loisdors ein solcher
Hengst halb geschenkt waere, stuende nur nicht das unnatuerliche
Vorderteil im Wege.  Denn trotz der grossen Fortschritte beim Militaer
habe man noch nirgends Kavalleriepferde eingefuehrt, denen ihre Reiter
angewachsen waeren.  Eine vorwitzige Dirne wagte das Wundertier zu
beruehren und das samtweiche Fell am Bug zu streicheln.  Das ermutigte
den Schmied des Dorfes, behutsam den linken Hinterfuss aufzuheben, was
der Zentaur, der eben das siebente Seidel an die Lippen setzte, in
aller Gutmuetigkeit geschehen liess.  Es fiel ungemein auf, dass die
starken, lichtbraunen Hufe keine Spur irgend eines Beschlages zeigten,
und da auch sonst so vieles ganz anders war, als bei anderen
Reitpferden, erhob sich die Frage, welcher Rasse er angehoere.  Endlich,
nachdem man lange gestritten, tat der Schulmeister den Ausspruch, da
alle uebrigen Kennzeichen fehlten, werde es wohl die kaukasische Rasse
sein, wogegen selbst der Jude Freudenberg nichts einzuwenden wusste.

Waehrend aber so die oeffentliche Meinung sich eben mit dem Heidengreuel
auszusoehnen schien und er wenigstens, was man einen succes d'estime
nennt, davontrug, war eine boesartige Verschwoerung gegen den arglosen
Fremdling im Gange.  An der Spitze stand natuerlich die hochwuerdige
Geistlichkeit, die es fuer das Seelenheil ihrer Pfarrkinder sehr
nachteilig fand, sich mit einem gewiss ungetauften, voellig nackten und
wahrscheinlich sehr unsittlichen Tiermenschen naeher einzulassen.
Ebenso aufgebracht, wenn auch aus anderen Gruenden, aeusserte sich der
Italiener, der Besitzer des ausgestopften Kalbes mit zwei Koepfen und
fuenf Beinen.  Seit der Fremde erschienen war, hatte er mit seiner
Missgeburt schlechte Geschaefte gemacht.  Den Rossmenschen sah man gratis,
er war lebendig und trank und schwatzte, und wer wusste, ob er sich
nicht noch bewegen liess einige Kunstreiterstueckchen zum besten zu
geben, wozu das Kalb durchaus keine Miene machte.  Das konnte der
Italiener nicht so ruhig mit ansehen.  Es sei ein Unterschied, setzte
er dem Pfarrer auseinander, zwischen einem zuenftigen, von der Polizei
approbierten Naturspiel und einer ganz unwahrscheinlichen, nie
dagewesenen Missgeburt, die ohne Pass und Gewerbeschein das Land
unsicher mache und ehrlichen fuenfbeinigen Kaelbern das Brot vorm Maule
wegstehle.  Wenn das erst Sitte wuerde, dass solche Mondkaelber sich ohne
Entree sehen liessen, so waere es ja gar nicht mehr der Muehe wert, mit
einem Kopf zu wenig oder ein paar Gliedmassen zu viel auf der Welt zu
kommen.

Der hitzigste aber war der Dorfschneider, der Braeutigam der schoenen
Nanni.

Er hatte sich zwar, als das Ungetuem herantrabte, Hals ueber Kopf von
der Laube ins Haus gefluechtet und seinen Schatz, der sich nicht
fuerchtete, im Stich gelassen.  Aber durchs Fenster sah er desto
grimmiger mit an, wie vertraulich das Blitzmaedel mit dem hohen Herrn
schaekerte, seine Rosen annahm und ihn wohlgefaellig betrachtete,
waehrend er sich ihren Wein schmecken liess.  Was von dem Fremden ueber
die Brustwehr hervorragte, war wohl dazu angetan, den etwas schief
gedrechselten Schneider im Hinblick auf seine eigene duerftige Person
eifersuechtig zu machen.  Zudem hatte ihn die Nanni, als er ihr das
Unanstaendige ihres Betragens vorwarf, schnippisch genug abgefertigt
und erwidert: sie verbitte sich's, dass er den Fremden einen
unverschaemten Kerl, eine nackte Bestie, eine Staatsmaehre schimpfe.  Er
sei manierlicher und anstaendiger als manche Menschen, von denen
dreizehn aufs Dutzend gingen, und andere koennten froh sein, wenn sie
sich weniger zu schaemen brauchten, sich nackt zu zeigen.--Das stiess
dem Fass den Boden aus.  Zwar dem Maedel gegenueber huellte sich der
Beleidigte in ein naseruempfendes Stillschweigen, liess aber sein
Mundwerk desto zuegelloser laufen gegenueber dem Herrn Pfarrer, dem er
seine Not klagte: die neue Mode, die der Unbekannte eingefuehrt, muesse
das ganze Schneiderhandwerk ruinieren und ueberdies alle Begriffe von
Anstand und guter Sitte ueber den Haufen werfen.

Von diesen Kabalen wussten wir natuerlich nichts, sondern liessen uns
durch die wachsende Vertraulichkeit die uebrigen Kirchweihgaeste immer
mehr in die froehlichste Feststimmung einwiegen.  Der reichlich
genossene Wein tat das Uebrige, und so wenig meinem neuen Duzbruder das
Volk um uns her in den hohen Hueten und Hauben, mit schwerfaelligen
Stiefeln, kurzen Jacken und vielfaeltigen Roecken gefiel, war er doch
wohlgesittet genug, sich's nicht merken zu lassen und keinen
zurueckzuweisen, der ihm das volle Glas hinaufreichte.  Nachgerade aber
stieg ihm der Spuk zu Kopfe, seine Augen fingen an zu glaenzen, er liess
einige Naturlaute hoeren, die zwischen dem landueblichen Juhschreien und
gewoehnlichem Pferdegewieher die Mitte hielten, und als jetzt die
Musikanten, die lange pausiert hatten, frisch zu einem Schleifer
einsetzten, langte unser Freund, ohne ein Wort zu sagen, mit beiden
Armen ueber die Bruestung, umfasste die schoene Nanni, und setzte sie mit
einem leichten Schwunge sich auf den Ruecken, indem er sie durch
Zeichen anwies, sich in seiner wallenden Maehne festzuhalten.  Dann
begann er nach dem Takte der Musik sehr zierlich sich in Bewegung zu
setzen und in dem engen Raume zwischen Tischen und Baenken in den
gewandtesten Courbetten seine Kunst zu zeigen, waehrend die muntere
Dirne, ihre Arme fest um seinen Menschenleib geschlungen, dann und
wann mit der Ferse ihres kleinen Schuhes ihm in die Seite stiess, um
ihn zu einem rascheren Tempo anzufeuern.

Das Schauspiel sah sich so allerliebst mit an, dass alle anderen Taenzer
mit ihren Dirnen herauskamen und sich, um zuzuschauen, in einem
dichten Kreis um das Paar herumstellten.  Ich aergerte mich nur, dass
ich mein Skizzenbuch vergessen hatte und nirgends einen Fetzen Papier
auftreiben konnte.  So musste ich mich begnuegen, mit den Augen zu
studieren, und wahrhaftig, ich konnte mich nicht satt sehen an den
hundert wechselnden Wendungen und Gruppierungen, wie sie der immer
uebermuetiger und wilder herumwirbelnde Tanz an mir voruebergaukeln liess.

Als es aber etwa eine Viertelstunde gedauert hatte, nahm die
Herrlichkeit ploetzlich ein Ende mit Schrecken.  Zufaellig sah ich
einmal ueber den Hof hinaus ins Tal hinunter und bemerkte eine
bedenkliche Kavalkade, die sich auf der Strasse vom Tal herauf dem Dorf
naeherte: ein halb Dutzend reitender Landgendarmen und mitten unter
ihnen, mit eifrigen Gebaerden nach der Schenke hinaufdeutend, zwei
Zivilisten auf kleinen Bauernkleppern, in denen ich, als sie naeher
kamen, die beiden verbissenen Kabalenmacher, den Italiener und den
Dorfschneider, erkannte.  Ich rief meinem Freunde und Duzbruder in
meinem besten Griechisch zu, er moege auf der Hut sein; es sei auf ihn
abgesehen.  Man wolle sich, wie es scheine, tot oder lebendig seiner
Person bemaechtigen und die ganze Rache der Philister an seiner
Simsonsmaehne auslassen.  Aber es war umsonst.  Sei es, dass die Musik
meine Warnung uebertaeubte, oder dass der Rausch des bacchantischen
Tanzes den Trefflichen gegen jede Anwandlung von Furcht gefeit hatte,
genug, er hielt erst einen Augenblick inne, als die bewaffnete
Macht--die Denunzianten blieben weislich im Hintertreffen--am Hoftor
erschien, das dichtgedraengte Publikum erschrocken zurueckwich und nun
der Anfuehrer der Schergenbande, ein schnurrbaertiger Korporal mit
dickem Bauch, im allergroebsten Ton die Aufforderung an ihn ergehen
liess: auf der Stelle seinen Pass oder sein Wanderbuch vorzuweisen,
widrigenfalls er nach der Fronfeste unten im Staedchen gebracht und
gruendlich visitiert werden wuerde.

Der gute Bursch verstand natuerlich keine Silbe, konnte auch den
feindseligen Sinn der Worte nicht ahnen, da er aus seiner heroischen
Welt andere Begriffe von Gastfreundschaft mitgebracht hatte.  Also sah
er sich mit einem drolligen Ausdruck von Ratlosigkeit nach mir um, und
erst, als ich ihm erklaert hatte, dass diese breitmaeuligen Herren Jaeger
seien und er das Wild, und dass man im Sinne habe, ihn in einen Stall
zu sperren, wo er bei schmalem Futter ueber die Wohltat der Gesetze und
die Fortschritte der Kultur nachdenken koenne, ging ein veraechtliches
Laecheln ueber sein ehrliches Gesicht.  Er antwortete nur mit einem
Achselzucken, setzte sich dann, als beachte er diesen Zwischenfall
nicht im geringsten, langsam wieder in Galopp, wobei er die Haende des
Maedchens, die sich vor seiner Brust verschraenkten, sanft an sich
drueckte, und so, immer rascher und rascher im engen Kreise
herumsprengend, ersah er ploetzlich die Gelegenheit, nahm einen kecken
Anlauf und setzte mit einem prachtvollen Sprung--ungelogen wohl zwoelf
Schuh hoch und zwanzig weit--ueber die Koepfe der Bauern weg, dass nur
den letzten, die draussen standen, die Huete von den Schaedeln flogen.
Und waehrend die Weiber laut aufschrien, die Gendarmen fluchten und mit
gezogenem Seitengewehr ihm nachsetzten, auch ein paar unschaedliche
Pistolenkugeln ihm nachknallten, sprengte er ueber Wiesen und Felder
bergan, das entfuehrte Maedchen sicher auf seinem Ruecken haltend, wie
ein Loewe, der ein Lamm aus einer Schafhuerde geraubt hat und es unter
dem Schreien und Drohen der nachjagenden Hirten in seine Hoehle traegt.

Als es oben angekommen war, wo eine tiefe Schlucht den Abhang
durchschneidet, hielt er still und wandte sich zu seinen Verfolgern um,
die noch tief unter ihm in ohnmaechtiger Wut die Steile hinaufkeuchten.
Ich konnte sein Gesicht, selbst durch mein kleines Fernrohr, nicht
mehr deutlich erkennen, sah aber, dass er sich zu dem Maedchen
zurueckwandte und nun, wahrscheinlich von ihrer Angst und ihrem
klaeglichen Flehen geruehrt, ihre Haende losliess, so dass sie sacht von
seinem Ruecken auf die Wiese niedergleiten konnte.  Ihre Lage war
allerdings nicht die angenehmste.  So sehr ihr die ritterliche
Huldigung des Fremden geschmeichelt hatte, und eine so traurige Figur
ihr Schatz neben ihm spielte,--eine solide Versorgung konnte sie von
diesem reitenden Auslaender nicht erwarten.  Als sie daher merkte, dass
aus dem Spass Ernst werden sollte, behielt ihre praktische Natur die
Oberhand, und sie wehrte sich entschieden gegen alle Entfuehrungsgelueste.
Wie eine gejagte Gemse vor dem Treiber sprang sie von Stein zu Stein den
Abhang hinunter ihrem Schneider wieder in die Arme.

Der Zentaur sah ihr eine Weile nach, und meine Phantasie malte sich
deutlich den Ausdruck eines goettlichen Hohnes aus, der durch seine
Mienen blitzte und dann einer erhabenen Schwermut wich.  Als die wilde
Jagd mit Toben und Kreischen ihm auf die Weite eines Steinwurfs nahe
gekommen war, winkte er noch einmal mit der Hand hinunter--einen Gruss,
den ich wohl mir allein aneignen durfte--, schwenkte dann gelassen,
mit einer fast herausfordernden Wendung seines Hinterteils, nach
rechts ab und verschwand unseren nachstarrenden Blicken in der
pfadlosen Kluft, um nie wieder aufzutauchen.

Wir hatten alle andaechtig zugehoert, nur Rahl schien zu schlafen,
wenigstens blinzelten seine geschlitzten Satyraugen verdaechtig in den
Mondschein.  Als der Erzaehler jetzt schwieg, tat er einen tiefen
Seufzer und erhob sich vom Sitz, an der Wand herumtastend, wie um
seinen Hut vom Haken zu nehmen.

Accidente! wollt Ihr schon aufbrechen! sagte Genelli.  Hol die Pest
alle die feigen Schlafmuetzen!  Wir sind eben im besten Zuge--Die
Geschichte hat mir die Zunge ausgedoerrt--noch einen Spitz, Herr
Schimon!  Auf die Gesundheit aller revenants, die Zentauren mit
einbegriffen.  Sie haben zwar keine bleibende Staette in diesem
miserablen neunzehnten Jahrhundert und muessen sich wieder
hinausmassregeln lassen.  Aber sagt selbst: wenn man zu waehlen haette
zwischen dem Schneider, der das Glueck hat und die Braut heimfuehrt, und
jenem armen Burschen--ich wenigstens, so lange noch ein roter
Tropfen--aber corpo di Bacco!  Schimon, wo bleibt mein Carlowitzer?

Der Wirt naeherte sich mit ehrerbietiger, geheimnisvoller Miene, Sie
wissen, Herr Genelli, raunte er ihm zu, wenn es auf mich ankaeme--aber
beim besten Willen--die Instruktionen sind erst neulich verschaerft
worden, und ich habe einen Wischer bekommen, weil ich hier oben noch
eine halbe Minute nach Eins-Ah so, murmelte der alte Meister und stand
unwillig auf.  Immer die ewigen Scherereien.  Die Nacht ist ja noch
lang genug, und ob wir's hier oben einmal mit der Polizeistunde nicht
so genau nehmen, wem schadet's?  Aber man ist ein armer Tropf, und der
selige Achilleus hat recht:

Lieber ein Tageloehner im Licht, als Koenig der Schatten!

Geben Sie mir die Hand, Schuetz.  Es ist hier so verwuenscht dunkel,
oder sollte mir die Geschichte zu Kopf gestiegen sein?  Wo ist der
kleine Karl, uns heimzuleuchten?  Felice notte!

Damit ging er leicht auf den Arm des hageren Freundes gelehnt, voran,
ganz mit seinem alten ruestigen Schritt und aufrechter Haltung, aber
barhaupt, und so folgten ihm die andern.  Der kleine Karl schwankte,
ein Kellerlaempchen hoch ueber seinem Kopf haltend, voran, Schimon war
der letzte und wartete an der Tuer auf mich, als wolle er hinter mir
abschliessen.  Er tat es aber nicht, sprach auch kein Wort zu mir,
sondern sah mich nur mit einem wehmuetigen Zwinkern seiner kleinen
schwarzen Augen an, als wollte er sagen: wir haben bessere Zeiten
erlebt!--Waehrend wir durch den langen duesteren Hausgang schritten,
fiel es mir auf, dass ich keinen Fusstritt hoerte.  Und dann wollte auch
der Gang kein Ende nehmen, so hastig wir hindurchgingen.  Ich sah noch
deutlich ueber die Scheitel der anderen weg Genellis graues Haupt durch
das Zwielicht ragen, von dem Laempchen rot angeschienen.  Es fiel mir
aufs Herz, dass ich ihm noch so viel zu sagen hatte, vor allem ihn
fragen wollte, wann er hier wieder zu treffen sei.  Ich sputete mich,
ihm nachzukommen, und in der Tat trennten mich von ihm nur wenige
Schritte.  Aber je rascher ich ging, desto unerreichbarer blieb er mir.
Endlich trat mir der kalte Schweiss auf die Stirn, der Atem stockte
mir, ich fuehlte meine Fuesse wie von Bleigewichten an den Boden gezerrt.
--Nur ein paar Augenblicke will ich hier ausruhen, Herr Schimon! sagte
ich und sank auf eines der Faesser, die an der Wand standen.--Sagen Sie
es den Herren--sie sollen draussen auf mich warten!

Es kam keine Antwort.  Statt dessen fuhr ein scharfer Luftzug durch
die offene Tuer, verloeschte die Lampe des kleinen Karl und wehte mir in
das heisse Gesicht.  In demselben Augenblick droehnte es Eins vom
Frauenturm, und ich hoerte eine Stimme neben mir: Das Haus wird
geschlossen.  Ich muss schon bitten, Herr, dass sie sich eine andere
Schlafstelle suchen.

Erstaunt sah ich auf und starrte einem ganz unbekannten,
vierschroetigen Hausknecht ins Gesicht.

Verzeiht, guter Freund, stammelte ich, ich habe mich hier nur einen
Augenblick--die Herren sind ja auch eben erst gegangen.

Ja so, sagte er, Sie gehoeren zu der geschlossenen Gesellschaft, die
hier einmal in der Woche Tarock spielt.  Wenn ich sie etwa nach Hause
bringen soll-Ich erhob mich rasch und trat auf die Strasse hinaus.
Meine Stirn war kuehl geworden, das Herz desto waermer, und wie ich
gegen den Mondhimmel sah, an dem leichtes Gewoelk in phantastischen
Streifen hinzog, summte ich leise die Worte:

Wolkenzug und Nebelflor
Erhellen sich von oben;
Luft im Laub und Wind im Rohr--
Und alles ist zerstoben.


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der letzte Zentaur, von Paul Heyse.




*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER LETZTE ZENTAUR ***

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